Neue Szene_21-10_Epaper
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Christopher Andersen ist wohl alles andere als das, was man sich unter dem typischen Vorsitzenden einer Ortsgruppe der
Jungen Union vorstellt. Hemd und Trachtenjanker sucht man bei dem 20-Jährigen vergebens, stattdessen präsentiert er
sich lieber im lässigen Look und mit pinker Sonnenbrille. Auch politisch ist der Nachwuchspolitiker dafür bekannt, neue
CWege zu gehen. Erst vor Kurzem sorgte sein Ortsverband mit dem Vorschlag einer Legalisierung von Cannabis für Furore.
CWir haben ihn auf eine Runde Hot Wings bei Kentucky Fried Chicken getroffen. Interview und Bild: Moritz Winkler
Christopher, wir sitzen im KFC in Augsburg. Sie würde den Fokus der Strafverfolgung von
CHier hast du zuletzt mit deinem Ortsverband harmlosen Kiffern auf echte Kriminelle verlagern
Cauch deinen Stammtisch abgehalten. Geht und mehr Hilfsangebote für Personen mit ungesundem
Konsumverhalten schaffen.
Cman als konservativer Nachwuchs der CSU
Cnicht normalerweise ins bayerische Wirts-
haus?
Wie steht deine Partei dazu?
Das Wirtshaus ist natürlich der Klassiker.
Diese sicherheits- und gesundheitspolitischen
Themen sind eigentlich Kernanliegen der
Aber wie das bei Klassikern eben so ist, auf die
Dauer kann es schnell langweilig werden. Ich Union – sie weiß das anscheinend nur noch nicht.
wollte einfach mal etwas frischen Wind in die Stattdessen zeigen wir uns als Union, die anderen
Sache bringen, was übrigens auch bei den anderen
Mitgliedern sehr gut angekommen ist. Mal bei diesem Thema eher widersprüchlich.
Parteien gerne vorwirft, Verbotsparteien zu sein,
schauen, vielleicht geht‘s ja das nächste Mal zum
Dönerladen um die Ecke.
Frischer Wind ist auch ein gutes Stichwort für
eure letzte gemeinsame Ortsvorstandssitzung.
Dort habt ihr euch für die Legalisierung von
Cannabis ausgesprochen.
Alles hat mit meiner Abiturprüfung im Sommer
angefangen. Damals habe ich zur Feier des
Tages ein Bild mit einem Bier-beladenen Bollerwagen
auf Twitter gepostet. Anscheinend hat das
auch der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig
gefallen. Jedenfalls hat sie den Beitrag geliked
und dafür einen riesigen Shitstorm unter dem
Vorwurf der Doppelmoral abbekommen. Weil sie
bei Gras die harte Linie der Bundesregierung vertritt,
dann aber bei einem „Saufbild“ auf Twitter
einfach so einen Like dalässt. Richtig Öl ins Feuer
gegossen wurde aber erst, als die Story als Glosse
in der Süddeutschen Zeitung aufgetaucht ist. Das
war für mich dann der Stein des Anstoßes, um
eine innerparteiliche Debatte anzuregen.
Wo liegen denn die Vorteile einer Legalisierung
von Cannabis?
Trotz Verbot konsumieren immer mehr
Menschen Cannabis und setzen sich dabei nicht
nur gesundheitlichen Gefahren aus. Kein Mensch
kontrolliert schließlich die Inhaltsstoffe der Ware
oder das Alter der Kunden. Eine Legalisierung
würde das ändern und gleichzeitig auch unser Justizsystem
entlasten, das im Moment unglaublich
viele Mittel für die Strafverfolgung von Konsumenten
aufwendet, die woanders dringender
gebraucht werden. Mit einer Besteuerung von
Cannabis könnte der Staat dagegen sogar noch
Einnahmen generieren und Aufklärungs- und
Präventionsarbeit fördern. Damit wäre unserer
Gesellschaft, aber auch jedem einzelnen Konsumenten
mehr geholfen als durch eine generelle
Kriminalisierung aller Kiffer. Eine Legalisierung
würde mehr Sicherheit für die Allgemeinheit und
auch für den einzelnen Konsumenten bedeuten.
Wie fielen denn bisher die Reaktionen von
Presse und Parteifreunden auf euren Vorschlag
konkret aus?
Medial gab es großes Aufsehen. Dass die Entscheidung
eines JU-Ortsverbandes für so großen
Wirbel sorgt, zeigt, dass die CSU an dieser Stelle
eine offene Flanke hat. Von der Jungen Union,
aber auch von alteingesessenen CSUlern gab es
für den Vorstoß Unterstützung. Viele Mitglieder
Sicherheits- und gesundheitspolitische Themen
sind eigentlich Kernanliegen der Union – sie weiß
das anscheinend nur noch nicht.
haben sich gefreut, dass die JU wieder Themen
gegen die eigene Parteilinie vorantreibt. Schließlich
galt die Jugendorganisation früher einmal
als der Stachel im Fleisch der CSU, dieses Profil
können wir, wenn es nach mir geht, gerne wieder
mehr schärfen.
Welche politischen Themen liegen dir, abgesehen
von der Drogenpolitik, noch am Herzen?
Ganz klar Europa, vor allem im Hinblick auf
China. Ich bin deutsch-dänischer Staatsbürger
und auch bei unserer dänischen Schwesterpartei
„Konservativ Ungdom“ aktiv. Der ehemalige
Vorsitzende Anders Storgaard, der ein Freund von
mir ist, hat gemeinsam mit dem Vorsitzenden einer
anderen Jugendpartei einem Demokratieaktivisten
aus Hongkong geholfen, über Dänemark ins Exil
zu flüchten. Anfang des Jahres wurden die beiden
dann vom dänischen Geheimdienst informiert,
dass gegen sie ein internationaler Haftbefehl vorliegt
und sie das Land nicht mehr ohne geheimdienstliche
Absprache verlassen dürfen, da sie sonst
Gefahr laufen, nach China ausgeliefert zu werden.
Das ging mir sehr nahe und hat mich schockiert.
Es gibt tatsächlich viele solcher besorgniserregender
Geschichten über China.
Allerdings! China versucht seine Kritiker
mundtot zu machen, um so Stück für Stück
unsere demokratischen Systeme auszuhebeln.
Und das schlimme ist, sie haben damit offensichtlich
noch Erfolg, denn keiner traut sich, aus Angst
vor den Konsequenzen, etwas dagegen zu sagen.
Das ist neben dem Klimawandel eines der größten
Probleme unserer Zeit, das es zu lösen gilt. Ich
hoffe, dass die neue Bundesregierung beides noch
etwas beherzter anpackt!
Wer durch deine Social Media Accounts
scrollt, dem fällt direkt die pinke Sonnenbrille
auf, die du auf fast all deinen Fotos trägst. Gibt
es eine Geschichte dahinter?
Na klar. Auf der JU-Landesversammlung 2019
habe ich sie mir an einem Stand ergattert. Einige
Wochen später waren wir dann mit der Schule
in Berlin auf Klassenfahrt. Dort habe ich die Brillenkette
gesehen und die perfekte Kombination
war geboren! Was eigentlich als Witz nach ein
paar Parteitags-Freibieren anfing, wurde so zum
alltäglichen modischen Accessoire mit Wiedererkennungswert.
Wie sehen denn deine Pläne nach bestandenem
Abitur aus?
Für mich geht es jetzt erst einmal gemeinsam
mit meinem Freund für zehn Monate nach
Kopenhagen auf ein Gap-Year. Wie es danach
weitergeht, weiß ich noch nicht. Vielleicht hänge
ich einfach noch ein weiteres Jahr dran.
Wie wäre es mit einer Karriere in der Politik?
Die strebe ich bewusst nicht an und bleibe
dafür lieber unabhängig. Es gibt schon genügend
„Berufs-JUler”, wie ich sie gern nenne, die
unbedingt in der Partei Karriere machen wollen
und sich dafür vollkommen anpassen. Ich bleibe
lieber der bunte Vogel, der seine eigene Meinung
hat und der eigenen Partei auch mal Kontra gibt,
wenn er mit etwas nicht einverstanden ist. (mw)