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Christopher Andersen ist wohl alles andere als das, was man sich unter dem typischen Vorsitzenden einer Ortsgruppe der

Jungen Union vorstellt. Hemd und Trachtenjanker sucht man bei dem 20-Jährigen vergebens, stattdessen präsentiert er

sich lieber im lässigen Look und mit pinker Sonnenbrille. Auch politisch ist der Nachwuchspolitiker dafür bekannt, neue

CWege zu gehen. Erst vor Kurzem sorgte sein Ortsverband mit dem Vorschlag einer Legalisierung von Cannabis für Furore.

CWir haben ihn auf eine Runde Hot Wings bei Kentucky Fried Chicken getroffen. Interview und Bild: Moritz Winkler

Christopher, wir sitzen im KFC in Augsburg. Sie würde den Fokus der Strafverfolgung von

CHier hast du zuletzt mit deinem Ortsverband harmlosen Kiffern auf echte Kriminelle verlagern

Cauch deinen Stammtisch abgehalten. Geht und mehr Hilfsangebote für Personen mit ungesundem

Konsumverhalten schaffen.

Cman als konservativer Nachwuchs der CSU

Cnicht normalerweise ins bayerische Wirts-

haus?

Wie steht deine Partei dazu?

Das Wirtshaus ist natürlich der Klassiker.

Diese sicherheits- und gesundheitspolitischen

Themen sind eigentlich Kernanliegen der

Aber wie das bei Klassikern eben so ist, auf die

Dauer kann es schnell langweilig werden. Ich Union – sie weiß das anscheinend nur noch nicht.

wollte einfach mal etwas frischen Wind in die Stattdessen zeigen wir uns als Union, die anderen

Sache bringen, was übrigens auch bei den anderen

Mitgliedern sehr gut angekommen ist. Mal bei diesem Thema eher widersprüchlich.

Parteien gerne vorwirft, Verbotsparteien zu sein,

schauen, vielleicht geht‘s ja das nächste Mal zum

Dönerladen um die Ecke.

Frischer Wind ist auch ein gutes Stichwort für

eure letzte gemeinsame Ortsvorstandssitzung.

Dort habt ihr euch für die Legalisierung von

Cannabis ausgesprochen.

Alles hat mit meiner Abiturprüfung im Sommer

angefangen. Damals habe ich zur Feier des

Tages ein Bild mit einem Bier-beladenen Bollerwagen

auf Twitter gepostet. Anscheinend hat das

auch der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig

gefallen. Jedenfalls hat sie den Beitrag geliked

und dafür einen riesigen Shitstorm unter dem

Vorwurf der Doppelmoral abbekommen. Weil sie

bei Gras die harte Linie der Bundesregierung vertritt,

dann aber bei einem „Saufbild“ auf Twitter

einfach so einen Like dalässt. Richtig Öl ins Feuer

gegossen wurde aber erst, als die Story als Glosse

in der Süddeutschen Zeitung aufgetaucht ist. Das

war für mich dann der Stein des Anstoßes, um

eine innerparteiliche Debatte anzuregen.

Wo liegen denn die Vorteile einer Legalisierung

von Cannabis?

Trotz Verbot konsumieren immer mehr

Menschen Cannabis und setzen sich dabei nicht

nur gesundheitlichen Gefahren aus. Kein Mensch

kontrolliert schließlich die Inhaltsstoffe der Ware

oder das Alter der Kunden. Eine Legalisierung

würde das ändern und gleichzeitig auch unser Justizsystem

entlasten, das im Moment unglaublich

viele Mittel für die Strafverfolgung von Konsumenten

aufwendet, die woanders dringender

gebraucht werden. Mit einer Besteuerung von

Cannabis könnte der Staat dagegen sogar noch

Einnahmen generieren und Aufklärungs- und

Präventionsarbeit fördern. Damit wäre unserer

Gesellschaft, aber auch jedem einzelnen Konsumenten

mehr geholfen als durch eine generelle

Kriminalisierung aller Kiffer. Eine Legalisierung

würde mehr Sicherheit für die Allgemeinheit und

auch für den einzelnen Konsumenten bedeuten.

Wie fielen denn bisher die Reaktionen von

Presse und Parteifreunden auf euren Vorschlag

konkret aus?

Medial gab es großes Aufsehen. Dass die Entscheidung

eines JU-Ortsverbandes für so großen

Wirbel sorgt, zeigt, dass die CSU an dieser Stelle

eine offene Flanke hat. Von der Jungen Union,

aber auch von alteingesessenen CSUlern gab es

für den Vorstoß Unterstützung. Viele Mitglieder

Sicherheits- und gesundheitspolitische Themen

sind eigentlich Kernanliegen der Union – sie weiß

das anscheinend nur noch nicht.

haben sich gefreut, dass die JU wieder Themen

gegen die eigene Parteilinie vorantreibt. Schließlich

galt die Jugendorganisation früher einmal

als der Stachel im Fleisch der CSU, dieses Profil

können wir, wenn es nach mir geht, gerne wieder

mehr schärfen.

Welche politischen Themen liegen dir, abgesehen

von der Drogenpolitik, noch am Herzen?

Ganz klar Europa, vor allem im Hinblick auf

China. Ich bin deutsch-dänischer Staatsbürger

und auch bei unserer dänischen Schwesterpartei

„Konservativ Ungdom“ aktiv. Der ehemalige

Vorsitzende Anders Storgaard, der ein Freund von

mir ist, hat gemeinsam mit dem Vorsitzenden einer

anderen Jugendpartei einem Demokratieaktivisten

aus Hongkong geholfen, über Dänemark ins Exil

zu flüchten. Anfang des Jahres wurden die beiden

dann vom dänischen Geheimdienst informiert,

dass gegen sie ein internationaler Haftbefehl vorliegt

und sie das Land nicht mehr ohne geheimdienstliche

Absprache verlassen dürfen, da sie sonst

Gefahr laufen, nach China ausgeliefert zu werden.

Das ging mir sehr nahe und hat mich schockiert.

Es gibt tatsächlich viele solcher besorgniserregender

Geschichten über China.

Allerdings! China versucht seine Kritiker

mundtot zu machen, um so Stück für Stück

unsere demokratischen Systeme auszuhebeln.

Und das schlimme ist, sie haben damit offensichtlich

noch Erfolg, denn keiner traut sich, aus Angst

vor den Konsequenzen, etwas dagegen zu sagen.

Das ist neben dem Klimawandel eines der größten

Probleme unserer Zeit, das es zu lösen gilt. Ich

hoffe, dass die neue Bundesregierung beides noch

etwas beherzter anpackt!

Wer durch deine Social Media Accounts

scrollt, dem fällt direkt die pinke Sonnenbrille

auf, die du auf fast all deinen Fotos trägst. Gibt

es eine Geschichte dahinter?

Na klar. Auf der JU-Landesversammlung 2019

habe ich sie mir an einem Stand ergattert. Einige

Wochen später waren wir dann mit der Schule

in Berlin auf Klassenfahrt. Dort habe ich die Brillenkette

gesehen und die perfekte Kombination

war geboren! Was eigentlich als Witz nach ein

paar Parteitags-Freibieren anfing, wurde so zum

alltäglichen modischen Accessoire mit Wiedererkennungswert.

Wie sehen denn deine Pläne nach bestandenem

Abitur aus?

Für mich geht es jetzt erst einmal gemeinsam

mit meinem Freund für zehn Monate nach

Kopenhagen auf ein Gap-Year. Wie es danach

weitergeht, weiß ich noch nicht. Vielleicht hänge

ich einfach noch ein weiteres Jahr dran.

Wie wäre es mit einer Karriere in der Politik?

Die strebe ich bewusst nicht an und bleibe

dafür lieber unabhängig. Es gibt schon genügend

„Berufs-JUler”, wie ich sie gern nenne, die

unbedingt in der Partei Karriere machen wollen

und sich dafür vollkommen anpassen. Ich bleibe

lieber der bunte Vogel, der seine eigene Meinung

hat und der eigenen Partei auch mal Kontra gibt,

wenn er mit etwas nicht einverstanden ist. (mw)

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