Echo Nr 167

Das Magazin des Vereins «Zum Schutz des Alpengebietes» Das Magazin des Vereins «Zum Schutz des Alpengebietes»

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www.alpeninitiative.chwww.facebook.com/alpeninitiativeechoNummer 167 / September 2021erscheint fünf Mal pro JahrDas Magazin des Vereins«Zum Schutz des Alpengebietes»Foto: Christof HirtlerNeues Feuer für den Schutz der AlpenDer neue Geschäftsleiter DjangoBetschart (30) führt den Alpenschutzmif. Mutwillig hat die Politik den Transportanbieternauf der Schiene die Sub venweltschädlichePolitik protestiert. Und:Während Lucia Lauener-Zwyer Leiterinin die Zukunft. Mit einem tionsgelder gestrichen und sie in den freien Finanzen und Organisa tion bleibt, rücktWettbewerb gegen bevorteilte Lastwagenunternehmengeschickt. Mit verhee rendenDjango neu zum Geschäftsleiter auf.Alpenfeuer gegen den Kahlschlagim Güterverkehr und einer griffigenFolgen für die Bahninfrastruktur, die Rückverlagerungauf die Strasse ist Tat sache. erläutern die beiden im Interview.Was das für die Alpen-Initiative bedeutet,Verkehrspolitik. Zusätzlich packter die neue Stossrichtung Klimaschutzin den Alpen an.Mit dem Alpenfeuer auf dem Niederbauenhat die Alpen-Initiative gegen diese um­Fortsetzung auf Seite 2Die Zukunft der Alpen-Initiative 2/3Unkontrollierte LKW-Tempi 4/5Kein Kahlschlag im Güterverkehr 51

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echo

Nummer 167 / September 2021

erscheint fünf Mal pro Jahr

Das Magazin des Vereins

«Zum Schutz des Alpengebietes»

Foto: Christof Hirtler

Neues Feuer für den Schutz der Alpen

Der neue Geschäftsleiter Django

Betschart (30) führt den Alpenschutz

mif. Mutwillig hat die Politik den Transportanbietern

auf der Schiene die Sub venweltschädliche

Politik protestiert. Und:

Während Lucia Lauener-Zwyer Leiterin

in die Zukunft. Mit einem tionsgelder gestrichen und sie in den freien Finanzen und Organisa tion bleibt, rückt

Wettbewerb gegen bevorteilte Lastwagenunternehmen

geschickt. Mit verhee renden

Django neu zum Geschäftsleiter auf.

Alpenfeuer gegen den Kahlschlag

im Güterverkehr und einer griffigen

Folgen für die Bahninfrastruktur, die Rückverlagerung

auf die Strasse ist Tat sache. erläutern die beiden im Interview.

Was das für die Alpen-Initiative bedeutet,

Verkehrspolitik. Zusätzlich packt

er die neue Stossrichtung Klimaschutz

in den Alpen an.

Mit dem Alpenfeuer auf dem Niederbauen

hat die Alpen-Initiative gegen diese um­

Fortsetzung auf Seite 2

Die Zukunft der Alpen-Initiative 2/3

Unkontrollierte LKW-Tempi 4/5

Kein Kahlschlag im Güterverkehr 5

1


Neue Geschäftsleitung

«Unsere Leidenschaft gilt dem

Lebensraum Alpen»

Foto: Christof Hirtler

Fahnenübergabe vor prächtiger Alpenkulisse auf dem Niederbauen: Django Betschart, Lucia Lauener und Präsident Jon Pult (Mitte).

Fahnenübergabe bei der Alpen -

Initiative. Django Betschart ist

neuer Geschäftsleiter, Lucia

Lauener-Zwyer behält die Leitung

von Finanzen und Organisation.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Django, sind unter deiner Leitung grosse

Veränderungen zu erwarten?

Grundidee und Grundhaltung der Alpen-

Initiative hat mich vor drei Jahren zum

Stellenantritt als Leiter Alpenschutzpolitik

motiviert. Daraus ist Herzblut geworden.

Das Bild von den Maultieren, die

1989 die Unterschriften zur Alpeninitiative

über die Pässe bis zum Bundeshaus

trugen, ist für mich wegweisend. Kreative

und wirksame Aktionen bestimmen unsere

Tätigkeit. Hartnäckig gehen wir Schritt

für Schritt voran, um unsere Ziele zu erreichen.

Kontinuität heisst aber auch, mit

der Zeit zu gehen, sich unterwegs laufend

neu zu orientieren. Dies packe ich nun gemeinsam

mit unseren Mitgliedern, Gremien

und Mitarbeitenden an.

Lucia, du wechselst die Rolle. Was

hält dein Feuer nach 25 Jahren Alpen-

Initiative noch am Brennen?

Die Alpen-Initiative ist meine Leidenschaft.

Ich durfte sie politisch wie auch

organisatorisch mitgestalten. Nun möchte

ich etwas kürzer treten, darum gebe ich

die Gesamtverantwortung weiter. Gemeinsam

mit den Mitgliedern, Spenderinnen

und Sympathisanten der Alpen-Initiative

möglichst viel Wirkung und Veränderung

in der Politik und der Gesellschaft zu erzielen,

ist stets mein Credo. Der Lebensraum

Alpen braucht Schutz, heute mehr

denn je. Die Alpen-Initiative ist DIE Alpenschutzorganisation

der Schweiz. Mir ist es

wichtig, dass wir uns auch den heutigen

Problemen stellen. Die Alpen brauchen

« Aus der Motivation ist Herzblut

geworden. »

Django Betschart

Klimaschutz. Django kann diese Herausforderung

nun mit der nächsten Genera

tion anpacken und zukunftsträchtige

Lösungen für unsere Alpen entwickeln.

Djangos Generation kennt das Grundproblem

mit den Lastwagenlawinen

durch die Alpen nicht. Ist das eine

Hypothek?

Lucia: Wir haben die Lastwagenlawine

aufgehalten. 1,4 Mio. Lastwagen haben im

Jahr 2000 die Alpen durchquert, heute

sind es noch 863'000. Das haben wir erreicht.

Gesetzeswidrig und massiv zu

hoch ist diese Zahl noch immer. Ohne uns

wären es mehr, die 2,3 Mio. Lastwagen

am Brenner erinnern uns daran. Bei uns

haben die jüngeren Leute andere Sorgen.

2 echo – Nr. 167 / September 2021


Django: Die umweltschädlichen Lastwagen

gehören für viele leider wie selbstverständlich

zum Strassenbild. Erreichen

können wir Gesellschaft und Politik in

unserem Kernthema trotzdem: Indem

wir die konkreten Folgeschäden für die

Lokalbevölkerung und unsere Umwelt

schmerzlich sichtbar machen. Zwar haben

wir den Alpenschutzartikel und zahlreiche

Folgegesetze dank unseren Mitgliedern

und dem Stimmvolk erkämpft.

Für die heutigen Herausforderungen brauchen

wir aber auch die Unterstützung der

neuen Generationen.

Lucia: Die Alpen-Initiative kann Menschen

für ihre Ziele begeistern. Darin liegt ihre

grosse Kraft: Aus einer erfolgreichen Abstimmungskampagne

entstanden, können

wir die Leute heute noch zum Schutz der

Alpen mobilisieren. Wir investieren nach

wie vor in Kampagnen und Aktionen,

müssen aber gleichzeitig erst noch das

Geld dafür einholen. Das geht nur mit

starken Argumenten.

Wo legt die Alpen-Initiative die nächsten

Schwerpunkte, Django?

Django: Wir setzen uns für die Menschen

ein, die in den Alpen leben und mit ihnen

verbunden sind. Da steckt eine Emotion

und Vision dahinter, die über die getreue

Umsetzung des Alpenschutzartikels hinausgeht.

Verkehr vermeiden, verlagern

und verträglicher gestalten. Mit diesem

Programm wollen wir weiterhin zu umweltverträglichen

Transporten beitragen

und die Schiene fördern. So viele Güter

wie möglich auf die Bahn zu bringen, damit

nur noch maximal 650'000 Lastwagen

jährlich die Alpen queren, ist nur unser

Minimalziel. Der Schutzbedarf der Alpen

geht weit darüber hinaus.

Kannst du das näher erläutern?

Django: Unsere neue Stossrichtung betrifft

den Klimawandel in den Alpen. Dieser

findet hier und jetzt statt. Die Auswirkungen

haben wir diesen Sommer erneut gespürt.

Mit geeigneten Massnahmen wollen

wir die Klimaneutralität im Alpenraum

fördern. Die Ausgestaltung und Weiterentwicklung

des Alpenraums soll ohne

Zuwachs von klimaverändernden Emissionen

erfolgen. Die Widerstandsfähigkeit

der Alpen gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen

gilt es zu stärken.

Mit welchen konkreten Massnahmen

setzt die Alpen-Initiative diese neuen

Zielsetzungen um?

Django: Die Alpenbevölkerung verfügt

über Eigeninitiative. Mit Hilfe zur Selbsthilfe

können wir einiges mit anstossen. Es

bestehen zahlreiche Klimapionierprojekte

und lokale Initiativen, die die Klimaneutralität

fördern und die Klimaresilienz der

Alpen stärken. Wir vernetzen Klima pioniere

und Unterstützungswillige und ebnen

ihnen den Weg in Politik, Wirtschaft

und Gesellschaft. Das ist aber nur der

Auftakt. Weitere Ideen und Projekte zum

Klimaschutz werden folgen. So leistet der

« Die Alpen-Initiative kann

Menschen begeistern. Darin liegt

ihre grosse Kraft. » Lucia Lauener

Lebensraum Alpen seinen Beitrag im globalen

Kampf gegen die Erderwärmung.

Die Alpen-Initiative darf sich über eine

sehr treue Mitgliederbasis freuen. Steht

diese voll hinter dem umfassenderen

Umweltschutz für das Alpengebiet?

Lucia: Unsere Unterstützerinnen und Unterstützer

lieben die Alpen und sind daher

auch empfänglich für Erläuterungen zur

Klimaproblematik vor Ort. Solange wir

glaubwürdig aufzeigen, dass wir zu spürbaren

Verbesserungen beitragen können,

werden sie unsere Arbeit weiterhin fördern.

Davon bin ich überzeugt. Für eine

tragfähige Zukunft wollen wir zudem

mehr junge Leute für den Alpenschutz gewinnen.

Django: Wichtig ist, dass wir den Dialog

mit unseren Mitgliedern auf Augenhöhe

führen. Das gilt auch für die Diskussionen

mit politischen Verantwortungsträgern,

Behörden, Partnern und gegnerischen

Kräften. Gegenüber unseren Dialogpartnern

bleiben wir stets fair und korrekt. In

der Sache agieren wir aber entschlossen.

Unseren Alpen sind wir es schuldig, den

Druck aufrechtzuerhalten. Schliesslich

gilt dem Erhalt dieses wertvollen Lebensraums

unsere Leidenschaft.

Herzlichen Dank, Lucia Lauener, für 25 Jahre Engagement

Für die Alpen-Initiative hat Lucia Lauener nicht nur 25 Jahre

gearbeitet. Sie hat für sie gelebt. Die Alpen-Initiative hat aber

auch von ihr gelebt – und sie tut es noch heute. Stets war mir

und uns Lucia ein sicherer Rückhalt. Besonders zu Anfang

meiner Amtszeit nach der Pensionierung von Alf Arnold. Sie

hat mir den Grundgedanken der Alpen-Initiative immer wieder

vor Augen gehalten.

Lucia hat die Alpen-Initiative geprägt. Zunächst im Dreiergespann.

Später ist sie mit der Keimzelle des Widerstands

gegen den Transitverkehr mitgewachsen. Vordergründig

sichtbar war Lucia als Aktivistin und Kampagnenführerin. Im

Hintergrund hat sie den Dialog mit den Mitgliedern ebenso

wie die Organisation aufgebaut. Jede Herausforderung hat

sie als Chance genutzt, um die Geschäftsstelle auf die wachsenden

Anforderungen auszurichten und zu professionalisieren.

Als Seele der Organisation hielt sie zuletzt als Geschäftsführerin

alle Fäden in der Hand. Bis in operative Details brachte

sie sich ein, sofern sie sich davon einen Nutzen für den

Alpenschutz und die Alpen-Initiative versprach. Spuren hat

sie inhaltlich und organisatorisch hinterlassen. So bei wegweisenden

Kampagnen wie jenen zur Einführung der LSVA

1998, zum Widerstand gegen die Avanti-Initiative 2004/05

und gegen die zweite Gotthardröhre 2014 – 16. Hinzu kommen

zahlreiche ebenso aufregende wie kreative Aktionen.

Lucia, Du hast dafür gesorgt, dass der Apen-Initiative weder

die Ideen noch die erforderliche Unterstützung ausgingen. Du

hast nicht nur einen Nachfolger aufgebaut. Du bleibst uns als

Leiterin Finanzen und Organisation erhalten. Damit leistest du

einmal mehr dein Bestes für den Alpenschutz. Der Dank von

uns allen kann nicht gross genug sein.

Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative

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Zu hohe LKW-Tempi

Lastwagen reizen über Gebühr Toleranzen

und Schlupflöcher aus

Cartoon: Diego Balli

80 km/h dürfen sie nicht überschreiten. Doch befahren viele Lastwagen

die Autobahnen mit 85-90 km/h. Sie riskieren dabei sehr wenig. Zumal

die Geschwindigkeit vieler Lastwagen genau darauf begrenzt ist.

mif. Reisebusse ohne Anhänger dürfen bis

zu 100 km/h schnell über die Schweizer

Autobahn fahren. Das Tempolimit für

Lastwagen liegt bei 80 km/h. Unterwegs

sind sie aber durchschnittlich mit knapp

90 km/h. Der Bundesrat bestätigt diese

umweltschädliche und wettbewerbsverzerrende

Tatsache.

Was strikte 80 km/h bringen

würden

n Senkung der CO 2 -Emissionen um

6 – 8 %: Laut einer für Österreich erhobenen

Studie würde dies dort 100'000 Tonnen

CO 2 pro Jahr einsparen

n Mehr Sicherheit im Verkehr: Schnellere

Lastwagen verursachen aufgrund des

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Gewichts und verlängerter Bremswege

deutlich schwerere Unfälle.

n Lärmminderung im Äquivalent von

20% weniger Verkehr: Kostenintensive

Lärmschutzmassnahmen könnten teils eingespart

werden.

n Stärkung des Schienentransports: Das

strikte Einhalten der Lastwagentempi auf

Autobahnen verhindert zwischen Basel

und Chiasso eine gesetzeswidrige Zeitersparnis

von 15 bis 20 Minuten – Zeit, die

für den Schienenverlad genutzt werden

könnte.

Maximal 650'000 alpenquerenden Lastwagen

dürften pro Jahr die Alpen queren,

2020 waren es immer noch 863'000. Die

überhöhten Tempi bremsen das gesetzliche

Verlagerungsziel aus. Der Bundesrat

hat diesen von Alpenrat Michael Töngi

2019 vorgebrachten Missstand zwar bejaht.

Doch geändert hat sich nichts. Auch

in Frankreich oder Spanien bestehe ein

Tempolimit von 90 km/h. 80 km/h sei

gegen über ausländischen Chauffeuren

kaum durchsetzbar. Schweizer Lastwagen

auf 80 km/h zu plombieren, würde bedeuten,

dass diese im Ausland die erlaubte

Geschwindigkeit nicht ausnutzen könnten.

Die Geschwindigkeitskontrolle liege zudem

in der Hoheit der Kantone. Die Alpen­

Initiative hat bei diesen nachgefragt und

folgende Knackpunkte festgestellt.

Schwierigkeiten bei der

Umsetzung Tempo 80 km/h

n Toleranzwerte und Europatauglichkeit:

Lastwagen dürfen in Ländern wie

etwa Frankreich oder Spanien bis 90 km/h

echo – Nr. 167 / September 2021


IN KÜRZE

fahren. Viele dieser Fahrzeuge sind auf

85 bis 89 km/h begrenzt. Lastwagen mit

Maximalgeschwindigkeit bis 89 km/h

werden unter Berücksichtigung des Toleranzabzugs

von mindestens 5 km/h und

einem verbleibenden Busswert von 20

Franken kaum je gebüsst.

n Erschwerte Detektierbarkeit: Die

meisten stationären Messegeräte können

Reisebusse (bis 100 km/h) nicht von Lastwagen

unterscheiden. Bei Einstellung 100

km/h bestehen keine Probleme für Lastwagen.

Einstellung 80 km/h büsst alle Reisebusse

zwischen 85 und 105 km/h mit. Sie

müssen nachträglich aussortiert werden.

n Grenzen mobiler Kontrollen: Mobile

Geschwindigkeitskontrollen müssen höhere

Toleranzen abziehen. Bei 89/90 km/h

führt dies kaum zum Erfolg.

n Schwerverkehrskontrollzentren (SVZ)

können nicht einschreiten: Sie prüfen

Fahrzeugzustand und Einhalten der Ruheund

Arbeitszeit. Fahrtenschreiber auf Geschwindigkeiten

nachzukontrollieren, ist

nur bei begründetem Verdacht auf eine

Geschwindigkeitsübertretung zulässig.

Fazit: Das Gros der Lastwagen fährt 85

bis 90 km/h auf der Nord-Südachse. Die

Umstände erlauben das, dem Gesetz entspricht

es jedoch nicht. Der Schweizerische

Nutzfahrzeugeverband ASTAG empfiehlt

gar offiziell den Tempomat für Lastwagen

auf 85 km/h einzustellen. Anfragen

bei der Kantonspolizei Uri laufen ins

Leere: Es könnten keine nennenswerten

Geschwindigkeitsübertretungen festgestellt

werden. In Berücksichtigung der genannten

Umstände ist das ebenso verständlich

wie glaubhaft. Leider.

Gegen Kahlschlag im Schienen güterverkehr

Die 2016 überstürzte Entlassung von

SBB Cargo in den freien Wettbewerb

ist ein Fehlschlag. Die Lastwagen

verdrängen im Import-, Export- wie

auch Inlandtransport die umweltfreundliche

Bahn. Nur im Transitverkehr

wächst der Anteil der Bahntransporte.

Jon Pult, Präsident der Alpen-

Initia tive, dazu: «Der Schienentransport

muss dringend faire Wettbe -

werbsbedingungen erhalten.»

Wir brauchen…

n einen definierten Mindestanteil

der Schiene im Export- und Importsowie

im Inlandgüterverkehr. Das

neue Verlagerungsziel von der Strasse

auf die Schiene für den Import und Exportverkehr

über längere Distanzen

muss ambitioniert sein. Dazu braucht

es auch einen definierten Mindestanteil

Schiene im Inlandtransport.

n ein finanzielles Fördersystem, das

den Wettbewerbsnachteil für den

Schienengüterverkehr in der Fläche

ausgleicht. Dieser Ausgleich ist so lange

aufrechtzuhalten, bis der Strassengüterverkehr

seine externen Umweltund

Wegekosten endlich vollumfänglich

deckt.

n eine leistungs- und wettbewerbsfähige

Bahn infrastruktur für die

Feinverteilung der Güter. Diese beinhaltet

genügend Bedienpunkte und

Anschlussgleise für die Feinverteilung.

Infrastrukturbauten wie Terminals,

Trassen und Gleisanlagen für den Güterverkehr

sind zu priorisieren.

n strenge Auflagen für den Transport

bahnaffiner Güter. Güter wie

Kies, Erze, Abfall, Wertstoffe oder

Rundholz sollen ab einer gewissen Distanz

und Menge nur noch per Bahn

transportiert werden dürfen.

n Auflagen an die Gleisinfrastruktur

für neue Logistikzentren und Gewerbeflächen.

Ab einer gewissen Grösse

und Güterverkehrsaufkommen müssen

diese einen Gleisanschluss anbieten.

35 Mio. Franken zusätzlich

pro Jahr

mif. Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe

(LSVA) reicht bei

weitem nicht aus, um die verursachten

externen Kosten zu decken. Das

zeigt das jüngst vom Bundesamt

für Raumentwicklung ausgewertete

Jahr 2018 sehr deutlich. Trotz LSVA-

Einnahmen von 1,049 Mia. Franken

bleiben Umwelt-, Stau-, Lärm-, Unfall-

und Gesundheitskosten von

1,349 Mia. Franken offen. Das sind

35 Millionen Franken mehr als 2017.

Bezahlen muss das die Schweizer

Bevölkerung und deren Nachfolgegenerationen.

Noch einmal ein

Grund mehr, um Druck auf den Revisionsprozess

für eine verursachergerechte

neue LSVA zu machen.

Für Biodiversität im

Alpenraum

mif. In der Schweiz sind fast die

Hälfte der natürlichen Lebensräume

und mehr als ein Drittel aller bekannten

Tier-, Pflanzen- und Pilzarten

vom Aussterben bedroht. Seit kurzem

ist klar, dass auch die Fauna

und Flora im Alpenraum stark betroffen

sind. Daher trägt die Alpen-

Initiative die Biodiversitäts-Initiative

der Verbände zum Schutz von Natur

und Landschaft mit. Sie bemängelt

unter anderem die Intensivierung

der Landnutzung, die Verwaldung

von Weideflächen, die Verarmung

der Waldarten durch Wiederaufforstung

oder die Verbauung der Natur.

Den indirekten Gegenvorschlag des

Bundesrats lehnt sie in ihrer Vernehmlassungsantwort

ab, weil er

den Auftrag zur Erhaltung der Biodiversität

in der Schweiz nur teilweise

und damit ungenügend erfüllt.

Die Alpen-Initiative schlägt daher

vor, bei der Umsetzung des Naturschutzgesetzes

(NHG), des Landwirtschaftsgesetzes

(AGG) und des

Forstgesetzes (FOA) die Alpenregionen

besonders zu berücksichtigen,

weil hier die Erderwärmung

doppelt so gross ist.

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CARTE BLANCHE

Fliegende

Wald arbeiter

Von Brigitte Wolf

Biologin, Vorstandsmitglied der Alpen-Initiative

Es ist stiller geworden in den Bergen. Die Vögel singen nicht

mehr, ihre Jungen sind ausgeflogen. Nur noch wenige Insekten

schwirren durch die Luft. Die Bäche führen weniger Wasser.

Die Sonne steht wieder tiefer, die Schatten werden länger, die

Farben herbstlich. Die Blätter der Heidelbeeren verfärben sich

rot, die ersten Lärchennadeln sind schon gelb, die verdorrten

Grashalme wiegen sich sanft im Wind.

Jäh durchbricht ein lautes «krääähh, krääähh, krääähh» die

Stille. Ein brauner Rabenvogel mit weiss gepunktetem Federkleid

macht zuoberst auf einer Arve auf sich aufmerksam. Als

wolle er uns zurufen: «Das ist mein Wald – seht wie schön die

Bäume wachsen!» Und dabei ist es sogar die Wahrheit! All die

jahrhundertealten, bizarr geformten Baumgestalten, aber auch

die buschartigen Bäumchen, die weit über der Waldgrenze ums

Überleben kämpfen, haben einst seine Vorfahren hier gesät. Es

ist eine dieser unglaublich schönen Geschichten, welche die

Natur schreibt und für die es sich lohnt, sie zu schützen.

Im Gegensatz zu den Föhren und Fichten, deren geflügelte

Samen der Wind verbreitet, sind die schweren Samen der

Arven in harzreichen Zapfen versteckt. Der Tannenhäher öffnet

diese mit seinem kräftigen Schnabel, sammelt die rundlichen

Arvennüsschen in seinem Kehlkopf und fliegt damit hinauf über

die Waldgrenze. Hier vergräbt er im Herbst Zehntausende der

energiereichen Samen, die ein wenig wie Pinienkerne schmecken.

Im Winter und im darauffolgenden Frühling findet der

Tannenhäher seine in hunderten von Verstecken hinterlegten

Vorräte auch unter einer meterhohen Schneedecke wieder.

Wie der schlaue Vogel dies in der vom Schnee total veränderten

Landschaft schafft, ist den Biologen bis heute ein Rätsel.

6 echo – Nr. 167 / September 2021


Unsinnige Transporte

Australischer Chardonnay –

ein Teufelstropfen

20'860 Kilometer Weg macht Chardonnay nicht besser. Der Penfolds

Koonunga Hill bei Coop erhält den «Teufelsstein» 2021 für den Unsinnstransport

des Jahres. Den «Bergkristall» gewinnt Revendo. Der Elektronik-Upcycler

spart Transporte, weil er Smartphones und Laptops länger

im Gebrauch hält.

Fotos: Brigitte Wolf

Faire Preisträgerin: Sylvia Berger, Category Managerin Coop Weine, nimmt von Jon Pult den Teufelsstein

entgegen, weist aber darauf hin, dass Coop auch viel für die Nachhaltigkeit unternimmt.

Fotos: Matthias Nutt

Über 6000 Personen nahmen an der Abstimmung

von Mitte Juli bis Mitte August

teil und haben damit ein Zeichen gegen

den Transportwahnsinn gesetzt.

Bergkristall für Elektro-Upcycler

Revendo

Den Bergkristall 2021 überreicht Jon Pult

dem 2013 gegründeten Upcycling-Unternehmen

Revendo. An dessen Hauptsitz in

Basel betont er: «Revendo hat den Bergkristall

mehr als verdient. Dem Unternehmen

gelingt es, mit seinem Upcycling-Geschäftskonzept

selbst im enorm schnelllebigen

Elektronikmarkt erfolgreich zu

sein.» Der inzwischen auch in den Städten

Zürich, Bern, Biel, St. Gallen, Luzern und

Winterthur präsente Upcycler bremst den

Transportwahnsinn bei Kommunikationsund

Unterhaltungsgeräten. Indem er zum

Beispiel gebrauchte Smartphones oder

Laptops annimmt, prüft, repariert und

bei Bedarf technisch aufwertet, hält er sie

länger im Lebenszyklus.

mif. Tabubruch bei der Teufelsstein-Vergabe

2021. Über 6000 Votierende geben dem

Penfolds Koonunga Hill Chardonnay von

Coop mit Abstand mehr Stimmen als dem

Hima laya-Salz aus dem Punjab (Globus)

und dem slowenischen Bauholz (Jumbo).

303 Gramm CO 2 pro Flasche

«Egal wie gut der Penfolds Koonunga Hill

Chardonnay vinifiziert ist: Mit diesem

transportverschmutzten Wein will ich

nicht anstossen», enerviert sich Jon Pult,

Präsident der Alpen-Initiative, bei der

Preisvergabe am Coop-Hauptsitz in Basel.

Der Transport versetzt einzelnen Wein mit

303 Gramm oder gut 150 Litern unkomprimiertes

CO 2 in gasförmigem Zustand.

Damit lassen sich 60 Luftballons aufblasen.

Pro Flasche, nicht pro Gebinde. «Da

wird mir speiübel.» Die Weintraube

stammt ursprünglich aus dem Burgund.

«Die Vielfalt der exquisiten Tropfen aus

Frankreich, Italien und der Schweiz kann

keinen Chardonnay-Liebhaber derart langweilen,

dass er zur australischen Flasche

greifen muss.» Besonders ärgerlich: Das

Flaschengewicht fährt mit. Der Koonunga

Hill wird nicht in Stahltanks verschifft

und erst in der Schweiz abgefüllt.

Schweizer Überangebot

Coop hätte als grösster Weinimporteur

der Schweiz die Möglichkeit, Gegensteuer

zu geben. Jon Pult unterstreicht, dass man

auch beim Wein auf die Herkunftsetikette

achten müsse, nicht nur beim Wasser.

«Transportunsinn bleibt Transportunsinn,

auch bei Genussmitteln. Dafür wollen wir

das Bewusstsein schärfen.» Er räumt ein,

dass Coop nicht isoliert zu betrachten sei:

«Der Schweizer Weinhandel ist generell

von einem Überangebot von Weinen aus

Australien, Südamerika, Kalifornien und

Südafrika vergiftet.»

Jon Pult überreicht den Bergkristall an Laurenz

Ginat (2.v.r.) zusammen mit Projektleiterin

Alessia Trezzini und Michael Flückiger, Leiter

Kommunikation.

echo – Nr. 167 / September 2021

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AGENDA

Klimatagung

Die Klimaspuren-Wanderung quer

durch die Schweiz hat 600 Teilnehmerinnen

und Teilnehmer angesprochen.

Die ausgewerteten Ergebnisse

von Klimaspuren mitsamt Dokumentarfilm

sind Hauptthema an der Klimatagung

vom 30. September bis

3. Oktober in Salecina.

Tag der Berge

Die Alpen sind nicht nur Sehnsuchtsort.

Die Träume von der schönen

Idylle, das genussreiche Erleben der

prächtigen Landschaft mit viel Biodiversität

kann alptraumhafte Züge

annehmen. Der Tag der Berge am

11. Dezember zeigt mit acht Bildvorträgen

ab 17 Uhr im Alpinen Museum

Bern beide Seiten. Also: Vormerken.

Mehr Details folgen.

BergBuchBrig

Das Multimedia-Festival zu Natur,

Kultur, Freizeit und Abenteuer in den

Bergen vom 3. bis 7. November hat

auch dieses Jahr viel zu bieten. OK-

Vorstandsmitglied und Alpen-Initiative

Ehrenpräsident Andreas Weissen

weiss Kultur und Aktiverlebnisse

miteinander zu verbinden.

www.bergbuchbrig.ch

Mitgliederversammlung

Für einen Alpenschutz

mit Zukunft

Die Mitgliederversammlung 2021 in Stans setzt mit der Wahl der

23-jährigen Urner Umweltaktivistin und Landrätin Chiara Gisler in

den Vorstand ein Signal für die Zukunft. Und: Trotz schwieriger Umstände

kann die Alpen-Initiative dank des florierenden Alpen-Shops

ein posi tives Geschäftsergebnis vorweisen.

Einzigartige Würze: Der Alpsbrinzkeller zu Stans im Culinarium Alpinum.

Foto: Michael Flückiger

8

IMPRESSUM

echo

Das Magazin des Vereins

«Zum Schutz des Alpengebietes»

Politik, Medien, Sekretariat

Alpen-Initiative, Hellgasse 23, 6460 Altdorf

Tel. 041 870 97 81

www.alpeninitiative.ch, info@alpeninitiative.ch

Adressänderungen: adresse@alpeninitiative.ch

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Alpen-Shop, Wandern

Alpen-Initiative, Postfach 29, 3900 Brig, Tel. 027 924 22 26

www.alpen-shop.ch / shop@alpeninitiative.ch

wandern@alpeninitiative.ch

Postkonto: 19-6246-9 / IBAN: CH4109000000190062469

Bankkonto Raiffeisen / IBAN: CH49 8053 2000 0017 8375 7

Redaktion: Michael Flückiger (mif), Brigitte Wolf (Carte

Blanche)

Fotos: Christof Hirtler, Brigitte Wolf, Matthias Nutt,

Michael Flückiger

Cartoon: Diego Balli, www.diegoballi.ch

Foto Einzahlungsschein: Lucia Lauener

Layout: Scriptum, Rafael Brand, www.scriptum.ch

Druck: Gisler 1843 AG, Altdorf, gedruckt

auf 100% Recyclingpapier

Vor prächtiger Alpenkulisse im Culinarium

Alpinum zu Stans (NW) wählen die

Mitglieder Chiara Gisler neu in den Vorstand.

Die Umweltaktivistin hat soeben

ein Praktikum bei der Alpen-Initiative

abgeschlossen und wird die Perspektiven

ihrer Generation zum Alpenschutz einbringen.

Als neu in den Staatsrat gewähltes

Exekutivmitglied musste Mathias Reynard

(VS) nach neun Jahren amteshalber

aus dem Vorstand austreten.

Aktiv trotz erschwerter

Umstände

Der neue Geschäftsleiter Django Betschart

macht in seinem Rückblick auf das

Jahr 2020 deutlich: Die Alpen-Initiative

war coronabedingt zum Umdisponieren

gezwungen, ausbremsen liess sie sich

dadurch keineswegs. Als eines von vielen

Highlights erwähnt er die Aktion zur Eröffnung

des Ceneri-Basistunnels und Fertigstellung

der NEAT mit der dezidierten

Forderung «Transfer Now – jetzt müssen

die Güter endlich auf die Schiene».

Die coronabedingten Umstände 2020 haben

die Spendenerträge der Alpen-Initiative

leicht gemindert. Im Gegenzug konnte

der florierende Alpen-Shop einen grös seren

Gewinn erwirtschaften. Die Mitgliederversammlung

verabschiedet Jahresbericht

und Rechnung einstimmig.

Illustre Neuzugänge im Alpenrat

Die Versammlung hat den Vorstand mit

Jon Pult als Präsidenten und Marina

Carobbio-Guscetti als Vizepräsidentin

be stätigt. Zum Alpenrat stossen die gut

vernetzten und aktiven Neumitglieder:

Emmanuel Amoos (Nationalrat VS),

Christophe Clivaz (Nationalrat VS), Silvan

Gnos (Umweltaktivist und ehemaliger

Praktikant Alpen-Initiative) und Kaspar

Schuler (Geschäftsführer Internationale

Alpenschutzkommission CIPRA). An bereichernden

Aussensichten und Inputs

dürfte es dem Alpenrat auch im 2022 nicht

mangeln.

www.alpeninitiative.ch/jahresbericht

echo – Nr. 167 / September 2021

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