KAV Magazin Ausgabe 03/2021
In dieser Ausgabe: - Mitgliederversammlung 2021 - der KAV-Vorstand hat gewählt - Mitgliederbefragung - aktuelles Seminarprogramm - vieles mehr!
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§<br />
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06. Mai <strong>2021</strong> (IX ZR 72/20)<br />
die Anforderungen an die Vorsatzanfechtung verschärft.<br />
Voraussetzung für den Rückgewähranspruch aufgrund der Vorsatzanfechtung<br />
gemäß §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO ist, dass der Schuldner<br />
die angefochtene Rechtshandlung zum Nachteil seiner Gläubiger<br />
mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat und der<br />
Anfechtungsgegner Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz<br />
des Schuldners hatte.<br />
Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH konnte dabei von der<br />
erkannten Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO sowohl auf<br />
den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz als auch auf die Kenntnis des<br />
Anfechtungsgegners von diesem geschlossen werden, wobei von<br />
einer erkannten Zahlungseinstellung auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit<br />
geschlossen werden kann. Folglich war es für die<br />
Annahme sowohl des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes als<br />
auch der Kenntnis des Anfechtungsgegners von dieser ausreichend,<br />
wenn der anfechtende Insolvenzverwalter eine erkannte Zahlungseinstellung<br />
darlegen konnte.<br />
Von diesen Grundsätzen ist der BGH in seiner Entscheidung vom<br />
06. Mai <strong>2021</strong> nunmehr teilweise abgerückt und hat die Anforderungen<br />
an die Vorsatzanfechtung wie nachfolgend erläutert verschärft.<br />
Soweit der BGH in der Vergangenheit allein aus der erkannten<br />
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf die subjektiven Voraussetzungen<br />
des § 133 Abs. 1 InsO geschlossen hat, hält er daran nicht<br />
mehr fest. Der Senat hält es insoweit für erforderlich, den Bezugspunkt<br />
des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zu erweitern. Es<br />
reicht nicht aus, dass der Schuldner weiss, dass er im Zeitpunkt<br />
der Vornahme der später angefochtenen Rechtshandlung nicht<br />
alle seine Gläubiger befriedigen kann. Entscheidend sei vielmehr,<br />
dass der Schuldner weiss oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt,<br />
dass er auch in Zukunft nicht dazu in der Lage sein wird. Entsprechendes<br />
gilt auch für die Annahme der Kenntnis des Anfechtungsgegners<br />
vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners.<br />
Zur Begründung führt der BGH unter anderem aus, der Schluss<br />
von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz<br />
und die Kenntnis von diesem beruhe auf dem<br />
Gedanken, der erkanntermaßen zahlungsunfähige Schuldner wisse,<br />
dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu<br />
befriedigen. Die Liquiditätslage im Moment der Rechtshandlung<br />
sei jedoch keine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage für<br />
den Benachteiligungsvorsatz.<br />
Hinsichtlich der Feststellung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit<br />
hält der BGH hingegen an den geltenden Grundsätzen fest. Insbesondere<br />
kann demnach weiterhin von der erkannten Zahlungseinstellung<br />
auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit geschlossen<br />
werden. Allerdings verschärft er insoweit den bei der Feststellung<br />
der erkannten Zahlungseinstellung anzulegenden Maßstab. Erforderlich<br />
ist nunmehr grundsätzlich die ausdrückliche Erklärung<br />
des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein. Fehlt es an einer ausdrücklichen<br />
Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung<br />
sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes<br />
Gewicht erreichen. Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn<br />
sie wiederholt auftreten, sollen dafür zwar häufig nicht ausreichen.<br />
Jedenfalls ausreichend ist jedoch, wenn der Schuldner Forderungen<br />
solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren Leistungserbringung er<br />
zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes angewiesen ist.<br />
Ob die dargelegten verschärften Anforderungen in der Praxis tatsächlich<br />
dazu führen werden, dass es dem anfechtenden Insolvenzverwalter<br />
schwerer fallen wird, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz<br />
sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon<br />
darzulegen, darf allerdings zumindest angezweifelt werden. So<br />
führte der BGH in der genannten Entscheidung selbst aus, dass in<br />
der überwiegenden Zahl der nach § 133 Abs. 1 InsO zu beurteilenden<br />
Fälle die Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen<br />
Rechtshandlung schon dafür sprechen kann, dass eine vollständige<br />
Befriedigung der übrigen Gläubiger auch in Zukunft nicht zu erwarten<br />
ist. Nichtsdestotrotz bieten die dargelegten Verschärfungen in der<br />
Praxis der Insolvenzanfechtungen neue Verteidigungsmöglichkeiten.<br />
RA Michael Wilbert, Köln<br />
Mitglied des Ausschusses Insolvenzrecht<br />
Der Autor Michael Wilbert ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der<br />
GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. Er ist seit mehr als 20 Jahren im<br />
Bereich Insolvenzrecht tätig. Zum Insolvenzverwalter ist er seit 2004 bestellt.