Ausgabe 2012/01 - Schützengilde Neuss e.V. 1850/1961
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Autor: Michael Jansen Teil (1/2)<br />
Volker von Holten - sportlich, groß, schlank, mit über fünfzig noch<br />
volles Haar, Dreitagebart, erfolgreich in Beruf und Privatleben.<br />
Die Zahl seiner Immobilien und Firmen im Raum <strong>Neuss</strong> ebenso wenig<br />
bekannt wie die seiner Ehen, seiner Freundinnen und Abenteuer.<br />
Volker von Holten - stand jede Woche in der <strong>Neuss</strong>-Grevenbroicher-<br />
Zeitung oder einem anderen Käseblättchen der Region, weil er für<br />
irgendeine gute Sache Geld gespendet hatte, weil er sich für das<br />
Schützenwesen und den Karneval seiner Heimatstadt eingesetzt<br />
oder auch nur weil er erfolgreich an einer Sportveranstaltung seines<br />
Tennisclubs teilgenommen hatte.<br />
Volker von Holten - lachte jedem ins Gesicht, den er traf. Er hatte einfach<br />
ein gewinnbringendes Lächeln und einen kräftigen Händedruck.<br />
Er duzte den Präsidenten des <strong>Neuss</strong>er-Bürgerschützenvereins und<br />
den Bürgermeister der Stadt. Er bewohnte eine traumhaft renovierte<br />
und ausgebaute Jugendstilvilla in einem Vorort von <strong>Neuss</strong> mit Pool<br />
und Saunalandschaft. Regelmäßig wurden hier ausgiebige und wilde<br />
Partys gefeiert.<br />
72<br />
Schon als Kind hatte Michael Baesgen ihn gehasst. Volker hatte ihn<br />
beim Sport nie in seine Mannschaft gewählt - es sei denn, er war<br />
der letzte auf der Bank gewesen. Dann hatte er nicht einmal seinen<br />
Namen gerufen, nur mit den Augen gerollt und die Position zugewiesen.<br />
Hatte Volker seine Hausaufgaben vergessen – was oft genug vorkam<br />
– hatte er sich einfach bei ihm bedient; hatte seine Schultasche<br />
aufgerissen, das benötigte Heft herausgenommen und die Aufgaben<br />
abgeschrieben.<br />
Stellte sich diese Aufgabe als fehlerhaft heraus, hatte Volker ihn mit<br />
harmlosen, aber spürbaren Schlägen in der Pause über den Schulhof<br />
gejagt, bis alle lachten; bis sogar der Lehrer lachen musste, der die<br />
Aufsicht führte. Denn auch Volker lachte dabei immer voller Inbrunst<br />
und ließ seine Strafexpeditionen gegen Michael nach außen hin<br />
immer wie einen kleinen Spaß aussehen. Später, als sie zusammen<br />
zur Fahrschule gingen, hatte Volker mit anderen Klassenkameraden<br />
gewettet, dass er durchfallen würde. Er hatte ihn immer wieder als<br />
lebenslangen Fußgänger und Radfahrer bezeichnet und durch diese<br />
gehässigen Bemerkungen so verunsichert, dass er tatsächlich<br />
durchgefallen war. Nach der fünften Prüfung hatte er schließlich aufgegeben.<br />
Bis in seine Träume hatte Volker ihn verfolgt. Sein ganzes<br />
Leben lang und fast ebenso lange hatte er mit dem Gedanken, dem<br />
unvermeidlichen Gedanken gespielt, ihn eines Tages umzubringen,<br />
zu ermorden, aus dem Weg zu räumen und für immer und ewig zu<br />
beseitigen. Immer war es bei diesem Gedankenspiel geblieben. Nie<br />
hatte er auch nur im Geringsten ernsthaft an die Durchführung der<br />
durchgespielten Pläne gedacht.<br />
Nie - bis zum gestrigen Abend, als er zufällig im Restaurant „Im<br />
Anker“ Katrin – auch Katti genannt, mehr oder weniger in seinen Armen<br />
hatte liegen sehen. Ausgerechnet Katti – Katti, an die er sich seit<br />
Monaten so behutsam und wohlüberlegt während der Redaktions-