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Hidden Paradise: die britischen Kanalinseln 2022

Channel Islands: Reiseziel-Raritäten zwischen zwei Welten. „Ein Stück Frankreich, das ins Meer gefallen ist und von England aufgesammelt wurde“. So beschrieb Victor Hugo die Kanalinseln, und der musste es schließlich wissen – nach rund 20 Jahren Exil auf Jersey und Guernsey. Und aus dem Spannungsfeld zwischen den beiden großen Kulturnationen ergeben sich immer wieder faszinierende und anziehende Gegensätze, die den einzigartigen Reiz der Inseln ausmachen. Aber das vielleicht Schönste ist, dass Entdecker hier immer noch weitgehend unter sich sind, weil die Kanalinseln vom Massentourismus bis jetzt verschont blieben.

Channel Islands: Reiseziel-Raritäten zwischen zwei Welten. „Ein Stück Frankreich, das ins Meer gefallen ist und von England aufgesammelt wurde“. So beschrieb Victor Hugo die Kanalinseln, und der musste es schließlich wissen – nach rund 20 Jahren Exil auf Jersey und Guernsey. Und aus dem Spannungsfeld zwischen den beiden großen Kulturnationen ergeben sich immer wieder faszinierende und anziehende Gegensätze, die den einzigartigen Reiz der Inseln ausmachen. Aber das vielleicht Schönste ist, dass Entdecker hier immer noch weitgehend
unter sich sind, weil die Kanalinseln vom Massentourismus bis jetzt verschont
blieben.

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Channel-Island: Reiseziel-Raritäten zwischen zwei Welten Seite 5<br />

Inselauszeit auf Jersey<br />

Man spricht englisch und kocht (glücklicherweise)<br />

französich, hier geht das<br />

Savoir-vivre der Grande Nation mit britischer<br />

Exzentrik eine faszinierende Mischung ein,<br />

Herrenhäuser in viktorianischem oder Tudorstil<br />

stehen neben normannischen Bauernhäusern<br />

und französische Straßenschilder<br />

führen zu englischer Gartenkultur, bei der<br />

durch das milde Golfstromklima mediterrane<br />

und subtropische Pflanzen zauberhafte<br />

Akzente setzen.<br />

Seit rund 6.000 Jahren sind <strong>die</strong> <strong>Kanalinseln</strong><br />

bewohnt, denn schon Steinzeitmenschen<br />

wussten, wo es sich gut leben lässt. 600 v.<br />

Chr. kamen dann keltische Stämme, und nur<br />

<strong>die</strong> Römer ließen <strong>die</strong> <strong>Kanalinseln</strong> links liegen,<br />

trieben allerdings regen Handel mit ihnen. Im<br />

7. Jahrhundert begann <strong>die</strong> Christianisierung<br />

und gegen Ende des 8. Jahrhunderts machten<br />

sich <strong>die</strong> Wikinger auf der nahen französischen<br />

Westküste breit und nahmen natürlich Einfluss<br />

auf <strong>die</strong> vorgelagerten Inseln, von <strong>die</strong>sen<br />

„Nordmannen“ bekam <strong>die</strong> Region übrigens<br />

Ärmelkanal<br />

Golf von Saint-Malo<br />

Norman<strong>die</strong><br />

ihren Namen „Norman<strong>die</strong>“. Mit William the<br />

Conqueror wurden <strong>die</strong> Channel Islands dann<br />

Teil des anglo-normannischen Reichs, seitdem<br />

sind sie im Besitz der englischen Royals<br />

– allerdings bis heute nicht in ihrer Funktion<br />

als Queen oder King, sondern als Herzogin<br />

bzw. Herzog der Norman<strong>die</strong>. Wegen ihrer Attraktivität<br />

blieben <strong>die</strong> Inseln immer im Spannungsfeld<br />

zwischen dem <strong>britischen</strong> Imperium<br />

und Frankreich, aber durch <strong>die</strong> verstärkte<br />

Besiedelung von Engländern wurde alles<br />

immer weiter anglisiert: <strong>die</strong> wirtschaftlichen<br />

Interessen, <strong>die</strong> Verwaltung, sowie Schritt für<br />

Schritt auch <strong>die</strong> Sprache. Und „Patois“, der<br />

lokale normannisch-französische Dialekt,<br />

wird heute nur noch von wenigen Leute<br />

kultiviert. Im Zweiten Weltkrieg besetzte<br />

dann <strong>die</strong> deutsche Wehrmacht <strong>die</strong> Inseln - als<br />

erster Schritt des Dritten Reichs auf seinem<br />

Eroberungsweg nach England (der zum Glück<br />

der erste und letzte war).<br />

Bis in <strong>die</strong> Jetztzeit spielen Jersey, Guernsey<br />

und Co. auf vielen Gebieten Sonderrollen:<br />

mit eigener Währung (Jersey- und Guernsey-<br />

Pfund, <strong>die</strong> man bei keiner Bank der Welt<br />

außer von UK-Banken eintauschen kann), sie<br />

waren nie EU-Mitgleid, haben eine eigenwillige<br />

und für alle Beteiligten sehr profitable<br />

Steuerpolitik, warten mit juristischen<br />

Feinheiten bei der Bestrafung von Sündern<br />

auf und haben eine Geschwindigkeitsbegrenzung<br />

von 24km/h auf den Green Lanes (sonst<br />

64km/h) – eine Aufzählung, <strong>die</strong> sich noch<br />

lange fortsetzten ließe...<br />

Wer Kulturdenkmäler sucht, findet sie in<br />

©Visit Jersey<br />

überreichem Maße: von Dolmen, Menhiren<br />

und Ganggräbern aus Urzeiten über mittelalterliche<br />

Burganlagen bis zu deutschen<br />

Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg – wobei<br />

<strong>die</strong> Wehrmachts-Bunkeranlagen, -Tunnelsysteme<br />

und -Forts heute sehr zivil und friedlich<br />

genutzt werden: als Gedenkstätten, bewegende<br />

Museen oder als Lager- und Verkaufsräume<br />

für fantastische Austern, <strong>die</strong> man dort<br />

auch an exponierter Stelle über dem Meer<br />

genießen kann...<br />

Für Naturfreunde sind Jersey, Guernsey, Sark,<br />

Herm und Alderney ebenfalls kleine Para<strong>die</strong>se.<br />

Der Tidenhub zählt zu den höchsten der<br />

Welt und endlos weite weiße Sandstrände<br />

wechseln sich mit spektakulär schroffen Klippen<br />

ab, <strong>die</strong> einen anderen berühmten Franzosen<br />

ebenfalls restlos begeisterten: nämlich<br />

Auguste Renoir, der <strong>die</strong> dramatische Küstenlinie<br />

von Guernsey mit dem Pinsel zu Kunstwerken<br />

erhob. Dank des milden Golfstromklimas<br />

wachen auf den Inseln Palmen, genauso<br />

wie Hortensien, üppigste Rosen, Ginster,<br />

Mimosen, Kamelien und <strong>die</strong> oft besungenen<br />

yellow daffodils, wilde Osterglocken. Und<br />

„Jersey Royals“, kleine delikate Kartöffelchen,<br />

sind bei Feinschmeckern genauso beliebt wie<br />

Tomaten von der Nachbarinsel, <strong>die</strong> „Guernsey<br />

Toms“.<br />

Aber das vielleicht Schönste ist, dass<br />

Entdecker hier immer noch weitgehend<br />

unter sich sind, weil <strong>die</strong> <strong>Kanalinseln</strong> vom<br />

Massentourismus bis jetzt verschont<br />

blieben.

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