15.09.2021 Aufrufe

RADAR Magazin Nr. 14: Macht mir ein Buch!

Das Buch macht keinen Lärm. Lesen auch nicht. Das Buch liebt die Stille. Es ist wortreich stumm. Es trotzt der Vergänglichkeit und bleibt. Im Büchergestell für immer, auf dem Nachttisch für den Verzehr oder als Vorwurf. Diese RADAR-Ausgabe soll den Werdegang eines Buches aufzeigen und zugleich, gespiegelt von Beteiligten und Komplizen, Einblick in die Arbeit eines Verlages geben. Natürlich nicht irgendeines Verlages, sondern des Christoph Merian Verlags, Botschafter und Kulturakteur der Christoph Merian Stiftung, der seit seiner Gründung 1976 wunderbare Bücher zu Architektur und Kunst, Kultur und Gesellschaft und zu Basel und seiner Geschichte herausgibt.

Das Buch macht keinen Lärm. Lesen auch nicht. Das Buch liebt die Stille. Es ist wortreich stumm. Es trotzt der Vergänglichkeit und bleibt. Im Büchergestell für immer, auf dem Nachttisch für den Verzehr oder als Vorwurf.
Diese RADAR-Ausgabe soll den Werdegang eines Buches aufzeigen und zugleich, gespiegelt von Beteiligten und Komplizen, Einblick in die Arbeit eines Verlages geben. Natürlich nicht irgendeines
Verlages, sondern des Christoph Merian Verlags, Botschafter und Kulturakteur der Christoph Merian Stiftung, der seit seiner Gründung 1976 wunderbare Bücher zu Architektur und Kunst, Kultur und Gesellschaft und zu Basel und seiner Geschichte herausgibt.

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Buchhändler Jens Stocker ist zuversichtlich,

das Buch wird bleiben,

es ist gut für die Seele

I never read, I just look at pictures

Eveline Wüthrich erfindet die Kunstbuchmesse

jedes Jahr neu

Ich steige in den ersten Stock der grössten Buchhandlung

Basels und warte auf Jens Stocker, den vielbeschäftigten

Mitinhaber und Geschäftsführer von Bider & Tanner. Es ist

viel los. Ich habe hier schon Buchvernissagen gemacht und

kenne Jens Stocker als aufgeschlossenen und innovativen

Buchhändler. Meine erste Frage bietet sich daher an.

Dem Buch wurde schon oft das Verschwinden

und der baldige Tod vorhergesagt. Besteht

diese Gefahr wirklich?

Nein, das glaube ich nicht. Das Buch ist gut für die

Seele. Es ist ein Träger von Wissen und ein traditionelles

und schönes Geschenk. Und wer möchte

schon ein Kunstwerk aus Inhalt und Form durch

einen Bildschirm ersetzen? Überdies sind etwa 90

Prozent bei den Verkäufen immer noch richtige Bücher

und nur etwa 10 Prozent davon E-Books. Ich

glaube, es gibt bereits eine digitale Übersättigung.

Und ich bin der festen Meinung, dass E-Books der

Tod der gesamten Branche wären.

Du betreibst ein Kulturhaus, da gibt es auch

eine Musikabteilung, zudem kann man Veranstaltungstickets

beziehen. Und ich habe

soeben am SBB-Schalter im 1. Stock eine

Tageskarte für mein Velo gelöst. Wie bleibt

Bider & Tanner dennoch eine traditionelle

Buchhandlung?

Wir empfangen alle Vertreter:innen der wichtigsten

deutschsprachigen Verlage und wir studieren begierig

die Vorschauen der Verlage. Je nach Abteilung,

ob Literatur, Sach- oder Kinderbuch, beschäftigen

sich alle Mitarbeitenden mit den Novitäten.

Dabei informieren wir uns auch digital.

Was macht den guten Buchhändler, die

gute Buchhändlerin aus?

Man muss immer auf alle Wünsche der Kundschaft

vorbereitet und zuvorkommend sein. Als Buchhändlerin

wird man nicht reich, aber es ist ein schöner

Beruf. Man hat einen Inhalt fürs Leben, für das

Gemüt und die Seele.

Was bewirkt denn gute Verkäufe? Besprechungen

und Hinweise in den Medien?

Das Fernsehen ist wichtig, etwa Sendungen wie

Markus Lanz oder Anne Will. Wenn da ein Sachbuchautor

über sein neues Werk redet, dann wollen die

Leute das am nächsten Tag kaufen. Selbstverständlich

merkt man im Laden auch, wenn Kultursendungen

wie der Literaturclub ein Buch vorstellen.

Man muss also immer informiert sein. Die Kundschaft

muss im Idealfall das Buch, das im Fernsehen

gezeigt wurde, am anderen Tag in der Buchhandlung

vorfinden.

Wie sieht es beim CMV aus, welche Bücher verkauften sich

besonders gut? Der CMV-Bestseller bei uns waren eindeutig die Tagebücher

von Bruno Manser. Auch «Ausleben» von

Mena Kost ist gut gelaufen. Früher war es das Basler

Stadtbuch, das jetzt nur noch digital erscheint.

Es ist schön, dass der CMV diese Bücher machen

kann. Stiftungen wie die CMS sind von unschätzbarem

Wert für das kulturelle Leben der Stadt.

Es gibt ja unendlich viele Bücher und sehr viele Verlage.

Kriegt man als Buchhändler wirklich mit, was alles erscheint?

Ist jeder Wunsch der Kundschaft erfüllbar?

Unmögliches dauert ein bisschen länger. Aber da

hat die Digitalisierung schon sehr geholfen. Man

kommt an alle relevanten Informationen – und der

Kunde auch, etwa über unsere Homepage.

Noch kurz zu einem Streit in der Branche. In der Schweiz

ist der feste Buchpreis aufgehoben worden. In Deutschland

nicht. Da kostet das Buch überall gleichviel. Was meinst

du dazu? Als Marketingfachmann war mir die Buchpreisbindung

schon immer ein Dorn im Auge. Beim Marketing

ist der Preis einer der wichtigsten Faktoren.

Wäre die Aufhebung des Buchpreises in der Schweiz

kein Segen gewesen, gäbe es nicht mehr so viele

Buchhandlungen. Ein und dasselbe Buch kann und

darf an Orten, wo die Kaufkraft höher ist, mehr

kosten. Die Buchhändler:innen sind dank der aufgehobenen

Buchpreisbindung zum Kaufmann respektive

zur Kauffrau gereift.

Wer verdient denn wie viel an einem Buch, gibt es einen

verbindlichen Schlüssel?

Der Verlag bestimmt einen empfohlenen Verkaufspreis,

10 Prozent davon erhält der Autor, 40 Prozent

die Buchhandlung, 20 Prozent gehen an Vertretung

und Zwischenbuchhandel, der Rest bleibt beim Verlag,

grob gerechnet und mit vielen Ausnahmen.

Kommen wir zum Schluss noch zu etwas, das unter Corona

arg gelitten hat: Veranstaltungen in der Buchhandlung,

haben sie dir gefehlt?

Buchvernissagen und Lesungen sind immer «nice

to have», aber damit verdient man bei all dem Aufwand

eigentlich kein Geld. Aber es sind schöne und

interessante Anlässe, das Publikum kommt und geniesst

den direkten Kontakt.

Wer so lange im Geschäft ist, hat sicher noch eine Anekdote

aus der weiten, wilden Welt des Buchhandels auf

Lager, erzählst du uns eine?

1942 eröffnete Theo Tanner seine Buchhandlung in

Basel. Er war ein Mensch des Buches und empfand

einen geradezu körperlichen Ekel vor Bargeld. Nach

einem einträglichen Verkaufstag in der Weihnachtszeit

war sein Abscheu so gross, dass er die Tageseinnahmen

hinter einer Reihe Bücher im Regal versteckte,

um das Bargeld nicht mit nach Hause

nehmen zu müssen.

Eine Buchmesse bietet Verlagen die seltene und höchst

willkommene Gelegenheit, ihr Publikum vor Ort kennenzulernen,

sich persönlich vorzustellen und über das Programm

auszutauschen. Sie bietet Raum und Ambiente,

um neue Kontakte zu knüpfen, Ideen zu entwickeln, Projekte

zu lancieren. Die Kerngruppe der I Never Read, Art

Book Fair Basel besteht aus der Kunsthistorikerin und Kuratorin

Eveline Wüthrich, dem Künstler Johannes Willi und

dem Architekten Thomas Keller. Eveline Wüthrich, wie seid ihr auf die Idee

gekommen, eine Kunstbuchmesse zu veranstalten?

Die Gründung von I Never Read, Art Book Fair Basel

war vor genau zehn Jahren und ziemlich spontan.

Eine Plattform speziell für Kunstpublikationen parallel

zur Art Basel fehlte während der Messewoche.

Wir hatten zudem einen Offspace und damit die

Location, die Sterne standen richtig. Schon im zweiten

Jahr hatten wir doppelt so viele Aussteller:innen.

2021 soll die Art Book Fair wieder parallel zur

Art Basel, sogar am selben Ort in einer Messehalle,

stattfinden. Vorausgesetzt, das Virus

hat nichts dagegen. Wie ist die Messe

letztes Jahr abgelaufen?

Unsere Flexibilität und die Möglichkeit, auf neue

und veränderte Umstände zu reagieren, haben erlaubt,

dass wir trotz der Pandemie stattfinden

konnten. Wir waren Gast im Schaulager und darüber

besonders glücklich. Dort gab es viel Platz, um

Abstände einzuhalten, und wir konnten die vorhandene

Infrastruktur nutzen. Die Ausstellertische bauten

wir beispielsweise aus dem Stellwandsystem des

Schaulagers. Solche Partnerschaften einzugehen

und ganz besonders die Nähe und inhaltliche Verbindung

zu anderen Kunstinstitutionen sind uns

sehr wichtig.

Wer darf teilnehmen? Sind es vor allem

Kunstverlage oder Galerien, die Kataloge

und Künstlerbücher produzieren? Und wie

viele Teilnehmende habt ihr pro Jahr?

Wir sind sehr integrativ und wollen möglichst breit

aktuelles Kunstbuchschaffen zeigen. Ausstellerinnen

und Aussteller können sich bewerben, andere

Initiativen laden wir ein. Die Kosten für einen Messestand

sind relativ bescheiden, um möglichst niemanden

auszuschliessen. Der CMV ist einer von

unseren treuen Ausstellern, von Anfang an dabei

und Garant für lokale Verankerung. Grosse Kunstbuchverlage

gehören ebenso dazu wie kleine Magazine,

Fanzines und Künstlerinnen und Künstler.

In den letzten Jahren hatten wir jeweils zwischen

70 und 100 nationale und internationale Aussteller:innen.

Hat die Buchmesse jeweils ein Schwerpunktthema?

Ja, die Messe hat alljährlich ein besonderes Thema,

2019 waren das Muscheln, 2020 nicht existierende

Bücher. Der Fokus für 2021 wird aus den Erfahrungen

der Corona-bedingten Einschränkungen zwischen

digital und analog wechseln. Wir machen ein Jubiläumsbuch,

in dem man mithilfe einer App Kurzvideos

fürs Handy aufrufen kann, zum Beispiel von

Aussteller:innen, die nicht nach Basel kommen können.

Du hast gesagt, dass du etwa die Hälfte des Jahres für die

Organisation von I Never Read arbeitest. Das ist ein massiver

Aufwand. Woran liegt das? Ist es nicht nervig, dass

ihr keinen fixen Standort habt?

Nein, im Gegenteil, Neuerungen und Änderungen

halten einen aktiv und machen es spannend. Das

gilt für mich als Organisatorin ebenso wie für unsere

Ausstellerinnen und Aussteller und das Publikum.

Gerade die Frage der Location hat grossen

Einfluss auf die Messe. Die Vertiefung in ein Fokusthema

und die Kommunikation mit allen Involvierten

machen die Arbeit sehr abwechslungsreich. So

kann ich die Geschichte immer wieder neu erfinden.

Lokal seid ihr gut vernetzt. Habt ihr vor, die Messe auszubauen

oder andere Aktivitäten der Vermittlung zu starten?

Ja, wir wollen in Zukunft neben den Messe-Tagen

das ganze Jahr über vermehrt präsent sein. Als Beispiel

sind wir mit dem Kunstmuseum Basel im Gespräch,

um gemeinsame Formate zu entwickeln.

Damit wollen wir neue Leute dazuholen und neue

Kreise öffnen. Die lokale Vernetzung ist naheliegend

und sinnvoll. Aber wir sind auch international gut

eingebunden und pflegen viele Kontakte weit über

die Grenzen hinaus.

Und schliesslich mache ich jetzt noch etwas Werbung:

Vom 20. bis 26. September 2021 findet I Never Read, Art

Book Fair Basel im Mezzanin der Messehalle 1 Süd statt.

Der Eintritt ist gratis, ein Besuch ist nur zu empfehlen.

C C CM

MC

MC

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M M

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XY

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