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Udo Schnelle: Einführung in die Evangelische Theologie Leseprobe

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

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6.1 Die Transformationen des Denkens <strong>in</strong> der Neuzeit 353<br />

begreift sich zunehmend als Mittelpunkt der Welt, Subjekt des Geschehens<br />

und Herr des eigenen Lebens.<br />

Der Paradigmenwechsel zur radikalen Subjektphilosophie erfolgte<br />

im 17. Jh.; hier zerriss das Band zwischen Philosophie und <strong>Theologie</strong> und<br />

bildeten sich jene Argumentationsmuster heraus, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der neuzeitlichen<br />

Debatte bis heute bestimmend s<strong>in</strong>d. Vor allem René Descartes<br />

(1596–1650) und Baruch Sp<strong>in</strong>oza (1632–1677) beförderten <strong>die</strong> Vorstellung<br />

e<strong>in</strong>er rationalen Welterklärung und verhalfen dem Konzept e<strong>in</strong>er<br />

mit der Vernunft übere<strong>in</strong>stimmenden natürlichen Religion an E<strong>in</strong> -<br />

fluss. 808 Im 18. Jh. setzte sich das Programm e<strong>in</strong>es von der Vernunft bestimmten<br />

Lebens umfassend durch; <strong>die</strong>se Entwicklung erfährt mit der<br />

Aufklärung, dem Idealismus und der Romantik bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s 19. Jh.<br />

e<strong>in</strong>en ersten Höhepunkt. 809 Es wird zur großen Aufgabe der Philosophie,<br />

<strong>die</strong> Vernunft <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt und <strong>die</strong> Welt zur Vernunft zu br<strong>in</strong>gen! Die von<br />

Immanuel Kant (1724–1804) vorgetragene Def<strong>in</strong>ition der Aufklärung<br />

als „Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“<br />

810 durch den Gebrauch des Verstandes signalisiert <strong>die</strong> Grundrichtung:<br />

Die Befreiung aus unvernünftigen Vorstellungen und vernunftwidrigen<br />

autoritären Strukturen. Die Vernunft kann das Ganze der Welt<br />

ohne metaphysische Annahmen ergründen und beteiligt sich konstruktiv<br />

an der Erstellung und Gestaltung der Wirklichkeit. In den Mittel-<br />

808 René Descartes, Die Pr<strong>in</strong>zipien der Philosophie, hrsg. v. Christian Wohlers,<br />

Hamburg 2005 (= 1644), 14 f., belebte den antiken Skeptizismus neu und formulierte:<br />

„… Denn offenbar ist es widersprüchlich, anzunehmen, daß dasjenige, das denkt, <strong>in</strong><br />

eben derselben Zeit, <strong>in</strong> der es denkt, nicht existieren sollte. Und deshalb ist <strong>die</strong><br />

Erkenntnis, ich denke, daher b<strong>in</strong> ich (ego cogito, ergo sum), <strong>die</strong> überhaupt erste und<br />

sicherste, auf <strong>die</strong> jeder regelgeleitet Philosophierende stößt.“ Vgl. ferner Baruch<br />

Sp<strong>in</strong>oza, Tractatus theologico-politicus, hrsg. v. Günter Gawlik u. a., Darmstadt<br />

1979 (= 1670), 231: „Um es kurz zusammenzufassen, sage ich, daß <strong>die</strong> Methode der<br />

Schrifterklärung sich <strong>in</strong> nichts von der Methode der Naturerklärung unterscheidet,<br />

sondern völlig mit ihr übere<strong>in</strong>stimmt.“<br />

809 Die erste Generation der Aufklärung war ke<strong>in</strong>eswegs grundsätzlich religions-, theologie-<br />

und kirchenfe<strong>in</strong>dlich, sondern man wandte sich gegen <strong>die</strong> vernunftwidrige<br />

Bevormundung durch <strong>die</strong> Amtskirche und orthodoxe bzw. pietistische Theologen.<br />

810 Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, Berl<strong>in</strong>ische<br />

Monatsschrift 1784, Zwölftes Stük, December: „Aufklärung ist der Ausgang des<br />

Menschen aus se<strong>in</strong>er selbstverschuldeten Unmündigkeit. … Habe Muth dich de<strong>in</strong>es<br />

eigenen Verstandes zu be<strong>die</strong>nen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

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