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Udo Schnelle: Einführung in die Evangelische Theologie Leseprobe

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

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352<br />

6. <strong>Evangelische</strong> <strong>Theologie</strong> und das Denken der Moderne<br />

samt vor enorme Herausforderungen stellt. Die Plausibilität e<strong>in</strong>es<br />

geschlossenen, am biblischen Weltbild orientierten religiösen Herrschaftssystems<br />

wurde immer mehr <strong>in</strong>frage gestellt und langsam wuchs<br />

e<strong>in</strong>e umstürzende Erkenntnis: Die Welt kann aus sich selbst erklärt werden<br />

und man benötigt dafür weder e<strong>in</strong>en Gott noch e<strong>in</strong>e Kirche. Nicht<br />

Gott, sondern der Mensch ist der Mittelpunkt des Kosmos. E<strong>in</strong>e große<br />

anthropologische Kehre bestimmt seitdem das Denken; weg von Gott<br />

bzw. der Kirche und h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em auf allen Gebieten selbstbestimmten<br />

Leben. 805<br />

Bereits mit der Renaissance und der Reformation eröffneten sich<br />

neue Horizonte. In der Renaissance (15./16. Jh.) 806 wurde mit Rückgriff<br />

auf <strong>die</strong> Antike <strong>in</strong> Philosophie und Dichtung (Humanismus), <strong>in</strong> der<br />

Kunst (Michelangelo, Raffael), <strong>in</strong> den Naturwissenschaften (Leonardo da<br />

V<strong>in</strong>ci, Galilei, Kepler) und der Mediz<strong>in</strong> (Paracelsus) das moderne Individuum<br />

geboren. Es entstanden immer mehr Universitäten und Akademien,<br />

Erf<strong>in</strong>dungen wie der Buchdruck (ab 1450: Gutenberg) veränderten<br />

<strong>die</strong> Welt und der Blick weitete sich durch Entdeckungsreisen (Kolumbus,<br />

Vasco da Gama), den systematischen Fern-/Großhandel sowie den<br />

kulturellen Austausch mit der arabischen Welt. Mit der Reformation<br />

kommt e<strong>in</strong> völlig neues Element h<strong>in</strong>zu: <strong>die</strong> erfolgreiche Durchsetzung<br />

der religiösen Selbstbestimmung. Mart<strong>in</strong> Luther war e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong><br />

Mensch des Mittelalters, andererseits markiert se<strong>in</strong> Widerstand gegen<br />

den Papst und den Kaiser e<strong>in</strong>e Wende: Das religiöse Individuum widersetzt<br />

sich den herrschenden Mächten se<strong>in</strong>er Zeit, es protestiert 807 und<br />

fordert Selbstbestimmung und <strong>in</strong>dividuelle Freiheiten e<strong>in</strong>. Der Mensch<br />

<strong>die</strong> Religion getragen, und <strong>die</strong>se rechtfertigte sie wiederum ihrerseits. Die Lebensführung<br />

jedes Tages war e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> <strong>die</strong> Religion. Diese war selbstverständlich<br />

allgegenwärtige Lebensluft. Heute ist <strong>die</strong> Religion e<strong>in</strong>e Sache der Wahl.“<br />

805 Diesen Prozess beschreibt ausführlich: Jan Rohls, Protestantische <strong>Theologie</strong> der<br />

Neuzeit I.II, Tüb<strong>in</strong>gen 2018.<br />

806 Vgl. hierzu Bernd Roeck, Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance,<br />

München 2017.<br />

807 Zum Protest als Signum der Neuzeit vgl. Joachim Knape, 1521. Mart<strong>in</strong> Luthers<br />

rhetorischer Moment oder <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> des Protests, 309: „Im Protest erhebt sich<br />

<strong>die</strong> Stimme des Unterschieds zur Macht, und <strong>in</strong> ihm artikuliert sich der Wille zur<br />

Durchsetzung eigener Anliegen.“

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