Udo Schnelle: Einführung in die Evangelische Theologie Leseprobe

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen. Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

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126 4. Die Gegenstände der evangelischen Theologie deshalb selbstverständlich verglichen sowie beurteilt werden können. Jeder Mensch hat eine Vorstellung, ein Bild von Gott; auch der Atheist, nämlich dass es Gott nicht gibt, nicht geben darf. Der Skeptiker, dass es ihn vielleicht gibt, vielleicht aber auch nicht. Der Gleichgültige, dass ihn Gott nicht zu interessieren hat. Jede Weltanschauung, jede Philosophie und natürlich jede Religion entwirft ein Modell von Gott. Sie alle beschreiben nicht zeitenthoben und ,objektiv‘ Gottes Wesen, sondern geben ihr jeweiliges individuelles Bild von Gott wieder. Dies ist völlig natürlich, denn das äußere wie das innere Bild ist der Zugang des Menschen zu jeder Form von Wirklichkeit. Zugleich muss dieser (relativierende) Bildcharakter aber immer wieder betont werden, um einem unangemessenen An spruch von Gottesbildern entgegenzuwirken, als würden sie unmittelbar die vom Menschen kategorial geschiedene Wirklichkeit Gottes zum Ausdruck bringen. Vielmehr sind es ausschließlich die Bilder und Vorstellungen, die Menschen von Gott haben. Dennoch sind die Gottesbilder der großen Religionen nicht willkürlich, denn sie verdanken sich in der Regel den äußeren wie inneren Bildern und grundlegenden Erfahrungen der ersten Zeugen, die als plausibel empfunden wurden, dann in Texte einflossen und so Bilder formten. Dies gilt auch für das christliche Gottesbild, denn hier ist die Vorstellungswelt der Bibel die Basis. Der eine Gott als Schöpfer, König und Gerechter Im Alten Testament wird der ,eine‘ Gott (vgl. Ex 34,13; Hos 13,4; Dtn 6,4: dargestellt. vor allem als Schöpfer, König und Gerechter ‏(יְהוָה אֶחָד Der Monotheismus steht keineswegs am Anfang der Religion Israels. 280 Sowohl Texte des Alten Testaments (vgl. Ex 6,3; Ps 82) als auch archäologische Zeugnisse 281 lassen noch deutlich erkennen, dass Jahwe als ursprünglich siegreicher Wetterherrscher (vgl. Ri 5,4 f.; Ps 18,10–15; 24,1–3; 29; 46; 48; 50,3; 65,7–14; 93; 97 u. ö.) 282 zunächst ein Lokalgott neben ande- 280 Vgl. als Gesamtschau: Rainer Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit I.II, Göttingen 1992.1996; Thomas Römer, Die Erfindung Gottes. Eine Reise zu den Quellen des Monotheismus, Darmstadt 2018. 281 Bedeutsam sind hier vor allem Inschriften/Ikonographen aus dem 9./8. Jh. v. Chr.; vgl. dazu Othmar Keel/Christoph Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole, Freiburg i. Br. 2001. 282 Vgl. dazu Reinhard Müller, Jahwe als Wettergott, BZAW 387, Berlin 2008;

4.1 Der eine Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist 127 ren war (z. B. El, Baal) und seine Gattin vielerorts Aschera hieß (vgl. Dtn 16,21; Ri 6,25; 1Kön 15,13; 2Kön 21,7; 23,4 u. ö.). 283 Lokale bzw. regionale Jahwe-Kulte (z. B.: Jahwe von Jerusalem, Jahwe von Samaria, Jahwe von Teman = Süden [Hab 3,3]) bildeten dann wahrscheinlich den Ausgangspunkt einer Entwicklung, die im 7. Jh. v. Chr. mit den Vorformen des Monotheismus Deuteronomiums 284 und vor allem mit Deutero-Jesaja (Mitte des 6. Jh. v. Chr.) in Richtung exklusivem Monotheismus voranschritt. Das Be kenntnis zur Einzigkeit Jahwes wurde von Deutero- Jesaja zum grundlegenden theologischen Konzept erhoben. 285 Jahwe, der ,König Jakobs‘, geht mit den Göttern der Heiden ins Gericht und erweist ihre Nichtigkeit (vgl. Jes 41,21–29; 43,10 u. ö.). Positiv zeigt sich die Einzigkeit Jahwes in seiner totalen und exklusiven Kompetenz für Schöpfung, Geschichte und Heil. Der Spruch an Kyros fasst dies zusammen: „Ich bin der Herr, und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott. Ich habe dich zum Kampf gerüstet ohne dass du mich kanntest, damit man vom Osten bis zum Westen erkenne, dass es außer mir keinen Gott gibt. Ich bin der Herr, und sonst niemand. Ich erschaffe das Licht und erschaffe das Dunkel, ich bewirke das Heil und bewirke das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt“ (Jes 45,5–7). Weil Jahwe der Einzige ist, muss sich sein Königreich als befreiende Tat an seinem Volk erweisen: „Ich bin Jahwe, ich, und außer mir gibt es keinen Retter. ... Ich allein bin Gott; auch künftig werde ich es sein“ (Jes 43,11–13). Schon jetzt kann Deutero-Jesaja die baldige Rettung seines Volkes mit dem Ruf ankündigen: „Dein Gott ist König“ (Jes 52,7). Dieser exklusive Monotheismus setzte sich in nachexilischer Zeit (5.–2. Jh. v. Chr.) durch, jedoch darf man sich das Verhältnis zwischen Mono- und Polytheismus Jürgen van Oorschot/Markus Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, Berlin 2017; Konrad Schmid, Theologie des Alten Testaments, 246–248. 283 Vgl. hier Christian Frevel, Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch Jah - wes, Bodenheim 1995. 284 Reinhard Feldmeier/Hermann Spieckermann, Der Gott der Lebendigen, 98, vermuten: „Das Šĕma in Dtn 6,4–9 könnte einmal der Text gewesen sein, der die aus dem 7. Jahrhundert stammende Grundfassung des Deuteronomiums eingeleitet hat.“ 285 Vgl. dazu Matthias Albani, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Begründung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Horizont der Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient, ABG 1, Leipzig 2000; Darina

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4. Die Gegenstände der evangelischen <strong>Theologie</strong><br />

deshalb selbstverständlich verglichen sowie beurteilt werden können.<br />

Jeder Mensch hat e<strong>in</strong>e Vorstellung, e<strong>in</strong> Bild von Gott; auch der Atheist,<br />

nämlich dass es Gott nicht gibt, nicht geben darf. Der Skeptiker, dass es<br />

ihn vielleicht gibt, vielleicht aber auch nicht. Der Gleichgültige, dass ihn<br />

Gott nicht zu <strong>in</strong>teressieren hat. Jede Weltanschauung, jede Philosophie<br />

und natürlich jede Religion entwirft e<strong>in</strong> Modell von Gott. Sie alle<br />

beschreiben nicht zeitenthoben und ,objektiv‘ Gottes Wesen, sondern<br />

geben ihr jeweiliges <strong>in</strong>dividuelles Bild von Gott wieder. Dies ist völlig<br />

natürlich, denn das äußere wie das <strong>in</strong>nere Bild ist der Zugang des Menschen<br />

zu jeder Form von Wirklichkeit. Zugleich muss <strong>die</strong>ser (relativierende)<br />

Bildcharakter aber immer wieder betont werden, um e<strong>in</strong>em unangemessenen<br />

An spruch von Gottesbildern entgegenzuwirken, als würden sie<br />

unmittelbar <strong>die</strong> vom Menschen kategorial geschiedene Wirklichkeit Gottes<br />

zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. Vielmehr s<strong>in</strong>d es ausschließlich <strong>die</strong> Bilder und<br />

Vorstellungen, <strong>die</strong> Menschen von Gott haben. Dennoch s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Gottesbilder<br />

der großen Religionen nicht willkürlich, denn sie verdanken sich<br />

<strong>in</strong> der Regel den äußeren wie <strong>in</strong>neren Bildern und grundlegenden Erfahrungen<br />

der ersten Zeugen, <strong>die</strong> als plausibel empfunden wurden, dann <strong>in</strong><br />

Texte e<strong>in</strong>flossen und so Bilder formten. Dies gilt auch für das christliche<br />

Gottesbild, denn hier ist <strong>die</strong> Vorstellungswelt der Bibel <strong>die</strong> Basis.<br />

Der e<strong>in</strong>e Gott als Schöpfer, König und Gerechter<br />

Im Alten Testament wird der ,e<strong>in</strong>e‘ Gott (vgl. Ex 34,13; Hos 13,4; Dtn 6,4:<br />

dargestellt. vor allem als Schöpfer, König und Gerechter ‏(יְהוָה אֶחָד<br />

Der Monotheismus steht ke<strong>in</strong>eswegs am Anfang der Religion Israels. 280<br />

Sowohl Texte des Alten Testaments (vgl. Ex 6,3; Ps 82) als auch archäologische<br />

Zeugnisse 281 lassen noch deutlich erkennen, dass Jahwe als ursprünglich<br />

siegreicher Wetterherrscher (vgl. Ri 5,4 f.; Ps 18,10–15; 24,1–3;<br />

29; 46; 48; 50,3; 65,7–14; 93; 97 u. ö.) 282 zunächst e<strong>in</strong> Lokalgott neben ande-<br />

280 Vgl. als Gesamtschau: Ra<strong>in</strong>er Albertz, Religionsgeschichte Israels <strong>in</strong> alttestamentlicher<br />

Zeit I.II, Gött<strong>in</strong>gen 1992.1996; Thomas Römer, Die Erf<strong>in</strong>dung Gottes.<br />

E<strong>in</strong>e Reise zu den Quellen des Monotheismus, Darmstadt 2018.<br />

281 Bedeutsam s<strong>in</strong>d hier vor allem Inschriften/Ikonographen aus dem 9./8. Jh. v. Chr.;<br />

vgl. dazu Othmar Keel/Christoph Uehl<strong>in</strong>ger, Gött<strong>in</strong>nen, Götter und<br />

Gottessymbole, Freiburg i. Br. 2001.<br />

282 Vgl. dazu Re<strong>in</strong>hard Müller, Jahwe als Wettergott, BZAW 387, Berl<strong>in</strong> 2008;

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