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Udo Schnelle: Einführung in die Evangelische Theologie Leseprobe

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

Dieses Buch des international anerkannten Exegeten Udo Schnelle führt in die Grundfragen, die Grundlagen und in die Fächer der Evangelischen Theologie ein: Warum Theologie an der Universität? Weshalb Theologie und nicht Religion? Welche Bedeutung hat die Bibel? Was verbindet die einzelnen Fächer der Theologie und gibt es ein gemeinsames Zentrum? Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach dem Ort und der Leistungsfähigkeit von Theologie im Kontext neuzeitlichen Denkens. Es zeigt sich, dass Vernunft sowie Offenbarung, Glaube und Mythos keine Gegensätze darstellen, sondern unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit erfassen.

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20<br />

1. Die Stellung der <strong>Theologie</strong> <strong>in</strong> den Wissenschaften<br />

Struktur der Welt und ihre eigene Situation geben will. Sie bedenkt <strong>die</strong> Entstehung der<br />

Welt und ihrer Ordnungen, ebenso das Woher des Menschen und se<strong>in</strong>er Mitgeschöpfe<br />

sowie <strong>die</strong> Ursprünge der Kultur. Zudem werden fundamentale Fragen des Lebens<br />

behandelt: Woher kommt das Böse? Warum br<strong>in</strong>gen sich Menschen gegenseitig um?<br />

Straft Gott <strong>die</strong> Menschen? Warum überwiegt <strong>in</strong> der Schöpfung <strong>die</strong> Ordnung und nicht<br />

das Chaos? Warum gibt es unterschiedliche Nationen und Sprachen? Dabei teilen alle<br />

Erzählungen <strong>die</strong> Grundüberzeugung antiken Denkens, wonach alles Gegenwärtige und<br />

Zukünftige im Anfang se<strong>in</strong> Wesen erhielt.<br />

Die Erzählung verfügt über e<strong>in</strong>e erstaunliche Leistungsfähigkeit; sie ist<br />

<strong>die</strong> Form, <strong>in</strong> der sich das Innerste artikulieren kann und zugleich das<br />

Äußere e<strong>in</strong>e Gestalt f<strong>in</strong>det. Das Denken und Fühlen ist nichts anderes<br />

als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Erzählung, <strong>die</strong> jederzeit zu e<strong>in</strong>er äußeren Erzählung, zur<br />

Mitteilung werden kann. Die Erzählung konstituiert Zeit und verleiht<br />

dem E<strong>in</strong>maligen Dauer, 29 wodurch Rezeption und Traditionsbildung<br />

überhaupt erst ermöglicht werden. Die Erzählung relationiert <strong>in</strong> sachlicher,<br />

zeitlicher und räumlicher H<strong>in</strong>sicht; e<strong>in</strong>e Erzählung stiftet E<strong>in</strong>sicht,<br />

<strong>in</strong>dem sie neue Zusammenhänge schafft und den S<strong>in</strong>n des Geschehens<br />

hervortreten lässt. 30 E<strong>in</strong>e weitere Funktion von Erzählungen<br />

besteht <strong>in</strong> der Wissensbildung und Wissensvermittlung. Erzählungen<br />

berichten, beschreiben und erklären Geschehnisse, vermehren das Wissen<br />

und bilden e<strong>in</strong> Weltbild, an dem sich Menschen orientieren können.<br />

E<strong>in</strong> besonderes Leistungsmerkmal von Er zählungen ist <strong>die</strong> Bildung,<br />

Präsentation und Stabilisierung von Identität. 31 Erzählungen stiften<br />

und verbürgen e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>nzusammenhang, der durch Identifikationen<br />

zur Identitätsbildung führt. Durch Erzählungen werden Er<strong>in</strong>nerungen<br />

hervorgerufen und transportiert, ohne <strong>die</strong> es ke<strong>in</strong>e dauerhafte Identität<br />

geben kann. Insbesondere <strong>in</strong> Erzählungen bearbeitete kollektive Erfah-<br />

29 Vgl. Aleida Assmann, Zeit und Tradition, Köln/Weimar 1999, 4: „Durch Zeitkonstruktionen<br />

werden S<strong>in</strong>nhorizonte entworfen“.<br />

30 Vgl. Jürgen Straub, Geschichten erzählen, Geschichte bilden. Grundzüge e<strong>in</strong>er<br />

narrativen Psychologie historischer S<strong>in</strong>nbildung, <strong>in</strong>: Jürgen Straub (Hrsg.), Erzählung,<br />

Identität und historisches Bewußtse<strong>in</strong>, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1998, (81–169) 124 ff.<br />

31 Zum Begriff der Identität vgl. Bernd Estel, Art. Identität, HRWG III, Stuttgart<br />

1993, 193–210; Jürgen Straub (Hrsg.), Erzählung, Identität und historisches<br />

Bewußtse<strong>in</strong>, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1998; Aleida Assmann/Heidrun Friese<br />

(Hrsg.), Identitäten, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2 1999; Friederike Portenhauser,<br />

Personale Identität <strong>in</strong> der <strong>Theologie</strong> des Paulus, 7–215.

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