cav – Prozesstechnik für die Chemieindustrie 09.2021
Die Fachzeitschrift cav - Prozesstechnik für die Chemieindustrie berichtet über Verfahren, Anlagen, Apparate und Komponenten für die chemische und pharmazeutische Industrie. Weitere Themen sind IT-Technologien, Industrie 4.0, digitale Produktion, MSR- und Automatisierungstechnik und Prozessanalysentechnik. Abgerundet wird das inhaltliche Spektrum durch Ex-Schutz, Anlagensicherheit, Arbeitsschutz, Instandhaltung, Standortmanagement und Energiemanagement.
Die Fachzeitschrift cav - Prozesstechnik für die Chemieindustrie berichtet über Verfahren, Anlagen, Apparate und Komponenten für die chemische und pharmazeutische Industrie. Weitere Themen sind IT-Technologien, Industrie 4.0, digitale Produktion, MSR- und Automatisierungstechnik und Prozessanalysentechnik. Abgerundet wird das inhaltliche Spektrum durch Ex-Schutz, Anlagensicherheit, Arbeitsschutz, Instandhaltung, Standortmanagement und Energiemanagement.
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Kunststoffe sind der Werkstoff unserer Zeit: im Kampf gegen den<br />
Klimawandel, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte oder<br />
um unsere Städte lebenswerter zu machen. Doch um eine wirklich<br />
nachhaltige Zukunft zu erreichen und unsere Umwelt langfristig zu<br />
schützen, müssen sich unsere Einstellung zum Konsum und unser<br />
Verständnis von Abfall ändern. Seit 1970 hat sich der weltweite Ressourcenverbrauch<br />
mehr als verdreifacht. Die natürlichen Ressourcen<br />
<strong>für</strong> das gesamte Jahr 2020 waren bereits nach acht Monaten erschöpft.<br />
Gleichzeitig geht <strong>die</strong> Menschheit oft nicht nachhaltig mit<br />
den Produkten um. Laut einer wissenschaftlichen Stu<strong>die</strong> wurden<br />
nur rund 9 % aller zwischen 1950 und 2015 hergestellten Kunststoffe<br />
recycelt <strong>–</strong> 600 Millionen von 6,3 Milliarden Tonnen.<br />
Produzieren, kurz verbrauchen, entsorgen <strong>–</strong> <strong>die</strong>ses Muster hat ausge<strong>die</strong>nt,<br />
vor allem bei Kunststoffen. Sie müssen mehr und länger<br />
genutzt werden. Und am Ende ihres Lebens sollten sie systematisch<br />
und effektiv wiederverwendet und recycelt werden.<br />
Das Covestro-Verfahren zum Recycling von Matratzenschaum spaltet den<br />
verwendeten PU-Schaum wieder in seine Bestandteile<br />
Bild: Covestro<br />
Bessere Recyclingsysteme erforderlich<br />
Auf dem Weg zu einer effektiven und ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft<br />
bleibt jedoch noch viel zu tun. So müssen zum Beispiel<br />
<strong>die</strong> weltweiten Abfall- und Recyclingsysteme verbessert oder<br />
überhaupt erst eingerichtet werden. Derzeit haben etwa zwei Milliarden<br />
Menschen <strong>–</strong> also rund ein Viertel der Weltbevölkerung <strong>–</strong> keinen<br />
Zugang zu einer regelmäßigen Abfallentsorgung. Doch der<br />
Wandel kann nur gelingen, wenn alle Marktteilnehmer eng zusammenarbeiten.<br />
Die Kunststoffindustrie kann und will dabei eine entscheidende<br />
Rolle spielen, zum Beispiel in der Alliance to End Plastic<br />
Waste, einem weltweiten Zusammenschluss von Unternehmen, in<br />
dem beispielsweise BASF, Covestro und Henkel Mitglied sind.<br />
Als einer der Pioniere der Kreislaufwirtschaft will Covestro das Recycling<br />
von Kunststoffen fördern. In mehr als 20 Projekten arbeiten<br />
<strong>die</strong> Experten des Unternehmens an innovativen Technologien, um<br />
sie möglichst schnell zur Marktreife zu bringen. Damit soll insbesondere<br />
der Carbon Footprint von Produktionsprozessen und Produkten<br />
reduziert und ein Beitrag zum Klima- und Umweltschutz<br />
geleistet werden. Zugleich will Covestro mit Kunden und Partnern<br />
neue zirkuläre Geschäftsmodelle entwickeln.<br />
Der Newcomer: Chemisches Recycling<br />
Matratzen sorgen <strong>für</strong> einen bequemen Schlaf, doch am Ende ihres<br />
Lebens werden sie meist verbrannt oder landen in Deponien <strong>–</strong> ein<br />
Schicksal, das sie mit vielen anderen Kunststoffprodukten teilen.<br />
Etwa 15 bis 20 kg beträgt <strong>die</strong> durchschnittliche Menge an Poly -<br />
urethanschaum in einer Matratze. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer:<br />
das chemische Recycling. Die Technologie steckt zwar<br />
noch in den Kinderschuhen, ermöglicht aber <strong>die</strong> Wiederverwertung<br />
solcher Materialien. Beim chemischen Recycling werden Schaumstoffe<br />
und andere Kunststoffe in ihre Moleküle und Ausgangsstoffe<br />
aufgespalten, um daraus neue Produkte herzustellen.<br />
Für bestimmte Kunststoffe <strong>–</strong> meist handelt es sich um Verbundwerkstoffe<br />
<strong>–</strong> ist das chemische Recycling sogar <strong>die</strong> einzig sinnvolle Verwertungsmethode.<br />
Es muss daher weiter ausgebaut und gefördert<br />
werden. Dazu sind natürlich auch <strong>die</strong> richtigen politischen und<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig. Ziel muss es sein, das<br />
chemische Recycling zu einem festen Bestandteil der Kunststoff-<br />
Wertschöpfungskette zu machen <strong>–</strong> bei allen Vor- und Nachteilen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Technologie mit sich bringt.<br />
Pilotanlage <strong>für</strong> PU-Schaum-Recycling<br />
Seit Kurzem betreibt Covestro am Standort Leverkusen auch eine Pilotanlage<br />
<strong>für</strong> das Weichschaum-Recycling, um <strong>die</strong> bisher erzielten<br />
Wasserflaschen aus Polycarbonat sind besonders einfach mechanisch zu<br />
recyceln<br />
positiven Laborergebnisse zu verifizieren. Mit <strong>die</strong>sem Projekt zum<br />
chemischen Recycling von PU-Matratzenschaum ist das Unternehmen<br />
dem Ziel eines Recyclingkreislaufs einen bedeutenden Schritt<br />
nähergekommen. „Das Projekt ist Teil eines langfristigen strategischen<br />
Programms, um Covestro vollständig auf <strong>die</strong> Kreislaufwirtschaft<br />
auszurichten und eine treibende Kraft in der Wertschöpfung<br />
zu sein“, sagt Dr. Klaus Schäfer, Chief Technology Officer von Covestro.<br />
„Die Entwicklung <strong>die</strong>ser innovativen Recyclingtechnologie<br />
und <strong>die</strong> Investition in <strong>die</strong> Pilotanlage sind weitere Meilensteine, um<br />
Materialkreisläufe zu schließen. Damit wollen wir fossile Ressourcen<br />
in der Produktion ersetzen, den CO 2 -Fußabdruck unserer Materialien<br />
reduzieren und Lösungen <strong>für</strong> den Umgang mit Kunststoffabfällen<br />
schaffen. Zugleich gelingt uns so der Nachweis, dass Polyurethane<br />
recycelbar sind.“<br />
Schaumstoff-Recycling der nächsten Stufe<br />
„Unser Ziel ist es, chemische Recyclingprozesse <strong>für</strong> Post-Consumer-<br />
Weichschaumstoffe zu industrialisieren, um letztlich beide Rohstoffe<br />
aus dem Recycling von Matratzenschaum zu vermarkten“, erklärt<br />
Karin Clauberg, Venture Manager Flexible Foam Chemolysis bei Covestro.<br />
„Mit unserer Technologie wollen wir ein hochreines, hochwertiges<br />
Recycling-Polyol liefern, das <strong>die</strong> Kundenspezifikationen erfüllt,<br />
und ein recyceltes Toluol-Diamin oder TDA, das sich <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Weiterverarbeitung zu Toluol-Diisocyanat eignet. Dieses Isocyanat,<br />
kurz TDI, wird zusammen mit dem Polyol <strong>für</strong> <strong>die</strong> Herstellung von<br />
Weichschaumstoffen verwendet.“<br />
Bild: Covestro<br />
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