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Credit Suisse bulletin, 2011/05

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Das älteste Bankenmagazin der Welt. Seit 1895<br />

Ausgabe Schweiz / Deutsch<br />

Nummer 5<br />

Dezember 20<strong>11</strong> / Januar 2012<br />

ist eZine Fragee des Eit<br />

mpfindens<br />

Schwerpunkt Beim Lesen über die <strong>Zeit</strong> bleibt die <strong>Zeit</strong> stehen / Premium Uhren, Schokolade, Schönheit, Mode, Reisen. Alles nur vom Besten /<br />

Sorgenbarometer Unentbehrlich seit über 30 Jahren / Leader Im Gespräch mit dem amerikanischen Physiker und Futurologen Michio Kaku


Berührt die Sinne.<br />

BeSchleunigt den PulS.<br />

BMW steht seit je für vollendete Freude am Fahren. Die neuen BMW 6er Modelle krönen unser Bestreben, ein<br />

perfektes Auto zu schaffen. Sowohl das sportliche Coupé als auch das elegante Cabrio vereinen Dynamik und<br />

Eleganz, Komfort und Effizienz perfekt. Zudem sorgt das intelligente Allradsystem BMW xDrive für optimale<br />

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das neue<br />

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Freude am Fahren


2 Editorial<br />

<strong>Zeit</strong><br />

Fokus<br />

Editorial<br />

Glück ist, wenn die <strong>Zeit</strong> stillsteht<br />

Das <strong>bulletin</strong> wurde 1895 als Effektenkursblatt der Schweizerischen<br />

Kreditanstalt in Zürich gegründet. Vor <strong>11</strong>6 Jahren. Eine lange <strong>Zeit</strong>.<br />

Gleichzeitig aber auch eine sehr kurze, denn das älteste Bankmagazin<br />

der Welt ist immer mit der <strong>Zeit</strong> gegangen. Und dadurch jung geblieben.<br />

Den Spagat zwischen Tradition und Innovation zu schaffen, ist eine<br />

reizvolle Herausforderung. Auch in dieser Ausgabe. Sie enthält erstmals<br />

das Dossier Premium, in dem wir zeitgemässe Themen wie<br />

Mode, Schönheit, Reisen oder Uhren <strong>bulletin</strong> gemäss darstellen. Und sie<br />

beinhaltet das Sorgenbarometer, das es uns – und vielen Stützen der<br />

Schweizer Gesellschaft – erlaubt, den Puls der <strong>Zeit</strong> zu fühlen. Seit weit<br />

über 30 Jahren. <strong>Zeit</strong>, dem Sorgenbarometer wieder einmal ein neues<br />

Kleid zu schenken.<br />

Dass das <strong>bulletin</strong> alle Stürme – oder wie die Eidgenossen sagten<br />

«Die Arglist der <strong>Zeit</strong>» – überstehen konnte, verdankt es allein seinen<br />

treuen Leserinnen und Lesern. Deshalb möchten wir zum Jahresende<br />

sagen, was wir das ganze Jahr über denken: «Danke!» Allerdings<br />

geht es der <strong>bulletin</strong> Gemeinde kaum anders als dem übrigen Teil der<br />

Menschheit: Es fehlt die <strong>Zeit</strong>. Wir kennen verschiedene Reaktionen<br />

darauf. Einige wenige resignieren nach kurzem Durchblättern, andere<br />

vertiefen sich in die Lektüre und vergessen die <strong>Zeit</strong>, viele nehmen<br />

das <strong>bulletin</strong> mehrmals in die Hand. Und immer häufiger hören wir, dass<br />

das <strong>bulletin</strong> gesammelt wird. Die Artikel von «Holz», «Jugend» oder<br />

«Westen» sind zeitlos aktuell. Allerdings versteckt sich manchmal die<br />

eine oder andere Nummer in den grossen Papierbergen. Damit Sie Ihre<br />

<strong>bulletin</strong> Sammlung vervollständigen können, haben wir den Talon<br />

angepasst. Sie finden auf ihm weitere interessante Lektüremöglichkeiten.<br />

Mit ein bisschen Glück auch einen <strong>Zeit</strong>messer – von IWC.<br />

Wir schreiben, redigieren, produzieren. Und lesen zuletzt das ganze<br />

<strong>bulletin</strong> noch einmal. Diesmal mit der Stoppuhr. Redaktorin Regula<br />

Brechbühl benötigte für den Artikel von Katrin Zeug 3 Minuten<br />

15 Sekunden weniger lang als ich. Habe ich nun <strong>Zeit</strong> verloren? Oder<br />

gewonnen, weil ich mich diesem interessanten Artikel länger widmen<br />

durfte? Es ist alles eine Frage des Empfindens. Im Idealfall bleibt<br />

unsere kleine Welt innerhalb der grossen eine Weile stehen. Das nennt<br />

man Lebensqualität. Oder Glück. Und das wünschen wir Ihnen.<br />

Andreas Schiendorfer, Chefredaktor<br />

Katrin Zeug<br />

publizierte mit Anne Kunze<br />

bei Rowohlt das Buch<br />

«Ab 18 – Was junge<br />

Menschen wirklich machen».<br />

Ihr Artikel auf Seite 4<br />

Claudia Steinberg<br />

bringt mit ihren Artikeln,<br />

unter anderem in der<br />

«<strong>Zeit</strong>», New York den<br />

Europäern näher.<br />

Ihr Artikel auf Seite 20<br />

Verweilen in der <strong>Zeit</strong> Wie lange<br />

dauert eigentlich die Gegenwart ?<br />

Drei Sekunden sagen manche,<br />

denn nachher verlangt unser Gehirn<br />

einen neuen Reiz. Doch es gibt<br />

Situationen, in denen wir die <strong>Zeit</strong><br />

vergessen, in denen die <strong>Zeit</strong><br />

stillsteht – und im Rückblick rasant<br />

vorbeigegangen ist. Nehmen Sie<br />

sich <strong>Zeit</strong>, sich mit dem Empfinden<br />

von <strong>Zeit</strong> zu beschäftigen.<br />

neutral<br />

Drucksache<br />

No. 01-<strong>11</strong>-598994 www.myclimate.org<br />

© myclimate The Climate Protection Partnership<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

Coverfoto: Pia Zanetti | Foto: Cédric Widmer | Baris Guerkan | zvg


Ivo Pitanguy<br />

Michelangelo der Chirurgen<br />

Hublot<br />

Jean-Claude Biver<br />

Lindt & Sprüngli<br />

Ernst Tanner<br />

Burberry<br />

Angela Ahrendts<br />

Travel<br />

Hongkong<br />

Fotos: dapd, Steffi Loos, Keystone | Udo Weitz, Keystone<br />

Konjunktur<br />

Der Trend zur Konjunkturverlangsamung<br />

hat in China<br />

und den USA nachgelassen,<br />

in Europa sich aber verstärkt.<br />

Die mittelfristigen<br />

Wachstumsaussichten<br />

bleiben verhalten.<br />

Dass der griechische Staat zahlungsunfähig<br />

ist, stellt keine Überraschung mehr dar.<br />

In der Zwischenzeit hat sich aber die Wirtschafts-<br />

und Finanzlage anderer – grösserer –<br />

Länder verschlechtert. Frankreich, aber<br />

ganz besonders Spanien und Italien geben<br />

Anlass zur Sorge.<br />

Das laufende Defizit in Italien ist mit etwa<br />

4,5% des BIP zwar geringer als in vielen<br />

anderen Industrie ländern und der Primärhaushalt,<br />

d. h. das Defizit ohne Zinszahlungen,<br />

ist sogar fast ausgeglichen. Weil die Regierung<br />

Berlusconi jedoch Sanierungsmassnahmen<br />

verschleppt hat, haben die Finanzmärkte<br />

zunehmend das Vertrauen verloren.<br />

Die Zinsen auf den italienischen Staatsanleihen<br />

sind weit über ein nachhaltiges Niveau<br />

hinaus gestiegen, und es droht eine Spirale,<br />

in der die Schulden wegen zunehmender<br />

Zinszahlungen unkontrolliert steigen.<br />

Das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen<br />

ist viel schwieriger als es zu verlieren.<br />

Auch entschlossene Massnahmen der neuen<br />

Regierung reichen womöglich nicht aus.<br />

Gleichzeitig sind die Mittel des europäischen<br />

Stabilitätsfonds (EFSF) zu gering, um<br />

die italienischen Anleihen zu garantieren.<br />

Es braucht schwereres Geschütz. Wer die<br />

Mittel hat, ist klar. Es ist die Europäische<br />

Zentralbank. Wie radikal Notenbanken handeln<br />

müssen, um den Markt zu überzeugen,<br />

hat die SNB jüngst vorgemacht. Avanti,<br />

Signor Draghi!<br />

Dr. Oliver Adler<br />

Leiter Global Economics<br />

Invest<br />

Zinsen und<br />

Währungen Aktien Rohstoffe Immobilien<br />

Obligationen<br />

Die kurzfristigen Zinsen Die Strukturprobleme des Aktien sind attraktiv bewertet,<br />

aber die politischen bleiben im aktuellen weisen ein grosses Agio<br />

Die zyklischen Rohstoffe Schweizer Immobilienfonds<br />

bleiben in den Hauptmärkten<br />

(inkl. Schweiz) bei null. wie jene des EUR. Wir er-<br />

Probleme in Europa und Umfeld riskant. Gold profi-<br />

auf. Solange die Zinsen<br />

USD sind ebenso gross<br />

Die Verzinsung ist auf warten eine Seitwärtsentwicklung<br />

von EUR/USD. Konjunktur begrenzen das Unsicherheiten, tiefen fehlen wir, diese Anlagen<br />

die schwache globale tiert von politischen jedoch tief bleiben, emp-<br />

Staatsanleihen sehr unattraktiv,<br />

auf Unternehmensanleihen<br />

leicht besser. der EUR etwas zulegen.<br />

Gegenüber dem CHF sollte Aufwärtspotenzial vorerst. Zinsen und fehlendem zu halten.<br />

Gegenparteirisiko.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong><br />

l<br />

Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse<br />

Credit Suisse Sorgenbarometer 20<strong>11</strong><br />

Erkenntnis als erster Schritt zur Lösung<br />

Inhalt 3<br />

Schwerpunkt <strong>Zeit</strong><br />

4 <strong>Zeit</strong>empfinden Die Verwendung von Lebenszeit ist<br />

nicht identisch mit der Suche nach dem Lebenssinn<br />

8 Wert des Vergessens Wer nicht vergisst,<br />

kann sich kein neues Wissen aneignen<br />

13 Wert des Verweilens Fotografi en, die zum<br />

Nachdenken und Geniessen einladen<br />

20 Wert des Alterns Mit dem Alter muss man Frieden<br />

schliessen und die zusätzliche <strong>Zeit</strong> nutzen<br />

Wirtschaft<br />

29 Reichtum Der Global Wealth Report gibt Aufschluss<br />

über das weltweite Privatvermögen<br />

33 Anlagestrategie Andreas Russenberger erklärt die<br />

Bedeutung des Faktors <strong>Zeit</strong> bei Geldanlagen<br />

34 Schwellenländer Wie reagieren die Schwellen länder<br />

in Lateinamerika und Asien auf die Krise?<br />

36 Lebensarbeitszeit Vielleicht arbeiten wir im Jahr<br />

2040 bis ins 73. Altersjahr. Wäre das schlimm?<br />

26<br />

Wirtschaft<br />

52<br />

Credit Suisse<br />

57<br />

Credit Suisse<br />

Wirtschaftsausblick Martin Neff<br />

bewahrt seine Zuversicht.<br />

Weihnachten Das Schweizerische<br />

Rote Kreuz zeigt, wie es für alle<br />

Weihnachten wird.<br />

Mikrofinanz In Malawi überprüften<br />

wir die positiven Auswirkungen<br />

unserer Mikrofi nanz-Initiative.<br />

Credit Suisse<br />

39 Vorbildliche Unternehmer – Preisträger im Überblick<br />

40 Kunst im Geschäftsumfeld: Schaffhausen<br />

41 Hier fi nden Sie das Credit Suisse Sorgenbarometer<br />

42 Next Generation Network: Wo vernetzen sinnvoll ist<br />

45 Gastkommentar: Jubiläum der Bankiervereinigung<br />

46 CAST: Studenten begleiten das Zurich Film Festival<br />

48 Stimmungsvoll. Mitglieder des Orchestre de la Suisse<br />

Romande spielen Kammermusik mitten auf der Rhone<br />

Leader<br />

60 Ewiges Leben? Der Physiker Michio Kaku befasst<br />

sich mit Fragen über die Zukunft der Menschheit<br />

kooaba. Mit kooaba Paperboy können Sie weiterführende<br />

Informationen auf Ihr Smartphone holen.<br />

Premium<br />

6<br />

2<br />

10<br />

14<br />

16<br />

Dossier<br />

Premium<br />

Uhren, Schokolade, Mode,<br />

Schönheit und Reisen.<br />

Invest<br />

Wirtschaft, Märkte und Anlagen<br />

Invest<br />

Märkte und Anlagen<br />

Informationen des Global<br />

Research der Credit Suisse.<br />

plus<br />

Schweizer Sorgen<br />

plus<br />

Sorgenbarometer<br />

Das Credit Suisse Sorgen barometer<br />

zeigt auf, wo die Schweizerinnen<br />

und Schweizer der Schuh drückt.<br />

Seite 41


4 <strong>Zeit</strong><br />

uNSER ERLEBEN<br />

BESTIMMT, WIE WIR<br />

ZEIT WAHRNEHMEN<br />

Der Mensch hat die uhr erst sehr spät als ein Werkzeug<br />

dafür entdeckt, seinen Alltag zu strukturieren und zu organisieren.<br />

Niemand kommt mit der Art von <strong>Zeit</strong>empfinden, wie<br />

wir es heute kennen, auf die Welt. Wir unterhielten uns mit<br />

dem <strong>Zeit</strong>empfindungsforscher Frieder Lang darüber.<br />

6 Min. 25 Sek.<br />

Die Lesezeit für<br />

diesen Artikel dauert<br />

im Durchschnitt<br />

6 Minuten und<br />

25 Sekunden.<br />

Interview: Katrin Zeug<br />

Es ist Montagvormittag, zehn Uhr. Frieder Lang, Professor<br />

für Psychologie in Erlangen, hat gerade den Aufsatz einer<br />

Doktorandin zum Thema Selbstwert überarbeitet. Er sitzt in<br />

seinem Zimmer in der Uni, es ist hell und so still, dass<br />

man nur das leise Ticken der Uhr hört, die an der weissen<br />

Wand gegenüber seinem Schreibtisch hängt. Während unseres<br />

Gesprächs wird er immer dann darauf schauen, wenn er<br />

über Minuten und Sekunden spricht, als müsse die Uhr ihn<br />

an diese kleinen Einheiten erinnern.<br />

In seiner Forschung beschäftigt er sich mit einer anderen<br />

<strong>Zeit</strong>: mit der des Erlebens. Wann fühlt sich ein Moment<br />

lange an? Wie empfinden wir ablaufende Fristen, und warum<br />

vergeht die <strong>Zeit</strong> immer schneller, je älter wir werden? Mit<br />

den Minuten und Sekunden auf der Uhr hat das wenig zu tun.<br />

Trotzdem: Für das Gespräch gibt es ein <strong>Zeit</strong>fenster von<br />

genau zwei Stunden, und die Zeiger an der Wand kreisen.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> 5<br />

Illustration: Corbis Specter | Foto: Gerhard Lang<br />

Es war nicht leicht, einen Termin für dieses Gespräch zu finden.<br />

Wünschten Sie manchmal, Sie hätten mehr <strong>Zeit</strong>?<br />

Wenn ich mehr <strong>Zeit</strong> hätte, würde ich mehr Aufgaben übernehmen, und es würde<br />

immer dasselbe herauskommen. Ich wünschte mir daher nicht mehr <strong>Zeit</strong> – aber<br />

mehr Weisheit, das Richtige zu tun und Unwichtiges zu lassen. Es ist eine Frage der<br />

Persönlichkeit, wie viel <strong>Zeit</strong> wir haben.<br />

Was können wir tun, um mehr von unserer <strong>Zeit</strong> zu haben?<br />

Nun, bekanntlich gibt es teure <strong>Zeit</strong>management-Seminare, in denen man lernen soll,<br />

seine eigenen Ziele zu formulieren und zu ordnen. Das sind in Wirklichkeit reine<br />

Motivationstrainings, die weniger mit <strong>Zeit</strong> an sich zu tun haben als mit Sinnfindung.<br />

Aber genau das verwechseln wir oft: die Verwendung von Lebenszeit mit der Suche<br />

nach Sinn im Leben. Wenn ich Sinnhaftes tue, dann spielt das <strong>Zeit</strong>erleben keine Rolle.<br />

Wenn ich mich aber mit ganz viel Nebensächlichem und Unwichtigem beschäftige,<br />

dann wird mir die <strong>Zeit</strong> lang – und im Rückblick leer.<br />

Kann man <strong>Zeit</strong> überhaupt fassen, wenn ihr Verlauf so wenig mit<br />

unserem Empfinden zu tun hat?<br />

Das versuchen wir, aber das ist in der Psychologie recht neu. Bisher hat die Frage,<br />

was <strong>Zeit</strong> ist, in erster Linie Physiker beschäftigt. Ihre Definition basiert auf der Atomphysik:<br />

Elektromagnetische Wellen bestimmen die <strong>Zeit</strong> beim Übergang von einem<br />

zum anderen Energiezustand so exakt wie nie zuvor. Und nach dieser «Atomzeit» standardisieren<br />

wir dann Maschinen, elektronische Geräte und richten unsere gesamte<br />

Moderne darauf aus. Aber das entspricht nicht unserem Erleben. Der Mensch hat die<br />

Uhr erst sehr spät als ein Werkzeug dafür entdeckt, seinen Alltag zu strukturieren und<br />

zu organisieren. Niemand kommt mit der Art von <strong>Zeit</strong>empfinden, wie wir es heute<br />

kennen, auf die Welt.<br />

Aber der Mensch hat doch ein <strong>Zeit</strong>empfinden …<br />

Ja, aber das ist ein ganz anderes, eher chronobiologisches, das sich nach Tag-Nacht-<br />

Rhythmen und Jahreszeiten richtet. Darauf sind wir sehr sensibel eingestellt.<br />

Wir merken es, wenn wir beispielsweise auf einer Reise in eine andere <strong>Zeit</strong>zone<br />

wechseln und schon bei wenigen Stunden Differenz einen Jetlag bekommen.<br />

Dieses <strong>Zeit</strong>erleben ist weit weg von dem, was wir in Sekunden und Minuten messen.<br />

Es gibt keinen sensorischen «<strong>Zeit</strong>sinn» wie den für Hören oder Sehen. Unser<br />

heutiges Verständnis von <strong>Zeit</strong> ist ein unnatürliches Konstrukt, allein unser Erleben<br />

bestimmt, wie wir Dauer und Tempo wahrnehmen.<br />

Wo im Gehirn findet diese Wahrnehmung statt?<br />

So komplex, wie wir <strong>Zeit</strong> erleben, kann sie nur als ein Zusammenspiel verschiedener<br />

Strukturen des Gehirns erklärt werden. Die älteste davon ist das Stammhirn, wo<br />

die Zirbeldrüse sitzt und Melatonin ausgeschüttet wird. Dieses Hormon ist unter<br />

anderem für den circadianen Rhythmus verantwortlich, der uns schlafen und wachen<br />

lässt. Aber bestimmend für unser <strong>Zeit</strong>empfinden ist beispielsweise auch, kausale<br />

Zusammenhänge zu erkennen, also Ursachen und ihre Wirkungen. Dieses Auswerten<br />

der Vergangenheit ist überlebenswichtig und läuft über das Gedächtnis, eine<br />

Gemeinschaftsleistung vieler verschiedener Areale. Stammesgeschichtlich erst viel<br />

später kam dann die vorausschauende <strong>Zeit</strong>kognition dazu, also die Vorstellung von<br />

<strong>Zeit</strong> als Zukunft. Sie ist vor allem in der Grosshirnrinde angesiedelt, wo Handlungen<br />

gesteuert, aber auch Wunscherfüllungen aufgeschoben, Pläne durchgespielt<br />

und Impulse kontrolliert werden. Kein anderes Hirnorgan ist in der jüngeren<br />

Evolution so stark gewachsen wie dieses.<br />

Ihr Kollege, der Neurologe Ernst Pöppel, sagt, die Gegenwart sei drei<br />

Sekunden lang. So lange dauere ein Schluck, ein Händedruck,<br />

ein Aufstampfen mit dem Fuss – dann frage das Gehirn nach Neuem.<br />

Wie empfinden wir einen Moment, in dem wir verweilen?<br />

><br />

steht aus!<br />

Frieder R. Lang<br />

wurde 1962 geboren.<br />

Er studierte Psychologie an<br />

der Technischen Universität<br />

Berlin und habilitierte<br />

2001 an der Humboldt-<br />

Universität über<br />

die Regulation sozialer<br />

Beziehungen.<br />

Anschliessend lehrte<br />

er Entwicklungspsychologie<br />

an der Martin-<br />

Luther-Universität Halle-<br />

Wittenberge. Seit 2006 ist<br />

Lang Inhaber des Lehrstuhls<br />

und Leiter des Instituts<br />

für Psychogerontologie<br />

an der Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


6 <strong>Zeit</strong><br />

«Wir verwechseln<br />

oft die Verwendung<br />

von Lebenszeit<br />

mit der Suche nach<br />

Sinn im Leben.»<br />

Frieder R. Lang<br />

Die Motivationspsychologie hat gezeigt, dass Menschen, die sich etwas leidenschaftlich<br />

hingeben – also beispielsweise ein Bergsteiger, der gerade an einer Bergwand hängt –<br />

so etwas wie einen <strong>Zeit</strong>verlust erleben. Sie sind vollkommen konzentriert und im Hier<br />

und Jetzt. Dieses Phänomen nennen wir Flow-Erleben. Im Nachhinein wird der<br />

Bergsteiger das Gefühl haben, dass die <strong>Zeit</strong> schnell vergangen ist, aber währenddessen,<br />

das ist das Merkwürdige, denkt er gar nicht über die <strong>Zeit</strong> nach, sein <strong>Zeit</strong>empfinden<br />

hat sich geradezu aufgelöst. Auf der anderen Seite kennen wir dieses zähe Gefühl, wenn<br />

uns eine Aufgabe unterfordert, wie sich die <strong>Zeit</strong> endlos auszudehnen scheint – wir<br />

sehen öfter auf die Uhr, und es ist, als würden die Zeiger dahinschleichen. Wir empfinden<br />

Lange-Weile.<br />

Abgesehen von diesen Extremen verbringen wir viel <strong>Zeit</strong> des Tages<br />

mit Routinen. Wir stehen auf, putzen uns die Zähne, essen, gehen gewohnte<br />

Wege. Wie wirkt sich das auf unser <strong>Zeit</strong>empfinden aus?<br />

Routinen strukturieren den Alltag, die Woche, den Monat, vielleicht auch die Lebenszeit.<br />

Um herauszufinden, wie sich das auswirkt, haben wir in einer Studie Menschen<br />

ihren gestrigen Tag rekonstruieren lassen, sie gefragt, was sie vom Aufstehen bis<br />

zum Schlafengehen getan und wie sie dabei die <strong>Zeit</strong> erlebt haben. Da zeigt sich, dass<br />

Ältere den Tag relativ gleichmässig bewerten, also in jeder Episode ein gleiches,<br />

schnelleres <strong>Zeit</strong>empfinden haben. Bei jüngeren Erwachsenen gibt es dagegen einen<br />

U-förmigen Verlauf: In der Mitte des Tages vergeht die <strong>Zeit</strong> für sie langsamer, und zwar<br />

unabhängig davon, ob sie berufstätig sind oder nicht.<br />

Haben Sie da eine Erklärung?<br />

Wir nehmen an, dass Routinen und die Strukturierung des Alltags entscheidend für<br />

das <strong>Zeit</strong>empfinden sind. Jüngere Menschen probieren noch vieles aus, auferlegte<br />

Routinen erleben sie als Zwang oder Einschränkung, als lang-weilig. Den Morgen<br />

und den Abend dagegen erleben sie zwar oft auch eingespielt, aber selbstbestimmt –<br />

das lässt die <strong>Zeit</strong> schneller vergehen. Ältere Menschen dagegen haben sich in<br />

ihrem Leben und mit den Routinen schon eingerichtet. Sie scheinen die Langeweile<br />

bei Routinen so nicht zu kennen wie Jüngere.<br />

Bleibt man also jung, wenn man Routinen vermeidet?<br />

Es könnte eine Hypothese sein, dass ältere Menschen, die sich immer wieder neue<br />

Aufgaben suchen, ihre <strong>Zeit</strong> erfüllter erleben. Die Generation der so genannten<br />

Silver Surfer, die heute 65- bis 75-Jährigen, versucht das gerade. Sie scheint beschäftigter<br />

zu sein als alle anderen Altersgruppen. In unserer Forschung haben wir den<br />

Eindruck gewonnen, dass sich ihr gutes Lebensgefühl aus der Abwehr der eigentlichen<br />

Erfahrungen des Alterns speist. Sie verlängern einfach die mittlere Lebensphase,<br />

nur ohne berufliche Zwänge und sagen: Man ist so alt, wie man sich fühlt. Allerdings<br />

führt das offensichtlich nicht dazu, dass sie das Gefühl haben, mehr <strong>Zeit</strong> zu haben.<br />

Im Gegenteil, gerade wer so denkt, so zeigen unsere Befunde, empfindet eine besondere<br />

Knappheit und den Druck, die noch verbleibende <strong>Zeit</strong> richtig zu verwenden.<br />

Viele haben das Gefühl, die <strong>Zeit</strong> vergehe immer schneller, je älter sie werden.<br />

Warum ist das so?<br />

Das Einfachste wäre zu sagen, dass es mit einer Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit<br />

zu tun hat. Unser Denken wird langsamer, je älter wir sind, und wir brauchen<br />

immer länger für die gleichen Prozesse. Allerdings können wir wohl nicht direkt von<br />

unserer Geschwindigkeit auf das Empfinden der <strong>Zeit</strong> schliessen – denn auch diejenigen<br />

älteren Menschen, die leistungsfähiger sind als jüngere, haben das Gefühl, dass<br />

ihre <strong>Zeit</strong> schneller vergeht. In unseren Untersuchungen haben wir gezeigt, dass einen<br />

da vielmehr die schleichend zunehmende Erkenntnis leitet, dass die eigene Lebenszeit<br />

knapper wird. Die Wirkung von Fristen auf das <strong>Zeit</strong>empfinden ist dramatisch. Das<br />

Besondere am Menschen ist ja, dass er das eigene Handeln nicht nur an dem in der<br />

Vergangenheit Gelernten, sondern auch an zukünftigen Ereignissen ausrichten kann.<br />

Kein anderes Lebewesen tut dies in ähnlicher Weise.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> 7<br />

Das ständige Betrachten der<br />

verfügbaren <strong>Zeit</strong> unter<br />

dem Gesichtspunkt ihrer Nützlichkeit<br />

kann uns krank machen.<br />

Man muss auch loslassen, die <strong>Zeit</strong><br />

geniessen können.<br />

Foto: Same Edwards, Getty<br />

Was ändert sich im Angesicht einer verstreichenden Frist?<br />

Wir nehmen die <strong>Zeit</strong> beschleunigter wahr. Das ändert unsere Dringlichkeiten.<br />

Mit einer Deadline in der Arbeit beispielsweise handeln wir meist zielstrebiger und<br />

konzentrierter. Vermuten Menschen sich am Ende ihres Lebens, fällt auf, dass<br />

sie bei vielen Entscheidungen emotionsgesteuerter sind. Sie suchen positive Gefühle,<br />

vielleicht auch schrecklich schöne wie Sehnsucht oder Wehmut. Glauben wir dagegen,<br />

noch viel <strong>Zeit</strong> im Leben zu haben, handeln wir eher strategisch-instrumentell.<br />

Wir häufen zum Beispiel Wissen an, dessen Wert sich erst in der Zukunft zeigt –<br />

wie bei einer viele Jahre dauernden Doktorarbeit.<br />

Hat auch die Digitalisierung einen Einfluss auf unsere <strong>Zeit</strong>wahrnehmung?<br />

Ich bin mir da nicht sicher. Unsere Wahrnehmung wird schneller, weil wir sie<br />

von Kindheit an stark trainieren. Aus der Musikforschung weiss man, dass viele klassische<br />

Musikstücke heute viel schneller gespielt werden als zu der <strong>Zeit</strong>, in der sie<br />

komponiert wurden. Auch der Filmschnitt ist schneller geworden. Aber die biologischen<br />

und neuronalen Tatsachen, die unser Gehirn ausmachen, sind immer noch<br />

die gleichen wie bei unseren Vorfahren zu Beginn der <strong>Zeit</strong>rechnung.<br />

Glauben Sie, die Geschwindigkeit, mit der heute Reize auf<br />

uns einprasseln, ist schädlich?<br />

Es gab schon immer Diskussionen, ob technische Erneuerungen gesundheitsschädlich<br />

sind, weil sie widernatürlich seien und den Takt des natürlichen Lebens stören<br />

würden – bei der ersten Dampflok etwa, die mit 35 Stundenkilometern fuhr. Jedes<br />

Mal wird geargwöhnt, dass der Mensch davon krank werden könne. Mein Eindruck<br />

ist, dass wir bislang aber immer gelernt haben, mit neuen Produkten so umzugehen,<br />

dass sie für unsere Lebensqualität nützlich sind.<br />

Haben Sie, weil Sie sich so viel damit beschäftigen,<br />

einen anderen Umgang mit <strong>Zeit</strong>?<br />

Ich habe da leider kein Geheimrezept, aber ich beobachte in meinem Umfeld, dass<br />

dieses ständige Betrachten der verfügbaren <strong>Zeit</strong> unter dem Gesichtspunkt ihrer<br />

Nützlichkeit nicht optimal ist. Wir müssen auch mal unnütze <strong>Zeit</strong> verbringen, loslassen,<br />

um nicht krank zu werden.<br />

Können Sie das für sich, unnütze <strong>Zeit</strong> verbringen?<br />

(Lacht) Ich versuche es manchmal, aber immer wenn ich gerade ausspannen will,<br />

kommt eines meiner beiden Kinder und fragt, was wir jetzt tun könnten.<br />

..... Mehr zum Thema .....<br />

www.geronto.uni-erlangen.de<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>/zeit<br />

.........................................<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


8 <strong>Zeit</strong><br />

DAS VERGESSEN ALS<br />

NOTWENDIGKEIT<br />

Der Mensch ist ein Wissenssammler. Weil sein Speicher<br />

beschränkt ist, muss der Mensch vergessen, um Erkenntnisse und<br />

Erlebnisse laufend verarbeiten zu können. Das Vergessen<br />

ist eine uralte Kulturtechnik, die insbesondere die Religionen gefördert<br />

haben. In einer Gesellschaft voller Informationen steigt die<br />

Notwendigkeit, die Techniken des Vergessens wiederzuentdecken.<br />

8 Min. 52 Sek.<br />

Die Lesezeit für<br />

diesen Artikel dauert<br />

im Durchschnitt<br />

8 Minuten 52 Sekunden.<br />

Text: Joël Luc Cachelin<br />

Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Es ist die Tatsache,<br />

dass unsere Realität relativ ist. Wir haben keine Triebe und<br />

Instinkte, die unser Verhalten in jeder Situation automatisch<br />

vorschreiben. Stattdessen stellen wir Fragen an unsere Umwelt,<br />

an unsere Mitmenschen und auch an uns selber. Wer bin ich,<br />

warum nimmt die Finanzkrise kein Ende und warum schnurrt<br />

die Katze auf meinem Bauch? Das Reflektieren garantiert uns<br />

nicht nur das Überleben, es ermöglicht uns auch, die Natur<br />

immer mehr zu unseren Gunsten zu nutzen.<br />

Durch Fragen lernen wir nicht nur die Welt und gleichzeitig<br />

unser Ich kennen. Welt- und Selbsterkenntnis lassen sich<br />

genauso wenig trennen, wie sich der Mensch aus seiner<br />

Umwelt isolieren lässt. Das Fragen erlaubt uns, als Menschheit<br />

fortzuschreiten, immer neue Technologien und Produkte zu<br />

entwickeln. Letztlich münden die Fragen in eine Steigerung<br />

des Wohlstands, wobei wir mit dem Erreichten nie zufrieden<br />

sind. Stetig überlegen wir uns, wie unser Leben noch besser<br />

sein könnte. Der Mensch ist das fragende Tier, ein Tier,<br />

das nie zu abschliessenden Antworten findet und immer<br />

wieder neu mit dem Fragen beginnt.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> 9<br />

Illustration: Corbis Specter | Foto: Anja Schori<br />

Der Mensch ist ein Wissenssammler. Mit<br />

jedem absolvierten Lebensjahr staut<br />

sich mehr Wissen in unserem Inneren an.<br />

Durch die eingesammelten Wissensbausteine<br />

konstruiert sich das Ich seine Welt.<br />

Man könnte so weit gehen und sagen,<br />

dass die Welt nur im Kopfkino des einzigartigen<br />

Individuums existiert. Alles andere<br />

gehört zu den Kulissen und Requisiten.<br />

Der Beginn der Wissenssammlung liegt<br />

im frühsten Kindesalter, wenn wir<br />

mit Hilfe von Mama und Papa die ersten<br />

Worte lernen.<br />

Mit den gelernten Worten formulieren<br />

wir Sätze und können dadurch gegenüber<br />

den Mitmenschen unsere Bedürf nisse<br />

zum Ausdruck bringen. Auf der Schulbank<br />

findet die Wissensreise ihren Fortgang,<br />

wo der noch fast wissensleere<br />

Mensch zuerst das Alphabet und dann das<br />

Einmaleins lernt. Es folgt die Grundausbildung<br />

in der Mathematik, den Sprachen,<br />

der Geografie, der Geschichte, der Biologie.<br />

Nach und nach lernt der Mensch die<br />

Welt zu verstehen. Er lernt die gesellschaftlichen<br />

Gesetze und Regeln kennen<br />

und wie er sich innerhalb dieser zu verhalten<br />

hat.<br />

Nach der Schule werben sich die<br />

einen in einer Lehre praktisches Wissen<br />

an, während sich die anderen in den<br />

Hörsälen der Wissenschaft einfinden, um<br />

sich noch mehr theoretisches Wissen<br />

anzueignen. Das ist nicht das Ende des<br />

Wissenserwerbs, längst hat sich die Nachricht<br />

auf dem ganzen Planeten verbreitet,<br />

dass das Lernen eine lebenslängliche<br />

Beschäftigung ist, will man auch in Zukunft<br />

mit den Anforderungen der<br />

Wissensgesellschaft mithalten können.<br />

Der menschliche Wissensspeicher<br />

Erkenntnisse werden in unserem Gehirn<br />

gespeichert. Das Gehirn ist ein Wissensreservoir,<br />

in dem neben dem praktischen<br />

und dem theoretischen auch sämtliche<br />

alltäglichen Erkenntnisse abgespeichert<br />

werden. Nicht alle Erfahrungen verbleiben<br />

in diesem Speicher. Gewisse Einsichten<br />

sind so kurz lebig, dass sie, kaum<br />

als Gedanken entstanden, schon wieder im<br />

schwarzen Loch des Nichtwissens verschwinden.<br />

Die moderne Hirnforschung<br />

zeigt, dass das Gehirn vor allem jene<br />

Erkenntnisse langfristig speichert, die das<br />

Bewusstsein mit seinen Emotionen verknüpft.<br />

So weiss die Braut ein Leben lang,<br />

wo sie geheiratet hat und wie das Wetter<br />

an ihrem Hochzeitstag war. Der Bräutigam<br />

wird nie vergessen, wie er wenige<br />

Monate vor dem Bund fürs Leben<br />

momentelang in einen Mann verliebt war.<br />

Dagegen werden sich beide nicht<br />

mehr an die Namen oder die Gesichter aller<br />

Kinder erinnern, die mit ihnen<br />

im Kindergarten waren. Diese Beschränkung<br />

auf das Nötigste ist kein Missgeschick,<br />

sondern vielmehr zwingend, soll<br />

in der Fülle der Eindrücke der Überblick<br />

behalten werden. Das Gehirn ist trotz<br />

seiner unglaublichen Eigenschaften beschränkt.<br />

In seinem Innern gibt es zirka<br />

85 Milliarden Neuronen, die aneinandergereiht<br />

eine Strecke von rund 5,8 Millionen<br />

Kilometer ergeben, was wiederum<br />

dem 145-fachen Erdumfang entspricht.<br />

Die Beschränkung des Gehirns verweist<br />

auf den zwingenden Zusammenhang<br />

zwischen Erinnern und Vergessen. Es ist<br />

weniger ein Nichtvergessendürfen als<br />

vielmehr ein Vergessenmüssen. Damit sich<br />

der Mensch erinnern kann, muss er ab<br />

und an seinen Speicher leeren, sonst ist da<br />

kein Platz, um Neues aufzunehmen.<br />

Die meisten Gedanken werden erst gar<br />

nicht abgespeichert und das Rechenzentrum<br />

muss in Sekundenbruchteilen<br />

entscheiden, was relevant ist. Es ist wie<br />

in einer Bibliothek: Wenn die Bibliothekarinnen<br />

nicht regelmässig die nicht<br />

mehr benötigten Bücher ausmisten, platzt<br />

die Bibliothek in wenigen Jahren aus allen<br />

Nähten. Das Beispiel zeigt, dass nicht<br />

automatisch die ältesten Bücher aussortiert<br />

werden. Im Gegenteil: Über die <strong>Zeit</strong><br />

hinweg kristallisieren sich Klassiker heraus,<br />

die in keiner Bibliothek fehlen dürfen.<br />

Diese sind dann so wichtig, dass spätere<br />

Bücher auf diese Werke Bezug nehmen.<br />

Nicht anders ist es in unserem Gehirn. Es<br />

sind ein paar emotionsverknüpfte Schlüsselgedanken,<br />

die das Ich ausmachen. Diese<br />

Ich-Klassiker nennen die Wissenschaften<br />

dann «Identität». Was nicht in Bezug zu<br />

><br />

Joël Luc Cachelin<br />

hat an der Universität St. Gallen<br />

studiert und zur Zukunft des<br />

Managements promoviert.<br />

2009 hat er zum Analysieren,<br />

Visualisieren und<br />

Optimieren von wissensintensiven<br />

Unternehmen<br />

die Wissensfabrik gegründet.<br />

Er publiziert regelmässig,<br />

nächstes Jahr erscheint<br />

«Die Kraft des Vergessens –<br />

Über die Notwendigkeit<br />

und die gleichzeitige<br />

Unmöglichkeit einer<br />

vergessenen Kulturtechnik<br />

am Rande der Digitalität».<br />

wissensfabrik.ch<br />

Buchvorbestellungen an<br />

cachelin@wissensfabrik.ch<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


10 <strong>Zeit</strong><br />

Die Verwandlung von Nichtwissen in Wissen ist die Grundlage von sozialem und ökonomischem Fortschritt. Das Wissen ist die wichtigste<br />

Ressource aller Organisationen. Folgerichtig rückt die Aneignung und Speicherung von Wissen in den Mittelpunkt der Wissenschaft.<br />

ihr gesetzt werden kann, wird gar nicht<br />

wahrgenommen oder verpufft zum <strong>Zeit</strong>punkt<br />

der Verarbeitung. So gesehen ist der<br />

Mensch nicht nur ein Wissenssammler, er<br />

ist auch ein Meister des Vergessens.<br />

Vergessen durch religiöse Rituale<br />

Besondere Bedeutung hat das Vergessen<br />

in der Religion erlangt. Das Religiöse<br />

unterstützt das Ich im Prozess der Konzentration<br />

auf das Wesentliche. Die Techniken<br />

des Vergessens unterscheiden sich<br />

zwar von Religion zu Religion, zielen<br />

aber doch immer auf dasselbe: auf das<br />

Loslassen von unliebsamen Erinnerungen.<br />

In der christlichen Religion sucht der<br />

Sündige den Pfarrer auf, der in der<br />

Beichte die Sünde von ihm nimmt. Dem<br />

Reuigen wird verziehen, seine Sünden<br />

werden durch Gott von ihm genommen.<br />

Das fühlt sich wie eine Befreiung an,<br />

wie eine Reinigung der Seele, wie ein<br />

gnädiges Leeren des Erinnerungsspeichers.<br />

Die Vergebung ist eine Erlösung<br />

auf Erden, die dem Ich die Last des Seins<br />

nimmt. Durch das Beten steht den Gläubigen<br />

eine weitere Technik des Vergessens<br />

zur Verfügung. Im Gebet widmen wir uns<br />

unserem intimen Ich, seinen Sorgen und<br />

Ängsten. Wir bitten um eine neue Stelle,<br />

um eine neue Liebe, um Segen für unsere<br />

Liebsten, um Hilfe für unsere Eltern, um<br />

die Rückkehr der Grosseltern in die Arme<br />

Gottes. Wir bitten Gott, die Last von<br />

uns zu nehmen, und erlangen Gelassenheit<br />

für unsere Zukunft.<br />

Die Religionen geben zudem Ausblick<br />

auf das langfristige, auf das finale<br />

Vergessen. Es ist das Vergessen, das den<br />

Speicher des Ichs komplett leeren wird<br />

und das Ich für ein Leben nach dem<br />

Dasein vorbereitet. Das Ich wird geräumt<br />

Illustration: Sascha Tittmann<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> <strong>11</strong><br />

und neu programmiert. Dieses Vergessen<br />

zeigt sich im Christentum in der Vorstellung<br />

eines unendlichen, paradiesischen<br />

Reich Gottes. Im Leben nach dem Tod<br />

wird das Ich endgültig erlöst und erhält<br />

ein unendliches Leben, das ausschliesslich<br />

aus seinen positiven Erinnerungswelten<br />

besteht. Noch konsequenter wird das<br />

Selbstvergessen im Buddhismus praktiziert.<br />

Hier ist die komplette Leerung des<br />

Wissensspeichers schon auf der Erde<br />

das Ziel. Das Ich meditiert, lässt alles los<br />

und strebt danach, keinen einzigen Gedanken<br />

mehr in sich zu tragen. Die Gläubigen<br />

streben nach dem Nirwana, in dem<br />

es nichts mehr, nur noch das Nichts gibt.<br />

Dann ist das Ich frei, frei von der<br />

Welt, aber auch frei von sich selbst. Dieser<br />

Zustand beschreibt nichts anderes als das<br />

vollkommene Vergessen. Das Ich löst sich<br />

aus seiner Welt heraus und vergisst nicht<br />

nur seine Sorgen, sondern auch seine<br />

Freunde und Feinde, seine Vergangenheit<br />

und seine Zukunft.<br />

Kultivierung des Vergessens<br />

Der Mensch hat gelernt, sich mit der<br />

Beschränktheit seiner Erinnerungen und<br />

der Beschränktheit seines Wesens zu arrangieren.<br />

Er ist sich bewusst, dass er ein<br />

endliches und mit Mängeln behaftetes<br />

Wesen ist. Um dieser Beschränktheit auch<br />

in seinem Erinnerungsspeicher gerecht<br />

zu werden, hat er die Fähigkeit des bewussten<br />

Vergessens. Dabei geht es immer<br />

darum, durch das Vergessen von Gedanken,<br />

Erkenntnissen und Erinnerungen<br />

Platz für das Neue zu schaffen.<br />

Das Ich ist wie ein Zimmer, dessen<br />

Fenster man nach einer unruhigen Nacht<br />

öffnet. Lüftet man das Zimmer nicht,<br />

wird die Luft immer schlechter und das<br />

Dasein unangenehmer. Es fehlt an Sauerstoff<br />

und frischem Wind. Wie bei den<br />

religiösen Vergessenstechniken zielt auch<br />

dieses weltliche Vergessen letztlich auf die<br />

Erlösung des Ichs, auf die Erlösung von<br />

Zweifel, Unglück und Trauer. Diese Befreiung<br />

fühlt sich wie ein Strecken<br />

der Gegenwart an. Es sind nicht mehr die<br />

Erinnerungen an eine missratene Vergangenheit<br />

oder die Ängste um die Zukunft,<br />

die im Vordergrund stehen. Im<br />

Gegenteil: Das Ich gibt sich ganz seiner<br />

Gegenwart hin. Es lacht und tanzt, es<br />

kocht und singt, es segelt und diskutiert.<br />

Die irdischen Techniken des Vergessens<br />

umfassen das Fantasieren, die Reise,<br />

den Rausch und das Löschen. Im Fantasieren<br />

wandelt das Ich in einfallsreichen,<br />

><br />

«Der Mensch ist<br />

nicht nur ein<br />

Wissenssammler,<br />

er ist auch<br />

ein Meister des<br />

Vergessens.»<br />

Joël Luc Cachelin<br />

DIE VIER TECHNIKEN DES VERGESSENS<br />

Unsere Multioptionsgesellschaft ist gleichzeitig eine Multiwissensgesellschaft.<br />

Die sich aufgrund der Digitalität pausenlos<br />

mehrenden Möglichkeiten führen zu einer Verwirrung des Ichs.<br />

Verliert aber die Aussenwelt des Ichs an Stabilität, so<br />

wird auch seine Innenwelt instabil. Das macht das Ich anfällig für<br />

jede Form der Verführung, die Eindeutigkeit und Sicherheit<br />

verspricht. Zudem besteht die virulente Gefahr des Verzweifelns.<br />

Vier Techniken des Vergessens leisten einen<br />

Beitrag zur Reduktion der Welt­ und Selbstkomplexität:<br />

das Fantasieren, der Rausch, das Reisen und das Löschen.<br />

Mehr dazu unter www.credit­suisse.com/<strong>bulletin</strong><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


12 <strong>Zeit</strong><br />

fantastischen Gedankenwelten. Durch<br />

Filme, Bücher und Erzählungen lässt es<br />

sich treiben und inspirieren. Das Ich<br />

sieht sich aus neuen Perspektiven und lässt<br />

das Alltags-Ich hinter sich. Ähnlich wirken<br />

die Reise und der Rausch. Auch hier<br />

distanziert sich das Ich für eine vorher<br />

bestimmte <strong>Zeit</strong> von sich selbst und gibt<br />

sich ganz dem Moment hin.<br />

Mit Hilfe der Vergessenstechniken<br />

kultivieren wir jenes Ich, das in den<br />

Zwängen der Gewohnheit und Normen<br />

keinen Platz hat. Wer in den Urlaub fährt<br />

oder mit Freunden eine Flasche Wein<br />

trinkt, vergisst, was ihn sonst quält und<br />

drängt. Man gibt sich dann ganz dem<br />

Augenblick hin, ohne sich vom Vorher<br />

oder vom Nachher derangieren zu lassen.<br />

Schliesslich kann das Ich versuchen<br />

seine Erinnerungen zu löschen, indem es<br />

verdrängt, Dinge wegwirft oder Dateien<br />

löscht. Dieses bewusste Löschen ist<br />

schwierig, weil in unserem Erinnerungsspeicher<br />

doch immer Reste an die unangenehme<br />

Vergangenheit übrigbleiben.<br />

Erfolgsversprechender scheint es, darauf<br />

zu vertrauen, dass der natürliche Vergessensprozess<br />

in Form des Alters nach<br />

und nach die überschüssigen Erinnerungen<br />

von uns nimmt.<br />

Anfrage bei Google, jede Bestellung<br />

in der Mediathek, jeden Besuch im digitalen<br />

Reisebüro. Sie registriert aber<br />

auch das Anschauen eines unanständigen<br />

Videos oder den Beitrag in einem politischen<br />

Forum.<br />

Das Internet nimmt das Ich gefangen<br />

und lässt es nicht mehr los. Im Entstehen<br />

dieser Erinnerungsmaschine verwachsen<br />

die Realität und die Virtualität, die Vergangenheit<br />

und die Zukunft, der Mensch<br />

und die Maschine. Es wird deutlich, dass<br />

das Vergessen mehr denn je seine Berechtigung<br />

erhält. Gerade in einer digitalen<br />

Wissensgesellschaft<br />

lebt der Mensch nur<br />

dann unbekümmert in seiner Gegenwart,<br />

wenn er sich regelmässig der Techniken<br />

des Vergessens bedient. Das Fantasieren,<br />

das Reisen, der Rausch und das Löschen<br />

erlösen das Ich von seinen Sorgen und<br />

Zweifeln, von den Fragen, die den Genuss<br />

des Augenblicks unmöglich machen.<br />

Vergisst das Ich zu vergessen, droht es in<br />

der Unendlichkeit seines Wissens verl oren<br />

zu gehen oder aber in seiner Hilfl osigkeit<br />

als Maschinenmensch zu enden.<br />

Entstehen der Erinnerungsmaschine<br />

Dieses Nachdenken über das Vergessen<br />

findet in einer <strong>Zeit</strong> statt, in der wir<br />

Tag für Tag an einer gigantischen Erinnerungsmaschine<br />

basteln. Die Rede ist<br />

vom Internet, in dessen Netz wir alles<br />

speichern, was Tag für Tag an Dokumentation<br />

über uns anfällt: unsere Fotos,<br />

unseren elektronischen Briefverkehr,<br />

unsere Ferienvideos und alle Dateien, die<br />

im Berufsleben stündlich entstehen. Das<br />

Internet wird mehr und mehr zu einem<br />

symmetrischen Spiegel der Realität. Es ist<br />

das Gehirn der gesamten Menschheit<br />

oder, anders betrachtet, das Zuhause der<br />

Menschen der nächsten Generation.<br />

Weil das Internet aber eine Maschine<br />

ist, vergisst sie nicht. Sie speichert nicht<br />

nur, was wir in den digitalen Raum<br />

bewusst hochladen, sondern erinnert sich<br />

vielmehr an jeden unserer Klicks, jede<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Tag<br />

Nacht<br />

Tag<br />

Nacht


0,001 Sek.


lingSommerHerbstWinterFrühling


Jetzt


Geburt Leben Tod


Fotos: Fuse, Getty | Pia Zanetti (3 Bilder) | HISAO OSONO/amanaimagesRF, Getty | Bill Fritsch, Getty | Catherine Ledner, Getty | Ann Cutting, Getty


20 <strong>Zeit</strong><br />

DAS ALTER IST<br />

NICHTS ANDERES ALS<br />

EIN NEuER TAG<br />

Von Japan bis Mexiko, von Europa bis Brasilien – die Weltbevölkerung<br />

altert rapide, doch für die meisten Planer ist die Zukunft<br />

ewig jung. Das Age Lab am Massachusetts Institute of Technology<br />

entwickelt dagegen Visionen für einen Planeten, auf dem<br />

Hundertjährige ein aktives, erfülltes Leben führen.<br />

7Min. 35 Sek.<br />

Die Lesezeit für<br />

diesen Artikel dauert<br />

im Durchschnitt<br />

7 Minuten 35 Sekunden.<br />

Text: Claudia Steinberg<br />

Schon so häufig ist die 23-jährige Angelina Gennis in das<br />

Kostüm der um rund 50 Jahre älteren Agnes geschlüpft, dass ihr<br />

die <strong>Zeit</strong>reise in die Gebrechlichkeit innerhalb weniger<br />

Minuten gelingt.<br />

Für ihre Verwandlung in eine betagte Dame braucht<br />

die Studentin der Wirtschaftswissenschaft und Weltpolitik<br />

jedoch weder Perücke noch Schminke, vielmehr auferlegt sie<br />

sich mit engen Schaumstoffmanschetten um Hals, Knie und<br />

Ellbogen sowie zähen elastischen Bändern an Hand- und<br />

Fussgelenken freiwillig die Bewegungsbeschränkungen einer<br />

von etlichen degenerativen Krankheiten gezeichneten Frau.<br />

Handschuhe imitieren die Ungeschicklichkeit schlecht durchbluteter<br />

Extremitäten, und an Taille und Sturzhelm befestigte<br />

Gurte zwingen Agnes in eine gekrümmte Position.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> 21<br />

Bei einem Spaziergang durch das verregnete Cambridge fällt es ihr schwer, ihren<br />

Schirm gegen den Wind zu verteidigen und dabei den Zebrastreifen schnell genug zu<br />

überqueren. Nur mit offensichtlicher Anstrengung gelingt es der gebeugten Greisin<br />

mit dem jugendlichen Gesicht unter den neugierigen Seitenblicken von Passanten,<br />

den Treppenaufgang zu einem der imposanten Tempel auf dem Campus des Massachusetts<br />

Institute of Technology hochzusteigen.<br />

Doch im Supermarkt, wo sich Agnes mit grosser Anstrengung nach Waren in den<br />

oberen Regalen reckt, ist sie dem Management längst bekannt – schon oft hat die<br />

vermeintliche Seniorin Vertreter der Lebensmittel- und Verpackungsbranchen durch<br />

die Gänge geführt, um ihnen die Unzugänglichkeit vieler Produkte zu demonstrieren.<br />

Oder die Abgesandten durften den von Ergonomen, Psychologen und Sportphysiologen<br />

entwickelten Zwangsanzug am eigenen Leib erleben, um mehr Mitgefühl für<br />

ältere Menschen aufzubringen.<br />

Unsere erhöhte Lebenserwartung bedeutet eine radikale<br />

demografische Veränderung – und eine immense Chance<br />

Agnes steht für Age Gain Now Empathy System und repräsentiert eines der Grundkonzepte<br />

des MIT Age Labs, das 1999 von Professor Joseph Coughlin mit dem Ziel<br />

gegründet wurde, Designern, Wissenschaftlern und Politikern ein besseres Verständnis<br />

des Alters zu vermitteln und sie zur Entwicklung innovativer Technologien und<br />

Strategien zu motivieren. Agnes kann Auto- ebenso wie Schuhherstellern zum Design<br />

von Modellen verhelfen, die auch für ältere Generationen funktionieren.<br />

Zu viele Unternehmen in den USA, in Japan und Europa haben sich dem Age-<br />

Lab-Direktor zufolge auf ein nie versiegendes Reservoir jugendlicher Konsumenten<br />

verlassen – und sehen sich jetzt mit 85-Jährigen als dem am schnellsten wachsenden<br />

Bevölkerungsanteil konfrontiert. Mit seinem interdisziplinären Team von Ingenieuren,<br />

Psychologen, Soziologen und Geriatern will Coughlin das so genannte Langlebigkeitsparadox<br />

lösen: « Wir leben durchschnittlich 30 Jahre länger als vor 100 Jahren,<br />

aber wir denken nicht darüber nach, was wir mit dieser zusätzlichen <strong>Zeit</strong> anfangen<br />

sollen. Die Verlängerung unserer Lebensspanne ist die grösste Errungenschaft der<br />

Menschheit, aber wir sehen sie in erster Linie unter dem Aspekt einer demografischen<br />

Krise anstatt als Chance. »<br />

Tatsächlich sind die Zahlen über den <strong>Zeit</strong>zuwachs, den medizinische, technologische<br />

und soziale Faktoren den jüngeren Generationen bescheren, erstaunlich:<br />

Die Hälfte aller seit dem Beginn des dritten Jahrtausends geborenen Menschen darf<br />

damit rechnen, 100 zu werden. Doch nur eine verschwindende Minderheit von<br />

Städteplanern entwirft altersfreundliche Metropolen, und nur wenige Architekten<br />

machen sich Gedanken über Häuser, die fragileren Individuen in ihrem Alltag assistieren<br />

könnten. Zwar widmen sich zahlreiche Biologen der Untersuchung von Altersprozessen<br />

auf zellulärer Ebene, doch nur wenige Mediziner gehen in die Geriatrie.<br />

« Ärzte ziehen es vor, Kinder zu behandeln und deren Lebensqualität für die nächsten<br />

80 Jahre zu verbessern – das Alter wird dagegen unweigerlich mit Beeinträchtigung<br />

assoziiert », erklärt Coughlin. Er sieht es hingegen nicht als eine Anhäufung von<br />

Schmerzen und Verlusten, sondern einfach als « mehr <strong>Zeit</strong> ». Onkologen kämpfen oft<br />

um viel kleinere <strong>Zeit</strong>spannen für ihre Patienten, doch « sie haben den Vorteil », so<br />

Coughlin, « dass wir dem Krebs und einigen anderen Krankheiten den Krieg erklärt<br />

haben ». Mit dem Alter dagegen muss man Frieden schliessen.<br />

Joseph Coughlin<br />

ist Gründer und Direktor<br />

des Age Lab am Massachusetts<br />

Institute of Technology<br />

MIT in Cambridge.<br />

Das Age Lab, ursprünglich<br />

Technology for Healthy<br />

Aging Laboratory, ist das<br />

erste interdisziplinäre<br />

Forschungsprogramm mit<br />

dem Ziel, das Verhalten<br />

der über 45-jährigen<br />

Bevölkerung besser zu<br />

verstehen und mit technischen<br />

Innovationen die<br />

Lebensqualität der älteren<br />

Erwachsenen und ihrer<br />

Familien zu verbessern.<br />

Noch nie gab es so lebenstüchtige,<br />

vielseitig gebildete und fordernde Rentner wie heute<br />

Dazu sind die jüngsten Alten der ersten Welt nicht unbedingt bereit. Die geburtenstarke<br />

Nachkriegsgeneration, die jetzt ins Rentenalter tritt, bildet eine noch nie ><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


22 <strong>Zeit</strong><br />

Die 23-jährige Studentin Angelina Gennis verwandelt sich für Age Lab regelmässig in die 50 Jahre ältere Agnes (Agnes steht für<br />

Age Gain Now Empathy System), um Probleme im Alltag aufzuzeigen und damit technische Innovationen auszulösen.<br />

«Wir sehen die<br />

Verlängerung unserer<br />

Lebensspanne in<br />

erster Linie als<br />

demografische Krise<br />

anstatt als Chance.»<br />

Joseph Coughlin<br />

dagewesene Art der Bejahrten – « Sie sind mit schnelleren Autos, besserer Technologie<br />

und mehr Frieden als irgendjemand vor ihnen aufgewachsen », sagt Coughlin.<br />

Es handelt sich um die am besten ausgebildeten und effizientesten Pensionäre in<br />

der Menschheitsgeschichte und um die anspruchsvollsten Bürger aller <strong>Zeit</strong>en, die<br />

auch in einer Rezession davon ausgehen, « dass ihnen ein Produkt, ein Service oder<br />

eine staatliche Massnahme eine höhere Lebensqualität garantieren, als sie ihre Eltern<br />

im gleichen Alter genossen ». Diese Erwartungshaltung ist für Coughlin der ausschlaggebende<br />

Faktor – « wir müssen an eine bessere Zukunft glauben », meint er. Zugleich<br />

stehen die neuen Rentner völlig unerforschten Problemen gegenüber, beispielsweise<br />

haben sie weniger Kinder als frühere Generationen, die sich um sie kümmern werden.<br />

Die Nachkommen dieser Babyboomer finden sich dank der hohen Scheidungsraten<br />

und Wiederverheiratungen der letzten Jahrzehnte immer öfter in der bizarren Situation,<br />

mehr Eltern als Kinder zu haben. « Da stellen sich ganz neue Loyalitätsfragen »,<br />

kommentiert Coughlin das ausgefranste soziale Gewebe.<br />

Vorbilder gibt es für diese zeitgenössische Rentnergeneration keine, aber für<br />

Coughlin ist klar, dass der Ruhestand im bislang üblichen Alter weder für ihn in Frage<br />

kommt noch gesellschaftlich tragbar ist. « Wir orientieren uns noch immer an Verhältnissen<br />

des 18. Jahrhunderts, aber ein Lebensplan, bei dem man 40 Jahre arbeitet und<br />

50 Jahre nichts tut, ist beispielsweise für Leute, die ihren Unterhalt am Computer<br />

verdienen, unhaltbar. » Tatsächlich war es die Antwort einer <strong>11</strong>9-jährigen Frau auf die<br />

Frage eines Reporters, warum sie noch am Leben hänge, die Coughlin zur Gründung<br />

des Age Lab animierte: « Ich bin gesund und habe zu tun. »<br />

So untersucht sein Institut, wie Leute verschiedenen Alters neue Dinge lernen,<br />

denn in Zukunft werden wir mit 40 oder 50 nochmals studieren müssen, um für<br />

weitere 20 Jahre wettbewerbsfähig zu bleiben. Der ungeheure Technologievorsprung,<br />

den ältere Menschen an Teenagern beneiden, wird Letzteren später wenig nutzen,<br />

denn das Tempo neuer Erfindungen eskaliert dermassen, dass es immer schwieriger<br />

wird mitzuhalten. « Meine 18-jährige Tochter ‹simmst› unentwegt und mit grösster<br />

Fotos: Sigrid Rothe<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


<strong>Zeit</strong> 23<br />

Geschwindigkeit. Meine Achtjährige betrachtet ihre ältere Schwester längst<br />

als Technofossil – sie bedient ihr Smartphone nur mit gesprochenen Kommandos »,<br />

sagt Coughlin.<br />

Das Alter ist nichts anderes als ein<br />

neuer Tag, das Leben morgen<br />

Umso erstaunlicher war es für die Age-Lab-Forscher, dass ältere Personen allen<br />

Vorurteilen zum Trotz grosses Interesse an der Beherrschung aktueller Technologien<br />

aufbringen. Sie mögen der Elektronik nicht so selbstverständlich vertrauen wie junge<br />

Leute, doch insbesondere Frauen über 60 sind bereit, <strong>Zeit</strong> in das Erlernen von digitalen<br />

Navigationssystemen zu investieren – unter der Voraussetzung, dass sie einen handfesten<br />

Wert für sich und ihre Familie im Erwerb dieser Fertigkeiten erkennen. « Sich in die<br />

Geheimnisse eines schlecht konzipierten Videorecorders einzuarbeiten, nur um einen<br />

Film zu sehen, den man ohnehin schon kennt, ist die Mühe nicht wert », sagt Coughlin.<br />

Wenn es aber um einen Bereich geht, der so untrennbar mit Lebensqualität und<br />

Unabhängigkeit verbunden ist wie das Auto, ist die Lernwilligkeit dennoch beträchtlich.<br />

Dabei ist das Auto das komplexeste und schwierigste Umfeld unseres Alltags,<br />

ein Instrument, das Brian Reimer zufolge auch den Wahrnehmungsapparat und das<br />

Urteilsvermögen junger Fahrer überfordert. Für das Age Lab entwickelte der MIT-<br />

Forscher in Kollaboration mit Ford ein mit Kameras und Sensoren ausgestattetes<br />

Fahrzeug mit dem Spitznamen « Miss Daisy », das physiologische Faktoren wie Herzfrequenz,<br />

Steuerkontrolle, Augenbewegungen und Mobilität beobachtet. Doch das<br />

Auto hat in den letzten Jahren nicht nur Tausende von Daten über das Fahrverhalten<br />

von Senioren gesammelt, sondern es hilft ihnen auch bei der Kompensation körperlicher<br />

Behinderungen. So kann Miss Daisy ohne jede Berührung des Steuerrads<br />

perfekt rückwärts einparken, ein Talent, das nicht nur Senioren mit steifem Nacken,<br />

sondern natürlich auch jüngeren Fahrern zugutekommen kann.<br />

Doch es ist die ältere Generation, die über die Mittel verfügt und die Ambition<br />

hat, ein Hightechfahrzeug zu kaufen – vorausgesetzt, es besitzt auch « Highstyle ».<br />

Denn eines darf es unter keinen Umständen sein: ein Auto für alte Leute. « Das kauft<br />

weder ein junger noch ein alter Mensch », weiss Coughlin. Deshalb ist es auch so<br />

wichtig, jungen Automobildesignern Agnes vorzustellen, damit sie die von ihr gelernten<br />

Lektionen berücksichtigen können – für alle.<br />

Es gibt kein schlechtes Design für alte Menschen –<br />

nur schlechtes Design<br />

Von Miss Daisy erhielten die Age-Lab-Forscher auch die unerwartete und höchst<br />

bedeutsame Information, dass das Alter an sich nur in geringem Masse für mangelhaftes<br />

Fahrverhalten verantwortlich sei. « Es sind Krankheiten wie Bluthochdruck,<br />

Diabetes und Arthrose, die sich negativ auswirken », meint Reimer. Krankheiten, die<br />

auch Agnes unsicher machen, wenn sie hinter dem Steuer sitzt, die ihr die Konzentration<br />

rauben und ihre Beweglichkeit reduzieren. « Mir ist klar geworden, dass sich<br />

alte Leute viel weniger beklagen, als man annehmen sollte, sie nehmen so viele<br />

chronische Leiden einfach still hin – die Schmerzen folgen ihnen wie ein Schatten »,<br />

sagt Angelina. Das Navigieren in einer Welt, die ohne Gedanken an alte Mitmenschen<br />

gestaltet wurde, empfindet sie als ungemein erschöpfend – « es ist ein wirklicher Kampf ».<br />

Ihre häufige Transformation in eine alte Dame hat ihr Bewusstsein für gesunde<br />

Ernährung und regelmässiges Fitnesstraining erhöht, und trotz ihres winzigen Budgets<br />

als Studentin hat sie einen Pensionsplan erstellt. Die wichtigste Einsicht, die sie Agnes<br />

und dem Age Lab verdankt, ist jedoch, « dass ältere Menschen keine anderen Wesen,<br />

sondern wir selbst zu einem späteren <strong>Zeit</strong>punkt sind. Wenn man ihnen Aufmerk samkeit<br />

schenkt, lernt man sehr viel darüber, wie man glücklicher sein kann. »<br />

..... Mehr zum Thema .....<br />

<strong>Zeit</strong>, Demografie und Lebensqualität<br />

im Alter finden Sie unter<br />

http://agelab.mit.edu<br />

(mit dem Blog Disruptive<br />

Demographics) sowie unter<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>/zeit.<br />

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Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


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Foto: isifa, Getty Images


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4<br />

Text: Andreas Schiendorfer<br />

S<br />

elbstverständlich dürfen Sie<br />

mich vor dem Miststock<br />

fotografieren. Das ist authentisch.<br />

Wir sind auf einem<br />

Bauernhof », zerstreut Jean-<br />

Claude Biver sämtliche Zweifel. « Wie<br />

wunderbar das riecht! » Aus dem genau<br />

gleichen Grund hat er zuvor entschieden,<br />

nicht mit einer Heugabel in der Hand<br />

zu posieren oder in einem Bauernhemd.<br />

« Nein, das wäre nicht ich. Ich liebe diesen<br />

Bauernhof, doch gerade darum überlasse<br />

ich die Arbeit meinem Pächterehepaar.<br />

Meine Hände taugen zu nichts. »<br />

Ein paar wenige Tage nur sind wir zu<br />

spät. Bei der Alpabfahrt im September<br />

lässt er es sich nämlich nicht nehmen, die<br />

16 Kilometer an der Spitze seiner Herde<br />

zurückzulegen. Und das geht nur in der<br />

Sennentracht! Immerhin zeichnet er uns<br />

dieses farbenprächtige, glockenläutende<br />

Bild mit einer Anekdote. « Bei meiner<br />

allerersten Désalpe de La Neuvaz trabte ich<br />

in bequemen Jeans und im Pullover an.<br />

Deshalb wollte mich der Senn partout<br />

nach hinten zu den Touristen schicken.<br />

Zum Glück hatte er in seiner Alphütte noch<br />

eine zweite Hose samt Hemd, Gilet<br />

und Hut. Die Tracht passte mir zwar nicht<br />

optimal und war auch nicht mehr ganz<br />

sauber, aber sie war eben doch passend.<br />

Ich schätze und respektiere die Traditionen<br />

meiner Heimat. »<br />

Und provoziert damit die nächste<br />

Neugierde, fernab der vorbereiteten Fragen:<br />

« Sind Sie nun Schweizer oder nicht? » « Ja,<br />

natürlich, seit ein paar Wochen. Da ich<br />

seit meinem zehnten Altersjahr in der<br />

Schweiz lebe, musste ich keine kniffigen<br />

Fragen beantworten, sondern konnte mit<br />

dem Bürgermeister ein Glas Wein trinken »,<br />

meint der Bürger von La Tour- de-Peilz<br />

lachend. « Ich bin stolz darauf, nun Luxemburger<br />

und auch Schweizer zu sein. Und<br />

motiviert, im Ausland auch meiner neuen<br />

Heimat als guter Botschafter zu dienen. »<br />

Ob das wohl zu kitschig wirken würde?<br />

Biver mit seinem Schweizer Pass in der<br />

Hand vor seinem Bauernhof ? Die laut an-<br />

« Mein Käse ist<br />

unser bester<br />

Botschafter. »<br />

Jean-Claude Biver<br />

gedachte Szenerie erübrigt sich. « Mein Pass<br />

liegt bei den Chinesen auf der Botschaft.<br />

Für mein Visum», lacht Biver. « Seit wir mit<br />

Hublot vor anderthalb Jahren in den chinesischen<br />

Markt eingetreten sind, fiege ich<br />

einmal pro Monat zu − poten ziellen − Kunden<br />

nach China. Und einmal pro Monat<br />

empfange ich chinesische Geschäftstouristen<br />

auf La Poneyre und bewirte sie mit<br />

eigenem Käse und eigenem Wein. Die<br />

Chinesen stehen auf Luxus. Und sie stehen<br />

auf starke Marken. Sie kaufen nichts, was<br />

sie nicht kennen. » Dass sich eine solche<br />

Sonder behandlung bezahlt macht, sieht<br />

man in den schon länger intensiv betreuten<br />

Märkten Brasilien und Mexiko.<br />

« Luxus ist ein emotionales Geschäft.<br />

Luxus verlangt nach Nähe zum Kunden.<br />

Und ich bin gewissermassen der Enzo<br />

Ferrari von Hublot », erklärt Biver lachend.<br />

Immer wieder. Mitreissend. Meist unterstreicht<br />

er seine Botschaft, indem er mit<br />

seinen Fäusten auf den Tisch klopft. Das<br />

ist bei unserem kurzen Fotoshooting auf<br />

dem Bauernhof nicht möglich. Doch Jean-<br />

Claude Biver, der eine gute Stunde später<br />

zum Nachtessen mit Hublot-Sammlern<br />

nach Bremen fiegt, versteht es ausgezeichnet,<br />

die <strong>Zeit</strong> zum Stillstand zu bringen.<br />

Für Momente existiert nur der Moment.<br />

Der Bauernhof lebt, eine feine Poesie<br />

liegt in der Luft. « Mann hört den Hahn<br />

krähen, hört das Pferd wiehern. Und ist zu<br />

Hause. Das ist wahrer Luxus. » Als Kind besuchte<br />

er regelmässig seine Grosseltern auf<br />

ihrem Bauernhof im Burgund. Des halb<br />

lebt in Jean-Claude Biver seit eh und je ein<br />

Bauer, seit 1975 ist er aber ein Uhren-Bauer<br />

im doppelten Wortsinne.<br />

Das passt. Waren es nicht die im<br />

Winter beschäftigungslosen jurassischen<br />

Bauern, die sich der Uhrmacherkunst zuwandten?<br />

Mit Fingerfertigkeit und Geduld?<br />

« In der Schweiz haben Technologie und<br />

Luxus immer etwas Bodenständiges. »<br />

Seinen hauptberufichen Werdegang verdankt<br />

Biver übrigens ebenfalls seiner<br />

Kindheit. Und seiner sportlichen Seite, die<br />

man bei ihm nicht unbedingt mehr vermuten<br />

würde: Der einsame Läufer in den<br />

einsamen Weiten des Vallée de Joux begegne<br />

te einem Seelenverwandten − Jacques


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5<br />

Foto: Credit Suisse<br />

Piguet. Und an dessen Handgelenk entdeckte<br />

er nichts anderes als: eine Dampfmaschine!<br />

Die durchsichtige Uhr, deren<br />

Innenleben er bewunderte, erinnerte ihn<br />

an sein Lieblingsspielzeug. Nicht zuletzt<br />

darum wandte sich der Schuhmachersohn<br />

und gelernte Ökonom mit seiner ganzen<br />

Energie den Schweizer Uhren zu. Mit<br />

schon hinlänglich beschriebenem Erfolg.<br />

Erfolg erhält im Nachhinein oft den<br />

Anstrich des Selbstverständlichen, doch,<br />

Hand aufs tickende Herz, wer hätte es mitten<br />

in der Uhrenkrise gewagt, eine während<br />

30 langer Jahre stillgelegte Traditionsmarke<br />

zu kaufen und mit der Botschaft zu<br />

lancieren: « Seit 1735 gibt es bei Blancpain<br />

keine Quarzuhren. Es wird auch nie welche<br />

geben. » Nur ein Irrer. Oder einer, der weiss,<br />

dass man im Luxusbereich eine Geschichte<br />

erzählen, eine Botschaft vermitteln<br />

muss. « Wer ein kleines Vermögen für eine<br />

Uhr ausgibt, nur um die <strong>Zeit</strong> abzulesen, ist<br />

ein Narr », sagt Biver. Es geht um die Botschaft,<br />

es geht um Emotionen.<br />

Bei Hublot − das bedeutet «Bullauge» −<br />

lautet die Botschaft: Fusion. Das Zusammenführen<br />

von Tradition und Vision im<br />

Heute. Die Tradition der mechanischen,<br />

qualitativ hoch stehenden Uhr wird verbunden<br />

mit neuen Materialien wie Karbon<br />

oder Titan. Wem dies bereits als Selbstverständlichkeit<br />

vorkommt, der ist ein potenzielles<br />

Mitglied des Hublot-Vereins.<br />

Doch heute geht es vor allem um<br />

Käse. Rund 5000 Kilogramm Biver-Käse<br />

wird jeden Sommer auf der Alp hergestellt.<br />

Biver widerspricht vehement. « Der Name<br />

des Käses sagt etwas über die Herkunft<br />

aus, nicht über den Besitzer. Wer ist denn<br />

schon dieser Biver! Der Käse heisst La<br />

Neuvaz. Und das ist ein erstklassiges<br />

Qualitätslabel. Die saftigen Kräuter, die<br />

die Kühe auf der Alp fressen, verleihen<br />

meinem Käse ein einzigartiges cremiges,<br />

blumiges Aroma. Kein Vergleich zum Käse<br />

von holländischen Kraftfutter- Kühen. »<br />

Den La Neuvaz gibt es in keinem<br />

Gourmetladen zu kaufen, das macht ihn<br />

natürlich noch wertvoller, als er eh schon<br />

ist. Wer ihn essen darf, darf sich zur grossen<br />

Hublot-Familie rechnen. « Mein Käse<br />

ist der beste Botschafter von Hublot. » <br />

Jean-Claude Biver, CEO von Hublot<br />

Wir lernten Jean-Claude Biver als Referent am Swiss Innovation Forum in Basel<br />

und am Aussenwirtschaftsforum der Osec in Zürich kennen, zwei wichtigen Anlässen<br />

für unternehmer, die von der Credit Suisse als Hauptsponsor mitunterstützt werden.


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7<br />

Dem Zahn der <strong>Zeit</strong> getrotzt<br />

Wie wir über die Schönheitschirurgie denken, hängt womöglich mit unserem subjektiven <strong>Zeit</strong>empfinden<br />

zusammen. Altern und ewiges Leben sind ein häufiges künstlerisches Thema. Deshalb überrascht es nicht,<br />

dass der Schönheitschirurg Ivo Pitanguy auch als « Michelangelo » seines Fachs bezeichnet wird.<br />

Text: Alice Ratcliffe<br />

Foto: Fotonauta<br />

Ivo Pitanguy, der brasilianische Arzt, dessen Klinik in Rio sowohl<br />

den Reichen wie auch den Armen offensteht, gilt manchen als<br />

« Erfinder » der modernen plastischen Schönheitschirurgie. Er ist<br />

überzeugt, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, besser oder<br />

zumindest « normal » auszusehen. Angeblich haben sich unter<br />

anderem Gina Lollobrigida, Melina Mercouri und Zsa Zsa Gabor<br />

von ihm verschönern lassen. Ausserdem operierte er Niki Lauda,<br />

der wegen eines Unfalls beim Grossen Preis<br />

von Deutschland schwere Verbrennungen<br />

im Gesicht erlitten hatte. Aber auch weniger<br />

bekannte Menschen aus aller Welt begeben<br />

sich scharenweise in seine Obhut, um ihr<br />

Aussehen zu verbessern. Die in seiner Heimat<br />

hoch angesehene Klinik zieht Filmstars<br />

und Politiker an. Einen Tag in der Woche operieren seine<br />

Mitarbeiter zudem kostenlos Patienten, die an Geburtsfehlern beziehungsweise<br />

Unfallfolgen leiden oder anderweitig Hilfe benötigen.<br />

« Mit seinem Ebenbild im Reinen zu sein, ist ein ständiger Impuls<br />

für das Selbstwertgefühl », erklärt Pitanguy gegenüber dem<br />

<strong>bulletin</strong>. Doch er warnt: « Jede Korrektur des Alterungsprozesses<br />

sollte mit Eleganz und Sorgfalt vorgenommen werden. Schliesslich<br />

will auch eine Illusion richtig erschaffen werden. » Chirurgen halten<br />

die <strong>Zeit</strong> nicht an, sagt er. « Wir geben jemandem das Gefühl, erfüllt<br />

und in Frieden den Augenblick zu leben. Der in Vollkommenheit gelebte<br />

Augenblick ist unsere eigene Ewigkeit. »<br />

Ist ewiges Leben erstrebenswert?<br />

Die Aussicht auf ewiges Leben fasziniert die Menschen seit je. Doch<br />

die Krux dabei ist, dass die <strong>Zeit</strong> an unserem Gesicht nagt, unseren<br />

Körper aufbläht und höhlt, Pölsterchen und Falten entstehen lässt.<br />

Älterwerden ist nur « natürlich »: Vielleicht ist es ein Fehler, die <strong>Zeit</strong><br />

aufhalten zu wollen, jene meisterhafte Künstlerin, die uns unserem<br />

wahren Selbst und schliesslich dem Tod ausliefert. Diesem Prozess<br />

können wir nicht entfiehen. Womöglich sollten wir es auch gar<br />

nicht versuchen. Das ist zumindest die Botschaft in « Die Sache<br />

Makropulos », einer Oper des tschechischen Komponisten Leoš<br />

Janáček, die im August 20<strong>11</strong> bei den Salzburger Festspielen aufgeführt<br />

wurde. Das Werk erzählt die Geschichte der 1575 auf Kreta geborenen<br />

Elina Makropulos. Als sie 16 Jahre alt ist, erhält ihr Vater,<br />

ein Hofarzt, den Auftrag, eine Formel für das « ewige » Leben zu finden.<br />

Als ihm befohlen wird, das Elixier zuerst an seiner jungen<br />

Tochter auszuprobieren, wird diese ohnmächtig, und der Arzt muss<br />

« Altern ist nichts<br />

für Waschlappen. »<br />

Bette Davis<br />

sterben. Doch nach einer Woche erholt sich die Tochter, entkommt<br />

mit der Formel und wird die grösste Sängerin ihrer <strong>Zeit</strong> – und lange<br />

darüber hinaus. Zu Beginn der Oper hat Elina, die sich jetzt Emilia<br />

Marty nennt, bereits seit 337 Jahren gelebt. Bei einem Erbschaftsstreit<br />

erklärt Emilia schliesslich, wer sie wirklich ist. Nun muss<br />

sie sich entscheiden: ewiges Leben oder Altern und Tod? Sie beschliesst,<br />

eines natürlichen Todes zu sterben. Während sie dahinschwindet,<br />

bietet sie die Formel des Elixiers<br />

jedem an, der sie nimmt. Aber nur das kleine<br />

Mädchen Kristina geht darauf ein. Statt das<br />

Rezept jedoch an sich selbst auszuprobieren,<br />

verbrennt Kristina das Papier in einer Kerzenfamme<br />

und betet dazu auf Griechisch<br />

die ersten Zeilen des Vaterunsers.<br />

Zusammenfassend: Die Kunst kann sich nicht für die Unsterblichkeit<br />

begeistern. Unsterblichkeit scheint uns bestenfalls missmutig<br />

und unzufrieden zu machen. Im schlimmsten Fall bietet sie die<br />

Mühsal des ewigen Lebens, ohne uns jegliche Freuden zu gönnen.<br />

Ein Leben für seine Kunst<br />

Die Gesichtszüge von Pitanguy, der für manche quasi unsterblich<br />

geworden ist, lassen ein sinnvoll verbrachtes Leben erahnen. Nicht<br />

nur Reiche und Arme verehren ihn, auch die medizinische Forschung<br />

hat ihm viel zu verdanken. Wissenschaftliche Abhandlungen<br />

zur Anatomie der Gesichtsnerven kennen die « Pitanguy-<br />

Linie ». Ironischerweise begann Pitanguys Karriere mit dem<br />

Wunsch, älter zu wirken. Pitanguy, 1926 in Belo Horizonte im brasilianischen<br />

Bundesstaat Minas Gerais geboren, wollte schon als<br />

15-Jähriger Arzt werden. Der Sohn eines Chirurgen gab sich daher<br />

um drei Jahre älter aus, um Medizin studieren zu können. Ende der<br />

1940er-Jahre war die Schönheitschirurgie noch kein bedeutendes<br />

Fachgebiet. Junge Chirurgen hatten es schwer, sich das entsprechende<br />

Wissen anzueignen. Nach dem Studienabschluss in Brasilien<br />

erhielt Pitanguy ein Stipendium zur Weiterbildung in den USA,<br />

wo er am Bethesda Hospital und an der Mayo-Klinik arbeitete.<br />

Nach Brasilien zurückgekehrt, wollte er die erlernten Techniken in<br />

die Praxis umsetzen. Er begann am Spital Santa Casa de Misericórdia<br />

zu arbeiten, wo Südamerikas erste handchirurgische Eingriffe<br />

durchgeführt wurden. Ein Jahr später ging Pitanguy auf Einladung<br />

von Marc Iselin, einem der Väter der rekonstruktiven Handchirurgie,<br />

als Gastchirurg nach Paris. Wieder in Brasilien, begann er sich<br />

für sein Fachgebiet zu engagieren. Ein Wendepunkt kam 1961,


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8<br />

als bei einem Grossbrand in einem<br />

Zirkus zelt in Niteroi, Brasilien, 323<br />

Menschen starben und zahlreiche<br />

weitere schwere Gesichtsverletzungen<br />

erlitten. Bei der Betreuung der<br />

Opfer dieser Tragödie « stellte sich<br />

heraus, wie wichtig unser Spezialgebiet<br />

war », erzählt Pitanguy. Seit<br />

1963 leitet er ein Team von Schönheitschirurgen,<br />

das mit jenen Operationstechniken arbeitet, die<br />

er an seiner Klinik entwickelt hat. Ausserdem gibt es noch das 1975<br />

gegründete Ivo Pitanguy Institute, eine gemeinnützige Institution,<br />

die sich der Ausbildung, Forschung und Information über die<br />

Vorteile der plastischen Chirurgie widmet. Ärzte aus aller Welt studieren<br />

bei Pitanguy. « Er ist eine lebende Legende », führt der seit<br />

drei Jahren ansässige Ricardo Ventura aus. Er bezeichnet die<br />

schönheitschirurgische Ausbildung bei Pitanguy als « wahr gewordenen<br />

Traum ». Gleichzeitig « ist er aber auch ein ganz normaler<br />

Professor, der uns viel Geduld entgegenbringt und seine besten<br />

Erfahrungen an uns weitergeben will », meint Ventura. « Über Geld<br />

sprechen wir hier nicht. Es spielt keine Rolle, ob sie (die Patienten)<br />

arm oder reich sind. Die verschiedensten Menschen kommen zu<br />

uns ins Institut. »<br />

Wo die Probleme beginnen<br />

Aber wo endet die Kunst der Schönheitschirurgie und beginnt, sich<br />

in etwas Verführerisches mit einem Hauch von Makropulos zu verwandeln?<br />

Sollen wir Versprechungen glauben, dass wir vom Altern<br />

« geheilt » werden können, als ob es sich um eine Krankheit handelte?<br />

Sollen wir für Dinge wie « Abdominal Etching » (chirurgische<br />

Betonung der Bauchmuskulatur) Geld ausgeben, um uns den obligaten<br />

Waschbrettbauch zuzulegen? Oder sollen wir dem Beispiel<br />

von Elina Makropulos folgen, die nach über 300 Jahren auf der Erde<br />

endlich klug wird und sich nach einem natürlichen Ende sehnt?<br />

Selbstverständlich glauben wir alle insgeheim, jünger auszusehen,<br />

als wir sind. Wir sind mit einer Blindheit gesegnet, die daher rührt,<br />

dass wir uns nicht so sehen wie andere. Wie sonst ist es zu erklären,<br />

dass sich eine 80-Jährige anzieht wie ein Teenager oder dass sich<br />

Männer mit Glatze ein paar übrig gebliebene Strähnen über den<br />

Kopf ziehen? Sicher, wir alle streben nach einer jugendlichen Erscheinung:<br />

« Meine Nase wird alt », lautet der Titel eines Gedichts<br />

von Richard Brautigan, eine Ode an die Zone knapp unterhalb des<br />

Nasenbeins, die, wie er schreibt, « sich weitere zwei Zentimeter geriatrisch<br />

nach unten hinzieht ».<br />

1961 entdeckte der Wissenschaftler Leonard Hayfick, dass<br />

sich gewöhnliche Zellen nur 50- oder 60-mal teilen, bevor die Zelle<br />

« stirbt ». Laut Wissenschaftlern, die das Ende der Zellteilung verhindern<br />

wollen, könnten gewisse Substanzen den Prozess verlangsamen<br />

– zumindest vielleicht. Aber letztlich altern wir alle, ob wir<br />

es wollen oder nicht. In vielen Kulturen wird das Alter bis heute<br />

verehrt. In Japan ist der « Tag der Ehrung der Alten » ein nationaler<br />

Feiertag. Heute herrscht jedoch zunehmend der Jugendwahn.<br />

« Der in Vollkommenheit<br />

gelebte Augenblick<br />

ist unsere eigene<br />

Ewigkeit. »<br />

Dr. med. Ivo Pitanguy<br />

Einem Bericht der Amerikanischen<br />

Gesellschaft für Schönheitschirurgie<br />

zufolge wurden 2009 in<br />

den USA 9,5 Millionen kosmetische<br />

und nicht chirurgische Eingriffe<br />

vorgenommen. Die fünf am<br />

meisten durchgeführten Operationen<br />

bei Frauen waren Brustvergrösserung,<br />

Fettabsaugung, Augenlidoperation,<br />

Bauchstraffung und Brustverkleinerung; bei<br />

Männern waren es Fettabsaugung, Nasenplastik, Augenlidoperation,<br />

Brustverkleinerung und Haartransplantation. Amerikanerinnen<br />

und Amerikaner gaben insgesamt fast 10,5 Milliarden Dollar<br />

für kosmetische Eingriffe aus. Die Kunst warnt uns, dass wer sich<br />

an die Jugend klammert oder die Natur verneint, mit Konsequenzen<br />

rechnen muss. Doch die Alternative ist auch nicht gerade angenehm.<br />

Dazu die amerikanische Schauspielerin Bette Davis: « Altern<br />

ist nichts für Waschlappen. »<br />

Perfektion ist unmöglich<br />

Die Vorstellung, unsere « sterblichen Überreste » zu erhalten, treibt<br />

zuweilen seltsame Blüten. Laut Pitanguy sind die meisten Neurosen<br />

bei Patienten « nur unterschwellig vorhanden und schwer zu<br />

entdecken »; dies gilt insbesondere für Patienten, die mit einem<br />

kleinen Eingriff beginnen, bevor sie sich dem nächsten und übernächsten<br />

unterziehen. « Die Leute wollen perfekt sein », sagte Pitanguy<br />

in einem Interview mit der Modezeitschrift «W magazine». « In<br />

gesunder Form bedeutet dies, dass man sich pfegt und richtig ernährt.<br />

Aber Perfektion in extremer Form ist unmöglich. Diese Art<br />

von Narzissmus wird selbstzerstörerisch und pathologisch. » Das<br />

Älterwerden sei für schöne Frauen oft am schwersten, erklärt er.<br />

« Für sie ist Altern nichts Natürliches. Aber wenn man ihnen mit<br />

einer geeigneten und erfolgreichen Operation hilft, sind sie danach<br />

viel glücklicher. » Er selbst habe sich nie einer Schönheitsoperation<br />

unterzogen und habe dies auch in Zukunft nicht vor.<br />

« Ich habe ein tolerantes Ego », meint er. « Solange man sich selbst<br />

toleriert, braucht man keinen Chirurgen. » <br />

Die Sache Makropulos<br />

Die « Sache Makropulos » gehörte im Sommer 20<strong>11</strong> zu den Hauptattraktionen<br />

an den Salzburger Festspielen. Die Salzburger Aufführung<br />

der ursprünglich 1926 von Leoš Janáček geschriebenen Oper<br />

wurde in Zusammenarbeit mit der polnischen Nationaloper, dem<br />

Teatr Wielki, inszeniert. Dirigiert vom gebürtigen Finnen Esa-Pekka<br />

Salonen und unter der Regie des Schweizers Christoph Marthaler<br />

sang die deutsche Sopranistin Angela Denoke die Rolle der Emilia<br />

Marty. Gemäss dem von Karl Harb verfassten Programmtext verwebt<br />

die Oper « Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf kühne Art<br />

und Weise ». Als eines der bekanntesten Musikfestspiele der Welt<br />

lockt Salzburg nicht nur eine Viertelmillion Besucher aus aller Welt an,<br />

sondern auch etablierte Weltstars sowie faszinierende Nachwuchskünstler.<br />

Die Credit Suisse ist seit 2006 Sponsor der Festspiele<br />

und hat im Rahmen ihres Engagements zur Förderung junger Talente<br />

auch das Sponsoring des Young Singers Project übernommen.


windsor.ch


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ERNST


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<strong>11</strong><br />

Ein Schokoladebär als<br />

Speise der Götter<br />

TANNER<br />

Foto: Credit Suisse


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12<br />

Text: Andreas Schiendorfer<br />

Gemäss Credit Suisse Sorgenbarometer<br />

sind 99 Prozent<br />

der Schweizerinnen und<br />

Schweizer stolz auf den internationalen<br />

Ruf ihrer Wirtschaft<br />

in Sachen Qualität, und 97 Prozent<br />

bestätigen dies auch in Bezug auf die<br />

starken Marken im Ausland. Wichtigste<br />

Iden tifikationsmerkmale sind für sie Ordnungsbewusstsein<br />

und Präzision. Doch<br />

nicht weit dahinter folgen bereits die ersten<br />

Produkte: Uhren, Käse, Schokolade. Damit<br />

dies nicht blosse Umfrage theorie bleiben<br />

muss, liefert die Bevölkerung gerne den<br />

Tatbeweis: 2010 kauften die Schweizer durchschnittlich<br />

21,55 Kilogramm Käse und 12<br />

Kilogramm Schokolade. Weltrekord.<br />

Qualität garantiert Export<br />

Dabei darf nicht vergessen werden, dass<br />

gerade für die 18 Schweizer Schokoladehersteller<br />

der Export von existenzieller Bedeutung<br />

ist: 107 000 Tonnen Schokolade im<br />

Wert von 845 Millionen Franken – 60 Prozent<br />

der gesamten Produktion – führen<br />

sie in 150 Märkte aus (Zahlen von 2010).<br />

« Angesichts der globalen Konkurrenz<br />

kann dies alleine über die Qualität funktio<br />

nieren », ist Ernst Tanner, CEO und Verwaltungsratspräsident<br />

von Lindt & Sprüngli,<br />

überzeugt. «Wir setzen konsequent auf<br />

Produkte im obersten Premiumsegment.<br />

Mit Erfolg, denn es gibt weltweit eine<br />

steigende Anzahl Konsumenten, die bereit<br />

sind, für entsprechende Qualität einen<br />

angemessenen Aufpreis zu bezahlen. Der<br />

Verzehr edler Schokolade wird für sie<br />

zum kulinarischen Erlebnis. »<br />

Die unter Tanner 1993 einsetzende<br />

neue Erfolgsgeschichte hängt aber auch<br />

mit einer gezielten, durch den Börsengang<br />

vor 25 Jahren ermöglichten Globalisier<br />

ung des Unternehmens zusammen. Das<br />

Qualitäts- und Markenbewusstsein der<br />

Maîtres Chocolatiers von Lindt verbindet<br />

sich dabei mit dem absatzfördernden<br />

Wissen um regionale Affinitäten. Mittlerweile<br />

stellt Lindt & Sprüngli in acht<br />

Fabriken in der Schweiz, in Deutschland,<br />

Frankreich, Italien, Österreich und in den<br />

USA mit über 7500 Mitarbeitenden rund<br />

3000 verschiedene Produkte her und<br />

erzielt einen Umsatz von 2,58 Milliarden<br />

Franken (2010). Mit Caffarel im Piemont<br />

und Ghirardelli in Kalifornien zählen auch<br />

zwei nicht schweizerische Traditionsunternehmen<br />

zur Gruppe. Eine qualitätsfördernde<br />

Besonderheit ist, dass Lindt &<br />

Sprüngli jeden einzelnen Schritt der Produktionskette,<br />

beginnend bei der Auslese<br />

der Kakaobohnen aus Mittelamerika<br />

und Westafrika, vollständig unter seiner<br />

Kontrolle hat.<br />

Cortés schlauer als Kolumbus<br />

Bei aller Lust der Schweizer auf Süsses ist<br />

mittlerweile Nordamerika vor Deutschland<br />

zum wichtigsten Absatzmarkt von Lindt &<br />

Sprüngli geworden. Ganz selbstverständlich<br />

ist diese interkontinentale kulinarische<br />

Freundschaft nicht, denn der erste Kontakt<br />

im Jahr 1502 verläuft bitter. Für Kolumbus<br />

jedenfalls ist die Kakaobohne, die er als erster<br />

Europäer sieht, eine herbe Enttäuschung.<br />

Doch wie soll man jemanden, der<br />

Amerika mit Indien verwechselt, ernst nehmen.<br />

Hernán Cortés zeigt sich weitsichtiger<br />

und bringt 1528 die Kakaobohne und mit<br />

ihr das exotische Gebräu Xocoatl nach Europa.<br />

Tatsächlich wird Schokolade bis ins 19.<br />

Jahrhundert hinein vor allem getrunken,<br />

in aristokratischen Kreisen notabene, ehe<br />

sie in dieser Beziehung gegenüber den<br />

bürgerlichen Getränken Kaffee und Tee an<br />

Bedeutung verliert.<br />

Verdanken wir den Maya den Namen<br />

Schokolade («herbes Wasser»), so führen<br />

wir «Kakao» gemeinhin auf die Azteken<br />

zurück, die ihren Trank Cacauatl nennen.<br />

Seit Kurzem weiss man jedoch, dass bereits<br />

die vor rund 3000 Jahren in Mexiko lebenden<br />

Olmeken die Bohnen dieser wertvollen<br />

Frucht als Kakawa bezeichnet haben.<br />

Auch die Kakaobauern sollen profitieren<br />

Die mittelamerikanischen Hochkulturen<br />

schätzen das nahrhafte Getränk derart,<br />

dass sie die Kakaobohnen sogar als Zahlungsmittel<br />

benutzen. Davon sind wir heute,<br />

trotz Euro- und Dollarschwäche, weit<br />

entfernt. Bemerkenswerterweise legt aber<br />

Lindt & Sprüngli nicht nur grössten Wert<br />

auf die Qualität des Rohstoffs, sondern<br />

auch auf eine sozial verträgliche und nachhaltige<br />

Beschaffungspolitik. « Um dies<br />

zu garantieren, haben wir in Ghana ein<br />

spezielles Einkaufsmodell entwickelt, das<br />

es erlaubt, den Kakao bis zu den lokalen<br />

Produzenten zurückzuverfolgen. Alle beteiligten<br />

Bauern erhalten feste Preise, im<br />

Gegenzug wird uns die ausreichende Verfügbarkeit<br />

von Kakaobohnen bester<br />

Qualität garantiert », führt dazu Rudolf K.<br />

Sprüngli, Verwaltungsrat in sechster<br />

Ge neration und Vorsitzender des Corporate<br />

Social Responsibility Committee, aus.<br />

« Letztes Jahr bezahlten wir einen Aufpreis<br />

von mehr als einer Million US-Dollar für<br />

die Rückverfolgbarkeit und für lokale Sozialprojekte,<br />

die von einer lokalen Stiftung<br />

zielgerichtet vor Ort eingesetzt werden,<br />

zum Beispiel im Bereich Wasserversorgung,<br />

für den Bau von Schulen oder zur Malariaprophylaxe.<br />

Nun prüfen wir, ob sich das<br />

System auf Ecuador ausdehnen lässt. »<br />

Mit einem weiteren Blick zurück zu<br />

den Wurzeln erfahren wir, dass Maya und<br />

Azteken die füssige Schokolade auch zu<br />

kultischen Zwecken einsetzen und die<br />

wertvollen Kakaobohnen den Göttern als<br />

Opfergabe darbieten. Dies motiviert den<br />

schwedischen Naturforscher Carl von<br />

Linné, dem Kakaobaum den wohlklingenden<br />

lateinischen Namen Theobroma Cacao<br />

zu geben, was nichts anderes als Speise<br />

der Götter bedeutet. Wir schreiben das<br />

Jahr 1753.<br />

Schweiz verbietet Schokolade<br />

Das Schokoladeland Schweiz zählt zu diesem<br />

<strong>Zeit</strong>punkt kulinarisch noch nicht einmal<br />

zu den Schwellenländern. Zwar hat der<br />

Zürcher Bürgermeister Heinrich Escher<br />

bereits 1697 aus Brüssel Schokolade an den<br />

Zürichsee gebracht, doch 1772 verbietet der<br />

Stadtrat den Genuss des für « tugendhafte<br />

Menschen unpassenden » Aphrodisia kums,<br />

das ein gewisser Casanova in seiner<br />

Wirkung dem Champagner gleichsetzt.<br />

Eine derart genussfeindliche Einstellung<br />

Foto: Credit Suisse | Dave Rudkin, Getty Images


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13<br />

der Obrigkeit ist natürlich nicht die Basis für<br />

einen dauerhaften Geschäftserfolg der Schweizer<br />

Schokoladefabriken und Schokoladestuben,<br />

denen wir 1750 beziehungsweise 1792 in<br />

Bern erstmals begegnen. Überspringen wir<br />

kurzerhand weitere Versuche in der Westschweiz<br />

und im Tessin: Die eigentliche Geburtsstunde<br />

der Schweizer Markenschokolade<br />

ist das Jahr 1819, als François-Louis Cailler in<br />

Corsier eine mechanisierte Schokolademanufaktur<br />

errichtet, 1826 folgt Philippe Suchard in Serrières. Globale<br />

Meilensteine in der Geschichte der Schokolade setzen jedoch vor<br />

allem Daniel Peter- Cailler mit der Erfindung der Milchschokolade<br />

1875 und Rodolphe Lindt mit der Schmelz- oder Fondantschokolade<br />

1879, die beide qualitative Quantensprünge ermöglichen.<br />

Lindt wendet dabei – gewollt oder ungewollt – das Conchier-Verfahren<br />

an: Die Schokolademasse wird durch die tagelange Bear beitung<br />

im ab gerundeten Längsreiber, der Conche (spanisch:<br />

Muschel), unter Zusatz von Kakaobutter und bei gleichzeitiger<br />

Erwärmung zur zartschmelzenden Schokolade « Surfin – chocolat<br />

fondant » veredelt.<br />

Die Sprüngli-Geschichte beginnt vor 175 Jahren<br />

Und Sprüngli? Rudolf Sprüngli-Ammann beginnt 1845 in der<br />

Zuckerbäckerei seines Vaters David Sprüngli-Schwarz mitten in<br />

der Zürcher Altstadt mit der Schokoladefabrikation. Damit nimmt<br />

der heute vornehmste Schweizer Schokoladeproduzent seine<br />

Tätigkeit auf. David Sprüngli hat jedoch das Geschäft im Haus<br />

« Zum goldenen Ring » bereits 1836, also vor genau 175 Jahren, der<br />

Witwe seines Arbeitgebers abgekauft. Die Zuckerbäckerei Vogel<br />

an der Marktgasse wiederum geht sogar ins Jahr 1720 zurück.<br />

Rudolf Sprüngli aber verlegt 1847 die immer grösser werdende<br />

Schoko ladefabrikation nach Horgen und 1870 zurück nach Zürich-<br />

Werdmühle, das Konfiseriegeschäft hingegen 1859 ins Haus im<br />

« Tiefenhof » am Paradeplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

der drei Jahre zuvor gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt<br />

(heute Credit Suisse). 1892 teilt er das Unternehmen unter seine<br />

beiden Söhne auf: Rudolf Sprüngli-Schifferli übernimmt die<br />

Schokoladefabrik, David Sprüngli-Baud den Konfiseriebereich.<br />

Beide Firmen gehen fortan getrennte, gleichermassen erfolgreiche<br />

Wege.<br />

Die Bohnen der Kakaofrucht wurden<br />

schon vor 3000 Jahren von den Olmeken<br />

in Mexiko als Kakawa bezeichnet.<br />

halten: Lindt & Sprüngli (damals « Aktiengesellschaft<br />

Vereinigte Berner & Zürcher Chocoladefabriken<br />

Lindt & Sprüngli) reagiert, indem sie<br />

ihre Produkte kontinuierlich weiter verbessert<br />

und angesichts der Bedeutung des Exports die<br />

Marke Lindt aufbaut – und konsequent verteidigt.<br />

So findet bereits von 1906 bis 1927 ein erster,<br />

erbittert geführter Kampf um die Wahrung<br />

der Markenrechte statt – notabene gegen zwei<br />

Verwandte von Rodolphe Lindt. « Die Pfege der<br />

Marke Lindt hat bis heute nichts von ihrer Bedeutung ver loren »,<br />

betont Ernst Tanner. « Zentral ist dabei das Qualitätsdenken jeder<br />

einzelnen Mitarbeiterin und jedes ein zelnen Mitarbeiters. Dieses<br />

ist gerade im Premiumsegment entscheidend für den Erfolg. »<br />

Ein Bär bereichert die Tierfamilie<br />

Die Geschichte der goldenen Tierfamilie beginnt übrigens 1952:<br />

Einer der Lindt Maîtres Chocolatiers entdeckt an einem sonnigen<br />

Märztag in seinem Garten einen kleinen Hasen. Als er im Gebüsch<br />

verschwindet, weint sein kleiner Sohn bitterlich – und im gleichen<br />

Moment ist auch schon die Idee des « Lindt Schneehasen » geboren,<br />

wie er damals noch heisst. Damit er künftig ja nicht mehr ver -<br />

loren geht, erhält er ein Glöcklein an einer roten Schleife. Mittlerweile<br />

erfreuen zur Osterzeit über 100 Millionen Goldhasen, jeder<br />

einzelne von Hand glatt gestreichelt, die jungen und nicht mehr<br />

ganz jungen Besitzer. 20<strong>05</strong> beginnt ein goldenes Rentier durch<br />

die – vor allem angelsächsischen – Weihnachtsstuben zu ziehen,<br />

und seit 20<strong>11</strong> ergänzt der Lindt Bär jeweils bis zum Jahreswechsel<br />

die exklusive Fauna-Familie. Seinem roten Halsband entsprechend<br />

haben ihn bereits viele Schokoladeliebhaber in ihr Herz<br />

geschlossen. <br />

Credit Suisse Clients<br />

1899 Zusammenschluss von Lindt mit Sprüngli<br />

Um die Wende zum 20. Jahrhundert stellt Rudolf Sprüngli Sohn<br />

die Weichen in eine erfolgreiche Zukunft: 1898 Umwandlung in<br />

eine Aktiengesellschaft, 1898–1899 Fabrikbau in Kilchberg-Bendlikon,<br />

1899 Übernahme der Firma Rod. Lindt fils in Bern und 1900<br />

Gründung einer betriebseigenen Krankenkasse und eines Invalidenfonds,<br />

womit das Unternehmen seine soziale Verantwor -<br />

tung früher als die meisten anderen Betriebe wahrnimmt und davon<br />

langfristig profitiert. 1901 lässt sich der während zwölf Jahren<br />

streng gehütete Conchier-Prozess nicht mehr länger geheim<br />

Im Oktober 20<strong>11</strong> startete die Credit Suisse eine globale Inseratekampagne,<br />

die sechs verschiedene Firmenkunden beziehungsweise<br />

ihre Repräsentanten in einer überraschenden Bildkonstellation zeigen.<br />

Neben dem Schokoladehersteller Lindt & Sprüngli und den Zermattbahnen<br />

aus der Schweiz haben sich die amerikanische Designerin<br />

Jen Kao, das chinesische Suchmaschinenunternehmen Baidu sowie<br />

der Industriekonzern Maccaferri und der Elektromotorroller-Hersteller<br />

Oxygen aus Italien für diese Kampagne zur Verfügung gestellt.<br />

Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/clients


Premium<br />

14<br />

Durch und durch britisch,<br />

unbestreitbar global – Burberry<br />

Text: Celeste Neill<br />

«Es geht<br />

nicht um die<br />

Grösse der<br />

Läden, sondern<br />

um das<br />

Erlebnis. »<br />

Angela Ahrendts<br />

CEO Burberry<br />

I<br />

m Rahmen der gemeinsam mit «Newsweek»/<br />

«The Daily Beast» ausgerichteten Speaker<br />

Series war die Credit Suisse in der Londoner<br />

Na tional Gallery Gastgeberin eines anregenden<br />

Abends mit Burberry-CEO Angela Ahrendts.<br />

Die Gesprächsreihe war eine Idee von Pamela Thomas-<br />

Graham, Chief Talent, Branding and Communication<br />

Officer der Credit Suisse, und wird von Tina Brown<br />

moderiert. Diese war nach einer steilen Verlagskarriere<br />

in England in die USA übergesiedelt, wo<br />

sie nach erfolgreichen Zwischenhalten bei «Vanity Fair »<br />

und «The New Yorker» schliesslich an die Spitze<br />

von « Newsweek » und « The Daily Beast » gelangte. Dort<br />

wiederum führte Tina Brown die Druck- und Online-<br />

Medien zusammen und hinterfragte die Art und Weise,<br />

wie wir Informationen konsumieren und kommunizieren.<br />

Die neue Veranstaltungsreihe wurde als Ergänzung<br />

zur Arbeit der «Women in the World Foundation »<br />

ins Leben gerufen und bringt herausragende weibliche<br />

Führungspersönlichkeiten und Fürsprecherinnen<br />

aus aller Welt zusammen. Dabei werden im Rahmen<br />

informeller Gespräche erfolgreiche Frauen mit Vorbildcharakter<br />

vorgestellt. Diesem Ziel entsprechend warf<br />

der Abend in der National Gallery ein Schlaglicht auf<br />

die Dynamik und den Weitblick von Angela Ahrendts,<br />

der Chefin der britischen Markenikone Burberry.<br />

Nachdem sie 2006 zur höchst erfolgreichen, je -<br />

doch leicht stagnierenden Marke gestossen war,<br />

machte Angela Ahrendts diese schon bald zu jener<br />

globalen Instanz, als die Burberry heute uneingeschränkt<br />

anerkannt wird. In enger Zusammenarbeit<br />

mit Krea tivdirektor Christopher Bailey, einem Team<br />

aus erfahrenen Führungskräften und den weltweiten<br />

Mitarbeitenden von Burberry führte Ahrendts das<br />

Unternehmen in den FTSE 100 und vermarktet seither<br />

britisches Lebensgefühl auf der ganzen Welt. Erstaunlicherweise<br />

hat sich das traditionsreiche Label auch<br />

an vorderster Front bei der Revolution der Sozialen<br />

Medien im Luxus-Einzelhandel etabliert. Die neueste<br />

Kollektion der Marke wurde über nicht weniger als<br />

456 Medienpartner weltweit präsentiert und generierte<br />

allein am ersten Tag 220 Millionen Aufrufe der Website.<br />

Darüber hinaus verzeichnet Burberry auf seinen<br />

Online-Plattformen durchschnittlich eine Million Besucher<br />

pro Woche, und der Einsatz von Sozialen Medien<br />

hat sich für die Marke als überaus wertvoll erwiesen.<br />

Doch das Interesse an Burberry beschränkt sich<br />

nicht auf die Online-Welt. Anspruchsvolle Kunden<br />

wollen mit der Marke weiterhin auf Tuchfühlung sein<br />

und sie hautnah erleben. Auf die Bedürfnisse und<br />

Wünsche der Kunden reagierte das Unternehmen mit<br />

einer sorgfältig inszenierten Strategie, bei der das<br />

reale Erlebnis rund um die Online-Erfahrung angelegt<br />

ist. Die Schaufensterauslagen sind den Homepages<br />

nachempfunden, das Branding ist prägnant, und das<br />

Empfinden wird von der virtuellen in die reale Welt<br />

übertragen. Mit der Eröffnung von Megastores will<br />

Burberry zudem die Erfahrung erweitern. « Es geht<br />

nicht um die Grösse der Läden, sondern um das Erlebnis<br />

», sagt Ahrendts.<br />

Interessanterweise geht das Geschäft von Burberry<br />

zu 60 bis 70 Prozent auf Tourismuskunden zurück,<br />

ergänzt durch sorgfältig ausgewählte Flagship Stores<br />

auf der ganzen Welt. Die frühzeitige Fokussierung<br />

auf Schwellenländer hat der Marke überdies zu einem<br />

Wettbewerbsvorteil verholfen, denn erstaunlicherweise<br />

sind in Märkten wie Indien, Brasilien oder China<br />

sehr vermögende Kunden im Durchschnitt um 15 Jahre<br />

jünger. Aber die <strong>Zeit</strong>en sind hart, und um ganz oben<br />

zu bleiben, musste sich das Unternehmen überlegen,<br />

was bei der Umsetzung seiner Ziele und Bestrebungen<br />

nicht mehr zwingend benötigt würde. Mit Ausnahme<br />

der kundennahen Bereiche wurde jeder Aspekt des<br />

Unternehmens unter den wachsamen Augen von Ahrendts<br />

eingehend auf seine Bewandtnis hin überprüft.<br />

Die erfolgreiche Strategie und die harte Hand haben<br />

sich ausgezahlt, denn heute ist Burberry solide aufgestellt<br />

und dient seinen Mitbewerbern als Vorbild. <br />

Wenn Sie das Gespräch mit Burberry-CEO Angela Ahrendts<br />

in voller Länge sehen möchten, scannen Sie bitte den<br />

nachstehenden QR Code, und ein Film wird direkt auf Ihr<br />

Smartphone überspielt.<br />

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle von Burberry / Credit Suisse


FASHION-DESIGNERIN JEN KAO LIESS SICH FÜR<br />

IHRE NEUESTE KOLLEKTION VOM OZEAN INSPIRIEREN.<br />

Die Credit Suisse hilft einem neuen Talent, nach oben zu kommen.<br />

credit-suisse.com/clients


Premium<br />

16<br />

Text: Terri James<br />

« Hong Kong<br />

calling »<br />

Hongkong wird zu Recht als ein<br />

Ort beschrieben, wo Osten<br />

und Westen sich treffen und wo<br />

sich modernes Leben im Einklang<br />

mit chinesischen Traditionen<br />

befindet.<br />

Hongkong wird oft als « Treffpunkt von Ost und<br />

West » bezeichnet, als Stadt, die einen modernen<br />

Lebensstil mit chinesischen Traditionen vereint.<br />

Als eines der weltweit führenden Finanzzentren<br />

verfügt Hongkong über eine kapitalistische Dienstleistungswirtschaft,<br />

und seine Währung gehört<br />

zu den zehn meistgehandelten der Welt.<br />

Hongkong gilt als die vertikalste Stadt der Welt<br />

und ist bekannt für seine ausgedehnte Skyline. Der<br />

Platzmangel machte verdichtetes Bauen notwendig,<br />

und unter den über 7500 Wolkenkratzern finden<br />

sich wahre Perlen moderner Architektur. Konzepte<br />

wie Feng-Shui werden sehr ernst genommen, und<br />

für kostspielige Bauvorhaben werden oft Fachleute<br />

beigezogen, denen erfolgsentscheidende Qualitäten<br />

nachgesagt werden.<br />

Hongkongs elektrisierende Atmosphäre lässt sich<br />

jedoch nicht allein mit einem pulsierenden<br />

Geschäftsumfeld erklären. Es handelt sich auch<br />

um eine kulturell vielfältige, energiegeladene<br />

Stadt mit einer Fülle von Erholungsmöglichkeiten,<br />

wie sie heute jede Weltstadt bietet. Willkommen<br />

in Hongkong: «Work hard, play hard!»<br />

B<br />

C<br />

B<br />

B<br />

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B<br />

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D A B<br />

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B<br />

Foto: King Wu, Getty Images


Premium<br />

17<br />

A<br />

Essen<br />

Armani/Aqua<br />

Die Stadt, die Essen und Mode<br />

in gleichem Masse liebt, wartet<br />

endlich mit dem kulinarischen<br />

Ereignis auf, das ihren Bedürfnissen<br />

entspricht. Armani/Aqua,<br />

eine Kooperation zwischen dem<br />

italienischen Designer und der<br />

Restaurantgruppe, die in Hongkong<br />

Massstäbe setzt, vereint<br />

italienische und japanische Küche,<br />

ohne in die Fusionsfalle zu tappen.<br />

Vielmehr gelingt es dem Etablissement,<br />

beides in höchster Qualität<br />

zu bieten, sodass die Gäste<br />

nach Lust und Laune kombinieren<br />

können. Eine stilvolle Innenausstattung<br />

und eine Terrasse, die<br />

punkto Aussicht in der Stadt ihresgleichen<br />

sucht, schaffen das<br />

ideale Ambiente für ein unvergessliches<br />

kulinarisches Erlebnis.<br />

Armani/Aqua<br />

Chater House<br />

8 Connaught Road, Central<br />

www.armani-aqua.com<br />

B Festival<br />

Hong Kong Arts Festival<br />

1973 erstmals durchgeführt, darf<br />

das Hong Kong Arts Festival vom<br />

28. Januar bis 8. März 2012 mit<br />

der 40. Austragung ein Jubiläum<br />

feiern. Dazu werden 166 Aufführungen<br />

geboten, von 38 Ensembles<br />

oder Solokünstlern aus Übersee<br />

sowie 16 aus Hongkong.<br />

Das Festival hat sich den kulturellen<br />

Austausch zwischen Ost und West<br />

sowie die Förderung des kulturellen<br />

Nachwuchses auf die Fahnen<br />

geschrieben – und dies interdisziplinär<br />

mit Schwergewicht auf Oper,<br />

Musik und Tanz. Als Partner des<br />

Festivals unterstützt die Credit<br />

Suisse seit 2009 die Credit<br />

Suisse Emerging Artists Series.<br />

Hong Kong Arts Festival<br />

28. Januar bis 8. März 2012<br />

www.hk.artsfestival.org<br />

C Kultur<br />

Kulturgemeinschaft in Fo Tan<br />

Die wachsende Zahl leer stehender<br />

Fabrikanlagen hat einige Pioniere<br />

dazu bewogen, im einstigen Industriebezirk<br />

Fo Tan, rund 45 Minuten<br />

ausserhalb des Zentrums, eine<br />

Kulturgemeinschaft inklusive Ateliers<br />

zu gründen. Zurzeit arbeiten<br />

hier 70 Künstlerinnen und Künstler.<br />

Obwohl nicht alle Türen für<br />

Passanten offenstehen, gibt es<br />

mehrere Galerien, darunter auch<br />

die Blue Lotus, die massgeblich<br />

zum Gemeinschaftssinn unter den<br />

Künstlern von Fo Tan beitragen.<br />

Blue Lotus Gallery<br />

Wah Luen Industrial Building<br />

15–21 Wong Chuk Yeung Street<br />

www.bluelotus-gallery.com<br />

D Ein Hongkonger Muss<br />

Dim Sum<br />

Obwohl man es heute an vielen<br />

Orten auf der Welt bekommen<br />

kann, wissen echte Liebhaber,<br />

dass nur Hongkonger Dim Sum<br />

die höchste Vollkommenheit<br />

erreicht. Jeder hat sein eigenes<br />

Lieblingsrestaurant, aber für ein<br />

authentisches Hongkong-Erlebnis<br />

ist das Luk Yu Teahouse im<br />

Central kaum zu überbieten.<br />

Wegen der immer strengeren<br />

Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften<br />

ist die Dim-Sum-Vielfalt<br />

eingeschränkt worden, und das<br />

«Luk Yu» bildet hier keine Ausnahme.<br />

Dennoch ist das Dim Sum so<br />

schmackhaft wie eh und je. Das<br />

Dekor ist im klassischen Teahouse-Stil<br />

gehalten mit hohen Decken,<br />

trägen Ventilatoren und geschnitzten<br />

Holzvertäfelungen, die<br />

zur stimmungsvollen Atmosphäre<br />

bei tragen.<br />

Das Restaurant ist seit seiner Eröff -<br />

nung im Jahr 1933 ein beliebter Treffpunkt<br />

für Einheimische. Der erste<br />

Stock ist für Stammgäste reserviert,<br />

aber im Erdgeschoss werden<br />

Touristen und Ansässige bewirtet.<br />

Luk Yu Teahouse<br />

24 Stanley Street, Central<br />

E Nachtleben<br />

Ozone, Ritz-Carlton Hotel<br />

Für einen Besuch im «Ozone»<br />

empfi ehlt es sich, den Abend<br />

sorgfältig auszuwählen. Hongkong<br />

ist nicht gerade für saubere Luft<br />

bekannt, aber bei wolkenlosem<br />

Himmel bietet diese Bar im <strong>11</strong>8.<br />

Stock – zweifellos eine der höchsten<br />

der Welt – atemberaubende<br />

Ausblicke auf die Stadt, am besten<br />

von der Terrasse aus, wo es aber<br />

eng werden kann. Das «Ozone»<br />

gehört zum unlängst eröffneten<br />

Ritz-Carlton Hotel, untergebracht<br />

in den obersten Stockwerken<br />

des ICC-Turms, des höchsten<br />

Gebäudes in Hongkong.<br />

Ozone, The Ritz-Carlton<br />

ICC, 1 Austin Road West<br />

Kowloon<br />

www.ritzcarlton.com<br />

F Shopping<br />

Cat Street Market<br />

Das Gewirr der Cat Street birgt<br />

manche Schätze, die jedoch ein<br />

gewisses Verhandlungsgeschick<br />

voraussetzen. Auf diesem Trödelund<br />

Antiquitätenmarkt fi ndet sich<br />

alles, was das Herz begehrt – von<br />

antiken Teekisten und Abakussen<br />

bis zu gebrauchten Schachsets<br />

und unzähligen Andenken. Leicht<br />

verwirrend mag sein, dass die<br />

Cat Street eigentlich Upper Lascar<br />

Row heisst. Der volkstümliche<br />

Name geht auf die Anfänge der<br />

Strasse zurück, als der Markt<br />

dort noch als Umschlagplatz für<br />

gestohlene Waren diente, und die<br />

«Katzen» den Dieben oder «Ratten»<br />

die gestohlenen Waren abkauften.<br />

Cat-Street-Antiquitätenmarkt<br />

upper Lascar Row<br />

Sheung Wan


strellson.com<br />

get the story


Invest<br />

l<br />

Wnv Iirtschafte, Märskte utnd Anlagen<br />

Konjunktur<br />

Zinsen und<br />

Obligationen<br />

Währungen<br />

Aktien<br />

Rohstoffe<br />

Immobilien<br />

Der Trend zur Konjunkturverlangsamung<br />

hat in China<br />

und den USA nachgelassen,<br />

in Europa sich aber verstärkt.<br />

Die mittelfristigen<br />

Wachstumsaussichten<br />

bleiben verhalten.<br />

Die kurzfristigen Zinsen<br />

bleiben in den Hauptmärkten<br />

(inkl. Schweiz) bei null.<br />

Die Verzinsung ist auf<br />

Staatsanleihen sehr unattraktiv,<br />

auf Unternehmensanleihen<br />

leicht besser.<br />

Die Strukturprobleme des<br />

USD sind ebenso gross<br />

wie jene des EUR. Wir erwarten<br />

eine Seitwärtsentwicklung<br />

von EUR/USD.<br />

Gegenüber dem CHF sollte<br />

der EUR etwas zulegen.<br />

Aktien sind attraktiv bewertet,<br />

aber die politischen<br />

Probleme in Europa und<br />

die schwache globale<br />

Konjunktur begrenzen das<br />

Aufwärtspotenzial vorerst.<br />

Die zyklischen Rohstoffe<br />

bleiben im aktuellen<br />

Umfeld riskant. Gold profi -<br />

tiert von politischen<br />

Unsicherheiten, tiefen<br />

Zinsen und fehlendem<br />

Gegenparteirisiko.<br />

Schweizer Immobilienfonds<br />

weisen ein grosses Agio<br />

auf. Solange die Zinsen<br />

jedoch tief bleiben, empfehlen<br />

wir, diese Anlagen<br />

zu halten.<br />

Dass der griechische Staat zahlungsunfähig<br />

ist, stellt keine Überraschung mehr dar.<br />

In der Zwischenzeit hat sich aber die Wirtschafts­<br />

und Finanzlage anderer – grösserer –<br />

Länder verschlechtert. Frankreich, aber<br />

ganz besonders Spanien und Italien geben<br />

Anlass zur Sorge.<br />

Das laufende Defi zit in Italien ist mit etwa<br />

4,5% des BIP zwar geringer als in vielen<br />

anderen Industrie ländern und der Primärhaushalt,<br />

d. h. das Defi zit ohne Zinszahlungen,<br />

ist sogar fast ausgeglichen. Weil die Regierung<br />

Berlusconi jedoch Sanierungsmassnahmen<br />

verschleppt hat, haben die Finanzmärkte<br />

zunehmend das Vertrauen verloren.<br />

Die Zinsen auf den italienischen Staatsanleihen<br />

sind weit über ein nachhaltiges Niveau<br />

hinaus gestiegen, und es droht eine Spirale,<br />

in der die Schulden wegen zunehmender<br />

Zinszahlungen unkontrolliert steigen.<br />

Das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen<br />

ist viel schwieriger als es zu verlieren.<br />

Auch entschlossene Massnahmen der neuen<br />

Regierung reichen womöglich nicht aus.<br />

Gleichzeitig sind die Mittel des europäischen<br />

Stabilitätsfonds (EFSF) zu gering, um<br />

die italienischen Anleihen zu garantieren.<br />

Es braucht schwereres Geschütz. Wer die<br />

Mittel hat, ist klar. Es ist die Europäische<br />

Zentralbank. Wie radikal Notenbanken handeln<br />

müssen, um den Markt zu überzeugen,<br />

hat die SNB jüngst vorgemacht. Avanti,<br />

Signor Draghi!<br />

Fotos: Credit Suisse | Udo Weitz, Keystone<br />

Dr. Oliver Adler<br />

Leiter Global Economics<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


ll<br />

Invest<br />

Konjunktur<br />

Global:<br />

Wirtschaftsdynamik<br />

bleibt schwach<br />

Die immer noch ungenügenden Massnahmen<br />

zur Eindämmung der europäischen Schuldenkrise<br />

dominieren weiterhin die Stimmung<br />

an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft.<br />

In Teilen der Eurozone zeichnet sich<br />

immer klarer eine Rezession ab. In den USA<br />

hat sich die Konjunktur hingegen eher beschleunigt,<br />

Unsicherheiten über die Finanzpolitik<br />

nehmen aber zu. China scheint<br />

weiterhin im Prozess einer «sanften Landung»<br />

begriffen zu sein. Sofern die europäische<br />

Krise sich nicht weiter verschärft, erscheint<br />

uns eine Fortsetzung der globalen Erholung<br />

immer noch als Hauptszenario.<br />

Thomas Herrmann<br />

Zinsen und<br />

Obligationen<br />

Zinsen:<br />

Die kurzfristigen Zinsen<br />

bleiben bei null<br />

Wegen der anhaltenden Konjunkturrisiken<br />

bleibt die Geldpolitik global betrachtet<br />

expansiv und die kurzfristigen Zinsen deshalb<br />

sehr tief. Die Europäische Zentralbank<br />

hat Anfang November die Leitzinsen auf<br />

1,25% zurückgenommen und wir erwarten<br />

im Dezember einen weiteren Schritt.<br />

In der Schweiz bleibt eine Zinserhöhung auf<br />

längere Sicht höchst unwahrscheinlich.<br />

In den USA, Grossbritannien und Japan bleiben<br />

die Zinsen ebenfalls bei null. Auch in<br />

den Schwellenländern deuten schwächere<br />

Wirtschaftsdaten und ein Wendepunkt<br />

der Inflation eher auf Zinssenkungen hin.<br />

Fabian Heller<br />

Währungen<br />

Global:<br />

uSD wird von der Eurokrise<br />

gestützt<br />

Trotz der negativen Stimmung gegenüber<br />

dem EUR ist es interessant, festzustellen,<br />

dass EUR/USD rund 3% höher als vor<br />

einem Jahr notiert. Der EUR wird unserer<br />

Meinung nach auch weiterhin kaum eine<br />

massive Abschwächung erleiden. Der Grund<br />

ist, dass eben auch der USD strukturelle<br />

Schwächen – wie ein hohes Aussenhandels­<br />

defizit und anhaltend tiefe Zinsen – aufweist.<br />

Allerdings gehen wir wegen der Konjunktur­<br />

schwäche und der Zinssenkungen in der<br />

Euro zone nun neu doch von einer leichten<br />

Abwertung des EUR gegenüber USD, JPY<br />

und anderen asiatischen Währungen aus.<br />

Marcus Hettinger<br />

Schweiz:<br />

Schweizer Konjunktur<br />

am Scheideweg<br />

Die Schweizer Wirtschaft stagniert derzeit<br />

und die Aussichten haben sich verschlechtert.<br />

Die Schuldenkrise in Europa verunsichert<br />

Konsumenten und Investoren. Die<br />

sich in Teilen der Eurozone abzeichnende<br />

Rezession wird die Schweizer Exporte trotz<br />

der Festlegung der Wechselkursuntergrenze<br />

durch die Nationalbank stark beeinträchtigen.<br />

Obwohl wir bei der Binnennachfrage<br />

nicht zuletzt wegen der regen<br />

Zuwanderung und der günstigen Preise<br />

noch von positiven Zuwachsraten ausgehen,<br />

haben wir unsere Wachstumsprognose<br />

für 2012 markant gesenkt. Claude Maurer<br />

Obligationen:<br />

unternehmensanleihen<br />

weiter attraktiv<br />

Die Spreizung der Zinsen zwischen den Anleihen<br />

erstklassiger Bonität und den eher als<br />

riskant eingestuften Obligationen ist sowohl<br />

im staatlichen wie auch im Unternehmensbereich<br />

ausgesprochen markant. Wegen der<br />

immer noch ungelösten EU­Schuldenproblematik<br />

und der Konjunkturabschwächung in<br />

Europa wird sich dies wohl nicht so rasch<br />

ändern. Da die Renditen im AAA­Bereich<br />

extrem tief sind und eine auch nur leichte<br />

Verbesserung im Umfeld hier zu Kursrückschlägen<br />

führen würde, empfehlen wir<br />

weiterhin, den Fokus auf Unternehmensanleihen<br />

hoher Bonität zu legen. Stefan Klein<br />

Schweiz:<br />

EuR/CHF:<br />

Die Kursuntergrenze hält<br />

Der Schweizer Franken hat sich gegenüber<br />

dem Euro äusserst stabil verhalten, obwohl<br />

die vergangenen Wochen erneut durch<br />

starke Turbulenzen an den europäischen<br />

Bondmärkten gekennzeichnet waren. Dies<br />

zeigt, dass die Kursuntergrenze der SNB bei<br />

CHF 1.20 pro EUR vorerst sehr glaubwürdig<br />

ist. Wir gehen davon aus, dass sich der<br />

immer noch klar überbewertete Franken bei<br />

einer Beruhigung der EWU­Krise gegenüber<br />

dem Euro weiter abschwächen wird. Trotz<br />

der EZB­Zinssenkung ist auf 3 Monate ein<br />

erneuter EUR­Anstieg in Richtung CHF 1.25<br />

wahrscheinlich. Marcus Hettinger<br />

Deutliche Bremsspuren in der<br />

Schweizer Wirtschaft Quelle: Seco, Credit Suisse<br />

CHF-Zinsniveaus weiterhin nahe historischem Tief<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Zinsvorteil für EuR bleibt intakt<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse / IDC<br />

Index<br />

%<br />

%<br />

EUR/CHF<br />

%<br />

80<br />

70<br />

6<br />

4<br />

2<br />

1.60<br />

2.4<br />

2.0<br />

60<br />

2<br />

1.40<br />

1.6<br />

50<br />

40<br />

0<br />

–2<br />

1<br />

1.20<br />

1.2<br />

0.8<br />

30<br />

–4<br />

0<br />

1.00<br />

0.4<br />

1995<br />

1999 2003 2007 20<strong>11</strong><br />

BIP real im Vergleich zum Vorjahr<br />

PMI<br />

Libor 3M<br />

Libor 6M<br />

Libor 12M<br />

Swap 2Y<br />

Swap 3Y<br />

Swap 4Y<br />

Swap 5Y<br />

Swap 6Y<br />

Swap 7Y<br />

Swap 8Y<br />

Swap 9Y<br />

25. Aug. 2010 12. Apr. 2010 17. Okt. 2010<br />

Swap 10Y<br />

1.<strong>05</strong> 1.07 1.09 1.<strong>11</strong><br />

EUR/CHF-Wechselkurs 2j. Swap EUR minus CHF<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Invest<br />

Ill<br />

Aktien<br />

Rohstoffe<br />

Immobilien<br />

Global:<br />

Eurozone bleibt<br />

im Mittelpunkt<br />

Global betrachtet sind Aktien weiterhin<br />

günstig bewertet, solange die aktuellen<br />

Gewinnprognosen nicht vollkommen falsch<br />

liegen, was uns als unwahrscheinlich erscheint.<br />

Damit die Bewertung als Treiber<br />

wirken kann, muss sich aber die Stimmung<br />

an der Börse verbessern. Dazu wären eine<br />

klare Lösung des Schuldenproblems von<br />

Griechenland und eine Stabilisierung in Italien<br />

nötig. Auch dann bleibt das Kurspotenzial<br />

jedoch wegen der recht schwachen Konjunkturaussichten<br />

eher begrenzt. Stützend<br />

wirken sollte hingegen die Verringerung des<br />

Infl ationsdrucks, vor allem in den Schwellenländern.<br />

Michael O’Sullivan, Drazenko Lakic<br />

Schweiz:<br />

Ausblick wichtiger als<br />

Quartalsresultate<br />

Die Unternehmensresultate für das 3. Quartal<br />

sollten insgesamt den Erwartungen<br />

gerecht werden. Da sich jedoch die wirtschaftlichen<br />

Frühindikatoren über die letzten<br />

Monate abgeschwächt haben, ist für die<br />

Anleger der Ausblick wichtiger. Die Schweizer<br />

Unternehmen selbst werden sich wegen<br />

der vielen Unsicherheiten nur sehr vorsichtig<br />

über das 4. Quartal 20<strong>11</strong> und nur minimal<br />

zum Geschäftsjahr 2012 äussern. Erst wenn<br />

sich die Lage um die europäische Schuldenkrise<br />

beruhigt, wird es jedoch auch in<br />

der Schweiz zu nachhaltigen Kursgewinnen<br />

kommen. Grégoire Biollaz, Drazenko Lakic<br />

Anhaltend hohe Aktienvolatilität<br />

Quelle: Datastream, Credit Suisse<br />

%<br />

70<br />

50<br />

30<br />

10<br />

04.07 04.08 04.09 04.10 04.<strong>11</strong><br />

CBOE Volatilitätsindex VIX<br />

Global:<br />

Gold weiter mit<br />

Aufwärtspotenzial<br />

Angesichts der Wirtschaftsabschwächung<br />

und der europäischen Schuldenkrise<br />

waren Rohstoffe auch in den letzten Wochen<br />

unter Druck. Die Marktlage ist schwierig,<br />

zyklische Märkte wie Öl oder Kupfer bleiben<br />

riskant. Der Fokus liegt klar auf Gold.<br />

Gold weist kein Gegenparteirisiko auf, was<br />

es im derzeitigen Umfeld attraktiv macht.<br />

Der Preis dürfte zudem von den anhaltend<br />

tiefen Zinsen profi tieren. Tobias Merath<br />

Gold bleibt im Aufwärtstrend<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse / IDC<br />

Preis pro Unze<br />

1600<br />

1200<br />

800<br />

400<br />

Fokus<br />

Was ist mit den Schwellenmärkten los?<br />

Aktien der Schwellenländer sind zurückgefallen<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Index<br />

<strong>11</strong>0<br />

90<br />

70<br />

<strong>11</strong>.08 <strong>11</strong>.09 <strong>11</strong>.10<br />

<strong>11</strong>.<strong>11</strong><br />

Gold in CHF<br />

Gold in EUR<br />

Gold in USD<br />

Gold in GBP<br />

2010 20<strong>11</strong><br />

Schwellenländer USA Eurozone<br />

Schweiz:<br />

Schweizer Immo-Fonds – gute,<br />

aber teure Diversifizierer<br />

Schweizer Immobilienfonds weisen historisch<br />

hohe Agios aus. Aktuell lassen sich die hohen<br />

Aufschläge durch die extrem niedrigen<br />

Zinsen rechtfertigen. Wir sehen daher vorerst<br />

weiterhin selektive Anlagemöglichkeiten<br />

in Schweizer Immobilienfonds, auch weil sie<br />

sich in <strong>Zeit</strong>en unsicherer Märkte als gute<br />

Diversi fi zierungsmöglichkeit erwiesen haben.<br />

Erst wenn die Langfristzinsen einen Aufwärtstrend<br />

zeigen, würden wir Engagements<br />

reduzieren. Martin Bernhard<br />

Schweizer Immobilienanlagen hoch bewertet<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

Durchschnittliche Prämie /Abschlag zum NAV in %<br />

Schweizer Immobilienfonds<br />

Schweizer Immobilienaktien<br />

Schon längere <strong>Zeit</strong> empfehlen wir<br />

unseren Kunden, einen strategischen<br />

Schwerpunkt bei Anlagen in den<br />

Schwellenländern zu setzen. Seit dem<br />

letzten Jahr ist die Performance zumindest<br />

der Aktien in den Schwellenmärkten<br />

jedoch enttäuschend (siehe<br />

Grafik). Dennoch glauben wir nicht,<br />

dass wir mit unserer strategischen<br />

Sicht falsch liegen. Die enttäuschende<br />

Performance ist unserer Meinung<br />

nach auf zwei temporäre Sonderfaktoren zurückzuführen. Erstens hat die höhere<br />

Risikoaversion im Zuge der Eurokrise auch zu Verkäufen von Anlagen in<br />

Schwellenländern geführt – uS-Anlagen fungierten dabei als sicherer Hafen.<br />

Zweitens haben viele Schwellenländer – ganz im Gegensatz zu den uSA und<br />

Europa – unter einer konjunkturellen Überhitzung gelitten, welche die Behörden<br />

u.a. mit Zinserhöhungen bekämpften. Das hat die Aktienkurse gedrückt.<br />

Da der Höhepunkt der Inflation überschritten zu sein scheint, sollte der Zinsdruck<br />

nachlassen und die günstigen Bewertungen der Schwellenländeraktien<br />

(KGV = ca. 9) mit der <strong>Zeit</strong> wieder zum Zug kommen. Oliver Adler<br />

20<br />

0<br />

–20<br />

1990 1993 1996 1999 2002 20<strong>05</strong> 2008 20<strong>11</strong><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


lV<br />

Invest<br />

Performance und Prognosen im Überblick<br />

Wichtigste Anlageklassen und Märkte<br />

Aktien<br />

Gesamtrendite in CHF (%)<br />

Erwartete Rendite 1 und Risiko (% p.a.)<br />

20<strong>11</strong> letzte 3 Jahre letzte 5 Jahre 1 Jahr 5 Jahre Risiko 2<br />

(bis 22.<strong>11</strong>.) (p.a.) (p.a.)<br />

MSCI World – 14.6 1.9 – 10.3 <strong>11</strong>.6 9.3 17.7<br />

S&P 500 – 8.9 3.4 – 8.8 10.0 8.5 16.2<br />

Eurostoxx 50 – 14.1 – 1.4 – 13.7 14.2 9.3 20.7<br />

SMI – 16.1 1.9 1.2 7.7 7.4 19.0<br />

MSCI Emerging Markets – 23.7 13.2 – 4.7 17.9 <strong>11</strong>.8 28.3<br />

Obligationen 3<br />

Schweiz 1.7 5.7 3.1 – 0.5 1.9 3.0<br />

Eurozone 1.2 – 4.2 – 1.3 0.5 3.1 3.2<br />

USA 2.6 – 5.4 – 0.3 – 1.0 1.4 3.8<br />

Schwellenländer 4.2 8.8 1.9 5.8 5.9 16.8<br />

Geldmarkt (CHF) 0.1 0.2 1.1 0.2 1.2 2.6<br />

Alternative Anlagen<br />

DJ UBS Commodities 9.3 9.6 2.9 9.3 8.0 16.8<br />

Gold 17.0 17.8 14.9 <strong>11</strong>.5 6.2 13.3<br />

Immofonds Schweiz (SIX) 6.4 12.3 6.2 3.0 4.5 7.4<br />

DJ CS Hedge Fund Index – 3.9 –2.6 –1.7 5.5 6.5 10.1<br />

Konjunktur und Inflation<br />

BIP– Wachstum real (in %) Infl ation (in %)<br />

2010 20<strong>11</strong> 5 2012 5 2010 20<strong>11</strong> 5 2012 5<br />

Global 4.9 3.7 3.5 3.2 4.0 3.1<br />

USA 2.9 1.6 1.8 1.6 3.0 1.4<br />

Japan 4.0 – 0.3 1.7 – 0.9 0.2 0.0<br />

Eurozone 1.5 1.8 0.3 1.6 2.6 1.5<br />

Deutschland 3.5 3.0 0.7 1.2 2.4 1.5<br />

Schwellenländer 4 8.6 7.0 6.6 5.0 6.2 5.2<br />

China 10.3 8.8 8.4 3.3 5.6 4.5<br />

Schweiz 2.8 1.9 0.5 0.7 0.3 0.4<br />

Wichtige Informationen<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden von<br />

der Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und können<br />

sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht wurde einzig<br />

zu Informationszwecken publiziert und ist weder ein Angebot noch<br />

eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Credit Suisse zum<br />

Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder ähnlichen Finanzinstrumenten<br />

oder zur Teilnahme an einer spezifi schen Handelsstrategie<br />

in irgendeiner Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne<br />

Berücksichtigung der Zielsetzungen, der fi nanziellen Situation<br />

oder der Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der<br />

Bericht enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder hinsichtlich<br />

Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er stellt<br />

auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen Umstände<br />

eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen angemessene<br />

Inves tition oder Strategie oder eine andere an einen bestimmten<br />

Anleger gerichtete Empfehlung dar. Verweise auf frühere Entwicklungen<br />

sind nicht unbedingt mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen, die<br />

die Credit Suisse als zuverl ässig erachtet. Dennoch kann keine<br />

Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen<br />

geleistet werden. Die Credit Suisse lehnt jede Haftung für Verluste<br />

aus der Verwendung dieses Berichts ab.<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN DAVON<br />

DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VERSANDT, DORT­<br />

HIN MITGENOMMEN ODER AN US­ PERSONEN ABGEGEBEN<br />

WERDEN.<br />

Örtliche Gesetze oder Vorschriften können die Verteilung von<br />

Research­Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse verteilt,<br />

die der Zulassung und Re gulierung der Eidgenös sischen Finanzmarktaufsicht<br />

untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />

werden.<br />

Copyright © 20<strong>11</strong> Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene<br />

Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Zinsen (in %)<br />

Kurzfristzinsen (3M– Libor) 6 Renditen 10– J.– Staatsanleihen 6<br />

22.<strong>11</strong>. in 3M in 12M 22.<strong>11</strong>. in 3M in 12M<br />

USA 0.50 0.4 0.4 1.96 2.3 2.5<br />

Deutschland 1.46 0.8 0.6 1.89 1.8 2.0<br />

Grossbritannien 1.03 0.9 0.9 2.17 2.4 2.7<br />

Japan 0.33 0.2 0.2 0.97 1.0 1.2<br />

Schweiz 0.<strong>05</strong> 0.1 0.1 0.91 0.9 1.4<br />

Währungen<br />

CHF pro Fremdwährung 6 pro EuR 6<br />

25.<strong>11</strong>. in 3M in 12M 25.<strong>11</strong>. in 3M in 12M<br />

CHF – – – 1.23 1.25 1.26<br />

USD 0.93 0.96 0.98 1.32 1.3 1.28<br />

CAD 0.89 0.92 0.94 1.39 1.37 1.34<br />

GBP 1.44 1.49 1.55 0.86 0.84 0.82<br />

JPY 7 1.2 1.3 1.39 102.91 96.2 90.9<br />

CNY 7 14.58 15.26 16.14 8.49 8.19 7.81<br />

Quelle: Credit Suisse, Bloomberg, Datastream<br />

1 Aktien und Obligationen in Lokalwährung, DJ UBS Commodities Index, Gold und DJ CS Hedge Fund Index in USD 2 Erwartete Standardabweichung<br />

der Rendite 3 Schweiz: Credit Suisse LSI Ex– Eidgenossen, Eurozone: Barclays Euro Agg 1– 10Y TRSY, USA: Barclays US Govt Intermediate Bond,<br />

Schwellenländer: JPM EMBI+, Geldmarkt (CHF): JPM Cash CHF 1M 4 Acht grösste Schwellenländer 5 Prognosen 6 Prognosen vom 28.<strong>11</strong>.20<strong>11</strong><br />

7 Preis von 100 JPY resp. CNY in CHF<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber Credit Suisse AG, Global Research,<br />

Postfach 300, 8070 Zürich<br />

E-Mail publications.research@credit­suisse.com<br />

Internet www.credit­suisse.com/research<br />

Redaktion Oliver Adler<br />

Beiträge Oliver Adler, Martin Bernhard,<br />

Grégoire Biollaz, Fabian Heller, Thomas Herrmann,<br />

Marcus Hettinger, Stefan Klein, Drazenko Lakic,<br />

Claude Maurer, Tobias Merath, Michael O’Sullivan, Frank Reiner<br />

Konzept und Layout www.arnold.inhaltundform.com<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Economic<br />

Research<br />

Was man mit<br />

231000 000 000 000<br />

Dollar alles kaufen<br />

kann.<br />

Lesen Sie mehr auf Seite 29<br />

Profitieren Sie vom Expertenwissen der Credit Suisse<br />

Diese Broschüren und Magazine können Sie via Bestelltalon oder unter www.credit­suisse.com/shop anfordern.<br />

Global Investor<br />

Swiss Issues Branchen<br />

Magazin Unternehmer<br />

Magazin Unternehmer<br />

Erben und Vererben<br />

Brückenschlag<br />

zwischen Vergangenheit<br />

und Zukunft<br />

Tourismus Schweiz<br />

Starker Franken –<br />

Wintersportorte im<br />

Wettbewerb<br />

Innovation<br />

Ein wichtiger Schlüssel<br />

zum Erfolg im Export<br />

und im Binnenmarkt<br />

Corporate Governance<br />

Von verantwortungsvoller<br />

Unternehmensführung<br />

profitieren alle


26 Economic Research<br />

Wirtschaftsausblick 2012<br />

«Die Schweiz<br />

hat ihre<br />

Hausaufgaben<br />

Mgartin Neeff, Heama<br />

d Economic Researcch<br />

h<br />

t»<br />

Am 6. September sagten Sie in der<br />

Herbst-Prognose der Credit Suisse für<br />

das Jahr 2012 der Schweiz ein<br />

Wirtschaftswachstum von 2 Prozent<br />

voraus. Müssen Sie nun Ihre<br />

Prognose nach unten korrigieren?<br />

Martin Neff: Ja … leider!<br />

Warum?<br />

Unsere Herbstprognose stellte damals tatsächlich<br />

ein erhebliches Risiko dar. Aus<br />

Gründen, die wir alle kennen, war es so<br />

schwierig wie selten, eine Prognose zu<br />

erstellen. Nun zeigt sich, dass die von uns<br />

damals genannten Risiken schneller eingetroffen<br />

sind, als zu erwarten war. Die Ausgangslage<br />

für die Schweizer Wirtschaft hat<br />

sich angesichts der schwächeren Wirtschaftsdynamik<br />

und der Tatsache, dass die<br />

Eurokrise noch immer auf den Märkten lastet,<br />

verschlechtert. Daher mussten wir unsere<br />

Prognose massiv runterfahren. Ein schwerer<br />

Entscheid, denn eigentlich sollte man sich<br />

davor hüten, seine Prognose jedes Mal anzupassen,<br />

wenn ein wichtiger Indikator<br />

ändert. Man täuscht damit eine Genauigkeit<br />

vor, die man sowieso nicht gewährleisten<br />

kann. Das Wichtigste und Schwierigste bei<br />

den Prognosen ist das Erkennen eines<br />

konjunkturellen Wendepunktes. Doch wenn<br />

evaluierte Prognoserisiken eintreffen, ist<br />

Handlungsbedarf gegeben.<br />

Gemäss Exportbarometer der<br />

Credit Suisse und der OSEC bekunden<br />

deutlich mehr exportorientierte<br />

unternehmen Probleme als im ersten<br />

Halbjahr.<br />

Es ist unbestreitbar, dass viele Unternehmen<br />

unter dem starken Franken leiden. Die einen<br />

bekunden Mühe, ihre Produkte zu verkaufen,<br />

bei den anderen erodiert die Marge. Das<br />

muss man natürlich ernst nehmen, und doch<br />

gilt es gleichzeitig festzuhalten, dass die


Economic Research 27<br />

Foto: Credit Suisse<br />

meisten Exporteure nach wie vor recht stabil<br />

unterwegs sind, einzig die Aussichten haben<br />

sich eingetrübt.<br />

Woran liegt das?<br />

Die Schweizer sind qualitäts­ und risikobewusst.<br />

Sie lassen sich nicht in einer Aufbruchseuphorie<br />

zu Schritten verleiten, die sie<br />

im Falle eines Rückschlags nicht verkraften<br />

können. Sie sind nicht risikoscheu, aber in<br />

ausgeprägtem Masse Risiken abwägend.<br />

Präzision und Qualität sind zudem zwei<br />

wichtige Charakteristika der Schweizer<br />

Wirtschaft. Entscheidend ist dabei, dass sich<br />

im Export der Anteil am Qualitätswettbewerb<br />

in den letzten zehn Jahren von 45 auf 60<br />

Prozent erhöht hat. In diesem Marktsegment<br />

wirkt sich die Frankenaufwertung weniger<br />

negativ aus.<br />

Können Sie das differenzieren?<br />

Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil am<br />

Qualitätswettbewerb bei Uhren, Pharma und<br />

Maschinen. Dem globalen Preiskampf am<br />

meisten ausgesetzt sind Medizintechnik,<br />

Chemie, die Metallindustrie sowie die Textilund<br />

Bekleidungsbranche. Wenn wir die Entwicklung<br />

im ersten Halbjahr 20<strong>11</strong> anschauen,<br />

so musste die Chemie (– 6,8%) die grössten<br />

Rückschläge in Kauf nehmen. Auch die Textilbranche<br />

(–2%) und die Medizintechnik<br />

(–3,3%) erlitten Einbussen. Uhren (19,2%),<br />

Maschinen (<strong>11</strong>,9%), Metallerzeugnisse<br />

(4,2%) und Elektrotechnik (2,7%) hingegen<br />

stiessen auf ein gesteigertes Interesse. Für<br />

das ganze Jahr rechnen wir mit einer Zunahme<br />

im Export um 3,5 Prozent, im nächsten<br />

Jahr wird der Export um 1 Prozent zulegen.<br />

Wie steht es um den privaten Konsum?<br />

Der Konsum hält einigermassen durch. Dafür<br />

sind sowohl strukturelle als auch konjunkturelle<br />

Faktoren verantwortlich. Hierzulande<br />

sind weder Staat noch Unternehmen überschuldet<br />

und es bestehen kaum hausgemachte<br />

Probleme, welche die konjunkturelle<br />

Entwicklung bremsen würden. Im Gegenteil:<br />

Erstens bleiben die Zinsen in der Schweiz<br />

wohl bis mindestens Ende 2012 tief. Zweitens<br />

ist «Inflation» in der Schweiz aktuell kein<br />

Thema, denn die Konsumentenpreise bleiben<br />

unter Druck und schonen damit die Kaufkraft<br />

(Teuerung 2012: 0,4%). Drittens dürfte die<br />

Zuwanderung rege bleiben, womit ein wichtiger<br />

Träger des Konsumwachstums an<br />

Standkraft behalten dürfte. Demgegenüber<br />

schlagen die ständigen Krisenmeldungen<br />

sowie eine Verschlechterung der Arbeitsmarktlage<br />

(Arbeitslosenquote 2012: 3,3%)<br />

verstärkt auf die Stimmung, was dem Konsumwachstum<br />

gewisse Grenzen setzt.<br />

«Eine positive Einstellung<br />

ist gefragt. Der Abschwung<br />

beginnt immer im Kopf.»<br />

Martin Neff<br />

und das Bauwesen?<br />

Wir gehen von einem reduzierten Wachstum<br />

von 1,3 Prozent gegenüber 3,5 Prozent in<br />

den Jahren 2010 und 20<strong>11</strong> aus. Gewisse<br />

Sorgen bereitet mir der weitere Temperaturanstieg<br />

am Immobilienmarkt aufgrund der<br />

nach wie vor vorhandenen Liquidität. In gewissen<br />

Regionen, namentlich am Genfersee,<br />

kommt es zu einer nicht unproblematischen<br />

Entkoppelung der Immobilienpreise von der<br />

Entwicklung der Einkommen. Glücklicherweise<br />

sind aber noch längst nicht alle Ingredienzien<br />

einer Immobilienblase vorhanden.<br />

Sie sagen, selbst angesichts der<br />

ständigen Krisenmeldungen soll<br />

der Optimismus gewahrt werden.<br />

Ist dies wirklich gerechtfertigt?<br />

Den Schweizern ist eine gewisse skeptische<br />

Weltsicht angeboren. Langfristig hat der<br />

Charakterzug, sich selbst immer wieder zu<br />

hinterfragen, zur starken Stellung des Landes<br />

beigetragen. Kurzfristig hingegen kann<br />

allzu viel jammern fatal sein, denn das psychologische<br />

Element spielt an der Börse und<br />

auch in der Realwirtschaft eine wesentliche<br />

Rolle: Der Abschwung beginnt jeweils im<br />

Kopf. Schlimmstenfalls führt überzeichneter<br />

Pessimismus zu einer kollektiven Paralyse,<br />

die zur Folge hat, dass die Schwarzmaler<br />

wirklich Recht bekommen. Wenn ich hierbei<br />

etwas Gegensteuer geben kann, würde mich<br />

das freuen. Für mich gilt: Only good news<br />

are really good news. Die letzten Jahre haben<br />

es gezeigt: Wenn es zu einer Krise<br />

kommt, gehört die Schweiz stets zu den Gewinnern.<br />

Als guter Schweizer hege ich Zweifel.<br />

Nein, im Ernst. Die Schweiz hat nach der Immobilienkrise<br />

der 1990er­Jahre und noch<br />

einmal nach der Jahrtausendwende – Stichwort<br />

Swissair­Trauma – ihre Hausaufgaben<br />

hervorragend gemacht. Dies gilt nicht nur für<br />

die Wirtschaft, die laufend Ertragsbilanzüberschüsse<br />

generiert, sondern vor allem<br />

auch für die Politik, die man allzu gerne kritisiert.<br />

Kaum ein anderes Land hat aber die<br />

öffentlichen Finanzen so gut im Griff wie die<br />

Schweiz. Und mit den bilateralen Verträgen<br />

haben wir die Basis für die Migration hochqualifizierter<br />

Arbeitskräfte, insbesondere aus<br />

Deutschland, geschaffen. Schliesslich<br />

möchte ich auch die positive Wirkung der<br />

Kurzarbeit zur Krisenbewältigung seit 2009<br />

erwähnen: Nicht zuletzt dank der Kurzarbeit<br />

ist es gelungen, die Arbeitslosenquote im<br />

Jahresdurchschnitt nie über 4 Prozent ansteigen<br />

zu lassen. 20<strong>11</strong> beträgt sie 3,1 Prozent,<br />

2012 wird sie kaum über 3,3 maximal<br />

3,5 Prozent steigen. Allein schon diese Zahl<br />

widerlegt die fälschlicherweise postulierten<br />

negativen Folgen der Personenfreizügigkeit.<br />

Die Schweiz ist also ein<br />

Erfolgsmodell?<br />

Die Schweiz ist ein Erfolgsmodell, in der Tat.<br />

Dies aber nur so lange, als sie sich nicht auf<br />

den Lorbeeren ausruht, sondern sich auf ihre<br />

Tugenden besinnt und die Erfolgskomponenten<br />

des Modells, beispielsweise unsere Infrastruktur,<br />

immer weiter verbessert. Schi/ch<br />

Tabelle<br />

Konjunkturprognose Schweiz<br />

Reale Veränderung in Prozent gegenüber dem Vorjahr (zu Preisen des Vorjahres)<br />

Quelle: Seco, Credit Suisse Economic Research<br />

Veränderung in % 2009 2010 20<strong>11</strong> 2012<br />

Bruttoinlandprodukt, real –1.9 2.7 1.9 0.5<br />

Privater Konsum 1.4 1.7 0.8 1.1<br />

Staatlicher Konsum 3.3 0.8 1.8 1.2<br />

Ausrüstungsinvestitionen –10.8 10.9 4.4 –1.5<br />

Bauinvestitionen 3.0 3.5 3.5 1.5<br />

Exporte (Güter und Dienstleistungen) –8.6 8.4 3.5 1.0<br />

Importe (Güter und Dienstleistungen) –5.5 7.3 3.5 2.0<br />

Arbeitslosenquote in % 3.7 3.9 3.1 3.3<br />

Inflationsrate –0.5 0.7 0.3 0.4<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


28 Economic Research<br />

Credit Suisse Research Institute<br />

Die Denkfabrik der Bank<br />

Das 2008 gegründete Credit Suisse Research Institute bietet Erkenntnisse<br />

und Überlegungen zu strategischen Themenschwerpunkten von führenden Experten<br />

der integrierten Bank.<br />

Das Research Institute befasst sich mit Fragen,<br />

die für die Weltmärkte wichtig sind. Im<br />

Vordergrund stehen dabei neue, wenig untersuchte<br />

Themen mit längerfristigen Rahmenbedingungen<br />

sowie ein vertiefter Untersuchu<br />

ngsansatz, der sowohl auf unsere internen<br />

Ressourcen als auch auf externe Experten<br />

und akademische Institutionen setzt. Das Institut<br />

ergänzt andere bereichsübergreifende<br />

Initiativen wie das vor Kurzem gegründete<br />

Emerging Market Research Institute und den<br />

Asset­Alloca tion­Fokus der Global Economics<br />

and Strategy Group. Abgesehen von<br />

einem kleinen, zentral koordinierten Team<br />

beschäftigt das Institut keine eigenen Mitarbeitenden,<br />

sondern nutzt Informationen der<br />

Research­Teams, die im gesamten Unternehmen<br />

verfügbar sind.<br />

Hohe Anerkennung für Berichte<br />

Als Vorreiter verfolgt das Research Insti tute<br />

zwei parallele Ziele: Erstens gilt es, der Credit<br />

Suisse die Werkzeuge für den Dialog mit<br />

ihren Interessengruppen auf höchster Ebene<br />

zur Verfügung zu stellen. Zweitens sollen die<br />

Emerging Market Research Institute<br />

Das Credit Suisse Research<br />

Institute sorgt dafür, dass<br />

die Credit Suisse in strategischen<br />

Forschungsfragen aus der Sicht<br />

der integrierten Bank eine<br />

Führungs position einnimmt.<br />

Global Wealth Report 20<strong>11</strong><br />

Über die Website des Publikationenshops<br />

www.credit­suisse.com/shop, den Talon im <strong>bulletin</strong><br />

oder direkt mit dem QR Code über Ihr<br />

Smartphone gelangen Sie zum vollständigen Report.<br />

Als wichtige Ergänzung des Research-Angebots ist kürzlich das Credit Suisse Emerging<br />

Market Research Institute (EMRI) aus einer gemeinsamen Leadership-Initiative von<br />

Investment Banking, Private Banking und Asset Management der Credit Suisse<br />

hervor gegangen. In enger Zusammenarbeit mit dem Credit Suisse Research Institute<br />

und dem Credit Suisse Emerging Markets Council ist es nun möglich, mit Hinblick<br />

auf die Investitionsbedürfnisse der Kunden einen entscheidenden Wissensvorsprung<br />

heraus zuarbeiten. www.credit­suisse.com/researchinstitute<br />

Entscheidungsprozesse der Kunden direkt<br />

unterstützt werden. Ein Beleg für die erfolgreiche<br />

Umsetzung des ersten Ziels ist die<br />

breite Medienberichterstattung zu Publikationen<br />

wie dem Invest ment Returns Yearbook,<br />

dem Emerging Consumer Survey und<br />

dem Asian Family Businesses Report. In Bezug<br />

auf das zweite Ziel wurden dieses Jahr<br />

bisher rund 45 000 Exemplare der Berichte<br />

verteilt oder heruntergeladen, und insgesamt<br />

schalteten sich über 3000 Personen in die<br />

Konferenzgespräche des Research Institute<br />

ein, in denen Experten wie Theo Waigel oder<br />

Jacques de Larosière über aktuelle Marktthemen<br />

diskutierten. Darüber hinaus geben<br />

das Investment Banking und das Private Banking<br />

unabhängig voneinander spe zifische<br />

Anlageempfehlungen heraus, die auf der<br />

Arbeit des Instituts basieren. Diese Trennung<br />

ist aus rechtlichen und geschäftlichen Gründen<br />

notwendig und erfolgt in enger Zusammenarbeit<br />

und innerhalb strenger Compliance­<br />

Richt linien. Dadurch können Doppelspurigkeiten<br />

weitgehend vermieden und die Empfehlungen<br />

auf die jeweiligen Bedürfnisse der<br />

institutionellen sowie der privaten Kunden zugeschnitten<br />

werden. Auch die Kunden des<br />

Bereichs Asset Management profitieren umfassend,<br />

beispielsweise durch den Megatrends­Fonds,<br />

der von den Themen und Analysen<br />

des Research Institute inspiriert ist.<br />

Diskussionen über die Zukunft<br />

Angesichts seiner Bedeutung steht das<br />

Research Institute unter dem Vorsitz von Urs<br />

Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit<br />

Suisse. Er leitet ausserdem die zweimal jährlich<br />

stattfindenden Zusammenkünfte, an<br />

denen interne Experten und prominente externe<br />

Berater wichtige Themen wie die Krise<br />

der Eurozone oder die Zukunft des Banking<br />

erörtern. Das Beratungsgremium besteht<br />

zurzeit aus Walter B. Kielholz, Sir John Major,<br />

Laura D’Andrea Tyson, Long Yongtu und<br />

Ernesto Zedillo Ponce de León. Zu den künftigen<br />

Themen des Research Institute gehören<br />

ein fundierter Ausblick für den Mittelmeerraum<br />

unter Berücksichtigung früherer<br />

demokratischer Transformations prozesse<br />

sowie die Untersuchung des Grenz bereichs<br />

zwischen nicht gewinnorientierten sozialen<br />

Unternehmen und gewinnorientierten börsennotierten<br />

Gesell schaften, die sich an strenge<br />

ökologische, soziale und die Unternehmensführung<br />

betreffende Grundsätze halten. Damit<br />

behauptet das Research Institute seine<br />

Vordenkerrolle und festigt gleichzeitig seine<br />

führende Stellung durch ständig aktualisierte<br />

Berichte zu Themen wie weltweite Vermögen,<br />

Verbrauchernachfrage und Anlageperformance.<br />

Giles Keating, Stefano Natella<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Economic Research 29<br />

Global Wealth Report 20<strong>11</strong><br />

Aufrechnung des<br />

weltweiten Vermögens<br />

Die weltweiten Privatvermögen betragen 231 Billionen uS-Dollar und wachsen weiter.<br />

Können die uSA ihre Stellung gegenüber China und Indien halten?<br />

Wo steht Europa? Der Global Wealth Report der Credit Suisse bietet einen Überblick<br />

und zeigt Tendenzen auf.<br />

«In den nächsten fünf Jahren<br />

ist mit einer deutlichen<br />

Verbesserung der Position<br />

von Schwellenländern in<br />

allen Vermögenskategorien<br />

zu rechnen.» Michael O’Sullivan<br />

Der Global Wealth Report der Credit Suisse<br />

zeigt auf, dass der Betrag von 231 Billionen<br />

US­Dollar dem von allen 4,5 Milliarden erwachsenen<br />

Privatpersonen auf der ganzen<br />

Welt gehaltenen Vermögen entspricht. Darin<br />

inbegriffen sind Bargeld, Aktien, Obligationen,<br />

Grundeigentum sowie Wertgegenstände<br />

abzüglich Schulden. Die schier unvorstellbare<br />

Zahl mit zwölf Nullen reicht beispielsweise<br />

aus, um die amerikanische Staatsverschuldung<br />

180­mal zu begleichen. Trotz eines Jahrzehnts<br />

mit Aktienrenditen nahe bei null, mit<br />

mehreren Aktien­Bärenmärkten und dem<br />

Zusammenbruch von Immobilienblasen stiegen<br />

die weltweiten Vermögen allein im Jahr<br />

20<strong>11</strong> um 36 Billionen US­Dollar und legten<br />

gegenüber dem Millenniumsjahr 2000 ( <strong>11</strong>7<br />

Billionen US­Dollar ) um fast das Doppelte<br />

zu. Das starke Wirtschaftswachstum und der<br />

Bevölkerungszuwachs in den Schwel len ländern<br />

gehören zu den wichtigsten Antriebskräften<br />

dieses Trends. Insgesamt dürften die<br />

weltweiten Vermögen bis Ende 2016 nochmals<br />

um 50 Prozent auf 345 Billionen steigen.<br />

Der Anteil der Schwellenländer am Gesamtvermögen<br />

nimmt weiter zu, wie angesichts<br />

des rasanten Wachstums in vielen sich entwickelnden<br />

Volkswirtschaften nicht anders<br />

zu erwarten war. Doch es gibt auch überraschende<br />

Einsichten darüber, wo die Vermögen<br />

steigen und wo sie stagnieren oder<br />

sogar zurückgehen. Fest steht: Dynamische<br />

Volkswirtschaften in Asien und anderen<br />

Regionen häufen in hohem Tempo private<br />

Vermögen an, ein Trend, der sich in Zukunft<br />

fortsetzen dürfte.<br />

Während sich die Weltwirtschaft von der<br />

Finanz krise der Jahre 2008 und 2009 erholen<br />

musste, erreichten die gesamten Haushaltsvermögen<br />

weltweit ein neues Rekordniveau.<br />

Alle Regionen der Welt mit Ausnahme<br />

Europas erzielten von Anfang 2010 bis Mitte<br />

20<strong>11</strong> ein höheres Vermögenswachstum als<br />

von Ende 2000 bis Ende 2009. China, Indien,<br />

Brasilien, Indonesien und Südafrika setzten<br />

ihren kräftigen Trend des letzten Jahr zehnts<br />

fort, während das gigantische Vermögenswachstum<br />

in Russland in den letzten Monaten<br />

etwas nachliess. Einzelne Länder sind<br />

bei den Ergebnissen, die in US­Dollar ausgewiesen<br />

werden, von Währungsaufwertungen<br />

betroffen: In Japan ist die Zunahme der<br />

persönlichen Vermögen auf den Anstieg des<br />

Yen zurückzuführen, während die Stärke des<br />

Schweizer Frankens das Nettovermögen pro<br />

Erwachsenen in unserem Land, in Dollar gerechnet,<br />

auf neue Höchststände trieb. Der<br />

Bericht befasst sich aber auch mit der Schuldenseite<br />

der Gleichung: Von 2000 bis 2007<br />

stieg die durchschnittliche Verschuldung um<br />

80 Prozent an und stabilisierte sich anschliessend.<br />

Heute beträgt sie 9070 Dollar pro Erwachsenen.<br />

Wichtig, aber wenig untersucht<br />

«Vermögen sind ein wichtiges, aber relativ<br />

wenig untersuchtes Rädchen im Wirtschaftssystem»,<br />

hält der Global Wealth Report fest.<br />

Weiter heisst es darin, dass das persönliche<br />

Vermögen nicht nur als Reserve für den künftigen<br />

Konsum dient, insbesondere im Ruhestand,<br />

sondern auch hilft, Schocks wie<br />

Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme<br />

und Naturkatastrophen zu verkraften. Vermögen<br />

verbessern die Chancen, unter anderem<br />

als Basis für unternehmerische Aktivitäten,<br />

entweder direkt oder in Form von Krediten.<br />

Geld – beziehungsweise ein Mangel daran –<br />

darf zweifellos als bestimmender Faktor für<br />

das Schicksal des einzelnen Menschen, aber<br />

auch ganzer Nationen angesehen werden.<br />

Der Bericht ist insofern aussergewöhnlich,<br />

als er sowohl reiche als auch arme Haushalte<br />

untersucht. Hierzu gehört die Diskrepanz zwischen<br />

den Menschen an der Spitze und jenen<br />

am Fuss der Wohlstandspyramide. Während<br />

die Bevölkerung in der unteren Hälfte der<br />

Pyramide kaum 1 Prozent der welt weiten<br />

Vermögen besitzt, hält das reichste Prozent<br />

der Weltbevölkerung 44 Prozent der persönlichen<br />

Vermögen. Gemäss den Zahlen von<br />

Mitte 20<strong>11</strong> besitzen 29,7 Millionen Erwachsene<br />

– weniger als 1 Prozent der erwachsenen<br />

Weltbevölkerung – mehr als 1 Million Dollar.<br />

Schätzungen zufolge sind 85 000 Personen<br />

über 50 Millionen Dollar reich, und 29 000<br />

verfügen über mehr als 100 Millionen. Was<br />

vermögende Privatpersonen angeht, zählt<br />

China knapp über 5000 Einwohner mit ><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


Bewegung auf der Wohlstandspyramide<br />

Die persönlichen Vermögen von 4,5 Milliarden Menschen betrugen 20<strong>11</strong> insgesamt schätzungsweise<br />

231 Billionen US­Dollar. Die Zahl der reichen Personen an der Spitze der Pyramide entspricht rund einem<br />

Prozent der Weltbevölkerung. Die gesamten Haushaltsvermögen dürften in den nächsten fünf Jahren<br />

um 50 Prozent auf 345 Billionen US­Dollar steigen; dies entspricht einem Zuwachs von 8,4 Prozent pro Jahr.<br />

Das Nettovermögen pro Erwachsenen dürfte im Jahr 2016 durchschnittlich 70 700 US­Dollar erreichen;<br />

dies entspricht einem Zuwachs von fast 40 Prozent.<br />

0.5% besitzen 38.5% 67.6% besitzen 3.3%<br />

1 000 000<br />

Vermögensbereich<br />

in US­Dollar<br />

8.2% besitzen 43.6%<br />

100 000<br />

23.6% besitzen 14.5%<br />

Prozentsatz des Gesamtvermögens,<br />

in anteilmässigem Besitz<br />

der Welt bevölkerung in Prozent.<br />

10 000<br />

345<br />

Erwartetes Wachstum<br />

in Billionen US­Dollar<br />

Gesamtvermögen<br />

2016<br />

+50 %<br />

231<br />

Gesamtvermögen<br />

20<strong>11</strong>


Economic Research 31<br />

Illustration: KircherBurkhardt GmbH/Berlin<br />

Vermögensanteile 20<strong>11</strong><br />

pro Region<br />

Einwohner<br />

in Milliarden<br />

1.526<br />

Asien-Pazifik<br />

1.339<br />

China<br />

1.2<strong>11</strong><br />

Indien<br />

1.129<br />

Afrika<br />

0.754<br />

Europa<br />

0.549<br />

Nordamerika<br />

0.469<br />

Lateinamerika<br />

Vermögensanteile<br />

in %<br />

22<br />

9<br />

2<br />

1<br />

34<br />

28<br />

4<br />

einem Vermögen von über 50 Millionen Dollar.<br />

Nur in den USA gibt es mehr sehr vermögende<br />

Private, so genannte Ultra High Net<br />

Worth Indi viduals ( UHNWI ).<br />

Das mittlere Segment der Pyramide<br />

wächst insbesondere in den Schwellenländern.<br />

Dies dürfte sich nachhaltig auf den<br />

Konsum, die Entwicklung im Finanzdienstleistungssektor<br />

und sogar auf die Politik auswirken.<br />

Knapp jeder vierte Erwachsene weltweit<br />

liegt in Sachen Vermögen im Bereich<br />

zwischen 10 000 und 100 000 Dollar. Dieses<br />

Segment wird bis 2016 schätzungsweise fast<br />

ein Drittel der erwachsenen Weltbevölkerung<br />

umfassen. In den einkommensstarken Ländern<br />

entspricht diese Bandbreite dem durchschnittlichen<br />

Vermögen einer typischen<br />

Person während des Grossteils ihres Erwachsenenlebens.<br />

In Ländern mit mittleren Einkommen<br />

wird dieses Niveau gewöhnlich von<br />

einer Person der Mittelschicht erreicht, die<br />

bis ins mittlere Lebensalter ein gewisses<br />

Vermögen angehäuft hat. In einkommensschwachen<br />

Ländern sind nur bedeutende<br />

Grundeigentümer, erfolgreiche Geschäftsleute,<br />

Fachkräfte und Ähnliche in den obersten<br />

zehn Prozent zu finden. Bemerkenswert<br />

ist auch, dass fast ein Drittel der Weltbevölkerung<br />

mit einem Vermögen zwischen 10 000<br />

und 100 000 Dollar chinesisch ist.<br />

Nach Abzug der Schulden benötigt ein Erwachsener<br />

nur gerade ein Vermögen von<br />

4200 Dollar, um der wohlhabenden Hälfte<br />

der Welt anzugehören. Die untere Pyramidenstufe<br />

der Menschen mit einem persönlichen<br />

Vermögen von bis zu 10 000 Dollar umfasst<br />

zwei von drei Erwachsenen auf der Welt<br />

(3,1 Milliarden Menschen). Ihre Vermögen<br />

belaufen sich auf insgesamt 7,6 Billionen<br />

Dollar. Aber ob sich eine Person damit reich<br />

oder arm fühlt, hängt zum Teil von ihrem<br />

Wohnort und ihren Lebensumständen ab.<br />

Mehr als 90 Prozent der Erwachsenen in<br />

Indien und Afrika befinden sich innerhalb dieser<br />

Bandbreite. In den meisten einkommensschwachen<br />

afrikanischen Ländern umfasst<br />

das Segment nahezu die gesamte Bevölkerung.<br />

Doch in manchen dieser Länder sind<br />

die Lebenskosten ebenfalls tendenziell tief.<br />

Ein Vermögen von 10 000 Dollar in Indien<br />

entspricht wegen der unterschiedlichen<br />

Kaufkraft ungefähr einem Vermögen von<br />

30 000 Dollar in den USA. In den meisten<br />

Entwicklungsländern wäre dies ein beträchtlicher<br />

Betrag, genug für einen für lokale Verhältnisse<br />

angenehmen Lebensstandard.<br />

Auch das Alter spielt eine Rolle. Das ärmere<br />

Segment beinhaltet einen hohen Anteil junger<br />

Menschen mit geringen Chancen und wenig<br />

Interesse, Vermögen anzuhäufen. Begrenzte<br />

Sachvermögenswerte, verbunden mit Kreditkartenschulden<br />

und Studentendarlehen,<br />

führen dazu, dass viele junge Menschen ein<br />

negatives Nettovermögen aufweisen. Dabei<br />

handelt es sich um eine wichtige und oft<br />

übersehene Gruppe, nicht zuletzt im Zusammenhang<br />

mit der Kreditkrise. Geringe Vermögen<br />

sind oft auch ein Merkmal älterer<br />

Personengruppen, speziell von Menschen,<br />

die gesundheitliche Probleme haben und sich<br />

hohen medizinischen Kosten gegenübersehen.<br />

Die Methoden der Vermögensprüfung<br />

zur Festlegung von öffentlichen Zuwendungen,<br />

insbesondere von Beiträgen an die<br />

Kosten von Wohnheimen, können sogar ein<br />

Anreiz zum Abbau von Vermögen sein.<br />

Schwellenländer schliessen auf<br />

In den nächsten fünf Jahren ist mit einer<br />

deutlichen Verbesserung der Position von<br />

Schwellenländern zu rechnen. Die Vermögen<br />

in China und Afrika als Ganzes dürften um<br />

über 90 Prozent steigen. Indien und Brasilien<br />

werden die persönlichen Vermögen bis 2016<br />

sogar mehr als verdoppeln. In Indien, wo die<br />

Vermögensverteilung nach unten verzerrt ist,<br />

haben sie sich seit dem Jahr 2000 nahezu<br />

vervierfacht. Auch Indonesien verzeichnete<br />

ein spektakuläres Wachstum, und in Lateinamerika<br />

beträgt das Gesamtvermögen heute<br />

rund 10,2 Billionen Dollar, gegenüber 3,3<br />

Billionen Dollar im Jahr 2000.<br />

Einige dieser Länder schliessen bei den<br />

persönlichen Vermögen rasant zu den Industrieländern<br />

auf. Chinas persönliche Vermögen<br />

betragen heute 20,1 Billionen Dollar; dies<br />

entspricht dem Stand der USA von 1968.<br />

Wenn sich die jüngsten Trends fortsetzen,<br />

könnte China bis 2016 das Vermögensniveau<br />

der USA von 1990 erreichen – ein Sprung<br />

von 22 «amerikanischen Jahren» in nur fünf<br />

Jahren. Das indische Haushaltsvermögen ist<br />

mit insgesamt 4,1 Billionen Dollar im Jahr<br />

20<strong>11</strong> mit dem Gesamtvermögen der USA<br />

von 1916 vergleichbar. Doch in den nächsten<br />

fünf Jahren dürfte sich in Indien so viel<br />

Vermögen ansammeln wie in den USA während<br />

der letzten 30 Jahre. Dies ist auf eine<br />

Zunahme des Vermögens pro Erwachsenen<br />

und auf ein deutliches Wachstum der<br />

Erwachsenenbevölkerung zurückzuführen.<br />

Auch der Fall Brasilien ist beeindruckend.<br />

Bei einer erwarteten Steigerung der Haushaltsvermögen<br />

auf 9,2 Billionen Dollar bis<br />

2016 – vergleichbar mit jenen der USA von<br />

1948 – dürfte der Vermögenszuwachs in ><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


32 Economic Research<br />

den nächsten fünf Jahren jenem der USA<br />

über einen <strong>Zeit</strong>raum von 23 Jahren (1925–<br />

1948) entsprechen.<br />

uSA bleiben weiterhin an der Spitze<br />

Mit insgesamt 58 Billionen Dollar liegen die<br />

USA bei den persönlichen Vermögen weiterhin<br />

an der Spitze. Trotz des rasanten Wachstums<br />

der persönlichen Vermögen in vielen<br />

Schwellenländern dürfte sich daran in absehbarer<br />

<strong>Zeit</strong> nichts ändern. Dem Bericht zufolge<br />

sollten «die USA mit 81 Billionen Dollar bis<br />

2016 in der Vermögensrangliste weiterhin<br />

den Spitzenplatz einnehmen». Rund ein Drittel<br />

der weltweiten Dollarmillionäre lebt heute<br />

in den USA, eine Tatsache, die insofern erstaunt,<br />

als ein hoher Anteil des persönlichen<br />

Vermögens (68 Prozent) in finanzieller Form<br />

gehalten wird. Die USA weisen eine höhere<br />

Anzahl aktiver Aktionäre auf als andere Länder.<br />

Auch ist dort die Wirtschaftsaktivität im<br />

privaten Sektor verglichen mit dem öffentlichen<br />

Sektor hoch. Und obwohl der Bericht<br />

bestätigt, dass die Haushaltsverschuldung<br />

im Verhältnis zum Einkommen in allen wichtigen<br />

Industrieländern deutlich zugenommen<br />

hat, ist die Verschuldung entgegen der landläufigen<br />

Meinung über das amerikanische<br />

Ausgabeverhalten mit 59 000 Dollar pro Erwachsenen<br />

«im internationalen Massstab<br />

nicht extrem».<br />

Hinsichtlich Haushaltsvermögen und Einkommen<br />

verfügen die USA neben Frankreich<br />

über die längste Datenreihe, sie reicht bis ins<br />

Jahr 1900 zurück. Erstaunlich ist der relativ<br />

stabile Verlauf: Seit 1900 bewegte sich das<br />

Haushaltsvermögen in den USA meistens<br />

innerhalb eines schmalen Bandes zwischen<br />

dem Vier­ und Fünffachen des verfügbaren<br />

Einkommens. Ansonsten ist über den gesamten<br />

<strong>Zeit</strong>raum kein Aufwärtstrend festzustellen:<br />

Das Verhältnis zwischen Vermögen<br />

und Einkommen in den letzten beiden Jahren,<br />

für die Daten verfügbar sind (4,8 von 2008<br />

Anzeige<br />

Der Reichtum<br />

der Dritten Welt<br />

Armut bekämpfen –<br />

Weltweiten Wohlstand<br />

fördern – Würde bewahren<br />

Autor: C.K. Prahalad,<br />

2006, FinanzBuch Verlag,<br />

ISBN 3­89879­146­7<br />

Perspectives on<br />

Growth and Poverty<br />

Autoren: Rolph Van<br />

der Hoeven und Anthony<br />

Shorrocks, 2003,<br />

United Nations<br />

University Press<br />

ISBN 9­2808­109­1X<br />

bis 2009), entspricht fast genau dem Wert<br />

von einem Jahrhundert zuvor (4,7 von 1908<br />

bis 1909).<br />

In Japan, das bei den persönlichen Vermögen<br />

Platz zwei einnimmt, beträgt der Bevölkerungsanteil<br />

mit Vermögen von über<br />

100 000 Dollar beinahe das Siebenfache des<br />

weltweiten Durchschnitts. Doch dem Bericht<br />

zufolge weist das Land über die letzten Jahre<br />

von allen führenden Volkswirtschaften «die<br />

am wenigsten beeindruckende Vermögensbilanz»<br />

auf. In US­Dollar gerechnet, liegt das<br />

Durchschnittsvermögen heute zwar höher,<br />

aber in Yen sind die japanischen Vermögen<br />

um rund zehn Prozent zurückgegangen. Ein<br />

wichtiger Grund hierfür sind die rückläufigen<br />

Grundstückpreise. Nach einer Phase mit explosivem<br />

Vermögenswachstum, verbunden<br />

mit steigenden Grundstückpreisen, fielen die<br />

Immobilienpreise während drei Jahrzehnten.<br />

Hinter Japan, aber vor Frankreich weist<br />

China heute insgesamt das dritthöchste<br />

Haushaltseinkommen auf. Es ist im Begriff<br />

aufzuschliessen und dürfte Japan mit einer<br />

Aufstockung des weltweiten Vermögensbestandes<br />

von 18 Billionen Dollar in den nächsten<br />

fünf Jahren überholen. Bis 2016 könnte<br />

China ein Haushaltsvermögen von total<br />

39 Billionen Dollar erreichen, während es in<br />

Japan nur auf 31 Billionen ansteigen wird.<br />

Derweil liegt die durchschnittliche persönliche<br />

Verschuldung in China bei bescheidenen<br />

630 Dollar pro Erwachsenen. Ein privatisierter<br />

Wohnungsmarkt, neue Bauvorhaben und<br />

Landwirtschaftsfläche tragen massgeblich<br />

zu Chinas Wohlstand bei.<br />

Vermögensanhäufung unterschiedliche<br />

Trends auf. Frankreichs Einwohner, die nur<br />

1,1 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen,<br />

konnten ihren Anteil am Gesamtvermögen in<br />

den letzten zehn Jahren auf neun Prozent<br />

verdoppeln. In Frankreich leben heute mehr<br />

Millionäre als in jedem anderen europäischen<br />

Land. Dies ist teilweise auf Wertsteigerungen<br />

bei Immobilien zurückzuführen, die in<br />

Frankreich aktuell zwei Drittel des Haushaltsvermögens<br />

ausmachen. Frankreichs persönliche<br />

Vermögen belaufen sich auf total 20,1<br />

Billionen Dollar, dicht gefolgt von Deutschland<br />

mit 19,6 Billionen Dollar. Deutschland<br />

hat allerdings einen höheren Anteil an Personen,<br />

die über der 50­Millionen­Dollar­Marke<br />

liegen, und sowohl Deutschland als auch<br />

Grossbritannien rangieren höher bezogen auf<br />

Personen mit mehr als 100 Millionen Dollar.<br />

«Volle 1,8 Prozent des obersten Prozents<br />

vermögender Personen der Welt sind<br />

Schweizer», heisst es im Bericht – bemerkenswert<br />

für ein Land, in dem nur 0,1 Prozent<br />

der Weltbevölkerung leben. Die Schweiz<br />

ist «das erste und einzige Land mit einem<br />

Vermögen von über 500 000 Dollar pro Erwachsenen».<br />

Allerdings: «Fast die gesamte<br />

Vermögenszunahme seit dem Jahr 2000 ist<br />

auf die Aufwertung des Schweizer Frankens<br />

gegenüber dem US­Dollar zurückzuführen.»<br />

Ein Grossteil der Vermögen in der Schweiz<br />

wird in Finanzwerten gehalten (59 Prozent).<br />

Es mag vielleicht überraschen, dass die durchschnittliche<br />

Verschuldung in der Schweiz<br />

131 000 Dollar pro Erwachsenen beträgt,<br />

«einer der höchsten Werte weltweit» – darin<br />

spiegelt sich jedoch ebenfalls die Stärke<br />

des Schweizer Frankens.<br />

Auch Singapurs Vermögen sind seit der<br />

Jahrtausendwende stetig angewachsen. Das<br />

Haushaltsvermögen stieg von 100 000 auf<br />

285 000 Dollar pro Erwachsenen. Damit belegt<br />

Singapur den sechsten Rang. Bemerkenswerterweise<br />

zeigt Singapurs Vermögens verteilung<br />

nur eine mässige Ungleichheit.<br />

Michael O’Sullivan<br />

Head of Portfolio Strategy & Thematic Research, Credit Suisse<br />

Frankreichs hohe Vermögenssteigerung<br />

Selbst die reichsten Länder in Nordamerika,<br />

Westeuropa, der Region Asien­Pazifik und<br />

im Mittleren Osten weisen in der privaten<br />

Alle Informationen basieren auf dem Global Wealth Report<br />

20<strong>11</strong> der Credit Suisse, verfasst von den Professoren Anthony<br />

Shorrocks, Jim Davies und Rodrigo Lluberas sowie von Michael<br />

O’Sullivan, Head of Portfolio Strategy & Thematic Research,<br />

Credit Suisse, und Richard Kersley, Head of Global Research<br />

Product, Investment Banking Research, Credit Suisse.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Economic Research 33<br />

Anlagestrategien<br />

«Der <strong>Zeit</strong>horizont<br />

entscheidet»<br />

Andreas Russenberger, Leiter Global MACS (Multi Asset Class Solutions) Mandates and<br />

Funds der Credit Suisse, erklärt die Rolle des Faktors <strong>Zeit</strong> bei Anlageentscheidungen.<br />

Foto: Rainer Wolfsberger<br />

<strong>bulletin</strong>: Welche Rolle spielt <strong>Zeit</strong> für einen Portfoliomanager?<br />

Andreas Russenberger: Rund ums Thema <strong>Zeit</strong> gibt es verschiedene<br />

Aspekte zu berücksichtigen. Ganz zentral ist für uns die richtige Wahl<br />

des <strong>Zeit</strong>horizonts. Aus Kundensicht gibt es die einfache Formel:<br />

Je risikoreicher die getätigte Anlage ist, desto grösser sollte der <strong>Zeit</strong>horizont<br />

sein. Dieser Grundsatz ist auch für die Beratung ganz wichtig.<br />

Wie lange kann und will der Kunde sein Geld anlegen? Plant der<br />

Kunde zum Beispiel in einem Jahr ein Haus zu bauen, dann sollte<br />

man das entsprechende Geld nicht in ein Aktienportfolio anlegen.<br />

Vielleicht fallen genau in diesem Jahr die Aktienkurse um 30 Prozent,<br />

und der Kunde kann sich sein Haus im Moment nicht mehr leisten.<br />

Noch einmal: Die Frage des <strong>Zeit</strong>horizonts ist enorm wichtig.<br />

Dann sind Aktien also vor allem etwas für Leute<br />

mit einem langen <strong>Zeit</strong>horizont?<br />

Aktienmärkte entwickeln sich in der Regel nach bestimmten Zyklen,<br />

die es teilweise auszustehen gilt. Wir gehen aber davon aus, dass<br />

sich das erhöhte Risiko von Aktien langfristig auszahlt. Wer seine<br />

Aktien in den 1970er­Jahren gekauft hat, der sollte selbst die<br />

Einbrüche in diesem Sommer gut wegstecken können.<br />

Doch nicht alle Kunden haben so viel <strong>Zeit</strong>.<br />

Das ist natürlich so. Es gibt Kunden, die bewusst nicht warten<br />

wollen und sehr kurzfristig in Aktien investieren. Dann ist es aber<br />

weniger eine Investition als eine Spekulation. Doch auch solche<br />

Spekulationen können ihre Berechtigung haben. Allerdings stellt sich<br />

dort die Frage, welchen Anteil sie im gesamten Investment ausmachen<br />

sollen. Wenn jemand mit einem Prozent seines Anlagevermögens<br />

kurzfristig spekulieren will und Casino­like in einwöchige<br />

Optionen einsteigt, dann geht es da vor allem um den Nervenkitzel.<br />

Mit professionellem Portfoliomanagement hat das aber nichts zu tun.<br />

Das macht also das Portfoliomanagement per Definition<br />

zu einem langfristigen Investitionsvehikel?<br />

Wir arbeiten mit verschiedenen <strong>Zeit</strong>horizonten. Die Grundstrategie,<br />

die die Anteile und Ausrichtungen der verschiedenen Anlageklassen<br />

und Währungen eines Portfolios definiert, wird auf mehrere Jahre<br />

hinaus festgelegt. Diese Strategie ist also langfristig. Daneben machen<br />

wir aber auch so genannte taktische Calls. Diese Taktik orientiert<br />

sich an einem <strong>Zeit</strong>raum von drei bis sechs Monaten.<br />

und was bedeutet das in der Praxis?<br />

Strategisch mag die Grösse des Aktienpakets auf zehn Jahre ausgerichtet<br />

sein, doch je nach aktuellen Entwicklungen können die<br />

Aktien als Position in den nächsten drei bis sechs Monaten stärker<br />

über­ oder untergewichtet werden. Mit diesem Horizont lassen sich<br />

gewisse Prognosen zur Wirtschaft machen, die dann über taktische<br />

Calls zur Optimierung der langfristigen Strategie beitragen, indem<br />

man kurzfristig Risiken rausnimmt oder auf der anderen Seite gezielt<br />

Chancen nutzt.<br />

und wie sieht es mit ganz kurzfristigen Aktionen aus?<br />

Die kann es tatsächlich auch geben. Gibt zum Beispiel eine Firma<br />

eine Gewinnwarnung heraus, wird teilweise sehr kurzfristig darüber<br />

entschieden, wie gravierend die Situation wirklich ist und ob man<br />

reagieren sollte.<br />

Wie organisieren Sie das Abdecken der verschiedenen<br />

<strong>Zeit</strong>horizonte innerhalb Ihres Teams?<br />

Die langfristige Strategie wird zusammen mit den Analysten der<br />

Research­Abteilung des Private Banking festgelegt. Von dort kommen<br />

ja auch viele unserer Kunden. Zusammen definieren wir Musterportfolios<br />

für typische Privatkunden. Diese sind je nachdem eher<br />

konservativ, ausgewogen oder dynamisch auf fünf, sechs Jahre<br />

ausgelegt. Das sehe ich aber eher als Projektarbeit. Dann gibt es<br />

das Investment­Komitee, in dem Anlagestrategen aus den verschiedensten<br />

Anlagebereichen sitzen. Dieses Komitee macht vor allem die<br />

taktischen Calls, indem es zum Beispiel den Anteil an Aktien mittelfristig<br />

von 40 auf 36 Prozent heruntersetzt oder auf 44 Prozent<br />

anhebt. Und erst dann kommen die eigentlichen Portfoliomanager,<br />

«Wir sind keine Tageshändler. Wir kaufen<br />

und verkaufen nicht am gleichen<br />

Tag, nur weil die Kurse etwas steigen<br />

oder fallen.» Andreas Russenberger<br />

die diese verschiedenen Auflagen konkret umsetzen müssen. Diese<br />

entscheiden also nicht, wie gross der Anteil an Aktien im Portfolio<br />

sein muss, aber dafür, welche Aktien drin sind. Und das ist ein enorm<br />

dynamisches Geschäft. Natürlich sind wir in diesem Bereich aus<br />

Kostengründen daran interessiert, möglichst wenige Transaktionen<br />

zu tätigen. Doch wenn es irgendwelche Downgradings oder Gewinnwarnungen<br />

gibt, dann muss der Portfoliomanager schnell reagieren<br />

können. Aber hier gilt es nochmals ganz klar festzuhalten: Wir sind<br />

keine Tageshändler. Wir kaufen und verkaufen nicht am gleichen Tag<br />

die gleichen Aktien, nur weil die Kurse etwas steigen oder fallen.<br />

Das ist nicht unser Geschäft. Wir wollen Titel, die dem Kunden über<br />

mehrere Zyklen hinaus einen Mehrwert verschaffen. Daniel Huber<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


34 Economic Research<br />

Anlagestrategie<br />

Verkraften die<br />

Schwellenländer eine Krise?<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer längeren Phase mit unterdurchschnittlichem Wachstum ist<br />

sowohl in den uSA als auch in Europa in den letzten Monaten stark gestiegen. Historisch<br />

hatte ein Wachstumsabschwung in den Industrienationen einen deutlich negativen<br />

Effekt auf die Schwellenländer. 2008 und 2009 konnten sich die meisten Schwellenländer<br />

jedoch dagegenstemmen. Kann dies wiederholt werden?<br />

Auf den ersten Blick scheinen verschiedene<br />

Gründe dafür zu sprechen, dass dieselben<br />

Strategien bei einem nächsten Mal nicht unbedingt<br />

wieder denselben Erfolg garantieren:<br />

Die westlichen Länder können ihre Geldpolitik<br />

nicht mehr wesentlich expansiver gestalten.<br />

Auch vom Wirtschaftswachstum in den<br />

Industrieländern und von den Konsumenten<br />

in den USA dürften kaum Impulse für das<br />

Exportgeschäft der Schwellenländer ausgehen.<br />

Schliesslich steht der Inflationsdruck in<br />

den meisten Schwellenländern offensiven<br />

Massnahmen im Weg.<br />

Die Schwellenländer haben jedoch weiterhin<br />

einen gewissen Spielraum, um ihre<br />

antizyklische Politik fortzusetzen. Noch mehr<br />

Wirkung verspricht die Neuausrichtung vieler<br />

grösserer Schwellenländer von den Exporten<br />

auf den Binnenkonsum als Reaktion auf weniger<br />

kaufkräftige westliche Konsumenten.<br />

Nach unserer Auffassung wird dieser neue<br />

Fokus in den Schwellenländern auch zu wesentlichen<br />

Änderungen in der Währungspolitik<br />

führen.<br />

Kurzfristige antizyklische Massnahmen<br />

Die Reaktion der meisten Schwellenländer<br />

auf die Finanzkrise von 2008 bestand nach<br />

unserem Dafürhalten in erster Linie in einer<br />

ausgeprägt antizyklischen Fiskal­ und Geldpolitik,<br />

insbesondere in Asien. Ergänzt wurden<br />

die fiskalpolitischen Impulse durch substanzielle<br />

Zinssenkungen in den meisten<br />

Ländern mit Ausnahme von Osteuropa.<br />

Aber wie gut sind die meisten Schwellenländer<br />

in der Lage, angesichts der neuen,<br />

von Europa ausgehenden Krise ihre fiskalpolitischen<br />

Anstrengungen von 2008/09 zu<br />

wiederholen?<br />

Wir erachten die vom Maastricht­Abkommen<br />

vorgeschriebene Verschuldungsobergrenze<br />

von 60 Prozent als eine zuverlässige<br />

Basis für unsere Analyse. Wie in Abbildung 1<br />

ersichtlich ist, liegt das Verhältnis zwischen<br />

Staatsverschuldung und BIP heute für die<br />

meisten Schwellenländer unter diesem wichtigen<br />

Maastricht­Kriterium – eine bemerkenswerte<br />

Entwicklung, namentlich für die<br />

Länder Lateinamerikas.<br />

Sowohl das Verhältnis zwischen Staatsverschuldung<br />

und BIP als auch der Umfang<br />

der aktuellen Haushaltsdefizite sprechen dafür,<br />

dass die meisten Schwellenländer Spielraum<br />

für eine antizyklische Fiskalpolitik haben,<br />

wenn auch mit gewichtigen Ausnahmen,<br />

namentlich Indien, aber auch Brasilien. Das<br />

südamerikanische Land hat erneut angekündigt,<br />

dass es den für das laufende Jahr<br />

geplanten primären Haushaltsüberschuss erreichen<br />

will, was die Möglichkeiten für ausserordentliche<br />

Staatsausgaben beschränkt.<br />

Bei der Gewichtung von fiskal­ und geldpolitischen<br />

Massnahmen in der Region ist in<br />

unseren Augen ein Muster zu erkennen. Wir<br />

gehen davon aus, dass die lateinamerikanischen<br />

Länder und insbesondere Brasilien<br />

Abbildung 1<br />

Die meisten Schwellenländer weisen heute gesunde Bilanzen auf<br />

Die in Maastricht festgelegte Verschuldungsobergrenze stellt für die meisten Schwellenländer kein<br />

Problem dar. Eine bemerkenswerte Leistung. Quelle: Moody’s und Credit Suisse, Emerging Market Quarterly, Juni 20<strong>11</strong><br />

BIP in<br />

Prozent<br />

10<br />

Schwellenländer Asien<br />

Europa, Naher Osten und Afrika<br />

Lateinamerika<br />

5<br />

0<br />

– 5<br />

– 10<br />

–4.4 –3.3 –1.9 –0.9 –0.6 –0.3 0.2 0.3 0.8 0.9 4.1<br />

1.0<br />

–0.4 –0.1 –0.1<br />

–5.9 –5.2 –4.9 –4.1 –3.6 –3.3 –3.1 –2.7<br />

1.9<br />

5.8<br />

–3.6<br />

–0.9<br />

0.0 0.0 0.8 0.8 1.7 2.8<br />

Vietnam<br />

Malaysia<br />

Indien<br />

China<br />

Taiwan<br />

Singapur<br />

Philippinen<br />

Thailand<br />

Korea<br />

Indonesien<br />

Hongkong<br />

Nigeria<br />

Polen<br />

Rumänien<br />

Ukraine<br />

Russland<br />

Tschechische Rep.<br />

Ägypten<br />

Südafrika<br />

Türkei<br />

Israel<br />

Ungarn<br />

Saudi-Arabien<br />

Kasachstan<br />

Ver. Arabische Emirate<br />

Venezuela<br />

Mexiko<br />

Chile<br />

Kolumbien<br />

Panama<br />

Peru<br />

Argentinien<br />

Brasilien<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Economic Research 35<br />

Abbildung 2<br />

Schwellenländer mit «teuren» Währungen werden Verlangsamungen<br />

der Konjunktur eher geldpolitisch bekämpfen<br />

Die lateinamerikanischen Schwellenländer mit ihren «teuren» Währungen dürften die Krise<br />

wohl anders bekämpfen als die asiatischen. Credit Suisse, Emerging Market Quarterly, September 20<strong>11</strong><br />

Prozentuale Abweichung vom fairen Wert bezüglich des realen effektiven Wechselkurses (REER)<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

«teuer»<br />

Brasilien<br />

Ägypten<br />

Venezuela<br />

Kolumbien<br />

Philippinen<br />

schechische Rep.<br />

Russland<br />

Singapur<br />

Argentinien<br />

Indonesien<br />

Israel<br />

Thailand<br />

Nigeria<br />

Ungarn<br />

Chile<br />

Türkei<br />

Rumänien<br />

Kasachstan<br />

Südafrika<br />

Saudi-Arabien<br />

Ukraine<br />

Malaysia<br />

Indien<br />

China<br />

Mexiko<br />

Korea<br />

Peru<br />

Taiwan<br />

Polen<br />

Hongkong<br />

T<br />

Abbildung 3<br />

Die Konsumausgaben in den Schwellenländern zeigen stetig nach oben<br />

In den letzten Jahren nimmt der Konsum in den Schwellenländern kontinuierlich zu,<br />

seit 2004 noch ausgeprägter. Dieser Trend dürfte sich noch verstärken. Quelle: Credit Suisse<br />

Weltweiter Konsum in Prozent<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

USA<br />

«billig»<br />

tegie taugt. Sie haben den Fokus deshalb<br />

stärker auf den Binnenkonsum gelegt.<br />

Dieser Trend ist bereits sichtbar. Das Konsumwachstum<br />

in den Schwellenländern zeigt<br />

seit 2000 kontinuierlich nach oben. Seit<br />

2004 verläuft diese Kurve noch steiler.<br />

Dieser Strategiewechsel wirft verschiedene<br />

Fragen auf. Erstens vollzieht sich ein solcher<br />

struktureller Prozess langsam, weshalb<br />

die Auswirkungen erst mit der <strong>Zeit</strong> spürbar<br />

werden. Zweitens dürfte dadurch die Wachstumsrate<br />

steigen, die hier als Rate definiert<br />

ist, mit der die Schlüsselbereiche der Wirtschaft<br />

expandieren, unter anderem Reallöhne<br />

und Konsum. Ein solches Wachstum<br />

schürt jedoch auch die Inflation. Der Grossteil<br />

des Wirtschaftswachstums geht denn<br />

in allen drei grossen Wirtschaftsregionen<br />

bisher auch eher von der Inflation aus als von<br />

einer nominellen Währungsaufwertung.<br />

Die Wirtschaftsexpansion in den Schwe l­<br />

lenländern wird sich fortsetzen, doch nach<br />

unserem Dafürhalten sollte sich die Basis<br />

dieses Wachstums verändern. Ein weitaus<br />

grösserer Teil des Wirtschaftswachstums<br />

in den Schwellenländern wird wohl eher von<br />

den nominellen Wechselkursen als von der<br />

Inflation ausgehen.<br />

20<br />

Schwellenländer<br />

Fazit<br />

Foto: Martin Stollenwerk<br />

15<br />

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010<br />

Folgen der globalen Verlangsamung für die<br />

Schwellenländer wohl aufgefangen werden<br />

können, lösen sie die strukturelle Frage, wie<br />

das Wachstumstempo angesichts der strukturellen<br />

Probleme des Westens gehalten<br />

werden soll, noch nicht.<br />

Die meisten aufstrebenden Länder und<br />

insbesondere China haben realisiert, dass<br />

eine exportbasierte Industrialisierung nicht<br />

mehr länger als alleinige Wachstumsstraeine<br />

Wachstumsverlangsamung in erster Linie<br />

mit einer Senkung der Zinssätze bekämpfen<br />

werden. Ausserdem leiden die meisten<br />

dieser Länder unter strukturellen Ausgabenproblemen<br />

und Währungen, die in Anbetracht<br />

des realen effektiven Wechselkurses<br />

(REER) überbewertet sind (Abbildung 2). Deshalb<br />

haben sowohl Brasilien als auch die Türkei<br />

bereits mit Ankündigungen von Zinssenkungen<br />

auf den Abschwung reagiert.<br />

Die asiatischen Länder mit Ausnahme von<br />

Japan dürften dagegen einer Abkühlung eher<br />

mit fiskalpolitischen Massnahmen begegnen.<br />

Zwar könnten viele Zentralbanken in Asien<br />

die geldpolitischen Zügel ebenfalls lockern,<br />

sie sind dazu aber nicht gezwungen: Ihre<br />

Währungen sind auf REER­Grundlage bereits<br />

«günstig», und die Inflation ist unserer Ansicht<br />

nach noch nicht definitiv unter Kontrolle.<br />

Ist das Wachstumstempo zu halten?<br />

Während mit antizyklischen geld­ und fiskalpolitischen<br />

Massnahmen die unmittelbaren<br />

«Längerfristig verlagern die<br />

Schwellenländer den Fokus<br />

von den Exporten zu einer<br />

Ankurbelung des Binnenkonsums.»<br />

Adrian Zürcher<br />

Wir sind der Auffassung, dass viele Schwellenländer<br />

auf die aktuelle Konjunkturverlangsamung<br />

wie nach der Finanzkrise von 2008<br />

mit einer antizyklischen Wirtschaftspolitik reagieren<br />

werden. Die Reaktion dürfte diesmal<br />

allerdings schwächer ausfallen, da viele dieser<br />

Länder mit deutlich höheren Teuerungsraten<br />

konfrontiert sind.<br />

Kurzfristig erwarten wir von den asiatischen<br />

Ländern die einschneidendsten fiskalpolitischen<br />

Massnahmen. Längerfristig dürften<br />

die meisten Schwellenländer ihren Fokus<br />

weg von den Exporten hin zu einer Ankurbelung<br />

des Binnenkonsums verlagern. Dieser<br />

Strategiewechsel wird voraussichtlich auch<br />

mit grundlegenden Änderungen in der Währungspolitik<br />

einhergehen. Wir gehen davon<br />

aus, dass die meisten Schwellenländer eine<br />

stärkere nominelle Währungsaufwertung<br />

zulassen werden, um der Realwirtschaft ein<br />

Wachstum ohne übermässigen Anstieg des<br />

Inflationsdrucks zu ermöglichen.<br />

Adrian Zürcher, Emerging Market and Equity Strategist,<br />

Bunt Ghosh, Head of Emerging Market Strategy and Risk,<br />

Anja Hochberg, Head of Investment Strategy<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


36 Economic Research<br />

Lebenserwartung und Rentenalter<br />

Diskussionen um das<br />

gesetzliche Rentenalter<br />

Bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 lag die Lebenserwartung der Eintrittsgeneration<br />

bei den Männern mit 46 und bei den Frauen mit knapp 50 Jahren deutlich unter dem<br />

vorgesehenen Rentenalter. Mittlerweile hat der dritte Lebensabschnitt ein immer grösseres<br />

Gewicht innerhalb des gesamten Lebenslaufs gewonnen und damit die umlagefinanzierte<br />

AHV zunehmend unter Druck gesetzt.<br />

Schule, Arbeit, Pensionierung. Die Dreiteilung<br />

des Lebens in die Phasen der Vorbereitung<br />

und Ausbildung, der aktiven Erwerbsarbeit<br />

und des Ruhestandes wird heute kaum<br />

noch in Frage gestellt. Heute denkt niemand<br />

daran, dass es eigentlich nicht immer so gewesen<br />

ist. Der Ruhestand als allgemein anerkannte<br />

Lebensphase ist ein historisch junges<br />

Phänomen, das auf die Schaffung und<br />

den Ausbau der Alterssicherungssysteme zurückzuführen<br />

ist. Lebenslange Arbeit ist in<br />

der Geschichte der Länder Mittel­ und Westeuropas<br />

für die Mehrheit der Bevölkerung<br />

allzeit ein Muss und eine Selbstverständlichkeit<br />

gewesen. Ein arbeitsfreier Lebensabend<br />

gehörte nie zur Kultur der Mehrzahl der Menschen.<br />

Erst die Einführung der Altersversicherungssysteme,<br />

die im Zuge des Strukturwandels<br />

von Wirtschaft und Gesellschaft im<br />

20. Jahrhundert zur Notwendigkeit wurde,<br />

brachte in Form des gesetzlichen Rentenalters<br />

eine neue Orientierungsmarke im Lebenslaufschema.<br />

Erst dadurch entwickelte<br />

sich der Ruhestand zu einem selbstverständlichen<br />

Teil der Biografie jedes einzelnen<br />

I ndividuums.<br />

Als die Alters­ und Hinterlassenenversicherung<br />

(AHV) 1948 in der Schweiz einge­<br />

Abbildung 1<br />

Im Jahr 2040 kommen auf einen Rentner nur noch zwei Erwerbstätige<br />

Der Altersquotient gibt das Verhältnis der über 64­Jährigen zu den 20­ bis 64­Jährigen in<br />

Prozent an. Das Äquivalenzrentenalter ist das Rentenalter, das den Wert des Altersquotienten<br />

auf dem Niveau von 2010 konstant hält: Angesagt wären im Jahr 2040 also 73 Jahre.<br />

Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />

in %<br />

85<br />

75<br />

65<br />

55<br />

45<br />

35<br />

25<br />

Bevölkerung Schweizer Nationalität<br />

Erwerbsbevölkerung Schweizer Nationalität<br />

Äquivalenzrentenalter (rechte Skala)<br />

Gesamtbevölkerung<br />

Erwerbsbevölkerung<br />

Alter in Jahren<br />

100<br />

65 68 70 73<br />

2010<br />

2012<br />

2014<br />

2016<br />

2018<br />

2020<br />

2022<br />

2024<br />

2026<br />

2028<br />

2030<br />

2032<br />

2034<br />

2036<br />

2038<br />

2040<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

«Ein starres Rentenalter<br />

entspricht nicht mehr dem<br />

heutigen und dem<br />

zu künftigen Lebensmuster.»<br />

Sara Carnazzi Weber, Economic Research<br />

führt wurde, konnte die Mehrheit der Bevölkerung<br />

das vorgesehene Rentenalter von 65<br />

Jahren gar nie erreichen. Für die Generationen,<br />

die zuerst der AHV beitraten, betrug die Lebensdauer<br />

bei den Männern im Durchschnitt<br />

46 Jahre und bei den Frauen 49,9 Jahre. Inzwischen<br />

hat sich die Lebenserwartung markant<br />

erhöht, ohne dass sich dies im gesetzlichen<br />

Rentenalter niedergeschlagen hätte. In<br />

der Schweiz beträgt heute die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung bei Geburt 80,1 Jahre<br />

für Männer und 84,5 Jahre für Frauen. Im<br />

Alter von 65 Jahren steht einem Mann statistisch<br />

noch eine Restlebenser wartung von 17,1<br />

Jahren bevor, einer Frau eine von 20,9 Jahren.<br />

Im Zuge der medizinischen Fortschritte, die<br />

eine immer längere Lebensdauer ermöglicht<br />

haben, hat die Ruhestandsphase im Laufe<br />

der <strong>Zeit</strong> ein immer grösseres Gewicht innerhalb<br />

des gesamten Lebenslaufs gewonnen.<br />

Machten die Jahre im Ruhestand für einen<br />

Mann der Gene ration 1880 im Durchschnitt<br />

<strong>11</strong>,3 Prozent des ganzen Lebenslaufs aus, ist<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Economic Research 37<br />

Foto: Martin Stollenwerk<br />

dieser Anteil für die Generation 1980 auf 23,6<br />

Prozent gestiegen.<br />

Altersvorsorge am Scheideweg<br />

Der im Zuge sinkender Geburtenraten und<br />

steigender Lebenserwartung voranschreitende<br />

Alterungsprozess der Bevölkerung<br />

setzt das Gleichgewicht zwischen den Generationen,<br />

auf dem die umlagefinanzierte<br />

AHV in der Schweiz beruht, zunehmend unter<br />

Druck. Einige Zahlen genügen, um die Tragweite<br />

des Prozesses für dieses System zu<br />

verdeutlichen. Der Altersquotient, der das<br />

Verhältnis der über 64­Jährigen zur Bevölkerung<br />

im erwerbsfähigen Alter zwischen 20<br />

und 64 Jahren ausdrückt, wird sich von heutigen<br />

27 auf 50 Prozent im Jahr 2040 erhöhen<br />

(Abbildung 1). Das bedeutet, dass sich<br />

die Anzahl Aktive pro Rentner von 3,7 auf 2<br />

reduzieren wird. Am Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

betrug dieses Verhältnis noch 9,2 :1,<br />

zum <strong>Zeit</strong>punkt der Einführung der AHV 6,5:1.<br />

Ohne die verjüngende Wirkung der Zuwanderung<br />

würde die Alterung in der Schweiz noch<br />

schneller voranschreiten. Die Bevölkerung<br />

schweizerischer Nationalität weist bereits<br />

heute einen deutlich höheren Alterungsgrad<br />

auf als der Durchschnitt der Gesamtbe völkerung.<br />

Bis ins Jahr 2040 wird der Altersquotient<br />

der Schweizer von 32,6 auf 64,7<br />

Prozent ansteigen beziehungsweise die Anzahl<br />

Aktive pro Rentner von 3 auf 1,5 sinken.<br />

Einen noch aussagekräftigeren Einblick in<br />

die zunehmende Gleichgewichtsverzerrung<br />

im umlagefinanzierten System der AHV liefert<br />

eine Betrachtung eines Altersquotienten, bei<br />

dem die rentenberechtigten Personen nicht<br />

zur Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 20<br />

und 64 Jahren, sondern zur Erwerbsbevölkerung<br />

in Beziehung gesetzt werden. Mit drei<br />

Viertel der gesamten Beitragssumme ist es<br />

die Erwerbsbevölkerung, die den grössten<br />

Teil der finanziellen Last im Rahmen der AHV<br />

trägt. Wählt man diese Perspektive, wird das<br />

Verhältnis von 2 Aktiven für einen Rentner<br />

bereits im Jahr 2030 erreicht. Bis 2040<br />

kommen dann nur noch 1,6 Aktive für einen<br />

Rentner auf. Im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte<br />

wird aufgrund der demografischen<br />

Alterung nicht nur die Anzahl rentenberechtigter<br />

Personen zunehmen, sondern auch die<br />

Erwerbsbevölkerung schrumpfen, was das<br />

Verhältnis zusätzlich verschlechtert.<br />

Wenn man das Verhältnis zwischen erwerbsfähiger<br />

und rentenberechtigter Bevölkerung<br />

in den kommenden Jahrzehnten auf<br />

dem heutigen Niveau konstant halten wollte,<br />

müsste das Rentenalter bis ins Jahr 2040<br />

AHV gerät bald aus dem finanziellen Gleichgewicht<br />

Gemäss den jüngsten Szenarien zur finanziellen Entwicklung<br />

der AHV, die im Mai vom Bundesamt für Sozialversicherungen<br />

vorgestellt worden sind, wird der Ausgleichsfonds der AHV<br />

ab etwa 2020 zu schmelzen beginnen. Die Resultate aus der<br />

Versicherungstätigkeit der AHV werden bereits in den nächsten<br />

Jahren defizitär sein, und das kumulierte Defizit wird bis 2020<br />

eine Grössenordnung erreichen, die nicht mehr durch den<br />

An lageerfolg aus dem Fondsvermögen aufgefangen werden<br />

kann. Bis etwa 2025 wird die Liquidität des Ausgleichsfonds<br />

voraussichtlich unter die Grenze von 50 Prozent einer<br />

Jahresausgabe sinken.<br />

Die jährliche Finanzierungslücke wird 4,5 Milliarden Franken<br />

betragen, was einem Ertragspotenzial von einem Lohn -<br />

summenprozent oder 1,3 Mehrwertsteuerprozenten entspricht.<br />

Bis 2030 wird die Finanzierungslücke die Grössenordnung<br />

von 8,5 Milliarden pro Jahr erreichen, was einem Ertragspotenzial<br />

von 1,9 Lohnsummenprozenten oder 2,4 Mehrwertsteuerprozenten<br />

gleichkommt.<br />

Als Ausgleich müsste das Rentenalter für Frauen und Männer<br />

um drei Jahre erhöht werden. Diese Entwicklungen ergeben<br />

sich aus dem mittleren Szenario des Bundesamts für Sozialversicherungen,<br />

das bereits von einer erhöhten Zuwanderung<br />

ausgeht. Neu wird ein Wanderungssaldo unterstellt, der sich<br />

im Jahr 2030 bei rund 40 000 Personen einpendeln und damit<br />

die heutige Realität der Wanderungsbewegungen besser<br />

abbilden wird. Ebenfalls mit einem stärkeren Gewicht berücksichtigt<br />

ist der laufende Strukturwandel der Wirtschaft, der<br />

zu neuen und besser bezahlten Stellen führt. unabhängig von<br />

der Anpassung dieser Faktoren, das Fazit bleibt das gleiche:<br />

Ohne Gegenmassnahmen ist das finanzielle Gleichgewicht der<br />

AHV nicht zu halten.<br />

auf 73 Jahre angehoben werden. Dieses so<br />

genannte Äquivalenzrentenalter stellt lediglich<br />

ein Gedankenspiel dar, es verdeutlicht<br />

jedoch den Reformbedarf der umlagefinanzierten<br />

Altersvorsorge und wie sich die Rahmenbedingungen<br />

für das Setzen des Rentenalters<br />

im Vergleich zur Vergangenheit geändert<br />

haben. Der zunehmenden Belastung der<br />

aktiven Generationen durch die wachsende<br />

Anzahl Rentner kann beim Umlageverfahren<br />

letztlich und nachhaltig nur durch eine Veränderung<br />

des zahlenmässigen Verhältnisses<br />

zwischen Rentenberechtigten und Beitragszahlern<br />

entgegengewirkt werden.<br />

Ist die Dreiteilung des Lebens überholt?<br />

Eine Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters<br />

würde über eine Veränderung dieses<br />

Verhältnisses zwischen beitragszahlender<br />

und rentenberechtigter Bevölkerung der umlagefinanzierten<br />

Altersvorsorge eine finanzielle<br />

Entlastung bringen. Ist aber ein starres<br />

Rentenalter überhaupt noch angemessen?<br />

Entspricht eine solche Regelung noch den<br />

heutigen und vor allem den zukünftigen Lebensmustern?<br />

Per Ende September dieses<br />

Jahres hat Grossbritannien das gesetzliche<br />

Rentenalter ersatzlos abgeschafft. Die Briten<br />

können künftig frei entscheiden, wie lange<br />

sie arbeiten. Bisher führte das Erreichen<br />

der gesetzlichen Altersgrenze in der Regel<br />

automatisch zum Ausscheiden aus dem Betrieb.<br />

Weiterhin bestehen wird ein Mindestalter<br />

für den Bezug einer staatlichen Rente,<br />

das für Männer und Frauen auf 66 Jahre erhöht<br />

wird.<br />

Ein flexibler Austritt aus dem Erwerbsleben<br />

in der Schweiz ist heute schon Re alität,<br />

auch auf gesetzlicher Stufe. Im Vordergrund<br />

stand bisher jedoch vor allem der vorzeitige ><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


38 Economic Research<br />

Rücktritt. In der AHV ist der Rentenvorbezug<br />

zwar erst mit der 10. AHV­Revision im Jahr<br />

1997 eingeführt worden, im Rahmen der beruflichen<br />

Vorsorge ist die vorzeitige Pensionierung<br />

jedoch bereits seit längerer <strong>Zeit</strong><br />

möglich. Diese Regelungen, aber auch die<br />

ausgeprägte Jugendzentrierung auf dem<br />

Arbeitsmarkt haben in den vergangenen<br />

Jahrzehnten die Tendenz zum vorzeitigen<br />

Austritt aus dem Erwerbsleben begünstigt.<br />

Dementsprechend liegt heute das effektive<br />

Rentenalter mit 63,5 Jahren unter der gesetzlichen<br />

Altersgrenze. Deutlich weniger oft<br />

in der öffentlichen Diskussion, jedoch sogar<br />

im Rahmen der AHV möglich ist der Rentenaufschub,<br />

und zwar seit der 7. AHV­Revision<br />

im Jahr 1969.<br />

Eine Verlängerung des Erwerbslebens<br />

über die heutige Grenze von 65 Jahren ist<br />

im Licht der gerontologischen Forschung<br />

vertretbar. Wir leben heute nicht nur länger,<br />

sondern auch länger bei guter Gesundheit.<br />

Die so genannte behinderungsfreie Lebenserwartung<br />

beträgt heute in der Schweiz 73,7<br />

Jahre für die Männer und 76,8 Jahre für die<br />

Abbildung 2<br />

Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung<br />

in der Schweiz 2010–2040<br />

Auf den ersten Blick scheint sich bis 2040 wenig<br />

zu ändern, doch der Anteil der über 50­jährigen<br />

Arbeitnehmenden steigt von 29 auf 36 Prozent.<br />

Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />

Millionen Erwerbstätige<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

< 25 Jahre<br />

29% 33% 34% 36%<br />

25% 22% 24% 23%<br />

32% 32% 30% 29%<br />

14% 12% 12% 13%<br />

2010 2020 2030 2040<br />

25–39 Jahre<br />

40–49 Jahre 50+ Jahre<br />

Frauen. Und dass der negative Zusammenhang<br />

zwischen Lebensalter und geistiger<br />

Leistungsfähigkeit lange überschätzt wurde,<br />

ist heute allgemein anerkannt. Allfälligen Defiziten<br />

können ältere Arbeitnehmer ihr grosses<br />

Erfahrungswissen und spezifische Fähigkeiten<br />

entgegensetzen. Vor dem Hintergrund<br />

sich verändernder Lebensmuster, immer länger<br />

werdender Ausbildungszeiten, die sich<br />

zudem in Form von kontinuierlicher Weiterbildung<br />

zunehmend mit dem Erwerbsleben<br />

vermischen, ist ein flexibler Austritt aus dem<br />

Erwerbsleben beziehungsweise eine Flexibilisierung<br />

des Rentenalters «nach oben» eine<br />

nahe liegende Ergänzung. Länger zu arbeiten,<br />

vielleicht auch im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle,<br />

ist sicherlich nicht für alle Arbeitnehmenden<br />

in gleichem Ausmass möglich,<br />

zum Beispiel im Fall von beschwerlichen<br />

Tätigkeiten. Analysen auf der Grundlage von<br />

Daten aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung<br />

zeigen jedoch ein nicht unerhebliches<br />

Potenzial an Arbeitskräften, die gerne<br />

über das gesetzliche Rentenalter hinaus<br />

arbeiten würden. Ein entsprechendes Umdenken<br />

ist auch von Seite der Arbeitgeber<br />

notwendig, nicht zuletzt, weil sie in naher<br />

Zukunft mit einer zunehmend alternden<br />

Belegschaft konfrontiert sein werden.<br />

Sara Carnazzi Weber<br />

Economic Research<br />

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Credit Suisse 39<br />

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in der Kategorie Dienstleistung/<br />

Handel und Gewerbe Sébastien<br />

Tondeur, CEO der MCI Group<br />

Holding SA in Genf, in der Kategorie<br />

Hightech / Life Sciences<br />

Frank Ziemer, CEO der Ziemer<br />

Group in Port, in der Kategorie<br />

Industrie Kurt Schär, CEO der<br />

Biketec AG in Huttwil, sowie in<br />

der Kategorie Emerging Entre -<br />

preneur Kai Glatt, CEO von The<br />

Rokker Company AG in Widnau.<br />

Mehr über diese Firmen, die in<br />

der Event organisation, in der<br />

Augenheil kunde, im Elektrofahrradmarkt<br />

und in der Motorradbekleidungsbranche<br />

erfolgreich<br />

tätig sind, erfahren Sie unter<br />

www.credit­suisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />

Swiss Venture Club<br />

Das beste der besten Unternehmen der Region Basel galt es am 17. November<br />

im Kongresszentrum Messe Basel beim Unternehmerpreis Nordschweiz Basel<br />

des Swiss Venture Club zu bestimmen. Hat die Aerni Gruppe aus Pratteln<br />

mit CEO Bernhard Aerni gewonnen? Oder die Müller Gruppe von CEO Peter<br />

Müller aus Münchenstein? Die Twerenbold Reisen Gruppe, Baden­Rütihof, mit<br />

Verwaltungsratspräsident Werner Twerenbold? Vielleicht die Wilco AG, Wohlen,<br />

mit dem VR­Delegierten Martin Lehmann, die Canoo Engineering AG, Basel,<br />

mit CEO Hans­Dirk Walter? Gute Chancen besass natürlich auch die Domaco<br />

Dr. med. Aufdermaur AG, Lengnau, mit CEO Silvia Huber­Meier. Der Weg zu den<br />

Resultaten führt über www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />

Swiss<br />

Technologie<br />

Award 20<strong>11</strong><br />

Im Rahmen des 6. Swiss Innovation<br />

Forum wurden am 3. November im<br />

Novartis Campus in Basel vor über<br />

650 Entscheidungsträgern die innovativsten<br />

Unternehmen der Schweiz<br />

geehrt. BioVersys (Kategorie Startup),<br />

eine Spezialistin für biophar mazeu<br />

tische Produkte mit Sitz in Basel,<br />

entwickelte eine Methode, um<br />

chemische Mo leküle zu identifizieren,<br />

die spezifisch Resistenzen gegen<br />

Antibiotika auf genetischer Ebene im<br />

Bakterium «ausschalten». Die mit<br />

einer spezi ellen Farbe lackierte<br />

Computermaus von Optical Additives<br />

(Kategorie Inventors) sammelt auf<br />

der ganzen Oberfläche Licht und<br />

verwandelt es durch zwei winzige<br />

Solarzellen in Strom. Mit iload stellte<br />

Schoeller Textil (Kategorie Maturity<br />

Stage) eine innovative Textilie vor,<br />

die mit verschiedenen Wirkstoffen<br />

für Wohlbefinden, Prävention und<br />

Therapie beladen werden kann.<br />

Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

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Schwab Foundation<br />

Ein Social Entrepreneur ist eine Mischung zwischen Mutter Teresa und Bill<br />

Gates. Die Schwab Foundation zeichnet in 30 Ländern vorbildliche Unternehmer<br />

aus, wobei Innovation, Nachhaltigkeit und direkte soziale Auswirkungen<br />

die Hauptkriterien sind. Am 13. Dezember wurden im Forum St. Peter<br />

der Credit Suisse die Schweizer Social Entrepreneurs 20<strong>11</strong> geehrt. Im<br />

Final standen Codecheck (Roman Bleichenbacher), Poinzz (Martin Spirig,<br />

Beat Drittenbass) und South Pole (Christoph Sutter, Renat Heuberger).<br />

Ein Veranstaltungsbericht findet sich unter www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />

><br />

Photo: Credit Suisse | Courtesy of Musée International d’Horlogerie<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


ulletin plus –<br />

das Heft im Heft<br />

Im Dialog mit der Gesellschaft<br />

Die Credit Suisse führt zusammen mit gfs.bern zwei grosse umfragen durch, um einen<br />

Beitrag zur Diskussion wichtiger gesellschaftlicher Fragen zu leisten. In der Ausgabe<br />

«Jugend» publizierten wir die Resultate des Jugendbarometers. Traditionsgemäss<br />

in der letzten Ausgabe des Jahres veröffentlichen wir das seit Mitte der 1970er-Jahre<br />

erhobene Sorgenbarometer inklusive der Spezialumfrage «Identität Schweiz».<br />

unter www.credit-suisse.com/jugendbarometer respektive www.credit-suisse.com/<br />

sorgenbarometer finden Sie zahlreiche weitergehende Informationen.<br />

Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse<br />

plus<br />

Credit Suisse Sorgenbarometer 20<strong>11</strong><br />

Schweizer Sorgen<br />

Erkenntnis als erster Schritt zur Lösung


40 Credit Suisse<br />

Kunst im Geschäftsumfeld<br />

Faszinierende Schnitte<br />

im Tageslicht und auch bei Nacht<br />

In Schaffhausen wird der Besucher der Credit Suisse<br />

Geschäftsstelle von einem Floormanager und einem Werk<br />

des Künstlers Harald F. Müller, Öhningen, empfangen.<br />

Von Harald F. Müller im Jahr 2009 realisierte hinterleuchtete Glaswand «Daylight» mit den beiden «Cuts» in der Kundenhalle Schaffhausen.<br />

Seit genau 50 Jahren ist die<br />

Credit Suisse in den Kantonen<br />

Schaffhausen und<br />

Wallis tätig. Nachdem im<br />

Wallis seit 20<strong>05</strong> bereits<br />

mehrere Geschäftsstellen<br />

im Rahmen von Branch Excellence umweltund<br />

kundenfreundlich umgestaltet worden<br />

sind, so etwa Visp, Zermatt, Martigny, Sion<br />

und Monthey, durfte sich im Oktober 2009<br />

auch das von Andreas Knupp geleitete Team<br />

der Credit Suisse Schaffhausen über einen<br />

gelungenen <strong>11</strong>,5­Millionen­Franken­Umbau<br />

freuen, gleichsam als vorgezogenes Jubiläumsgeschenk.<br />

Wie immer bei solchen Gelegenheiten<br />

wird dem Faktor Kunst grosses<br />

Gewicht beigemessen, da die Kunst wesentlich<br />

zu einer für Mitarbeitende und Kunden<br />

inspirierenden Atmosphäre beiträgt. Gleich<br />

im Eingangsbereich fasziniert eine Glaswand<br />

mit zwei «Cuts» von Harald F. Müller, der<br />

gegenwärtig im Kloster Öhningen bei Stein<br />

am Rhein lebt und arbeitet – und der seine<br />

Widmungen, als besonderes Markenzeichen,<br />

spiegelverkehrt schreibt. Zeichnet sich die<br />

Credit Suisse in Schaffhausen vor allem als<br />

Hauptsponsor des Schaffhauser Jazzfestivals<br />

aus, so engagiert sie sich in der Munotstadt<br />

auch in der Kunstförderung, indem sie im<br />

Museum zu Allerheiligen die Ausstellung<br />

«Ernte» für regionale Kunstschaffende unterstützt<br />

und namentlich den Ernte­Kunst­<br />

preis der Credit Suisse vergibt. Mehr Informationen<br />

über die Kunstwerke von Harald F.<br />

Müller findet man im Band «Die Sammlung<br />

Credit Suisse». schi<br />

www.haraldfmueller.de;<br />

www.jazzfestival.ch; www.allerheiligen.ch<br />

Das Buch zur Sammlung der Credit Suisse<br />

«Die Sammlung Credit Suisse – Kunst im<br />

Geschäftsumfeld», Hrsg. André Rogger, Barbara<br />

Hatebur. Verlag Scheidegger & Spiess, 20<strong>11</strong>.<br />

Foto: Dirk Altenkirch, Karlsruhe<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Nachwuchsförderung<br />

Gut vernetzt!<br />

Für einmal gehört das Auditorium im Zürcher Uetlihof<br />

ausschliesslich dem Nachwuchs der Credit Suisse –<br />

Lernenden, Junior­Bankern und Career­Startern.<br />

Sie sind zahlreich erschienen, geht es doch um eine<br />

wichtige Phase ihrer Laufbahn.<br />

Ich bewundere Ihren Mut, in der Bankbranche<br />

arbeiten zu wollen», begrüsst<br />

Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident<br />

der Credit Suisse, mit einem Schmunzeln<br />

die jungen Mitarbeitenden im Saal.<br />

Dann erzählt er von den Herausforderungen,<br />

die das wirtschaftliche und regulatorische<br />

Umfeld derzeit an die Finanzbranche<br />

stellt. Ob all dieser Schwierigkeiten<br />

dürfe aber nicht vergessen werden, dass die<br />

Finanzindustrie eine Dienstleistungsindustrie<br />

ist. «Der Kunde steht bei uns im Zentrum.<br />

Daher streben wir beispielsweise langfristige<br />

Kundenbeziehungen an und keine schnellen<br />

Abschlüsse. Dieser Kundenfokus muss Teil<br />

unserer DNA werden», gibt sich Rohner<br />

überzeugt. Damit kommt er auf die Unternehmenskultur<br />

der Credit Suisse zu sprechen.<br />

Gespannt hören die Mitarbeitenden dem<br />

Verwaltungsratspräsidenten zu. Die 250 Sitzplätze<br />

sind beinahe restlos gefüllt, die Stimmung<br />

locker und doch erwartungsvoll. Es ist<br />

die Auftaktveranstaltung des neu gegründeten<br />

Mitarbeiternetzwerkes Next Generation<br />

Network (NGN). Wobei neu nicht ganz stimmt:<br />

Die Plattform gibt es bereits seit 2006, doch<br />

erst seit Herbst 20<strong>11</strong> wird NGN von der Abteilung<br />

Diversity and Inclusion als siebtes offizielles<br />

Mitarbeiternetzwerk unterstützt. Dies,<br />

da die Bank der Nachwuchsförderung einen<br />

grossen Stellenwert einräumt.<br />

02<br />

01<br />

01<br />

02<br />

Aufmerksam folgt die nächste<br />

Generation der Bank den<br />

Ausführungen der Redner.<br />

Viele Mitarbeitende engagieren<br />

sich beim Next Generation<br />

Network und damit für den<br />

Nachwuchs.<br />

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Ein globaler Ansatz<br />

Der Bereich Diversity and Inclusion der Credit Suisse setzt sich weltweit für Chancengleichheit<br />

ein, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, sexueller<br />

Orientierung, Religion, Alter, Zivil­ und Familienstand, Schwangerschaft oder Behinderung,<br />

sowie für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld ohne Diskriminierung, Belästigung<br />

oder Repressalien. Der Bereich unterstützt Mitarbeiternetzwerke in allen Regionen, in denen<br />

die Bank tätig ist. Einige davon widmen sich der Förderung der jungen Generation.<br />

Analog zum Next Generation Network in der Schweiz bilden das Employee Network Junior<br />

Professionals Forum in Singapur und The Early Career Forum in Amerika eine Plattform,<br />

damit sich junge Mitarbeitende austauschen und vernetzen können. Zugleich wird ihre Karriereentwicklung<br />

durch Veranstaltungen, Beratung und Ausbildungsangebote gefördert.<br />

Fotos: Credit Suisse (NGN)<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 43<br />

Text: Claudia Hager<br />

NGN richtet sich an alle jungen Mitarbeitenden<br />

der Credit Suisse. Derzeit sind das<br />

650 Lernende, 120 Junior­Banker, das heisst<br />

Teilnehmende des Mittelschulabsolventenprogramms,<br />

und 250 Career­Starter aus dem<br />

Hochschulabsolventenprogramm. Weiter will<br />

das Netzwerk all jene ansprechen, die eines<br />

dieser Programme in den letzten zwei Jahren<br />

absolviert haben. «Mit dem Netzwerk bilden<br />

wir eine Plattform, um den Austausch unter<br />

den jungen Mitarbeitenden zu fördern. Ziel<br />

ist, dass sie sich ein breites berufliches und<br />

privates Netzwerk aufbauen können», erklärt<br />

Christian Büchi, einer der Mitarbeitenden,<br />

die sich beim NGN engagieren. Zu diesem<br />

Zweck veranstaltet das Netzwerk regelmässig<br />

Anlässe mit Gastdozenten sowie Treffen<br />

in ungezwungenem Rahmen, etwa Mittagessen<br />

oder Feierabenddrinks, bei denen sich<br />

die junge Generation kennenlernen und austauschen<br />

kann.<br />

«Ein regelmässiger Erfahrungs­ und Wissensaustausch<br />

ist insbesondere in einer frühen<br />

Karrierephase sehr hilfreich. Gespräche<br />

untereinander, aber auch mit Experten erleichtern<br />

den Berufseinstieg», sagt Lukas<br />

Vonesch, Co­Chair von NGN. Gabriella Diethelm,<br />

die sich mit Vonesch das Präsidium<br />

teilt, ergänzt: «Das Netzwerk ist nicht nur<br />

eine Plattform zum Austausch, es unterstützt<br />

die Mitarbeitenden auch bei typischen Fragen,<br />

die mit einer frühen Karrierephase verbunden<br />

sind. So werden Themen wie Integration<br />

ins Arbeitsumfeld, Weiterbildung, Laufbahnplanung<br />

oder Auslandaufenthalte behandelt.»<br />

Auslandaufenthalte – das ist auch ein Thema,<br />

das Urs Rohner am Herzen liegt. «Die<br />

Credit Suisse fördert die interne Mobilität,<br />

also den Wechsel in eine andere Abteilung<br />

oder in ein anderes Land», so der Verwaltungsratspräsident<br />

an der Auftaktveranstaltung.<br />

«Ein Auslandaufenthalt ist etwas vom<br />

Wichtigsten, was Mitarbeitende am Anfang<br />

ihrer Laufbahn machen können – denn je<br />

gefestigter die Karriere wird, desto schwieriger<br />

werden Veränderungen.»<br />

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Credit Suisse 45<br />

Gastkommentar<br />

«Die Vergangenheit ist ein<br />

Sprungbrett, kein Sofa»<br />

Patrick Odier<br />

Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung<br />

Dies hat der ehemalige britische Premierminister<br />

Harold Macmillan gesagt.<br />

Und genau dies entspricht der<br />

Einstellung, mit der die Schweizerische Bankiervereinigung<br />

(SBVg) 2012 ihr 100­Jahr­<br />

Jubiläum begehen wird. Bereit für den Wandel<br />

und zukunftsgerichtet.<br />

Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht<br />

die rasante Entwicklung der vergangenen<br />

Jahre eindrücklich. 1912, im Gründungsjahr<br />

der SBVg, beschäftigte die Credit Suisse –<br />

damals noch als Schweizerische Kreditanstalt<br />

(SKA) – gut 1000 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, die stolze 7,4 Millionen Schweizer<br />

Franken Reingewinn erzielten. Nur wenige<br />

Jahre früher hatte die SKA in Basel ihre<br />

erste Zweigstelle eröffnet. Heute sind die<br />

Schweizer Banken mit weltweit fast 250 000<br />

Mitarbeitenden global aufgestellt. Der Sektor<br />

steuert in der Schweiz jährlich rund 37 Milliarden<br />

Franken zur Wertschöpfung bei, das sind<br />

6,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Jeder<br />

zehnte Steuerfranken kann dem Bankensektor<br />

zugeordnet werden. Doch nicht nur<br />

die Banken setzen sich für Wohlstand und<br />

Wachstum unseres Landes ein, viele Menschen<br />

leisten Tag für Tag Grosses und Klei­<br />

nes, um die Schweiz vorwärtszubringen.<br />

Ihnen will die SBVg im Jubiläumsjahr danken.<br />

Sie hat zum Beispiel jungen Fotoschaffenden<br />

die Möglichkeit gegeben, 100 in der Schweiz<br />

lebende Menschen zu porträtieren. Der entstandene<br />

Fotoband zeichnet ein vielsagendes,<br />

überraschendes und spannendes Bild<br />

unserer Gesellschaft, ab Mitte Januar auch<br />

unter www.merci­danke­grazie.ch.<br />

Die Finanzindustrie ist an einem Wendepunkt<br />

angelangt. Gefragt sind neue Antworten<br />

und Strategien. Die traditionellen Stärken<br />

und Werte dürfen dabei nicht auf der Strecke<br />

bleiben. Werte, welche die Schweiz und unseren<br />

Finanzplatz im internationalen Wettbewerb<br />

seit 100 und mehr Jahren auszeichnen,<br />

insbesondere Stabilität, Universalität,<br />

Exzellenz und Verantwortlichkeit. Gerade<br />

Letztere scheint mir in der heutigen <strong>Zeit</strong><br />

besonders wichtig. Banken nehmen ihre<br />

Verantwortung täglich wahr – gegenüber der<br />

Gesellschaft, der Umwelt, unseren Partnern<br />

aus Politik und Wirtschaft und natürlich<br />

gegenüber unseren Kundinnen und Kunden.<br />

Das Recht auf höchste Qualität und der<br />

Schutz der Privatsphäre sind und bleiben<br />

zentral.<br />

Es ist Aufgabe des Branchenverbandes,<br />

unter den bestehenden Vorzeichen den Weg<br />

in die Zukunft zu weisen. Wir haben eine Strategie<br />

entwickelt, die es erlaubt, bisher unversteuerte<br />

ausländische Vermögenswerte auf<br />

Schweizer Banken mit einer Abgeltungssteuer<br />

und unter Wahrung der Privatsphäre<br />

zu regularisieren. Neugelder sollen gleich wie<br />

in den Herkunftsländern besteuert werden.<br />

Erste Abkommen sind unterzeichnet. Dazu<br />

gilt es, Wachstumsfelder, wie etwa das Asset<br />

Management, voranzutreiben und die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen laufend zu<br />

verbessern.<br />

Die Banken haben die Herausforderungen<br />

der Zukunft angenommen und gestalten<br />

den Wandel kontinuierlich mit. Die Voraussetzungen<br />

für eine erfolgreiche Zukunft sind<br />

gegeben; für den Finanzplatz und den Werkplatz,<br />

zum Wohl der Schweiz.<br />

Impressum<br />

<strong>11</strong>7. Jahrgang, 5 x jährlich, Deutsch, Englisch,<br />

Französisch, Italienisch<br />

HERAuSGEBER: Credit Suisse AG<br />

Postfach 2, CH­8070 Zürich, Telefon +41 44 333 <strong>11</strong> <strong>11</strong><br />

REDAKTION: Andreas Schiendorfer (schi), Chefredaktor;<br />

Stefan Behmer (sb), Leitung Internationale Ausgaben; Regula<br />

Brechbühl (rb), Schwerpunkt; Claudia Hager (de), Wirtschaft<br />

Redaktionelle Mitarbeit Schirin Razavi, <strong>bulletin</strong> online, Alice<br />

Ratcliffe, Nicola B. Mohler, Urs Schwarz, Dorothee Enskog<br />

(zzt. Mutterschaftsurlaub) Support Sandra Buchmann, Franziska<br />

Thürer, Melanie Gerteis (Praktikum). Corporate Responsibility<br />

Mandana Razavi, Valérie Clapasson Fahrni, Alice Bordoloi<br />

Sponsoring Daniel Huber, Stefan Behmer, Michael Krobath<br />

Kontakt redaktion.<strong>bulletin</strong>@credit­suisse.com Internet www.<br />

credit­suisse.com/<strong>bulletin</strong> Facebook <strong>bulletin</strong> der Credit Suisse<br />

GESTALTuNG uND REALISATION: Arnold Inhalt und Form:<br />

Michael Suter (Leitung), Luzian Meier, Maja Davé, Angélique<br />

Bolter, Stefanie Süess Korrektorat Carola Bächi (AIF), Claudia<br />

Marolf (notabene) Übersetzungen Credit Suisse: Adrian<br />

Caminada, Francesco Di Lena, Richard S. Hughes, Nathalie<br />

Lamgadar, Marie­Sophie Minarta Druck Swissprinters Zürich AG<br />

VERLAG: Daniel Huber (Leitung), Stefan Behmer (Marketing/<br />

Inserate), Tel. 044 334 58 88, <strong>bulletin</strong>@behmer.ch<br />

WEMF-Auflage 20<strong>11</strong> 139 575 Registrierung ISSN 1423 ­1360<br />

Mutationen siehe Talon Nachdruck von Texten ge stattet mit<br />

Hinweis «Aus dem <strong>bulletin</strong> der Credit Suisse».<br />

REDAKTIONSKOMMISSION: Nicole Brändle Schlegel,<br />

René Buholzer, Barend Fruithof, Sandro Grünenfelder, Anja<br />

Hochberg, Angelika Jahn Wassmer, Bettina Junker Kränzle,<br />

Hanspeter Kurzmeyer<br />

Diese Publikation dient zu Informationszwecken. Sie bedeutet<br />

kein Angebot und keine Aufforderung seitens der Credit Suisse<br />

zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften. Hinweise auf die frühere<br />

Performance garantieren keine positiven Entwicklungen in<br />

Zukunft. Die Analysen und Schlussfolgerungen wurden durch die<br />

Credit Suisse erarbeitet und könnten vor ihrer Weitergabe an die<br />

Kunden bereits für Transaktionen von Gesellschaften der Credit<br />

Suisse Group verwendet worden sein. Die ver tretenen Ansichten<br />

sind die der Credit Suisse zum <strong>Zeit</strong>punkt der Drucklegung.<br />

(Änderungen vor behalten.) Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />

Foto: www.swissbanking.org<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


46 Credit Suisse<br />

Sponsoring<br />

Text: Schirin Razavi<br />

Die modernen<br />

Geschichtenerzähler<br />

Wenn ein Kulturevent zum produktiven Experimentierfeld wird, muss nicht<br />

immer alles nach Plan verlaufen. Studierende der Zürcher Hochschule der<br />

Künste machten das Zurich Film Festival zu ihrem eigenen kreativen Schauplatz<br />

und richteten einen unkonventionellen Blick auf die Filmwelt.<br />

Schauspieler und Regisseure<br />

wurden interviewt, Protagonisten<br />

porträtiert, Schnappschüsse<br />

gemacht und viel improvisiert.<br />

Zwei Klassen des Studiengangs<br />

CAST / Audiovisuelle Medien, der<br />

sich an der Zürcher Hochschule der Künste<br />

(ZHdK) mit audiovisuellen Stories für Onlineund<br />

mobile Medien befasst, waren diesen<br />

Herbst elf Tage lang stets auf der Suche<br />

nach einer guten Geschichte.<br />

Unter der Headline «CAST meets ZFF»<br />

berichteten sie auf dem CAST­Youtube­ Kanal<br />

sowie diversen Web­Channels über das<br />

Zurich Film Festival und gewährten dabei bereits<br />

zum zweiten Mal ungewöhnliche Blicke<br />

hinter die Kulissen dieses Spektakels. Täglich<br />

wurden mehrere drei­ bis fünfminütige Beiträge<br />

auf den Kanälen verbreitet, so auch auf<br />

der Facebook­Fanpage des Credit Suisse<br />

<strong>bulletin</strong>. Einer dieser Berichte erzählt etwa<br />

vom jungen New Yorker Andrew «Lemon»<br />

Andersen.<br />

Zusammen mit den Regisseurinnen Laura<br />

Brownson und Beth Levison war er nach<br />

Zürich gereist, um mit dem Dokumentarfilm<br />

«Lemon» am Wettbewerb teilzunehmen. Für<br />

das Goldene Auge reichte es nicht – dieses<br />

ging an Cindy Meehl und den Pferdeflüsterer<br />

Buck –, dafür richtete aber die CAST­Gruppe<br />

ihr Augenmerk auf Lemon. Einen Tag lang<br />

drehten sie an verschiedenen Orten Zürichs<br />

ein Porträt über Andersen, der in «Lemon»<br />

offen vom frühen Aidstod der Mutter, dem<br />

Suizidversuch des Bruders oder seiner eigenen<br />

<strong>Zeit</strong> im Gefängnis spricht. Dort entdeckte<br />

er die Kunst des Dichtens, heute ist er nicht<br />

nur in den USA ein bekannter Slam­Poet.<br />

Die Studierenden liessen in den Beiträgen<br />

nebst den Filmschaffenden auch das Publikum<br />

zu Wort kommen und drehten so über<br />

50 Berichte und Geschichten rund ums Festival,<br />

die im Internet nach wie vor einsehbar<br />

sind. Die Drehtage waren mit einigen Hindernissen<br />

verbunden. So war es nicht immer<br />

klar, wo die Interviews stattfinden würden,<br />

und der Drehort konnte sich auch eine Stunde<br />

vor dem eigentlichen Termin noch ändern.<br />

Dann hiess es die Ausrüstung zusammenpacken<br />

und zum neuen Treffpunkt eilen. Waren<br />

die Bilder im Kasten und genügend Statements<br />

gesammelt, ging es zur Weiterverarbeitung<br />

zurück ins Klassenzimmer, das eigens<br />

für das Festival zum Newsroom umfunktioniert<br />

wurde.<br />

«So viel anders ist der normale Unterricht<br />

gar nicht», bestätigt ZHdK­Dozent Nico<br />

Lyptikas, «na ja, vielleicht ein bisschen weniger<br />

aufregend …»<br />

Der im Jahr 2007 eingeführte Studiengang<br />

CAST / Audiovisuelle Medien reflektiere das<br />

veränderte Informationsverhalten: «Unsere<br />

Studierenden erwerben journalistische Kompetenzen,<br />

die über das Fernsehen und das<br />

Radio hinausgehen, da ein starker Fokus<br />

auf das Social Web gesetzt wird, das immer<br />

mehr an Bedeutung gewinnt. Das Zurich<br />

Film Festival war der ideale Raum für uns,<br />

sozusagen ein Experimentierfeld im nicht<br />

kommerziellen Rahmen.» Das Fazit: Experiment<br />

gelungen, Fortsetzung erwünscht.<br />

Weitere Informationen<br />

www.credit­suisse.com/<strong>bulletin</strong><br />

www.cast.zhdk.ch/projekte/cast­meets­zff<br />

Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Foto: Zürich Film Festival<br />

CAST begleitet Lemon<br />

Studierende der Zürcher<br />

Hoch schule der Künste führen<br />

den New Yorker Slam­Poeten<br />

Lemon (mit blauer Mütze)<br />

mit ihrer Kamera durch die Stadt.


48 Credit Suisse<br />

Sponsoring<br />

Spitzenmusik an<br />

und auf der Rhone<br />

Text: Andreas Schiendorfer<br />

02<br />

Das Orchestre de la Suisse Romande, seit 20 Jahren von der Credit Suisse als<br />

Hauptsponsor unterstützt, bietet auch in dieser Saison wieder zahlreiche<br />

kulturelle Höhepunkte. Speziell hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf die beiden<br />

musikalischen Reihen «Musique sur Rhône» und «Festival Mozart/Strauss».<br />

01<br />

Zu seiner Abschiedssaison mit<br />

dem Orchestre de la Suisse<br />

Romande (OSR) hat Marek<br />

Janowski verschiedene Künstlerinnen<br />

und Künstler eingeladen,<br />

die ihn auf seinem bisherigen<br />

Weg in Genf begleitet haben: Vadim<br />

Repin, Nikolaj Znaider (18. Januar 2012),<br />

Nikolaï Lugansky (20. Januar), Charles Dutoit<br />

(18./19./22. April), Jean­Yves Thibaudet<br />

(23./24. Mai) und der Rundfunkchor Berlin<br />

(31. Mai / 1. Juni), um nur einige zu nennen.<br />

Sie allein garantieren schon, dass die bereits<br />

erfolgreich begonnene Saison 20<strong>11</strong>/12 den<br />

Vergleich mit den sechs vorangegan genen<br />

keineswegs zu scheuen braucht. Daneben<br />

ist Janowski aber seinem Vorsatz, aussergewöhnliche<br />

Nachwuchskräfte zu fördern,<br />

treu geblieben. Er selbst weist explizit auf die<br />

28­jährige russische Pianistin Anna Vinnitskaya<br />

hin, die am 12. und 13. Januar in zwei<br />

Konzerten unter seiner Leitung Werke von<br />

Carl Maria von Weber, Albert Roussel, Sergei<br />

Rachmaninow und Boris Blacher interpretieren<br />

wird. Für ihre CD mit Werken von<br />

Prokof jew und Ravel hat Anna Vinnitskaya im<br />

Oktober einen Echo­Klassik­Preis als beste<br />

Nachwuchskünstlerin erhalten.<br />

Mit Stolz verweist Marek Janowski aber<br />

auch auf die hervorragenden Talente des<br />

OSR selbst. In seiner Saisonvorschau hat er<br />

speziell auf den Violinisten Bogdan Zvoristeanu<br />

aufmerksam gemacht, dessen Konzerte<br />

allerdings bereits erfolgreich über die<br />

Bühne der Victoria Hall gegangen sind.<br />

Grosse Stücke hält Janowski indes auch<br />

auf die Bratschistin Elçim Özdemir. Wer sie<br />

Fotos: Grégory Maillot | Felix Broede<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


01<br />

02<br />

Ein grossartiges Orchester<br />

im grossartigen Saal<br />

der Victorian Hall in<br />

Genf ist eine musikalische<br />

Reise wert.<br />

Marek Janowski bestreitet<br />

seine letzte Saison<br />

beim OSR. Seine Ära wird<br />

sicher als eine der sieben<br />

fetten, erfolg reichen<br />

Jahre in die Geschichte<br />

des Orchesters eingehen.<br />

als Solistin hören möchte, dem sei das Muttertagskonzert<br />

vom 13. Mai in der Salle Théodore<br />

Turretini des Bâtiment des Forces Motrices<br />

(BFM) empfohlen.<br />

Und damit befinden wir uns bereits mitten<br />

in den beiden Konzertserien, die der Credit<br />

Suisse in den letzten Jahren besonders ans<br />

Herz gewachsen sind und die sie deshalb<br />

als Hauptsponsor speziell unterstützt: die<br />

Série Musique sur Rhône und das Festival<br />

Mozart/Strauss.<br />

Die Série Musique sur Rhône darf als ein<br />

besonders attraktives Projekt der Nachwuchs­<br />

oder vielmehr der «Eigengewächsförderung»<br />

bezeichnet werden. Es wird –<br />

jeweils an einem Sonntag um <strong>11</strong> Uhr – von<br />

Orchestermitgliedern bestritten, die gerne<br />

Kammermusik spielen. Mit Unterstützung der<br />

Credit Suisse ermöglicht es ihnen das OSR,<br />

dies eingebettet in das offizielle Saisonprogramm<br />

zu tun, im idyllisch gelegenen BFM<br />

mitten auf der Rhone, das als Musterbeispiel<br />

von kultureller Umnutzung einer nicht mehr<br />

benötigten Industriebaute gelten darf.<br />

Barock-Kantaten und Klavier-Quintette<br />

Die drei Konzerte der ersten Saisonhälfte<br />

sind bereits vorbei, doch noch stehen ebenso<br />

viele musikalische Leckerbissen auf dem<br />

Programm: am 26. Februar die barocken<br />

Kantaten von Bach, Bruhns und Händel, am<br />

<strong>11</strong>. März ein Quintett für Klavier und Bläser<br />

von Rimsky­Korsakow und ein Klavier­Quintett<br />

von Anton Rubinstein sowie am 13. Mai<br />

Werke von Richard Strauss und Wolfgang<br />

Amadeus Mozart.<br />

Das Festival Mozart/Strauss besteht aus<br />

drei Konzerten, die alle in der Muttertagswoche<br />

stattfinden, ebenfalls allesamt im<br />

BFM. Am Donnerstagabend, 10. Mai, spielt<br />

Credit Suisse 49<br />

das OSR unter der Leitung von Maestro Janowski<br />

und mit dem Solisten Radek Baborák,<br />

Horn, Mozarts Symphonie Nr. 28 in C­Dur<br />

und das Hornkonzert Nr. 3 in Es­Dur sowie<br />

die «Metamorphosen, Studie für 23 Solostreicher»,<br />

von Richard Strauss. Am Freitagabend<br />

gibt das OSR, erneut unter der Leitung von<br />

Marek Janowski, Mozarts Divertimento für<br />

Streicher in D­Dur sowie verschiedene Sopranarien,<br />

interpretiert von Christiane Karg,<br />

und dazu die Sonatine Nr. 2 für 16 Holz bläser<br />

«Fröhliche Werkstatt» von Richard Strauss.<br />

Den Abschluss beider Serien bildet das<br />

bereits erwähnte Muttertagskonzert mit<br />

Mozarts Klarinettenquintett in A­Dur sowie<br />

dem Capriccio und der Sonate für Violine und<br />

Klavier in Es­Dur von Wolfgang Amadeus<br />

Mozart. Ein durch und durch empfehlenswertes<br />

Familienerlebnis, für das man sich die<br />

Karten wohl frühzeitig besorgen muss.<br />

LES AMIS Du CREDIT SuISSE: Genf<br />

Unter culture.suisse@credit­suisse.com kann<br />

gratis das <strong>bulletin</strong> spezial Genf mit Artikeln über<br />

das OSR, den CHI­W, das Année Rousseau und<br />

den Fussballnachwuchs bestellt werden.<br />

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Credit Suisse 51<br />

News Corporate Responsibility<br />

Achievement Award<br />

In Anerkennung ihres Engagements<br />

im Mikrofi nanzbereich und ihrer Partnerschaft<br />

mit Opportunity International<br />

wurde die Credit Suisse anlässlich<br />

einer von Opportunity International ausgerichteten<br />

Konferenz mit einem<br />

Achievement Award ausgezeichnet.<br />

Über regulierte Banken bietet diese<br />

Organisation Zugang zu Sparkonten,<br />

Kredite an Kleinbetriebe, Versicherungen<br />

sowie Schulung und Ausbildung<br />

für 2,5 Millionen Menschen in mehr als<br />

20 Entwicklungsländern. Als strategischer<br />

Partner von mehreren Mikrofinanzorganisationen<br />

und im Rahmen<br />

ihrer Microfinance Capacity Building<br />

Initiative unterstützt die Credit Suisse<br />

Opportunity International in der Entwicklung<br />

innovativer Technologielösungen.<br />

Anessa Chui, Mitarbeitende der<br />

Credit Suisse Hongkong, nahm 2010<br />

am Global Citizens Program teil und<br />

leistete in diesem Rahmen einen<br />

dreimonatigen Einsatz für Opportunity<br />

International in Uganda. «Die einfachsten<br />

Lösungen haben die grösste<br />

Wirkung», zog Chui nach ihrem Einsatz<br />

Bilanz.<br />

Spendenrekord<br />

«You choose. We match. They win.» (Sie wählen. Wir verdoppeln. Andere gewinnen.)<br />

Das Motto der Holiday Charity Initiative der Credit Suisse in den USA, einer<br />

jährlichen, von der Credit Suisse Americas Foundation unterstützten Mitarbeiter-<br />

Spendenaktion, sagt alles. Teilnehmende Mitarbeitende können aus einer Liste<br />

von Wohltätigkeitspartnern wählen, die ihr Augenmerk auf die drei globalen Fokusthemen<br />

Bildung, Mikrofi nanz und Mitarbeiterengagement richten. Die drei mit den<br />

höchsten zugesagten Beträgen, die drei mit den meisten Spendern und jene in den<br />

fünf Städten mit der grössten Mitarbeiterbeteiligung gewinnen ebenfalls «Preise»<br />

in Form von zusätzlichen Spenden. Im letzten Jahr beteiligten sich über 5500 Mitarbeitende<br />

und sammelten 2,7 Millionen US-Dollar. Insgesamt generierte das<br />

Programm seit seiner Lancierung 2004 fast 10 Millionen Dollar zur Unterstützung<br />

von über 100 Wohltätigkeitsorganisationen und Projekten.<br />

Compliance<br />

Academy<br />

Die Credit Suisse bietet Hochschulabsolventen<br />

und Berufseinsteigern<br />

eine Gelegenheit, sich über ein innovatives<br />

Programm, das in diesem<br />

Jahr gestartet wurde, Wissen und<br />

Erfahrung im Compliance-Bereich<br />

anzueignen. Die in Singapur ansässige<br />

Compliance Academy unterstützt mit<br />

dem neuen Ansatz die Ausbildung<br />

in diesem Fachgebiet. Das zweijährige<br />

Programm besteht aus Klassenunterricht<br />

und Stellenrotation in der Praxis.<br />

Die Academy ermöglicht der Credit<br />

Suisse auch, motivierte Mitarbeitende<br />

zu gewinnen, gleichzeitig Verständnis<br />

für das Thema zu schaffen und die<br />

Marke zu stärken. Das Programm ist<br />

auf die Ziele der Monetary Authority<br />

von Singapur abgestimmt. Nach<br />

dem Abschluss erhalten erfolgreiche<br />

Absolventen sowohl eine interne Zertifi<br />

zierung der angesehenen Business<br />

School der Credit Suisse als auch<br />

ein Diplom in Compliance der International<br />

Compliance Association.<br />

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Der Mensch und die <strong>Zeit</strong><br />

Eine neue Ausstellung im Musée International d’Horlogerie in La Chaux-de-<br />

Fonds in der Schweiz bietet – unter anderem dank der Unterstützung der<br />

Credit Suisse Foundation – einen umfassenden historischen Überblick über<br />

die nicht mechanische <strong>Zeit</strong>messung. Die Ausstellung «L’homme et le<br />

temps» (Der Mensch und die <strong>Zeit</strong>) präsentiert beispielsweise eine Sanduhr,<br />

welche die Redezeit eines Anwalts im alten Griechenland anzeigte, sowie<br />

eine funktionierende Reproduktion der ägyptischen Kamak-Uhr, der ältesten<br />

bekannten Wasseruhr. «Ohne die Unterstützung der Credit Suisse wäre<br />

eine Ausstellung von dieser Qualität und Grössenordnung nicht realisierbar<br />

gewesen», erklärte Nicole Bosshart, stellvertretende Leiterin des Museums,<br />

gegenüber dem <strong>bulletin</strong>.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


52 Credit Suisse<br />

«Die Aktion wird von den Bedürftigen<br />

auch als Zeichen der Solidarität<br />

geschätzt.» Josef Reinhardt<br />

Eine Mitarbeiterin des Moldawischen Roten Kreuzes verteilt in der<br />

Schweiz gesammelte Gaben an ein älteres Ehepaar auf dem Land.<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 53<br />

Text: Bernard van Dierendonck<br />

Corporate Volunteering<br />

Doppeltes<br />

Geschenk<br />

Den Überfluss weiterschenken,<br />

das ist die Idee von «2 x Weihnachten».<br />

Auch dieses Jahr liegen beim<br />

Schweizerischen Roten Kreuz wieder<br />

rund 400 Tonnen Geschenke auf<br />

dem Gabentisch. Die Volunteers der<br />

Credit Suisse helfen beim Sortieren<br />

der Pakete und erfahren dabei<br />

einiges über die Not vieler Menschen<br />

in Osteuropa.<br />

Jedes Jahr beteiligen sich zahlreiche<br />

Schweizerinnen und Schweizer an<br />

der Aktion «2 x Weihnachten». Beispielsweise<br />

indem sie Lebensmittel<br />

und Hygieneartikel für Menschen<br />

in Osteuropa kaufen oder Spielzeug<br />

für bedürftige Familien in der Schweiz<br />

sammeln – etwa das Memory­Spiel, das der<br />

Götti nun schon zum zweiten Mal unter den<br />

Christbaum gelegt hat. Die Gaben verpacken<br />

sie in eine stabile Schachtel und bringen sie<br />

mit dem Vermerk «2 x Weihnachten» versehen<br />

auf die Post.<br />

Eine Aktion mit Tradition<br />

Foto: Amer Kapetanović,<br />

«2 x Weihnachten» ist in der Schweiz ein fester<br />

Begriff und geht auf eine Initiative von<br />

Radio DRS 1 zurück. Vor 14 Jahren wurde<br />

dort die Idee lanciert, dass Weihnachtsgeschenke,<br />

die nicht gebraucht werden, an Bedürftige<br />

weitergeschenkt werden sollten.<br />

Als Partner holte das Radio die Post an Bord,<br />

die während rund zweier Wochen die am<br />

Schalter abgegebenen Pakete kostenlos zum<br />

dritten Partner, dem Schweizerischen Roten<br />

Kreuz (SRK), befördert. Das SRK sortiert<br />

schliesslich die angelieferte Ware und verteilt<br />

die Geschenke an Menschen in der<br />

Schweiz und in Osteuropa, die froh sind um<br />

jede Unterstützung. Auch dieses Jahr werden<br />

im SRK­Logistikzentrum in Wabern wieder<br />

rund 72 000 Pakete mit einem Gesamtgewicht<br />

von 400 Tonnen erwartet. ><br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


54 Credit Suisse<br />

«Das Spenden von Naturalien hat bei Hilfswerken<br />

Seltenheitswert», sagt Josef Reinhardt,<br />

Leiter der SRK Katastrophenhilfe<br />

Schweiz und Koordinator von «2 x Weihnachten».<br />

Obwohl man mit den Naturalien weder<br />

den Hunger noch die Armut langfristig bekämpfen<br />

kann, helfen die Gaben vielen Menschen<br />

wenigstens über den harten Winter<br />

hinweg. «Diese Aktion wird von den Bedürftigen<br />

auch als Zeichen der Solidarität geschätzt»,<br />

erklärt Reinhardt den 40 ehrenamtlichen<br />

Helferinnen und Helfern, die sich<br />

während der letzten Aktion, also im Januar<br />

20<strong>11</strong>, im Logistikzentrum des SRK eingefunden<br />

haben. In einem Vortrag erläutert<br />

Reinhardt, dass die Geschenke in Moldawien<br />

verteilt werden sollen. Das kleine Land an<br />

der rumänischen Grenze war einst die Weinund<br />

Gemüsekammer der Sowjetunion – heute<br />

gehören die 3,3 Millionen Einwohner zu<br />

den ärmsten Europas.<br />

Kinder in der<br />

moldawischen Kleinstadt<br />

Ungheni. Auch sie werden<br />

mit Gaben beschenkt,<br />

die die Volunteers im<br />

Verteilzentrum in Wabern<br />

sortiert und verpackt<br />

haben (Bild unten).<br />

Solidarität mit den Ärmsten<br />

Jeder dritte erwerbsfähige Moldawier arbeitet<br />

im europäischen Ausland – und dies nicht<br />

immer auf legaler Basis. Zurück bleiben alte<br />

Menschen und Kinder. In diesem Zusammenhang<br />

spreche man auch von so genannten<br />

Eurowaisen, erläutert Reinhardt. Die Kinder,<br />

die bei ihren oft selbst pflegebedürftigen<br />

Grosseltern landen oder in überfüllte Kinderheime<br />

abgeschoben werden, seien zwar keine<br />

eigentlichen Waisen, erlebten aber psychisch<br />

oft dasselbe schwerwiegende Trauma des<br />

Verlassenwerdens seitens ihrer Eltern.<br />

Dass die Auswanderer das oft schwarz<br />

verdiente Geld zurück an die Familie in der<br />

Heimat überweisen, ist nicht der Regelfall.<br />

Dennoch, die Summe dieser Gelder übersteigt<br />

das BIP. Ohne diesen Geldfluss wäre<br />

Moldawien verloren. Und so hüten die zurückgebliebenen<br />

alten Menschen die Enkelkinder<br />

und versuchen, mit 50 Franken Rente<br />

pro Monat über die Runden zu kommen. Eine<br />

Rente, die nicht für Medikamente oder für<br />

das Heizen im Winter reicht. Sanitäre Einrichtungen<br />

gibt es kaum, nur jedes zehnte<br />

Haus ist an die Kanalisation angeschlossen,<br />

Wasser holt man vom Dorfbrunnen.<br />

Auf Besuch vor Ort<br />

Engagement der Credit Suisse<br />

Die Bank unterstützt «2 x Weihnachten»<br />

seit 2009 im Rahmen des Programms<br />

Corporate Volunteering Schweiz. Bisher<br />

standen insgesamt 972 Mitarbeitende<br />

für die Aktion im Einsatz. Beim Schweizerischen<br />

Roten Kreuz (SRK) in Wabern<br />

und bei den kantonalen Verbänden halfen<br />

alleine dieses Jahr 438 Volunteers beim<br />

Aussortieren und Verteilen der Geschenke.<br />

Bereits vorher hat die Bank in ihren<br />

Geschäftsstellen in Zürich, Aarau und<br />

Genf eine interne Sammlung durchgeführt.<br />

Auf diese Weise kamen zusätzlich<br />

zwei Tonnen Geschenke beim SRK auf<br />

den Gabentisch. Die Credit Suisse wird<br />

auch im Dezember 20<strong>11</strong> und Januar 2012<br />

interne Geschenksammlungen in Zürich<br />

durchführen. Zudem sind seit dem<br />

1. November die Termine für die Aktion<br />

in Wabern aufgeschaltet. Der Andrang<br />

auf die Daten ist gross, denn der<br />

Einsatz ist bei vielen Teams beliebt.<br />

Anfang Juni reiste eine Delegation des SRK<br />

und der Credit Suisse nach Moldawien und<br />

Rumänien. Sie besuchte mehrere bedürftige<br />

Familien und Institutionen, um zu überprüfen,<br />

ob die Waren aus der letztjährigen Geschenkaktion<br />

auch am Bestimmungsort angekommen<br />

und in die richtigen Hände verteilt worden<br />

sind. Die Verteilung der Güter vor Ort<br />

findet in enger Zusammenarbeit mit dem<br />

Moldawischen Roten Kreuz statt. Vasile Chernenchi,<br />

Leiter des Roten Kreuzes in Moldawien,<br />

sagt: «Die Zusammenarbeit mit dem<br />

SRK funktioniert sehr gut. Die sozialen und<br />

politischen Verhältnisse in unserem Land sind<br />

sehr schwierig, die meisten Menschen finden<br />

keine Arbeit und der Alkohol ist ein weitverbreitetes<br />

Problem. Entsprechend gross ist die<br />

Not der Menschen hier. Indem wir bedürftige<br />

Menschen regelmässig besuchen, haben wir<br />

ein sehr genaues Bild davon, welche Familie<br />

welche Dinge benötigt.»<br />

Die Delegation aus der Schweiz besuchte<br />

Familien und ältere, alleinstehende Personen<br />

in mehreren Dörfern. Zahra Darvishi, Leiterin<br />

Corporate Citizenship Schweiz, zeigte sich<br />

betroffen von all den Erlebnissen in Moldawien.<br />

Bewegt spricht sie von einem Kinderheim<br />

in Larga im Norden Moldawiens, nahe der<br />

Grenze zu Rumänien: «Die Kinder, die hier im<br />

Heim leben, haben Schreckliches durchgemacht.<br />

Sie wurden von ihren Eltern regelrecht<br />

abgeschoben, nur gerade zwei Eltern<br />

haben sich noch einmal nach ihren Kindern<br />

erkundigt. Der Vater eines siebenjährigen<br />

Mädchens wollte es gar für ein halbes Glas<br />

Wein an einen Zuhälter verkaufen. Die Leiterin<br />

des Kinderheims und die Betreuerinnen<br />

leisten jedoch Grossartiges: Mit viel Geduld<br />

und Einfühlungsvermögen versuchen sie,<br />

Fotos: Bernard van Dierendonck | Amer Kapetanović, Courtesy Swiss Post<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 55<br />

Romana Wood, Mirjam Beeler und Christophe<br />

Kuenzler engagieren sich im Rahmen<br />

des Credit Suisse Programms Corporate<br />

Volunteering. Die Freiwilligen sortieren die<br />

eingegangenen Kleider, mit Atemmasken vor<br />

der staubigen Luft geschützt. Sie trennen<br />

Brauchbares von Unbrauchbarem, werfen<br />

löchrige T­Shirts in den Abfallsack, falten<br />

Kinderkleider und legen sie in die entsprechende<br />

Box. «Ich hätte viel mehr dreckige<br />

Sachen erwartet», sagt Beeler, «stattdessen<br />

überwiegen neuwertige oder eigens gestrickte<br />

Kleider. Wir entdeckten sogar zwei Pelzmäntel.»<br />

Und Wood meint: «Der Vortrag über<br />

die Situation in Osteuropa war sehr motivierend.<br />

Ich möchte mich in Zukunft mehr<br />

engagieren.» Auch Kuenzler erklärt: «Direkt<br />

anzupacken, macht nicht nur Sinn, sondern<br />

auch Spass. Ein solcher Arbeitseinsatz sollte<br />

für jeden Angestellten obligatorisch sein.»<br />

Neuwertige Geschenke<br />

Kinder in einem Heim in Larga, im Norden Moldawiens, glücklich über die erhaltenen<br />

Geschenke. Ihr grösster Wunsch für die Zukunft: ein einfaches Fahrrad.<br />

den traumatisierten Kindern etwas Wärme<br />

und Sicherheit zurückzugeben. Eine sehr<br />

schwierige Aufgabe, wenn es an Mitteln fehlt.<br />

Die Situation vor Ort zu sehen, motiviert<br />

uns klar, noch mehr zu tun.» Da sich bei der<br />

Begegnung mit den 30 Kindern und Jugendlichen<br />

herausstellte, dass ihr sehnlichster<br />

Wunsch ein einfaches Fahrrad ist, startete<br />

die Credit Suisse noch im Sommer eine<br />

Sammelaktion unter den Mitarbeitenden:<br />

Schliesslich konnten 28 Velos via SRK ins<br />

Kinderheim nach Moldawien gesandt werden.<br />

Keine Teigwaren nach Afrika<br />

Im Sortierzentrum in Wabern erzählt Reinhardt<br />

derweil von einem anderen SRK­Einsatz in<br />

Tuzla, in der Nähe von Srebrenica in Bosnien<br />

und Herzegowina. Dort konnte eine Suppenküche<br />

eingerichtet werden. «Dank der Suppenabgabe<br />

kamen die alten Leute aus ihren<br />

dürftigen, trostlosen Behausungen und hatten<br />

endlich etwas Warmes zu essen. Die Not<br />

trifft Kinder und alte Menschen immer am<br />

härtesten», so Reinhardt über die Situation<br />

in Osteuropa.<br />

Ein Volunteer möchte wissen, wieso mit<br />

der Aktion «2 x Weihnachten» nicht auch<br />

Menschen in Haiti oder Afrika geholfen wird.<br />

«Es macht für uns keinen Sinn, Teigwaren<br />

aus der Schweiz nach Afrika zu transportieren»,<br />

antwortet Reinhardt. In den weit entfernten<br />

Katastrophengebieten kauft das SRK<br />

«Die Moral der<br />

Schenkenden ist sehr<br />

hoch.» Jürg Zbinden<br />

die Lebensmittel vor Ort ein. Die Geschenke<br />

werden daher zur Hälfte mit Lastwagen in<br />

die osteuropäischen Länder Weissrussland,<br />

Moldawien und Bosnien und Herzegowina<br />

gefahren. Die andere Hälfte kommt Bedürftigen<br />

in der Schweiz zugute: Rentnern, die<br />

unter der Armutsgrenze leben, von der Sozialhilfe<br />

abhängigen Familien und alleinerziehenden<br />

Müttern, Kinderheimen sowie Asylunterkünften.<br />

Einsatz im Sortierzentrum<br />

In der Halle, in der die Geschenke angeliefert<br />

werden, wird emsig gearbeitet. Die<br />

Freiwilligen schneiden die Pakete mit scharfen<br />

Messern auf und breiten die Waren auf<br />

einem Fliessband aus. Stofftiere wandern in<br />

eine Kiste, Spielsachen gelangen auf einen<br />

Tisch, wo sie auf ihre Vollständigkeit überprüft<br />

werden. Für Lebensmittel stehen orange<br />

Einkaufskörbe bereit. Bei jeder Packung<br />

Teigwaren, jeder Schokolade oder Gemüsekonserve<br />

wird das Ablaufdatum überprüft,<br />

bevor das Gut in die entsprechenden Kartonschachteln<br />

gepackt wird. «Die Moral<br />

der Schenkenden ist sehr hoch», sagt Jürg<br />

Zbinden vom SRK, der die Sortierarbeit koordiniert.<br />

«Nur sechs Prozent der Ware ist<br />

unbrauchbar. Das sind aber immerhin zwei<br />

Tonnen pro Woche.» Was auffällt: Der grösste<br />

Teil, rund 70 Prozent der Geschenke, wurden<br />

extra für «2 x Weihnachten» gekauft.<br />

Aufgrund dieser Beobachtung hat das<br />

SRK auf www.2xweihnachten.ch ein Projekt<br />

lanciert: Für 20, 50 oder 100 Franken kann<br />

man sich einen virtuellen Einkaufskorb zusammenstellen.<br />

Mit dem Geld – letztes Jahr<br />

waren es 60 000 Franken – geht das SRK<br />

vor Ort auf Einkaufstour. Damit sollen Spender<br />

angesprochen werden, die lieber vom PC<br />

aus wohltätig sind, als dass sie ein Paket<br />

zur Post bringen. Josef Reinhardt: «Solche<br />

Spenden sind für uns natürlich kosteneffizient.<br />

Allerdings tritt bei den virtuellen Geschenken<br />

die ursprüngliche Idee des Weiterschenkens<br />

etwas in den Hintergrund. Darum<br />

bleibt diese Option nur eine Alternative. Denn<br />

die Stärke von «2 x Weihnachten» ist der<br />

Symbolcharakter: Alle können konkret und<br />

unmittelbar helfen.»<br />

Mehr zum Thema<br />

Unser Videoteam hat die Aktion «2 x Weihnachten»<br />

in der Schweiz und in Moldawien begleitet:<br />

www.credit­suisse.com/responsibility<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


«ICH BIN FAN VOM ROTEN KREUZ.<br />

DANK IHM KONNTE MEIN KIND GESUND<br />

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25 Franken<br />

für Mutter und Kind<br />

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Vereint gegen Not und Elend<br />

Jede Minute stirbt weltweit eine Frau an den Folgen von<br />

Schwangerschaft oder Geburt. Bitte werden auch Sie Fan<br />

vom Roten Kreuz: Nur mit Ihrer Unterstützung können<br />

wir gemeinsam Menschen in Not und Elend helfen.<br />

Jetzt Fan werden: www.redcross.ch oder<br />

Dieses Inserat wurde durch die Unterstützung der Credit Suisse ermöglicht.


Malawi Credit Suisse 57<br />

Foto: © Bernard van Dierendonck<br />

Wenn die Bank jeweils<br />

am Montag ins Dorf rollt<br />

Die Credit Suisse engagiert sich seit 2003 im Bereich Mikrofinanz. Sie arbeitet<br />

mit verschiedenen, spezialisierten Partnerorganisationen zusammen und unterstützt<br />

diese. <strong>bulletin</strong> hat mit einem Kreditberater von Opportunity International zwei<br />

Mikrofinanz-Kundinnen im Süden von Malawi besucht.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


58 Credit Suisse Malawi<br />

Oben Zusammen mit einer Angestellten bäckt Ellen Patrick an einem Arbeitstag rund 600 Brötchen. Diese<br />

verkauft sie dann auf dem Markt für umgerechnet 5 Rappen pro Stück. Oben rechts Martha Chawanda verkauft<br />

auf dem Markt von Mulanje Secondhand­Kleider. Der Kleinkredit von Opportunity war eine wichtige Starthilfe.<br />

unten rechts Anthony Musonzo ist Mitarbeiter bei Opportunity International und betreut unter anderem Ellen.<br />

Ellen Patrick empfängt uns früh am Morgen mit dem jüngsten ihrer<br />

vier Kinder vor ihrem Haus in Mathambi, einem kleinen Dorf im Hinterland<br />

des Mulanje­Distrikts im Süden Malawis. Der Distrikt ist<br />

nach dem Bergmassiv Mulanje benannt, dessen höchster Punkt<br />

mit 3002 Metern zugleich der höchste Berg Zentralafrikas ist. Der<br />

Anblick des mächtigen, alleinstehenden Inselbergs ist im Süden<br />

Mal awis allgegenwärtig. Ellen führt uns kurz durch das sehr ein fache<br />

Haus mit vom Rauch geschwärzten Wänden. Sie ist spät dran und<br />

drängt zum Aufbruch.<br />

Auf roter Lehmerde gehts über Hintersträsschen vorbei an kleinen<br />

Läden, Schneiderbuden, durch den Gemüsemarkt zur kleinen<br />

Bäckerei von Ellen. Dort hat ihre Angestellte bereits mit dem Zubereiten<br />

des Teigs begonnen. Schnell wäscht sich die Chefin die Hände<br />

und packt sofort mit an. Rund 600 Brötchen backen die beiden<br />

an einem normalen Tag und verkaufen sie danach auf dem Markt für<br />

10 Kwachas, was umgerechnet etwa 5 Rappen sind. Damit nimmt<br />

sie an einem guten Tag rund 30 Franken ein.<br />

Kredit über Vertrauensgruppe<br />

Ellen erzählt gerne ihre Geschichte. Wie sich das Leben der 30­jährigen,<br />

alleinerziehenden Mutter von drei leiblichen Kindern und<br />

einem verwaisten Pflegekind dank der Möglichkeit eines ersten<br />

Kredits zum Besseren wandte. Vor zwei Jahren wurde sie in die<br />

Vertrauensgruppe Tisaiwale aufgenommen, was in der Landessprache<br />

Chichewa «nicht vergessen» bedeutet. Bei Menschen ohne jegliche<br />

Sicherheiten treten solche so genannten Vertrauensgruppen<br />

(auf Englisch Trust Groups) als Kreditnehmer gegenüber der Bank<br />

auf, und das Kollektiv bürgt für die einzelnen Mitglieder. Ellen bekam<br />

so einen ersten Kredit über 5000 Kwachas (25 Franken). Damit<br />

kaufte sie sich einen 50­Kilogramm­Sack Mehl sowie Öl und Salz,<br />

um im grossen Stil Brötchen zu backen und zu verkaufen. Mit dieser<br />

ersten Investition erzielte sie einen Umsatz von 9500 Kwachas, wovon<br />

sie 3000 Kwachas auf ein neu eröffnetes Sparkonto einzahlte.<br />

Der Grundstein einer kleinen unternehmerischen Erfolgsgeschichte<br />

war gelegt.<br />

Dass Ellen diese Finanzdienstleistungen mehrere Gehstunden<br />

von der nächsten Bankfiliale entfernt in ihrem kleinen Dorf im Hinterland<br />

Malawis nutzen kann, ist der Mikrofinanz­Bank Opportunity<br />

International zu verdanken. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, dort,<br />

wo die Menschen nicht zur Bank gehen können, die Bank mit der<br />

Hilfe von modernster Technologie zu den Menschen zu bringen. Im<br />

Fall von Ellen ist das ein älterer, roter Toyota­Geländewagen, der<br />

jeweils am Montag ins Dorf rollt, um dort die Finanzdienstleistungen<br />

von Opportunity anzubieten. Im Heck ist eine kleine, aber feine<br />

Bankfiliale untergebracht.<br />

Zwei Bankangestellte identifizieren ihre Kunden, die in den wenigsten<br />

Fällen über Ausweispapiere verfügen und häufig auch nicht<br />

lesen und schreiben können, mit Hilfe von Smart Cards und biometrischen<br />

Fingerabdrücken, die sie mit modernen Scannern einlesen.<br />

Diese Möglichkeit kommt auch in den kleinen Filialen auf den Märk­<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Malawi Credit Suisse 59<br />

ten der Städte zur Anwendung – sei es in der Bank selber am Schalter<br />

oder bei den Automaten davor.<br />

Sparkonto wichtiger als Kredit<br />

Fotos: © Bernard van Dierendonck<br />

Rückblickend meint Ellen: «Früher war es mir nicht möglich, Kleider<br />

und Essen für mich und meine Kinder zu kaufen. Dank der Starthilfe<br />

von Opportunity konnte ich ein erfolgreiches, kleines Geschäft<br />

aufbauen.» Mittlerweile seien für sie aber weniger die Kredite wichtig<br />

als vielmehr ein sicherer Ort für ihr erspartes Geld. «Bevor wir<br />

den Bank­Truck im Dorf hatten, gab ich das verdiente Geld meistens<br />

sofort wieder aus. Heute zahle ich es jeweils am Montag auf mein<br />

Sparkonto ein und greife erst dann wieder darauf zurück, wenn ich<br />

es dringend brauche», führt Ellen aus. Sehr zufrieden sei sie auch<br />

mit dem Kreditberater ihrer Gruppe, Antony Musonzo, der sich i mmer<br />

viel <strong>Zeit</strong> nehme und ihnen nicht nur bei Finanzproblemen mit Rat und<br />

Tat zur Seite stehe. Für Antony ist Ellen eine Musterkundin, die ihre<br />

Raten immer sehr gewissenhaft zahlt und mittlerweile ihren fünften<br />

Kredit bezogen hat. Es mache ihm aber auch Freude zu sehen, wie<br />

sich Ellen persönlich verändert habe. «Früher war Ellen eine sehr<br />

schüchterne und unsicher auftretende Person. Heute nimmt sie<br />

selbstsicher an den Meetings der Vertrauensgruppe teil», sagt<br />

Antony. Auch sei ihr Ansehen in der Gemeinschaft klar gewachsen,<br />

was sich daran zeige, dass sie häufig zur Teilnahme in Hochzeitskomitees<br />

oder Planungsgruppen der Kirche eingeladen werde oder<br />

auch andere Frauen des Dorfes berate.<br />

Geldüberweisung per Handy<br />

Einen sehr selbstbewussten Eindruck macht auch Martha Chawanda<br />

rund eine Autostunde entfernt auf dem Markt von Mulanje am Fuss<br />

des mächtigen Gebirgsmassivs. Dort sitzt sie umringt von riesigen<br />

Haufen von Secondhand­Kleidern am Strassenrand, direkt gegenüber<br />

der neuen Filiale von Opportunity. In ihrem Schoss ein kleines<br />

Kind, eines von zwei Waisenkindern, die sie bei sich aufgenommen<br />

hat. Als ihr Mann vor fünf Jahren starb, stand Martha plötzlich allein<br />

da mit zwei Kindern und ohne jegliches Auskommen. Als Mitglied<br />

der Trust Group Maganizo Abwino (Gute Gedanken) bekam sie einen<br />

ersten Kredit von 20 000 Kwachas (100 Franken). Dieses Geld<br />

legte den Grundstock für ein kleines Secondhand­Kleidergeschäft.<br />

Nachdem sie den ersten Kredit zurückbezahlt hatte, waren auf dem<br />

Sparkonto noch 30 000 Kwachas übrig. Diese investierte sie zusammen<br />

mit weiteren 30 000 Kwachas aus einem zweiten Kredit in ein<br />

grösseres Geschäft im Mulanje­Markt. Mittlerweile ist sie am Abbezahlen<br />

des fünften Kredits. Und die Geschäfte laufen gut. Sie zahlt<br />

regelmässig in der gegenüberliegenden Opportunity­Filiale Geld auf<br />

ihr Konto ein. In dieser Woche waren es über 30 000 Kwachas. «Mit<br />

diesem Geld auf dem Konto kann ich sehr einfach meine laufenden<br />

Rechnungen bezahlen», erklärt Martha, «denn ich mache das häufig<br />

übers Handy mit dem Mobile Banking von Opportunity, was sehr<br />

praktisch ist. Es gibt keine langen Warteschlangen und ich kann<br />

meiner Mutter, die in der Hauptstadt Lilongwe wohnt, Geld überweisen<br />

– selbst in der Nacht, wenn die Bank geschlossen ist.» Der<br />

Geschäftserfolg erlaubt Martha, ihre Kinder auf bessere Schulen zu<br />

schicken, die Mutter zu unterstützen und für ein neues Haus beiseitezulegen.<br />

Entsprechend macht sie an diesem Abend, als die<br />

Sonne langsam hinter dem Mulanje versinkt und sie die Kleider berge<br />

in riesige Säcke packt, auch einen sehr zufriedenen Eindruck.<br />

Zuversichtlich scheint sie dem nächsten Tag auf dem Markt von<br />

Mulanje entgegenzublicken. Daniel Huber<br />

Die fahrende Bank<br />

Jeden Montag kommt<br />

ein älterer, roter Toyota­<br />

Geländewagen von<br />

Opportunity International<br />

nach Mathambi (oben).<br />

In seinem Heck befindet<br />

sich eine kleine Bankfiliale.<br />

Die Kunden, die oft<br />

keine Ausweise besitzen<br />

und weder lesen noch<br />

schreiben können, werden<br />

mit Hilfe von Smart<br />

Cards und biometrischen<br />

Fingerabdrücken identifiziert,<br />

die mit modernen<br />

Scannern eingelesen<br />

werden (Mitte). Dieses<br />

System wird auch in den<br />

grösseren Orten in den<br />

Filialen nahe der Märkte<br />

angewandt.<br />

Credit Suisse und Mikrofinanz<br />

Wir fördern Initiativen und entwickeln innovative Lösungen, um<br />

eine Brücke von der Spitze zur Basis der Einkommenspyramide zu<br />

schlagen. Damit soll allen Menschen der Zugang zu grundlegenden<br />

Finanzdienstleistungen ermöglicht werden. Um den Mikrofinanz-<br />

Sektor weiter zu fördern und zu unterstützen, hat die Credit Suisse<br />

2008 die «Microfinance Capacity Building Initiative» ins Leben gerufen.<br />

Die Initiative legt den Fokus auf die Ausbildung von Personen<br />

und die Entwicklung von Prozessen in Mikrofinanz-Institutionen<br />

sowie auf deren Produktangebot. Die Credit Suisse arbeitet im<br />

Rahmen dieser Initiative mit sieben ausgesuchten Partnerorganisationen<br />

zusammen: ACCION, FINCA, Swisscontact, Opportunity<br />

International, PlaNet Finance, Women’s World Banking und Swiss<br />

Capacity Building Facility.<br />

Opportunity International<br />

Mit über 800 000 Sparkunden, 1,5 Millionen Kreditnehmern und<br />

1,4 Millionen Kunden im Bereich Mikroversicherung ist Opportunity<br />

International eine der grössten Mikrofinanz-Organisationen weltweit.<br />

Opportunity ist führend, was den Aufbau, den Besitz und den<br />

Betrieb von regulierten Bankinstituten für die Ärmsten der Welt<br />

betrifft. Zudem werden Finanzprodukte und Schulungen angeboten.<br />

Die Credit Suisse unterstützt das Opportunity-Projekt «elektronische<br />

Brieftasche». Dabei wird durch den Einsatz von mobilen Banken,<br />

Geldautomaten, Smart Cards und kleinen Verkaufsstellen die Bank<br />

zu den Kunden gebracht. Auch können durch den Einsatz von<br />

biometrischen Technologien unternehmer, die nicht über formelle<br />

Ausweispapiere verfügen, erstmals Bankgeschäfte tätigen.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


60 Leader<br />

«Bis 2<strong>05</strong>0 sollte die Nutzung<br />

von Sonnenenergie aus<br />

dem Weltraum möglich sein.»<br />

«In fünf Jahren werden wir in der Lage<br />

sein, die erste Leber zu züchten.»<br />

«Wir erleben keine Explosion,<br />

sondern eine Implosion<br />

des Bevölkerungswachstums.»<br />

Foto: Credit Suisse<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Leader 61<br />

«Noch gibt es keinen Jungbrunnen,<br />

aber er ist in Sicht.»<br />

«Das Wort Tumor wird wahrscheinlich aus<br />

unserem Wortschatz verschwinden,<br />

da wir nicht länger daran leiden werden.»<br />

Michio Kaku, amerikanischer Physiker<br />

Dieses Interview fand im Rahmen der Credit Suisse Thought Leadership Conference 20<strong>11</strong> in Horgen statt.<br />

Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

Wollen wir<br />

ewig leben?<br />

Durchbrüche in der genetischen und molekularen Medizin werden<br />

die Heilkunst im nächsten Jahrzehnt revolutionieren, prophezeit<br />

der Futurist und Physiker Michio Kaku. Wir werden unsere Energieprobleme<br />

lösen und zunehmend auf die Nanotechnologie setzen.


62 Leader<br />

«Man könnte einen Weltraumlift bauen – die ‹Aufwärts›-Taste drücken<br />

und sich an einem Kabel, das durch die Zentrifugalkraft<br />

aufrecht gehalten wird, in den Weltraum katapultieren lassen.»<br />

Herr Kaku, wie befasst man sich als Physiker mit der <strong>Zeit</strong> ?<br />

Michio Kaku: Wir wissen, dass die <strong>Zeit</strong> ein Mass für Veränderung<br />

ist. Deshalb versuchen wir, Gleichungen und Modelle von<br />

Galaxien, Planeten und Atomen aufzustellen. Dann drücken wir<br />

die Vorspultaste, um zu sehen, wie sie sich im Verlaufe der<br />

<strong>Zeit</strong> entwickeln. Im Fall der globalen Erwärmung etwa haben wir<br />

Modelle für das Wetter und Gleichungen, die seinen Verlauf<br />

bestimmen. Wir drücken also die Vorspultaste, um seine Entwicklung<br />

zu verfolgen, aber auch die Rückspultaste, weil man auch<br />

die Vergangenheit richtig beurteilen oder berechnen können<br />

muss. Die Vergangenheit kennen wir. Wenn man mit einer Theorie<br />

die Vergangenheit nicht berechnen kann, dann ist sie offensichtlich<br />

falsch.<br />

Wo sehen Sie als Futurologe, der sich mit künftigen Trends<br />

befasst, die grossen Durchbrüche der nächsten zehn Jahre?<br />

Die Medizin hat sich von dem, was wir als Hexerei bezeichnen, zu<br />

einem Modell von Antibiotika, Impfstoffen und Hygiene gewandelt.<br />

Dieses Verständnis hat unsere Lebensspanne um 30 Jahre erhöht.<br />

Nun treten wir in ein neues <strong>Zeit</strong>alter der molekularen und genetischen<br />

Medizin, wo alles auf Proteine, DNA und RNA reduziert wird.<br />

Vielleicht werden wir sogar das Problem des Alterns lösen. Heute<br />

können wir die Lebensspanne der meisten Organismen nahezu<br />

verdoppeln – von Hefepilzen und Spinnen bis zu Hunden und Affen.<br />

Wie sind wir konkret dazu in der Lage?<br />

Wenn Sie einem Tier 30 Prozent weniger füttern, lebt es 30 Prozent<br />

länger. Dies wurde für jede Lebensform auf der Erde nachgewiesen,<br />

ausgenommen für den Menschen. Doch wer will schon<br />

30 Prozent weniger essen. Stattdessen versuchen wir, neue Gene<br />

zu finden, die den Alterungsprozess steuern. Wir wissen auch,<br />

dass dieser letztlich eine Anhäufung von genetischen und zellulären<br />

Fehlern ist. Gegenwärtig versuchen wir, die zelleigenen Reparaturmechanismen<br />

zu entschlüsseln, um das Altern zu stoppen. Noch gibt<br />

es keinen Jungbrunnen, aber er ist in Sicht.<br />

Heisst das, dass wir ewig leben können?<br />

Alligatoren und Krokodile altern anscheinend nicht und leben ewig.<br />

In freier Wildbahn sterben sie an Hunger, Unfällen und Krankheiten.<br />

Aber in Zoos leben sie so lange, dass wir ihr Alter noch nicht feststellen<br />

konnten. Mein Argument lautet also, dass wir nicht zwangsläufig<br />

altern müssen. Noch ist es nicht möglich, aber wir beginnen<br />

die Gene und molekularen Mechanismen zu entschlüsseln. Die<br />

Zellen haben beispielsweise eine biologische Uhr. Hautzellen teilen<br />

sich 60­mal, bevor sie alt werden und schliesslich absterben.<br />

Heute können wir die Uhr mit Hilfe eines Enzyms namens Telomerase<br />

anhalten. Wenn wir Hautzellen in einer Petrischale mit Telomerase<br />

in Kontakt bringen, teilen sie sich Tausende Male und<br />

werden unsterblich. Dabei müssen wir allerdings vorsichtig sein,<br />

denn auch Krebszellen sind unsterblich und deshalb tödlich.<br />

Wenn es uns jedoch gelingt, Hautzellen unsterblich zu machen,<br />

die bisher nicht krebsbefallen sind, dann ist das eine durchaus<br />

ermutigende Entwicklung. Wir beginnen heute den Alterungsprozess<br />

an mehreren Fronten zu entschlüsseln.<br />

Was zu einer massiven Überbevölkerung führen könnte!<br />

Nicht Überbevölkerung ist das Problem, sondern Unterbevölkerung.<br />

Das weltweite Bevölkerungswachstum verlangsamt sich angesichts<br />

des Wohlstands (wohlhabende Menschen wollen weniger Kinder),<br />

der Verstädterung (wenn Bauern in die Stadt ziehen, werden<br />

Kinder teuer, während sie bei der Feldarbeit auf dem Land ein Produktionsfaktor<br />

sind) und des höheren Bildungsniveaus der Frauen<br />

(besser ausgebildete Frauen können selbst über ihre Zukunft<br />

entscheiden). Zumindest in den Industrieländern erleben wir keine<br />

Explosion, sondern eine Implosion des Bevölkerungswachstums.<br />

Und selbst in der Dritten Welt führen die Aus­ und Weiterbildung<br />

von Frauen sowie die Verstädterung zu einem verlangsamten<br />

Bevölkerungswachstum. Die Zukunft der Menschheit ist also nicht<br />

düster.<br />

Sind weitere Durchbrüche in der Medizin zu erwarten?<br />

Die «Menschenwerkstatt». Wir werden Organe aus unseren eigenen<br />

Zellen züchten, um die Abstossung zu vermeiden. Schon<br />

heute können wir aus eigenen Zellen Haut, Blut, Knochen, Knorpel,<br />

Nasen, Ohren, Blutgefässe, Herzklappen und Blasen züchten.<br />

In fünf Jahren werden wir in der Lage sein, die erste Leber zu<br />

züchten.<br />

Werden wir irgendwann alle Organe ersetzen können?<br />

Es gibt Grenzen, insbesondere in Bezug auf das Gehirn. Aber<br />

vielleicht werden wir in Zukunft einfach embryonische Stammzellen<br />

ins Gehirn injizieren, sodass man danach einzelne Fähigkeiten<br />

wie das Radfahren lediglich neu erlernen muss.<br />

Zeichnen sich auch im Kampf gegen Krebs Durchbrüche ab?<br />

Das Wort Tumor wird wahrscheinlich aus unserer Sprache verschwinden,<br />

da wir nicht länger daran leiden werden. Erstens wird<br />

Ihre Toilette über einen Chip verfügen, der Bruchstücke von<br />

DNA und Proteinen aus Krebszellen schon zehn Jahre vor der Entstehung<br />

eines Tumors erkennt. Dies wird die Erforschung der<br />

Krebsdiagnose revolutionieren. Zur Bekämpfung von Krebs, der bereits<br />

in der Entstehung ist, entwickeln wir inzwischen Nanopartikel –<br />

Moleküle, die Krebszellen angreifen und abtöten, während gewöhnliche<br />

Zellen unversehrt bleiben. Diese neue Technologie hat sich<br />

in jüngsten klinischen Versuchen gegen Tumore zu 90 Prozent als<br />

wirksam erwiesen. Wir werden den Krebs auf molekularer Ebene<br />

angreifen. Das wird die Krebstherapie deutlich verbessern. Die<br />

Gentherapie ist ein weiteres Gebiet, auf dem rasche Fortschritte<br />

erzielt werden. Ich denke etwa an ein Gen namens P53. In defek­<br />

<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse


Leader 63<br />

«Wir sind zwar heute noch von fossilen Brennstoffen abhängig,<br />

aber wir treten allmählich ins Wasserstoffzeitalter ein.»<br />

ter oder mutierter Form ist es an 50 Prozent aller gängigen Krebstypen<br />

beteiligt – der Meister unter den Krebsgenen. Im Anschluss<br />

an ein Experiment zur Reparatur von P53 gelang es Ärzten, eine<br />

spezielle Form von Leukämie zu heilen. Auch hat man das Gen isoliert,<br />

das die Körpermasse reguliert – etwa die Muskelmasse.<br />

Dies könnte Auswirkungen für die Sportindustrie haben …<br />

Sicher, im Olympischen Komitee macht man sich Sorgen, dass<br />

Sportler bald künstlich und auf betrügerische Weise an Muskelmasse<br />

zulegen könnten. Davon wären unter anderem Fussball, Baseball<br />

und andere Profisportarten betroffen. Würden Sie Eintrittsgeld für<br />

zwei gentechnisch optimierte Mannschaften bezahlen, nur um zu<br />

sehen, welche den besseren Genetiker in den Reihen hat? Heute<br />

werden Trainer bezahlt, um Sportlern die beste Ernährung und die<br />

besten Trainingsmethoden zu ermöglichen. Warum also nicht einen<br />

Genetiker anstellen, damit die Sportler die besten Gene erhalten?<br />

Das wird schon bald zu einer ethischen Frage!<br />

Wozu werden diese Genetiker sonst noch in der Lage sein?<br />

Ich vermute, dass wir bis Mitte des nächsten Jahrhunderts ausgestorbene<br />

Tiere wie das Mammut wieder zum Leben erwecken<br />

können – vielleicht sogar den Neandertaler. Das Neandertalergenom<br />

wurde bereits sequenziert.<br />

Wie steht es diesbezüglich mit unseren eigenen Genen?<br />

Heute kostet es 50 000 US­D, um jedes einzelne Gen in einem<br />

Körper zu sequenzieren. Als die Gene des ersten Menschen gelesen<br />

wurden, lag der Preis noch bei 3 Milliarden Dollar. Dieser Betrag<br />

wird bis gegen 100 Dollar sinken. Ich selbst liess meine Gene<br />

scannen und meine Vorfahren bis 20 000 Jahre zurückverfolgen.<br />

Kann die Wissenschaft voraussagen, woran man sterben wird?<br />

Nein. Aus den Ergebnissen der Gensequenzierung lässt sich zwar<br />

unsere genetische Veranlagung ablesen, nicht jedoch eine genaue<br />

Todesursache.<br />

Wie sehen die zukünftigen Trends im Energiebereich aus?<br />

Noch sind wir zwar von fossilen Brennstoffen abhängig, aber<br />

wir treten allmählich ins Wasserstoffzeitalter ein. Das will ich gern<br />

erklären: Die gesamte Energie kommt von der Sonne, und die<br />

Sonne wiederum bezieht ihre Energie aus Wasserstoff. Erdöl und<br />

Gas entstehen durch konzentrierte Sonneneinstrahlung – ein<br />

Prozess, der seit Urzeiten stattfindet. Aber ich glaube, dass es im<br />

nächsten Jahrzehnt eine Kombination aus fossilen Brennstoffen<br />

und erneuerbaren Energien geben wird. Im Mittel steigen die<br />

Benzinpreise an, während die Preise für erneuerbare Energien<br />

tendenziell sinken. In etwa zehn Jahren dürften sich die beiden<br />

Kurven kreuzen.<br />

Warum ist erneuerbare Energie immer noch so teuer?<br />

Die Effizienz ist gering und die Speicherung ein Problem. Wenn die<br />

Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, entsteht keine<br />

Energie. Deshalb muss Elektrizität gespeichert werden, was bis<br />

heute noch sehr ineffizient ist. Wir werden also weiterhin Erdöl verbrauchen.<br />

Dieses wird nicht ausgehen, aber allein um mit dem<br />

wachsenden Bedarf Chinas und Indiens Schritt zu halten, müssten<br />

wir alle zehn Jahre Vorkommen wie jene in Saudi­Arabien entdecken.<br />

Dies wird nicht geschehen, sodass der Ölpreis unweigerlich<br />

steigen wird. Aber in zehn Jahren sind Wind­ und Sonnenenergie<br />

dank Steuervergünstigungen und Massenproduktion konkurrenzfähig.<br />

und in der ferneren Zukunft ?<br />

Wenn wir 20 Jahre vorausblicken, erschliesst sich eine neue<br />

Möglichkeit: die Fusion. Die Franzosen setzen voll auf den ITE­<br />

Fusionsreaktor in Südfrankreich, der 2019 in Betrieb genommen<br />

werden soll. In acht Jahren sollte dieser Reaktor somit in Betrieb<br />

sein und mehr Energie erzeugen, als hineingesteckt wird. Bis<br />

zur kommerziellen Nutzung dürften allerdings weitere zehn Jahre<br />

vergehen. Wir reden also frühestens von 2030.<br />

Können wir davon ausgehen, dass die Energieprobleme<br />

der Welt im Jahr 2030 gelöst sein werden?<br />

In Energiefragen bin ich zuversichtlich, weil die Kosten für erneuerbare<br />

Energieträger sinken und das Fusionszeitalter anbricht.<br />

Nehmen wir die globale Erwärmung. Einige Leute halten sie für ein<br />

langfristiges Problem, weil wir auf Jahrzehnte hinaus an fossile<br />

Brennstoffe gebunden sind. Ich bin anderer Meinung. Die globale<br />

Erwärmung ist zwar ein echtes Problem, aber ein vorübergehendes,<br />

das hinsichtlich neuer Kohlendioxidemissionen nicht über 2<strong>05</strong>0<br />

oder 2100 hinausreichen wird. Altes Kohlendioxid bleibt selbstverständlich<br />

in der Atmosphäre. Deshalb dürften gewisse Städte wie<br />

New Orleans und Venedig bis dann untergegangen sein.<br />

Wie funktioniert die Fusion genau?<br />

Bei der Fusion wird im Wesentlichen Meerwasser als Brennstoff<br />

genutzt. Meerwasser ist unbeschränkt vorhanden. Ausserdem<br />

fallen bei der Fusion nur geringe Abfallmengen an. Das einzige Problem<br />

ist, dass sie noch nicht existiert und somit rein hypothetisch<br />

ist. Aber die Franzosen investieren wie gesagt ernsthaft in diese ><br />

Professor Dr. Michio Kaku, geboren 1947 in Kalifornien, studierte<br />

Physik an der Harvard university und promovierte später an der university<br />

of California. Kaku ist theoretischer Physiker, Bestsellerautor<br />

und Popu larisator der Wissenschaft. Er ist Mitbegründer der Stringfeldtheorie<br />

(ein Zweig der Stringtheorie) und setzt Albert Einsteins Suche<br />

nach einer allumfassenden physikalischen Theorie fort, welche die<br />

vier fundamentalen Kräfte der Natur vereint – starke Wechselwirkung,<br />

schwache Wechselwirkung, Gravitation und Elektromagnetismus.<br />

Kaku lehrt seit über 25 Jahren am City College of New York, wo er zurzeit<br />

den Henry-Semat-Lehrstuhl für Theoretische Physik innehat. Ausserdem<br />

ist er Gastprofessor am Institute for Advanced Study in Princeton<br />

und Fellow der American Physical Society.<br />

Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>


64 Leader<br />

Technologie. Ebenso die USA, Russland, Japan und Südkorea. In<br />

der kalifornischen Testanlage National Ignition Facility wird die<br />

Energie für die Fusionsreaktion statt über Magnetfelder über Laserstrahlen<br />

bereitgestellt. Bis 2<strong>05</strong>0 sollte die Nutzung der Sonnenenergie<br />

aus dem Weltraum möglich sein. Dabei wird Sonnenenergie<br />

in Mikrowellen umgewandelt, die dann zur Erde zurückgestrahlt<br />

werden. Der Vorteil besteht darin, dass Sonnenlicht im Weltraum<br />

zehnmal intensiver ist als auf der Erdoberfläche, da unser Planet<br />

rund 90 Prozent der Sonneneinstrahlung herausfiltert. Mit anderen<br />

Worten: Sonnenlicht weist im Weltraum zehnmal mehr Energie<br />

auf als auf der Erdoberfläche. Das ist die gute Nachricht. Die<br />

schlechte Nachricht ist, dass es 10 000 US­Dollar kostet, um<br />

einen 500 Gramm schweren Gegenstand in die Erdumlaufbahn<br />

zu bringen. Es ist wirklich teuer.<br />

Wozu brauchen wir Sonnenenergie aus dem Weltraum,<br />

wenn wir unbeschränkt Zugang zur Fusionsenergie haben?<br />

Ich glaube, wir werden eine Kombination dieser beiden Technologien<br />

nutzen. Die Chancen stehen gut, dass die Fusion in etwa<br />

20 Jahren eingeführt und danach unser wichtigster Energieträger<br />

sein wird. Und vergessen wir nicht: Auch Mutter Natur macht<br />

sich die Fusion zunutze. Fission (in Atomkraftwerken eingesetzt)<br />

ist künstlich und unnatürlich.<br />

Wo erwarten Sie für die Zukunft sonst noch<br />

bedeutende Fortschritte?<br />

In der Informationstechnologie werden wir deutliche Verbesserungen<br />

erleben. In zehn Jahren werden Computerchips noch rund<br />

einen Rappen kosten, sodass Informationen in diesem Sinne praktisch<br />

gratis sein werden. Letztlich werden wir zum Nach­Silizium­<br />

<strong>Zeit</strong>alter übergehen. Bei einem Niedergang der Transistortechnologie<br />

könnte Silicon Valley zum nächsten «Rust Belt» (Rostgürtel)<br />

werden. Das Wachstum der Computerleistung verlangsamt sich<br />

bereits und dürfte sich in zehn Jahren abflachen. Warum sollte man<br />

sich einen neuen Computer kaufen, wenn man weiss, dass er nur<br />

die gleiche Leistung bietet wie das letztjährige Modell? Für diese<br />

Entwicklung gibt es zwei Gründe. Erstens die Wärme. Transistoren<br />

werden so heiss werden, dass man auf ihnen Spiegeleier braten<br />

kann. Und zweitens gibt es noch den Aspekt der Quantenmechanik,<br />

die besagt, dass sich der Aufenthaltsort eines Elektrons nicht<br />

genau bestimmen lässt.<br />

Was werden wir stattdessen nutzen?<br />

Wahrscheinlich werden wir zu Molekular­, Quanten­ und Atomcomputern<br />

übergehen – im Wesentlichen zu Atomen. Und die Arbeit mit<br />

Atomen ist schwierig. Der nächste Schritt könnten Molekular­,<br />

Atom­ und Quantentransistoren sein. Man bezeichnet dies als<br />

Nanotechnologie. Wenn wir schon bei der Nanotechnologie sind:<br />

Graphen ist das stärkste bisher bekannte Material – noch stärker<br />

als Diamant – und besteht aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen.<br />

Die gute Nachricht ist, dass Graphen elektrischen<br />

Strom leitet, sodass es künftig in Laptop­Computern eingesetzt<br />

werden könnte. Die schlechte Nachricht lautet, dass es nur sehr<br />

schwer hergestellt werden kann.<br />

Was liesse sich mit Graphen sonst noch herstellen?<br />

Man könnte wahre Wunder vollbringen, zum Beispiel einen Weltraumlift<br />

bauen, sofern man Tausende Kilometer Graphen zur<br />

Verfügung hätte. Einen Lift, in dem Sie die «Aufwärts»­Taste<br />

drücken und sich an einem Kabel, das von der Zentrifugalkraft<br />

aufrecht gehalten wird, in den Weltraum katapultieren lassen<br />

könnten. Dadurch liessen sich die Kosten für Weltraumreisen um<br />

ein Mehrtausendfaches reduzieren. Das könnte die Zukunft der<br />

Weltraumprogramme am Ende dieses Jahrhunderts sein. Wenn wir<br />

über einen Weltraumlift verfügten, wäre der Zugang zum Weltraum<br />

praktisch umsonst. Die NASA sponsert zurzeit Wettbewerbe, um<br />

den Grundstein für einen solchen Weltraumlift zu legen, ein Gerät,<br />

das an einem Kabel in den Weltraum reisen könnte.<br />

Sie erwähnten, dass sich Graphen schwer<br />

herstellen lässt. Weshalb besteht es nur aus einer<br />

einzigen Kohlenstoffschicht?<br />

Graphen ist ein natürlicher Bestandteil von Grafit. Wissenschaftler<br />

haben deshalb ein Stück Grafit mit Klebeband beklebt und es<br />

mit einer daran haftenden Kohlenstoffschicht wieder abgezogen.<br />

Dieser Vorgang wurde wiederholt, bis nur noch eine dünne Atomschicht<br />

übrig blieb. Untersuchungen mit dem Elektronenmikroskop<br />

bestätigten, dass die Schicht nur ein Atom hoch war. Das Material<br />

ist extrem stark, weil es reine, kovalente Bindungen aufweist.<br />

Diese Technologie liesse sich wie gesagt in Laptop­Computern<br />

oder auch Weltraumliften nutzen. Im Prinzip könnte eine ganze<br />

Brücke aus Fasern gebaut werden, die dünner sind als eine Bleistiftmine,<br />

sofern es sich um Kohlenstofffasern handelt. Graphen<br />

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