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Das älteste Bankenmagazin der Welt. Seit 1895<br />
Ausgabe Schweiz / Deutsch<br />
Nummer 5<br />
Dezember 20<strong>11</strong> / Januar 2012<br />
ist eZine Fragee des Eit<br />
mpfindens<br />
Schwerpunkt Beim Lesen über die <strong>Zeit</strong> bleibt die <strong>Zeit</strong> stehen / Premium Uhren, Schokolade, Schönheit, Mode, Reisen. Alles nur vom Besten /<br />
Sorgenbarometer Unentbehrlich seit über 30 Jahren / Leader Im Gespräch mit dem amerikanischen Physiker und Futurologen Michio Kaku
Berührt die Sinne.<br />
BeSchleunigt den PulS.<br />
BMW steht seit je für vollendete Freude am Fahren. Die neuen BMW 6er Modelle krönen unser Bestreben, ein<br />
perfektes Auto zu schaffen. Sowohl das sportliche Coupé als auch das elegante Cabrio vereinen Dynamik und<br />
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Freude am Fahren
2 Editorial<br />
<strong>Zeit</strong><br />
Fokus<br />
Editorial<br />
Glück ist, wenn die <strong>Zeit</strong> stillsteht<br />
Das <strong>bulletin</strong> wurde 1895 als Effektenkursblatt der Schweizerischen<br />
Kreditanstalt in Zürich gegründet. Vor <strong>11</strong>6 Jahren. Eine lange <strong>Zeit</strong>.<br />
Gleichzeitig aber auch eine sehr kurze, denn das älteste Bankmagazin<br />
der Welt ist immer mit der <strong>Zeit</strong> gegangen. Und dadurch jung geblieben.<br />
Den Spagat zwischen Tradition und Innovation zu schaffen, ist eine<br />
reizvolle Herausforderung. Auch in dieser Ausgabe. Sie enthält erstmals<br />
das Dossier Premium, in dem wir zeitgemässe Themen wie<br />
Mode, Schönheit, Reisen oder Uhren <strong>bulletin</strong> gemäss darstellen. Und sie<br />
beinhaltet das Sorgenbarometer, das es uns – und vielen Stützen der<br />
Schweizer Gesellschaft – erlaubt, den Puls der <strong>Zeit</strong> zu fühlen. Seit weit<br />
über 30 Jahren. <strong>Zeit</strong>, dem Sorgenbarometer wieder einmal ein neues<br />
Kleid zu schenken.<br />
Dass das <strong>bulletin</strong> alle Stürme – oder wie die Eidgenossen sagten<br />
«Die Arglist der <strong>Zeit</strong>» – überstehen konnte, verdankt es allein seinen<br />
treuen Leserinnen und Lesern. Deshalb möchten wir zum Jahresende<br />
sagen, was wir das ganze Jahr über denken: «Danke!» Allerdings<br />
geht es der <strong>bulletin</strong> Gemeinde kaum anders als dem übrigen Teil der<br />
Menschheit: Es fehlt die <strong>Zeit</strong>. Wir kennen verschiedene Reaktionen<br />
darauf. Einige wenige resignieren nach kurzem Durchblättern, andere<br />
vertiefen sich in die Lektüre und vergessen die <strong>Zeit</strong>, viele nehmen<br />
das <strong>bulletin</strong> mehrmals in die Hand. Und immer häufiger hören wir, dass<br />
das <strong>bulletin</strong> gesammelt wird. Die Artikel von «Holz», «Jugend» oder<br />
«Westen» sind zeitlos aktuell. Allerdings versteckt sich manchmal die<br />
eine oder andere Nummer in den grossen Papierbergen. Damit Sie Ihre<br />
<strong>bulletin</strong> Sammlung vervollständigen können, haben wir den Talon<br />
angepasst. Sie finden auf ihm weitere interessante Lektüremöglichkeiten.<br />
Mit ein bisschen Glück auch einen <strong>Zeit</strong>messer – von IWC.<br />
Wir schreiben, redigieren, produzieren. Und lesen zuletzt das ganze<br />
<strong>bulletin</strong> noch einmal. Diesmal mit der Stoppuhr. Redaktorin Regula<br />
Brechbühl benötigte für den Artikel von Katrin Zeug 3 Minuten<br />
15 Sekunden weniger lang als ich. Habe ich nun <strong>Zeit</strong> verloren? Oder<br />
gewonnen, weil ich mich diesem interessanten Artikel länger widmen<br />
durfte? Es ist alles eine Frage des Empfindens. Im Idealfall bleibt<br />
unsere kleine Welt innerhalb der grossen eine Weile stehen. Das nennt<br />
man Lebensqualität. Oder Glück. Und das wünschen wir Ihnen.<br />
Andreas Schiendorfer, Chefredaktor<br />
Katrin Zeug<br />
publizierte mit Anne Kunze<br />
bei Rowohlt das Buch<br />
«Ab 18 – Was junge<br />
Menschen wirklich machen».<br />
Ihr Artikel auf Seite 4<br />
Claudia Steinberg<br />
bringt mit ihren Artikeln,<br />
unter anderem in der<br />
«<strong>Zeit</strong>», New York den<br />
Europäern näher.<br />
Ihr Artikel auf Seite 20<br />
Verweilen in der <strong>Zeit</strong> Wie lange<br />
dauert eigentlich die Gegenwart ?<br />
Drei Sekunden sagen manche,<br />
denn nachher verlangt unser Gehirn<br />
einen neuen Reiz. Doch es gibt<br />
Situationen, in denen wir die <strong>Zeit</strong><br />
vergessen, in denen die <strong>Zeit</strong><br />
stillsteht – und im Rückblick rasant<br />
vorbeigegangen ist. Nehmen Sie<br />
sich <strong>Zeit</strong>, sich mit dem Empfinden<br />
von <strong>Zeit</strong> zu beschäftigen.<br />
neutral<br />
Drucksache<br />
No. 01-<strong>11</strong>-598994 www.myclimate.org<br />
© myclimate The Climate Protection Partnership<br />
Gold Winner<br />
Gold Winner<br />
Gold Winner<br />
Coverfoto: Pia Zanetti | Foto: Cédric Widmer | Baris Guerkan | zvg
Ivo Pitanguy<br />
Michelangelo der Chirurgen<br />
Hublot<br />
Jean-Claude Biver<br />
Lindt & Sprüngli<br />
Ernst Tanner<br />
Burberry<br />
Angela Ahrendts<br />
Travel<br />
Hongkong<br />
Fotos: dapd, Steffi Loos, Keystone | Udo Weitz, Keystone<br />
Konjunktur<br />
Der Trend zur Konjunkturverlangsamung<br />
hat in China<br />
und den USA nachgelassen,<br />
in Europa sich aber verstärkt.<br />
Die mittelfristigen<br />
Wachstumsaussichten<br />
bleiben verhalten.<br />
Dass der griechische Staat zahlungsunfähig<br />
ist, stellt keine Überraschung mehr dar.<br />
In der Zwischenzeit hat sich aber die Wirtschafts-<br />
und Finanzlage anderer – grösserer –<br />
Länder verschlechtert. Frankreich, aber<br />
ganz besonders Spanien und Italien geben<br />
Anlass zur Sorge.<br />
Das laufende Defizit in Italien ist mit etwa<br />
4,5% des BIP zwar geringer als in vielen<br />
anderen Industrie ländern und der Primärhaushalt,<br />
d. h. das Defizit ohne Zinszahlungen,<br />
ist sogar fast ausgeglichen. Weil die Regierung<br />
Berlusconi jedoch Sanierungsmassnahmen<br />
verschleppt hat, haben die Finanzmärkte<br />
zunehmend das Vertrauen verloren.<br />
Die Zinsen auf den italienischen Staatsanleihen<br />
sind weit über ein nachhaltiges Niveau<br />
hinaus gestiegen, und es droht eine Spirale,<br />
in der die Schulden wegen zunehmender<br />
Zinszahlungen unkontrolliert steigen.<br />
Das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen<br />
ist viel schwieriger als es zu verlieren.<br />
Auch entschlossene Massnahmen der neuen<br />
Regierung reichen womöglich nicht aus.<br />
Gleichzeitig sind die Mittel des europäischen<br />
Stabilitätsfonds (EFSF) zu gering, um<br />
die italienischen Anleihen zu garantieren.<br />
Es braucht schwereres Geschütz. Wer die<br />
Mittel hat, ist klar. Es ist die Europäische<br />
Zentralbank. Wie radikal Notenbanken handeln<br />
müssen, um den Markt zu überzeugen,<br />
hat die SNB jüngst vorgemacht. Avanti,<br />
Signor Draghi!<br />
Dr. Oliver Adler<br />
Leiter Global Economics<br />
Invest<br />
Zinsen und<br />
Währungen Aktien Rohstoffe Immobilien<br />
Obligationen<br />
Die kurzfristigen Zinsen Die Strukturprobleme des Aktien sind attraktiv bewertet,<br />
aber die politischen bleiben im aktuellen weisen ein grosses Agio<br />
Die zyklischen Rohstoffe Schweizer Immobilienfonds<br />
bleiben in den Hauptmärkten<br />
(inkl. Schweiz) bei null. wie jene des EUR. Wir er-<br />
Probleme in Europa und Umfeld riskant. Gold profi-<br />
auf. Solange die Zinsen<br />
USD sind ebenso gross<br />
Die Verzinsung ist auf warten eine Seitwärtsentwicklung<br />
von EUR/USD. Konjunktur begrenzen das Unsicherheiten, tiefen fehlen wir, diese Anlagen<br />
die schwache globale tiert von politischen jedoch tief bleiben, emp-<br />
Staatsanleihen sehr unattraktiv,<br />
auf Unternehmensanleihen<br />
leicht besser. der EUR etwas zulegen.<br />
Gegenüber dem CHF sollte Aufwärtspotenzial vorerst. Zinsen und fehlendem zu halten.<br />
Gegenparteirisiko.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong><br />
l<br />
Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse<br />
Credit Suisse Sorgenbarometer 20<strong>11</strong><br />
Erkenntnis als erster Schritt zur Lösung<br />
Inhalt 3<br />
Schwerpunkt <strong>Zeit</strong><br />
4 <strong>Zeit</strong>empfinden Die Verwendung von Lebenszeit ist<br />
nicht identisch mit der Suche nach dem Lebenssinn<br />
8 Wert des Vergessens Wer nicht vergisst,<br />
kann sich kein neues Wissen aneignen<br />
13 Wert des Verweilens Fotografi en, die zum<br />
Nachdenken und Geniessen einladen<br />
20 Wert des Alterns Mit dem Alter muss man Frieden<br />
schliessen und die zusätzliche <strong>Zeit</strong> nutzen<br />
Wirtschaft<br />
29 Reichtum Der Global Wealth Report gibt Aufschluss<br />
über das weltweite Privatvermögen<br />
33 Anlagestrategie Andreas Russenberger erklärt die<br />
Bedeutung des Faktors <strong>Zeit</strong> bei Geldanlagen<br />
34 Schwellenländer Wie reagieren die Schwellen länder<br />
in Lateinamerika und Asien auf die Krise?<br />
36 Lebensarbeitszeit Vielleicht arbeiten wir im Jahr<br />
2040 bis ins 73. Altersjahr. Wäre das schlimm?<br />
26<br />
Wirtschaft<br />
52<br />
Credit Suisse<br />
57<br />
Credit Suisse<br />
Wirtschaftsausblick Martin Neff<br />
bewahrt seine Zuversicht.<br />
Weihnachten Das Schweizerische<br />
Rote Kreuz zeigt, wie es für alle<br />
Weihnachten wird.<br />
Mikrofinanz In Malawi überprüften<br />
wir die positiven Auswirkungen<br />
unserer Mikrofi nanz-Initiative.<br />
Credit Suisse<br />
39 Vorbildliche Unternehmer – Preisträger im Überblick<br />
40 Kunst im Geschäftsumfeld: Schaffhausen<br />
41 Hier fi nden Sie das Credit Suisse Sorgenbarometer<br />
42 Next Generation Network: Wo vernetzen sinnvoll ist<br />
45 Gastkommentar: Jubiläum der Bankiervereinigung<br />
46 CAST: Studenten begleiten das Zurich Film Festival<br />
48 Stimmungsvoll. Mitglieder des Orchestre de la Suisse<br />
Romande spielen Kammermusik mitten auf der Rhone<br />
Leader<br />
60 Ewiges Leben? Der Physiker Michio Kaku befasst<br />
sich mit Fragen über die Zukunft der Menschheit<br />
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Informationen auf Ihr Smartphone holen.<br />
Premium<br />
6<br />
2<br />
10<br />
14<br />
16<br />
Dossier<br />
Premium<br />
Uhren, Schokolade, Mode,<br />
Schönheit und Reisen.<br />
Invest<br />
Wirtschaft, Märkte und Anlagen<br />
Invest<br />
Märkte und Anlagen<br />
Informationen des Global<br />
Research der Credit Suisse.<br />
plus<br />
Schweizer Sorgen<br />
plus<br />
Sorgenbarometer<br />
Das Credit Suisse Sorgen barometer<br />
zeigt auf, wo die Schweizerinnen<br />
und Schweizer der Schuh drückt.<br />
Seite 41
4 <strong>Zeit</strong><br />
uNSER ERLEBEN<br />
BESTIMMT, WIE WIR<br />
ZEIT WAHRNEHMEN<br />
Der Mensch hat die uhr erst sehr spät als ein Werkzeug<br />
dafür entdeckt, seinen Alltag zu strukturieren und zu organisieren.<br />
Niemand kommt mit der Art von <strong>Zeit</strong>empfinden, wie<br />
wir es heute kennen, auf die Welt. Wir unterhielten uns mit<br />
dem <strong>Zeit</strong>empfindungsforscher Frieder Lang darüber.<br />
6 Min. 25 Sek.<br />
Die Lesezeit für<br />
diesen Artikel dauert<br />
im Durchschnitt<br />
6 Minuten und<br />
25 Sekunden.<br />
Interview: Katrin Zeug<br />
Es ist Montagvormittag, zehn Uhr. Frieder Lang, Professor<br />
für Psychologie in Erlangen, hat gerade den Aufsatz einer<br />
Doktorandin zum Thema Selbstwert überarbeitet. Er sitzt in<br />
seinem Zimmer in der Uni, es ist hell und so still, dass<br />
man nur das leise Ticken der Uhr hört, die an der weissen<br />
Wand gegenüber seinem Schreibtisch hängt. Während unseres<br />
Gesprächs wird er immer dann darauf schauen, wenn er<br />
über Minuten und Sekunden spricht, als müsse die Uhr ihn<br />
an diese kleinen Einheiten erinnern.<br />
In seiner Forschung beschäftigt er sich mit einer anderen<br />
<strong>Zeit</strong>: mit der des Erlebens. Wann fühlt sich ein Moment<br />
lange an? Wie empfinden wir ablaufende Fristen, und warum<br />
vergeht die <strong>Zeit</strong> immer schneller, je älter wir werden? Mit<br />
den Minuten und Sekunden auf der Uhr hat das wenig zu tun.<br />
Trotzdem: Für das Gespräch gibt es ein <strong>Zeit</strong>fenster von<br />
genau zwei Stunden, und die Zeiger an der Wand kreisen.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> 5<br />
Illustration: Corbis Specter | Foto: Gerhard Lang<br />
Es war nicht leicht, einen Termin für dieses Gespräch zu finden.<br />
Wünschten Sie manchmal, Sie hätten mehr <strong>Zeit</strong>?<br />
Wenn ich mehr <strong>Zeit</strong> hätte, würde ich mehr Aufgaben übernehmen, und es würde<br />
immer dasselbe herauskommen. Ich wünschte mir daher nicht mehr <strong>Zeit</strong> – aber<br />
mehr Weisheit, das Richtige zu tun und Unwichtiges zu lassen. Es ist eine Frage der<br />
Persönlichkeit, wie viel <strong>Zeit</strong> wir haben.<br />
Was können wir tun, um mehr von unserer <strong>Zeit</strong> zu haben?<br />
Nun, bekanntlich gibt es teure <strong>Zeit</strong>management-Seminare, in denen man lernen soll,<br />
seine eigenen Ziele zu formulieren und zu ordnen. Das sind in Wirklichkeit reine<br />
Motivationstrainings, die weniger mit <strong>Zeit</strong> an sich zu tun haben als mit Sinnfindung.<br />
Aber genau das verwechseln wir oft: die Verwendung von Lebenszeit mit der Suche<br />
nach Sinn im Leben. Wenn ich Sinnhaftes tue, dann spielt das <strong>Zeit</strong>erleben keine Rolle.<br />
Wenn ich mich aber mit ganz viel Nebensächlichem und Unwichtigem beschäftige,<br />
dann wird mir die <strong>Zeit</strong> lang – und im Rückblick leer.<br />
Kann man <strong>Zeit</strong> überhaupt fassen, wenn ihr Verlauf so wenig mit<br />
unserem Empfinden zu tun hat?<br />
Das versuchen wir, aber das ist in der Psychologie recht neu. Bisher hat die Frage,<br />
was <strong>Zeit</strong> ist, in erster Linie Physiker beschäftigt. Ihre Definition basiert auf der Atomphysik:<br />
Elektromagnetische Wellen bestimmen die <strong>Zeit</strong> beim Übergang von einem<br />
zum anderen Energiezustand so exakt wie nie zuvor. Und nach dieser «Atomzeit» standardisieren<br />
wir dann Maschinen, elektronische Geräte und richten unsere gesamte<br />
Moderne darauf aus. Aber das entspricht nicht unserem Erleben. Der Mensch hat die<br />
Uhr erst sehr spät als ein Werkzeug dafür entdeckt, seinen Alltag zu strukturieren und<br />
zu organisieren. Niemand kommt mit der Art von <strong>Zeit</strong>empfinden, wie wir es heute<br />
kennen, auf die Welt.<br />
Aber der Mensch hat doch ein <strong>Zeit</strong>empfinden …<br />
Ja, aber das ist ein ganz anderes, eher chronobiologisches, das sich nach Tag-Nacht-<br />
Rhythmen und Jahreszeiten richtet. Darauf sind wir sehr sensibel eingestellt.<br />
Wir merken es, wenn wir beispielsweise auf einer Reise in eine andere <strong>Zeit</strong>zone<br />
wechseln und schon bei wenigen Stunden Differenz einen Jetlag bekommen.<br />
Dieses <strong>Zeit</strong>erleben ist weit weg von dem, was wir in Sekunden und Minuten messen.<br />
Es gibt keinen sensorischen «<strong>Zeit</strong>sinn» wie den für Hören oder Sehen. Unser<br />
heutiges Verständnis von <strong>Zeit</strong> ist ein unnatürliches Konstrukt, allein unser Erleben<br />
bestimmt, wie wir Dauer und Tempo wahrnehmen.<br />
Wo im Gehirn findet diese Wahrnehmung statt?<br />
So komplex, wie wir <strong>Zeit</strong> erleben, kann sie nur als ein Zusammenspiel verschiedener<br />
Strukturen des Gehirns erklärt werden. Die älteste davon ist das Stammhirn, wo<br />
die Zirbeldrüse sitzt und Melatonin ausgeschüttet wird. Dieses Hormon ist unter<br />
anderem für den circadianen Rhythmus verantwortlich, der uns schlafen und wachen<br />
lässt. Aber bestimmend für unser <strong>Zeit</strong>empfinden ist beispielsweise auch, kausale<br />
Zusammenhänge zu erkennen, also Ursachen und ihre Wirkungen. Dieses Auswerten<br />
der Vergangenheit ist überlebenswichtig und läuft über das Gedächtnis, eine<br />
Gemeinschaftsleistung vieler verschiedener Areale. Stammesgeschichtlich erst viel<br />
später kam dann die vorausschauende <strong>Zeit</strong>kognition dazu, also die Vorstellung von<br />
<strong>Zeit</strong> als Zukunft. Sie ist vor allem in der Grosshirnrinde angesiedelt, wo Handlungen<br />
gesteuert, aber auch Wunscherfüllungen aufgeschoben, Pläne durchgespielt<br />
und Impulse kontrolliert werden. Kein anderes Hirnorgan ist in der jüngeren<br />
Evolution so stark gewachsen wie dieses.<br />
Ihr Kollege, der Neurologe Ernst Pöppel, sagt, die Gegenwart sei drei<br />
Sekunden lang. So lange dauere ein Schluck, ein Händedruck,<br />
ein Aufstampfen mit dem Fuss – dann frage das Gehirn nach Neuem.<br />
Wie empfinden wir einen Moment, in dem wir verweilen?<br />
><br />
steht aus!<br />
Frieder R. Lang<br />
wurde 1962 geboren.<br />
Er studierte Psychologie an<br />
der Technischen Universität<br />
Berlin und habilitierte<br />
2001 an der Humboldt-<br />
Universität über<br />
die Regulation sozialer<br />
Beziehungen.<br />
Anschliessend lehrte<br />
er Entwicklungspsychologie<br />
an der Martin-<br />
Luther-Universität Halle-<br />
Wittenberge. Seit 2006 ist<br />
Lang Inhaber des Lehrstuhls<br />
und Leiter des Instituts<br />
für Psychogerontologie<br />
an der Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
6 <strong>Zeit</strong><br />
«Wir verwechseln<br />
oft die Verwendung<br />
von Lebenszeit<br />
mit der Suche nach<br />
Sinn im Leben.»<br />
Frieder R. Lang<br />
Die Motivationspsychologie hat gezeigt, dass Menschen, die sich etwas leidenschaftlich<br />
hingeben – also beispielsweise ein Bergsteiger, der gerade an einer Bergwand hängt –<br />
so etwas wie einen <strong>Zeit</strong>verlust erleben. Sie sind vollkommen konzentriert und im Hier<br />
und Jetzt. Dieses Phänomen nennen wir Flow-Erleben. Im Nachhinein wird der<br />
Bergsteiger das Gefühl haben, dass die <strong>Zeit</strong> schnell vergangen ist, aber währenddessen,<br />
das ist das Merkwürdige, denkt er gar nicht über die <strong>Zeit</strong> nach, sein <strong>Zeit</strong>empfinden<br />
hat sich geradezu aufgelöst. Auf der anderen Seite kennen wir dieses zähe Gefühl, wenn<br />
uns eine Aufgabe unterfordert, wie sich die <strong>Zeit</strong> endlos auszudehnen scheint – wir<br />
sehen öfter auf die Uhr, und es ist, als würden die Zeiger dahinschleichen. Wir empfinden<br />
Lange-Weile.<br />
Abgesehen von diesen Extremen verbringen wir viel <strong>Zeit</strong> des Tages<br />
mit Routinen. Wir stehen auf, putzen uns die Zähne, essen, gehen gewohnte<br />
Wege. Wie wirkt sich das auf unser <strong>Zeit</strong>empfinden aus?<br />
Routinen strukturieren den Alltag, die Woche, den Monat, vielleicht auch die Lebenszeit.<br />
Um herauszufinden, wie sich das auswirkt, haben wir in einer Studie Menschen<br />
ihren gestrigen Tag rekonstruieren lassen, sie gefragt, was sie vom Aufstehen bis<br />
zum Schlafengehen getan und wie sie dabei die <strong>Zeit</strong> erlebt haben. Da zeigt sich, dass<br />
Ältere den Tag relativ gleichmässig bewerten, also in jeder Episode ein gleiches,<br />
schnelleres <strong>Zeit</strong>empfinden haben. Bei jüngeren Erwachsenen gibt es dagegen einen<br />
U-förmigen Verlauf: In der Mitte des Tages vergeht die <strong>Zeit</strong> für sie langsamer, und zwar<br />
unabhängig davon, ob sie berufstätig sind oder nicht.<br />
Haben Sie da eine Erklärung?<br />
Wir nehmen an, dass Routinen und die Strukturierung des Alltags entscheidend für<br />
das <strong>Zeit</strong>empfinden sind. Jüngere Menschen probieren noch vieles aus, auferlegte<br />
Routinen erleben sie als Zwang oder Einschränkung, als lang-weilig. Den Morgen<br />
und den Abend dagegen erleben sie zwar oft auch eingespielt, aber selbstbestimmt –<br />
das lässt die <strong>Zeit</strong> schneller vergehen. Ältere Menschen dagegen haben sich in<br />
ihrem Leben und mit den Routinen schon eingerichtet. Sie scheinen die Langeweile<br />
bei Routinen so nicht zu kennen wie Jüngere.<br />
Bleibt man also jung, wenn man Routinen vermeidet?<br />
Es könnte eine Hypothese sein, dass ältere Menschen, die sich immer wieder neue<br />
Aufgaben suchen, ihre <strong>Zeit</strong> erfüllter erleben. Die Generation der so genannten<br />
Silver Surfer, die heute 65- bis 75-Jährigen, versucht das gerade. Sie scheint beschäftigter<br />
zu sein als alle anderen Altersgruppen. In unserer Forschung haben wir den<br />
Eindruck gewonnen, dass sich ihr gutes Lebensgefühl aus der Abwehr der eigentlichen<br />
Erfahrungen des Alterns speist. Sie verlängern einfach die mittlere Lebensphase,<br />
nur ohne berufliche Zwänge und sagen: Man ist so alt, wie man sich fühlt. Allerdings<br />
führt das offensichtlich nicht dazu, dass sie das Gefühl haben, mehr <strong>Zeit</strong> zu haben.<br />
Im Gegenteil, gerade wer so denkt, so zeigen unsere Befunde, empfindet eine besondere<br />
Knappheit und den Druck, die noch verbleibende <strong>Zeit</strong> richtig zu verwenden.<br />
Viele haben das Gefühl, die <strong>Zeit</strong> vergehe immer schneller, je älter sie werden.<br />
Warum ist das so?<br />
Das Einfachste wäre zu sagen, dass es mit einer Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit<br />
zu tun hat. Unser Denken wird langsamer, je älter wir sind, und wir brauchen<br />
immer länger für die gleichen Prozesse. Allerdings können wir wohl nicht direkt von<br />
unserer Geschwindigkeit auf das Empfinden der <strong>Zeit</strong> schliessen – denn auch diejenigen<br />
älteren Menschen, die leistungsfähiger sind als jüngere, haben das Gefühl, dass<br />
ihre <strong>Zeit</strong> schneller vergeht. In unseren Untersuchungen haben wir gezeigt, dass einen<br />
da vielmehr die schleichend zunehmende Erkenntnis leitet, dass die eigene Lebenszeit<br />
knapper wird. Die Wirkung von Fristen auf das <strong>Zeit</strong>empfinden ist dramatisch. Das<br />
Besondere am Menschen ist ja, dass er das eigene Handeln nicht nur an dem in der<br />
Vergangenheit Gelernten, sondern auch an zukünftigen Ereignissen ausrichten kann.<br />
Kein anderes Lebewesen tut dies in ähnlicher Weise.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> 7<br />
Das ständige Betrachten der<br />
verfügbaren <strong>Zeit</strong> unter<br />
dem Gesichtspunkt ihrer Nützlichkeit<br />
kann uns krank machen.<br />
Man muss auch loslassen, die <strong>Zeit</strong><br />
geniessen können.<br />
Foto: Same Edwards, Getty<br />
Was ändert sich im Angesicht einer verstreichenden Frist?<br />
Wir nehmen die <strong>Zeit</strong> beschleunigter wahr. Das ändert unsere Dringlichkeiten.<br />
Mit einer Deadline in der Arbeit beispielsweise handeln wir meist zielstrebiger und<br />
konzentrierter. Vermuten Menschen sich am Ende ihres Lebens, fällt auf, dass<br />
sie bei vielen Entscheidungen emotionsgesteuerter sind. Sie suchen positive Gefühle,<br />
vielleicht auch schrecklich schöne wie Sehnsucht oder Wehmut. Glauben wir dagegen,<br />
noch viel <strong>Zeit</strong> im Leben zu haben, handeln wir eher strategisch-instrumentell.<br />
Wir häufen zum Beispiel Wissen an, dessen Wert sich erst in der Zukunft zeigt –<br />
wie bei einer viele Jahre dauernden Doktorarbeit.<br />
Hat auch die Digitalisierung einen Einfluss auf unsere <strong>Zeit</strong>wahrnehmung?<br />
Ich bin mir da nicht sicher. Unsere Wahrnehmung wird schneller, weil wir sie<br />
von Kindheit an stark trainieren. Aus der Musikforschung weiss man, dass viele klassische<br />
Musikstücke heute viel schneller gespielt werden als zu der <strong>Zeit</strong>, in der sie<br />
komponiert wurden. Auch der Filmschnitt ist schneller geworden. Aber die biologischen<br />
und neuronalen Tatsachen, die unser Gehirn ausmachen, sind immer noch<br />
die gleichen wie bei unseren Vorfahren zu Beginn der <strong>Zeit</strong>rechnung.<br />
Glauben Sie, die Geschwindigkeit, mit der heute Reize auf<br />
uns einprasseln, ist schädlich?<br />
Es gab schon immer Diskussionen, ob technische Erneuerungen gesundheitsschädlich<br />
sind, weil sie widernatürlich seien und den Takt des natürlichen Lebens stören<br />
würden – bei der ersten Dampflok etwa, die mit 35 Stundenkilometern fuhr. Jedes<br />
Mal wird geargwöhnt, dass der Mensch davon krank werden könne. Mein Eindruck<br />
ist, dass wir bislang aber immer gelernt haben, mit neuen Produkten so umzugehen,<br />
dass sie für unsere Lebensqualität nützlich sind.<br />
Haben Sie, weil Sie sich so viel damit beschäftigen,<br />
einen anderen Umgang mit <strong>Zeit</strong>?<br />
Ich habe da leider kein Geheimrezept, aber ich beobachte in meinem Umfeld, dass<br />
dieses ständige Betrachten der verfügbaren <strong>Zeit</strong> unter dem Gesichtspunkt ihrer<br />
Nützlichkeit nicht optimal ist. Wir müssen auch mal unnütze <strong>Zeit</strong> verbringen, loslassen,<br />
um nicht krank zu werden.<br />
Können Sie das für sich, unnütze <strong>Zeit</strong> verbringen?<br />
(Lacht) Ich versuche es manchmal, aber immer wenn ich gerade ausspannen will,<br />
kommt eines meiner beiden Kinder und fragt, was wir jetzt tun könnten.<br />
..... Mehr zum Thema .....<br />
www.geronto.uni-erlangen.de<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>/zeit<br />
.........................................<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
8 <strong>Zeit</strong><br />
DAS VERGESSEN ALS<br />
NOTWENDIGKEIT<br />
Der Mensch ist ein Wissenssammler. Weil sein Speicher<br />
beschränkt ist, muss der Mensch vergessen, um Erkenntnisse und<br />
Erlebnisse laufend verarbeiten zu können. Das Vergessen<br />
ist eine uralte Kulturtechnik, die insbesondere die Religionen gefördert<br />
haben. In einer Gesellschaft voller Informationen steigt die<br />
Notwendigkeit, die Techniken des Vergessens wiederzuentdecken.<br />
8 Min. 52 Sek.<br />
Die Lesezeit für<br />
diesen Artikel dauert<br />
im Durchschnitt<br />
8 Minuten 52 Sekunden.<br />
Text: Joël Luc Cachelin<br />
Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Es ist die Tatsache,<br />
dass unsere Realität relativ ist. Wir haben keine Triebe und<br />
Instinkte, die unser Verhalten in jeder Situation automatisch<br />
vorschreiben. Stattdessen stellen wir Fragen an unsere Umwelt,<br />
an unsere Mitmenschen und auch an uns selber. Wer bin ich,<br />
warum nimmt die Finanzkrise kein Ende und warum schnurrt<br />
die Katze auf meinem Bauch? Das Reflektieren garantiert uns<br />
nicht nur das Überleben, es ermöglicht uns auch, die Natur<br />
immer mehr zu unseren Gunsten zu nutzen.<br />
Durch Fragen lernen wir nicht nur die Welt und gleichzeitig<br />
unser Ich kennen. Welt- und Selbsterkenntnis lassen sich<br />
genauso wenig trennen, wie sich der Mensch aus seiner<br />
Umwelt isolieren lässt. Das Fragen erlaubt uns, als Menschheit<br />
fortzuschreiten, immer neue Technologien und Produkte zu<br />
entwickeln. Letztlich münden die Fragen in eine Steigerung<br />
des Wohlstands, wobei wir mit dem Erreichten nie zufrieden<br />
sind. Stetig überlegen wir uns, wie unser Leben noch besser<br />
sein könnte. Der Mensch ist das fragende Tier, ein Tier,<br />
das nie zu abschliessenden Antworten findet und immer<br />
wieder neu mit dem Fragen beginnt.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> 9<br />
Illustration: Corbis Specter | Foto: Anja Schori<br />
Der Mensch ist ein Wissenssammler. Mit<br />
jedem absolvierten Lebensjahr staut<br />
sich mehr Wissen in unserem Inneren an.<br />
Durch die eingesammelten Wissensbausteine<br />
konstruiert sich das Ich seine Welt.<br />
Man könnte so weit gehen und sagen,<br />
dass die Welt nur im Kopfkino des einzigartigen<br />
Individuums existiert. Alles andere<br />
gehört zu den Kulissen und Requisiten.<br />
Der Beginn der Wissenssammlung liegt<br />
im frühsten Kindesalter, wenn wir<br />
mit Hilfe von Mama und Papa die ersten<br />
Worte lernen.<br />
Mit den gelernten Worten formulieren<br />
wir Sätze und können dadurch gegenüber<br />
den Mitmenschen unsere Bedürf nisse<br />
zum Ausdruck bringen. Auf der Schulbank<br />
findet die Wissensreise ihren Fortgang,<br />
wo der noch fast wissensleere<br />
Mensch zuerst das Alphabet und dann das<br />
Einmaleins lernt. Es folgt die Grundausbildung<br />
in der Mathematik, den Sprachen,<br />
der Geografie, der Geschichte, der Biologie.<br />
Nach und nach lernt der Mensch die<br />
Welt zu verstehen. Er lernt die gesellschaftlichen<br />
Gesetze und Regeln kennen<br />
und wie er sich innerhalb dieser zu verhalten<br />
hat.<br />
Nach der Schule werben sich die<br />
einen in einer Lehre praktisches Wissen<br />
an, während sich die anderen in den<br />
Hörsälen der Wissenschaft einfinden, um<br />
sich noch mehr theoretisches Wissen<br />
anzueignen. Das ist nicht das Ende des<br />
Wissenserwerbs, längst hat sich die Nachricht<br />
auf dem ganzen Planeten verbreitet,<br />
dass das Lernen eine lebenslängliche<br />
Beschäftigung ist, will man auch in Zukunft<br />
mit den Anforderungen der<br />
Wissensgesellschaft mithalten können.<br />
Der menschliche Wissensspeicher<br />
Erkenntnisse werden in unserem Gehirn<br />
gespeichert. Das Gehirn ist ein Wissensreservoir,<br />
in dem neben dem praktischen<br />
und dem theoretischen auch sämtliche<br />
alltäglichen Erkenntnisse abgespeichert<br />
werden. Nicht alle Erfahrungen verbleiben<br />
in diesem Speicher. Gewisse Einsichten<br />
sind so kurz lebig, dass sie, kaum<br />
als Gedanken entstanden, schon wieder im<br />
schwarzen Loch des Nichtwissens verschwinden.<br />
Die moderne Hirnforschung<br />
zeigt, dass das Gehirn vor allem jene<br />
Erkenntnisse langfristig speichert, die das<br />
Bewusstsein mit seinen Emotionen verknüpft.<br />
So weiss die Braut ein Leben lang,<br />
wo sie geheiratet hat und wie das Wetter<br />
an ihrem Hochzeitstag war. Der Bräutigam<br />
wird nie vergessen, wie er wenige<br />
Monate vor dem Bund fürs Leben<br />
momentelang in einen Mann verliebt war.<br />
Dagegen werden sich beide nicht<br />
mehr an die Namen oder die Gesichter aller<br />
Kinder erinnern, die mit ihnen<br />
im Kindergarten waren. Diese Beschränkung<br />
auf das Nötigste ist kein Missgeschick,<br />
sondern vielmehr zwingend, soll<br />
in der Fülle der Eindrücke der Überblick<br />
behalten werden. Das Gehirn ist trotz<br />
seiner unglaublichen Eigenschaften beschränkt.<br />
In seinem Innern gibt es zirka<br />
85 Milliarden Neuronen, die aneinandergereiht<br />
eine Strecke von rund 5,8 Millionen<br />
Kilometer ergeben, was wiederum<br />
dem 145-fachen Erdumfang entspricht.<br />
Die Beschränkung des Gehirns verweist<br />
auf den zwingenden Zusammenhang<br />
zwischen Erinnern und Vergessen. Es ist<br />
weniger ein Nichtvergessendürfen als<br />
vielmehr ein Vergessenmüssen. Damit sich<br />
der Mensch erinnern kann, muss er ab<br />
und an seinen Speicher leeren, sonst ist da<br />
kein Platz, um Neues aufzunehmen.<br />
Die meisten Gedanken werden erst gar<br />
nicht abgespeichert und das Rechenzentrum<br />
muss in Sekundenbruchteilen<br />
entscheiden, was relevant ist. Es ist wie<br />
in einer Bibliothek: Wenn die Bibliothekarinnen<br />
nicht regelmässig die nicht<br />
mehr benötigten Bücher ausmisten, platzt<br />
die Bibliothek in wenigen Jahren aus allen<br />
Nähten. Das Beispiel zeigt, dass nicht<br />
automatisch die ältesten Bücher aussortiert<br />
werden. Im Gegenteil: Über die <strong>Zeit</strong><br />
hinweg kristallisieren sich Klassiker heraus,<br />
die in keiner Bibliothek fehlen dürfen.<br />
Diese sind dann so wichtig, dass spätere<br />
Bücher auf diese Werke Bezug nehmen.<br />
Nicht anders ist es in unserem Gehirn. Es<br />
sind ein paar emotionsverknüpfte Schlüsselgedanken,<br />
die das Ich ausmachen. Diese<br />
Ich-Klassiker nennen die Wissenschaften<br />
dann «Identität». Was nicht in Bezug zu<br />
><br />
Joël Luc Cachelin<br />
hat an der Universität St. Gallen<br />
studiert und zur Zukunft des<br />
Managements promoviert.<br />
2009 hat er zum Analysieren,<br />
Visualisieren und<br />
Optimieren von wissensintensiven<br />
Unternehmen<br />
die Wissensfabrik gegründet.<br />
Er publiziert regelmässig,<br />
nächstes Jahr erscheint<br />
«Die Kraft des Vergessens –<br />
Über die Notwendigkeit<br />
und die gleichzeitige<br />
Unmöglichkeit einer<br />
vergessenen Kulturtechnik<br />
am Rande der Digitalität».<br />
wissensfabrik.ch<br />
Buchvorbestellungen an<br />
cachelin@wissensfabrik.ch<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
10 <strong>Zeit</strong><br />
Die Verwandlung von Nichtwissen in Wissen ist die Grundlage von sozialem und ökonomischem Fortschritt. Das Wissen ist die wichtigste<br />
Ressource aller Organisationen. Folgerichtig rückt die Aneignung und Speicherung von Wissen in den Mittelpunkt der Wissenschaft.<br />
ihr gesetzt werden kann, wird gar nicht<br />
wahrgenommen oder verpufft zum <strong>Zeit</strong>punkt<br />
der Verarbeitung. So gesehen ist der<br />
Mensch nicht nur ein Wissenssammler, er<br />
ist auch ein Meister des Vergessens.<br />
Vergessen durch religiöse Rituale<br />
Besondere Bedeutung hat das Vergessen<br />
in der Religion erlangt. Das Religiöse<br />
unterstützt das Ich im Prozess der Konzentration<br />
auf das Wesentliche. Die Techniken<br />
des Vergessens unterscheiden sich<br />
zwar von Religion zu Religion, zielen<br />
aber doch immer auf dasselbe: auf das<br />
Loslassen von unliebsamen Erinnerungen.<br />
In der christlichen Religion sucht der<br />
Sündige den Pfarrer auf, der in der<br />
Beichte die Sünde von ihm nimmt. Dem<br />
Reuigen wird verziehen, seine Sünden<br />
werden durch Gott von ihm genommen.<br />
Das fühlt sich wie eine Befreiung an,<br />
wie eine Reinigung der Seele, wie ein<br />
gnädiges Leeren des Erinnerungsspeichers.<br />
Die Vergebung ist eine Erlösung<br />
auf Erden, die dem Ich die Last des Seins<br />
nimmt. Durch das Beten steht den Gläubigen<br />
eine weitere Technik des Vergessens<br />
zur Verfügung. Im Gebet widmen wir uns<br />
unserem intimen Ich, seinen Sorgen und<br />
Ängsten. Wir bitten um eine neue Stelle,<br />
um eine neue Liebe, um Segen für unsere<br />
Liebsten, um Hilfe für unsere Eltern, um<br />
die Rückkehr der Grosseltern in die Arme<br />
Gottes. Wir bitten Gott, die Last von<br />
uns zu nehmen, und erlangen Gelassenheit<br />
für unsere Zukunft.<br />
Die Religionen geben zudem Ausblick<br />
auf das langfristige, auf das finale<br />
Vergessen. Es ist das Vergessen, das den<br />
Speicher des Ichs komplett leeren wird<br />
und das Ich für ein Leben nach dem<br />
Dasein vorbereitet. Das Ich wird geräumt<br />
Illustration: Sascha Tittmann<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> <strong>11</strong><br />
und neu programmiert. Dieses Vergessen<br />
zeigt sich im Christentum in der Vorstellung<br />
eines unendlichen, paradiesischen<br />
Reich Gottes. Im Leben nach dem Tod<br />
wird das Ich endgültig erlöst und erhält<br />
ein unendliches Leben, das ausschliesslich<br />
aus seinen positiven Erinnerungswelten<br />
besteht. Noch konsequenter wird das<br />
Selbstvergessen im Buddhismus praktiziert.<br />
Hier ist die komplette Leerung des<br />
Wissensspeichers schon auf der Erde<br />
das Ziel. Das Ich meditiert, lässt alles los<br />
und strebt danach, keinen einzigen Gedanken<br />
mehr in sich zu tragen. Die Gläubigen<br />
streben nach dem Nirwana, in dem<br />
es nichts mehr, nur noch das Nichts gibt.<br />
Dann ist das Ich frei, frei von der<br />
Welt, aber auch frei von sich selbst. Dieser<br />
Zustand beschreibt nichts anderes als das<br />
vollkommene Vergessen. Das Ich löst sich<br />
aus seiner Welt heraus und vergisst nicht<br />
nur seine Sorgen, sondern auch seine<br />
Freunde und Feinde, seine Vergangenheit<br />
und seine Zukunft.<br />
Kultivierung des Vergessens<br />
Der Mensch hat gelernt, sich mit der<br />
Beschränktheit seiner Erinnerungen und<br />
der Beschränktheit seines Wesens zu arrangieren.<br />
Er ist sich bewusst, dass er ein<br />
endliches und mit Mängeln behaftetes<br />
Wesen ist. Um dieser Beschränktheit auch<br />
in seinem Erinnerungsspeicher gerecht<br />
zu werden, hat er die Fähigkeit des bewussten<br />
Vergessens. Dabei geht es immer<br />
darum, durch das Vergessen von Gedanken,<br />
Erkenntnissen und Erinnerungen<br />
Platz für das Neue zu schaffen.<br />
Das Ich ist wie ein Zimmer, dessen<br />
Fenster man nach einer unruhigen Nacht<br />
öffnet. Lüftet man das Zimmer nicht,<br />
wird die Luft immer schlechter und das<br />
Dasein unangenehmer. Es fehlt an Sauerstoff<br />
und frischem Wind. Wie bei den<br />
religiösen Vergessenstechniken zielt auch<br />
dieses weltliche Vergessen letztlich auf die<br />
Erlösung des Ichs, auf die Erlösung von<br />
Zweifel, Unglück und Trauer. Diese Befreiung<br />
fühlt sich wie ein Strecken<br />
der Gegenwart an. Es sind nicht mehr die<br />
Erinnerungen an eine missratene Vergangenheit<br />
oder die Ängste um die Zukunft,<br />
die im Vordergrund stehen. Im<br />
Gegenteil: Das Ich gibt sich ganz seiner<br />
Gegenwart hin. Es lacht und tanzt, es<br />
kocht und singt, es segelt und diskutiert.<br />
Die irdischen Techniken des Vergessens<br />
umfassen das Fantasieren, die Reise,<br />
den Rausch und das Löschen. Im Fantasieren<br />
wandelt das Ich in einfallsreichen,<br />
><br />
«Der Mensch ist<br />
nicht nur ein<br />
Wissenssammler,<br />
er ist auch<br />
ein Meister des<br />
Vergessens.»<br />
Joël Luc Cachelin<br />
DIE VIER TECHNIKEN DES VERGESSENS<br />
Unsere Multioptionsgesellschaft ist gleichzeitig eine Multiwissensgesellschaft.<br />
Die sich aufgrund der Digitalität pausenlos<br />
mehrenden Möglichkeiten führen zu einer Verwirrung des Ichs.<br />
Verliert aber die Aussenwelt des Ichs an Stabilität, so<br />
wird auch seine Innenwelt instabil. Das macht das Ich anfällig für<br />
jede Form der Verführung, die Eindeutigkeit und Sicherheit<br />
verspricht. Zudem besteht die virulente Gefahr des Verzweifelns.<br />
Vier Techniken des Vergessens leisten einen<br />
Beitrag zur Reduktion der Welt und Selbstkomplexität:<br />
das Fantasieren, der Rausch, das Reisen und das Löschen.<br />
Mehr dazu unter www.creditsuisse.com/<strong>bulletin</strong><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
12 <strong>Zeit</strong><br />
fantastischen Gedankenwelten. Durch<br />
Filme, Bücher und Erzählungen lässt es<br />
sich treiben und inspirieren. Das Ich<br />
sieht sich aus neuen Perspektiven und lässt<br />
das Alltags-Ich hinter sich. Ähnlich wirken<br />
die Reise und der Rausch. Auch hier<br />
distanziert sich das Ich für eine vorher<br />
bestimmte <strong>Zeit</strong> von sich selbst und gibt<br />
sich ganz dem Moment hin.<br />
Mit Hilfe der Vergessenstechniken<br />
kultivieren wir jenes Ich, das in den<br />
Zwängen der Gewohnheit und Normen<br />
keinen Platz hat. Wer in den Urlaub fährt<br />
oder mit Freunden eine Flasche Wein<br />
trinkt, vergisst, was ihn sonst quält und<br />
drängt. Man gibt sich dann ganz dem<br />
Augenblick hin, ohne sich vom Vorher<br />
oder vom Nachher derangieren zu lassen.<br />
Schliesslich kann das Ich versuchen<br />
seine Erinnerungen zu löschen, indem es<br />
verdrängt, Dinge wegwirft oder Dateien<br />
löscht. Dieses bewusste Löschen ist<br />
schwierig, weil in unserem Erinnerungsspeicher<br />
doch immer Reste an die unangenehme<br />
Vergangenheit übrigbleiben.<br />
Erfolgsversprechender scheint es, darauf<br />
zu vertrauen, dass der natürliche Vergessensprozess<br />
in Form des Alters nach<br />
und nach die überschüssigen Erinnerungen<br />
von uns nimmt.<br />
Anfrage bei Google, jede Bestellung<br />
in der Mediathek, jeden Besuch im digitalen<br />
Reisebüro. Sie registriert aber<br />
auch das Anschauen eines unanständigen<br />
Videos oder den Beitrag in einem politischen<br />
Forum.<br />
Das Internet nimmt das Ich gefangen<br />
und lässt es nicht mehr los. Im Entstehen<br />
dieser Erinnerungsmaschine verwachsen<br />
die Realität und die Virtualität, die Vergangenheit<br />
und die Zukunft, der Mensch<br />
und die Maschine. Es wird deutlich, dass<br />
das Vergessen mehr denn je seine Berechtigung<br />
erhält. Gerade in einer digitalen<br />
Wissensgesellschaft<br />
lebt der Mensch nur<br />
dann unbekümmert in seiner Gegenwart,<br />
wenn er sich regelmässig der Techniken<br />
des Vergessens bedient. Das Fantasieren,<br />
das Reisen, der Rausch und das Löschen<br />
erlösen das Ich von seinen Sorgen und<br />
Zweifeln, von den Fragen, die den Genuss<br />
des Augenblicks unmöglich machen.<br />
Vergisst das Ich zu vergessen, droht es in<br />
der Unendlichkeit seines Wissens verl oren<br />
zu gehen oder aber in seiner Hilfl osigkeit<br />
als Maschinenmensch zu enden.<br />
Entstehen der Erinnerungsmaschine<br />
Dieses Nachdenken über das Vergessen<br />
findet in einer <strong>Zeit</strong> statt, in der wir<br />
Tag für Tag an einer gigantischen Erinnerungsmaschine<br />
basteln. Die Rede ist<br />
vom Internet, in dessen Netz wir alles<br />
speichern, was Tag für Tag an Dokumentation<br />
über uns anfällt: unsere Fotos,<br />
unseren elektronischen Briefverkehr,<br />
unsere Ferienvideos und alle Dateien, die<br />
im Berufsleben stündlich entstehen. Das<br />
Internet wird mehr und mehr zu einem<br />
symmetrischen Spiegel der Realität. Es ist<br />
das Gehirn der gesamten Menschheit<br />
oder, anders betrachtet, das Zuhause der<br />
Menschen der nächsten Generation.<br />
Weil das Internet aber eine Maschine<br />
ist, vergisst sie nicht. Sie speichert nicht<br />
nur, was wir in den digitalen Raum<br />
bewusst hochladen, sondern erinnert sich<br />
vielmehr an jeden unserer Klicks, jede<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Tag<br />
Nacht<br />
Tag<br />
Nacht
0,001 Sek.
lingSommerHerbstWinterFrühling
Jetzt
Geburt Leben Tod
Fotos: Fuse, Getty | Pia Zanetti (3 Bilder) | HISAO OSONO/amanaimagesRF, Getty | Bill Fritsch, Getty | Catherine Ledner, Getty | Ann Cutting, Getty
20 <strong>Zeit</strong><br />
DAS ALTER IST<br />
NICHTS ANDERES ALS<br />
EIN NEuER TAG<br />
Von Japan bis Mexiko, von Europa bis Brasilien – die Weltbevölkerung<br />
altert rapide, doch für die meisten Planer ist die Zukunft<br />
ewig jung. Das Age Lab am Massachusetts Institute of Technology<br />
entwickelt dagegen Visionen für einen Planeten, auf dem<br />
Hundertjährige ein aktives, erfülltes Leben führen.<br />
7Min. 35 Sek.<br />
Die Lesezeit für<br />
diesen Artikel dauert<br />
im Durchschnitt<br />
7 Minuten 35 Sekunden.<br />
Text: Claudia Steinberg<br />
Schon so häufig ist die 23-jährige Angelina Gennis in das<br />
Kostüm der um rund 50 Jahre älteren Agnes geschlüpft, dass ihr<br />
die <strong>Zeit</strong>reise in die Gebrechlichkeit innerhalb weniger<br />
Minuten gelingt.<br />
Für ihre Verwandlung in eine betagte Dame braucht<br />
die Studentin der Wirtschaftswissenschaft und Weltpolitik<br />
jedoch weder Perücke noch Schminke, vielmehr auferlegt sie<br />
sich mit engen Schaumstoffmanschetten um Hals, Knie und<br />
Ellbogen sowie zähen elastischen Bändern an Hand- und<br />
Fussgelenken freiwillig die Bewegungsbeschränkungen einer<br />
von etlichen degenerativen Krankheiten gezeichneten Frau.<br />
Handschuhe imitieren die Ungeschicklichkeit schlecht durchbluteter<br />
Extremitäten, und an Taille und Sturzhelm befestigte<br />
Gurte zwingen Agnes in eine gekrümmte Position.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> 21<br />
Bei einem Spaziergang durch das verregnete Cambridge fällt es ihr schwer, ihren<br />
Schirm gegen den Wind zu verteidigen und dabei den Zebrastreifen schnell genug zu<br />
überqueren. Nur mit offensichtlicher Anstrengung gelingt es der gebeugten Greisin<br />
mit dem jugendlichen Gesicht unter den neugierigen Seitenblicken von Passanten,<br />
den Treppenaufgang zu einem der imposanten Tempel auf dem Campus des Massachusetts<br />
Institute of Technology hochzusteigen.<br />
Doch im Supermarkt, wo sich Agnes mit grosser Anstrengung nach Waren in den<br />
oberen Regalen reckt, ist sie dem Management längst bekannt – schon oft hat die<br />
vermeintliche Seniorin Vertreter der Lebensmittel- und Verpackungsbranchen durch<br />
die Gänge geführt, um ihnen die Unzugänglichkeit vieler Produkte zu demonstrieren.<br />
Oder die Abgesandten durften den von Ergonomen, Psychologen und Sportphysiologen<br />
entwickelten Zwangsanzug am eigenen Leib erleben, um mehr Mitgefühl für<br />
ältere Menschen aufzubringen.<br />
Unsere erhöhte Lebenserwartung bedeutet eine radikale<br />
demografische Veränderung – und eine immense Chance<br />
Agnes steht für Age Gain Now Empathy System und repräsentiert eines der Grundkonzepte<br />
des MIT Age Labs, das 1999 von Professor Joseph Coughlin mit dem Ziel<br />
gegründet wurde, Designern, Wissenschaftlern und Politikern ein besseres Verständnis<br />
des Alters zu vermitteln und sie zur Entwicklung innovativer Technologien und<br />
Strategien zu motivieren. Agnes kann Auto- ebenso wie Schuhherstellern zum Design<br />
von Modellen verhelfen, die auch für ältere Generationen funktionieren.<br />
Zu viele Unternehmen in den USA, in Japan und Europa haben sich dem Age-<br />
Lab-Direktor zufolge auf ein nie versiegendes Reservoir jugendlicher Konsumenten<br />
verlassen – und sehen sich jetzt mit 85-Jährigen als dem am schnellsten wachsenden<br />
Bevölkerungsanteil konfrontiert. Mit seinem interdisziplinären Team von Ingenieuren,<br />
Psychologen, Soziologen und Geriatern will Coughlin das so genannte Langlebigkeitsparadox<br />
lösen: « Wir leben durchschnittlich 30 Jahre länger als vor 100 Jahren,<br />
aber wir denken nicht darüber nach, was wir mit dieser zusätzlichen <strong>Zeit</strong> anfangen<br />
sollen. Die Verlängerung unserer Lebensspanne ist die grösste Errungenschaft der<br />
Menschheit, aber wir sehen sie in erster Linie unter dem Aspekt einer demografischen<br />
Krise anstatt als Chance. »<br />
Tatsächlich sind die Zahlen über den <strong>Zeit</strong>zuwachs, den medizinische, technologische<br />
und soziale Faktoren den jüngeren Generationen bescheren, erstaunlich:<br />
Die Hälfte aller seit dem Beginn des dritten Jahrtausends geborenen Menschen darf<br />
damit rechnen, 100 zu werden. Doch nur eine verschwindende Minderheit von<br />
Städteplanern entwirft altersfreundliche Metropolen, und nur wenige Architekten<br />
machen sich Gedanken über Häuser, die fragileren Individuen in ihrem Alltag assistieren<br />
könnten. Zwar widmen sich zahlreiche Biologen der Untersuchung von Altersprozessen<br />
auf zellulärer Ebene, doch nur wenige Mediziner gehen in die Geriatrie.<br />
« Ärzte ziehen es vor, Kinder zu behandeln und deren Lebensqualität für die nächsten<br />
80 Jahre zu verbessern – das Alter wird dagegen unweigerlich mit Beeinträchtigung<br />
assoziiert », erklärt Coughlin. Er sieht es hingegen nicht als eine Anhäufung von<br />
Schmerzen und Verlusten, sondern einfach als « mehr <strong>Zeit</strong> ». Onkologen kämpfen oft<br />
um viel kleinere <strong>Zeit</strong>spannen für ihre Patienten, doch « sie haben den Vorteil », so<br />
Coughlin, « dass wir dem Krebs und einigen anderen Krankheiten den Krieg erklärt<br />
haben ». Mit dem Alter dagegen muss man Frieden schliessen.<br />
Joseph Coughlin<br />
ist Gründer und Direktor<br />
des Age Lab am Massachusetts<br />
Institute of Technology<br />
MIT in Cambridge.<br />
Das Age Lab, ursprünglich<br />
Technology for Healthy<br />
Aging Laboratory, ist das<br />
erste interdisziplinäre<br />
Forschungsprogramm mit<br />
dem Ziel, das Verhalten<br />
der über 45-jährigen<br />
Bevölkerung besser zu<br />
verstehen und mit technischen<br />
Innovationen die<br />
Lebensqualität der älteren<br />
Erwachsenen und ihrer<br />
Familien zu verbessern.<br />
Noch nie gab es so lebenstüchtige,<br />
vielseitig gebildete und fordernde Rentner wie heute<br />
Dazu sind die jüngsten Alten der ersten Welt nicht unbedingt bereit. Die geburtenstarke<br />
Nachkriegsgeneration, die jetzt ins Rentenalter tritt, bildet eine noch nie ><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
22 <strong>Zeit</strong><br />
Die 23-jährige Studentin Angelina Gennis verwandelt sich für Age Lab regelmässig in die 50 Jahre ältere Agnes (Agnes steht für<br />
Age Gain Now Empathy System), um Probleme im Alltag aufzuzeigen und damit technische Innovationen auszulösen.<br />
«Wir sehen die<br />
Verlängerung unserer<br />
Lebensspanne in<br />
erster Linie als<br />
demografische Krise<br />
anstatt als Chance.»<br />
Joseph Coughlin<br />
dagewesene Art der Bejahrten – « Sie sind mit schnelleren Autos, besserer Technologie<br />
und mehr Frieden als irgendjemand vor ihnen aufgewachsen », sagt Coughlin.<br />
Es handelt sich um die am besten ausgebildeten und effizientesten Pensionäre in<br />
der Menschheitsgeschichte und um die anspruchsvollsten Bürger aller <strong>Zeit</strong>en, die<br />
auch in einer Rezession davon ausgehen, « dass ihnen ein Produkt, ein Service oder<br />
eine staatliche Massnahme eine höhere Lebensqualität garantieren, als sie ihre Eltern<br />
im gleichen Alter genossen ». Diese Erwartungshaltung ist für Coughlin der ausschlaggebende<br />
Faktor – « wir müssen an eine bessere Zukunft glauben », meint er. Zugleich<br />
stehen die neuen Rentner völlig unerforschten Problemen gegenüber, beispielsweise<br />
haben sie weniger Kinder als frühere Generationen, die sich um sie kümmern werden.<br />
Die Nachkommen dieser Babyboomer finden sich dank der hohen Scheidungsraten<br />
und Wiederverheiratungen der letzten Jahrzehnte immer öfter in der bizarren Situation,<br />
mehr Eltern als Kinder zu haben. « Da stellen sich ganz neue Loyalitätsfragen »,<br />
kommentiert Coughlin das ausgefranste soziale Gewebe.<br />
Vorbilder gibt es für diese zeitgenössische Rentnergeneration keine, aber für<br />
Coughlin ist klar, dass der Ruhestand im bislang üblichen Alter weder für ihn in Frage<br />
kommt noch gesellschaftlich tragbar ist. « Wir orientieren uns noch immer an Verhältnissen<br />
des 18. Jahrhunderts, aber ein Lebensplan, bei dem man 40 Jahre arbeitet und<br />
50 Jahre nichts tut, ist beispielsweise für Leute, die ihren Unterhalt am Computer<br />
verdienen, unhaltbar. » Tatsächlich war es die Antwort einer <strong>11</strong>9-jährigen Frau auf die<br />
Frage eines Reporters, warum sie noch am Leben hänge, die Coughlin zur Gründung<br />
des Age Lab animierte: « Ich bin gesund und habe zu tun. »<br />
So untersucht sein Institut, wie Leute verschiedenen Alters neue Dinge lernen,<br />
denn in Zukunft werden wir mit 40 oder 50 nochmals studieren müssen, um für<br />
weitere 20 Jahre wettbewerbsfähig zu bleiben. Der ungeheure Technologievorsprung,<br />
den ältere Menschen an Teenagern beneiden, wird Letzteren später wenig nutzen,<br />
denn das Tempo neuer Erfindungen eskaliert dermassen, dass es immer schwieriger<br />
wird mitzuhalten. « Meine 18-jährige Tochter ‹simmst› unentwegt und mit grösster<br />
Fotos: Sigrid Rothe<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
<strong>Zeit</strong> 23<br />
Geschwindigkeit. Meine Achtjährige betrachtet ihre ältere Schwester längst<br />
als Technofossil – sie bedient ihr Smartphone nur mit gesprochenen Kommandos »,<br />
sagt Coughlin.<br />
Das Alter ist nichts anderes als ein<br />
neuer Tag, das Leben morgen<br />
Umso erstaunlicher war es für die Age-Lab-Forscher, dass ältere Personen allen<br />
Vorurteilen zum Trotz grosses Interesse an der Beherrschung aktueller Technologien<br />
aufbringen. Sie mögen der Elektronik nicht so selbstverständlich vertrauen wie junge<br />
Leute, doch insbesondere Frauen über 60 sind bereit, <strong>Zeit</strong> in das Erlernen von digitalen<br />
Navigationssystemen zu investieren – unter der Voraussetzung, dass sie einen handfesten<br />
Wert für sich und ihre Familie im Erwerb dieser Fertigkeiten erkennen. « Sich in die<br />
Geheimnisse eines schlecht konzipierten Videorecorders einzuarbeiten, nur um einen<br />
Film zu sehen, den man ohnehin schon kennt, ist die Mühe nicht wert », sagt Coughlin.<br />
Wenn es aber um einen Bereich geht, der so untrennbar mit Lebensqualität und<br />
Unabhängigkeit verbunden ist wie das Auto, ist die Lernwilligkeit dennoch beträchtlich.<br />
Dabei ist das Auto das komplexeste und schwierigste Umfeld unseres Alltags,<br />
ein Instrument, das Brian Reimer zufolge auch den Wahrnehmungsapparat und das<br />
Urteilsvermögen junger Fahrer überfordert. Für das Age Lab entwickelte der MIT-<br />
Forscher in Kollaboration mit Ford ein mit Kameras und Sensoren ausgestattetes<br />
Fahrzeug mit dem Spitznamen « Miss Daisy », das physiologische Faktoren wie Herzfrequenz,<br />
Steuerkontrolle, Augenbewegungen und Mobilität beobachtet. Doch das<br />
Auto hat in den letzten Jahren nicht nur Tausende von Daten über das Fahrverhalten<br />
von Senioren gesammelt, sondern es hilft ihnen auch bei der Kompensation körperlicher<br />
Behinderungen. So kann Miss Daisy ohne jede Berührung des Steuerrads<br />
perfekt rückwärts einparken, ein Talent, das nicht nur Senioren mit steifem Nacken,<br />
sondern natürlich auch jüngeren Fahrern zugutekommen kann.<br />
Doch es ist die ältere Generation, die über die Mittel verfügt und die Ambition<br />
hat, ein Hightechfahrzeug zu kaufen – vorausgesetzt, es besitzt auch « Highstyle ».<br />
Denn eines darf es unter keinen Umständen sein: ein Auto für alte Leute. « Das kauft<br />
weder ein junger noch ein alter Mensch », weiss Coughlin. Deshalb ist es auch so<br />
wichtig, jungen Automobildesignern Agnes vorzustellen, damit sie die von ihr gelernten<br />
Lektionen berücksichtigen können – für alle.<br />
Es gibt kein schlechtes Design für alte Menschen –<br />
nur schlechtes Design<br />
Von Miss Daisy erhielten die Age-Lab-Forscher auch die unerwartete und höchst<br />
bedeutsame Information, dass das Alter an sich nur in geringem Masse für mangelhaftes<br />
Fahrverhalten verantwortlich sei. « Es sind Krankheiten wie Bluthochdruck,<br />
Diabetes und Arthrose, die sich negativ auswirken », meint Reimer. Krankheiten, die<br />
auch Agnes unsicher machen, wenn sie hinter dem Steuer sitzt, die ihr die Konzentration<br />
rauben und ihre Beweglichkeit reduzieren. « Mir ist klar geworden, dass sich<br />
alte Leute viel weniger beklagen, als man annehmen sollte, sie nehmen so viele<br />
chronische Leiden einfach still hin – die Schmerzen folgen ihnen wie ein Schatten »,<br />
sagt Angelina. Das Navigieren in einer Welt, die ohne Gedanken an alte Mitmenschen<br />
gestaltet wurde, empfindet sie als ungemein erschöpfend – « es ist ein wirklicher Kampf ».<br />
Ihre häufige Transformation in eine alte Dame hat ihr Bewusstsein für gesunde<br />
Ernährung und regelmässiges Fitnesstraining erhöht, und trotz ihres winzigen Budgets<br />
als Studentin hat sie einen Pensionsplan erstellt. Die wichtigste Einsicht, die sie Agnes<br />
und dem Age Lab verdankt, ist jedoch, « dass ältere Menschen keine anderen Wesen,<br />
sondern wir selbst zu einem späteren <strong>Zeit</strong>punkt sind. Wenn man ihnen Aufmerk samkeit<br />
schenkt, lernt man sehr viel darüber, wie man glücklicher sein kann. »<br />
..... Mehr zum Thema .....<br />
<strong>Zeit</strong>, Demografie und Lebensqualität<br />
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Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
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fotografieren. Das ist authentisch.<br />
Wir sind auf einem<br />
Bauernhof », zerstreut Jean-<br />
Claude Biver sämtliche Zweifel. « Wie<br />
wunderbar das riecht! » Aus dem genau<br />
gleichen Grund hat er zuvor entschieden,<br />
nicht mit einer Heugabel in der Hand<br />
zu posieren oder in einem Bauernhemd.<br />
« Nein, das wäre nicht ich. Ich liebe diesen<br />
Bauernhof, doch gerade darum überlasse<br />
ich die Arbeit meinem Pächterehepaar.<br />
Meine Hände taugen zu nichts. »<br />
Ein paar wenige Tage nur sind wir zu<br />
spät. Bei der Alpabfahrt im September<br />
lässt er es sich nämlich nicht nehmen, die<br />
16 Kilometer an der Spitze seiner Herde<br />
zurückzulegen. Und das geht nur in der<br />
Sennentracht! Immerhin zeichnet er uns<br />
dieses farbenprächtige, glockenläutende<br />
Bild mit einer Anekdote. « Bei meiner<br />
allerersten Désalpe de La Neuvaz trabte ich<br />
in bequemen Jeans und im Pullover an.<br />
Deshalb wollte mich der Senn partout<br />
nach hinten zu den Touristen schicken.<br />
Zum Glück hatte er in seiner Alphütte noch<br />
eine zweite Hose samt Hemd, Gilet<br />
und Hut. Die Tracht passte mir zwar nicht<br />
optimal und war auch nicht mehr ganz<br />
sauber, aber sie war eben doch passend.<br />
Ich schätze und respektiere die Traditionen<br />
meiner Heimat. »<br />
Und provoziert damit die nächste<br />
Neugierde, fernab der vorbereiteten Fragen:<br />
« Sind Sie nun Schweizer oder nicht? » « Ja,<br />
natürlich, seit ein paar Wochen. Da ich<br />
seit meinem zehnten Altersjahr in der<br />
Schweiz lebe, musste ich keine kniffigen<br />
Fragen beantworten, sondern konnte mit<br />
dem Bürgermeister ein Glas Wein trinken »,<br />
meint der Bürger von La Tour- de-Peilz<br />
lachend. « Ich bin stolz darauf, nun Luxemburger<br />
und auch Schweizer zu sein. Und<br />
motiviert, im Ausland auch meiner neuen<br />
Heimat als guter Botschafter zu dienen. »<br />
Ob das wohl zu kitschig wirken würde?<br />
Biver mit seinem Schweizer Pass in der<br />
Hand vor seinem Bauernhof ? Die laut an-<br />
« Mein Käse ist<br />
unser bester<br />
Botschafter. »<br />
Jean-Claude Biver<br />
gedachte Szenerie erübrigt sich. « Mein Pass<br />
liegt bei den Chinesen auf der Botschaft.<br />
Für mein Visum», lacht Biver. « Seit wir mit<br />
Hublot vor anderthalb Jahren in den chinesischen<br />
Markt eingetreten sind, fiege ich<br />
einmal pro Monat zu − poten ziellen − Kunden<br />
nach China. Und einmal pro Monat<br />
empfange ich chinesische Geschäftstouristen<br />
auf La Poneyre und bewirte sie mit<br />
eigenem Käse und eigenem Wein. Die<br />
Chinesen stehen auf Luxus. Und sie stehen<br />
auf starke Marken. Sie kaufen nichts, was<br />
sie nicht kennen. » Dass sich eine solche<br />
Sonder behandlung bezahlt macht, sieht<br />
man in den schon länger intensiv betreuten<br />
Märkten Brasilien und Mexiko.<br />
« Luxus ist ein emotionales Geschäft.<br />
Luxus verlangt nach Nähe zum Kunden.<br />
Und ich bin gewissermassen der Enzo<br />
Ferrari von Hublot », erklärt Biver lachend.<br />
Immer wieder. Mitreissend. Meist unterstreicht<br />
er seine Botschaft, indem er mit<br />
seinen Fäusten auf den Tisch klopft. Das<br />
ist bei unserem kurzen Fotoshooting auf<br />
dem Bauernhof nicht möglich. Doch Jean-<br />
Claude Biver, der eine gute Stunde später<br />
zum Nachtessen mit Hublot-Sammlern<br />
nach Bremen fiegt, versteht es ausgezeichnet,<br />
die <strong>Zeit</strong> zum Stillstand zu bringen.<br />
Für Momente existiert nur der Moment.<br />
Der Bauernhof lebt, eine feine Poesie<br />
liegt in der Luft. « Mann hört den Hahn<br />
krähen, hört das Pferd wiehern. Und ist zu<br />
Hause. Das ist wahrer Luxus. » Als Kind besuchte<br />
er regelmässig seine Grosseltern auf<br />
ihrem Bauernhof im Burgund. Des halb<br />
lebt in Jean-Claude Biver seit eh und je ein<br />
Bauer, seit 1975 ist er aber ein Uhren-Bauer<br />
im doppelten Wortsinne.<br />
Das passt. Waren es nicht die im<br />
Winter beschäftigungslosen jurassischen<br />
Bauern, die sich der Uhrmacherkunst zuwandten?<br />
Mit Fingerfertigkeit und Geduld?<br />
« In der Schweiz haben Technologie und<br />
Luxus immer etwas Bodenständiges. »<br />
Seinen hauptberufichen Werdegang verdankt<br />
Biver übrigens ebenfalls seiner<br />
Kindheit. Und seiner sportlichen Seite, die<br />
man bei ihm nicht unbedingt mehr vermuten<br />
würde: Der einsame Läufer in den<br />
einsamen Weiten des Vallée de Joux begegne<br />
te einem Seelenverwandten − Jacques
Premium<br />
5<br />
Foto: Credit Suisse<br />
Piguet. Und an dessen Handgelenk entdeckte<br />
er nichts anderes als: eine Dampfmaschine!<br />
Die durchsichtige Uhr, deren<br />
Innenleben er bewunderte, erinnerte ihn<br />
an sein Lieblingsspielzeug. Nicht zuletzt<br />
darum wandte sich der Schuhmachersohn<br />
und gelernte Ökonom mit seiner ganzen<br />
Energie den Schweizer Uhren zu. Mit<br />
schon hinlänglich beschriebenem Erfolg.<br />
Erfolg erhält im Nachhinein oft den<br />
Anstrich des Selbstverständlichen, doch,<br />
Hand aufs tickende Herz, wer hätte es mitten<br />
in der Uhrenkrise gewagt, eine während<br />
30 langer Jahre stillgelegte Traditionsmarke<br />
zu kaufen und mit der Botschaft zu<br />
lancieren: « Seit 1735 gibt es bei Blancpain<br />
keine Quarzuhren. Es wird auch nie welche<br />
geben. » Nur ein Irrer. Oder einer, der weiss,<br />
dass man im Luxusbereich eine Geschichte<br />
erzählen, eine Botschaft vermitteln<br />
muss. « Wer ein kleines Vermögen für eine<br />
Uhr ausgibt, nur um die <strong>Zeit</strong> abzulesen, ist<br />
ein Narr », sagt Biver. Es geht um die Botschaft,<br />
es geht um Emotionen.<br />
Bei Hublot − das bedeutet «Bullauge» −<br />
lautet die Botschaft: Fusion. Das Zusammenführen<br />
von Tradition und Vision im<br />
Heute. Die Tradition der mechanischen,<br />
qualitativ hoch stehenden Uhr wird verbunden<br />
mit neuen Materialien wie Karbon<br />
oder Titan. Wem dies bereits als Selbstverständlichkeit<br />
vorkommt, der ist ein potenzielles<br />
Mitglied des Hublot-Vereins.<br />
Doch heute geht es vor allem um<br />
Käse. Rund 5000 Kilogramm Biver-Käse<br />
wird jeden Sommer auf der Alp hergestellt.<br />
Biver widerspricht vehement. « Der Name<br />
des Käses sagt etwas über die Herkunft<br />
aus, nicht über den Besitzer. Wer ist denn<br />
schon dieser Biver! Der Käse heisst La<br />
Neuvaz. Und das ist ein erstklassiges<br />
Qualitätslabel. Die saftigen Kräuter, die<br />
die Kühe auf der Alp fressen, verleihen<br />
meinem Käse ein einzigartiges cremiges,<br />
blumiges Aroma. Kein Vergleich zum Käse<br />
von holländischen Kraftfutter- Kühen. »<br />
Den La Neuvaz gibt es in keinem<br />
Gourmetladen zu kaufen, das macht ihn<br />
natürlich noch wertvoller, als er eh schon<br />
ist. Wer ihn essen darf, darf sich zur grossen<br />
Hublot-Familie rechnen. « Mein Käse<br />
ist der beste Botschafter von Hublot. » <br />
Jean-Claude Biver, CEO von Hublot<br />
Wir lernten Jean-Claude Biver als Referent am Swiss Innovation Forum in Basel<br />
und am Aussenwirtschaftsforum der Osec in Zürich kennen, zwei wichtigen Anlässen<br />
für unternehmer, die von der Credit Suisse als Hauptsponsor mitunterstützt werden.
Premium<br />
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Premium<br />
7<br />
Dem Zahn der <strong>Zeit</strong> getrotzt<br />
Wie wir über die Schönheitschirurgie denken, hängt womöglich mit unserem subjektiven <strong>Zeit</strong>empfinden<br />
zusammen. Altern und ewiges Leben sind ein häufiges künstlerisches Thema. Deshalb überrascht es nicht,<br />
dass der Schönheitschirurg Ivo Pitanguy auch als « Michelangelo » seines Fachs bezeichnet wird.<br />
Text: Alice Ratcliffe<br />
Foto: Fotonauta<br />
Ivo Pitanguy, der brasilianische Arzt, dessen Klinik in Rio sowohl<br />
den Reichen wie auch den Armen offensteht, gilt manchen als<br />
« Erfinder » der modernen plastischen Schönheitschirurgie. Er ist<br />
überzeugt, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, besser oder<br />
zumindest « normal » auszusehen. Angeblich haben sich unter<br />
anderem Gina Lollobrigida, Melina Mercouri und Zsa Zsa Gabor<br />
von ihm verschönern lassen. Ausserdem operierte er Niki Lauda,<br />
der wegen eines Unfalls beim Grossen Preis<br />
von Deutschland schwere Verbrennungen<br />
im Gesicht erlitten hatte. Aber auch weniger<br />
bekannte Menschen aus aller Welt begeben<br />
sich scharenweise in seine Obhut, um ihr<br />
Aussehen zu verbessern. Die in seiner Heimat<br />
hoch angesehene Klinik zieht Filmstars<br />
und Politiker an. Einen Tag in der Woche operieren seine<br />
Mitarbeiter zudem kostenlos Patienten, die an Geburtsfehlern beziehungsweise<br />
Unfallfolgen leiden oder anderweitig Hilfe benötigen.<br />
« Mit seinem Ebenbild im Reinen zu sein, ist ein ständiger Impuls<br />
für das Selbstwertgefühl », erklärt Pitanguy gegenüber dem<br />
<strong>bulletin</strong>. Doch er warnt: « Jede Korrektur des Alterungsprozesses<br />
sollte mit Eleganz und Sorgfalt vorgenommen werden. Schliesslich<br />
will auch eine Illusion richtig erschaffen werden. » Chirurgen halten<br />
die <strong>Zeit</strong> nicht an, sagt er. « Wir geben jemandem das Gefühl, erfüllt<br />
und in Frieden den Augenblick zu leben. Der in Vollkommenheit gelebte<br />
Augenblick ist unsere eigene Ewigkeit. »<br />
Ist ewiges Leben erstrebenswert?<br />
Die Aussicht auf ewiges Leben fasziniert die Menschen seit je. Doch<br />
die Krux dabei ist, dass die <strong>Zeit</strong> an unserem Gesicht nagt, unseren<br />
Körper aufbläht und höhlt, Pölsterchen und Falten entstehen lässt.<br />
Älterwerden ist nur « natürlich »: Vielleicht ist es ein Fehler, die <strong>Zeit</strong><br />
aufhalten zu wollen, jene meisterhafte Künstlerin, die uns unserem<br />
wahren Selbst und schliesslich dem Tod ausliefert. Diesem Prozess<br />
können wir nicht entfiehen. Womöglich sollten wir es auch gar<br />
nicht versuchen. Das ist zumindest die Botschaft in « Die Sache<br />
Makropulos », einer Oper des tschechischen Komponisten Leoš<br />
Janáček, die im August 20<strong>11</strong> bei den Salzburger Festspielen aufgeführt<br />
wurde. Das Werk erzählt die Geschichte der 1575 auf Kreta geborenen<br />
Elina Makropulos. Als sie 16 Jahre alt ist, erhält ihr Vater,<br />
ein Hofarzt, den Auftrag, eine Formel für das « ewige » Leben zu finden.<br />
Als ihm befohlen wird, das Elixier zuerst an seiner jungen<br />
Tochter auszuprobieren, wird diese ohnmächtig, und der Arzt muss<br />
« Altern ist nichts<br />
für Waschlappen. »<br />
Bette Davis<br />
sterben. Doch nach einer Woche erholt sich die Tochter, entkommt<br />
mit der Formel und wird die grösste Sängerin ihrer <strong>Zeit</strong> – und lange<br />
darüber hinaus. Zu Beginn der Oper hat Elina, die sich jetzt Emilia<br />
Marty nennt, bereits seit 337 Jahren gelebt. Bei einem Erbschaftsstreit<br />
erklärt Emilia schliesslich, wer sie wirklich ist. Nun muss<br />
sie sich entscheiden: ewiges Leben oder Altern und Tod? Sie beschliesst,<br />
eines natürlichen Todes zu sterben. Während sie dahinschwindet,<br />
bietet sie die Formel des Elixiers<br />
jedem an, der sie nimmt. Aber nur das kleine<br />
Mädchen Kristina geht darauf ein. Statt das<br />
Rezept jedoch an sich selbst auszuprobieren,<br />
verbrennt Kristina das Papier in einer Kerzenfamme<br />
und betet dazu auf Griechisch<br />
die ersten Zeilen des Vaterunsers.<br />
Zusammenfassend: Die Kunst kann sich nicht für die Unsterblichkeit<br />
begeistern. Unsterblichkeit scheint uns bestenfalls missmutig<br />
und unzufrieden zu machen. Im schlimmsten Fall bietet sie die<br />
Mühsal des ewigen Lebens, ohne uns jegliche Freuden zu gönnen.<br />
Ein Leben für seine Kunst<br />
Die Gesichtszüge von Pitanguy, der für manche quasi unsterblich<br />
geworden ist, lassen ein sinnvoll verbrachtes Leben erahnen. Nicht<br />
nur Reiche und Arme verehren ihn, auch die medizinische Forschung<br />
hat ihm viel zu verdanken. Wissenschaftliche Abhandlungen<br />
zur Anatomie der Gesichtsnerven kennen die « Pitanguy-<br />
Linie ». Ironischerweise begann Pitanguys Karriere mit dem<br />
Wunsch, älter zu wirken. Pitanguy, 1926 in Belo Horizonte im brasilianischen<br />
Bundesstaat Minas Gerais geboren, wollte schon als<br />
15-Jähriger Arzt werden. Der Sohn eines Chirurgen gab sich daher<br />
um drei Jahre älter aus, um Medizin studieren zu können. Ende der<br />
1940er-Jahre war die Schönheitschirurgie noch kein bedeutendes<br />
Fachgebiet. Junge Chirurgen hatten es schwer, sich das entsprechende<br />
Wissen anzueignen. Nach dem Studienabschluss in Brasilien<br />
erhielt Pitanguy ein Stipendium zur Weiterbildung in den USA,<br />
wo er am Bethesda Hospital und an der Mayo-Klinik arbeitete.<br />
Nach Brasilien zurückgekehrt, wollte er die erlernten Techniken in<br />
die Praxis umsetzen. Er begann am Spital Santa Casa de Misericórdia<br />
zu arbeiten, wo Südamerikas erste handchirurgische Eingriffe<br />
durchgeführt wurden. Ein Jahr später ging Pitanguy auf Einladung<br />
von Marc Iselin, einem der Väter der rekonstruktiven Handchirurgie,<br />
als Gastchirurg nach Paris. Wieder in Brasilien, begann er sich<br />
für sein Fachgebiet zu engagieren. Ein Wendepunkt kam 1961,
Premium<br />
8<br />
als bei einem Grossbrand in einem<br />
Zirkus zelt in Niteroi, Brasilien, 323<br />
Menschen starben und zahlreiche<br />
weitere schwere Gesichtsverletzungen<br />
erlitten. Bei der Betreuung der<br />
Opfer dieser Tragödie « stellte sich<br />
heraus, wie wichtig unser Spezialgebiet<br />
war », erzählt Pitanguy. Seit<br />
1963 leitet er ein Team von Schönheitschirurgen,<br />
das mit jenen Operationstechniken arbeitet, die<br />
er an seiner Klinik entwickelt hat. Ausserdem gibt es noch das 1975<br />
gegründete Ivo Pitanguy Institute, eine gemeinnützige Institution,<br />
die sich der Ausbildung, Forschung und Information über die<br />
Vorteile der plastischen Chirurgie widmet. Ärzte aus aller Welt studieren<br />
bei Pitanguy. « Er ist eine lebende Legende », führt der seit<br />
drei Jahren ansässige Ricardo Ventura aus. Er bezeichnet die<br />
schönheitschirurgische Ausbildung bei Pitanguy als « wahr gewordenen<br />
Traum ». Gleichzeitig « ist er aber auch ein ganz normaler<br />
Professor, der uns viel Geduld entgegenbringt und seine besten<br />
Erfahrungen an uns weitergeben will », meint Ventura. « Über Geld<br />
sprechen wir hier nicht. Es spielt keine Rolle, ob sie (die Patienten)<br />
arm oder reich sind. Die verschiedensten Menschen kommen zu<br />
uns ins Institut. »<br />
Wo die Probleme beginnen<br />
Aber wo endet die Kunst der Schönheitschirurgie und beginnt, sich<br />
in etwas Verführerisches mit einem Hauch von Makropulos zu verwandeln?<br />
Sollen wir Versprechungen glauben, dass wir vom Altern<br />
« geheilt » werden können, als ob es sich um eine Krankheit handelte?<br />
Sollen wir für Dinge wie « Abdominal Etching » (chirurgische<br />
Betonung der Bauchmuskulatur) Geld ausgeben, um uns den obligaten<br />
Waschbrettbauch zuzulegen? Oder sollen wir dem Beispiel<br />
von Elina Makropulos folgen, die nach über 300 Jahren auf der Erde<br />
endlich klug wird und sich nach einem natürlichen Ende sehnt?<br />
Selbstverständlich glauben wir alle insgeheim, jünger auszusehen,<br />
als wir sind. Wir sind mit einer Blindheit gesegnet, die daher rührt,<br />
dass wir uns nicht so sehen wie andere. Wie sonst ist es zu erklären,<br />
dass sich eine 80-Jährige anzieht wie ein Teenager oder dass sich<br />
Männer mit Glatze ein paar übrig gebliebene Strähnen über den<br />
Kopf ziehen? Sicher, wir alle streben nach einer jugendlichen Erscheinung:<br />
« Meine Nase wird alt », lautet der Titel eines Gedichts<br />
von Richard Brautigan, eine Ode an die Zone knapp unterhalb des<br />
Nasenbeins, die, wie er schreibt, « sich weitere zwei Zentimeter geriatrisch<br />
nach unten hinzieht ».<br />
1961 entdeckte der Wissenschaftler Leonard Hayfick, dass<br />
sich gewöhnliche Zellen nur 50- oder 60-mal teilen, bevor die Zelle<br />
« stirbt ». Laut Wissenschaftlern, die das Ende der Zellteilung verhindern<br />
wollen, könnten gewisse Substanzen den Prozess verlangsamen<br />
– zumindest vielleicht. Aber letztlich altern wir alle, ob wir<br />
es wollen oder nicht. In vielen Kulturen wird das Alter bis heute<br />
verehrt. In Japan ist der « Tag der Ehrung der Alten » ein nationaler<br />
Feiertag. Heute herrscht jedoch zunehmend der Jugendwahn.<br />
« Der in Vollkommenheit<br />
gelebte Augenblick<br />
ist unsere eigene<br />
Ewigkeit. »<br />
Dr. med. Ivo Pitanguy<br />
Einem Bericht der Amerikanischen<br />
Gesellschaft für Schönheitschirurgie<br />
zufolge wurden 2009 in<br />
den USA 9,5 Millionen kosmetische<br />
und nicht chirurgische Eingriffe<br />
vorgenommen. Die fünf am<br />
meisten durchgeführten Operationen<br />
bei Frauen waren Brustvergrösserung,<br />
Fettabsaugung, Augenlidoperation,<br />
Bauchstraffung und Brustverkleinerung; bei<br />
Männern waren es Fettabsaugung, Nasenplastik, Augenlidoperation,<br />
Brustverkleinerung und Haartransplantation. Amerikanerinnen<br />
und Amerikaner gaben insgesamt fast 10,5 Milliarden Dollar<br />
für kosmetische Eingriffe aus. Die Kunst warnt uns, dass wer sich<br />
an die Jugend klammert oder die Natur verneint, mit Konsequenzen<br />
rechnen muss. Doch die Alternative ist auch nicht gerade angenehm.<br />
Dazu die amerikanische Schauspielerin Bette Davis: « Altern<br />
ist nichts für Waschlappen. »<br />
Perfektion ist unmöglich<br />
Die Vorstellung, unsere « sterblichen Überreste » zu erhalten, treibt<br />
zuweilen seltsame Blüten. Laut Pitanguy sind die meisten Neurosen<br />
bei Patienten « nur unterschwellig vorhanden und schwer zu<br />
entdecken »; dies gilt insbesondere für Patienten, die mit einem<br />
kleinen Eingriff beginnen, bevor sie sich dem nächsten und übernächsten<br />
unterziehen. « Die Leute wollen perfekt sein », sagte Pitanguy<br />
in einem Interview mit der Modezeitschrift «W magazine». « In<br />
gesunder Form bedeutet dies, dass man sich pfegt und richtig ernährt.<br />
Aber Perfektion in extremer Form ist unmöglich. Diese Art<br />
von Narzissmus wird selbstzerstörerisch und pathologisch. » Das<br />
Älterwerden sei für schöne Frauen oft am schwersten, erklärt er.<br />
« Für sie ist Altern nichts Natürliches. Aber wenn man ihnen mit<br />
einer geeigneten und erfolgreichen Operation hilft, sind sie danach<br />
viel glücklicher. » Er selbst habe sich nie einer Schönheitsoperation<br />
unterzogen und habe dies auch in Zukunft nicht vor.<br />
« Ich habe ein tolerantes Ego », meint er. « Solange man sich selbst<br />
toleriert, braucht man keinen Chirurgen. » <br />
Die Sache Makropulos<br />
Die « Sache Makropulos » gehörte im Sommer 20<strong>11</strong> zu den Hauptattraktionen<br />
an den Salzburger Festspielen. Die Salzburger Aufführung<br />
der ursprünglich 1926 von Leoš Janáček geschriebenen Oper<br />
wurde in Zusammenarbeit mit der polnischen Nationaloper, dem<br />
Teatr Wielki, inszeniert. Dirigiert vom gebürtigen Finnen Esa-Pekka<br />
Salonen und unter der Regie des Schweizers Christoph Marthaler<br />
sang die deutsche Sopranistin Angela Denoke die Rolle der Emilia<br />
Marty. Gemäss dem von Karl Harb verfassten Programmtext verwebt<br />
die Oper « Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf kühne Art<br />
und Weise ». Als eines der bekanntesten Musikfestspiele der Welt<br />
lockt Salzburg nicht nur eine Viertelmillion Besucher aus aller Welt an,<br />
sondern auch etablierte Weltstars sowie faszinierende Nachwuchskünstler.<br />
Die Credit Suisse ist seit 2006 Sponsor der Festspiele<br />
und hat im Rahmen ihres Engagements zur Förderung junger Talente<br />
auch das Sponsoring des Young Singers Project übernommen.
windsor.ch
Premium<br />
10<br />
ERNST
Premium<br />
<strong>11</strong><br />
Ein Schokoladebär als<br />
Speise der Götter<br />
TANNER<br />
Foto: Credit Suisse
Premium<br />
12<br />
Text: Andreas Schiendorfer<br />
Gemäss Credit Suisse Sorgenbarometer<br />
sind 99 Prozent<br />
der Schweizerinnen und<br />
Schweizer stolz auf den internationalen<br />
Ruf ihrer Wirtschaft<br />
in Sachen Qualität, und 97 Prozent<br />
bestätigen dies auch in Bezug auf die<br />
starken Marken im Ausland. Wichtigste<br />
Iden tifikationsmerkmale sind für sie Ordnungsbewusstsein<br />
und Präzision. Doch<br />
nicht weit dahinter folgen bereits die ersten<br />
Produkte: Uhren, Käse, Schokolade. Damit<br />
dies nicht blosse Umfrage theorie bleiben<br />
muss, liefert die Bevölkerung gerne den<br />
Tatbeweis: 2010 kauften die Schweizer durchschnittlich<br />
21,55 Kilogramm Käse und 12<br />
Kilogramm Schokolade. Weltrekord.<br />
Qualität garantiert Export<br />
Dabei darf nicht vergessen werden, dass<br />
gerade für die 18 Schweizer Schokoladehersteller<br />
der Export von existenzieller Bedeutung<br />
ist: 107 000 Tonnen Schokolade im<br />
Wert von 845 Millionen Franken – 60 Prozent<br />
der gesamten Produktion – führen<br />
sie in 150 Märkte aus (Zahlen von 2010).<br />
« Angesichts der globalen Konkurrenz<br />
kann dies alleine über die Qualität funktio<br />
nieren », ist Ernst Tanner, CEO und Verwaltungsratspräsident<br />
von Lindt & Sprüngli,<br />
überzeugt. «Wir setzen konsequent auf<br />
Produkte im obersten Premiumsegment.<br />
Mit Erfolg, denn es gibt weltweit eine<br />
steigende Anzahl Konsumenten, die bereit<br />
sind, für entsprechende Qualität einen<br />
angemessenen Aufpreis zu bezahlen. Der<br />
Verzehr edler Schokolade wird für sie<br />
zum kulinarischen Erlebnis. »<br />
Die unter Tanner 1993 einsetzende<br />
neue Erfolgsgeschichte hängt aber auch<br />
mit einer gezielten, durch den Börsengang<br />
vor 25 Jahren ermöglichten Globalisier<br />
ung des Unternehmens zusammen. Das<br />
Qualitäts- und Markenbewusstsein der<br />
Maîtres Chocolatiers von Lindt verbindet<br />
sich dabei mit dem absatzfördernden<br />
Wissen um regionale Affinitäten. Mittlerweile<br />
stellt Lindt & Sprüngli in acht<br />
Fabriken in der Schweiz, in Deutschland,<br />
Frankreich, Italien, Österreich und in den<br />
USA mit über 7500 Mitarbeitenden rund<br />
3000 verschiedene Produkte her und<br />
erzielt einen Umsatz von 2,58 Milliarden<br />
Franken (2010). Mit Caffarel im Piemont<br />
und Ghirardelli in Kalifornien zählen auch<br />
zwei nicht schweizerische Traditionsunternehmen<br />
zur Gruppe. Eine qualitätsfördernde<br />
Besonderheit ist, dass Lindt &<br />
Sprüngli jeden einzelnen Schritt der Produktionskette,<br />
beginnend bei der Auslese<br />
der Kakaobohnen aus Mittelamerika<br />
und Westafrika, vollständig unter seiner<br />
Kontrolle hat.<br />
Cortés schlauer als Kolumbus<br />
Bei aller Lust der Schweizer auf Süsses ist<br />
mittlerweile Nordamerika vor Deutschland<br />
zum wichtigsten Absatzmarkt von Lindt &<br />
Sprüngli geworden. Ganz selbstverständlich<br />
ist diese interkontinentale kulinarische<br />
Freundschaft nicht, denn der erste Kontakt<br />
im Jahr 1502 verläuft bitter. Für Kolumbus<br />
jedenfalls ist die Kakaobohne, die er als erster<br />
Europäer sieht, eine herbe Enttäuschung.<br />
Doch wie soll man jemanden, der<br />
Amerika mit Indien verwechselt, ernst nehmen.<br />
Hernán Cortés zeigt sich weitsichtiger<br />
und bringt 1528 die Kakaobohne und mit<br />
ihr das exotische Gebräu Xocoatl nach Europa.<br />
Tatsächlich wird Schokolade bis ins 19.<br />
Jahrhundert hinein vor allem getrunken,<br />
in aristokratischen Kreisen notabene, ehe<br />
sie in dieser Beziehung gegenüber den<br />
bürgerlichen Getränken Kaffee und Tee an<br />
Bedeutung verliert.<br />
Verdanken wir den Maya den Namen<br />
Schokolade («herbes Wasser»), so führen<br />
wir «Kakao» gemeinhin auf die Azteken<br />
zurück, die ihren Trank Cacauatl nennen.<br />
Seit Kurzem weiss man jedoch, dass bereits<br />
die vor rund 3000 Jahren in Mexiko lebenden<br />
Olmeken die Bohnen dieser wertvollen<br />
Frucht als Kakawa bezeichnet haben.<br />
Auch die Kakaobauern sollen profitieren<br />
Die mittelamerikanischen Hochkulturen<br />
schätzen das nahrhafte Getränk derart,<br />
dass sie die Kakaobohnen sogar als Zahlungsmittel<br />
benutzen. Davon sind wir heute,<br />
trotz Euro- und Dollarschwäche, weit<br />
entfernt. Bemerkenswerterweise legt aber<br />
Lindt & Sprüngli nicht nur grössten Wert<br />
auf die Qualität des Rohstoffs, sondern<br />
auch auf eine sozial verträgliche und nachhaltige<br />
Beschaffungspolitik. « Um dies<br />
zu garantieren, haben wir in Ghana ein<br />
spezielles Einkaufsmodell entwickelt, das<br />
es erlaubt, den Kakao bis zu den lokalen<br />
Produzenten zurückzuverfolgen. Alle beteiligten<br />
Bauern erhalten feste Preise, im<br />
Gegenzug wird uns die ausreichende Verfügbarkeit<br />
von Kakaobohnen bester<br />
Qualität garantiert », führt dazu Rudolf K.<br />
Sprüngli, Verwaltungsrat in sechster<br />
Ge neration und Vorsitzender des Corporate<br />
Social Responsibility Committee, aus.<br />
« Letztes Jahr bezahlten wir einen Aufpreis<br />
von mehr als einer Million US-Dollar für<br />
die Rückverfolgbarkeit und für lokale Sozialprojekte,<br />
die von einer lokalen Stiftung<br />
zielgerichtet vor Ort eingesetzt werden,<br />
zum Beispiel im Bereich Wasserversorgung,<br />
für den Bau von Schulen oder zur Malariaprophylaxe.<br />
Nun prüfen wir, ob sich das<br />
System auf Ecuador ausdehnen lässt. »<br />
Mit einem weiteren Blick zurück zu<br />
den Wurzeln erfahren wir, dass Maya und<br />
Azteken die füssige Schokolade auch zu<br />
kultischen Zwecken einsetzen und die<br />
wertvollen Kakaobohnen den Göttern als<br />
Opfergabe darbieten. Dies motiviert den<br />
schwedischen Naturforscher Carl von<br />
Linné, dem Kakaobaum den wohlklingenden<br />
lateinischen Namen Theobroma Cacao<br />
zu geben, was nichts anderes als Speise<br />
der Götter bedeutet. Wir schreiben das<br />
Jahr 1753.<br />
Schweiz verbietet Schokolade<br />
Das Schokoladeland Schweiz zählt zu diesem<br />
<strong>Zeit</strong>punkt kulinarisch noch nicht einmal<br />
zu den Schwellenländern. Zwar hat der<br />
Zürcher Bürgermeister Heinrich Escher<br />
bereits 1697 aus Brüssel Schokolade an den<br />
Zürichsee gebracht, doch 1772 verbietet der<br />
Stadtrat den Genuss des für « tugendhafte<br />
Menschen unpassenden » Aphrodisia kums,<br />
das ein gewisser Casanova in seiner<br />
Wirkung dem Champagner gleichsetzt.<br />
Eine derart genussfeindliche Einstellung<br />
Foto: Credit Suisse | Dave Rudkin, Getty Images
Premium<br />
13<br />
der Obrigkeit ist natürlich nicht die Basis für<br />
einen dauerhaften Geschäftserfolg der Schweizer<br />
Schokoladefabriken und Schokoladestuben,<br />
denen wir 1750 beziehungsweise 1792 in<br />
Bern erstmals begegnen. Überspringen wir<br />
kurzerhand weitere Versuche in der Westschweiz<br />
und im Tessin: Die eigentliche Geburtsstunde<br />
der Schweizer Markenschokolade<br />
ist das Jahr 1819, als François-Louis Cailler in<br />
Corsier eine mechanisierte Schokolademanufaktur<br />
errichtet, 1826 folgt Philippe Suchard in Serrières. Globale<br />
Meilensteine in der Geschichte der Schokolade setzen jedoch vor<br />
allem Daniel Peter- Cailler mit der Erfindung der Milchschokolade<br />
1875 und Rodolphe Lindt mit der Schmelz- oder Fondantschokolade<br />
1879, die beide qualitative Quantensprünge ermöglichen.<br />
Lindt wendet dabei – gewollt oder ungewollt – das Conchier-Verfahren<br />
an: Die Schokolademasse wird durch die tagelange Bear beitung<br />
im ab gerundeten Längsreiber, der Conche (spanisch:<br />
Muschel), unter Zusatz von Kakaobutter und bei gleichzeitiger<br />
Erwärmung zur zartschmelzenden Schokolade « Surfin – chocolat<br />
fondant » veredelt.<br />
Die Sprüngli-Geschichte beginnt vor 175 Jahren<br />
Und Sprüngli? Rudolf Sprüngli-Ammann beginnt 1845 in der<br />
Zuckerbäckerei seines Vaters David Sprüngli-Schwarz mitten in<br />
der Zürcher Altstadt mit der Schokoladefabrikation. Damit nimmt<br />
der heute vornehmste Schweizer Schokoladeproduzent seine<br />
Tätigkeit auf. David Sprüngli hat jedoch das Geschäft im Haus<br />
« Zum goldenen Ring » bereits 1836, also vor genau 175 Jahren, der<br />
Witwe seines Arbeitgebers abgekauft. Die Zuckerbäckerei Vogel<br />
an der Marktgasse wiederum geht sogar ins Jahr 1720 zurück.<br />
Rudolf Sprüngli aber verlegt 1847 die immer grösser werdende<br />
Schoko ladefabrikation nach Horgen und 1870 zurück nach Zürich-<br />
Werdmühle, das Konfiseriegeschäft hingegen 1859 ins Haus im<br />
« Tiefenhof » am Paradeplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
der drei Jahre zuvor gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt<br />
(heute Credit Suisse). 1892 teilt er das Unternehmen unter seine<br />
beiden Söhne auf: Rudolf Sprüngli-Schifferli übernimmt die<br />
Schokoladefabrik, David Sprüngli-Baud den Konfiseriebereich.<br />
Beide Firmen gehen fortan getrennte, gleichermassen erfolgreiche<br />
Wege.<br />
Die Bohnen der Kakaofrucht wurden<br />
schon vor 3000 Jahren von den Olmeken<br />
in Mexiko als Kakawa bezeichnet.<br />
halten: Lindt & Sprüngli (damals « Aktiengesellschaft<br />
Vereinigte Berner & Zürcher Chocoladefabriken<br />
Lindt & Sprüngli) reagiert, indem sie<br />
ihre Produkte kontinuierlich weiter verbessert<br />
und angesichts der Bedeutung des Exports die<br />
Marke Lindt aufbaut – und konsequent verteidigt.<br />
So findet bereits von 1906 bis 1927 ein erster,<br />
erbittert geführter Kampf um die Wahrung<br />
der Markenrechte statt – notabene gegen zwei<br />
Verwandte von Rodolphe Lindt. « Die Pfege der<br />
Marke Lindt hat bis heute nichts von ihrer Bedeutung ver loren »,<br />
betont Ernst Tanner. « Zentral ist dabei das Qualitätsdenken jeder<br />
einzelnen Mitarbeiterin und jedes ein zelnen Mitarbeiters. Dieses<br />
ist gerade im Premiumsegment entscheidend für den Erfolg. »<br />
Ein Bär bereichert die Tierfamilie<br />
Die Geschichte der goldenen Tierfamilie beginnt übrigens 1952:<br />
Einer der Lindt Maîtres Chocolatiers entdeckt an einem sonnigen<br />
Märztag in seinem Garten einen kleinen Hasen. Als er im Gebüsch<br />
verschwindet, weint sein kleiner Sohn bitterlich – und im gleichen<br />
Moment ist auch schon die Idee des « Lindt Schneehasen » geboren,<br />
wie er damals noch heisst. Damit er künftig ja nicht mehr ver -<br />
loren geht, erhält er ein Glöcklein an einer roten Schleife. Mittlerweile<br />
erfreuen zur Osterzeit über 100 Millionen Goldhasen, jeder<br />
einzelne von Hand glatt gestreichelt, die jungen und nicht mehr<br />
ganz jungen Besitzer. 20<strong>05</strong> beginnt ein goldenes Rentier durch<br />
die – vor allem angelsächsischen – Weihnachtsstuben zu ziehen,<br />
und seit 20<strong>11</strong> ergänzt der Lindt Bär jeweils bis zum Jahreswechsel<br />
die exklusive Fauna-Familie. Seinem roten Halsband entsprechend<br />
haben ihn bereits viele Schokoladeliebhaber in ihr Herz<br />
geschlossen. <br />
Credit Suisse Clients<br />
1899 Zusammenschluss von Lindt mit Sprüngli<br />
Um die Wende zum 20. Jahrhundert stellt Rudolf Sprüngli Sohn<br />
die Weichen in eine erfolgreiche Zukunft: 1898 Umwandlung in<br />
eine Aktiengesellschaft, 1898–1899 Fabrikbau in Kilchberg-Bendlikon,<br />
1899 Übernahme der Firma Rod. Lindt fils in Bern und 1900<br />
Gründung einer betriebseigenen Krankenkasse und eines Invalidenfonds,<br />
womit das Unternehmen seine soziale Verantwor -<br />
tung früher als die meisten anderen Betriebe wahrnimmt und davon<br />
langfristig profitiert. 1901 lässt sich der während zwölf Jahren<br />
streng gehütete Conchier-Prozess nicht mehr länger geheim<br />
Im Oktober 20<strong>11</strong> startete die Credit Suisse eine globale Inseratekampagne,<br />
die sechs verschiedene Firmenkunden beziehungsweise<br />
ihre Repräsentanten in einer überraschenden Bildkonstellation zeigen.<br />
Neben dem Schokoladehersteller Lindt & Sprüngli und den Zermattbahnen<br />
aus der Schweiz haben sich die amerikanische Designerin<br />
Jen Kao, das chinesische Suchmaschinenunternehmen Baidu sowie<br />
der Industriekonzern Maccaferri und der Elektromotorroller-Hersteller<br />
Oxygen aus Italien für diese Kampagne zur Verfügung gestellt.<br />
Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/clients
Premium<br />
14<br />
Durch und durch britisch,<br />
unbestreitbar global – Burberry<br />
Text: Celeste Neill<br />
«Es geht<br />
nicht um die<br />
Grösse der<br />
Läden, sondern<br />
um das<br />
Erlebnis. »<br />
Angela Ahrendts<br />
CEO Burberry<br />
I<br />
m Rahmen der gemeinsam mit «Newsweek»/<br />
«The Daily Beast» ausgerichteten Speaker<br />
Series war die Credit Suisse in der Londoner<br />
Na tional Gallery Gastgeberin eines anregenden<br />
Abends mit Burberry-CEO Angela Ahrendts.<br />
Die Gesprächsreihe war eine Idee von Pamela Thomas-<br />
Graham, Chief Talent, Branding and Communication<br />
Officer der Credit Suisse, und wird von Tina Brown<br />
moderiert. Diese war nach einer steilen Verlagskarriere<br />
in England in die USA übergesiedelt, wo<br />
sie nach erfolgreichen Zwischenhalten bei «Vanity Fair »<br />
und «The New Yorker» schliesslich an die Spitze<br />
von « Newsweek » und « The Daily Beast » gelangte. Dort<br />
wiederum führte Tina Brown die Druck- und Online-<br />
Medien zusammen und hinterfragte die Art und Weise,<br />
wie wir Informationen konsumieren und kommunizieren.<br />
Die neue Veranstaltungsreihe wurde als Ergänzung<br />
zur Arbeit der «Women in the World Foundation »<br />
ins Leben gerufen und bringt herausragende weibliche<br />
Führungspersönlichkeiten und Fürsprecherinnen<br />
aus aller Welt zusammen. Dabei werden im Rahmen<br />
informeller Gespräche erfolgreiche Frauen mit Vorbildcharakter<br />
vorgestellt. Diesem Ziel entsprechend warf<br />
der Abend in der National Gallery ein Schlaglicht auf<br />
die Dynamik und den Weitblick von Angela Ahrendts,<br />
der Chefin der britischen Markenikone Burberry.<br />
Nachdem sie 2006 zur höchst erfolgreichen, je -<br />
doch leicht stagnierenden Marke gestossen war,<br />
machte Angela Ahrendts diese schon bald zu jener<br />
globalen Instanz, als die Burberry heute uneingeschränkt<br />
anerkannt wird. In enger Zusammenarbeit<br />
mit Krea tivdirektor Christopher Bailey, einem Team<br />
aus erfahrenen Führungskräften und den weltweiten<br />
Mitarbeitenden von Burberry führte Ahrendts das<br />
Unternehmen in den FTSE 100 und vermarktet seither<br />
britisches Lebensgefühl auf der ganzen Welt. Erstaunlicherweise<br />
hat sich das traditionsreiche Label auch<br />
an vorderster Front bei der Revolution der Sozialen<br />
Medien im Luxus-Einzelhandel etabliert. Die neueste<br />
Kollektion der Marke wurde über nicht weniger als<br />
456 Medienpartner weltweit präsentiert und generierte<br />
allein am ersten Tag 220 Millionen Aufrufe der Website.<br />
Darüber hinaus verzeichnet Burberry auf seinen<br />
Online-Plattformen durchschnittlich eine Million Besucher<br />
pro Woche, und der Einsatz von Sozialen Medien<br />
hat sich für die Marke als überaus wertvoll erwiesen.<br />
Doch das Interesse an Burberry beschränkt sich<br />
nicht auf die Online-Welt. Anspruchsvolle Kunden<br />
wollen mit der Marke weiterhin auf Tuchfühlung sein<br />
und sie hautnah erleben. Auf die Bedürfnisse und<br />
Wünsche der Kunden reagierte das Unternehmen mit<br />
einer sorgfältig inszenierten Strategie, bei der das<br />
reale Erlebnis rund um die Online-Erfahrung angelegt<br />
ist. Die Schaufensterauslagen sind den Homepages<br />
nachempfunden, das Branding ist prägnant, und das<br />
Empfinden wird von der virtuellen in die reale Welt<br />
übertragen. Mit der Eröffnung von Megastores will<br />
Burberry zudem die Erfahrung erweitern. « Es geht<br />
nicht um die Grösse der Läden, sondern um das Erlebnis<br />
», sagt Ahrendts.<br />
Interessanterweise geht das Geschäft von Burberry<br />
zu 60 bis 70 Prozent auf Tourismuskunden zurück,<br />
ergänzt durch sorgfältig ausgewählte Flagship Stores<br />
auf der ganzen Welt. Die frühzeitige Fokussierung<br />
auf Schwellenländer hat der Marke überdies zu einem<br />
Wettbewerbsvorteil verholfen, denn erstaunlicherweise<br />
sind in Märkten wie Indien, Brasilien oder China<br />
sehr vermögende Kunden im Durchschnitt um 15 Jahre<br />
jünger. Aber die <strong>Zeit</strong>en sind hart, und um ganz oben<br />
zu bleiben, musste sich das Unternehmen überlegen,<br />
was bei der Umsetzung seiner Ziele und Bestrebungen<br />
nicht mehr zwingend benötigt würde. Mit Ausnahme<br />
der kundennahen Bereiche wurde jeder Aspekt des<br />
Unternehmens unter den wachsamen Augen von Ahrendts<br />
eingehend auf seine Bewandtnis hin überprüft.<br />
Die erfolgreiche Strategie und die harte Hand haben<br />
sich ausgezahlt, denn heute ist Burberry solide aufgestellt<br />
und dient seinen Mitbewerbern als Vorbild. <br />
Wenn Sie das Gespräch mit Burberry-CEO Angela Ahrendts<br />
in voller Länge sehen möchten, scannen Sie bitte den<br />
nachstehenden QR Code, und ein Film wird direkt auf Ihr<br />
Smartphone überspielt.<br />
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle von Burberry / Credit Suisse
FASHION-DESIGNERIN JEN KAO LIESS SICH FÜR<br />
IHRE NEUESTE KOLLEKTION VOM OZEAN INSPIRIEREN.<br />
Die Credit Suisse hilft einem neuen Talent, nach oben zu kommen.<br />
credit-suisse.com/clients
Premium<br />
16<br />
Text: Terri James<br />
« Hong Kong<br />
calling »<br />
Hongkong wird zu Recht als ein<br />
Ort beschrieben, wo Osten<br />
und Westen sich treffen und wo<br />
sich modernes Leben im Einklang<br />
mit chinesischen Traditionen<br />
befindet.<br />
Hongkong wird oft als « Treffpunkt von Ost und<br />
West » bezeichnet, als Stadt, die einen modernen<br />
Lebensstil mit chinesischen Traditionen vereint.<br />
Als eines der weltweit führenden Finanzzentren<br />
verfügt Hongkong über eine kapitalistische Dienstleistungswirtschaft,<br />
und seine Währung gehört<br />
zu den zehn meistgehandelten der Welt.<br />
Hongkong gilt als die vertikalste Stadt der Welt<br />
und ist bekannt für seine ausgedehnte Skyline. Der<br />
Platzmangel machte verdichtetes Bauen notwendig,<br />
und unter den über 7500 Wolkenkratzern finden<br />
sich wahre Perlen moderner Architektur. Konzepte<br />
wie Feng-Shui werden sehr ernst genommen, und<br />
für kostspielige Bauvorhaben werden oft Fachleute<br />
beigezogen, denen erfolgsentscheidende Qualitäten<br />
nachgesagt werden.<br />
Hongkongs elektrisierende Atmosphäre lässt sich<br />
jedoch nicht allein mit einem pulsierenden<br />
Geschäftsumfeld erklären. Es handelt sich auch<br />
um eine kulturell vielfältige, energiegeladene<br />
Stadt mit einer Fülle von Erholungsmöglichkeiten,<br />
wie sie heute jede Weltstadt bietet. Willkommen<br />
in Hongkong: «Work hard, play hard!»<br />
B<br />
C<br />
B<br />
B<br />
E<br />
B<br />
F<br />
D A B<br />
B<br />
B<br />
Foto: King Wu, Getty Images
Premium<br />
17<br />
A<br />
Essen<br />
Armani/Aqua<br />
Die Stadt, die Essen und Mode<br />
in gleichem Masse liebt, wartet<br />
endlich mit dem kulinarischen<br />
Ereignis auf, das ihren Bedürfnissen<br />
entspricht. Armani/Aqua,<br />
eine Kooperation zwischen dem<br />
italienischen Designer und der<br />
Restaurantgruppe, die in Hongkong<br />
Massstäbe setzt, vereint<br />
italienische und japanische Küche,<br />
ohne in die Fusionsfalle zu tappen.<br />
Vielmehr gelingt es dem Etablissement,<br />
beides in höchster Qualität<br />
zu bieten, sodass die Gäste<br />
nach Lust und Laune kombinieren<br />
können. Eine stilvolle Innenausstattung<br />
und eine Terrasse, die<br />
punkto Aussicht in der Stadt ihresgleichen<br />
sucht, schaffen das<br />
ideale Ambiente für ein unvergessliches<br />
kulinarisches Erlebnis.<br />
Armani/Aqua<br />
Chater House<br />
8 Connaught Road, Central<br />
www.armani-aqua.com<br />
B Festival<br />
Hong Kong Arts Festival<br />
1973 erstmals durchgeführt, darf<br />
das Hong Kong Arts Festival vom<br />
28. Januar bis 8. März 2012 mit<br />
der 40. Austragung ein Jubiläum<br />
feiern. Dazu werden 166 Aufführungen<br />
geboten, von 38 Ensembles<br />
oder Solokünstlern aus Übersee<br />
sowie 16 aus Hongkong.<br />
Das Festival hat sich den kulturellen<br />
Austausch zwischen Ost und West<br />
sowie die Förderung des kulturellen<br />
Nachwuchses auf die Fahnen<br />
geschrieben – und dies interdisziplinär<br />
mit Schwergewicht auf Oper,<br />
Musik und Tanz. Als Partner des<br />
Festivals unterstützt die Credit<br />
Suisse seit 2009 die Credit<br />
Suisse Emerging Artists Series.<br />
Hong Kong Arts Festival<br />
28. Januar bis 8. März 2012<br />
www.hk.artsfestival.org<br />
C Kultur<br />
Kulturgemeinschaft in Fo Tan<br />
Die wachsende Zahl leer stehender<br />
Fabrikanlagen hat einige Pioniere<br />
dazu bewogen, im einstigen Industriebezirk<br />
Fo Tan, rund 45 Minuten<br />
ausserhalb des Zentrums, eine<br />
Kulturgemeinschaft inklusive Ateliers<br />
zu gründen. Zurzeit arbeiten<br />
hier 70 Künstlerinnen und Künstler.<br />
Obwohl nicht alle Türen für<br />
Passanten offenstehen, gibt es<br />
mehrere Galerien, darunter auch<br />
die Blue Lotus, die massgeblich<br />
zum Gemeinschaftssinn unter den<br />
Künstlern von Fo Tan beitragen.<br />
Blue Lotus Gallery<br />
Wah Luen Industrial Building<br />
15–21 Wong Chuk Yeung Street<br />
www.bluelotus-gallery.com<br />
D Ein Hongkonger Muss<br />
Dim Sum<br />
Obwohl man es heute an vielen<br />
Orten auf der Welt bekommen<br />
kann, wissen echte Liebhaber,<br />
dass nur Hongkonger Dim Sum<br />
die höchste Vollkommenheit<br />
erreicht. Jeder hat sein eigenes<br />
Lieblingsrestaurant, aber für ein<br />
authentisches Hongkong-Erlebnis<br />
ist das Luk Yu Teahouse im<br />
Central kaum zu überbieten.<br />
Wegen der immer strengeren<br />
Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften<br />
ist die Dim-Sum-Vielfalt<br />
eingeschränkt worden, und das<br />
«Luk Yu» bildet hier keine Ausnahme.<br />
Dennoch ist das Dim Sum so<br />
schmackhaft wie eh und je. Das<br />
Dekor ist im klassischen Teahouse-Stil<br />
gehalten mit hohen Decken,<br />
trägen Ventilatoren und geschnitzten<br />
Holzvertäfelungen, die<br />
zur stimmungsvollen Atmosphäre<br />
bei tragen.<br />
Das Restaurant ist seit seiner Eröff -<br />
nung im Jahr 1933 ein beliebter Treffpunkt<br />
für Einheimische. Der erste<br />
Stock ist für Stammgäste reserviert,<br />
aber im Erdgeschoss werden<br />
Touristen und Ansässige bewirtet.<br />
Luk Yu Teahouse<br />
24 Stanley Street, Central<br />
E Nachtleben<br />
Ozone, Ritz-Carlton Hotel<br />
Für einen Besuch im «Ozone»<br />
empfi ehlt es sich, den Abend<br />
sorgfältig auszuwählen. Hongkong<br />
ist nicht gerade für saubere Luft<br />
bekannt, aber bei wolkenlosem<br />
Himmel bietet diese Bar im <strong>11</strong>8.<br />
Stock – zweifellos eine der höchsten<br />
der Welt – atemberaubende<br />
Ausblicke auf die Stadt, am besten<br />
von der Terrasse aus, wo es aber<br />
eng werden kann. Das «Ozone»<br />
gehört zum unlängst eröffneten<br />
Ritz-Carlton Hotel, untergebracht<br />
in den obersten Stockwerken<br />
des ICC-Turms, des höchsten<br />
Gebäudes in Hongkong.<br />
Ozone, The Ritz-Carlton<br />
ICC, 1 Austin Road West<br />
Kowloon<br />
www.ritzcarlton.com<br />
F Shopping<br />
Cat Street Market<br />
Das Gewirr der Cat Street birgt<br />
manche Schätze, die jedoch ein<br />
gewisses Verhandlungsgeschick<br />
voraussetzen. Auf diesem Trödelund<br />
Antiquitätenmarkt fi ndet sich<br />
alles, was das Herz begehrt – von<br />
antiken Teekisten und Abakussen<br />
bis zu gebrauchten Schachsets<br />
und unzähligen Andenken. Leicht<br />
verwirrend mag sein, dass die<br />
Cat Street eigentlich Upper Lascar<br />
Row heisst. Der volkstümliche<br />
Name geht auf die Anfänge der<br />
Strasse zurück, als der Markt<br />
dort noch als Umschlagplatz für<br />
gestohlene Waren diente, und die<br />
«Katzen» den Dieben oder «Ratten»<br />
die gestohlenen Waren abkauften.<br />
Cat-Street-Antiquitätenmarkt<br />
upper Lascar Row<br />
Sheung Wan
strellson.com<br />
get the story
Invest<br />
l<br />
Wnv Iirtschafte, Märskte utnd Anlagen<br />
Konjunktur<br />
Zinsen und<br />
Obligationen<br />
Währungen<br />
Aktien<br />
Rohstoffe<br />
Immobilien<br />
Der Trend zur Konjunkturverlangsamung<br />
hat in China<br />
und den USA nachgelassen,<br />
in Europa sich aber verstärkt.<br />
Die mittelfristigen<br />
Wachstumsaussichten<br />
bleiben verhalten.<br />
Die kurzfristigen Zinsen<br />
bleiben in den Hauptmärkten<br />
(inkl. Schweiz) bei null.<br />
Die Verzinsung ist auf<br />
Staatsanleihen sehr unattraktiv,<br />
auf Unternehmensanleihen<br />
leicht besser.<br />
Die Strukturprobleme des<br />
USD sind ebenso gross<br />
wie jene des EUR. Wir erwarten<br />
eine Seitwärtsentwicklung<br />
von EUR/USD.<br />
Gegenüber dem CHF sollte<br />
der EUR etwas zulegen.<br />
Aktien sind attraktiv bewertet,<br />
aber die politischen<br />
Probleme in Europa und<br />
die schwache globale<br />
Konjunktur begrenzen das<br />
Aufwärtspotenzial vorerst.<br />
Die zyklischen Rohstoffe<br />
bleiben im aktuellen<br />
Umfeld riskant. Gold profi -<br />
tiert von politischen<br />
Unsicherheiten, tiefen<br />
Zinsen und fehlendem<br />
Gegenparteirisiko.<br />
Schweizer Immobilienfonds<br />
weisen ein grosses Agio<br />
auf. Solange die Zinsen<br />
jedoch tief bleiben, empfehlen<br />
wir, diese Anlagen<br />
zu halten.<br />
Dass der griechische Staat zahlungsunfähig<br />
ist, stellt keine Überraschung mehr dar.<br />
In der Zwischenzeit hat sich aber die Wirtschafts<br />
und Finanzlage anderer – grösserer –<br />
Länder verschlechtert. Frankreich, aber<br />
ganz besonders Spanien und Italien geben<br />
Anlass zur Sorge.<br />
Das laufende Defi zit in Italien ist mit etwa<br />
4,5% des BIP zwar geringer als in vielen<br />
anderen Industrie ländern und der Primärhaushalt,<br />
d. h. das Defi zit ohne Zinszahlungen,<br />
ist sogar fast ausgeglichen. Weil die Regierung<br />
Berlusconi jedoch Sanierungsmassnahmen<br />
verschleppt hat, haben die Finanzmärkte<br />
zunehmend das Vertrauen verloren.<br />
Die Zinsen auf den italienischen Staatsanleihen<br />
sind weit über ein nachhaltiges Niveau<br />
hinaus gestiegen, und es droht eine Spirale,<br />
in der die Schulden wegen zunehmender<br />
Zinszahlungen unkontrolliert steigen.<br />
Das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen<br />
ist viel schwieriger als es zu verlieren.<br />
Auch entschlossene Massnahmen der neuen<br />
Regierung reichen womöglich nicht aus.<br />
Gleichzeitig sind die Mittel des europäischen<br />
Stabilitätsfonds (EFSF) zu gering, um<br />
die italienischen Anleihen zu garantieren.<br />
Es braucht schwereres Geschütz. Wer die<br />
Mittel hat, ist klar. Es ist die Europäische<br />
Zentralbank. Wie radikal Notenbanken handeln<br />
müssen, um den Markt zu überzeugen,<br />
hat die SNB jüngst vorgemacht. Avanti,<br />
Signor Draghi!<br />
Fotos: Credit Suisse | Udo Weitz, Keystone<br />
Dr. Oliver Adler<br />
Leiter Global Economics<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
ll<br />
Invest<br />
Konjunktur<br />
Global:<br />
Wirtschaftsdynamik<br />
bleibt schwach<br />
Die immer noch ungenügenden Massnahmen<br />
zur Eindämmung der europäischen Schuldenkrise<br />
dominieren weiterhin die Stimmung<br />
an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft.<br />
In Teilen der Eurozone zeichnet sich<br />
immer klarer eine Rezession ab. In den USA<br />
hat sich die Konjunktur hingegen eher beschleunigt,<br />
Unsicherheiten über die Finanzpolitik<br />
nehmen aber zu. China scheint<br />
weiterhin im Prozess einer «sanften Landung»<br />
begriffen zu sein. Sofern die europäische<br />
Krise sich nicht weiter verschärft, erscheint<br />
uns eine Fortsetzung der globalen Erholung<br />
immer noch als Hauptszenario.<br />
Thomas Herrmann<br />
Zinsen und<br />
Obligationen<br />
Zinsen:<br />
Die kurzfristigen Zinsen<br />
bleiben bei null<br />
Wegen der anhaltenden Konjunkturrisiken<br />
bleibt die Geldpolitik global betrachtet<br />
expansiv und die kurzfristigen Zinsen deshalb<br />
sehr tief. Die Europäische Zentralbank<br />
hat Anfang November die Leitzinsen auf<br />
1,25% zurückgenommen und wir erwarten<br />
im Dezember einen weiteren Schritt.<br />
In der Schweiz bleibt eine Zinserhöhung auf<br />
längere Sicht höchst unwahrscheinlich.<br />
In den USA, Grossbritannien und Japan bleiben<br />
die Zinsen ebenfalls bei null. Auch in<br />
den Schwellenländern deuten schwächere<br />
Wirtschaftsdaten und ein Wendepunkt<br />
der Inflation eher auf Zinssenkungen hin.<br />
Fabian Heller<br />
Währungen<br />
Global:<br />
uSD wird von der Eurokrise<br />
gestützt<br />
Trotz der negativen Stimmung gegenüber<br />
dem EUR ist es interessant, festzustellen,<br />
dass EUR/USD rund 3% höher als vor<br />
einem Jahr notiert. Der EUR wird unserer<br />
Meinung nach auch weiterhin kaum eine<br />
massive Abschwächung erleiden. Der Grund<br />
ist, dass eben auch der USD strukturelle<br />
Schwächen – wie ein hohes Aussenhandels<br />
defizit und anhaltend tiefe Zinsen – aufweist.<br />
Allerdings gehen wir wegen der Konjunktur<br />
schwäche und der Zinssenkungen in der<br />
Euro zone nun neu doch von einer leichten<br />
Abwertung des EUR gegenüber USD, JPY<br />
und anderen asiatischen Währungen aus.<br />
Marcus Hettinger<br />
Schweiz:<br />
Schweizer Konjunktur<br />
am Scheideweg<br />
Die Schweizer Wirtschaft stagniert derzeit<br />
und die Aussichten haben sich verschlechtert.<br />
Die Schuldenkrise in Europa verunsichert<br />
Konsumenten und Investoren. Die<br />
sich in Teilen der Eurozone abzeichnende<br />
Rezession wird die Schweizer Exporte trotz<br />
der Festlegung der Wechselkursuntergrenze<br />
durch die Nationalbank stark beeinträchtigen.<br />
Obwohl wir bei der Binnennachfrage<br />
nicht zuletzt wegen der regen<br />
Zuwanderung und der günstigen Preise<br />
noch von positiven Zuwachsraten ausgehen,<br />
haben wir unsere Wachstumsprognose<br />
für 2012 markant gesenkt. Claude Maurer<br />
Obligationen:<br />
unternehmensanleihen<br />
weiter attraktiv<br />
Die Spreizung der Zinsen zwischen den Anleihen<br />
erstklassiger Bonität und den eher als<br />
riskant eingestuften Obligationen ist sowohl<br />
im staatlichen wie auch im Unternehmensbereich<br />
ausgesprochen markant. Wegen der<br />
immer noch ungelösten EUSchuldenproblematik<br />
und der Konjunkturabschwächung in<br />
Europa wird sich dies wohl nicht so rasch<br />
ändern. Da die Renditen im AAABereich<br />
extrem tief sind und eine auch nur leichte<br />
Verbesserung im Umfeld hier zu Kursrückschlägen<br />
führen würde, empfehlen wir<br />
weiterhin, den Fokus auf Unternehmensanleihen<br />
hoher Bonität zu legen. Stefan Klein<br />
Schweiz:<br />
EuR/CHF:<br />
Die Kursuntergrenze hält<br />
Der Schweizer Franken hat sich gegenüber<br />
dem Euro äusserst stabil verhalten, obwohl<br />
die vergangenen Wochen erneut durch<br />
starke Turbulenzen an den europäischen<br />
Bondmärkten gekennzeichnet waren. Dies<br />
zeigt, dass die Kursuntergrenze der SNB bei<br />
CHF 1.20 pro EUR vorerst sehr glaubwürdig<br />
ist. Wir gehen davon aus, dass sich der<br />
immer noch klar überbewertete Franken bei<br />
einer Beruhigung der EWUKrise gegenüber<br />
dem Euro weiter abschwächen wird. Trotz<br />
der EZBZinssenkung ist auf 3 Monate ein<br />
erneuter EURAnstieg in Richtung CHF 1.25<br />
wahrscheinlich. Marcus Hettinger<br />
Deutliche Bremsspuren in der<br />
Schweizer Wirtschaft Quelle: Seco, Credit Suisse<br />
CHF-Zinsniveaus weiterhin nahe historischem Tief<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Zinsvorteil für EuR bleibt intakt<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse / IDC<br />
Index<br />
%<br />
%<br />
EUR/CHF<br />
%<br />
80<br />
70<br />
6<br />
4<br />
2<br />
1.60<br />
2.4<br />
2.0<br />
60<br />
2<br />
1.40<br />
1.6<br />
50<br />
40<br />
0<br />
–2<br />
1<br />
1.20<br />
1.2<br />
0.8<br />
30<br />
–4<br />
0<br />
1.00<br />
0.4<br />
1995<br />
1999 2003 2007 20<strong>11</strong><br />
BIP real im Vergleich zum Vorjahr<br />
PMI<br />
Libor 3M<br />
Libor 6M<br />
Libor 12M<br />
Swap 2Y<br />
Swap 3Y<br />
Swap 4Y<br />
Swap 5Y<br />
Swap 6Y<br />
Swap 7Y<br />
Swap 8Y<br />
Swap 9Y<br />
25. Aug. 2010 12. Apr. 2010 17. Okt. 2010<br />
Swap 10Y<br />
1.<strong>05</strong> 1.07 1.09 1.<strong>11</strong><br />
EUR/CHF-Wechselkurs 2j. Swap EUR minus CHF<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Invest<br />
Ill<br />
Aktien<br />
Rohstoffe<br />
Immobilien<br />
Global:<br />
Eurozone bleibt<br />
im Mittelpunkt<br />
Global betrachtet sind Aktien weiterhin<br />
günstig bewertet, solange die aktuellen<br />
Gewinnprognosen nicht vollkommen falsch<br />
liegen, was uns als unwahrscheinlich erscheint.<br />
Damit die Bewertung als Treiber<br />
wirken kann, muss sich aber die Stimmung<br />
an der Börse verbessern. Dazu wären eine<br />
klare Lösung des Schuldenproblems von<br />
Griechenland und eine Stabilisierung in Italien<br />
nötig. Auch dann bleibt das Kurspotenzial<br />
jedoch wegen der recht schwachen Konjunkturaussichten<br />
eher begrenzt. Stützend<br />
wirken sollte hingegen die Verringerung des<br />
Infl ationsdrucks, vor allem in den Schwellenländern.<br />
Michael O’Sullivan, Drazenko Lakic<br />
Schweiz:<br />
Ausblick wichtiger als<br />
Quartalsresultate<br />
Die Unternehmensresultate für das 3. Quartal<br />
sollten insgesamt den Erwartungen<br />
gerecht werden. Da sich jedoch die wirtschaftlichen<br />
Frühindikatoren über die letzten<br />
Monate abgeschwächt haben, ist für die<br />
Anleger der Ausblick wichtiger. Die Schweizer<br />
Unternehmen selbst werden sich wegen<br />
der vielen Unsicherheiten nur sehr vorsichtig<br />
über das 4. Quartal 20<strong>11</strong> und nur minimal<br />
zum Geschäftsjahr 2012 äussern. Erst wenn<br />
sich die Lage um die europäische Schuldenkrise<br />
beruhigt, wird es jedoch auch in<br />
der Schweiz zu nachhaltigen Kursgewinnen<br />
kommen. Grégoire Biollaz, Drazenko Lakic<br />
Anhaltend hohe Aktienvolatilität<br />
Quelle: Datastream, Credit Suisse<br />
%<br />
70<br />
50<br />
30<br />
10<br />
04.07 04.08 04.09 04.10 04.<strong>11</strong><br />
CBOE Volatilitätsindex VIX<br />
Global:<br />
Gold weiter mit<br />
Aufwärtspotenzial<br />
Angesichts der Wirtschaftsabschwächung<br />
und der europäischen Schuldenkrise<br />
waren Rohstoffe auch in den letzten Wochen<br />
unter Druck. Die Marktlage ist schwierig,<br />
zyklische Märkte wie Öl oder Kupfer bleiben<br />
riskant. Der Fokus liegt klar auf Gold.<br />
Gold weist kein Gegenparteirisiko auf, was<br />
es im derzeitigen Umfeld attraktiv macht.<br />
Der Preis dürfte zudem von den anhaltend<br />
tiefen Zinsen profi tieren. Tobias Merath<br />
Gold bleibt im Aufwärtstrend<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse / IDC<br />
Preis pro Unze<br />
1600<br />
1200<br />
800<br />
400<br />
Fokus<br />
Was ist mit den Schwellenmärkten los?<br />
Aktien der Schwellenländer sind zurückgefallen<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Index<br />
<strong>11</strong>0<br />
90<br />
70<br />
<strong>11</strong>.08 <strong>11</strong>.09 <strong>11</strong>.10<br />
<strong>11</strong>.<strong>11</strong><br />
Gold in CHF<br />
Gold in EUR<br />
Gold in USD<br />
Gold in GBP<br />
2010 20<strong>11</strong><br />
Schwellenländer USA Eurozone<br />
Schweiz:<br />
Schweizer Immo-Fonds – gute,<br />
aber teure Diversifizierer<br />
Schweizer Immobilienfonds weisen historisch<br />
hohe Agios aus. Aktuell lassen sich die hohen<br />
Aufschläge durch die extrem niedrigen<br />
Zinsen rechtfertigen. Wir sehen daher vorerst<br />
weiterhin selektive Anlagemöglichkeiten<br />
in Schweizer Immobilienfonds, auch weil sie<br />
sich in <strong>Zeit</strong>en unsicherer Märkte als gute<br />
Diversi fi zierungsmöglichkeit erwiesen haben.<br />
Erst wenn die Langfristzinsen einen Aufwärtstrend<br />
zeigen, würden wir Engagements<br />
reduzieren. Martin Bernhard<br />
Schweizer Immobilienanlagen hoch bewertet<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
Durchschnittliche Prämie /Abschlag zum NAV in %<br />
Schweizer Immobilienfonds<br />
Schweizer Immobilienaktien<br />
Schon längere <strong>Zeit</strong> empfehlen wir<br />
unseren Kunden, einen strategischen<br />
Schwerpunkt bei Anlagen in den<br />
Schwellenländern zu setzen. Seit dem<br />
letzten Jahr ist die Performance zumindest<br />
der Aktien in den Schwellenmärkten<br />
jedoch enttäuschend (siehe<br />
Grafik). Dennoch glauben wir nicht,<br />
dass wir mit unserer strategischen<br />
Sicht falsch liegen. Die enttäuschende<br />
Performance ist unserer Meinung<br />
nach auf zwei temporäre Sonderfaktoren zurückzuführen. Erstens hat die höhere<br />
Risikoaversion im Zuge der Eurokrise auch zu Verkäufen von Anlagen in<br />
Schwellenländern geführt – uS-Anlagen fungierten dabei als sicherer Hafen.<br />
Zweitens haben viele Schwellenländer – ganz im Gegensatz zu den uSA und<br />
Europa – unter einer konjunkturellen Überhitzung gelitten, welche die Behörden<br />
u.a. mit Zinserhöhungen bekämpften. Das hat die Aktienkurse gedrückt.<br />
Da der Höhepunkt der Inflation überschritten zu sein scheint, sollte der Zinsdruck<br />
nachlassen und die günstigen Bewertungen der Schwellenländeraktien<br />
(KGV = ca. 9) mit der <strong>Zeit</strong> wieder zum Zug kommen. Oliver Adler<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
1990 1993 1996 1999 2002 20<strong>05</strong> 2008 20<strong>11</strong><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
lV<br />
Invest<br />
Performance und Prognosen im Überblick<br />
Wichtigste Anlageklassen und Märkte<br />
Aktien<br />
Gesamtrendite in CHF (%)<br />
Erwartete Rendite 1 und Risiko (% p.a.)<br />
20<strong>11</strong> letzte 3 Jahre letzte 5 Jahre 1 Jahr 5 Jahre Risiko 2<br />
(bis 22.<strong>11</strong>.) (p.a.) (p.a.)<br />
MSCI World – 14.6 1.9 – 10.3 <strong>11</strong>.6 9.3 17.7<br />
S&P 500 – 8.9 3.4 – 8.8 10.0 8.5 16.2<br />
Eurostoxx 50 – 14.1 – 1.4 – 13.7 14.2 9.3 20.7<br />
SMI – 16.1 1.9 1.2 7.7 7.4 19.0<br />
MSCI Emerging Markets – 23.7 13.2 – 4.7 17.9 <strong>11</strong>.8 28.3<br />
Obligationen 3<br />
Schweiz 1.7 5.7 3.1 – 0.5 1.9 3.0<br />
Eurozone 1.2 – 4.2 – 1.3 0.5 3.1 3.2<br />
USA 2.6 – 5.4 – 0.3 – 1.0 1.4 3.8<br />
Schwellenländer 4.2 8.8 1.9 5.8 5.9 16.8<br />
Geldmarkt (CHF) 0.1 0.2 1.1 0.2 1.2 2.6<br />
Alternative Anlagen<br />
DJ UBS Commodities 9.3 9.6 2.9 9.3 8.0 16.8<br />
Gold 17.0 17.8 14.9 <strong>11</strong>.5 6.2 13.3<br />
Immofonds Schweiz (SIX) 6.4 12.3 6.2 3.0 4.5 7.4<br />
DJ CS Hedge Fund Index – 3.9 –2.6 –1.7 5.5 6.5 10.1<br />
Konjunktur und Inflation<br />
BIP– Wachstum real (in %) Infl ation (in %)<br />
2010 20<strong>11</strong> 5 2012 5 2010 20<strong>11</strong> 5 2012 5<br />
Global 4.9 3.7 3.5 3.2 4.0 3.1<br />
USA 2.9 1.6 1.8 1.6 3.0 1.4<br />
Japan 4.0 – 0.3 1.7 – 0.9 0.2 0.0<br />
Eurozone 1.5 1.8 0.3 1.6 2.6 1.5<br />
Deutschland 3.5 3.0 0.7 1.2 2.4 1.5<br />
Schwellenländer 4 8.6 7.0 6.6 5.0 6.2 5.2<br />
China 10.3 8.8 8.4 3.3 5.6 4.5<br />
Schweiz 2.8 1.9 0.5 0.7 0.3 0.4<br />
Wichtige Informationen<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden von<br />
der Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und können<br />
sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht wurde einzig<br />
zu Informationszwecken publiziert und ist weder ein Angebot noch<br />
eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Credit Suisse zum<br />
Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder ähnlichen Finanzinstrumenten<br />
oder zur Teilnahme an einer spezifi schen Handelsstrategie<br />
in irgendeiner Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne<br />
Berücksichtigung der Zielsetzungen, der fi nanziellen Situation<br />
oder der Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der<br />
Bericht enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder hinsichtlich<br />
Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er stellt<br />
auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen Umstände<br />
eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen angemessene<br />
Inves tition oder Strategie oder eine andere an einen bestimmten<br />
Anleger gerichtete Empfehlung dar. Verweise auf frühere Entwicklungen<br />
sind nicht unbedingt mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />
Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen, die<br />
die Credit Suisse als zuverl ässig erachtet. Dennoch kann keine<br />
Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen<br />
geleistet werden. Die Credit Suisse lehnt jede Haftung für Verluste<br />
aus der Verwendung dieses Berichts ab.<br />
WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN DAVON<br />
DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VERSANDT, DORT<br />
HIN MITGENOMMEN ODER AN US PERSONEN ABGEGEBEN<br />
WERDEN.<br />
Örtliche Gesetze oder Vorschriften können die Verteilung von<br />
ResearchBerichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />
Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse verteilt,<br />
die der Zulassung und Re gulierung der Eidgenös sischen Finanzmarktaufsicht<br />
untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />
werden.<br />
Copyright © 20<strong>11</strong> Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene<br />
Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Zinsen (in %)<br />
Kurzfristzinsen (3M– Libor) 6 Renditen 10– J.– Staatsanleihen 6<br />
22.<strong>11</strong>. in 3M in 12M 22.<strong>11</strong>. in 3M in 12M<br />
USA 0.50 0.4 0.4 1.96 2.3 2.5<br />
Deutschland 1.46 0.8 0.6 1.89 1.8 2.0<br />
Grossbritannien 1.03 0.9 0.9 2.17 2.4 2.7<br />
Japan 0.33 0.2 0.2 0.97 1.0 1.2<br />
Schweiz 0.<strong>05</strong> 0.1 0.1 0.91 0.9 1.4<br />
Währungen<br />
CHF pro Fremdwährung 6 pro EuR 6<br />
25.<strong>11</strong>. in 3M in 12M 25.<strong>11</strong>. in 3M in 12M<br />
CHF – – – 1.23 1.25 1.26<br />
USD 0.93 0.96 0.98 1.32 1.3 1.28<br />
CAD 0.89 0.92 0.94 1.39 1.37 1.34<br />
GBP 1.44 1.49 1.55 0.86 0.84 0.82<br />
JPY 7 1.2 1.3 1.39 102.91 96.2 90.9<br />
CNY 7 14.58 15.26 16.14 8.49 8.19 7.81<br />
Quelle: Credit Suisse, Bloomberg, Datastream<br />
1 Aktien und Obligationen in Lokalwährung, DJ UBS Commodities Index, Gold und DJ CS Hedge Fund Index in USD 2 Erwartete Standardabweichung<br />
der Rendite 3 Schweiz: Credit Suisse LSI Ex– Eidgenossen, Eurozone: Barclays Euro Agg 1– 10Y TRSY, USA: Barclays US Govt Intermediate Bond,<br />
Schwellenländer: JPM EMBI+, Geldmarkt (CHF): JPM Cash CHF 1M 4 Acht grösste Schwellenländer 5 Prognosen 6 Prognosen vom 28.<strong>11</strong>.20<strong>11</strong><br />
7 Preis von 100 JPY resp. CNY in CHF<br />
Impressum Invest<br />
Herausgeber Credit Suisse AG, Global Research,<br />
Postfach 300, 8070 Zürich<br />
E-Mail publications.research@creditsuisse.com<br />
Internet www.creditsuisse.com/research<br />
Redaktion Oliver Adler<br />
Beiträge Oliver Adler, Martin Bernhard,<br />
Grégoire Biollaz, Fabian Heller, Thomas Herrmann,<br />
Marcus Hettinger, Stefan Klein, Drazenko Lakic,<br />
Claude Maurer, Tobias Merath, Michael O’Sullivan, Frank Reiner<br />
Konzept und Layout www.arnold.inhaltundform.com<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Economic<br />
Research<br />
Was man mit<br />
231000 000 000 000<br />
Dollar alles kaufen<br />
kann.<br />
Lesen Sie mehr auf Seite 29<br />
Profitieren Sie vom Expertenwissen der Credit Suisse<br />
Diese Broschüren und Magazine können Sie via Bestelltalon oder unter www.creditsuisse.com/shop anfordern.<br />
Global Investor<br />
Swiss Issues Branchen<br />
Magazin Unternehmer<br />
Magazin Unternehmer<br />
Erben und Vererben<br />
Brückenschlag<br />
zwischen Vergangenheit<br />
und Zukunft<br />
Tourismus Schweiz<br />
Starker Franken –<br />
Wintersportorte im<br />
Wettbewerb<br />
Innovation<br />
Ein wichtiger Schlüssel<br />
zum Erfolg im Export<br />
und im Binnenmarkt<br />
Corporate Governance<br />
Von verantwortungsvoller<br />
Unternehmensführung<br />
profitieren alle
26 Economic Research<br />
Wirtschaftsausblick 2012<br />
«Die Schweiz<br />
hat ihre<br />
Hausaufgaben<br />
Mgartin Neeff, Heama<br />
d Economic Researcch<br />
h<br />
t»<br />
Am 6. September sagten Sie in der<br />
Herbst-Prognose der Credit Suisse für<br />
das Jahr 2012 der Schweiz ein<br />
Wirtschaftswachstum von 2 Prozent<br />
voraus. Müssen Sie nun Ihre<br />
Prognose nach unten korrigieren?<br />
Martin Neff: Ja … leider!<br />
Warum?<br />
Unsere Herbstprognose stellte damals tatsächlich<br />
ein erhebliches Risiko dar. Aus<br />
Gründen, die wir alle kennen, war es so<br />
schwierig wie selten, eine Prognose zu<br />
erstellen. Nun zeigt sich, dass die von uns<br />
damals genannten Risiken schneller eingetroffen<br />
sind, als zu erwarten war. Die Ausgangslage<br />
für die Schweizer Wirtschaft hat<br />
sich angesichts der schwächeren Wirtschaftsdynamik<br />
und der Tatsache, dass die<br />
Eurokrise noch immer auf den Märkten lastet,<br />
verschlechtert. Daher mussten wir unsere<br />
Prognose massiv runterfahren. Ein schwerer<br />
Entscheid, denn eigentlich sollte man sich<br />
davor hüten, seine Prognose jedes Mal anzupassen,<br />
wenn ein wichtiger Indikator<br />
ändert. Man täuscht damit eine Genauigkeit<br />
vor, die man sowieso nicht gewährleisten<br />
kann. Das Wichtigste und Schwierigste bei<br />
den Prognosen ist das Erkennen eines<br />
konjunkturellen Wendepunktes. Doch wenn<br />
evaluierte Prognoserisiken eintreffen, ist<br />
Handlungsbedarf gegeben.<br />
Gemäss Exportbarometer der<br />
Credit Suisse und der OSEC bekunden<br />
deutlich mehr exportorientierte<br />
unternehmen Probleme als im ersten<br />
Halbjahr.<br />
Es ist unbestreitbar, dass viele Unternehmen<br />
unter dem starken Franken leiden. Die einen<br />
bekunden Mühe, ihre Produkte zu verkaufen,<br />
bei den anderen erodiert die Marge. Das<br />
muss man natürlich ernst nehmen, und doch<br />
gilt es gleichzeitig festzuhalten, dass die
Economic Research 27<br />
Foto: Credit Suisse<br />
meisten Exporteure nach wie vor recht stabil<br />
unterwegs sind, einzig die Aussichten haben<br />
sich eingetrübt.<br />
Woran liegt das?<br />
Die Schweizer sind qualitäts und risikobewusst.<br />
Sie lassen sich nicht in einer Aufbruchseuphorie<br />
zu Schritten verleiten, die sie<br />
im Falle eines Rückschlags nicht verkraften<br />
können. Sie sind nicht risikoscheu, aber in<br />
ausgeprägtem Masse Risiken abwägend.<br />
Präzision und Qualität sind zudem zwei<br />
wichtige Charakteristika der Schweizer<br />
Wirtschaft. Entscheidend ist dabei, dass sich<br />
im Export der Anteil am Qualitätswettbewerb<br />
in den letzten zehn Jahren von 45 auf 60<br />
Prozent erhöht hat. In diesem Marktsegment<br />
wirkt sich die Frankenaufwertung weniger<br />
negativ aus.<br />
Können Sie das differenzieren?<br />
Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil am<br />
Qualitätswettbewerb bei Uhren, Pharma und<br />
Maschinen. Dem globalen Preiskampf am<br />
meisten ausgesetzt sind Medizintechnik,<br />
Chemie, die Metallindustrie sowie die Textilund<br />
Bekleidungsbranche. Wenn wir die Entwicklung<br />
im ersten Halbjahr 20<strong>11</strong> anschauen,<br />
so musste die Chemie (– 6,8%) die grössten<br />
Rückschläge in Kauf nehmen. Auch die Textilbranche<br />
(–2%) und die Medizintechnik<br />
(–3,3%) erlitten Einbussen. Uhren (19,2%),<br />
Maschinen (<strong>11</strong>,9%), Metallerzeugnisse<br />
(4,2%) und Elektrotechnik (2,7%) hingegen<br />
stiessen auf ein gesteigertes Interesse. Für<br />
das ganze Jahr rechnen wir mit einer Zunahme<br />
im Export um 3,5 Prozent, im nächsten<br />
Jahr wird der Export um 1 Prozent zulegen.<br />
Wie steht es um den privaten Konsum?<br />
Der Konsum hält einigermassen durch. Dafür<br />
sind sowohl strukturelle als auch konjunkturelle<br />
Faktoren verantwortlich. Hierzulande<br />
sind weder Staat noch Unternehmen überschuldet<br />
und es bestehen kaum hausgemachte<br />
Probleme, welche die konjunkturelle<br />
Entwicklung bremsen würden. Im Gegenteil:<br />
Erstens bleiben die Zinsen in der Schweiz<br />
wohl bis mindestens Ende 2012 tief. Zweitens<br />
ist «Inflation» in der Schweiz aktuell kein<br />
Thema, denn die Konsumentenpreise bleiben<br />
unter Druck und schonen damit die Kaufkraft<br />
(Teuerung 2012: 0,4%). Drittens dürfte die<br />
Zuwanderung rege bleiben, womit ein wichtiger<br />
Träger des Konsumwachstums an<br />
Standkraft behalten dürfte. Demgegenüber<br />
schlagen die ständigen Krisenmeldungen<br />
sowie eine Verschlechterung der Arbeitsmarktlage<br />
(Arbeitslosenquote 2012: 3,3%)<br />
verstärkt auf die Stimmung, was dem Konsumwachstum<br />
gewisse Grenzen setzt.<br />
«Eine positive Einstellung<br />
ist gefragt. Der Abschwung<br />
beginnt immer im Kopf.»<br />
Martin Neff<br />
und das Bauwesen?<br />
Wir gehen von einem reduzierten Wachstum<br />
von 1,3 Prozent gegenüber 3,5 Prozent in<br />
den Jahren 2010 und 20<strong>11</strong> aus. Gewisse<br />
Sorgen bereitet mir der weitere Temperaturanstieg<br />
am Immobilienmarkt aufgrund der<br />
nach wie vor vorhandenen Liquidität. In gewissen<br />
Regionen, namentlich am Genfersee,<br />
kommt es zu einer nicht unproblematischen<br />
Entkoppelung der Immobilienpreise von der<br />
Entwicklung der Einkommen. Glücklicherweise<br />
sind aber noch längst nicht alle Ingredienzien<br />
einer Immobilienblase vorhanden.<br />
Sie sagen, selbst angesichts der<br />
ständigen Krisenmeldungen soll<br />
der Optimismus gewahrt werden.<br />
Ist dies wirklich gerechtfertigt?<br />
Den Schweizern ist eine gewisse skeptische<br />
Weltsicht angeboren. Langfristig hat der<br />
Charakterzug, sich selbst immer wieder zu<br />
hinterfragen, zur starken Stellung des Landes<br />
beigetragen. Kurzfristig hingegen kann<br />
allzu viel jammern fatal sein, denn das psychologische<br />
Element spielt an der Börse und<br />
auch in der Realwirtschaft eine wesentliche<br />
Rolle: Der Abschwung beginnt jeweils im<br />
Kopf. Schlimmstenfalls führt überzeichneter<br />
Pessimismus zu einer kollektiven Paralyse,<br />
die zur Folge hat, dass die Schwarzmaler<br />
wirklich Recht bekommen. Wenn ich hierbei<br />
etwas Gegensteuer geben kann, würde mich<br />
das freuen. Für mich gilt: Only good news<br />
are really good news. Die letzten Jahre haben<br />
es gezeigt: Wenn es zu einer Krise<br />
kommt, gehört die Schweiz stets zu den Gewinnern.<br />
Als guter Schweizer hege ich Zweifel.<br />
Nein, im Ernst. Die Schweiz hat nach der Immobilienkrise<br />
der 1990erJahre und noch<br />
einmal nach der Jahrtausendwende – Stichwort<br />
SwissairTrauma – ihre Hausaufgaben<br />
hervorragend gemacht. Dies gilt nicht nur für<br />
die Wirtschaft, die laufend Ertragsbilanzüberschüsse<br />
generiert, sondern vor allem<br />
auch für die Politik, die man allzu gerne kritisiert.<br />
Kaum ein anderes Land hat aber die<br />
öffentlichen Finanzen so gut im Griff wie die<br />
Schweiz. Und mit den bilateralen Verträgen<br />
haben wir die Basis für die Migration hochqualifizierter<br />
Arbeitskräfte, insbesondere aus<br />
Deutschland, geschaffen. Schliesslich<br />
möchte ich auch die positive Wirkung der<br />
Kurzarbeit zur Krisenbewältigung seit 2009<br />
erwähnen: Nicht zuletzt dank der Kurzarbeit<br />
ist es gelungen, die Arbeitslosenquote im<br />
Jahresdurchschnitt nie über 4 Prozent ansteigen<br />
zu lassen. 20<strong>11</strong> beträgt sie 3,1 Prozent,<br />
2012 wird sie kaum über 3,3 maximal<br />
3,5 Prozent steigen. Allein schon diese Zahl<br />
widerlegt die fälschlicherweise postulierten<br />
negativen Folgen der Personenfreizügigkeit.<br />
Die Schweiz ist also ein<br />
Erfolgsmodell?<br />
Die Schweiz ist ein Erfolgsmodell, in der Tat.<br />
Dies aber nur so lange, als sie sich nicht auf<br />
den Lorbeeren ausruht, sondern sich auf ihre<br />
Tugenden besinnt und die Erfolgskomponenten<br />
des Modells, beispielsweise unsere Infrastruktur,<br />
immer weiter verbessert. Schi/ch<br />
Tabelle<br />
Konjunkturprognose Schweiz<br />
Reale Veränderung in Prozent gegenüber dem Vorjahr (zu Preisen des Vorjahres)<br />
Quelle: Seco, Credit Suisse Economic Research<br />
Veränderung in % 2009 2010 20<strong>11</strong> 2012<br />
Bruttoinlandprodukt, real –1.9 2.7 1.9 0.5<br />
Privater Konsum 1.4 1.7 0.8 1.1<br />
Staatlicher Konsum 3.3 0.8 1.8 1.2<br />
Ausrüstungsinvestitionen –10.8 10.9 4.4 –1.5<br />
Bauinvestitionen 3.0 3.5 3.5 1.5<br />
Exporte (Güter und Dienstleistungen) –8.6 8.4 3.5 1.0<br />
Importe (Güter und Dienstleistungen) –5.5 7.3 3.5 2.0<br />
Arbeitslosenquote in % 3.7 3.9 3.1 3.3<br />
Inflationsrate –0.5 0.7 0.3 0.4<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
28 Economic Research<br />
Credit Suisse Research Institute<br />
Die Denkfabrik der Bank<br />
Das 2008 gegründete Credit Suisse Research Institute bietet Erkenntnisse<br />
und Überlegungen zu strategischen Themenschwerpunkten von führenden Experten<br />
der integrierten Bank.<br />
Das Research Institute befasst sich mit Fragen,<br />
die für die Weltmärkte wichtig sind. Im<br />
Vordergrund stehen dabei neue, wenig untersuchte<br />
Themen mit längerfristigen Rahmenbedingungen<br />
sowie ein vertiefter Untersuchu<br />
ngsansatz, der sowohl auf unsere internen<br />
Ressourcen als auch auf externe Experten<br />
und akademische Institutionen setzt. Das Institut<br />
ergänzt andere bereichsübergreifende<br />
Initiativen wie das vor Kurzem gegründete<br />
Emerging Market Research Institute und den<br />
AssetAlloca tionFokus der Global Economics<br />
and Strategy Group. Abgesehen von<br />
einem kleinen, zentral koordinierten Team<br />
beschäftigt das Institut keine eigenen Mitarbeitenden,<br />
sondern nutzt Informationen der<br />
ResearchTeams, die im gesamten Unternehmen<br />
verfügbar sind.<br />
Hohe Anerkennung für Berichte<br />
Als Vorreiter verfolgt das Research Insti tute<br />
zwei parallele Ziele: Erstens gilt es, der Credit<br />
Suisse die Werkzeuge für den Dialog mit<br />
ihren Interessengruppen auf höchster Ebene<br />
zur Verfügung zu stellen. Zweitens sollen die<br />
Emerging Market Research Institute<br />
Das Credit Suisse Research<br />
Institute sorgt dafür, dass<br />
die Credit Suisse in strategischen<br />
Forschungsfragen aus der Sicht<br />
der integrierten Bank eine<br />
Führungs position einnimmt.<br />
Global Wealth Report 20<strong>11</strong><br />
Über die Website des Publikationenshops<br />
www.creditsuisse.com/shop, den Talon im <strong>bulletin</strong><br />
oder direkt mit dem QR Code über Ihr<br />
Smartphone gelangen Sie zum vollständigen Report.<br />
Als wichtige Ergänzung des Research-Angebots ist kürzlich das Credit Suisse Emerging<br />
Market Research Institute (EMRI) aus einer gemeinsamen Leadership-Initiative von<br />
Investment Banking, Private Banking und Asset Management der Credit Suisse<br />
hervor gegangen. In enger Zusammenarbeit mit dem Credit Suisse Research Institute<br />
und dem Credit Suisse Emerging Markets Council ist es nun möglich, mit Hinblick<br />
auf die Investitionsbedürfnisse der Kunden einen entscheidenden Wissensvorsprung<br />
heraus zuarbeiten. www.creditsuisse.com/researchinstitute<br />
Entscheidungsprozesse der Kunden direkt<br />
unterstützt werden. Ein Beleg für die erfolgreiche<br />
Umsetzung des ersten Ziels ist die<br />
breite Medienberichterstattung zu Publikationen<br />
wie dem Invest ment Returns Yearbook,<br />
dem Emerging Consumer Survey und<br />
dem Asian Family Businesses Report. In Bezug<br />
auf das zweite Ziel wurden dieses Jahr<br />
bisher rund 45 000 Exemplare der Berichte<br />
verteilt oder heruntergeladen, und insgesamt<br />
schalteten sich über 3000 Personen in die<br />
Konferenzgespräche des Research Institute<br />
ein, in denen Experten wie Theo Waigel oder<br />
Jacques de Larosière über aktuelle Marktthemen<br />
diskutierten. Darüber hinaus geben<br />
das Investment Banking und das Private Banking<br />
unabhängig voneinander spe zifische<br />
Anlageempfehlungen heraus, die auf der<br />
Arbeit des Instituts basieren. Diese Trennung<br />
ist aus rechtlichen und geschäftlichen Gründen<br />
notwendig und erfolgt in enger Zusammenarbeit<br />
und innerhalb strenger Compliance<br />
Richt linien. Dadurch können Doppelspurigkeiten<br />
weitgehend vermieden und die Empfehlungen<br />
auf die jeweiligen Bedürfnisse der<br />
institutionellen sowie der privaten Kunden zugeschnitten<br />
werden. Auch die Kunden des<br />
Bereichs Asset Management profitieren umfassend,<br />
beispielsweise durch den MegatrendsFonds,<br />
der von den Themen und Analysen<br />
des Research Institute inspiriert ist.<br />
Diskussionen über die Zukunft<br />
Angesichts seiner Bedeutung steht das<br />
Research Institute unter dem Vorsitz von Urs<br />
Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit<br />
Suisse. Er leitet ausserdem die zweimal jährlich<br />
stattfindenden Zusammenkünfte, an<br />
denen interne Experten und prominente externe<br />
Berater wichtige Themen wie die Krise<br />
der Eurozone oder die Zukunft des Banking<br />
erörtern. Das Beratungsgremium besteht<br />
zurzeit aus Walter B. Kielholz, Sir John Major,<br />
Laura D’Andrea Tyson, Long Yongtu und<br />
Ernesto Zedillo Ponce de León. Zu den künftigen<br />
Themen des Research Institute gehören<br />
ein fundierter Ausblick für den Mittelmeerraum<br />
unter Berücksichtigung früherer<br />
demokratischer Transformations prozesse<br />
sowie die Untersuchung des Grenz bereichs<br />
zwischen nicht gewinnorientierten sozialen<br />
Unternehmen und gewinnorientierten börsennotierten<br />
Gesell schaften, die sich an strenge<br />
ökologische, soziale und die Unternehmensführung<br />
betreffende Grundsätze halten. Damit<br />
behauptet das Research Institute seine<br />
Vordenkerrolle und festigt gleichzeitig seine<br />
führende Stellung durch ständig aktualisierte<br />
Berichte zu Themen wie weltweite Vermögen,<br />
Verbrauchernachfrage und Anlageperformance.<br />
Giles Keating, Stefano Natella<br />
Fotos: Credit Suisse<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Economic Research 29<br />
Global Wealth Report 20<strong>11</strong><br />
Aufrechnung des<br />
weltweiten Vermögens<br />
Die weltweiten Privatvermögen betragen 231 Billionen uS-Dollar und wachsen weiter.<br />
Können die uSA ihre Stellung gegenüber China und Indien halten?<br />
Wo steht Europa? Der Global Wealth Report der Credit Suisse bietet einen Überblick<br />
und zeigt Tendenzen auf.<br />
«In den nächsten fünf Jahren<br />
ist mit einer deutlichen<br />
Verbesserung der Position<br />
von Schwellenländern in<br />
allen Vermögenskategorien<br />
zu rechnen.» Michael O’Sullivan<br />
Der Global Wealth Report der Credit Suisse<br />
zeigt auf, dass der Betrag von 231 Billionen<br />
USDollar dem von allen 4,5 Milliarden erwachsenen<br />
Privatpersonen auf der ganzen<br />
Welt gehaltenen Vermögen entspricht. Darin<br />
inbegriffen sind Bargeld, Aktien, Obligationen,<br />
Grundeigentum sowie Wertgegenstände<br />
abzüglich Schulden. Die schier unvorstellbare<br />
Zahl mit zwölf Nullen reicht beispielsweise<br />
aus, um die amerikanische Staatsverschuldung<br />
180mal zu begleichen. Trotz eines Jahrzehnts<br />
mit Aktienrenditen nahe bei null, mit<br />
mehreren AktienBärenmärkten und dem<br />
Zusammenbruch von Immobilienblasen stiegen<br />
die weltweiten Vermögen allein im Jahr<br />
20<strong>11</strong> um 36 Billionen USDollar und legten<br />
gegenüber dem Millenniumsjahr 2000 ( <strong>11</strong>7<br />
Billionen USDollar ) um fast das Doppelte<br />
zu. Das starke Wirtschaftswachstum und der<br />
Bevölkerungszuwachs in den Schwel len ländern<br />
gehören zu den wichtigsten Antriebskräften<br />
dieses Trends. Insgesamt dürften die<br />
weltweiten Vermögen bis Ende 2016 nochmals<br />
um 50 Prozent auf 345 Billionen steigen.<br />
Der Anteil der Schwellenländer am Gesamtvermögen<br />
nimmt weiter zu, wie angesichts<br />
des rasanten Wachstums in vielen sich entwickelnden<br />
Volkswirtschaften nicht anders<br />
zu erwarten war. Doch es gibt auch überraschende<br />
Einsichten darüber, wo die Vermögen<br />
steigen und wo sie stagnieren oder<br />
sogar zurückgehen. Fest steht: Dynamische<br />
Volkswirtschaften in Asien und anderen<br />
Regionen häufen in hohem Tempo private<br />
Vermögen an, ein Trend, der sich in Zukunft<br />
fortsetzen dürfte.<br />
Während sich die Weltwirtschaft von der<br />
Finanz krise der Jahre 2008 und 2009 erholen<br />
musste, erreichten die gesamten Haushaltsvermögen<br />
weltweit ein neues Rekordniveau.<br />
Alle Regionen der Welt mit Ausnahme<br />
Europas erzielten von Anfang 2010 bis Mitte<br />
20<strong>11</strong> ein höheres Vermögenswachstum als<br />
von Ende 2000 bis Ende 2009. China, Indien,<br />
Brasilien, Indonesien und Südafrika setzten<br />
ihren kräftigen Trend des letzten Jahr zehnts<br />
fort, während das gigantische Vermögenswachstum<br />
in Russland in den letzten Monaten<br />
etwas nachliess. Einzelne Länder sind<br />
bei den Ergebnissen, die in USDollar ausgewiesen<br />
werden, von Währungsaufwertungen<br />
betroffen: In Japan ist die Zunahme der<br />
persönlichen Vermögen auf den Anstieg des<br />
Yen zurückzuführen, während die Stärke des<br />
Schweizer Frankens das Nettovermögen pro<br />
Erwachsenen in unserem Land, in Dollar gerechnet,<br />
auf neue Höchststände trieb. Der<br />
Bericht befasst sich aber auch mit der Schuldenseite<br />
der Gleichung: Von 2000 bis 2007<br />
stieg die durchschnittliche Verschuldung um<br />
80 Prozent an und stabilisierte sich anschliessend.<br />
Heute beträgt sie 9070 Dollar pro Erwachsenen.<br />
Wichtig, aber wenig untersucht<br />
«Vermögen sind ein wichtiges, aber relativ<br />
wenig untersuchtes Rädchen im Wirtschaftssystem»,<br />
hält der Global Wealth Report fest.<br />
Weiter heisst es darin, dass das persönliche<br />
Vermögen nicht nur als Reserve für den künftigen<br />
Konsum dient, insbesondere im Ruhestand,<br />
sondern auch hilft, Schocks wie<br />
Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme<br />
und Naturkatastrophen zu verkraften. Vermögen<br />
verbessern die Chancen, unter anderem<br />
als Basis für unternehmerische Aktivitäten,<br />
entweder direkt oder in Form von Krediten.<br />
Geld – beziehungsweise ein Mangel daran –<br />
darf zweifellos als bestimmender Faktor für<br />
das Schicksal des einzelnen Menschen, aber<br />
auch ganzer Nationen angesehen werden.<br />
Der Bericht ist insofern aussergewöhnlich,<br />
als er sowohl reiche als auch arme Haushalte<br />
untersucht. Hierzu gehört die Diskrepanz zwischen<br />
den Menschen an der Spitze und jenen<br />
am Fuss der Wohlstandspyramide. Während<br />
die Bevölkerung in der unteren Hälfte der<br />
Pyramide kaum 1 Prozent der welt weiten<br />
Vermögen besitzt, hält das reichste Prozent<br />
der Weltbevölkerung 44 Prozent der persönlichen<br />
Vermögen. Gemäss den Zahlen von<br />
Mitte 20<strong>11</strong> besitzen 29,7 Millionen Erwachsene<br />
– weniger als 1 Prozent der erwachsenen<br />
Weltbevölkerung – mehr als 1 Million Dollar.<br />
Schätzungen zufolge sind 85 000 Personen<br />
über 50 Millionen Dollar reich, und 29 000<br />
verfügen über mehr als 100 Millionen. Was<br />
vermögende Privatpersonen angeht, zählt<br />
China knapp über 5000 Einwohner mit ><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
Bewegung auf der Wohlstandspyramide<br />
Die persönlichen Vermögen von 4,5 Milliarden Menschen betrugen 20<strong>11</strong> insgesamt schätzungsweise<br />
231 Billionen USDollar. Die Zahl der reichen Personen an der Spitze der Pyramide entspricht rund einem<br />
Prozent der Weltbevölkerung. Die gesamten Haushaltsvermögen dürften in den nächsten fünf Jahren<br />
um 50 Prozent auf 345 Billionen USDollar steigen; dies entspricht einem Zuwachs von 8,4 Prozent pro Jahr.<br />
Das Nettovermögen pro Erwachsenen dürfte im Jahr 2016 durchschnittlich 70 700 USDollar erreichen;<br />
dies entspricht einem Zuwachs von fast 40 Prozent.<br />
0.5% besitzen 38.5% 67.6% besitzen 3.3%<br />
1 000 000<br />
Vermögensbereich<br />
in USDollar<br />
8.2% besitzen 43.6%<br />
100 000<br />
23.6% besitzen 14.5%<br />
Prozentsatz des Gesamtvermögens,<br />
in anteilmässigem Besitz<br />
der Welt bevölkerung in Prozent.<br />
10 000<br />
345<br />
Erwartetes Wachstum<br />
in Billionen USDollar<br />
Gesamtvermögen<br />
2016<br />
+50 %<br />
231<br />
Gesamtvermögen<br />
20<strong>11</strong>
Economic Research 31<br />
Illustration: KircherBurkhardt GmbH/Berlin<br />
Vermögensanteile 20<strong>11</strong><br />
pro Region<br />
Einwohner<br />
in Milliarden<br />
1.526<br />
Asien-Pazifik<br />
1.339<br />
China<br />
1.2<strong>11</strong><br />
Indien<br />
1.129<br />
Afrika<br />
0.754<br />
Europa<br />
0.549<br />
Nordamerika<br />
0.469<br />
Lateinamerika<br />
Vermögensanteile<br />
in %<br />
22<br />
9<br />
2<br />
1<br />
34<br />
28<br />
4<br />
einem Vermögen von über 50 Millionen Dollar.<br />
Nur in den USA gibt es mehr sehr vermögende<br />
Private, so genannte Ultra High Net<br />
Worth Indi viduals ( UHNWI ).<br />
Das mittlere Segment der Pyramide<br />
wächst insbesondere in den Schwellenländern.<br />
Dies dürfte sich nachhaltig auf den<br />
Konsum, die Entwicklung im Finanzdienstleistungssektor<br />
und sogar auf die Politik auswirken.<br />
Knapp jeder vierte Erwachsene weltweit<br />
liegt in Sachen Vermögen im Bereich<br />
zwischen 10 000 und 100 000 Dollar. Dieses<br />
Segment wird bis 2016 schätzungsweise fast<br />
ein Drittel der erwachsenen Weltbevölkerung<br />
umfassen. In den einkommensstarken Ländern<br />
entspricht diese Bandbreite dem durchschnittlichen<br />
Vermögen einer typischen<br />
Person während des Grossteils ihres Erwachsenenlebens.<br />
In Ländern mit mittleren Einkommen<br />
wird dieses Niveau gewöhnlich von<br />
einer Person der Mittelschicht erreicht, die<br />
bis ins mittlere Lebensalter ein gewisses<br />
Vermögen angehäuft hat. In einkommensschwachen<br />
Ländern sind nur bedeutende<br />
Grundeigentümer, erfolgreiche Geschäftsleute,<br />
Fachkräfte und Ähnliche in den obersten<br />
zehn Prozent zu finden. Bemerkenswert<br />
ist auch, dass fast ein Drittel der Weltbevölkerung<br />
mit einem Vermögen zwischen 10 000<br />
und 100 000 Dollar chinesisch ist.<br />
Nach Abzug der Schulden benötigt ein Erwachsener<br />
nur gerade ein Vermögen von<br />
4200 Dollar, um der wohlhabenden Hälfte<br />
der Welt anzugehören. Die untere Pyramidenstufe<br />
der Menschen mit einem persönlichen<br />
Vermögen von bis zu 10 000 Dollar umfasst<br />
zwei von drei Erwachsenen auf der Welt<br />
(3,1 Milliarden Menschen). Ihre Vermögen<br />
belaufen sich auf insgesamt 7,6 Billionen<br />
Dollar. Aber ob sich eine Person damit reich<br />
oder arm fühlt, hängt zum Teil von ihrem<br />
Wohnort und ihren Lebensumständen ab.<br />
Mehr als 90 Prozent der Erwachsenen in<br />
Indien und Afrika befinden sich innerhalb dieser<br />
Bandbreite. In den meisten einkommensschwachen<br />
afrikanischen Ländern umfasst<br />
das Segment nahezu die gesamte Bevölkerung.<br />
Doch in manchen dieser Länder sind<br />
die Lebenskosten ebenfalls tendenziell tief.<br />
Ein Vermögen von 10 000 Dollar in Indien<br />
entspricht wegen der unterschiedlichen<br />
Kaufkraft ungefähr einem Vermögen von<br />
30 000 Dollar in den USA. In den meisten<br />
Entwicklungsländern wäre dies ein beträchtlicher<br />
Betrag, genug für einen für lokale Verhältnisse<br />
angenehmen Lebensstandard.<br />
Auch das Alter spielt eine Rolle. Das ärmere<br />
Segment beinhaltet einen hohen Anteil junger<br />
Menschen mit geringen Chancen und wenig<br />
Interesse, Vermögen anzuhäufen. Begrenzte<br />
Sachvermögenswerte, verbunden mit Kreditkartenschulden<br />
und Studentendarlehen,<br />
führen dazu, dass viele junge Menschen ein<br />
negatives Nettovermögen aufweisen. Dabei<br />
handelt es sich um eine wichtige und oft<br />
übersehene Gruppe, nicht zuletzt im Zusammenhang<br />
mit der Kreditkrise. Geringe Vermögen<br />
sind oft auch ein Merkmal älterer<br />
Personengruppen, speziell von Menschen,<br />
die gesundheitliche Probleme haben und sich<br />
hohen medizinischen Kosten gegenübersehen.<br />
Die Methoden der Vermögensprüfung<br />
zur Festlegung von öffentlichen Zuwendungen,<br />
insbesondere von Beiträgen an die<br />
Kosten von Wohnheimen, können sogar ein<br />
Anreiz zum Abbau von Vermögen sein.<br />
Schwellenländer schliessen auf<br />
In den nächsten fünf Jahren ist mit einer<br />
deutlichen Verbesserung der Position von<br />
Schwellenländern zu rechnen. Die Vermögen<br />
in China und Afrika als Ganzes dürften um<br />
über 90 Prozent steigen. Indien und Brasilien<br />
werden die persönlichen Vermögen bis 2016<br />
sogar mehr als verdoppeln. In Indien, wo die<br />
Vermögensverteilung nach unten verzerrt ist,<br />
haben sie sich seit dem Jahr 2000 nahezu<br />
vervierfacht. Auch Indonesien verzeichnete<br />
ein spektakuläres Wachstum, und in Lateinamerika<br />
beträgt das Gesamtvermögen heute<br />
rund 10,2 Billionen Dollar, gegenüber 3,3<br />
Billionen Dollar im Jahr 2000.<br />
Einige dieser Länder schliessen bei den<br />
persönlichen Vermögen rasant zu den Industrieländern<br />
auf. Chinas persönliche Vermögen<br />
betragen heute 20,1 Billionen Dollar; dies<br />
entspricht dem Stand der USA von 1968.<br />
Wenn sich die jüngsten Trends fortsetzen,<br />
könnte China bis 2016 das Vermögensniveau<br />
der USA von 1990 erreichen – ein Sprung<br />
von 22 «amerikanischen Jahren» in nur fünf<br />
Jahren. Das indische Haushaltsvermögen ist<br />
mit insgesamt 4,1 Billionen Dollar im Jahr<br />
20<strong>11</strong> mit dem Gesamtvermögen der USA<br />
von 1916 vergleichbar. Doch in den nächsten<br />
fünf Jahren dürfte sich in Indien so viel<br />
Vermögen ansammeln wie in den USA während<br />
der letzten 30 Jahre. Dies ist auf eine<br />
Zunahme des Vermögens pro Erwachsenen<br />
und auf ein deutliches Wachstum der<br />
Erwachsenenbevölkerung zurückzuführen.<br />
Auch der Fall Brasilien ist beeindruckend.<br />
Bei einer erwarteten Steigerung der Haushaltsvermögen<br />
auf 9,2 Billionen Dollar bis<br />
2016 – vergleichbar mit jenen der USA von<br />
1948 – dürfte der Vermögenszuwachs in ><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
32 Economic Research<br />
den nächsten fünf Jahren jenem der USA<br />
über einen <strong>Zeit</strong>raum von 23 Jahren (1925–<br />
1948) entsprechen.<br />
uSA bleiben weiterhin an der Spitze<br />
Mit insgesamt 58 Billionen Dollar liegen die<br />
USA bei den persönlichen Vermögen weiterhin<br />
an der Spitze. Trotz des rasanten Wachstums<br />
der persönlichen Vermögen in vielen<br />
Schwellenländern dürfte sich daran in absehbarer<br />
<strong>Zeit</strong> nichts ändern. Dem Bericht zufolge<br />
sollten «die USA mit 81 Billionen Dollar bis<br />
2016 in der Vermögensrangliste weiterhin<br />
den Spitzenplatz einnehmen». Rund ein Drittel<br />
der weltweiten Dollarmillionäre lebt heute<br />
in den USA, eine Tatsache, die insofern erstaunt,<br />
als ein hoher Anteil des persönlichen<br />
Vermögens (68 Prozent) in finanzieller Form<br />
gehalten wird. Die USA weisen eine höhere<br />
Anzahl aktiver Aktionäre auf als andere Länder.<br />
Auch ist dort die Wirtschaftsaktivität im<br />
privaten Sektor verglichen mit dem öffentlichen<br />
Sektor hoch. Und obwohl der Bericht<br />
bestätigt, dass die Haushaltsverschuldung<br />
im Verhältnis zum Einkommen in allen wichtigen<br />
Industrieländern deutlich zugenommen<br />
hat, ist die Verschuldung entgegen der landläufigen<br />
Meinung über das amerikanische<br />
Ausgabeverhalten mit 59 000 Dollar pro Erwachsenen<br />
«im internationalen Massstab<br />
nicht extrem».<br />
Hinsichtlich Haushaltsvermögen und Einkommen<br />
verfügen die USA neben Frankreich<br />
über die längste Datenreihe, sie reicht bis ins<br />
Jahr 1900 zurück. Erstaunlich ist der relativ<br />
stabile Verlauf: Seit 1900 bewegte sich das<br />
Haushaltsvermögen in den USA meistens<br />
innerhalb eines schmalen Bandes zwischen<br />
dem Vier und Fünffachen des verfügbaren<br />
Einkommens. Ansonsten ist über den gesamten<br />
<strong>Zeit</strong>raum kein Aufwärtstrend festzustellen:<br />
Das Verhältnis zwischen Vermögen<br />
und Einkommen in den letzten beiden Jahren,<br />
für die Daten verfügbar sind (4,8 von 2008<br />
Anzeige<br />
Der Reichtum<br />
der Dritten Welt<br />
Armut bekämpfen –<br />
Weltweiten Wohlstand<br />
fördern – Würde bewahren<br />
Autor: C.K. Prahalad,<br />
2006, FinanzBuch Verlag,<br />
ISBN 3898791467<br />
Perspectives on<br />
Growth and Poverty<br />
Autoren: Rolph Van<br />
der Hoeven und Anthony<br />
Shorrocks, 2003,<br />
United Nations<br />
University Press<br />
ISBN 928081091X<br />
bis 2009), entspricht fast genau dem Wert<br />
von einem Jahrhundert zuvor (4,7 von 1908<br />
bis 1909).<br />
In Japan, das bei den persönlichen Vermögen<br />
Platz zwei einnimmt, beträgt der Bevölkerungsanteil<br />
mit Vermögen von über<br />
100 000 Dollar beinahe das Siebenfache des<br />
weltweiten Durchschnitts. Doch dem Bericht<br />
zufolge weist das Land über die letzten Jahre<br />
von allen führenden Volkswirtschaften «die<br />
am wenigsten beeindruckende Vermögensbilanz»<br />
auf. In USDollar gerechnet, liegt das<br />
Durchschnittsvermögen heute zwar höher,<br />
aber in Yen sind die japanischen Vermögen<br />
um rund zehn Prozent zurückgegangen. Ein<br />
wichtiger Grund hierfür sind die rückläufigen<br />
Grundstückpreise. Nach einer Phase mit explosivem<br />
Vermögenswachstum, verbunden<br />
mit steigenden Grundstückpreisen, fielen die<br />
Immobilienpreise während drei Jahrzehnten.<br />
Hinter Japan, aber vor Frankreich weist<br />
China heute insgesamt das dritthöchste<br />
Haushaltseinkommen auf. Es ist im Begriff<br />
aufzuschliessen und dürfte Japan mit einer<br />
Aufstockung des weltweiten Vermögensbestandes<br />
von 18 Billionen Dollar in den nächsten<br />
fünf Jahren überholen. Bis 2016 könnte<br />
China ein Haushaltsvermögen von total<br />
39 Billionen Dollar erreichen, während es in<br />
Japan nur auf 31 Billionen ansteigen wird.<br />
Derweil liegt die durchschnittliche persönliche<br />
Verschuldung in China bei bescheidenen<br />
630 Dollar pro Erwachsenen. Ein privatisierter<br />
Wohnungsmarkt, neue Bauvorhaben und<br />
Landwirtschaftsfläche tragen massgeblich<br />
zu Chinas Wohlstand bei.<br />
Vermögensanhäufung unterschiedliche<br />
Trends auf. Frankreichs Einwohner, die nur<br />
1,1 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen,<br />
konnten ihren Anteil am Gesamtvermögen in<br />
den letzten zehn Jahren auf neun Prozent<br />
verdoppeln. In Frankreich leben heute mehr<br />
Millionäre als in jedem anderen europäischen<br />
Land. Dies ist teilweise auf Wertsteigerungen<br />
bei Immobilien zurückzuführen, die in<br />
Frankreich aktuell zwei Drittel des Haushaltsvermögens<br />
ausmachen. Frankreichs persönliche<br />
Vermögen belaufen sich auf total 20,1<br />
Billionen Dollar, dicht gefolgt von Deutschland<br />
mit 19,6 Billionen Dollar. Deutschland<br />
hat allerdings einen höheren Anteil an Personen,<br />
die über der 50MillionenDollarMarke<br />
liegen, und sowohl Deutschland als auch<br />
Grossbritannien rangieren höher bezogen auf<br />
Personen mit mehr als 100 Millionen Dollar.<br />
«Volle 1,8 Prozent des obersten Prozents<br />
vermögender Personen der Welt sind<br />
Schweizer», heisst es im Bericht – bemerkenswert<br />
für ein Land, in dem nur 0,1 Prozent<br />
der Weltbevölkerung leben. Die Schweiz<br />
ist «das erste und einzige Land mit einem<br />
Vermögen von über 500 000 Dollar pro Erwachsenen».<br />
Allerdings: «Fast die gesamte<br />
Vermögenszunahme seit dem Jahr 2000 ist<br />
auf die Aufwertung des Schweizer Frankens<br />
gegenüber dem USDollar zurückzuführen.»<br />
Ein Grossteil der Vermögen in der Schweiz<br />
wird in Finanzwerten gehalten (59 Prozent).<br />
Es mag vielleicht überraschen, dass die durchschnittliche<br />
Verschuldung in der Schweiz<br />
131 000 Dollar pro Erwachsenen beträgt,<br />
«einer der höchsten Werte weltweit» – darin<br />
spiegelt sich jedoch ebenfalls die Stärke<br />
des Schweizer Frankens.<br />
Auch Singapurs Vermögen sind seit der<br />
Jahrtausendwende stetig angewachsen. Das<br />
Haushaltsvermögen stieg von 100 000 auf<br />
285 000 Dollar pro Erwachsenen. Damit belegt<br />
Singapur den sechsten Rang. Bemerkenswerterweise<br />
zeigt Singapurs Vermögens verteilung<br />
nur eine mässige Ungleichheit.<br />
Michael O’Sullivan<br />
Head of Portfolio Strategy & Thematic Research, Credit Suisse<br />
Frankreichs hohe Vermögenssteigerung<br />
Selbst die reichsten Länder in Nordamerika,<br />
Westeuropa, der Region AsienPazifik und<br />
im Mittleren Osten weisen in der privaten<br />
Alle Informationen basieren auf dem Global Wealth Report<br />
20<strong>11</strong> der Credit Suisse, verfasst von den Professoren Anthony<br />
Shorrocks, Jim Davies und Rodrigo Lluberas sowie von Michael<br />
O’Sullivan, Head of Portfolio Strategy & Thematic Research,<br />
Credit Suisse, und Richard Kersley, Head of Global Research<br />
Product, Investment Banking Research, Credit Suisse.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Economic Research 33<br />
Anlagestrategien<br />
«Der <strong>Zeit</strong>horizont<br />
entscheidet»<br />
Andreas Russenberger, Leiter Global MACS (Multi Asset Class Solutions) Mandates and<br />
Funds der Credit Suisse, erklärt die Rolle des Faktors <strong>Zeit</strong> bei Anlageentscheidungen.<br />
Foto: Rainer Wolfsberger<br />
<strong>bulletin</strong>: Welche Rolle spielt <strong>Zeit</strong> für einen Portfoliomanager?<br />
Andreas Russenberger: Rund ums Thema <strong>Zeit</strong> gibt es verschiedene<br />
Aspekte zu berücksichtigen. Ganz zentral ist für uns die richtige Wahl<br />
des <strong>Zeit</strong>horizonts. Aus Kundensicht gibt es die einfache Formel:<br />
Je risikoreicher die getätigte Anlage ist, desto grösser sollte der <strong>Zeit</strong>horizont<br />
sein. Dieser Grundsatz ist auch für die Beratung ganz wichtig.<br />
Wie lange kann und will der Kunde sein Geld anlegen? Plant der<br />
Kunde zum Beispiel in einem Jahr ein Haus zu bauen, dann sollte<br />
man das entsprechende Geld nicht in ein Aktienportfolio anlegen.<br />
Vielleicht fallen genau in diesem Jahr die Aktienkurse um 30 Prozent,<br />
und der Kunde kann sich sein Haus im Moment nicht mehr leisten.<br />
Noch einmal: Die Frage des <strong>Zeit</strong>horizonts ist enorm wichtig.<br />
Dann sind Aktien also vor allem etwas für Leute<br />
mit einem langen <strong>Zeit</strong>horizont?<br />
Aktienmärkte entwickeln sich in der Regel nach bestimmten Zyklen,<br />
die es teilweise auszustehen gilt. Wir gehen aber davon aus, dass<br />
sich das erhöhte Risiko von Aktien langfristig auszahlt. Wer seine<br />
Aktien in den 1970erJahren gekauft hat, der sollte selbst die<br />
Einbrüche in diesem Sommer gut wegstecken können.<br />
Doch nicht alle Kunden haben so viel <strong>Zeit</strong>.<br />
Das ist natürlich so. Es gibt Kunden, die bewusst nicht warten<br />
wollen und sehr kurzfristig in Aktien investieren. Dann ist es aber<br />
weniger eine Investition als eine Spekulation. Doch auch solche<br />
Spekulationen können ihre Berechtigung haben. Allerdings stellt sich<br />
dort die Frage, welchen Anteil sie im gesamten Investment ausmachen<br />
sollen. Wenn jemand mit einem Prozent seines Anlagevermögens<br />
kurzfristig spekulieren will und Casinolike in einwöchige<br />
Optionen einsteigt, dann geht es da vor allem um den Nervenkitzel.<br />
Mit professionellem Portfoliomanagement hat das aber nichts zu tun.<br />
Das macht also das Portfoliomanagement per Definition<br />
zu einem langfristigen Investitionsvehikel?<br />
Wir arbeiten mit verschiedenen <strong>Zeit</strong>horizonten. Die Grundstrategie,<br />
die die Anteile und Ausrichtungen der verschiedenen Anlageklassen<br />
und Währungen eines Portfolios definiert, wird auf mehrere Jahre<br />
hinaus festgelegt. Diese Strategie ist also langfristig. Daneben machen<br />
wir aber auch so genannte taktische Calls. Diese Taktik orientiert<br />
sich an einem <strong>Zeit</strong>raum von drei bis sechs Monaten.<br />
und was bedeutet das in der Praxis?<br />
Strategisch mag die Grösse des Aktienpakets auf zehn Jahre ausgerichtet<br />
sein, doch je nach aktuellen Entwicklungen können die<br />
Aktien als Position in den nächsten drei bis sechs Monaten stärker<br />
über oder untergewichtet werden. Mit diesem Horizont lassen sich<br />
gewisse Prognosen zur Wirtschaft machen, die dann über taktische<br />
Calls zur Optimierung der langfristigen Strategie beitragen, indem<br />
man kurzfristig Risiken rausnimmt oder auf der anderen Seite gezielt<br />
Chancen nutzt.<br />
und wie sieht es mit ganz kurzfristigen Aktionen aus?<br />
Die kann es tatsächlich auch geben. Gibt zum Beispiel eine Firma<br />
eine Gewinnwarnung heraus, wird teilweise sehr kurzfristig darüber<br />
entschieden, wie gravierend die Situation wirklich ist und ob man<br />
reagieren sollte.<br />
Wie organisieren Sie das Abdecken der verschiedenen<br />
<strong>Zeit</strong>horizonte innerhalb Ihres Teams?<br />
Die langfristige Strategie wird zusammen mit den Analysten der<br />
ResearchAbteilung des Private Banking festgelegt. Von dort kommen<br />
ja auch viele unserer Kunden. Zusammen definieren wir Musterportfolios<br />
für typische Privatkunden. Diese sind je nachdem eher<br />
konservativ, ausgewogen oder dynamisch auf fünf, sechs Jahre<br />
ausgelegt. Das sehe ich aber eher als Projektarbeit. Dann gibt es<br />
das InvestmentKomitee, in dem Anlagestrategen aus den verschiedensten<br />
Anlagebereichen sitzen. Dieses Komitee macht vor allem die<br />
taktischen Calls, indem es zum Beispiel den Anteil an Aktien mittelfristig<br />
von 40 auf 36 Prozent heruntersetzt oder auf 44 Prozent<br />
anhebt. Und erst dann kommen die eigentlichen Portfoliomanager,<br />
«Wir sind keine Tageshändler. Wir kaufen<br />
und verkaufen nicht am gleichen<br />
Tag, nur weil die Kurse etwas steigen<br />
oder fallen.» Andreas Russenberger<br />
die diese verschiedenen Auflagen konkret umsetzen müssen. Diese<br />
entscheiden also nicht, wie gross der Anteil an Aktien im Portfolio<br />
sein muss, aber dafür, welche Aktien drin sind. Und das ist ein enorm<br />
dynamisches Geschäft. Natürlich sind wir in diesem Bereich aus<br />
Kostengründen daran interessiert, möglichst wenige Transaktionen<br />
zu tätigen. Doch wenn es irgendwelche Downgradings oder Gewinnwarnungen<br />
gibt, dann muss der Portfoliomanager schnell reagieren<br />
können. Aber hier gilt es nochmals ganz klar festzuhalten: Wir sind<br />
keine Tageshändler. Wir kaufen und verkaufen nicht am gleichen Tag<br />
die gleichen Aktien, nur weil die Kurse etwas steigen oder fallen.<br />
Das ist nicht unser Geschäft. Wir wollen Titel, die dem Kunden über<br />
mehrere Zyklen hinaus einen Mehrwert verschaffen. Daniel Huber<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
34 Economic Research<br />
Anlagestrategie<br />
Verkraften die<br />
Schwellenländer eine Krise?<br />
Die Wahrscheinlichkeit einer längeren Phase mit unterdurchschnittlichem Wachstum ist<br />
sowohl in den uSA als auch in Europa in den letzten Monaten stark gestiegen. Historisch<br />
hatte ein Wachstumsabschwung in den Industrienationen einen deutlich negativen<br />
Effekt auf die Schwellenländer. 2008 und 2009 konnten sich die meisten Schwellenländer<br />
jedoch dagegenstemmen. Kann dies wiederholt werden?<br />
Auf den ersten Blick scheinen verschiedene<br />
Gründe dafür zu sprechen, dass dieselben<br />
Strategien bei einem nächsten Mal nicht unbedingt<br />
wieder denselben Erfolg garantieren:<br />
Die westlichen Länder können ihre Geldpolitik<br />
nicht mehr wesentlich expansiver gestalten.<br />
Auch vom Wirtschaftswachstum in den<br />
Industrieländern und von den Konsumenten<br />
in den USA dürften kaum Impulse für das<br />
Exportgeschäft der Schwellenländer ausgehen.<br />
Schliesslich steht der Inflationsdruck in<br />
den meisten Schwellenländern offensiven<br />
Massnahmen im Weg.<br />
Die Schwellenländer haben jedoch weiterhin<br />
einen gewissen Spielraum, um ihre<br />
antizyklische Politik fortzusetzen. Noch mehr<br />
Wirkung verspricht die Neuausrichtung vieler<br />
grösserer Schwellenländer von den Exporten<br />
auf den Binnenkonsum als Reaktion auf weniger<br />
kaufkräftige westliche Konsumenten.<br />
Nach unserer Auffassung wird dieser neue<br />
Fokus in den Schwellenländern auch zu wesentlichen<br />
Änderungen in der Währungspolitik<br />
führen.<br />
Kurzfristige antizyklische Massnahmen<br />
Die Reaktion der meisten Schwellenländer<br />
auf die Finanzkrise von 2008 bestand nach<br />
unserem Dafürhalten in erster Linie in einer<br />
ausgeprägt antizyklischen Fiskal und Geldpolitik,<br />
insbesondere in Asien. Ergänzt wurden<br />
die fiskalpolitischen Impulse durch substanzielle<br />
Zinssenkungen in den meisten<br />
Ländern mit Ausnahme von Osteuropa.<br />
Aber wie gut sind die meisten Schwellenländer<br />
in der Lage, angesichts der neuen,<br />
von Europa ausgehenden Krise ihre fiskalpolitischen<br />
Anstrengungen von 2008/09 zu<br />
wiederholen?<br />
Wir erachten die vom MaastrichtAbkommen<br />
vorgeschriebene Verschuldungsobergrenze<br />
von 60 Prozent als eine zuverlässige<br />
Basis für unsere Analyse. Wie in Abbildung 1<br />
ersichtlich ist, liegt das Verhältnis zwischen<br />
Staatsverschuldung und BIP heute für die<br />
meisten Schwellenländer unter diesem wichtigen<br />
MaastrichtKriterium – eine bemerkenswerte<br />
Entwicklung, namentlich für die<br />
Länder Lateinamerikas.<br />
Sowohl das Verhältnis zwischen Staatsverschuldung<br />
und BIP als auch der Umfang<br />
der aktuellen Haushaltsdefizite sprechen dafür,<br />
dass die meisten Schwellenländer Spielraum<br />
für eine antizyklische Fiskalpolitik haben,<br />
wenn auch mit gewichtigen Ausnahmen,<br />
namentlich Indien, aber auch Brasilien. Das<br />
südamerikanische Land hat erneut angekündigt,<br />
dass es den für das laufende Jahr<br />
geplanten primären Haushaltsüberschuss erreichen<br />
will, was die Möglichkeiten für ausserordentliche<br />
Staatsausgaben beschränkt.<br />
Bei der Gewichtung von fiskal und geldpolitischen<br />
Massnahmen in der Region ist in<br />
unseren Augen ein Muster zu erkennen. Wir<br />
gehen davon aus, dass die lateinamerikanischen<br />
Länder und insbesondere Brasilien<br />
Abbildung 1<br />
Die meisten Schwellenländer weisen heute gesunde Bilanzen auf<br />
Die in Maastricht festgelegte Verschuldungsobergrenze stellt für die meisten Schwellenländer kein<br />
Problem dar. Eine bemerkenswerte Leistung. Quelle: Moody’s und Credit Suisse, Emerging Market Quarterly, Juni 20<strong>11</strong><br />
BIP in<br />
Prozent<br />
10<br />
Schwellenländer Asien<br />
Europa, Naher Osten und Afrika<br />
Lateinamerika<br />
5<br />
0<br />
– 5<br />
– 10<br />
–4.4 –3.3 –1.9 –0.9 –0.6 –0.3 0.2 0.3 0.8 0.9 4.1<br />
1.0<br />
–0.4 –0.1 –0.1<br />
–5.9 –5.2 –4.9 –4.1 –3.6 –3.3 –3.1 –2.7<br />
1.9<br />
5.8<br />
–3.6<br />
–0.9<br />
0.0 0.0 0.8 0.8 1.7 2.8<br />
Vietnam<br />
Malaysia<br />
Indien<br />
China<br />
Taiwan<br />
Singapur<br />
Philippinen<br />
Thailand<br />
Korea<br />
Indonesien<br />
Hongkong<br />
Nigeria<br />
Polen<br />
Rumänien<br />
Ukraine<br />
Russland<br />
Tschechische Rep.<br />
Ägypten<br />
Südafrika<br />
Türkei<br />
Israel<br />
Ungarn<br />
Saudi-Arabien<br />
Kasachstan<br />
Ver. Arabische Emirate<br />
Venezuela<br />
Mexiko<br />
Chile<br />
Kolumbien<br />
Panama<br />
Peru<br />
Argentinien<br />
Brasilien<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Economic Research 35<br />
Abbildung 2<br />
Schwellenländer mit «teuren» Währungen werden Verlangsamungen<br />
der Konjunktur eher geldpolitisch bekämpfen<br />
Die lateinamerikanischen Schwellenländer mit ihren «teuren» Währungen dürften die Krise<br />
wohl anders bekämpfen als die asiatischen. Credit Suisse, Emerging Market Quarterly, September 20<strong>11</strong><br />
Prozentuale Abweichung vom fairen Wert bezüglich des realen effektiven Wechselkurses (REER)<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
-10<br />
-20<br />
«teuer»<br />
Brasilien<br />
Ägypten<br />
Venezuela<br />
Kolumbien<br />
Philippinen<br />
schechische Rep.<br />
Russland<br />
Singapur<br />
Argentinien<br />
Indonesien<br />
Israel<br />
Thailand<br />
Nigeria<br />
Ungarn<br />
Chile<br />
Türkei<br />
Rumänien<br />
Kasachstan<br />
Südafrika<br />
Saudi-Arabien<br />
Ukraine<br />
Malaysia<br />
Indien<br />
China<br />
Mexiko<br />
Korea<br />
Peru<br />
Taiwan<br />
Polen<br />
Hongkong<br />
T<br />
Abbildung 3<br />
Die Konsumausgaben in den Schwellenländern zeigen stetig nach oben<br />
In den letzten Jahren nimmt der Konsum in den Schwellenländern kontinuierlich zu,<br />
seit 2004 noch ausgeprägter. Dieser Trend dürfte sich noch verstärken. Quelle: Credit Suisse<br />
Weltweiter Konsum in Prozent<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
USA<br />
«billig»<br />
tegie taugt. Sie haben den Fokus deshalb<br />
stärker auf den Binnenkonsum gelegt.<br />
Dieser Trend ist bereits sichtbar. Das Konsumwachstum<br />
in den Schwellenländern zeigt<br />
seit 2000 kontinuierlich nach oben. Seit<br />
2004 verläuft diese Kurve noch steiler.<br />
Dieser Strategiewechsel wirft verschiedene<br />
Fragen auf. Erstens vollzieht sich ein solcher<br />
struktureller Prozess langsam, weshalb<br />
die Auswirkungen erst mit der <strong>Zeit</strong> spürbar<br />
werden. Zweitens dürfte dadurch die Wachstumsrate<br />
steigen, die hier als Rate definiert<br />
ist, mit der die Schlüsselbereiche der Wirtschaft<br />
expandieren, unter anderem Reallöhne<br />
und Konsum. Ein solches Wachstum<br />
schürt jedoch auch die Inflation. Der Grossteil<br />
des Wirtschaftswachstums geht denn<br />
in allen drei grossen Wirtschaftsregionen<br />
bisher auch eher von der Inflation aus als von<br />
einer nominellen Währungsaufwertung.<br />
Die Wirtschaftsexpansion in den Schwe l<br />
lenländern wird sich fortsetzen, doch nach<br />
unserem Dafürhalten sollte sich die Basis<br />
dieses Wachstums verändern. Ein weitaus<br />
grösserer Teil des Wirtschaftswachstums<br />
in den Schwellenländern wird wohl eher von<br />
den nominellen Wechselkursen als von der<br />
Inflation ausgehen.<br />
20<br />
Schwellenländer<br />
Fazit<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
15<br />
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010<br />
Folgen der globalen Verlangsamung für die<br />
Schwellenländer wohl aufgefangen werden<br />
können, lösen sie die strukturelle Frage, wie<br />
das Wachstumstempo angesichts der strukturellen<br />
Probleme des Westens gehalten<br />
werden soll, noch nicht.<br />
Die meisten aufstrebenden Länder und<br />
insbesondere China haben realisiert, dass<br />
eine exportbasierte Industrialisierung nicht<br />
mehr länger als alleinige Wachstumsstraeine<br />
Wachstumsverlangsamung in erster Linie<br />
mit einer Senkung der Zinssätze bekämpfen<br />
werden. Ausserdem leiden die meisten<br />
dieser Länder unter strukturellen Ausgabenproblemen<br />
und Währungen, die in Anbetracht<br />
des realen effektiven Wechselkurses<br />
(REER) überbewertet sind (Abbildung 2). Deshalb<br />
haben sowohl Brasilien als auch die Türkei<br />
bereits mit Ankündigungen von Zinssenkungen<br />
auf den Abschwung reagiert.<br />
Die asiatischen Länder mit Ausnahme von<br />
Japan dürften dagegen einer Abkühlung eher<br />
mit fiskalpolitischen Massnahmen begegnen.<br />
Zwar könnten viele Zentralbanken in Asien<br />
die geldpolitischen Zügel ebenfalls lockern,<br />
sie sind dazu aber nicht gezwungen: Ihre<br />
Währungen sind auf REERGrundlage bereits<br />
«günstig», und die Inflation ist unserer Ansicht<br />
nach noch nicht definitiv unter Kontrolle.<br />
Ist das Wachstumstempo zu halten?<br />
Während mit antizyklischen geld und fiskalpolitischen<br />
Massnahmen die unmittelbaren<br />
«Längerfristig verlagern die<br />
Schwellenländer den Fokus<br />
von den Exporten zu einer<br />
Ankurbelung des Binnenkonsums.»<br />
Adrian Zürcher<br />
Wir sind der Auffassung, dass viele Schwellenländer<br />
auf die aktuelle Konjunkturverlangsamung<br />
wie nach der Finanzkrise von 2008<br />
mit einer antizyklischen Wirtschaftspolitik reagieren<br />
werden. Die Reaktion dürfte diesmal<br />
allerdings schwächer ausfallen, da viele dieser<br />
Länder mit deutlich höheren Teuerungsraten<br />
konfrontiert sind.<br />
Kurzfristig erwarten wir von den asiatischen<br />
Ländern die einschneidendsten fiskalpolitischen<br />
Massnahmen. Längerfristig dürften<br />
die meisten Schwellenländer ihren Fokus<br />
weg von den Exporten hin zu einer Ankurbelung<br />
des Binnenkonsums verlagern. Dieser<br />
Strategiewechsel wird voraussichtlich auch<br />
mit grundlegenden Änderungen in der Währungspolitik<br />
einhergehen. Wir gehen davon<br />
aus, dass die meisten Schwellenländer eine<br />
stärkere nominelle Währungsaufwertung<br />
zulassen werden, um der Realwirtschaft ein<br />
Wachstum ohne übermässigen Anstieg des<br />
Inflationsdrucks zu ermöglichen.<br />
Adrian Zürcher, Emerging Market and Equity Strategist,<br />
Bunt Ghosh, Head of Emerging Market Strategy and Risk,<br />
Anja Hochberg, Head of Investment Strategy<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
36 Economic Research<br />
Lebenserwartung und Rentenalter<br />
Diskussionen um das<br />
gesetzliche Rentenalter<br />
Bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 lag die Lebenserwartung der Eintrittsgeneration<br />
bei den Männern mit 46 und bei den Frauen mit knapp 50 Jahren deutlich unter dem<br />
vorgesehenen Rentenalter. Mittlerweile hat der dritte Lebensabschnitt ein immer grösseres<br />
Gewicht innerhalb des gesamten Lebenslaufs gewonnen und damit die umlagefinanzierte<br />
AHV zunehmend unter Druck gesetzt.<br />
Schule, Arbeit, Pensionierung. Die Dreiteilung<br />
des Lebens in die Phasen der Vorbereitung<br />
und Ausbildung, der aktiven Erwerbsarbeit<br />
und des Ruhestandes wird heute kaum<br />
noch in Frage gestellt. Heute denkt niemand<br />
daran, dass es eigentlich nicht immer so gewesen<br />
ist. Der Ruhestand als allgemein anerkannte<br />
Lebensphase ist ein historisch junges<br />
Phänomen, das auf die Schaffung und<br />
den Ausbau der Alterssicherungssysteme zurückzuführen<br />
ist. Lebenslange Arbeit ist in<br />
der Geschichte der Länder Mittel und Westeuropas<br />
für die Mehrheit der Bevölkerung<br />
allzeit ein Muss und eine Selbstverständlichkeit<br />
gewesen. Ein arbeitsfreier Lebensabend<br />
gehörte nie zur Kultur der Mehrzahl der Menschen.<br />
Erst die Einführung der Altersversicherungssysteme,<br />
die im Zuge des Strukturwandels<br />
von Wirtschaft und Gesellschaft im<br />
20. Jahrhundert zur Notwendigkeit wurde,<br />
brachte in Form des gesetzlichen Rentenalters<br />
eine neue Orientierungsmarke im Lebenslaufschema.<br />
Erst dadurch entwickelte<br />
sich der Ruhestand zu einem selbstverständlichen<br />
Teil der Biografie jedes einzelnen<br />
I ndividuums.<br />
Als die Alters und Hinterlassenenversicherung<br />
(AHV) 1948 in der Schweiz einge<br />
Abbildung 1<br />
Im Jahr 2040 kommen auf einen Rentner nur noch zwei Erwerbstätige<br />
Der Altersquotient gibt das Verhältnis der über 64Jährigen zu den 20 bis 64Jährigen in<br />
Prozent an. Das Äquivalenzrentenalter ist das Rentenalter, das den Wert des Altersquotienten<br />
auf dem Niveau von 2010 konstant hält: Angesagt wären im Jahr 2040 also 73 Jahre.<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
in %<br />
85<br />
75<br />
65<br />
55<br />
45<br />
35<br />
25<br />
Bevölkerung Schweizer Nationalität<br />
Erwerbsbevölkerung Schweizer Nationalität<br />
Äquivalenzrentenalter (rechte Skala)<br />
Gesamtbevölkerung<br />
Erwerbsbevölkerung<br />
Alter in Jahren<br />
100<br />
65 68 70 73<br />
2010<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
2018<br />
2020<br />
2022<br />
2024<br />
2026<br />
2028<br />
2030<br />
2032<br />
2034<br />
2036<br />
2038<br />
2040<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
«Ein starres Rentenalter<br />
entspricht nicht mehr dem<br />
heutigen und dem<br />
zu künftigen Lebensmuster.»<br />
Sara Carnazzi Weber, Economic Research<br />
führt wurde, konnte die Mehrheit der Bevölkerung<br />
das vorgesehene Rentenalter von 65<br />
Jahren gar nie erreichen. Für die Generationen,<br />
die zuerst der AHV beitraten, betrug die Lebensdauer<br />
bei den Männern im Durchschnitt<br />
46 Jahre und bei den Frauen 49,9 Jahre. Inzwischen<br />
hat sich die Lebenserwartung markant<br />
erhöht, ohne dass sich dies im gesetzlichen<br />
Rentenalter niedergeschlagen hätte. In<br />
der Schweiz beträgt heute die durchschnittliche<br />
Lebenserwartung bei Geburt 80,1 Jahre<br />
für Männer und 84,5 Jahre für Frauen. Im<br />
Alter von 65 Jahren steht einem Mann statistisch<br />
noch eine Restlebenser wartung von 17,1<br />
Jahren bevor, einer Frau eine von 20,9 Jahren.<br />
Im Zuge der medizinischen Fortschritte, die<br />
eine immer längere Lebensdauer ermöglicht<br />
haben, hat die Ruhestandsphase im Laufe<br />
der <strong>Zeit</strong> ein immer grösseres Gewicht innerhalb<br />
des gesamten Lebenslaufs gewonnen.<br />
Machten die Jahre im Ruhestand für einen<br />
Mann der Gene ration 1880 im Durchschnitt<br />
<strong>11</strong>,3 Prozent des ganzen Lebenslaufs aus, ist<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Economic Research 37<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
dieser Anteil für die Generation 1980 auf 23,6<br />
Prozent gestiegen.<br />
Altersvorsorge am Scheideweg<br />
Der im Zuge sinkender Geburtenraten und<br />
steigender Lebenserwartung voranschreitende<br />
Alterungsprozess der Bevölkerung<br />
setzt das Gleichgewicht zwischen den Generationen,<br />
auf dem die umlagefinanzierte<br />
AHV in der Schweiz beruht, zunehmend unter<br />
Druck. Einige Zahlen genügen, um die Tragweite<br />
des Prozesses für dieses System zu<br />
verdeutlichen. Der Altersquotient, der das<br />
Verhältnis der über 64Jährigen zur Bevölkerung<br />
im erwerbsfähigen Alter zwischen 20<br />
und 64 Jahren ausdrückt, wird sich von heutigen<br />
27 auf 50 Prozent im Jahr 2040 erhöhen<br />
(Abbildung 1). Das bedeutet, dass sich<br />
die Anzahl Aktive pro Rentner von 3,7 auf 2<br />
reduzieren wird. Am Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
betrug dieses Verhältnis noch 9,2 :1,<br />
zum <strong>Zeit</strong>punkt der Einführung der AHV 6,5:1.<br />
Ohne die verjüngende Wirkung der Zuwanderung<br />
würde die Alterung in der Schweiz noch<br />
schneller voranschreiten. Die Bevölkerung<br />
schweizerischer Nationalität weist bereits<br />
heute einen deutlich höheren Alterungsgrad<br />
auf als der Durchschnitt der Gesamtbe völkerung.<br />
Bis ins Jahr 2040 wird der Altersquotient<br />
der Schweizer von 32,6 auf 64,7<br />
Prozent ansteigen beziehungsweise die Anzahl<br />
Aktive pro Rentner von 3 auf 1,5 sinken.<br />
Einen noch aussagekräftigeren Einblick in<br />
die zunehmende Gleichgewichtsverzerrung<br />
im umlagefinanzierten System der AHV liefert<br />
eine Betrachtung eines Altersquotienten, bei<br />
dem die rentenberechtigten Personen nicht<br />
zur Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 20<br />
und 64 Jahren, sondern zur Erwerbsbevölkerung<br />
in Beziehung gesetzt werden. Mit drei<br />
Viertel der gesamten Beitragssumme ist es<br />
die Erwerbsbevölkerung, die den grössten<br />
Teil der finanziellen Last im Rahmen der AHV<br />
trägt. Wählt man diese Perspektive, wird das<br />
Verhältnis von 2 Aktiven für einen Rentner<br />
bereits im Jahr 2030 erreicht. Bis 2040<br />
kommen dann nur noch 1,6 Aktive für einen<br />
Rentner auf. Im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte<br />
wird aufgrund der demografischen<br />
Alterung nicht nur die Anzahl rentenberechtigter<br />
Personen zunehmen, sondern auch die<br />
Erwerbsbevölkerung schrumpfen, was das<br />
Verhältnis zusätzlich verschlechtert.<br />
Wenn man das Verhältnis zwischen erwerbsfähiger<br />
und rentenberechtigter Bevölkerung<br />
in den kommenden Jahrzehnten auf<br />
dem heutigen Niveau konstant halten wollte,<br />
müsste das Rentenalter bis ins Jahr 2040<br />
AHV gerät bald aus dem finanziellen Gleichgewicht<br />
Gemäss den jüngsten Szenarien zur finanziellen Entwicklung<br />
der AHV, die im Mai vom Bundesamt für Sozialversicherungen<br />
vorgestellt worden sind, wird der Ausgleichsfonds der AHV<br />
ab etwa 2020 zu schmelzen beginnen. Die Resultate aus der<br />
Versicherungstätigkeit der AHV werden bereits in den nächsten<br />
Jahren defizitär sein, und das kumulierte Defizit wird bis 2020<br />
eine Grössenordnung erreichen, die nicht mehr durch den<br />
An lageerfolg aus dem Fondsvermögen aufgefangen werden<br />
kann. Bis etwa 2025 wird die Liquidität des Ausgleichsfonds<br />
voraussichtlich unter die Grenze von 50 Prozent einer<br />
Jahresausgabe sinken.<br />
Die jährliche Finanzierungslücke wird 4,5 Milliarden Franken<br />
betragen, was einem Ertragspotenzial von einem Lohn -<br />
summenprozent oder 1,3 Mehrwertsteuerprozenten entspricht.<br />
Bis 2030 wird die Finanzierungslücke die Grössenordnung<br />
von 8,5 Milliarden pro Jahr erreichen, was einem Ertragspotenzial<br />
von 1,9 Lohnsummenprozenten oder 2,4 Mehrwertsteuerprozenten<br />
gleichkommt.<br />
Als Ausgleich müsste das Rentenalter für Frauen und Männer<br />
um drei Jahre erhöht werden. Diese Entwicklungen ergeben<br />
sich aus dem mittleren Szenario des Bundesamts für Sozialversicherungen,<br />
das bereits von einer erhöhten Zuwanderung<br />
ausgeht. Neu wird ein Wanderungssaldo unterstellt, der sich<br />
im Jahr 2030 bei rund 40 000 Personen einpendeln und damit<br />
die heutige Realität der Wanderungsbewegungen besser<br />
abbilden wird. Ebenfalls mit einem stärkeren Gewicht berücksichtigt<br />
ist der laufende Strukturwandel der Wirtschaft, der<br />
zu neuen und besser bezahlten Stellen führt. unabhängig von<br />
der Anpassung dieser Faktoren, das Fazit bleibt das gleiche:<br />
Ohne Gegenmassnahmen ist das finanzielle Gleichgewicht der<br />
AHV nicht zu halten.<br />
auf 73 Jahre angehoben werden. Dieses so<br />
genannte Äquivalenzrentenalter stellt lediglich<br />
ein Gedankenspiel dar, es verdeutlicht<br />
jedoch den Reformbedarf der umlagefinanzierten<br />
Altersvorsorge und wie sich die Rahmenbedingungen<br />
für das Setzen des Rentenalters<br />
im Vergleich zur Vergangenheit geändert<br />
haben. Der zunehmenden Belastung der<br />
aktiven Generationen durch die wachsende<br />
Anzahl Rentner kann beim Umlageverfahren<br />
letztlich und nachhaltig nur durch eine Veränderung<br />
des zahlenmässigen Verhältnisses<br />
zwischen Rentenberechtigten und Beitragszahlern<br />
entgegengewirkt werden.<br />
Ist die Dreiteilung des Lebens überholt?<br />
Eine Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters<br />
würde über eine Veränderung dieses<br />
Verhältnisses zwischen beitragszahlender<br />
und rentenberechtigter Bevölkerung der umlagefinanzierten<br />
Altersvorsorge eine finanzielle<br />
Entlastung bringen. Ist aber ein starres<br />
Rentenalter überhaupt noch angemessen?<br />
Entspricht eine solche Regelung noch den<br />
heutigen und vor allem den zukünftigen Lebensmustern?<br />
Per Ende September dieses<br />
Jahres hat Grossbritannien das gesetzliche<br />
Rentenalter ersatzlos abgeschafft. Die Briten<br />
können künftig frei entscheiden, wie lange<br />
sie arbeiten. Bisher führte das Erreichen<br />
der gesetzlichen Altersgrenze in der Regel<br />
automatisch zum Ausscheiden aus dem Betrieb.<br />
Weiterhin bestehen wird ein Mindestalter<br />
für den Bezug einer staatlichen Rente,<br />
das für Männer und Frauen auf 66 Jahre erhöht<br />
wird.<br />
Ein flexibler Austritt aus dem Erwerbsleben<br />
in der Schweiz ist heute schon Re alität,<br />
auch auf gesetzlicher Stufe. Im Vordergrund<br />
stand bisher jedoch vor allem der vorzeitige ><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
38 Economic Research<br />
Rücktritt. In der AHV ist der Rentenvorbezug<br />
zwar erst mit der 10. AHVRevision im Jahr<br />
1997 eingeführt worden, im Rahmen der beruflichen<br />
Vorsorge ist die vorzeitige Pensionierung<br />
jedoch bereits seit längerer <strong>Zeit</strong><br />
möglich. Diese Regelungen, aber auch die<br />
ausgeprägte Jugendzentrierung auf dem<br />
Arbeitsmarkt haben in den vergangenen<br />
Jahrzehnten die Tendenz zum vorzeitigen<br />
Austritt aus dem Erwerbsleben begünstigt.<br />
Dementsprechend liegt heute das effektive<br />
Rentenalter mit 63,5 Jahren unter der gesetzlichen<br />
Altersgrenze. Deutlich weniger oft<br />
in der öffentlichen Diskussion, jedoch sogar<br />
im Rahmen der AHV möglich ist der Rentenaufschub,<br />
und zwar seit der 7. AHVRevision<br />
im Jahr 1969.<br />
Eine Verlängerung des Erwerbslebens<br />
über die heutige Grenze von 65 Jahren ist<br />
im Licht der gerontologischen Forschung<br />
vertretbar. Wir leben heute nicht nur länger,<br />
sondern auch länger bei guter Gesundheit.<br />
Die so genannte behinderungsfreie Lebenserwartung<br />
beträgt heute in der Schweiz 73,7<br />
Jahre für die Männer und 76,8 Jahre für die<br />
Abbildung 2<br />
Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung<br />
in der Schweiz 2010–2040<br />
Auf den ersten Blick scheint sich bis 2040 wenig<br />
zu ändern, doch der Anteil der über 50jährigen<br />
Arbeitnehmenden steigt von 29 auf 36 Prozent.<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Millionen Erwerbstätige<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
< 25 Jahre<br />
29% 33% 34% 36%<br />
25% 22% 24% 23%<br />
32% 32% 30% 29%<br />
14% 12% 12% 13%<br />
2010 2020 2030 2040<br />
25–39 Jahre<br />
40–49 Jahre 50+ Jahre<br />
Frauen. Und dass der negative Zusammenhang<br />
zwischen Lebensalter und geistiger<br />
Leistungsfähigkeit lange überschätzt wurde,<br />
ist heute allgemein anerkannt. Allfälligen Defiziten<br />
können ältere Arbeitnehmer ihr grosses<br />
Erfahrungswissen und spezifische Fähigkeiten<br />
entgegensetzen. Vor dem Hintergrund<br />
sich verändernder Lebensmuster, immer länger<br />
werdender Ausbildungszeiten, die sich<br />
zudem in Form von kontinuierlicher Weiterbildung<br />
zunehmend mit dem Erwerbsleben<br />
vermischen, ist ein flexibler Austritt aus dem<br />
Erwerbsleben beziehungsweise eine Flexibilisierung<br />
des Rentenalters «nach oben» eine<br />
nahe liegende Ergänzung. Länger zu arbeiten,<br />
vielleicht auch im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle,<br />
ist sicherlich nicht für alle Arbeitnehmenden<br />
in gleichem Ausmass möglich,<br />
zum Beispiel im Fall von beschwerlichen<br />
Tätigkeiten. Analysen auf der Grundlage von<br />
Daten aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung<br />
zeigen jedoch ein nicht unerhebliches<br />
Potenzial an Arbeitskräften, die gerne<br />
über das gesetzliche Rentenalter hinaus<br />
arbeiten würden. Ein entsprechendes Umdenken<br />
ist auch von Seite der Arbeitgeber<br />
notwendig, nicht zuletzt, weil sie in naher<br />
Zukunft mit einer zunehmend alternden<br />
Belegschaft konfrontiert sein werden.<br />
Sara Carnazzi Weber<br />
Economic Research<br />
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der Event organisation, in der<br />
Augenheil kunde, im Elektrofahrradmarkt<br />
und in der Motorradbekleidungsbranche<br />
erfolgreich<br />
tätig sind, erfahren Sie unter<br />
www.creditsuisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />
Swiss Venture Club<br />
Das beste der besten Unternehmen der Region Basel galt es am 17. November<br />
im Kongresszentrum Messe Basel beim Unternehmerpreis Nordschweiz Basel<br />
des Swiss Venture Club zu bestimmen. Hat die Aerni Gruppe aus Pratteln<br />
mit CEO Bernhard Aerni gewonnen? Oder die Müller Gruppe von CEO Peter<br />
Müller aus Münchenstein? Die Twerenbold Reisen Gruppe, BadenRütihof, mit<br />
Verwaltungsratspräsident Werner Twerenbold? Vielleicht die Wilco AG, Wohlen,<br />
mit dem VRDelegierten Martin Lehmann, die Canoo Engineering AG, Basel,<br />
mit CEO HansDirk Walter? Gute Chancen besass natürlich auch die Domaco<br />
Dr. med. Aufdermaur AG, Lengnau, mit CEO Silvia HuberMeier. Der Weg zu den<br />
Resultaten führt über www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />
Swiss<br />
Technologie<br />
Award 20<strong>11</strong><br />
Im Rahmen des 6. Swiss Innovation<br />
Forum wurden am 3. November im<br />
Novartis Campus in Basel vor über<br />
650 Entscheidungsträgern die innovativsten<br />
Unternehmen der Schweiz<br />
geehrt. BioVersys (Kategorie Startup),<br />
eine Spezialistin für biophar mazeu<br />
tische Produkte mit Sitz in Basel,<br />
entwickelte eine Methode, um<br />
chemische Mo leküle zu identifizieren,<br />
die spezifisch Resistenzen gegen<br />
Antibiotika auf genetischer Ebene im<br />
Bakterium «ausschalten». Die mit<br />
einer spezi ellen Farbe lackierte<br />
Computermaus von Optical Additives<br />
(Kategorie Inventors) sammelt auf<br />
der ganzen Oberfläche Licht und<br />
verwandelt es durch zwei winzige<br />
Solarzellen in Strom. Mit iload stellte<br />
Schoeller Textil (Kategorie Maturity<br />
Stage) eine innovative Textilie vor,<br />
die mit verschiedenen Wirkstoffen<br />
für Wohlbefinden, Prävention und<br />
Therapie beladen werden kann.<br />
Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
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Schwab Foundation<br />
Ein Social Entrepreneur ist eine Mischung zwischen Mutter Teresa und Bill<br />
Gates. Die Schwab Foundation zeichnet in 30 Ländern vorbildliche Unternehmer<br />
aus, wobei Innovation, Nachhaltigkeit und direkte soziale Auswirkungen<br />
die Hauptkriterien sind. Am 13. Dezember wurden im Forum St. Peter<br />
der Credit Suisse die Schweizer Social Entrepreneurs 20<strong>11</strong> geehrt. Im<br />
Final standen Codecheck (Roman Bleichenbacher), Poinzz (Martin Spirig,<br />
Beat Drittenbass) und South Pole (Christoph Sutter, Renat Heuberger).<br />
Ein Veranstaltungsbericht findet sich unter www.credit-suisse.com/<strong>bulletin</strong>.<br />
><br />
Photo: Credit Suisse | Courtesy of Musée International d’Horlogerie<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
ulletin plus –<br />
das Heft im Heft<br />
Im Dialog mit der Gesellschaft<br />
Die Credit Suisse führt zusammen mit gfs.bern zwei grosse umfragen durch, um einen<br />
Beitrag zur Diskussion wichtiger gesellschaftlicher Fragen zu leisten. In der Ausgabe<br />
«Jugend» publizierten wir die Resultate des Jugendbarometers. Traditionsgemäss<br />
in der letzten Ausgabe des Jahres veröffentlichen wir das seit Mitte der 1970er-Jahre<br />
erhobene Sorgenbarometer inklusive der Spezialumfrage «Identität Schweiz».<br />
unter www.credit-suisse.com/jugendbarometer respektive www.credit-suisse.com/<br />
sorgenbarometer finden Sie zahlreiche weitergehende Informationen.<br />
Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse<br />
plus<br />
Credit Suisse Sorgenbarometer 20<strong>11</strong><br />
Schweizer Sorgen<br />
Erkenntnis als erster Schritt zur Lösung
40 Credit Suisse<br />
Kunst im Geschäftsumfeld<br />
Faszinierende Schnitte<br />
im Tageslicht und auch bei Nacht<br />
In Schaffhausen wird der Besucher der Credit Suisse<br />
Geschäftsstelle von einem Floormanager und einem Werk<br />
des Künstlers Harald F. Müller, Öhningen, empfangen.<br />
Von Harald F. Müller im Jahr 2009 realisierte hinterleuchtete Glaswand «Daylight» mit den beiden «Cuts» in der Kundenhalle Schaffhausen.<br />
Seit genau 50 Jahren ist die<br />
Credit Suisse in den Kantonen<br />
Schaffhausen und<br />
Wallis tätig. Nachdem im<br />
Wallis seit 20<strong>05</strong> bereits<br />
mehrere Geschäftsstellen<br />
im Rahmen von Branch Excellence umweltund<br />
kundenfreundlich umgestaltet worden<br />
sind, so etwa Visp, Zermatt, Martigny, Sion<br />
und Monthey, durfte sich im Oktober 2009<br />
auch das von Andreas Knupp geleitete Team<br />
der Credit Suisse Schaffhausen über einen<br />
gelungenen <strong>11</strong>,5MillionenFrankenUmbau<br />
freuen, gleichsam als vorgezogenes Jubiläumsgeschenk.<br />
Wie immer bei solchen Gelegenheiten<br />
wird dem Faktor Kunst grosses<br />
Gewicht beigemessen, da die Kunst wesentlich<br />
zu einer für Mitarbeitende und Kunden<br />
inspirierenden Atmosphäre beiträgt. Gleich<br />
im Eingangsbereich fasziniert eine Glaswand<br />
mit zwei «Cuts» von Harald F. Müller, der<br />
gegenwärtig im Kloster Öhningen bei Stein<br />
am Rhein lebt und arbeitet – und der seine<br />
Widmungen, als besonderes Markenzeichen,<br />
spiegelverkehrt schreibt. Zeichnet sich die<br />
Credit Suisse in Schaffhausen vor allem als<br />
Hauptsponsor des Schaffhauser Jazzfestivals<br />
aus, so engagiert sie sich in der Munotstadt<br />
auch in der Kunstförderung, indem sie im<br />
Museum zu Allerheiligen die Ausstellung<br />
«Ernte» für regionale Kunstschaffende unterstützt<br />
und namentlich den ErnteKunst<br />
preis der Credit Suisse vergibt. Mehr Informationen<br />
über die Kunstwerke von Harald F.<br />
Müller findet man im Band «Die Sammlung<br />
Credit Suisse». schi<br />
www.haraldfmueller.de;<br />
www.jazzfestival.ch; www.allerheiligen.ch<br />
Das Buch zur Sammlung der Credit Suisse<br />
«Die Sammlung Credit Suisse – Kunst im<br />
Geschäftsumfeld», Hrsg. André Rogger, Barbara<br />
Hatebur. Verlag Scheidegger & Spiess, 20<strong>11</strong>.<br />
Foto: Dirk Altenkirch, Karlsruhe<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Nachwuchsförderung<br />
Gut vernetzt!<br />
Für einmal gehört das Auditorium im Zürcher Uetlihof<br />
ausschliesslich dem Nachwuchs der Credit Suisse –<br />
Lernenden, JuniorBankern und CareerStartern.<br />
Sie sind zahlreich erschienen, geht es doch um eine<br />
wichtige Phase ihrer Laufbahn.<br />
Ich bewundere Ihren Mut, in der Bankbranche<br />
arbeiten zu wollen», begrüsst<br />
Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident<br />
der Credit Suisse, mit einem Schmunzeln<br />
die jungen Mitarbeitenden im Saal.<br />
Dann erzählt er von den Herausforderungen,<br />
die das wirtschaftliche und regulatorische<br />
Umfeld derzeit an die Finanzbranche<br />
stellt. Ob all dieser Schwierigkeiten<br />
dürfe aber nicht vergessen werden, dass die<br />
Finanzindustrie eine Dienstleistungsindustrie<br />
ist. «Der Kunde steht bei uns im Zentrum.<br />
Daher streben wir beispielsweise langfristige<br />
Kundenbeziehungen an und keine schnellen<br />
Abschlüsse. Dieser Kundenfokus muss Teil<br />
unserer DNA werden», gibt sich Rohner<br />
überzeugt. Damit kommt er auf die Unternehmenskultur<br />
der Credit Suisse zu sprechen.<br />
Gespannt hören die Mitarbeitenden dem<br />
Verwaltungsratspräsidenten zu. Die 250 Sitzplätze<br />
sind beinahe restlos gefüllt, die Stimmung<br />
locker und doch erwartungsvoll. Es ist<br />
die Auftaktveranstaltung des neu gegründeten<br />
Mitarbeiternetzwerkes Next Generation<br />
Network (NGN). Wobei neu nicht ganz stimmt:<br />
Die Plattform gibt es bereits seit 2006, doch<br />
erst seit Herbst 20<strong>11</strong> wird NGN von der Abteilung<br />
Diversity and Inclusion als siebtes offizielles<br />
Mitarbeiternetzwerk unterstützt. Dies,<br />
da die Bank der Nachwuchsförderung einen<br />
grossen Stellenwert einräumt.<br />
02<br />
01<br />
01<br />
02<br />
Aufmerksam folgt die nächste<br />
Generation der Bank den<br />
Ausführungen der Redner.<br />
Viele Mitarbeitende engagieren<br />
sich beim Next Generation<br />
Network und damit für den<br />
Nachwuchs.<br />
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Ein globaler Ansatz<br />
Der Bereich Diversity and Inclusion der Credit Suisse setzt sich weltweit für Chancengleichheit<br />
ein, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, sexueller<br />
Orientierung, Religion, Alter, Zivil und Familienstand, Schwangerschaft oder Behinderung,<br />
sowie für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld ohne Diskriminierung, Belästigung<br />
oder Repressalien. Der Bereich unterstützt Mitarbeiternetzwerke in allen Regionen, in denen<br />
die Bank tätig ist. Einige davon widmen sich der Förderung der jungen Generation.<br />
Analog zum Next Generation Network in der Schweiz bilden das Employee Network Junior<br />
Professionals Forum in Singapur und The Early Career Forum in Amerika eine Plattform,<br />
damit sich junge Mitarbeitende austauschen und vernetzen können. Zugleich wird ihre Karriereentwicklung<br />
durch Veranstaltungen, Beratung und Ausbildungsangebote gefördert.<br />
Fotos: Credit Suisse (NGN)<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 43<br />
Text: Claudia Hager<br />
NGN richtet sich an alle jungen Mitarbeitenden<br />
der Credit Suisse. Derzeit sind das<br />
650 Lernende, 120 JuniorBanker, das heisst<br />
Teilnehmende des Mittelschulabsolventenprogramms,<br />
und 250 CareerStarter aus dem<br />
Hochschulabsolventenprogramm. Weiter will<br />
das Netzwerk all jene ansprechen, die eines<br />
dieser Programme in den letzten zwei Jahren<br />
absolviert haben. «Mit dem Netzwerk bilden<br />
wir eine Plattform, um den Austausch unter<br />
den jungen Mitarbeitenden zu fördern. Ziel<br />
ist, dass sie sich ein breites berufliches und<br />
privates Netzwerk aufbauen können», erklärt<br />
Christian Büchi, einer der Mitarbeitenden,<br />
die sich beim NGN engagieren. Zu diesem<br />
Zweck veranstaltet das Netzwerk regelmässig<br />
Anlässe mit Gastdozenten sowie Treffen<br />
in ungezwungenem Rahmen, etwa Mittagessen<br />
oder Feierabenddrinks, bei denen sich<br />
die junge Generation kennenlernen und austauschen<br />
kann.<br />
«Ein regelmässiger Erfahrungs und Wissensaustausch<br />
ist insbesondere in einer frühen<br />
Karrierephase sehr hilfreich. Gespräche<br />
untereinander, aber auch mit Experten erleichtern<br />
den Berufseinstieg», sagt Lukas<br />
Vonesch, CoChair von NGN. Gabriella Diethelm,<br />
die sich mit Vonesch das Präsidium<br />
teilt, ergänzt: «Das Netzwerk ist nicht nur<br />
eine Plattform zum Austausch, es unterstützt<br />
die Mitarbeitenden auch bei typischen Fragen,<br />
die mit einer frühen Karrierephase verbunden<br />
sind. So werden Themen wie Integration<br />
ins Arbeitsumfeld, Weiterbildung, Laufbahnplanung<br />
oder Auslandaufenthalte behandelt.»<br />
Auslandaufenthalte – das ist auch ein Thema,<br />
das Urs Rohner am Herzen liegt. «Die<br />
Credit Suisse fördert die interne Mobilität,<br />
also den Wechsel in eine andere Abteilung<br />
oder in ein anderes Land», so der Verwaltungsratspräsident<br />
an der Auftaktveranstaltung.<br />
«Ein Auslandaufenthalt ist etwas vom<br />
Wichtigsten, was Mitarbeitende am Anfang<br />
ihrer Laufbahn machen können – denn je<br />
gefestigter die Karriere wird, desto schwieriger<br />
werden Veränderungen.»<br />
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Credit Suisse 45<br />
Gastkommentar<br />
«Die Vergangenheit ist ein<br />
Sprungbrett, kein Sofa»<br />
Patrick Odier<br />
Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung<br />
Dies hat der ehemalige britische Premierminister<br />
Harold Macmillan gesagt.<br />
Und genau dies entspricht der<br />
Einstellung, mit der die Schweizerische Bankiervereinigung<br />
(SBVg) 2012 ihr 100Jahr<br />
Jubiläum begehen wird. Bereit für den Wandel<br />
und zukunftsgerichtet.<br />
Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht<br />
die rasante Entwicklung der vergangenen<br />
Jahre eindrücklich. 1912, im Gründungsjahr<br />
der SBVg, beschäftigte die Credit Suisse –<br />
damals noch als Schweizerische Kreditanstalt<br />
(SKA) – gut 1000 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter, die stolze 7,4 Millionen Schweizer<br />
Franken Reingewinn erzielten. Nur wenige<br />
Jahre früher hatte die SKA in Basel ihre<br />
erste Zweigstelle eröffnet. Heute sind die<br />
Schweizer Banken mit weltweit fast 250 000<br />
Mitarbeitenden global aufgestellt. Der Sektor<br />
steuert in der Schweiz jährlich rund 37 Milliarden<br />
Franken zur Wertschöpfung bei, das sind<br />
6,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Jeder<br />
zehnte Steuerfranken kann dem Bankensektor<br />
zugeordnet werden. Doch nicht nur<br />
die Banken setzen sich für Wohlstand und<br />
Wachstum unseres Landes ein, viele Menschen<br />
leisten Tag für Tag Grosses und Klei<br />
nes, um die Schweiz vorwärtszubringen.<br />
Ihnen will die SBVg im Jubiläumsjahr danken.<br />
Sie hat zum Beispiel jungen Fotoschaffenden<br />
die Möglichkeit gegeben, 100 in der Schweiz<br />
lebende Menschen zu porträtieren. Der entstandene<br />
Fotoband zeichnet ein vielsagendes,<br />
überraschendes und spannendes Bild<br />
unserer Gesellschaft, ab Mitte Januar auch<br />
unter www.mercidankegrazie.ch.<br />
Die Finanzindustrie ist an einem Wendepunkt<br />
angelangt. Gefragt sind neue Antworten<br />
und Strategien. Die traditionellen Stärken<br />
und Werte dürfen dabei nicht auf der Strecke<br />
bleiben. Werte, welche die Schweiz und unseren<br />
Finanzplatz im internationalen Wettbewerb<br />
seit 100 und mehr Jahren auszeichnen,<br />
insbesondere Stabilität, Universalität,<br />
Exzellenz und Verantwortlichkeit. Gerade<br />
Letztere scheint mir in der heutigen <strong>Zeit</strong><br />
besonders wichtig. Banken nehmen ihre<br />
Verantwortung täglich wahr – gegenüber der<br />
Gesellschaft, der Umwelt, unseren Partnern<br />
aus Politik und Wirtschaft und natürlich<br />
gegenüber unseren Kundinnen und Kunden.<br />
Das Recht auf höchste Qualität und der<br />
Schutz der Privatsphäre sind und bleiben<br />
zentral.<br />
Es ist Aufgabe des Branchenverbandes,<br />
unter den bestehenden Vorzeichen den Weg<br />
in die Zukunft zu weisen. Wir haben eine Strategie<br />
entwickelt, die es erlaubt, bisher unversteuerte<br />
ausländische Vermögenswerte auf<br />
Schweizer Banken mit einer Abgeltungssteuer<br />
und unter Wahrung der Privatsphäre<br />
zu regularisieren. Neugelder sollen gleich wie<br />
in den Herkunftsländern besteuert werden.<br />
Erste Abkommen sind unterzeichnet. Dazu<br />
gilt es, Wachstumsfelder, wie etwa das Asset<br />
Management, voranzutreiben und die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen laufend zu<br />
verbessern.<br />
Die Banken haben die Herausforderungen<br />
der Zukunft angenommen und gestalten<br />
den Wandel kontinuierlich mit. Die Voraussetzungen<br />
für eine erfolgreiche Zukunft sind<br />
gegeben; für den Finanzplatz und den Werkplatz,<br />
zum Wohl der Schweiz.<br />
Impressum<br />
<strong>11</strong>7. Jahrgang, 5 x jährlich, Deutsch, Englisch,<br />
Französisch, Italienisch<br />
HERAuSGEBER: Credit Suisse AG<br />
Postfach 2, CH8070 Zürich, Telefon +41 44 333 <strong>11</strong> <strong>11</strong><br />
REDAKTION: Andreas Schiendorfer (schi), Chefredaktor;<br />
Stefan Behmer (sb), Leitung Internationale Ausgaben; Regula<br />
Brechbühl (rb), Schwerpunkt; Claudia Hager (de), Wirtschaft<br />
Redaktionelle Mitarbeit Schirin Razavi, <strong>bulletin</strong> online, Alice<br />
Ratcliffe, Nicola B. Mohler, Urs Schwarz, Dorothee Enskog<br />
(zzt. Mutterschaftsurlaub) Support Sandra Buchmann, Franziska<br />
Thürer, Melanie Gerteis (Praktikum). Corporate Responsibility<br />
Mandana Razavi, Valérie Clapasson Fahrni, Alice Bordoloi<br />
Sponsoring Daniel Huber, Stefan Behmer, Michael Krobath<br />
Kontakt redaktion.<strong>bulletin</strong>@creditsuisse.com Internet www.<br />
creditsuisse.com/<strong>bulletin</strong> Facebook <strong>bulletin</strong> der Credit Suisse<br />
GESTALTuNG uND REALISATION: Arnold Inhalt und Form:<br />
Michael Suter (Leitung), Luzian Meier, Maja Davé, Angélique<br />
Bolter, Stefanie Süess Korrektorat Carola Bächi (AIF), Claudia<br />
Marolf (notabene) Übersetzungen Credit Suisse: Adrian<br />
Caminada, Francesco Di Lena, Richard S. Hughes, Nathalie<br />
Lamgadar, MarieSophie Minarta Druck Swissprinters Zürich AG<br />
VERLAG: Daniel Huber (Leitung), Stefan Behmer (Marketing/<br />
Inserate), Tel. 044 334 58 88, <strong>bulletin</strong>@behmer.ch<br />
WEMF-Auflage 20<strong>11</strong> 139 575 Registrierung ISSN 1423 1360<br />
Mutationen siehe Talon Nachdruck von Texten ge stattet mit<br />
Hinweis «Aus dem <strong>bulletin</strong> der Credit Suisse».<br />
REDAKTIONSKOMMISSION: Nicole Brändle Schlegel,<br />
René Buholzer, Barend Fruithof, Sandro Grünenfelder, Anja<br />
Hochberg, Angelika Jahn Wassmer, Bettina Junker Kränzle,<br />
Hanspeter Kurzmeyer<br />
Diese Publikation dient zu Informationszwecken. Sie bedeutet<br />
kein Angebot und keine Aufforderung seitens der Credit Suisse<br />
zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften. Hinweise auf die frühere<br />
Performance garantieren keine positiven Entwicklungen in<br />
Zukunft. Die Analysen und Schlussfolgerungen wurden durch die<br />
Credit Suisse erarbeitet und könnten vor ihrer Weitergabe an die<br />
Kunden bereits für Transaktionen von Gesellschaften der Credit<br />
Suisse Group verwendet worden sein. Die ver tretenen Ansichten<br />
sind die der Credit Suisse zum <strong>Zeit</strong>punkt der Drucklegung.<br />
(Änderungen vor behalten.) Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />
Foto: www.swissbanking.org<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
46 Credit Suisse<br />
Sponsoring<br />
Text: Schirin Razavi<br />
Die modernen<br />
Geschichtenerzähler<br />
Wenn ein Kulturevent zum produktiven Experimentierfeld wird, muss nicht<br />
immer alles nach Plan verlaufen. Studierende der Zürcher Hochschule der<br />
Künste machten das Zurich Film Festival zu ihrem eigenen kreativen Schauplatz<br />
und richteten einen unkonventionellen Blick auf die Filmwelt.<br />
Schauspieler und Regisseure<br />
wurden interviewt, Protagonisten<br />
porträtiert, Schnappschüsse<br />
gemacht und viel improvisiert.<br />
Zwei Klassen des Studiengangs<br />
CAST / Audiovisuelle Medien, der<br />
sich an der Zürcher Hochschule der Künste<br />
(ZHdK) mit audiovisuellen Stories für Onlineund<br />
mobile Medien befasst, waren diesen<br />
Herbst elf Tage lang stets auf der Suche<br />
nach einer guten Geschichte.<br />
Unter der Headline «CAST meets ZFF»<br />
berichteten sie auf dem CASTYoutube Kanal<br />
sowie diversen WebChannels über das<br />
Zurich Film Festival und gewährten dabei bereits<br />
zum zweiten Mal ungewöhnliche Blicke<br />
hinter die Kulissen dieses Spektakels. Täglich<br />
wurden mehrere drei bis fünfminütige Beiträge<br />
auf den Kanälen verbreitet, so auch auf<br />
der FacebookFanpage des Credit Suisse<br />
<strong>bulletin</strong>. Einer dieser Berichte erzählt etwa<br />
vom jungen New Yorker Andrew «Lemon»<br />
Andersen.<br />
Zusammen mit den Regisseurinnen Laura<br />
Brownson und Beth Levison war er nach<br />
Zürich gereist, um mit dem Dokumentarfilm<br />
«Lemon» am Wettbewerb teilzunehmen. Für<br />
das Goldene Auge reichte es nicht – dieses<br />
ging an Cindy Meehl und den Pferdeflüsterer<br />
Buck –, dafür richtete aber die CASTGruppe<br />
ihr Augenmerk auf Lemon. Einen Tag lang<br />
drehten sie an verschiedenen Orten Zürichs<br />
ein Porträt über Andersen, der in «Lemon»<br />
offen vom frühen Aidstod der Mutter, dem<br />
Suizidversuch des Bruders oder seiner eigenen<br />
<strong>Zeit</strong> im Gefängnis spricht. Dort entdeckte<br />
er die Kunst des Dichtens, heute ist er nicht<br />
nur in den USA ein bekannter SlamPoet.<br />
Die Studierenden liessen in den Beiträgen<br />
nebst den Filmschaffenden auch das Publikum<br />
zu Wort kommen und drehten so über<br />
50 Berichte und Geschichten rund ums Festival,<br />
die im Internet nach wie vor einsehbar<br />
sind. Die Drehtage waren mit einigen Hindernissen<br />
verbunden. So war es nicht immer<br />
klar, wo die Interviews stattfinden würden,<br />
und der Drehort konnte sich auch eine Stunde<br />
vor dem eigentlichen Termin noch ändern.<br />
Dann hiess es die Ausrüstung zusammenpacken<br />
und zum neuen Treffpunkt eilen. Waren<br />
die Bilder im Kasten und genügend Statements<br />
gesammelt, ging es zur Weiterverarbeitung<br />
zurück ins Klassenzimmer, das eigens<br />
für das Festival zum Newsroom umfunktioniert<br />
wurde.<br />
«So viel anders ist der normale Unterricht<br />
gar nicht», bestätigt ZHdKDozent Nico<br />
Lyptikas, «na ja, vielleicht ein bisschen weniger<br />
aufregend …»<br />
Der im Jahr 2007 eingeführte Studiengang<br />
CAST / Audiovisuelle Medien reflektiere das<br />
veränderte Informationsverhalten: «Unsere<br />
Studierenden erwerben journalistische Kompetenzen,<br />
die über das Fernsehen und das<br />
Radio hinausgehen, da ein starker Fokus<br />
auf das Social Web gesetzt wird, das immer<br />
mehr an Bedeutung gewinnt. Das Zurich<br />
Film Festival war der ideale Raum für uns,<br />
sozusagen ein Experimentierfeld im nicht<br />
kommerziellen Rahmen.» Das Fazit: Experiment<br />
gelungen, Fortsetzung erwünscht.<br />
Weitere Informationen<br />
www.creditsuisse.com/<strong>bulletin</strong><br />
www.cast.zhdk.ch/projekte/castmeetszff<br />
Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Foto: Zürich Film Festival<br />
CAST begleitet Lemon<br />
Studierende der Zürcher<br />
Hoch schule der Künste führen<br />
den New Yorker SlamPoeten<br />
Lemon (mit blauer Mütze)<br />
mit ihrer Kamera durch die Stadt.
48 Credit Suisse<br />
Sponsoring<br />
Spitzenmusik an<br />
und auf der Rhone<br />
Text: Andreas Schiendorfer<br />
02<br />
Das Orchestre de la Suisse Romande, seit 20 Jahren von der Credit Suisse als<br />
Hauptsponsor unterstützt, bietet auch in dieser Saison wieder zahlreiche<br />
kulturelle Höhepunkte. Speziell hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf die beiden<br />
musikalischen Reihen «Musique sur Rhône» und «Festival Mozart/Strauss».<br />
01<br />
Zu seiner Abschiedssaison mit<br />
dem Orchestre de la Suisse<br />
Romande (OSR) hat Marek<br />
Janowski verschiedene Künstlerinnen<br />
und Künstler eingeladen,<br />
die ihn auf seinem bisherigen<br />
Weg in Genf begleitet haben: Vadim<br />
Repin, Nikolaj Znaider (18. Januar 2012),<br />
Nikolaï Lugansky (20. Januar), Charles Dutoit<br />
(18./19./22. April), JeanYves Thibaudet<br />
(23./24. Mai) und der Rundfunkchor Berlin<br />
(31. Mai / 1. Juni), um nur einige zu nennen.<br />
Sie allein garantieren schon, dass die bereits<br />
erfolgreich begonnene Saison 20<strong>11</strong>/12 den<br />
Vergleich mit den sechs vorangegan genen<br />
keineswegs zu scheuen braucht. Daneben<br />
ist Janowski aber seinem Vorsatz, aussergewöhnliche<br />
Nachwuchskräfte zu fördern,<br />
treu geblieben. Er selbst weist explizit auf die<br />
28jährige russische Pianistin Anna Vinnitskaya<br />
hin, die am 12. und 13. Januar in zwei<br />
Konzerten unter seiner Leitung Werke von<br />
Carl Maria von Weber, Albert Roussel, Sergei<br />
Rachmaninow und Boris Blacher interpretieren<br />
wird. Für ihre CD mit Werken von<br />
Prokof jew und Ravel hat Anna Vinnitskaya im<br />
Oktober einen EchoKlassikPreis als beste<br />
Nachwuchskünstlerin erhalten.<br />
Mit Stolz verweist Marek Janowski aber<br />
auch auf die hervorragenden Talente des<br />
OSR selbst. In seiner Saisonvorschau hat er<br />
speziell auf den Violinisten Bogdan Zvoristeanu<br />
aufmerksam gemacht, dessen Konzerte<br />
allerdings bereits erfolgreich über die<br />
Bühne der Victoria Hall gegangen sind.<br />
Grosse Stücke hält Janowski indes auch<br />
auf die Bratschistin Elçim Özdemir. Wer sie<br />
Fotos: Grégory Maillot | Felix Broede<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
01<br />
02<br />
Ein grossartiges Orchester<br />
im grossartigen Saal<br />
der Victorian Hall in<br />
Genf ist eine musikalische<br />
Reise wert.<br />
Marek Janowski bestreitet<br />
seine letzte Saison<br />
beim OSR. Seine Ära wird<br />
sicher als eine der sieben<br />
fetten, erfolg reichen<br />
Jahre in die Geschichte<br />
des Orchesters eingehen.<br />
als Solistin hören möchte, dem sei das Muttertagskonzert<br />
vom 13. Mai in der Salle Théodore<br />
Turretini des Bâtiment des Forces Motrices<br />
(BFM) empfohlen.<br />
Und damit befinden wir uns bereits mitten<br />
in den beiden Konzertserien, die der Credit<br />
Suisse in den letzten Jahren besonders ans<br />
Herz gewachsen sind und die sie deshalb<br />
als Hauptsponsor speziell unterstützt: die<br />
Série Musique sur Rhône und das Festival<br />
Mozart/Strauss.<br />
Die Série Musique sur Rhône darf als ein<br />
besonders attraktives Projekt der Nachwuchs<br />
oder vielmehr der «Eigengewächsförderung»<br />
bezeichnet werden. Es wird –<br />
jeweils an einem Sonntag um <strong>11</strong> Uhr – von<br />
Orchestermitgliedern bestritten, die gerne<br />
Kammermusik spielen. Mit Unterstützung der<br />
Credit Suisse ermöglicht es ihnen das OSR,<br />
dies eingebettet in das offizielle Saisonprogramm<br />
zu tun, im idyllisch gelegenen BFM<br />
mitten auf der Rhone, das als Musterbeispiel<br />
von kultureller Umnutzung einer nicht mehr<br />
benötigten Industriebaute gelten darf.<br />
Barock-Kantaten und Klavier-Quintette<br />
Die drei Konzerte der ersten Saisonhälfte<br />
sind bereits vorbei, doch noch stehen ebenso<br />
viele musikalische Leckerbissen auf dem<br />
Programm: am 26. Februar die barocken<br />
Kantaten von Bach, Bruhns und Händel, am<br />
<strong>11</strong>. März ein Quintett für Klavier und Bläser<br />
von RimskyKorsakow und ein KlavierQuintett<br />
von Anton Rubinstein sowie am 13. Mai<br />
Werke von Richard Strauss und Wolfgang<br />
Amadeus Mozart.<br />
Das Festival Mozart/Strauss besteht aus<br />
drei Konzerten, die alle in der Muttertagswoche<br />
stattfinden, ebenfalls allesamt im<br />
BFM. Am Donnerstagabend, 10. Mai, spielt<br />
Credit Suisse 49<br />
das OSR unter der Leitung von Maestro Janowski<br />
und mit dem Solisten Radek Baborák,<br />
Horn, Mozarts Symphonie Nr. 28 in CDur<br />
und das Hornkonzert Nr. 3 in EsDur sowie<br />
die «Metamorphosen, Studie für 23 Solostreicher»,<br />
von Richard Strauss. Am Freitagabend<br />
gibt das OSR, erneut unter der Leitung von<br />
Marek Janowski, Mozarts Divertimento für<br />
Streicher in DDur sowie verschiedene Sopranarien,<br />
interpretiert von Christiane Karg,<br />
und dazu die Sonatine Nr. 2 für 16 Holz bläser<br />
«Fröhliche Werkstatt» von Richard Strauss.<br />
Den Abschluss beider Serien bildet das<br />
bereits erwähnte Muttertagskonzert mit<br />
Mozarts Klarinettenquintett in ADur sowie<br />
dem Capriccio und der Sonate für Violine und<br />
Klavier in EsDur von Wolfgang Amadeus<br />
Mozart. Ein durch und durch empfehlenswertes<br />
Familienerlebnis, für das man sich die<br />
Karten wohl frühzeitig besorgen muss.<br />
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Credit Suisse 51<br />
News Corporate Responsibility<br />
Achievement Award<br />
In Anerkennung ihres Engagements<br />
im Mikrofi nanzbereich und ihrer Partnerschaft<br />
mit Opportunity International<br />
wurde die Credit Suisse anlässlich<br />
einer von Opportunity International ausgerichteten<br />
Konferenz mit einem<br />
Achievement Award ausgezeichnet.<br />
Über regulierte Banken bietet diese<br />
Organisation Zugang zu Sparkonten,<br />
Kredite an Kleinbetriebe, Versicherungen<br />
sowie Schulung und Ausbildung<br />
für 2,5 Millionen Menschen in mehr als<br />
20 Entwicklungsländern. Als strategischer<br />
Partner von mehreren Mikrofinanzorganisationen<br />
und im Rahmen<br />
ihrer Microfinance Capacity Building<br />
Initiative unterstützt die Credit Suisse<br />
Opportunity International in der Entwicklung<br />
innovativer Technologielösungen.<br />
Anessa Chui, Mitarbeitende der<br />
Credit Suisse Hongkong, nahm 2010<br />
am Global Citizens Program teil und<br />
leistete in diesem Rahmen einen<br />
dreimonatigen Einsatz für Opportunity<br />
International in Uganda. «Die einfachsten<br />
Lösungen haben die grösste<br />
Wirkung», zog Chui nach ihrem Einsatz<br />
Bilanz.<br />
Spendenrekord<br />
«You choose. We match. They win.» (Sie wählen. Wir verdoppeln. Andere gewinnen.)<br />
Das Motto der Holiday Charity Initiative der Credit Suisse in den USA, einer<br />
jährlichen, von der Credit Suisse Americas Foundation unterstützten Mitarbeiter-<br />
Spendenaktion, sagt alles. Teilnehmende Mitarbeitende können aus einer Liste<br />
von Wohltätigkeitspartnern wählen, die ihr Augenmerk auf die drei globalen Fokusthemen<br />
Bildung, Mikrofi nanz und Mitarbeiterengagement richten. Die drei mit den<br />
höchsten zugesagten Beträgen, die drei mit den meisten Spendern und jene in den<br />
fünf Städten mit der grössten Mitarbeiterbeteiligung gewinnen ebenfalls «Preise»<br />
in Form von zusätzlichen Spenden. Im letzten Jahr beteiligten sich über 5500 Mitarbeitende<br />
und sammelten 2,7 Millionen US-Dollar. Insgesamt generierte das<br />
Programm seit seiner Lancierung 2004 fast 10 Millionen Dollar zur Unterstützung<br />
von über 100 Wohltätigkeitsorganisationen und Projekten.<br />
Compliance<br />
Academy<br />
Die Credit Suisse bietet Hochschulabsolventen<br />
und Berufseinsteigern<br />
eine Gelegenheit, sich über ein innovatives<br />
Programm, das in diesem<br />
Jahr gestartet wurde, Wissen und<br />
Erfahrung im Compliance-Bereich<br />
anzueignen. Die in Singapur ansässige<br />
Compliance Academy unterstützt mit<br />
dem neuen Ansatz die Ausbildung<br />
in diesem Fachgebiet. Das zweijährige<br />
Programm besteht aus Klassenunterricht<br />
und Stellenrotation in der Praxis.<br />
Die Academy ermöglicht der Credit<br />
Suisse auch, motivierte Mitarbeitende<br />
zu gewinnen, gleichzeitig Verständnis<br />
für das Thema zu schaffen und die<br />
Marke zu stärken. Das Programm ist<br />
auf die Ziele der Monetary Authority<br />
von Singapur abgestimmt. Nach<br />
dem Abschluss erhalten erfolgreiche<br />
Absolventen sowohl eine interne Zertifi<br />
zierung der angesehenen Business<br />
School der Credit Suisse als auch<br />
ein Diplom in Compliance der International<br />
Compliance Association.<br />
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Der Mensch und die <strong>Zeit</strong><br />
Eine neue Ausstellung im Musée International d’Horlogerie in La Chaux-de-<br />
Fonds in der Schweiz bietet – unter anderem dank der Unterstützung der<br />
Credit Suisse Foundation – einen umfassenden historischen Überblick über<br />
die nicht mechanische <strong>Zeit</strong>messung. Die Ausstellung «L’homme et le<br />
temps» (Der Mensch und die <strong>Zeit</strong>) präsentiert beispielsweise eine Sanduhr,<br />
welche die Redezeit eines Anwalts im alten Griechenland anzeigte, sowie<br />
eine funktionierende Reproduktion der ägyptischen Kamak-Uhr, der ältesten<br />
bekannten Wasseruhr. «Ohne die Unterstützung der Credit Suisse wäre<br />
eine Ausstellung von dieser Qualität und Grössenordnung nicht realisierbar<br />
gewesen», erklärte Nicole Bosshart, stellvertretende Leiterin des Museums,<br />
gegenüber dem <strong>bulletin</strong>.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
52 Credit Suisse<br />
«Die Aktion wird von den Bedürftigen<br />
auch als Zeichen der Solidarität<br />
geschätzt.» Josef Reinhardt<br />
Eine Mitarbeiterin des Moldawischen Roten Kreuzes verteilt in der<br />
Schweiz gesammelte Gaben an ein älteres Ehepaar auf dem Land.<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 53<br />
Text: Bernard van Dierendonck<br />
Corporate Volunteering<br />
Doppeltes<br />
Geschenk<br />
Den Überfluss weiterschenken,<br />
das ist die Idee von «2 x Weihnachten».<br />
Auch dieses Jahr liegen beim<br />
Schweizerischen Roten Kreuz wieder<br />
rund 400 Tonnen Geschenke auf<br />
dem Gabentisch. Die Volunteers der<br />
Credit Suisse helfen beim Sortieren<br />
der Pakete und erfahren dabei<br />
einiges über die Not vieler Menschen<br />
in Osteuropa.<br />
Jedes Jahr beteiligen sich zahlreiche<br />
Schweizerinnen und Schweizer an<br />
der Aktion «2 x Weihnachten». Beispielsweise<br />
indem sie Lebensmittel<br />
und Hygieneartikel für Menschen<br />
in Osteuropa kaufen oder Spielzeug<br />
für bedürftige Familien in der Schweiz<br />
sammeln – etwa das MemorySpiel, das der<br />
Götti nun schon zum zweiten Mal unter den<br />
Christbaum gelegt hat. Die Gaben verpacken<br />
sie in eine stabile Schachtel und bringen sie<br />
mit dem Vermerk «2 x Weihnachten» versehen<br />
auf die Post.<br />
Eine Aktion mit Tradition<br />
Foto: Amer Kapetanović,<br />
«2 x Weihnachten» ist in der Schweiz ein fester<br />
Begriff und geht auf eine Initiative von<br />
Radio DRS 1 zurück. Vor 14 Jahren wurde<br />
dort die Idee lanciert, dass Weihnachtsgeschenke,<br />
die nicht gebraucht werden, an Bedürftige<br />
weitergeschenkt werden sollten.<br />
Als Partner holte das Radio die Post an Bord,<br />
die während rund zweier Wochen die am<br />
Schalter abgegebenen Pakete kostenlos zum<br />
dritten Partner, dem Schweizerischen Roten<br />
Kreuz (SRK), befördert. Das SRK sortiert<br />
schliesslich die angelieferte Ware und verteilt<br />
die Geschenke an Menschen in der<br />
Schweiz und in Osteuropa, die froh sind um<br />
jede Unterstützung. Auch dieses Jahr werden<br />
im SRKLogistikzentrum in Wabern wieder<br />
rund 72 000 Pakete mit einem Gesamtgewicht<br />
von 400 Tonnen erwartet. ><br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
54 Credit Suisse<br />
«Das Spenden von Naturalien hat bei Hilfswerken<br />
Seltenheitswert», sagt Josef Reinhardt,<br />
Leiter der SRK Katastrophenhilfe<br />
Schweiz und Koordinator von «2 x Weihnachten».<br />
Obwohl man mit den Naturalien weder<br />
den Hunger noch die Armut langfristig bekämpfen<br />
kann, helfen die Gaben vielen Menschen<br />
wenigstens über den harten Winter<br />
hinweg. «Diese Aktion wird von den Bedürftigen<br />
auch als Zeichen der Solidarität geschätzt»,<br />
erklärt Reinhardt den 40 ehrenamtlichen<br />
Helferinnen und Helfern, die sich<br />
während der letzten Aktion, also im Januar<br />
20<strong>11</strong>, im Logistikzentrum des SRK eingefunden<br />
haben. In einem Vortrag erläutert<br />
Reinhardt, dass die Geschenke in Moldawien<br />
verteilt werden sollen. Das kleine Land an<br />
der rumänischen Grenze war einst die Weinund<br />
Gemüsekammer der Sowjetunion – heute<br />
gehören die 3,3 Millionen Einwohner zu<br />
den ärmsten Europas.<br />
Kinder in der<br />
moldawischen Kleinstadt<br />
Ungheni. Auch sie werden<br />
mit Gaben beschenkt,<br />
die die Volunteers im<br />
Verteilzentrum in Wabern<br />
sortiert und verpackt<br />
haben (Bild unten).<br />
Solidarität mit den Ärmsten<br />
Jeder dritte erwerbsfähige Moldawier arbeitet<br />
im europäischen Ausland – und dies nicht<br />
immer auf legaler Basis. Zurück bleiben alte<br />
Menschen und Kinder. In diesem Zusammenhang<br />
spreche man auch von so genannten<br />
Eurowaisen, erläutert Reinhardt. Die Kinder,<br />
die bei ihren oft selbst pflegebedürftigen<br />
Grosseltern landen oder in überfüllte Kinderheime<br />
abgeschoben werden, seien zwar keine<br />
eigentlichen Waisen, erlebten aber psychisch<br />
oft dasselbe schwerwiegende Trauma des<br />
Verlassenwerdens seitens ihrer Eltern.<br />
Dass die Auswanderer das oft schwarz<br />
verdiente Geld zurück an die Familie in der<br />
Heimat überweisen, ist nicht der Regelfall.<br />
Dennoch, die Summe dieser Gelder übersteigt<br />
das BIP. Ohne diesen Geldfluss wäre<br />
Moldawien verloren. Und so hüten die zurückgebliebenen<br />
alten Menschen die Enkelkinder<br />
und versuchen, mit 50 Franken Rente<br />
pro Monat über die Runden zu kommen. Eine<br />
Rente, die nicht für Medikamente oder für<br />
das Heizen im Winter reicht. Sanitäre Einrichtungen<br />
gibt es kaum, nur jedes zehnte<br />
Haus ist an die Kanalisation angeschlossen,<br />
Wasser holt man vom Dorfbrunnen.<br />
Auf Besuch vor Ort<br />
Engagement der Credit Suisse<br />
Die Bank unterstützt «2 x Weihnachten»<br />
seit 2009 im Rahmen des Programms<br />
Corporate Volunteering Schweiz. Bisher<br />
standen insgesamt 972 Mitarbeitende<br />
für die Aktion im Einsatz. Beim Schweizerischen<br />
Roten Kreuz (SRK) in Wabern<br />
und bei den kantonalen Verbänden halfen<br />
alleine dieses Jahr 438 Volunteers beim<br />
Aussortieren und Verteilen der Geschenke.<br />
Bereits vorher hat die Bank in ihren<br />
Geschäftsstellen in Zürich, Aarau und<br />
Genf eine interne Sammlung durchgeführt.<br />
Auf diese Weise kamen zusätzlich<br />
zwei Tonnen Geschenke beim SRK auf<br />
den Gabentisch. Die Credit Suisse wird<br />
auch im Dezember 20<strong>11</strong> und Januar 2012<br />
interne Geschenksammlungen in Zürich<br />
durchführen. Zudem sind seit dem<br />
1. November die Termine für die Aktion<br />
in Wabern aufgeschaltet. Der Andrang<br />
auf die Daten ist gross, denn der<br />
Einsatz ist bei vielen Teams beliebt.<br />
Anfang Juni reiste eine Delegation des SRK<br />
und der Credit Suisse nach Moldawien und<br />
Rumänien. Sie besuchte mehrere bedürftige<br />
Familien und Institutionen, um zu überprüfen,<br />
ob die Waren aus der letztjährigen Geschenkaktion<br />
auch am Bestimmungsort angekommen<br />
und in die richtigen Hände verteilt worden<br />
sind. Die Verteilung der Güter vor Ort<br />
findet in enger Zusammenarbeit mit dem<br />
Moldawischen Roten Kreuz statt. Vasile Chernenchi,<br />
Leiter des Roten Kreuzes in Moldawien,<br />
sagt: «Die Zusammenarbeit mit dem<br />
SRK funktioniert sehr gut. Die sozialen und<br />
politischen Verhältnisse in unserem Land sind<br />
sehr schwierig, die meisten Menschen finden<br />
keine Arbeit und der Alkohol ist ein weitverbreitetes<br />
Problem. Entsprechend gross ist die<br />
Not der Menschen hier. Indem wir bedürftige<br />
Menschen regelmässig besuchen, haben wir<br />
ein sehr genaues Bild davon, welche Familie<br />
welche Dinge benötigt.»<br />
Die Delegation aus der Schweiz besuchte<br />
Familien und ältere, alleinstehende Personen<br />
in mehreren Dörfern. Zahra Darvishi, Leiterin<br />
Corporate Citizenship Schweiz, zeigte sich<br />
betroffen von all den Erlebnissen in Moldawien.<br />
Bewegt spricht sie von einem Kinderheim<br />
in Larga im Norden Moldawiens, nahe der<br />
Grenze zu Rumänien: «Die Kinder, die hier im<br />
Heim leben, haben Schreckliches durchgemacht.<br />
Sie wurden von ihren Eltern regelrecht<br />
abgeschoben, nur gerade zwei Eltern<br />
haben sich noch einmal nach ihren Kindern<br />
erkundigt. Der Vater eines siebenjährigen<br />
Mädchens wollte es gar für ein halbes Glas<br />
Wein an einen Zuhälter verkaufen. Die Leiterin<br />
des Kinderheims und die Betreuerinnen<br />
leisten jedoch Grossartiges: Mit viel Geduld<br />
und Einfühlungsvermögen versuchen sie,<br />
Fotos: Bernard van Dierendonck | Amer Kapetanović, Courtesy Swiss Post<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 55<br />
Romana Wood, Mirjam Beeler und Christophe<br />
Kuenzler engagieren sich im Rahmen<br />
des Credit Suisse Programms Corporate<br />
Volunteering. Die Freiwilligen sortieren die<br />
eingegangenen Kleider, mit Atemmasken vor<br />
der staubigen Luft geschützt. Sie trennen<br />
Brauchbares von Unbrauchbarem, werfen<br />
löchrige TShirts in den Abfallsack, falten<br />
Kinderkleider und legen sie in die entsprechende<br />
Box. «Ich hätte viel mehr dreckige<br />
Sachen erwartet», sagt Beeler, «stattdessen<br />
überwiegen neuwertige oder eigens gestrickte<br />
Kleider. Wir entdeckten sogar zwei Pelzmäntel.»<br />
Und Wood meint: «Der Vortrag über<br />
die Situation in Osteuropa war sehr motivierend.<br />
Ich möchte mich in Zukunft mehr<br />
engagieren.» Auch Kuenzler erklärt: «Direkt<br />
anzupacken, macht nicht nur Sinn, sondern<br />
auch Spass. Ein solcher Arbeitseinsatz sollte<br />
für jeden Angestellten obligatorisch sein.»<br />
Neuwertige Geschenke<br />
Kinder in einem Heim in Larga, im Norden Moldawiens, glücklich über die erhaltenen<br />
Geschenke. Ihr grösster Wunsch für die Zukunft: ein einfaches Fahrrad.<br />
den traumatisierten Kindern etwas Wärme<br />
und Sicherheit zurückzugeben. Eine sehr<br />
schwierige Aufgabe, wenn es an Mitteln fehlt.<br />
Die Situation vor Ort zu sehen, motiviert<br />
uns klar, noch mehr zu tun.» Da sich bei der<br />
Begegnung mit den 30 Kindern und Jugendlichen<br />
herausstellte, dass ihr sehnlichster<br />
Wunsch ein einfaches Fahrrad ist, startete<br />
die Credit Suisse noch im Sommer eine<br />
Sammelaktion unter den Mitarbeitenden:<br />
Schliesslich konnten 28 Velos via SRK ins<br />
Kinderheim nach Moldawien gesandt werden.<br />
Keine Teigwaren nach Afrika<br />
Im Sortierzentrum in Wabern erzählt Reinhardt<br />
derweil von einem anderen SRKEinsatz in<br />
Tuzla, in der Nähe von Srebrenica in Bosnien<br />
und Herzegowina. Dort konnte eine Suppenküche<br />
eingerichtet werden. «Dank der Suppenabgabe<br />
kamen die alten Leute aus ihren<br />
dürftigen, trostlosen Behausungen und hatten<br />
endlich etwas Warmes zu essen. Die Not<br />
trifft Kinder und alte Menschen immer am<br />
härtesten», so Reinhardt über die Situation<br />
in Osteuropa.<br />
Ein Volunteer möchte wissen, wieso mit<br />
der Aktion «2 x Weihnachten» nicht auch<br />
Menschen in Haiti oder Afrika geholfen wird.<br />
«Es macht für uns keinen Sinn, Teigwaren<br />
aus der Schweiz nach Afrika zu transportieren»,<br />
antwortet Reinhardt. In den weit entfernten<br />
Katastrophengebieten kauft das SRK<br />
«Die Moral der<br />
Schenkenden ist sehr<br />
hoch.» Jürg Zbinden<br />
die Lebensmittel vor Ort ein. Die Geschenke<br />
werden daher zur Hälfte mit Lastwagen in<br />
die osteuropäischen Länder Weissrussland,<br />
Moldawien und Bosnien und Herzegowina<br />
gefahren. Die andere Hälfte kommt Bedürftigen<br />
in der Schweiz zugute: Rentnern, die<br />
unter der Armutsgrenze leben, von der Sozialhilfe<br />
abhängigen Familien und alleinerziehenden<br />
Müttern, Kinderheimen sowie Asylunterkünften.<br />
Einsatz im Sortierzentrum<br />
In der Halle, in der die Geschenke angeliefert<br />
werden, wird emsig gearbeitet. Die<br />
Freiwilligen schneiden die Pakete mit scharfen<br />
Messern auf und breiten die Waren auf<br />
einem Fliessband aus. Stofftiere wandern in<br />
eine Kiste, Spielsachen gelangen auf einen<br />
Tisch, wo sie auf ihre Vollständigkeit überprüft<br />
werden. Für Lebensmittel stehen orange<br />
Einkaufskörbe bereit. Bei jeder Packung<br />
Teigwaren, jeder Schokolade oder Gemüsekonserve<br />
wird das Ablaufdatum überprüft,<br />
bevor das Gut in die entsprechenden Kartonschachteln<br />
gepackt wird. «Die Moral<br />
der Schenkenden ist sehr hoch», sagt Jürg<br />
Zbinden vom SRK, der die Sortierarbeit koordiniert.<br />
«Nur sechs Prozent der Ware ist<br />
unbrauchbar. Das sind aber immerhin zwei<br />
Tonnen pro Woche.» Was auffällt: Der grösste<br />
Teil, rund 70 Prozent der Geschenke, wurden<br />
extra für «2 x Weihnachten» gekauft.<br />
Aufgrund dieser Beobachtung hat das<br />
SRK auf www.2xweihnachten.ch ein Projekt<br />
lanciert: Für 20, 50 oder 100 Franken kann<br />
man sich einen virtuellen Einkaufskorb zusammenstellen.<br />
Mit dem Geld – letztes Jahr<br />
waren es 60 000 Franken – geht das SRK<br />
vor Ort auf Einkaufstour. Damit sollen Spender<br />
angesprochen werden, die lieber vom PC<br />
aus wohltätig sind, als dass sie ein Paket<br />
zur Post bringen. Josef Reinhardt: «Solche<br />
Spenden sind für uns natürlich kosteneffizient.<br />
Allerdings tritt bei den virtuellen Geschenken<br />
die ursprüngliche Idee des Weiterschenkens<br />
etwas in den Hintergrund. Darum<br />
bleibt diese Option nur eine Alternative. Denn<br />
die Stärke von «2 x Weihnachten» ist der<br />
Symbolcharakter: Alle können konkret und<br />
unmittelbar helfen.»<br />
Mehr zum Thema<br />
Unser Videoteam hat die Aktion «2 x Weihnachten»<br />
in der Schweiz und in Moldawien begleitet:<br />
www.creditsuisse.com/responsibility<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
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Dieses Inserat wurde durch die Unterstützung der Credit Suisse ermöglicht.
Malawi Credit Suisse 57<br />
Foto: © Bernard van Dierendonck<br />
Wenn die Bank jeweils<br />
am Montag ins Dorf rollt<br />
Die Credit Suisse engagiert sich seit 2003 im Bereich Mikrofinanz. Sie arbeitet<br />
mit verschiedenen, spezialisierten Partnerorganisationen zusammen und unterstützt<br />
diese. <strong>bulletin</strong> hat mit einem Kreditberater von Opportunity International zwei<br />
Mikrofinanz-Kundinnen im Süden von Malawi besucht.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
58 Credit Suisse Malawi<br />
Oben Zusammen mit einer Angestellten bäckt Ellen Patrick an einem Arbeitstag rund 600 Brötchen. Diese<br />
verkauft sie dann auf dem Markt für umgerechnet 5 Rappen pro Stück. Oben rechts Martha Chawanda verkauft<br />
auf dem Markt von Mulanje SecondhandKleider. Der Kleinkredit von Opportunity war eine wichtige Starthilfe.<br />
unten rechts Anthony Musonzo ist Mitarbeiter bei Opportunity International und betreut unter anderem Ellen.<br />
Ellen Patrick empfängt uns früh am Morgen mit dem jüngsten ihrer<br />
vier Kinder vor ihrem Haus in Mathambi, einem kleinen Dorf im Hinterland<br />
des MulanjeDistrikts im Süden Malawis. Der Distrikt ist<br />
nach dem Bergmassiv Mulanje benannt, dessen höchster Punkt<br />
mit 3002 Metern zugleich der höchste Berg Zentralafrikas ist. Der<br />
Anblick des mächtigen, alleinstehenden Inselbergs ist im Süden<br />
Mal awis allgegenwärtig. Ellen führt uns kurz durch das sehr ein fache<br />
Haus mit vom Rauch geschwärzten Wänden. Sie ist spät dran und<br />
drängt zum Aufbruch.<br />
Auf roter Lehmerde gehts über Hintersträsschen vorbei an kleinen<br />
Läden, Schneiderbuden, durch den Gemüsemarkt zur kleinen<br />
Bäckerei von Ellen. Dort hat ihre Angestellte bereits mit dem Zubereiten<br />
des Teigs begonnen. Schnell wäscht sich die Chefin die Hände<br />
und packt sofort mit an. Rund 600 Brötchen backen die beiden<br />
an einem normalen Tag und verkaufen sie danach auf dem Markt für<br />
10 Kwachas, was umgerechnet etwa 5 Rappen sind. Damit nimmt<br />
sie an einem guten Tag rund 30 Franken ein.<br />
Kredit über Vertrauensgruppe<br />
Ellen erzählt gerne ihre Geschichte. Wie sich das Leben der 30jährigen,<br />
alleinerziehenden Mutter von drei leiblichen Kindern und<br />
einem verwaisten Pflegekind dank der Möglichkeit eines ersten<br />
Kredits zum Besseren wandte. Vor zwei Jahren wurde sie in die<br />
Vertrauensgruppe Tisaiwale aufgenommen, was in der Landessprache<br />
Chichewa «nicht vergessen» bedeutet. Bei Menschen ohne jegliche<br />
Sicherheiten treten solche so genannten Vertrauensgruppen<br />
(auf Englisch Trust Groups) als Kreditnehmer gegenüber der Bank<br />
auf, und das Kollektiv bürgt für die einzelnen Mitglieder. Ellen bekam<br />
so einen ersten Kredit über 5000 Kwachas (25 Franken). Damit<br />
kaufte sie sich einen 50KilogrammSack Mehl sowie Öl und Salz,<br />
um im grossen Stil Brötchen zu backen und zu verkaufen. Mit dieser<br />
ersten Investition erzielte sie einen Umsatz von 9500 Kwachas, wovon<br />
sie 3000 Kwachas auf ein neu eröffnetes Sparkonto einzahlte.<br />
Der Grundstein einer kleinen unternehmerischen Erfolgsgeschichte<br />
war gelegt.<br />
Dass Ellen diese Finanzdienstleistungen mehrere Gehstunden<br />
von der nächsten Bankfiliale entfernt in ihrem kleinen Dorf im Hinterland<br />
Malawis nutzen kann, ist der MikrofinanzBank Opportunity<br />
International zu verdanken. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, dort,<br />
wo die Menschen nicht zur Bank gehen können, die Bank mit der<br />
Hilfe von modernster Technologie zu den Menschen zu bringen. Im<br />
Fall von Ellen ist das ein älterer, roter ToyotaGeländewagen, der<br />
jeweils am Montag ins Dorf rollt, um dort die Finanzdienstleistungen<br />
von Opportunity anzubieten. Im Heck ist eine kleine, aber feine<br />
Bankfiliale untergebracht.<br />
Zwei Bankangestellte identifizieren ihre Kunden, die in den wenigsten<br />
Fällen über Ausweispapiere verfügen und häufig auch nicht<br />
lesen und schreiben können, mit Hilfe von Smart Cards und biometrischen<br />
Fingerabdrücken, die sie mit modernen Scannern einlesen.<br />
Diese Möglichkeit kommt auch in den kleinen Filialen auf den Märk<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Malawi Credit Suisse 59<br />
ten der Städte zur Anwendung – sei es in der Bank selber am Schalter<br />
oder bei den Automaten davor.<br />
Sparkonto wichtiger als Kredit<br />
Fotos: © Bernard van Dierendonck<br />
Rückblickend meint Ellen: «Früher war es mir nicht möglich, Kleider<br />
und Essen für mich und meine Kinder zu kaufen. Dank der Starthilfe<br />
von Opportunity konnte ich ein erfolgreiches, kleines Geschäft<br />
aufbauen.» Mittlerweile seien für sie aber weniger die Kredite wichtig<br />
als vielmehr ein sicherer Ort für ihr erspartes Geld. «Bevor wir<br />
den BankTruck im Dorf hatten, gab ich das verdiente Geld meistens<br />
sofort wieder aus. Heute zahle ich es jeweils am Montag auf mein<br />
Sparkonto ein und greife erst dann wieder darauf zurück, wenn ich<br />
es dringend brauche», führt Ellen aus. Sehr zufrieden sei sie auch<br />
mit dem Kreditberater ihrer Gruppe, Antony Musonzo, der sich i mmer<br />
viel <strong>Zeit</strong> nehme und ihnen nicht nur bei Finanzproblemen mit Rat und<br />
Tat zur Seite stehe. Für Antony ist Ellen eine Musterkundin, die ihre<br />
Raten immer sehr gewissenhaft zahlt und mittlerweile ihren fünften<br />
Kredit bezogen hat. Es mache ihm aber auch Freude zu sehen, wie<br />
sich Ellen persönlich verändert habe. «Früher war Ellen eine sehr<br />
schüchterne und unsicher auftretende Person. Heute nimmt sie<br />
selbstsicher an den Meetings der Vertrauensgruppe teil», sagt<br />
Antony. Auch sei ihr Ansehen in der Gemeinschaft klar gewachsen,<br />
was sich daran zeige, dass sie häufig zur Teilnahme in Hochzeitskomitees<br />
oder Planungsgruppen der Kirche eingeladen werde oder<br />
auch andere Frauen des Dorfes berate.<br />
Geldüberweisung per Handy<br />
Einen sehr selbstbewussten Eindruck macht auch Martha Chawanda<br />
rund eine Autostunde entfernt auf dem Markt von Mulanje am Fuss<br />
des mächtigen Gebirgsmassivs. Dort sitzt sie umringt von riesigen<br />
Haufen von SecondhandKleidern am Strassenrand, direkt gegenüber<br />
der neuen Filiale von Opportunity. In ihrem Schoss ein kleines<br />
Kind, eines von zwei Waisenkindern, die sie bei sich aufgenommen<br />
hat. Als ihr Mann vor fünf Jahren starb, stand Martha plötzlich allein<br />
da mit zwei Kindern und ohne jegliches Auskommen. Als Mitglied<br />
der Trust Group Maganizo Abwino (Gute Gedanken) bekam sie einen<br />
ersten Kredit von 20 000 Kwachas (100 Franken). Dieses Geld<br />
legte den Grundstock für ein kleines SecondhandKleidergeschäft.<br />
Nachdem sie den ersten Kredit zurückbezahlt hatte, waren auf dem<br />
Sparkonto noch 30 000 Kwachas übrig. Diese investierte sie zusammen<br />
mit weiteren 30 000 Kwachas aus einem zweiten Kredit in ein<br />
grösseres Geschäft im MulanjeMarkt. Mittlerweile ist sie am Abbezahlen<br />
des fünften Kredits. Und die Geschäfte laufen gut. Sie zahlt<br />
regelmässig in der gegenüberliegenden OpportunityFiliale Geld auf<br />
ihr Konto ein. In dieser Woche waren es über 30 000 Kwachas. «Mit<br />
diesem Geld auf dem Konto kann ich sehr einfach meine laufenden<br />
Rechnungen bezahlen», erklärt Martha, «denn ich mache das häufig<br />
übers Handy mit dem Mobile Banking von Opportunity, was sehr<br />
praktisch ist. Es gibt keine langen Warteschlangen und ich kann<br />
meiner Mutter, die in der Hauptstadt Lilongwe wohnt, Geld überweisen<br />
– selbst in der Nacht, wenn die Bank geschlossen ist.» Der<br />
Geschäftserfolg erlaubt Martha, ihre Kinder auf bessere Schulen zu<br />
schicken, die Mutter zu unterstützen und für ein neues Haus beiseitezulegen.<br />
Entsprechend macht sie an diesem Abend, als die<br />
Sonne langsam hinter dem Mulanje versinkt und sie die Kleider berge<br />
in riesige Säcke packt, auch einen sehr zufriedenen Eindruck.<br />
Zuversichtlich scheint sie dem nächsten Tag auf dem Markt von<br />
Mulanje entgegenzublicken. Daniel Huber<br />
Die fahrende Bank<br />
Jeden Montag kommt<br />
ein älterer, roter Toyota<br />
Geländewagen von<br />
Opportunity International<br />
nach Mathambi (oben).<br />
In seinem Heck befindet<br />
sich eine kleine Bankfiliale.<br />
Die Kunden, die oft<br />
keine Ausweise besitzen<br />
und weder lesen noch<br />
schreiben können, werden<br />
mit Hilfe von Smart<br />
Cards und biometrischen<br />
Fingerabdrücken identifiziert,<br />
die mit modernen<br />
Scannern eingelesen<br />
werden (Mitte). Dieses<br />
System wird auch in den<br />
grösseren Orten in den<br />
Filialen nahe der Märkte<br />
angewandt.<br />
Credit Suisse und Mikrofinanz<br />
Wir fördern Initiativen und entwickeln innovative Lösungen, um<br />
eine Brücke von der Spitze zur Basis der Einkommenspyramide zu<br />
schlagen. Damit soll allen Menschen der Zugang zu grundlegenden<br />
Finanzdienstleistungen ermöglicht werden. Um den Mikrofinanz-<br />
Sektor weiter zu fördern und zu unterstützen, hat die Credit Suisse<br />
2008 die «Microfinance Capacity Building Initiative» ins Leben gerufen.<br />
Die Initiative legt den Fokus auf die Ausbildung von Personen<br />
und die Entwicklung von Prozessen in Mikrofinanz-Institutionen<br />
sowie auf deren Produktangebot. Die Credit Suisse arbeitet im<br />
Rahmen dieser Initiative mit sieben ausgesuchten Partnerorganisationen<br />
zusammen: ACCION, FINCA, Swisscontact, Opportunity<br />
International, PlaNet Finance, Women’s World Banking und Swiss<br />
Capacity Building Facility.<br />
Opportunity International<br />
Mit über 800 000 Sparkunden, 1,5 Millionen Kreditnehmern und<br />
1,4 Millionen Kunden im Bereich Mikroversicherung ist Opportunity<br />
International eine der grössten Mikrofinanz-Organisationen weltweit.<br />
Opportunity ist führend, was den Aufbau, den Besitz und den<br />
Betrieb von regulierten Bankinstituten für die Ärmsten der Welt<br />
betrifft. Zudem werden Finanzprodukte und Schulungen angeboten.<br />
Die Credit Suisse unterstützt das Opportunity-Projekt «elektronische<br />
Brieftasche». Dabei wird durch den Einsatz von mobilen Banken,<br />
Geldautomaten, Smart Cards und kleinen Verkaufsstellen die Bank<br />
zu den Kunden gebracht. Auch können durch den Einsatz von<br />
biometrischen Technologien unternehmer, die nicht über formelle<br />
Ausweispapiere verfügen, erstmals Bankgeschäfte tätigen.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
60 Leader<br />
«Bis 2<strong>05</strong>0 sollte die Nutzung<br />
von Sonnenenergie aus<br />
dem Weltraum möglich sein.»<br />
«In fünf Jahren werden wir in der Lage<br />
sein, die erste Leber zu züchten.»<br />
«Wir erleben keine Explosion,<br />
sondern eine Implosion<br />
des Bevölkerungswachstums.»<br />
Foto: Credit Suisse<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Leader 61<br />
«Noch gibt es keinen Jungbrunnen,<br />
aber er ist in Sicht.»<br />
«Das Wort Tumor wird wahrscheinlich aus<br />
unserem Wortschatz verschwinden,<br />
da wir nicht länger daran leiden werden.»<br />
Michio Kaku, amerikanischer Physiker<br />
Dieses Interview fand im Rahmen der Credit Suisse Thought Leadership Conference 20<strong>11</strong> in Horgen statt.<br />
Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
Wollen wir<br />
ewig leben?<br />
Durchbrüche in der genetischen und molekularen Medizin werden<br />
die Heilkunst im nächsten Jahrzehnt revolutionieren, prophezeit<br />
der Futurist und Physiker Michio Kaku. Wir werden unsere Energieprobleme<br />
lösen und zunehmend auf die Nanotechnologie setzen.
62 Leader<br />
«Man könnte einen Weltraumlift bauen – die ‹Aufwärts›-Taste drücken<br />
und sich an einem Kabel, das durch die Zentrifugalkraft<br />
aufrecht gehalten wird, in den Weltraum katapultieren lassen.»<br />
Herr Kaku, wie befasst man sich als Physiker mit der <strong>Zeit</strong> ?<br />
Michio Kaku: Wir wissen, dass die <strong>Zeit</strong> ein Mass für Veränderung<br />
ist. Deshalb versuchen wir, Gleichungen und Modelle von<br />
Galaxien, Planeten und Atomen aufzustellen. Dann drücken wir<br />
die Vorspultaste, um zu sehen, wie sie sich im Verlaufe der<br />
<strong>Zeit</strong> entwickeln. Im Fall der globalen Erwärmung etwa haben wir<br />
Modelle für das Wetter und Gleichungen, die seinen Verlauf<br />
bestimmen. Wir drücken also die Vorspultaste, um seine Entwicklung<br />
zu verfolgen, aber auch die Rückspultaste, weil man auch<br />
die Vergangenheit richtig beurteilen oder berechnen können<br />
muss. Die Vergangenheit kennen wir. Wenn man mit einer Theorie<br />
die Vergangenheit nicht berechnen kann, dann ist sie offensichtlich<br />
falsch.<br />
Wo sehen Sie als Futurologe, der sich mit künftigen Trends<br />
befasst, die grossen Durchbrüche der nächsten zehn Jahre?<br />
Die Medizin hat sich von dem, was wir als Hexerei bezeichnen, zu<br />
einem Modell von Antibiotika, Impfstoffen und Hygiene gewandelt.<br />
Dieses Verständnis hat unsere Lebensspanne um 30 Jahre erhöht.<br />
Nun treten wir in ein neues <strong>Zeit</strong>alter der molekularen und genetischen<br />
Medizin, wo alles auf Proteine, DNA und RNA reduziert wird.<br />
Vielleicht werden wir sogar das Problem des Alterns lösen. Heute<br />
können wir die Lebensspanne der meisten Organismen nahezu<br />
verdoppeln – von Hefepilzen und Spinnen bis zu Hunden und Affen.<br />
Wie sind wir konkret dazu in der Lage?<br />
Wenn Sie einem Tier 30 Prozent weniger füttern, lebt es 30 Prozent<br />
länger. Dies wurde für jede Lebensform auf der Erde nachgewiesen,<br />
ausgenommen für den Menschen. Doch wer will schon<br />
30 Prozent weniger essen. Stattdessen versuchen wir, neue Gene<br />
zu finden, die den Alterungsprozess steuern. Wir wissen auch,<br />
dass dieser letztlich eine Anhäufung von genetischen und zellulären<br />
Fehlern ist. Gegenwärtig versuchen wir, die zelleigenen Reparaturmechanismen<br />
zu entschlüsseln, um das Altern zu stoppen. Noch gibt<br />
es keinen Jungbrunnen, aber er ist in Sicht.<br />
Heisst das, dass wir ewig leben können?<br />
Alligatoren und Krokodile altern anscheinend nicht und leben ewig.<br />
In freier Wildbahn sterben sie an Hunger, Unfällen und Krankheiten.<br />
Aber in Zoos leben sie so lange, dass wir ihr Alter noch nicht feststellen<br />
konnten. Mein Argument lautet also, dass wir nicht zwangsläufig<br />
altern müssen. Noch ist es nicht möglich, aber wir beginnen<br />
die Gene und molekularen Mechanismen zu entschlüsseln. Die<br />
Zellen haben beispielsweise eine biologische Uhr. Hautzellen teilen<br />
sich 60mal, bevor sie alt werden und schliesslich absterben.<br />
Heute können wir die Uhr mit Hilfe eines Enzyms namens Telomerase<br />
anhalten. Wenn wir Hautzellen in einer Petrischale mit Telomerase<br />
in Kontakt bringen, teilen sie sich Tausende Male und<br />
werden unsterblich. Dabei müssen wir allerdings vorsichtig sein,<br />
denn auch Krebszellen sind unsterblich und deshalb tödlich.<br />
Wenn es uns jedoch gelingt, Hautzellen unsterblich zu machen,<br />
die bisher nicht krebsbefallen sind, dann ist das eine durchaus<br />
ermutigende Entwicklung. Wir beginnen heute den Alterungsprozess<br />
an mehreren Fronten zu entschlüsseln.<br />
Was zu einer massiven Überbevölkerung führen könnte!<br />
Nicht Überbevölkerung ist das Problem, sondern Unterbevölkerung.<br />
Das weltweite Bevölkerungswachstum verlangsamt sich angesichts<br />
des Wohlstands (wohlhabende Menschen wollen weniger Kinder),<br />
der Verstädterung (wenn Bauern in die Stadt ziehen, werden<br />
Kinder teuer, während sie bei der Feldarbeit auf dem Land ein Produktionsfaktor<br />
sind) und des höheren Bildungsniveaus der Frauen<br />
(besser ausgebildete Frauen können selbst über ihre Zukunft<br />
entscheiden). Zumindest in den Industrieländern erleben wir keine<br />
Explosion, sondern eine Implosion des Bevölkerungswachstums.<br />
Und selbst in der Dritten Welt führen die Aus und Weiterbildung<br />
von Frauen sowie die Verstädterung zu einem verlangsamten<br />
Bevölkerungswachstum. Die Zukunft der Menschheit ist also nicht<br />
düster.<br />
Sind weitere Durchbrüche in der Medizin zu erwarten?<br />
Die «Menschenwerkstatt». Wir werden Organe aus unseren eigenen<br />
Zellen züchten, um die Abstossung zu vermeiden. Schon<br />
heute können wir aus eigenen Zellen Haut, Blut, Knochen, Knorpel,<br />
Nasen, Ohren, Blutgefässe, Herzklappen und Blasen züchten.<br />
In fünf Jahren werden wir in der Lage sein, die erste Leber zu<br />
züchten.<br />
Werden wir irgendwann alle Organe ersetzen können?<br />
Es gibt Grenzen, insbesondere in Bezug auf das Gehirn. Aber<br />
vielleicht werden wir in Zukunft einfach embryonische Stammzellen<br />
ins Gehirn injizieren, sodass man danach einzelne Fähigkeiten<br />
wie das Radfahren lediglich neu erlernen muss.<br />
Zeichnen sich auch im Kampf gegen Krebs Durchbrüche ab?<br />
Das Wort Tumor wird wahrscheinlich aus unserer Sprache verschwinden,<br />
da wir nicht länger daran leiden werden. Erstens wird<br />
Ihre Toilette über einen Chip verfügen, der Bruchstücke von<br />
DNA und Proteinen aus Krebszellen schon zehn Jahre vor der Entstehung<br />
eines Tumors erkennt. Dies wird die Erforschung der<br />
Krebsdiagnose revolutionieren. Zur Bekämpfung von Krebs, der bereits<br />
in der Entstehung ist, entwickeln wir inzwischen Nanopartikel –<br />
Moleküle, die Krebszellen angreifen und abtöten, während gewöhnliche<br />
Zellen unversehrt bleiben. Diese neue Technologie hat sich<br />
in jüngsten klinischen Versuchen gegen Tumore zu 90 Prozent als<br />
wirksam erwiesen. Wir werden den Krebs auf molekularer Ebene<br />
angreifen. Das wird die Krebstherapie deutlich verbessern. Die<br />
Gentherapie ist ein weiteres Gebiet, auf dem rasche Fortschritte<br />
erzielt werden. Ich denke etwa an ein Gen namens P53. In defek<br />
<strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong> Credit Suisse
Leader 63<br />
«Wir sind zwar heute noch von fossilen Brennstoffen abhängig,<br />
aber wir treten allmählich ins Wasserstoffzeitalter ein.»<br />
ter oder mutierter Form ist es an 50 Prozent aller gängigen Krebstypen<br />
beteiligt – der Meister unter den Krebsgenen. Im Anschluss<br />
an ein Experiment zur Reparatur von P53 gelang es Ärzten, eine<br />
spezielle Form von Leukämie zu heilen. Auch hat man das Gen isoliert,<br />
das die Körpermasse reguliert – etwa die Muskelmasse.<br />
Dies könnte Auswirkungen für die Sportindustrie haben …<br />
Sicher, im Olympischen Komitee macht man sich Sorgen, dass<br />
Sportler bald künstlich und auf betrügerische Weise an Muskelmasse<br />
zulegen könnten. Davon wären unter anderem Fussball, Baseball<br />
und andere Profisportarten betroffen. Würden Sie Eintrittsgeld für<br />
zwei gentechnisch optimierte Mannschaften bezahlen, nur um zu<br />
sehen, welche den besseren Genetiker in den Reihen hat? Heute<br />
werden Trainer bezahlt, um Sportlern die beste Ernährung und die<br />
besten Trainingsmethoden zu ermöglichen. Warum also nicht einen<br />
Genetiker anstellen, damit die Sportler die besten Gene erhalten?<br />
Das wird schon bald zu einer ethischen Frage!<br />
Wozu werden diese Genetiker sonst noch in der Lage sein?<br />
Ich vermute, dass wir bis Mitte des nächsten Jahrhunderts ausgestorbene<br />
Tiere wie das Mammut wieder zum Leben erwecken<br />
können – vielleicht sogar den Neandertaler. Das Neandertalergenom<br />
wurde bereits sequenziert.<br />
Wie steht es diesbezüglich mit unseren eigenen Genen?<br />
Heute kostet es 50 000 USD, um jedes einzelne Gen in einem<br />
Körper zu sequenzieren. Als die Gene des ersten Menschen gelesen<br />
wurden, lag der Preis noch bei 3 Milliarden Dollar. Dieser Betrag<br />
wird bis gegen 100 Dollar sinken. Ich selbst liess meine Gene<br />
scannen und meine Vorfahren bis 20 000 Jahre zurückverfolgen.<br />
Kann die Wissenschaft voraussagen, woran man sterben wird?<br />
Nein. Aus den Ergebnissen der Gensequenzierung lässt sich zwar<br />
unsere genetische Veranlagung ablesen, nicht jedoch eine genaue<br />
Todesursache.<br />
Wie sehen die zukünftigen Trends im Energiebereich aus?<br />
Noch sind wir zwar von fossilen Brennstoffen abhängig, aber<br />
wir treten allmählich ins Wasserstoffzeitalter ein. Das will ich gern<br />
erklären: Die gesamte Energie kommt von der Sonne, und die<br />
Sonne wiederum bezieht ihre Energie aus Wasserstoff. Erdöl und<br />
Gas entstehen durch konzentrierte Sonneneinstrahlung – ein<br />
Prozess, der seit Urzeiten stattfindet. Aber ich glaube, dass es im<br />
nächsten Jahrzehnt eine Kombination aus fossilen Brennstoffen<br />
und erneuerbaren Energien geben wird. Im Mittel steigen die<br />
Benzinpreise an, während die Preise für erneuerbare Energien<br />
tendenziell sinken. In etwa zehn Jahren dürften sich die beiden<br />
Kurven kreuzen.<br />
Warum ist erneuerbare Energie immer noch so teuer?<br />
Die Effizienz ist gering und die Speicherung ein Problem. Wenn die<br />
Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, entsteht keine<br />
Energie. Deshalb muss Elektrizität gespeichert werden, was bis<br />
heute noch sehr ineffizient ist. Wir werden also weiterhin Erdöl verbrauchen.<br />
Dieses wird nicht ausgehen, aber allein um mit dem<br />
wachsenden Bedarf Chinas und Indiens Schritt zu halten, müssten<br />
wir alle zehn Jahre Vorkommen wie jene in SaudiArabien entdecken.<br />
Dies wird nicht geschehen, sodass der Ölpreis unweigerlich<br />
steigen wird. Aber in zehn Jahren sind Wind und Sonnenenergie<br />
dank Steuervergünstigungen und Massenproduktion konkurrenzfähig.<br />
und in der ferneren Zukunft ?<br />
Wenn wir 20 Jahre vorausblicken, erschliesst sich eine neue<br />
Möglichkeit: die Fusion. Die Franzosen setzen voll auf den ITE<br />
Fusionsreaktor in Südfrankreich, der 2019 in Betrieb genommen<br />
werden soll. In acht Jahren sollte dieser Reaktor somit in Betrieb<br />
sein und mehr Energie erzeugen, als hineingesteckt wird. Bis<br />
zur kommerziellen Nutzung dürften allerdings weitere zehn Jahre<br />
vergehen. Wir reden also frühestens von 2030.<br />
Können wir davon ausgehen, dass die Energieprobleme<br />
der Welt im Jahr 2030 gelöst sein werden?<br />
In Energiefragen bin ich zuversichtlich, weil die Kosten für erneuerbare<br />
Energieträger sinken und das Fusionszeitalter anbricht.<br />
Nehmen wir die globale Erwärmung. Einige Leute halten sie für ein<br />
langfristiges Problem, weil wir auf Jahrzehnte hinaus an fossile<br />
Brennstoffe gebunden sind. Ich bin anderer Meinung. Die globale<br />
Erwärmung ist zwar ein echtes Problem, aber ein vorübergehendes,<br />
das hinsichtlich neuer Kohlendioxidemissionen nicht über 2<strong>05</strong>0<br />
oder 2100 hinausreichen wird. Altes Kohlendioxid bleibt selbstverständlich<br />
in der Atmosphäre. Deshalb dürften gewisse Städte wie<br />
New Orleans und Venedig bis dann untergegangen sein.<br />
Wie funktioniert die Fusion genau?<br />
Bei der Fusion wird im Wesentlichen Meerwasser als Brennstoff<br />
genutzt. Meerwasser ist unbeschränkt vorhanden. Ausserdem<br />
fallen bei der Fusion nur geringe Abfallmengen an. Das einzige Problem<br />
ist, dass sie noch nicht existiert und somit rein hypothetisch<br />
ist. Aber die Franzosen investieren wie gesagt ernsthaft in diese ><br />
Professor Dr. Michio Kaku, geboren 1947 in Kalifornien, studierte<br />
Physik an der Harvard university und promovierte später an der university<br />
of California. Kaku ist theoretischer Physiker, Bestsellerautor<br />
und Popu larisator der Wissenschaft. Er ist Mitbegründer der Stringfeldtheorie<br />
(ein Zweig der Stringtheorie) und setzt Albert Einsteins Suche<br />
nach einer allumfassenden physikalischen Theorie fort, welche die<br />
vier fundamentalen Kräfte der Natur vereint – starke Wechselwirkung,<br />
schwache Wechselwirkung, Gravitation und Elektromagnetismus.<br />
Kaku lehrt seit über 25 Jahren am City College of New York, wo er zurzeit<br />
den Henry-Semat-Lehrstuhl für Theoretische Physik innehat. Ausserdem<br />
ist er Gastprofessor am Institute for Advanced Study in Princeton<br />
und Fellow der American Physical Society.<br />
Credit Suisse <strong>bulletin</strong> 5/<strong>11</strong>
64 Leader<br />
Technologie. Ebenso die USA, Russland, Japan und Südkorea. In<br />
der kalifornischen Testanlage National Ignition Facility wird die<br />
Energie für die Fusionsreaktion statt über Magnetfelder über Laserstrahlen<br />
bereitgestellt. Bis 2<strong>05</strong>0 sollte die Nutzung der Sonnenenergie<br />
aus dem Weltraum möglich sein. Dabei wird Sonnenenergie<br />
in Mikrowellen umgewandelt, die dann zur Erde zurückgestrahlt<br />
werden. Der Vorteil besteht darin, dass Sonnenlicht im Weltraum<br />
zehnmal intensiver ist als auf der Erdoberfläche, da unser Planet<br />
rund 90 Prozent der Sonneneinstrahlung herausfiltert. Mit anderen<br />
Worten: Sonnenlicht weist im Weltraum zehnmal mehr Energie<br />
auf als auf der Erdoberfläche. Das ist die gute Nachricht. Die<br />
schlechte Nachricht ist, dass es 10 000 USDollar kostet, um<br />
einen 500 Gramm schweren Gegenstand in die Erdumlaufbahn<br />
zu bringen. Es ist wirklich teuer.<br />
Wozu brauchen wir Sonnenenergie aus dem Weltraum,<br />
wenn wir unbeschränkt Zugang zur Fusionsenergie haben?<br />
Ich glaube, wir werden eine Kombination dieser beiden Technologien<br />
nutzen. Die Chancen stehen gut, dass die Fusion in etwa<br />
20 Jahren eingeführt und danach unser wichtigster Energieträger<br />
sein wird. Und vergessen wir nicht: Auch Mutter Natur macht<br />
sich die Fusion zunutze. Fission (in Atomkraftwerken eingesetzt)<br />
ist künstlich und unnatürlich.<br />
Wo erwarten Sie für die Zukunft sonst noch<br />
bedeutende Fortschritte?<br />
In der Informationstechnologie werden wir deutliche Verbesserungen<br />
erleben. In zehn Jahren werden Computerchips noch rund<br />
einen Rappen kosten, sodass Informationen in diesem Sinne praktisch<br />
gratis sein werden. Letztlich werden wir zum NachSilizium<br />
<strong>Zeit</strong>alter übergehen. Bei einem Niedergang der Transistortechnologie<br />
könnte Silicon Valley zum nächsten «Rust Belt» (Rostgürtel)<br />
werden. Das Wachstum der Computerleistung verlangsamt sich<br />
bereits und dürfte sich in zehn Jahren abflachen. Warum sollte man<br />
sich einen neuen Computer kaufen, wenn man weiss, dass er nur<br />
die gleiche Leistung bietet wie das letztjährige Modell? Für diese<br />
Entwicklung gibt es zwei Gründe. Erstens die Wärme. Transistoren<br />
werden so heiss werden, dass man auf ihnen Spiegeleier braten<br />
kann. Und zweitens gibt es noch den Aspekt der Quantenmechanik,<br />
die besagt, dass sich der Aufenthaltsort eines Elektrons nicht<br />
genau bestimmen lässt.<br />
Was werden wir stattdessen nutzen?<br />
Wahrscheinlich werden wir zu Molekular, Quanten und Atomcomputern<br />
übergehen – im Wesentlichen zu Atomen. Und die Arbeit mit<br />
Atomen ist schwierig. Der nächste Schritt könnten Molekular,<br />
Atom und Quantentransistoren sein. Man bezeichnet dies als<br />
Nanotechnologie. Wenn wir schon bei der Nanotechnologie sind:<br />
Graphen ist das stärkste bisher bekannte Material – noch stärker<br />
als Diamant – und besteht aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen.<br />
Die gute Nachricht ist, dass Graphen elektrischen<br />
Strom leitet, sodass es künftig in LaptopComputern eingesetzt<br />
werden könnte. Die schlechte Nachricht lautet, dass es nur sehr<br />
schwer hergestellt werden kann.<br />
Was liesse sich mit Graphen sonst noch herstellen?<br />
Man könnte wahre Wunder vollbringen, zum Beispiel einen Weltraumlift<br />
bauen, sofern man Tausende Kilometer Graphen zur<br />
Verfügung hätte. Einen Lift, in dem Sie die «Aufwärts»Taste<br />
drücken und sich an einem Kabel, das von der Zentrifugalkraft<br />
aufrecht gehalten wird, in den Weltraum katapultieren lassen<br />
könnten. Dadurch liessen sich die Kosten für Weltraumreisen um<br />
ein Mehrtausendfaches reduzieren. Das könnte die Zukunft der<br />
Weltraumprogramme am Ende dieses Jahrhunderts sein. Wenn wir<br />
über einen Weltraumlift verfügten, wäre der Zugang zum Weltraum<br />
praktisch umsonst. Die NASA sponsert zurzeit Wettbewerbe, um<br />
den Grundstein für einen solchen Weltraumlift zu legen, ein Gerät,<br />
das an einem Kabel in den Weltraum reisen könnte.<br />
Sie erwähnten, dass sich Graphen schwer<br />
herstellen lässt. Weshalb besteht es nur aus einer<br />
einzigen Kohlenstoffschicht?<br />
Graphen ist ein natürlicher Bestandteil von Grafit. Wissenschaftler<br />
haben deshalb ein Stück Grafit mit Klebeband beklebt und es<br />
mit einer daran haftenden Kohlenstoffschicht wieder abgezogen.<br />
Dieser Vorgang wurde wiederholt, bis nur noch eine dünne Atomschicht<br />
übrig blieb. Untersuchungen mit dem Elektronenmikroskop<br />
bestätigten, dass die Schicht nur ein Atom hoch war. Das Material<br />
ist extrem stark, weil es reine, kovalente Bindungen aufweist.<br />
Diese Technologie liesse sich wie gesagt in LaptopComputern<br />
oder auch Weltraumliften nutzen. Im Prinzip könnte eine ganze<br />
Brücke aus Fasern gebaut werden, die dünner sind als eine Bleistiftmine,<br />
sofern es sich um Kohlenstofffasern handelt. Graphen<br />
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