bull_10_04_Konsum
Credit Suisse bulletin, 2010/04
Credit Suisse bulletin, 2010/04
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Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 4 Okt./Nov. 20<strong>10</strong><br />
<strong>bull</strong>etin<br />
iPad App<br />
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<strong>Konsum</strong><br />
Ausgerechnet im <strong>Konsum</strong>mekka New York<br />
probt Colin Beavan den Ausstieg. Zwölf<br />
Monate lang versucht er als «No Impact Man»<br />
zu überleben, ohne die Umwelt zu belasten.<br />
Madagaskar Kundenstiftung unterstützt Urwaldprojekt<br />
Chance verpasst ? Was hat die Krise verändert ?<br />
Shirin Ebadi Friedensnobelpreisträgerin im Gespräch
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Editorial 3<br />
kooaba<br />
kooaba erkennt Fotos von CDs, Büchern<br />
und Zeitungen und liefert Infos aus dem Web.<br />
QR Code<br />
QR Code fürs mobile <strong>bull</strong>etin<br />
Völlig unbedarft machen meine künftige Frau und ich bei einer Reise entlang<br />
der amerikanischen Ostküste am 30. Dezember 1991 in einer kleinen Ortschaft<br />
namens Freeport im US-Bundesstaat Maine Halt. Das kitschig romantische<br />
Bed and Breakfast teilen wir mit lediglich einem anderen Gästepaar. Tags darauf<br />
schlendern wir nach einem Abstecher zur schroff schönen Felsküste Richtung<br />
Städtchen. Bereits beim ersten schmucken Holzhäuschen bleibt meine Partnerin<br />
angesichts des Schildes einer italienischen Designermarke und des kleinen<br />
Zusatz «Factory Outlet» interessiert stehen. Natürlich gehen wir nur kurz hinein,<br />
um uns etwas umzuschauen …<br />
Es war der Auftakt zu einem Nachmittag im <strong>Konsum</strong>rausch. Schliesslich reihten<br />
sich in Freeport schon damals Dutzende – heute sind es über <strong>10</strong>0 – Factory<br />
Outlets aneinander. Und die Preise waren für uns inklusive des Abschlags zum<br />
Jahresende schwindelerregend günstig. Drei Stunden und neun Outlets später trieb<br />
uns die Lautsprecheransage mit der Ankündigung des früheren Ladenschlusses<br />
zum 31. Dezember zu letzten Panikkäufen an. Noch eine letzte Jeans auf dem<br />
Weg zur Kasse, ein letztes T-Shirt für drei Dollar direkt davor, dann war der Spuk<br />
vorbei. Ernüchtert und etwas beschämt machten wir uns auf den Heimweg,<br />
entlang der verschlossenen Outlet-Häuschen, mit mindestens vier Tragtaschen auf<br />
jeder Seite, deren dünne Henkel sich unerbittlich in die kalten Hände schnitten.<br />
Unsere Reportage aus Schanghai über das <strong>Konsum</strong>verhalten der Chinesen<br />
(ab Seite 6) erinnert mich an diesen Nachmittag in Freeport. In den so genannten<br />
Super Brand Malls von Schanghai wird die volle Breitseite an Luxus- und <strong>Konsum</strong>gütern<br />
zum Kauf feilgeboten, und Chinas geweckter Hunger nach Luxus ist<br />
nur allzu verständlich. Doch haben auch die Mahner aus dem Westen, die vorher<br />
jahrzehntelang selber aus dem Vollen schöpften, ihren Punkt, wenn sie nun<br />
vor dem globalen Ausverkauf der Ressourcen und den enormen Belastungen<br />
für die Umwelt warnen.<br />
Gold Winner<br />
Gold Winner<br />
<strong>Konsum</strong> ist der globale Treiber der Wirtschaft und damit eine der wichtigsten<br />
Säulen unseres Wohlstands. Doch muss eine gesunde Balance zwischen dem<br />
Verbrauch von natürlichen Ressourcen und dem ungestümen <strong>Konsum</strong> von<br />
Gütern gefunden werden. Nur so kann ein nachhaltiger Wohlstand für immer<br />
mehr Menschen geschaffen werden.<br />
Zum Schluss noch eine spannende Meldung in eigener Sache: Der Lesekonsum<br />
unserer Anfang August lancierten englischen <strong>bull</strong>etin App für iPads hat all<br />
unsere Erwartungen übertroffen. In den ersten vier Wochen wurde das <strong>bull</strong>etin<br />
so weltweit über 20 000 Mal papierlos heruntergeladen! Wir bleiben dran.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin<br />
Foto: Cédric Widmer<br />
Preisträger
Inhalt 5<br />
Coverfoto: Stefan Falke | Foto: Robert Bösch<br />
24<br />
<strong>Konsum</strong> Was treibt Downhill-Mountainbiker die Hänge<br />
runter, Basejumper von Felsvorsprüngen in die Tiefe und<br />
Free-Solo-Kletterer ohne jegliche Sicherung die Wände<br />
hoch? Der <strong>Konsum</strong> der legalen Droge Adrenalin. Dazu die<br />
atem beraubenden Bilder von Actionfotograf Robert Bösch.<br />
6 _ China In den neuen <strong>Konsum</strong>tempeln Schanghais wird<br />
ein schier unermesslicher Hunger nach Luxus gestillt.<br />
<strong>10</strong> _Experiment «No Impact Man» Colin Beavan wollte<br />
mitten in New York ein Jahr lang leben, ohne die Umwelt<br />
zu belasten.<br />
14 _Marketing Professor Marcus Schögel über den immer<br />
besser informierten Kunden, Social Medias und das iPad.<br />
16 _Tauschen Wo Zeit und das Sammeln von Müll die<br />
bessere Währung sind als harte Dollar, Yen und Franken.<br />
20 _Energie Erdöl schmiert seit über <strong>10</strong>0 Jahren das<br />
Getriebe der Wirtschaft – und was kommt danach?<br />
24 _Adrenalin Atemberaubende Bilder von Extremsportlern,<br />
die ständig auf dem Sprung zum nächsten Kick sind.<br />
Credit Suisse<br />
31 _ News Global Ernennungen in die<br />
Geschäftsleitung der Credit Suisse<br />
32 _ Schutz des Urwalds Kundenstiftung unterstützt<br />
ein Projekt des WWF in Madagaskar<br />
36 _ Salzburger Festspiele Bilder erinnern<br />
an «Dionysos» und das Young Singers Project<br />
38 _ Sydney Symphony Das australische<br />
Nationalorchester ist neuer Partner der Bank<br />
39 _ Canaletto Beim nächsten Englandbesuch<br />
lohnt sich der Gang in die National Gallery<br />
40 _ News Schweiz Informatik bewegt die<br />
Schweiz – im Verkehrshaus Luzern<br />
42 _ Klassiksommer Die Schweiz spielt in der<br />
höchsten internationalen Musik-Liga mit<br />
44 _ Pablo Picasso Der Höhepunkt des<br />
Jubiläumsjahrs des Kunsthauses Zürich<br />
46 _ Gipfeltreffen der Moderne Das Kunstmuseum<br />
Winterthur ist endlich wieder offen<br />
50 _ Klimahörpfad In reiner Zermatter Bergluft<br />
Informationen über das Klima erwandern<br />
54 _ Jugendarbeitslosigkeit Die Stiftung<br />
Speranza als erfolgreiche Hoffnungsträgerin<br />
Wirtschaft<br />
56 _ Gesundheit Statistisch ist keine Unterversorgung<br />
auf dem Land feststellbar<br />
62 _ Exportbarometer Credit Suisse und Osec<br />
erforschen die ausländische <strong>Konsum</strong>lust<br />
64 _ Chance verpasst ? Die Finanzkrise bot die<br />
Gelegenheit zu tiefgreifenden Veränderungen<br />
67 _ Emerging Banking Bis 2030 wird mit<br />
1,2 Milliarden neuen Bankkunden gerechnet<br />
68 _ Inflation Wie gross ist das Risiko?<br />
PLUS: Ein Poster erklärt die Zusammenhänge<br />
70 _ Mythos oder Realität ? Diversifi kation<br />
im Privatkunden-Portfolio<br />
72 _ Experteneinschätzung Den Kompromiss<br />
suchen zwischen konsumieren und sparen<br />
Invest<br />
73 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />
Leader<br />
78 _ Shirin Ebadi Die Friedensnobelpreisträgerin<br />
kämpft für Demokratie und Menschenrechte<br />
Service<br />
49 _ Impressum<br />
77 _ Wissenswert /Nachlese<br />
Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit <strong>10</strong> Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />
sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />
hergestellt von der ISO-14001-zertifi zierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />
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[gòuwù], Übersetzung: Shopping<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
China <strong>Konsum</strong> 7<br />
Hunger nach Luxus<br />
Die Volksrepublik hat sich in Schanghai längst zu einem opulenten <strong>Konsum</strong>entenparadies<br />
gewandelt. Für die Luxusmarken der Welt ist China zur Goldgrube geworden.<br />
Die Chinesen, imagebewusster und individualistischer als je zuvor, haben eine<br />
Schwäche für Markenprodukte.<br />
Text: Martin Regnet<br />
Foto: Jeff Wang, Red Gate International, Schanghai<br />
Sonntag, Schanghai. Modernste Architektur und die Marken der Welt<br />
scheinen in der Super Brand Mall zusammengefunden zu haben.<br />
Sonntagnachmittags liest man andernorts auf der Welt in Ruhe<br />
Bücher oder geht spazieren. In Schanghais glamourösen Malls wird<br />
geshoppt. Kurz nach 13 Uhr hat die erste Welle das Mittagessen<br />
beendet und trifft im Einkaufstempel ein, bis 21 Uhr haben die Läden<br />
geöffnet. Einkaufen ist in China ganz und gar ein Familienerlebnis.<br />
Für eine wachsende Zahl von Fashionistas ist es geradezu ein<br />
Hobby, mit dem man seine Wochenenden verbringt. Allein ist man<br />
selten beim gòuwù, dem chinesischen Shopping. Man teilt sein materielles<br />
Glück mit Verwandten und Freunden.<br />
Gerne ein teures Nokia, gespart wird lieber beim Gemüse<br />
Obwohl China über ein Pro-Kopf-Einkommen von nur rund 6600 US-<br />
Dollar pro Jahr verfügt, werden Qualitätsprodukte gekauft, sobald<br />
auch nur ein moderates Einkommen vorhanden ist. Freude am Luxus<br />
durchzieht alle Gesellschaftsschichten der Stadt. Ein Taxifahrer, der<br />
mit 4000 Yuan (rund 700 US-Dollar) nicht gerade viel verdient und<br />
sich dennoch das neueste Mobiltelefon von Nokia im oberen Preissegment<br />
leistet, ist keine Ausnahme. Man konsumiert anders und<br />
spart anders – zum Beispiel beim täglichen Schachern mit dem Gemüsehändler.<br />
Wie keine zweite Stadt in China hat sich Schanghai dem Kaufen<br />
verschrieben. Hier findet bereits jetzt statt, was im Jahr 2020 wohl<br />
nahezu überall im Land Realität sein wird: <strong>Konsum</strong>boom. Während<br />
Peking für eher konservatives politisches Lobbying steht und Guangzhou<br />
sich einen Namen für Industrieproduktion gemacht hat,<br />
etablierte sich Schanghai als konsumfreudige Speerspitze des chinesischen<br />
Wirtschaftswunders. Von hier aus haben fast alle Global<br />
Players des Einzelhandels ihre Expansion in China vorangetrieben.<br />
Die in der Stadt am Huangpu allgegenwärtigen internationalen Marken<br />
ergänzen sich hervorragend mit den höchsten Gebäuden Chinas,<br />
der chinesischen Börse und dem zweitgrössten Hafen der Welt, zwei<br />
Flughäfen, einem Formel-1-Kurs und der Expo 20<strong>10</strong>.<br />
Wer Erfolg hat, will das auch zeigen<br />
Es ist chic, reich zu sein und seinen Erfolg zu zeigen. Dies kann auch<br />
Jim Siano bestätigen, CEO Asia-Pacific der Luxusmarke Montblanc:<br />
«Unsere Kunden sind oftmals Unternehmer oder Führungskräfte und<br />
unterscheiden sich durch überdurchschnittlich viel Bildung und Kultiviertheit.<br />
Die chinesischen Verbraucher insgesamt haben sich stark<br />
entwickelt.» Hohe Preise, die im Kontrast zu Chinas Ruf als Billigland<br />
stehen, halten die Kunden nicht vom Kauf ab. Im Gegenteil: «In<br />
den letzten 20 Jahren haben chinesische Verbraucher einen grossen<br />
Teil ihres monatlichen Einkommens für Luxusprodukte ausgegeben.<br />
Die Wertschätzung für qualitativ hochstehende Luxusgüter ist in<br />
China ausgesprochen gross», so Siano, der sich als gebürtiger New<br />
Yorker seit zwei Jahrzehnten intensiv mit chinesischen <strong>Konsum</strong>enten<br />
beschäftigt. Siano ist beeindruckt von der Intensität, mit der sich<br />
chinesische Verbraucher vor dem Kauf mit einem Markenprodukt<br />
beschäftigen: «Chinesen sind die Herkunft eines Produkts, die<br />
Marke und ihre Geschichte sehr wichtig. Sie recherchieren, um<br />
Hinter gründe zu erfahren: wofür ein Name steht, wo die Stärken der<br />
Produkte sind – erst dann treffen sie eine Kaufentscheidung.»<br />
Die Reichen werden sehr viel reicher<br />
Immer mehr Chinesen können sich Luxusartikel wie die Uhren,<br />
Schreibgeräte und Lederwaren, die Montblanc in seinen 95 chinesischen<br />
Läden vertreibt, auch problemlos leisten: Die oberen zehn<br />
Prozent der Haushalte haben in den letzten Jahren geradezu einen<br />
Quantensprung erlebt. Sie verdienen inzwischen 255 Prozent mehr<br />
als 2005 und generieren mittlerweile mehr als 35 Prozent des ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
8 <strong>Konsum</strong> China<br />
Shoppen bis zum Umfallen: Einkaufen ist in China zur beliebten Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie geworden. Glamouröse<br />
und überdimensionale Einkaufstempel locken überall. Vor allem Schanghai entwickelt sich zum Epizentrum des <strong>Konsum</strong>booms.<br />
Immer mehr Chinesen können sich immer mehr leisten, und sie legen Wert auf hochstehende Markenprodukte. Wenn sie von einem<br />
Produkt überzeugt sind, zahlen sie dafür auch gerne einen stolzen Preis.<br />
Gesamteinkommens aller chinesischen Haushalte. Zwar geht es<br />
allen Chinesen besser als noch vor wenigen Jahren. Für globale Luxusmarken<br />
ist dies eine Zielgruppe, die den weltweiten Markt hochwertiger<br />
<strong>Konsum</strong>güter immer entscheidender mitprägt. Das sieht<br />
auch Jim Siano so: «Unser weltgrösster Shop befindet sich seit 2008<br />
im CITIC Plaza in Schanghai. Allerdings planen wir, diese Fläche<br />
nochmals zu verdreifachen.» Wichtig für Markenkonsumenten sei<br />
auch die Wahl des Standorts: «Es wird im Luxusmarkt in China viel<br />
Bewegung geben, in Richtung zu viel grösseren Läden an den führenden<br />
Standorten. Ich erwarte viel mehr Wettbewerb im Einzelhandel<br />
sowohl bei Marken als auch bei den Betreibern von Shopping Malls.»<br />
Für chinesische Verhältnisse «moderate Zuwächse» verzeichnen<br />
auch die unteren Einkommensgruppen: Die unteren 20 Prozent verfügen<br />
seit 2005 immerhin über 50 Prozent mehr. Die Mittelklasse<br />
hat ihr Einkommen in derselben Zeit mit 98 Prozent fast verdoppelt.<br />
Kleine Kaiser werden den <strong>Konsum</strong> prägen<br />
Dieser Trend dürfte anhalten: Die chinesische Sparquote sinkt rapide.<br />
Sparten die Verbraucher 20<strong>04</strong> noch 26 Prozent ihres Einkommens,<br />
so hat sich dieser Anteil 2009 auf gerade einmal 12 Prozent<br />
verringert, wie der Consumer Survey der Credit Suisse feststellt.<br />
<strong>Konsum</strong> hat eine grosse Zukunft in China: Wegen der 1980 eingeführten<br />
Geburtenplanung gibt es bei den unter Dreissigjährigen fast<br />
nur noch Einzelkinder. Die in den 1980er- und 1990er-Jahren geborenen<br />
Chinesen erfreuen sich nicht nur der Aufmerksamkeit der<br />
ganzen Familie, sondern geraten auch als zahlungskräftige, konsumfreudige<br />
Kunden immer mehr in den Fokus der Markenhersteller.<br />
Diese Generation der «Kleinen Kaiser », wie sie im Chinesischen genannt<br />
werden, verfügte über das stärkste Einkommenswachstum<br />
der letzten drei Jahre und wird diese Position auch in den kommenden<br />
drei Jahren behalten können.<br />
Mobilität und Urbanisation treiben Wachstum an<br />
Chinas Immobilienmarkt ist im Moment einer der «heissesten» weltweit,<br />
besonders in einkommensstarken Städten wie Schanghai und<br />
Peking. Die Anschaffung und Ausstattung von Wohnraum ist einer<br />
der Haupttreiber des chinesischen Booms. Im Reich der Mitte schreitet<br />
die Urbanisierung rasch voran: Die Credit Suisse erwartet ein<br />
jähr liches Wachstum der Urbanisierung von 0,8 Prozent. Während<br />
2009 bereits 46 Prozent der Chinesen in Städten lebten, werden<br />
es bis 2030 rund 60 Prozent sein. Besonders die mittelgrossen<br />
Städte in Zentral- und Westchina werden ein grosses Wachstum er-<br />
Fotos: Jeff Wang, Red Gate International, Schanghai<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
China <strong>Konsum</strong> 9<br />
leben. Auf China werden etwa 190 Millionen neue Stadtbewohner<br />
zukommen, für die Wohnraum und Infrastruktur bereitstehen muss.<br />
Die Analysten der Credit Suisse sind überzeugt, dass eben diese<br />
«urbanen Neubürger » für einen <strong>Konsum</strong>boom sorgen werden. Dies<br />
geht einher mit dem Ziel der chinesischen Regierung, die Inlandnachfrage<br />
zu steigern, um die Exportabhängigkeit zu verringern.<br />
Der chinesische <strong>Konsum</strong> wird weiter massiv ansteigen. Dong Tao,<br />
Ökonom bei der Credit Suisse, erwartet, dass dieser von 1,7 Billionen<br />
US-Dollar im vergangenen Jahr auf 15,9 Billionen US-Dollar<br />
im Jahr 2020 steigen wird. Der Anteil Chinas am weltweiten Verbrauch<br />
erhöht sich damit von 5,2 Prozent 2009 auf 23,1 Prozent im<br />
Jahr 2020. Damit wird China die USA als grössten Verbrauchermarkt<br />
der Welt ablösen.<br />
Audi verkauft in China mehr neue Autos als in Deutschland<br />
In einigen Bereichen ist diese Zukunft schon heute sichtbar. So ist<br />
Chinas Automobilmarkt bereits heute der grösste der Welt, in Stückzahlen<br />
gerechnet. Seit 20<strong>04</strong> hat sich der Anteil der Haushalte, die<br />
ein Automobil besitzen, von 12 auf 28 Prozent mehr als verdoppelt.<br />
Dieser Anteil dürfte weiter steigen. Im Consumer Survey 2009 der<br />
Credit Suisse antworteten immerhin etwa 35 Prozent der Haushalte,<br />
dass sie «definitiv» oder «wahrscheinlich» innerhalb der nächsten drei<br />
Jahre ein neues Auto kaufen werden. Für ausländische Automobilhersteller<br />
ist China mittlerweile der Wachstumsmarkt schlechthin<br />
geworden, allen voran für die deutschen Marken. In den ersten fünf<br />
Monaten dieses Jahres verkaufte Volkswagen Group China rund<br />
778 000 Fahrzeuge und übertraf das Rekordjahr 2009 um weitere<br />
48 Prozent. Mittlerweile läuft in Foshan die Vorbereitung für das<br />
zehnte VW-Werk im Reich der Mitte. Audi verkaufte im ersten Halbjahr<br />
20<strong>10</strong> mit rund <strong>10</strong>9 800 Autos in China sogar 2000 Fahrzeuge<br />
mehr als auf dem Heimmarkt. Bei BMW lagen die Wachstumsraten<br />
beim Absatz der ersten sechs Monate des Jahres gar bei <strong>10</strong>0 Prozent.<br />
Auf Sonderwünsche, wie zum Beispiel einen von Chinesen bevorzugten<br />
deutlich verlängerten Radstand, gehen deutsche Hersteller<br />
gerne ein. Auch Edelmarken wie Porsche stellen sich verstärkt auf<br />
eine chinesische Kundschaft ein: 2009 wurde die Premiere für den<br />
Panamera auf der Auto China in Schanghai gefeiert.<br />
Einheimische Marken holen auf<br />
«In den letzten 20 Jahren haben<br />
chinesische Verbraucher einen<br />
grossen Teil ihres monatlichen<br />
Einkommens für Luxusprodukte<br />
ausgegeben.»<br />
Jim Siano, CEO Asia-Pacific Montblanc<br />
Ähnliche Trends sind bei Flachbildfernsehern und Notebook-PCs<br />
zu beobachten. Das <strong>Konsum</strong>enteninteresse an beiden Produkten ist<br />
in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Dabei greift der chinesische<br />
Verbraucher mittlerweile auch auf das hochpreisige Segment<br />
zwischen 37 und 45 Zoll zurück und zeigt auch hier eine starke<br />
Tendenz zu mehr Komfort.<br />
Obwohl auch viele chinesische Marken besonders in den letzten<br />
zwei Jahren im Vertrauen zulegen und Marktanteile gewinnen konnten,<br />
bleiben internationale Marken ausserordentlich beliebt: Der grosse<br />
Vorsprung konnte insbesondere bei technologisch anspruchs vollen<br />
Produkten und bei Luxusgütern aufrechterhalten werden. Bei schnelllebigen<br />
<strong>Konsum</strong>gütern wie Lebensmitteln und Getränken sowie Pflegeprodukten<br />
liegen ausländische und einheimische Hersteller gleichauf.<br />
Chinesische Unternehmen nehmen allerdings eine viel stärkere Position<br />
in Sektoren wie Internet und Reisen ein, was auch auf Marktbarrieren<br />
zurückzuführen ist.<br />
Der Aufschwung hat auch Kehrseiten: Chinesische <strong>Konsum</strong>enten<br />
stellen sich heute weniger Fragen zur Nachhaltigkeit und zur sozialen<br />
Verantwortung als <strong>Konsum</strong>enten im Westen. In Sachen Energieeffizienz<br />
bei der Produktion liegt China noch weit hinter internationalen<br />
Standards. Wasser- und Luftverschmutzung erreichen in China<br />
oft bedenkliche Werte. Die ländliche Bevölkerung sowie West-, Nordost-<br />
und Zentralchina partizipieren nur begrenzt am Wachstum. Auch<br />
innerhalb von aufstrebenden Regionen klafft die Wohlstandsschere<br />
teilweise weit auseinander.<br />
Auch der Rest der Welt spürt die Kehrseiten. Der chinesische<br />
Hunger nach Rohstoffen führt bereits zu Störungen im Marktgefüge.<br />
Die Ausfuhr aus China von wertvollen Bodenschätzen wie zum<br />
Beispiel den so genannten seltenen Erden, die speziell in der Hochtechnologie<br />
wichtig sind, wurde jüngst beschränkt. Das führt zu Verwerfungen<br />
in ganzen Industriezweigen. Auch als Emittent von Treibhausgasen<br />
hat China mittlerweile einen Spitzenplatz. Nicht zuletzt<br />
bleibt der Vorwurf der Währungsmanipulation im Raum stehen, mit<br />
dem sich China angeblich Wettbewerbsvorteile verschafft.<br />
Dennoch hoffen viele westliche Hersteller, Investoren und Arbeitnehmer,<br />
der chinesische <strong>Konsum</strong>rausch möge kein abruptes Ende<br />
nehmen – und die Rolltreppen von <strong>Konsum</strong>tempeln wie die in der<br />
Super Brand Mall in Schanghai noch munter weiter mit zahlungswilligen<br />
Menschenmassen verstopft sein. Nicht nur am Sonntagnachmittag.<br />
<<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
<strong>10</strong> <strong>Konsum</strong> Verzicht<br />
NO!<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Verzicht <strong>Konsum</strong> 11<br />
Vom tatenlosen Ankläger zum handelnden Helden<br />
Der Mensch plündert hemmungslos die kostbaren Rohstoffe der Erde und gibt ihr dafür<br />
Müll und Gift zurück. Der Schriftsteller Colin Beavan fühlte sich als Mittäter und<br />
übernahm Verantwortung: Zwölf Monate versuchte er mit seiner Familie in New York ohne<br />
Umweltbelastung zu leben – und fand bei aller Mühsal mehr Zeit und Glück.<br />
Text: Claudia Steinberg<br />
Foto: Mathias Hofstetter<br />
Im Schatten eines Ahornbaums im Washington Square Park spielt<br />
ein junger Mann ganz in Schwarz Chopinwalzer auf seinem mitgebrachten<br />
Klavier, die gedehnte Jazzmelodie eines Saxofons mischt<br />
sich unter die ekstatischen Klavierklänge, und im Hintergrund rauscht<br />
und heult der New Yorker Verkehr. Colin Beavan liegt zwischen lesenden<br />
Studenten und rastenden Touristen auf jener Wiese, die im<br />
Sommer des Jahres 2007 für ihn und seine Familie als Wohnzimmerteppich<br />
fungierte: mit seiner Frau Michelle, seiner kleinen Tochter<br />
Isabella und dem Terrier Frankie entfloh der Schriftsteller damals<br />
beinah jeden Abend der Hitze und der Dunkelheit seines Apartments<br />
an der Fifth Avenue, wo er im Rahmen eines radikalen Experiments<br />
auf Strom und zahllose andere zivilisatorische Errungenschaften verzichtete.<br />
Statt wie früher in der klimatisierten Wohnung im neunten<br />
Stock eines eleganten Vorkriegsgebäudes mit einem Stück Pizza vor<br />
dem Fernseher zu sitzen, servierte er in diesem denkwürdigen Sommer<br />
ein Picknick mit selbst gebackenem Brot und frisch geerntetem<br />
Gemüse von seinem zehn Quadratmeter grossen Beet in einem Gemeindegarten<br />
ein paar Strassen weiter, den er auch heute noch mit<br />
einer Handvoll städtischer Subsistenzlandwirte teilt. Und während<br />
Isabella mit ihren Freunden im Springbrunnen spielte, lernten Colin<br />
und Michelle andere exzentrische Charaktere kennen, die ebenfalls<br />
den Park zu ihrem Salon erkoren hatten – und zwar «mit besserer<br />
Livemusik, als man sie anderswo für viel Geld zu hören bekommt»,<br />
sagt Beavan.<br />
Schrebergarten in Manhattan statt Selbstversorger in Montana<br />
Bevor er mit 42 seinen Selbstversuch als kompromissloser Umweltschützer<br />
begann und selbst seine verwöhnte Frau, eine einkaufssüchtige<br />
Millionärstochter aus North Dakota, von seinem Projekt<br />
überzeugte, war er «höllisch deprimiert»: über die rapide Erderwärmung<br />
und ihre drohenden apokalyptischen Folgen, über den unter<br />
fadenscheinigem Vorwand geführten Krieg im Irak, der doch nur<br />
unseren ölabhängigen Lebensstil sichern sollte, über die riesige,<br />
stetig wachsende Müllinsel im Pazifik, über die Unzahl von Kindern<br />
in der Bronx, die wegen Luftverschmutzung an Asthma leiden. «Wir<br />
leben in einem Notstand», lamentierte Beavan – und lebte selbst<br />
doch so, als sei alles in bester Ordnung. «Wenn man bei einem<br />
Abendessen voller Wut über die Missstände dieser Welt auf die anderen<br />
Gäste einredet, hört einem sehr bald niemand mehr zu», weiss<br />
Beavan aus Erfahrung. So kam ihm eines Tages die Idee, sich vom<br />
tatenlosen Ankläger in einen Helden des Alltags zu verwandeln. Doch<br />
im Unterschied zu den Idolen seiner Kindheit wie Superman und<br />
Spiderman wollte er als «No Impact Man» damit glänzen, unseren<br />
Planeten so wenig wie nur irgendwie möglich zu belasten, ohne allen<br />
weltlichen Genüssen abzuschwören: «Ich bin kein Asket», sagt er<br />
entschieden. Hätte er sich für ein Jahr auf ein fernes Eiland oder<br />
auf eine Farm in Montana zurückgezogen, könnte man ihn als typischen<br />
Aussteiger bezeichnen. Beavan aber bestand darauf, sein<br />
Experiment mitten in Manhattan durchzuführen – auf einer Insel also,<br />
die allein für den Ausstoss von fast einem Prozent aller Treibhausgase<br />
dieser Welt verantwortlich ist. Doch lebt inzwischen mehr als<br />
die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten, die mit ihren öffentlichen<br />
Verkehrssystemen und geteilten Ressourcen durchaus utopisches<br />
Potenzial besitzen. Und nur in der Welthauptstadt des Kommerzes,<br />
umgeben von allen erdenklichen Verführungen, konnte Beavan einen<br />
Buchvertrag für seine Abenteuer als einsamer Antikonsument landen.<br />
Absolute Abfallabstinenz erweist sich als Utopie<br />
Drei Milliarden Tonnen Müll produziert New York City jedes Jahr, und<br />
so war es nur logisch, dass der No Impact Man sein siebenstufiges<br />
Umweltprogramm mit absoluter Abfallabstinenz einleiten wollte.<br />
Doch bereits in den ersten Minuten der No-Impact-Ära verstösst<br />
Beavan gegen das selbst auferlegte Reglement: ein Kleenex für die<br />
laufende Nase, eine Plastikwindel für Isabella, Toilettenpapier –<br />
schon ist das Sündenregister voll. Ihm dämmert das Ausmass der<br />
Verhaltensänderungen, die das neue Regime verlangt, und so beginnt<br />
er mit der systematischen Sammlung und Sortierung des<br />
Haushaltsmülls – «schliesslich erhalten auch Archäologen wichtige<br />
Informationen über die Lebensgewohnheiten untergegangener Zivilisationen<br />
aus deren Abfällen», räsoniert Beavan. Innerhalb von ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
12 <strong>Konsum</strong> Verzicht<br />
vier Tagen akkumuliert seine Kleinfamilie rund ein Drittel Kubikmeter<br />
Müll – ohne eine einzige Kartoffelschale, ein Apfelgehäuse oder<br />
einen Karottenrest, wie seine genaue Analyse ergibt. Vielmehr sind<br />
die Säcke voller Papierbecher und Styroporcontainer von hastig gekauften<br />
und zwischen Tür und Angel verzehrten Mahlzeiten. Beavan<br />
kann sich der ironischen Einsicht nicht entziehen, dass wir achtlos<br />
Dinge wegschmeissen, die nur für ein paar Minuten gebraucht werden<br />
und dann ein nahezu ewiges Leben auf der Halde – oder im<br />
Ozean – fristen. In seinem kürzlich auch auf Deutsch erschienenen<br />
(und natürlich auf rezykliertem Papier gedruckten) Buch zitiert er<br />
eine Statistik des Worldwatch Institute, der zufolge jedes Jahr bis<br />
zu fünf Trillionen Plastiktüten weggeworfen werden. «Kein anderes<br />
Produkt verlässt Märkte und Geschäfte in solchen Quantitäten»,<br />
schreibt er. No Impact Man kauft selbst Nüsse und Müsli in eigenen<br />
Musselinsäckchen ein, er rührt keine Wasserflasche an, verweigert<br />
Kräutertee im Pappbecher und widersteht sogar einem in Silberfolie<br />
gewickelten Schokoladenkuss.<br />
Mit unverhohlener Schadenfreude beobachtet Michelle, wie ihr<br />
Mann in eine «1950er-Jahre-Hausfrau» mutiert, die den ganzen Tag<br />
mit Einkaufen, Kochen und Waschen verbringt. Doch geht es auf<br />
ihre Initiative zurück, dass der gigantische Fernseher abtransportiert<br />
wird – auch sie hat ihn als «Feind im Wohnzimmer » identifiziert, der<br />
Zeit in grossen Mengen verschlingt und mit seinen Werbebotschaften<br />
ein Agitator für <strong>Konsum</strong> und Verschwendung ist. Solidarisch ersetzt<br />
sie duftende Kosmetikprodukte mit Natron und toleriert sogar<br />
Würmer in ihrer Küche, die Essensreste in Kompost transformieren<br />
helfen. Statt als unersättlicher Shopaholic durch die Kaufhäuser zu<br />
streifen, erkundet sie ihren eigenen Kleiderschrank und findet längst<br />
vergessene Schätze. Doch die No-Impact-Regel, nur das Notwendigste<br />
und nie Neues zu kaufen, hat auf Beavan einen unerwarteten<br />
Effekt: «Selbst wenn ich freiwillig darauf verzichte, Dinge zu erwerben,<br />
komme ich mir wie eine arme Person vor, wie ein Verlierer, ausgeschlossen.<br />
Es ist menschlich, sich als Teil einer Gruppe fühlen zu<br />
wollen – nur müssen wir die Normen der Zugehörigkeit ändern.»<br />
Das ist leichter gesagt als getan, wenn es die eigene Familie betrifft.<br />
Im Rahmen des No-Impact-Programms waren sämtliche Exkursionen,<br />
die auf motorisierten Vehikeln basieren, verboten. «Ich<br />
verstehe nicht, warum du nicht mit dem Zug kommen kannst – er<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Verzicht <strong>Konsum</strong> 13<br />
Mit dem eigenen Gemüsebeet<br />
gegen das Treibhausgas: Colin<br />
Beavan (stehend) begann im<br />
Jahr seines Experiments damit,<br />
sein Gemüse in einem Gemeinschaftsgarten<br />
in Manhattan<br />
selbst anzubauen. Auch sein<br />
Brot bäckt er seither selbst –<br />
eine meditative Tätigkeit, die er<br />
nicht mehr missen möchte. Nur<br />
vor dem Waschen ohne Maschine<br />
kapitulierte er schliesslich.<br />
auf einen schwachen Abdruck reduzieren, doch dafür kam der heiss<br />
geliebte Kaffee unweigerlich von weit her. Die Ingredienzien einer<br />
typischen amerikanischen Mahlzeit sind im Durchschnitt 3000 Kilometer<br />
gereist – die Beavans limitierten ihre Lebensmittelzufuhr auf<br />
einen Radius von maximal 400 Kilometern und konsumierten ausschliesslich<br />
Obst und Gemüse aus biologischem Anbau – erst recht,<br />
als No Impact Man von der gewalttätigen Vergangenheit industrieller<br />
Düngemittel erfuhr: Die nitrogenreichen Chemikalien, aus denen<br />
Bomben entstanden, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg als Nährstoffe<br />
für den Boden eingesetzt, und Pestizide haben eine ebenso<br />
tödliche Provenienz. Da es keine Biobäckerei in New York gab, die<br />
ihr Mehl nicht aus weit entfernten Staaten importierte, lernte Colin,<br />
sein eigenes Brot zu backen – eine meditative Tätigkeit, die er nicht<br />
mehr missen möchte. Er gewöhnte sich daran, Beeren nur im Sommer<br />
zu essen und tropische Früchte ganz vom Speiseplan zu verbannen.<br />
Allerdings konnte der Tee aus frischer Minze, die er auf der<br />
Fensterbank züchtete, Michelle ihren Espresso nicht ersetzen, und<br />
auch der selbst gemachte Essig aus Obstresten war irgendwann dem<br />
Vergleich mit einem italienischen Balsamico nicht mehr gewachsen.<br />
Für solche kleinen Sünden taten die Umweltfreunde Busse, indem<br />
sie zum Beispiel Plastikmüll von den Stränden der Stadt entfernten<br />
oder Bäume pflanzten.<br />
Berge von Bettlaken von Hand waschen – nein danke!<br />
Foto: Stefan Falke<br />
fährt doch auch ohne dich!», schimpfte Beavans Mutter, als er den<br />
Thanksgiving-Besuch absagte. Doch die Tatsache, dass laut Klimaforscher<br />
James Hansen unsere Kohlendioxidemissionen schon jetzt<br />
das Mass überschritten haben, um die katastrophale Aufwärmung<br />
unseres Planeten abzuwenden, erfüllte ihn mit einer Dringlichkeit,<br />
die selbst die Benutzung vertikaler Transportmittel untersagte: In der<br />
Stadt der Wolkenkratzer, die auf der Erfindung des Aufzugs basieren,<br />
stieg er die Treppen auf und ab, oft Hunderte von Stufen pro Tag<br />
und nicht selten mit Isabella auf den Schultern. Michelle erhielt eine<br />
offizielle Ausnahmegenehmigung für ihren Arbeitsplatz im 43. Stock<br />
eines Büroturms in Midtown. Doch angesichts der skandalösen<br />
25 Prozent aller Abgase, die die USA mit nur fünf Prozent der Weltbevölkerung<br />
in den Himmel jagen, wechselte auch sie von Taxi und<br />
U-Bahn zur Rikscha, die ein genialer Bastler aus gebrauchten Teilen<br />
für die Familie baute. Nur das Fahrradfahren erschien Michelle als<br />
reines Kamikaze-Unterfangen, und so fuhr sie mit einem Trottinett zur<br />
Arbeit – auf dem Bürgersteig.<br />
Mit ihren allein durch Muskelkraft betriebenen Fortbewegungsmitteln<br />
konnte die No-Impact-Familie zwar ihren «carbon footprint»<br />
Den drastischsten Schritt hob sich der No Impact Clan bis zuletzt auf:<br />
An einem Sommerabend lud Colin gleichgesinnte Freunde zu sich ein<br />
und drückte jedem von ihnen eine Bienenwachskerze in die Hand.<br />
Nach einem Countdown wie zu Sylvester ging das Licht aus – «es war<br />
ein romantischer Moment», erinnert sich Beavan. Seinen Computer<br />
und ein paar LEDs, die gerade hell genug zum Lesen waren, versorgte<br />
er mit Strom aus einem geliehenen Solarzellenpanel, das<br />
er heimlich auf dem Dach des Apartmentgebäudes installierte.<br />
An grauen Tagen verdunkelte sich seine Stimmung mit dem schwindenden<br />
Licht zu Hause. «Es war in erster Linie deshalb ein schweres<br />
Jahr, weil wir gegen den Strom unserer Kultur anschwimmen mussten»,<br />
erklärt er. Nachdem ihn ein Artikel in der «New York Times»<br />
berühmt gemacht hat, will jeder von ihm wissen, was die grösste<br />
Herausforderung war. «Die Handwäsche, mit Abstand», sagt Beavan<br />
und gesteht seine Kapitulation vor Bergen von Bettlaken, Handtüchern<br />
und Windeln, die er schliesslich doch in die Waschmaschine<br />
stopfte. Und ja, er vermisste das Reisen, Olivenöl und einen allzeit<br />
einsatzbereiten Computer. Weder die Rolle des Öko-Märtyrers noch<br />
die des Öko-Gurus sagen ihm zu, auch wenn er inzwischen eine<br />
Non-Profit-Organisation zur Anleitung für ein umweltbewusstes Leben<br />
gegründet hat (www.noimpactproject.org).<br />
Die wichtigste Lektion dieses energie-, geld- und kaloriensparenden<br />
Jahres war jedoch, dass all die Vergeudung von Rohstoffen<br />
im Dienste effizienter Bequemlichkeiten trotzdem nicht zu mehr Zeit<br />
führt, als wenn man mit Bedacht sein Essen anpflanzt, erntet und<br />
kocht – die Zeit verfliegt gleichwohl hinter dem Steuer im Stau, sie<br />
schmilzt dahin in den Überstunden, die man in die Erhaltung des üblichen<br />
urbanen Lebensstandards investiert. Das Mass des Unglücks<br />
erkennt er auch in den Spuren der Antidepressiva, die inzwischen<br />
im Trinkwasser nachweisbar sind und doch letztlich niemanden zu<br />
trösten vermögen. Schon nach wenigen Wochen seines scheinbar<br />
extremen No-Impact-Experiments war Colin Beavan klar: «Was in<br />
unserer Wegwerfgesellschaft als normal gilt, ist in Wirklichkeit total<br />
verrückt.» <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
14 <strong>Konsum</strong> Marketing<br />
«Ich hab meiner Mutter zum 70. Geburtstag<br />
ein iPad geschenkt»<br />
Die Kunden hätten schon immer miteinander gesprochen, erklärt Marketingprofessor<br />
Marcus Schögel, doch erst durch die Internetplattformen hätten es auch die<br />
Unternehmen gemerkt. Er plädiert für aktive Erfahrungssammlung statt durchdachte<br />
Strategiepapiere. Zudem steht für ihn fest: «Die Verbreitung der neuen Medien<br />
findet statt, aber sie ersetzen keine alten.»<br />
Interview: Daniel Huber<br />
<strong>bull</strong>etin: Etwas überspitzt formuliert, schalteten die Marketingverantwortlichen<br />
noch vor zehn Jahren vor allem Werbungen<br />
in Zeitungen und Fernsehen und versuchten so, den <strong>Konsum</strong> ihrer<br />
Produkte anzukurbeln. Sind diese guten alten Zeiten vorbei?<br />
Marcus Schögel: Das hat eigentlich schon früher nur für wenige<br />
Leistungen funktioniert. Nehmen wir das Beispiel dieser schwarzen<br />
Brause aus Atlanta. 1850 kannte sie niemand. Da brauchte es natürlich<br />
eine entsprechend breit angelegte Kommunikation im Sinne<br />
von: Hier bin ich, lieber Kunde, kaufe mich! Das funktioniert heute<br />
ganz klar nicht mehr. Der Kunde ist viel zu emanzipiert. Man muss<br />
näher an ihn ran. 90 Prozent aller Neueinführungen von <strong>Konsum</strong>gütern<br />
sind Flops. Die Unternehmen selber wissen das, re den aber<br />
nicht gerne darüber.<br />
Und was braucht Ihrer Meinung nach ein neues Produkt,<br />
um zu den erfolgreichen zehn Prozent zu gehören?<br />
Es muss in die <strong>Konsum</strong>muster und Gewohnheiten der Kunden passen,<br />
sollte für sie einen echten, wahrnehmbaren Nutzen haben und verständlich<br />
sein. Die vielgepriesene Innovation ist dabei immer ein<br />
bisschen eine zwiespältige Sache. Einerseits will der Kunde etwas<br />
Neues, Besseres, andererseits will er Dinge, die er schon kennt. Er<br />
akzeptiert eher einen Rasierer mit neuen Klingen als irgendein auf<br />
Nanotechnologie basierendes Rasiertuch, das die Barthaare wegrubbelt<br />
oder so.<br />
Der Kunde ist also ein Gewohnheitstier, das sich von<br />
tiefgreifenden Innovationen abschrecken lässt ?<br />
So einfach ist es auch nicht. Für jüngere Kunden ist Innovation ein<br />
Plus. Bei den älteren muss man dagegen eher vorsichtig sein mit der<br />
Verwendung von «neu». Selbst wenn ein Produkt einen neuen, besseren<br />
Nutzen hat, sollte man es nicht zwingend damit beschriften.<br />
Wie global kann oder muss modernes Marketing sein?<br />
Ich bin fast sicher, dass der Spruch «think global, act local» – also<br />
denk global, handle lokal – aus dem Marketing kommt. Das Marketing<br />
hat als erste Disziplin seine Erfahrung mit internationalen Märkten<br />
gemacht. Für Coca-Cola mögen ein Slogan und eine Botschaft<br />
weltweit vielleicht funktionieren, ansonsten orientieren sich heute<br />
selbst die Fast-Food-Ketten sehr stark an lokalen Gepflogenheiten.<br />
Wir sind im Zeitalter der totalen Informationsüberflutung.<br />
Ist der Kunde im Vergleich zu vor 20 Jahren besser oder schlechter<br />
informiert ?<br />
Wir sprechen immer von Informationsüberflutung. Und tatsächlich<br />
nimmt der Kunde nur etwa ein Prozent der ihm zur Verfügung gestellten<br />
Information überhaupt wahr. Dessen müssen sich die<br />
Marketingverantwortlichen bewusst sein. Allerdings sind die meisten<br />
Informationen auch nicht interessant. Nehmen wir als Beispiel den<br />
Markt für Mineralwasser. Die meisten Anbieter streichen bei ihren<br />
Produkten die Klarheit, Reinheit und Gesundheit hervor. Und nur<br />
ganz wenige heben sich ab, indem sie aus irgendeinem Grund für<br />
ihre Kunden relevanter werden. Auf der anderen Seite gibt es das<br />
andere Problem, dass wir den Kunden hervorragend verwirren, i ndem<br />
wir ihm 16 Varianten eines Joghurts oder einer Marmelade anbieten.<br />
Es gibt verschiedene Untersuchungen, die belegen, dass der Kunde<br />
bei 16 Varianten weniger kauft als bei 4, weil er schlichtweg überfordert<br />
ist. Bei dieser riesigen Auswahl kauft er am Schluss nur zwei<br />
und dann wieder zwei. Bei vieren sagt er sich, die kenne ich, und<br />
nimmt einen Vorrat mit. Gleichwohl gibt es Fälle, wo der Kunde die<br />
Auswahl sucht. Und wenn ich ihm eine bieten kann, die für ihn relevant<br />
ist, dann ist es auch richtig.<br />
Aber nicht bei den Joghurts.<br />
Kaum. Eher bei Früchten, Weinsorten oder Sea-Food.<br />
Ein Juwelier in Luzern hat mir erzählt, dass chinesische<br />
Touristen teilweise mit regelrechten Einkaufslisten zu ihnen<br />
kämen und ganz gezielt und ohne jegliche Beratung Uhren<br />
einkauften. Ersetzt das Internet schon bald den Verkäufer ?<br />
Der Kunde ist heute besser informiert, das ist so. Das sagen mir<br />
auch die Autohersteller. Früher sei der Kunde drei- oder viermal in<br />
den Showroom gekommen, bevor er gekauft habe. Heute komme er<br />
in der Regel noch einmal. Da ist schon ein Trend zu erkennen.<br />
Wohin entwickelt sich das Marketing angesichts der neuen<br />
Massenmedien?<br />
Wir haben jahrelang vernachlässigt, dass die Kunden miteinander<br />
reden. Das haben sie aber schon immer gemacht. Wir haben es nur<br />
nicht gemerkt. Nun gibt es heute Plattformen, auf denen sie es<br />
öffentlich tun, und erst jetzt haben es auch die Unternehmen gemerkt.<br />
Die neuen Technologien geben den Kunden neue Möglichkeiten,<br />
sich aktiv auszutauschen und das sogar noch zu forcieren. Und die<br />
Kunden werden dies in Zukunft noch stärker tun. Gleichzeitig gehe<br />
ich davon aus, dass der ganze Hype um die Social Media übertrieben<br />
ist. Vor fünf Jahren sprachen alle von Communities, vor einem Jahr<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Marketing <strong>Konsum</strong> 15<br />
Foto: Marc Wetli<br />
nannte man es virales Marketing, und dazwischen gab es noch<br />
Second Life. Es gibt immer kürzere Hype-Zyklen.<br />
Können Sie das etwas veranschaulichen?<br />
Etwas salopp ausgedrückt, wird heute jede Woche eine neue Idee<br />
durch die Chefetagen der Unternehmen getrieben. Eigentlich ist die<br />
Diskussion, die momentan rund um die Social Media geführt wird,<br />
immer noch die gleiche wie vor ein paar Jahren, als man sich gefragt<br />
hat, was uns das Internet eigentlich bringe. 76 Prozent aller Schweizer<br />
haben täglich mehrmals Zugang zum Internet. Damit ist es ganz klar<br />
ein Massenmedium. Gleichzeitig wird die Unter scheidung zwischen<br />
Online- und Offl ine-Welt immer kleiner. Zu sagen, da ist jetzt eine<br />
neue virtuelle Welt, ist doch gar nicht mehr der Punkt. Das Internet<br />
wird immer mehr Teil unseres Alltags. Dieser Prozess ist schleichend.<br />
Es wird also nicht plötzlich eine virtuelle Revolution geben.<br />
Wie sollen die Unternehmen damit umgehen?<br />
Ich denke, das Wichtigste ist, dass man Dinge ausprobiert. Damit<br />
man weiss, was sich in den neuen Medien tut. Nur so lassen sich<br />
konkret Erfah rungen sammeln. Wir arbeiten mit unserem Institut<br />
schon lange mit BMW zusammen. Als vor vier Jahren alle Welt über<br />
Second Life redete, gehörte BMW zu den ersten Unternehmen, die<br />
sich aktiv in Second Life engagierten. Auf der Höhe des Hypes ist<br />
BMW wieder ausgestiegen, weil sie gesagt haben: Das haben wir<br />
jetzt verstanden.<br />
Und was hat BMW in Second Life gemacht – Autos verkauft ?<br />
Überhaupt nicht. Besonders beliebt war ein Sitzungszimmer von<br />
BMW, das man mieten konnte. Aufgrund dieser Erfahrungen war es<br />
für BMW aber leichter zu erahnen und zu verstehen, was als Nächstes<br />
kommt. Zu versuchen, aus dem Nichts heraus auf einem weissen<br />
Papier eine Strategie zu definieren, das bringt nichts.<br />
Was passiert mit der ganz normalen Werbung wie zum Beispiel<br />
einem Inserat im <strong>bull</strong>etin?<br />
Ich denke, die wird teilweise bleiben. Gut gemachte Printwerbung<br />
ist ein Statement von Qualität. Wenn es mit der Zielgruppe übereinstimmt,<br />
dann wird das auch in Zukunft noch sinnvoll sein. Ich bin<br />
ganz generell der festen Überzeugung, dass trotz der Einführung<br />
von neuen Medien nichts verschwindet. Wir hören heute noch Radio,<br />
in den meisten Büros stehen auch noch Faxgeräte rum. Die Verbreitung<br />
der neuen Medien findet statt, aber sie ersetzen keine alten.<br />
Dadurch wird gleich viel Budget in immer mehr Töpfe verteilt. Und<br />
die Frage ist, wie mache ich das am besten. Gleichzeitig herrscht<br />
die Überzeugung vor, dass etwas anders gemacht werden müsste.<br />
Was sind die Auswirkungen der neuen Medien auf<br />
die Medienlandschaft ?<br />
Natürlich gibt es dadurch einen stärkeren Wettbewerb. Doch das ist<br />
nicht per se schlecht, sondern birgt auch Chancen. So hat zum Beispiel<br />
in Deutschland der Axel Springer Verlag im ersten Quartal 20<strong>10</strong><br />
das beste Ergebnis seiner Geschichte geschrieben. Ihm ist es gelungen,<br />
alte und neue Medien so zu verknüpfen, dass regionale Themen<br />
stärker betont werden. Insbesondere in den USA haben einige<br />
Zeitungen vorgemacht, wie man als Regionalzeitung mit seinen Nachrichten<br />
noch lokaler werden und sich so erfolgreich behaupten kann.<br />
Für die globalen News brauche ich keine Zeitungen mehr.<br />
Und wo kommt das iPad rein? Haben Sie selber schon eins?<br />
Nein, bis jetzt noch nicht. Dafür hab ich meiner Mutter eins zum<br />
70. Geburtstag gekauft. Seitdem nutzt sie das Internet viel stärker<br />
als mit einem normalen Computer. Ich bin überzeugt, dass der Nutzen<br />
des iPad zurzeit noch völlig falsch eingeschätzt wird. Das ist ein<br />
Gerät, das sich im Moment noch den Markt sucht. Ähnlich wie damals<br />
der iPod, wird es eine völlig andere Kundengruppe erschliessen. Der<br />
iPod kam in einen Markt reingefahren, der entweder nicht mehr da<br />
war oder auf einmal wieder attraktiv wurde, weil das Gerät neue<br />
Möglichkeiten bot. Auch das iPad sucht sich noch seinen Nutzungsbereich.<br />
Es ist das erste Gerät, mit dem das Internet passiv benutzt<br />
wird. Ich kann keine Inhalte aktiv ins Netz stellen. Es wird als passive<br />
Plattform genutzt, über die ich mich informieren kann. Damit<br />
wird es völlig neue Anwendungen erschliessen. Ich gehe davon aus,<br />
dass es für viele ein Drittgerät zwischen dem Laptop und dem Smartphone<br />
sein wird. Ganz generell glaube ich, dass sich all die Leute,<br />
die sich ein iPad gekauft haben, gerade selber überlegen, wie sie<br />
es genau nutzen sollen. Vermutlich wird es sich zwischen Buch,<br />
Zeitung und Computer etablieren. Da hat es durchaus eine Existenzberechtigung<br />
und somit einen Markt.<br />
Wie ändert sich das Berufsbild des Marketingexperten?<br />
Er muss sich mehr Wissen rund um die neuen Technologien aneignen.<br />
Ich bin überzeugt, viele Marketingleute wissen noch immer nicht,<br />
wie Google eigentlich funktioniert. Viele behaupten, sie verstünden<br />
Twitter. Ich glaube, Twitter selbst kennt sein eigenes Geschäftsmodell<br />
noch nicht. Da gibt es noch viel Entwicklungsbedarf. <<br />
Marcus Schögel ist Professor am Institute of Marketing<br />
an der Universität St. Gallen. Sein Forschungsgebiet<br />
umfasst strategisches Marketing, Distributionsmanagement,<br />
Kooperationen im Marketing und<br />
Umgang mit Trends im Marketing. Schögel ist 43 Jahre<br />
alt und studierte Betriebswirtschaft an der Freien<br />
Universität Berlin. 1997 promovierte er an der Universität<br />
St. Gallen zum Thema «Mehrkanalsysteme in<br />
der Distribution». Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift<br />
«Thexis» und Mitglied des Editorial Board des<br />
Journal of Organizational Virtualness.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
16 <strong>Konsum</strong> Ohne Geld<br />
Mit weichen Währungen aufwiegen<br />
Slumbewohner in Brasilien sammeln Müll und tauschen ihn gegen Lebensmittel,<br />
Busfahrkarten und Schulhefte. Japanische Studenten betreuen Betagte und<br />
lassen sich ihren Aufwand mit Zeit abgelten, die sie für ihren eigenen Ruhestand<br />
ansparen. Mit Alternativwährungen wie «Zeit» oder «Tausch in Kombination<br />
mit Zeit» werden Dinge geregelt, die Geld als harte Währung nicht mehr regeln kann.<br />
Die weichen Währungen sind eine sinnvolle Ergänzung zu Dollar, Yen und Franken.<br />
Text: Hannes Hug<br />
Akkurat geharkte Kieswege säumen einen verwunschenen Koikarpfen-Teich.<br />
Ein Schwarm Rauchschwalben zwitschert im Vorbeiflug<br />
sein Lied. Umgeben von gepflegt gestutzten Teepflanzen und<br />
Bonsaibäumchen sitzt Ryuichi Kawai in seinem geliebten Garten.<br />
Die Oase ist gleichermassen Stolz und Leidenschaft des 92 Jahre<br />
alten Mannes. Herr Kawai lebt alleine und kinderlos. In Europa<br />
wäre der vitale Rentner wohl eher Bewohner eines Altersheims<br />
denn stolzer Besitzer eines Gartenparadieses. Nicht so in Japan.<br />
Hier können ältere Menschen dank des «Fureai Kippu», übersetzt<br />
Pflege-Beziehungs-Ticket, auf die Unterstützung von freiwilligen<br />
Helferinnen und Helfern zählen, um möglichst lange in ihrer gewohnten<br />
Umgebung leben zu können.<br />
Der 23-jährige Tosho Agato ist Student. Er lebt in der Nachbarschaft<br />
von Herrn Kawai und geht ihm wöchentlich mehrere Stunden<br />
zur Hand. Nebst der Pflege des erwähnten Gartens bringt Agato<br />
dem alten Herrn das Abendessen vorbei und hilft ihm bei seinem<br />
täglichen Baderitual. Dafür investiert der Student jeden Tag zwei<br />
Stunden seiner Zeit. Diese werden ihm auf seinem «Fureai Kippu»-<br />
Konto gutgeschrieben. Tosho Agato hat nun die Wahl, sein angespartes<br />
Stundenguthaben dereinst seinen Eltern zukommen zu lassen<br />
oder für seinen eigenen Ruhestand einzusetzen.<br />
Bald ist ein Drittel der Bevölkerung Japans über 65 Jahre alt<br />
15 Prozent aller Japaner sind heute schon über 65 Jahre alt. In knapp<br />
40 Jahren wird es bereits jeder Dritte sein. Wie in den meisten Ländern<br />
Europas steigt im Land der aufgehenden Sonne die Lebenserwartung,<br />
und die Menschen werden immer älter. Zwar ist das Ideal<br />
der mehrere Generationen umfassenden Grossfamilie in Japan weit<br />
verbreitet – der Trend zur Kleinfamilie dennoch unumkehrbar. Was<br />
bedeutet, dass, wie in unseren Breitengraden auch, eine steigende<br />
Zahl von Menschen, die leichte Pflege oder Hilfe zur selbständigen<br />
Bewältigung des Alltags benötigen, einer sinkenden Zahl von Men-<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Ohne Geld <strong>Konsum</strong> 17<br />
BUS<br />
TICKET<br />
schen gegenübersteht, die diese Leistungen erbringen können –<br />
sei es, weil sie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten haben, um damit<br />
den gesamtgesellschaftlichen «Cashflow» aufrechtzuerhalten, oder<br />
weil das Zusammenleben in Form von Sippe oder Klan nicht mehr<br />
länger existiert.<br />
Versicherungen übernehmen wohl die notwendigsten Pflegeleistungen,<br />
aber keines dieser Unternehmen würde den Faktor Zeit als<br />
schlagendes Verkaufsargument ins Feld führen. In diesem Spannungsfeld<br />
von Wunsch und Wirklichkeit operiert der pensionierte<br />
Jurist Tsutomu Hotta. Hotta begründete vor 15 Jahren die Sawayaka-Stiftung,<br />
die den «Fureai Kippu» ins Leben gerufen hat. Mittlerweile<br />
arbeiten rund hundert örtliche Dienste in Japan mit der alternativen<br />
Pflegewährung. Sie bieten, was die professionell Pflegenden<br />
nur begrenzt im Angebot haben: Zeithaben, Dasein, Zuhören.<br />
Clever ist die Idee der alternativen Pflegewährung zum einen, weil<br />
ältere Menschen nicht aufgrund üblicher Alterserscheinungen gleich<br />
eine Pflegeeinrichtung beanspruchen müssen – was volkswirtschaftlich<br />
nicht unwesentlich ist – und sie zum anderen ihren Lebensabend<br />
unabhängig und in Würde in ihrer gewohnten Umgebung verbringen<br />
können, auch wenn sie nicht über die Mittel für altersgerechtes<br />
Wohnen verfügen. Als zusätzliches Plus verbindet der «Fureai Kippu»<br />
Menschen verschiedener Generationen, stärkt das Gemeinschaftsgefühl<br />
und sensibilisiert für das Verhältnis zwischen Geben und<br />
Nehmen, dem Tausch – der Mutter aller Handelsbeziehungen von<br />
Mensch zu Mensch.<br />
Wie aus Muscheln Münzen wurden<br />
Geld, im Sinne einer Landeswährung, ist eine relativ neue Errungenschaft.<br />
Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert, und damit im Zuge<br />
der Bildung von Nationen, wurden Währungen erfunden, die den<br />
Charakter und die Identität der Nation zu unterstreichen hatten.<br />
Geld im Sinne einer Masseinheit – um den Verhältniswert zwischen<br />
Geben und Nehmen einer Ware oder einer Dienstleistung auszudrücken<br />
– setzten bereits die Chinesen vor rund 3500 Jahren ein.<br />
In der Regel handelte es sich dabei um Kaurimuscheln, Perlen oder<br />
Steine. Tausend Jahre später erfand König Krösus Geld in Form von<br />
Münzen. Der einstige Herrscher Kleinasiens, der heutigen Türkei,<br />
liess das aus dem Fluss Paktos gewonnene Gold zu Münzen prägen<br />
und versah diese mit seinem Siegel, einem Stier und einem Löwen.<br />
Krösus beabsichtigte damit, seinen Reichtum zu demonstrieren,<br />
um bei anderen Herrschern entsprechend Eindruck zu schinden.<br />
Die Macht, die von Geld ausgeht, ist von jeher nicht nur in der vorhandenen<br />
Menge zu verorten, sondern gleichsam in seiner Erscheinung<br />
und Gestaltung. Zeitgleich mit Krösus initiierten die Ägypter<br />
das erste duale Währungssystem. Fernhandelsbeziehungen pflegten<br />
sie mit Gold und anderen Edelmetallen. Lokale Geschäfte wurden<br />
mit Weizen getätigt, denn Weizen ist leicht verderblich und daher<br />
für längere Schiffsreisen ungeeignet – Gold dafür wertbeständig.<br />
Zusätzlich wurde der lokale Handel um eine weitere Innovation ergänzt.<br />
Um die Haltbarkeit des Weizens zu erhöhen, wurde er in kühlen<br />
Speichern eingelagert. Der Nachweis des Besitzes wurde mittels<br />
Tonscherben erbracht. Diese Tonscherben standen stellvertretend<br />
für den Weizen als lokale Währung. Das Wechselspiel von Gold und<br />
Ton, beziehungsweise Weizen, veranschaulicht, wie bestechend die<br />
Idee der sich ergänzenden Währung ist.<br />
Da Geld lediglich die Vereinbarung einer Gesellschaft ist, etwas<br />
als Tauschmittel zu verwenden, muss es sich nicht zwingend um eine<br />
Münze oder eine Note handeln. Geld drückt also eine Beziehung<br />
zwischen Menschen aus. Es hat normativen Charakter und formt<br />
so unsere Kultur. Geld in Form von Papier oder Metall mag zwar<br />
den Welthandel regeln; der Ausdruck der «harten» Währung unterstreicht<br />
dies zusätzlich. Wie aber lassen sich Dinge regeln, die sich<br />
aus der Tatsache ergeben, dass sich der Mensch – in seinem Tun<br />
und Lassen – nicht alleine auf Nachfrage und Angebot reduzieren ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
18 <strong>Konsum</strong> Ohne Geld<br />
lässt ? Bernard A. Lietaer, ehemaliger Manager der belgischen Zentralbank<br />
und einer der Miterfinder des Ecu (Vorläufer des Euro), ist<br />
überzeugt, dass wir den künftigen Herausforderungen – wie den<br />
demografischen Veränderungen, knapper werdenden Ressourcen<br />
und dem Wandel zu einer multipolaren Welt – mit einem Modell<br />
begegnen müssen, das nachhaltiger angelegt ist, als dass es sich<br />
lediglich über den gewohnten Geldfluss regeln liesse.<br />
Lietaer spricht in diesem Zusammenhang von «Yin und Yang»-<br />
Währungen. Mit «Yang»-Währungen sind die Landeswährungen,<br />
mit dem Dollar als Leitwährung, gemeint. Die «Yin»-Währung steht<br />
für den Tausch, der die soziale Komponente beinhaltet und unser<br />
Zusammenleben als weiche Währung regelt. Ein gelungenes Bei -<br />
spiel dafür, wie dank einer «Yin»-Währung sozial benachteiligte<br />
Menschen, mit wenig Aussicht auf ein besseres Leben, an einer<br />
prosperierenden Ökonomie partizipieren können, trägt den klingenden<br />
Namen «Curitiba».<br />
Curitiba – die vierte Dimension des Recyclings<br />
Curitiba ist die siebtgrösste Stadt Brasiliens. Die Metropole liegt<br />
im Süden des Landes und belegt heute den dritten Platz in der<br />
Rangliste der 15 grünsten Städte der Welt. Zu verdanken ist dies<br />
vor allem dem ehemaligen Bürgermeister Curitibas, Jaime Lerner. In<br />
drei Legislaturperioden, die letzte zu Beginn der 1990-er Jahre, hat<br />
Lerner – nebst einer nachhaltigen Stadtplanung in Sachen Architektur,<br />
Infrastruktur und Bildung – das Problem der Abfallentsorgung in<br />
den Favelas entschärft. Wie in allen Schwellenländern zieht es auch<br />
in Brasilien die Landbevölkerung auf der Suche nach Arbeit in die<br />
Stadt. Da macht Curitiba, das heute rund 3,5 Millionen Einwohner<br />
zählt, keine Ausnahme. In der Folge wuchern an den Rändern der<br />
Metropole Favelas, die aus kreuz und quer aufgestellten Behausungen<br />
bestehen und deren Architektur keiner ersichtlichen Logik<br />
folgt. Jaime Lerner sah sich in den chaotisch orga nisierten Favelas<br />
mit Bergen von Müll konfrontiert. Müll, der die Gesundheit der<br />
ohnehin in Not lebenden Slumbewohner ernsthaft bedrohte. Kehrichtlastwagen<br />
waren nicht imstande, die Trampelpfade der Favelas<br />
zu passieren. Geld, um die Hütten abzureissen und neue Strassen<br />
zu bauen, war keines vorhanden.<br />
Da ersann der kreative Bürgermeister Lerner ein simples, aber<br />
geniales System: Am Rande der Siedlungen wurden zur Sortierung<br />
des Mülls farblich gekennzeichnete Container aufgestellt. Wer eine<br />
Tüte mit sortiertem Müll brachte, wurde mit einem Busticket entschädigt.<br />
Diese Tickets wiederum konnten gegen Schulhefte oder<br />
Lebensmittel getauscht werden. Bald sammelten Tausende von Kindern<br />
Müll, um diesen gegen Busfahrkarten zu tauschen, und hielten<br />
so ihr Viertel sauber.<br />
Komplementärwährung stärkt Selbstvertrauen<br />
Innerhalb eines Jahres wurden 11 000 Tonnen Müll gegen eine Million<br />
Busfahrkarten und 1200 Tonnen Lebensmittel eingetauscht.<br />
Heute ist das Durchschnittseinkommen in Curitiba rund dreimal so<br />
hoch wie im übrigen Brasilien. Der «Curitiba» illustriert, wie Menschen<br />
«ohne Geld» durch die Schaffung einer lokalen Währung wirtschaftlich<br />
aktiv werden und so ihre Lebenssituation verbessern. Viele von<br />
ihnen sind in dieser ortsgebundenen Mikroökonomie zum ersten Mal<br />
Akteure und nicht Empfänger von Almosen. So gesehen steht die<br />
Kreation einer Komplementärwährung nicht bloss für das Andocken<br />
an den regulären Geldkreislauf oder ein gut gemeintes Charityprojekt,<br />
sondern sorgt für echte Perspektiven und stärkt das Selbstvertrauen<br />
der Favela-Bewohnerinnen und -Bewohner, die im Wortsinn<br />
am Rande der Gesellschaft stehen. Komplementärwährungen<br />
schaffen in strukturschwachen Regionen neue Perspektiven und<br />
sorgen dafür, dass der lokal erwirtschaftete Wert nicht abfliesst.<br />
Alternative Währungssysteme treten in den verschiedensten Formen<br />
in Erscheinung. Mal sind sie ideologischer gefärbt, mal pragmatisch<br />
geprägt. Immer aber sehen sie sich als Ergänzung zum<br />
regulären Geldfluss, wollen soziale Brennpunkte entschärfen und<br />
bieten Menschen, die nicht am regulären Geldfluss partizipieren können,<br />
eine Alternative – Change eben. <<br />
Recycling auf Brasilianisch:<br />
Wo der Kehrichtwagen nicht hinkommt,<br />
treten Carrinheiros, Lumpensammler<br />
mit ihren typischen Karren, auf den Plan<br />
und bringen Karton und sonstigen Müll<br />
weg. In Curitiba fördert der Kehricht sogar<br />
das Weiterkommen, denn dort sammeln<br />
und sortieren auch Tausende von Kindern<br />
Abfall, den sie gegen Bustickets, Schulhefte<br />
oder Lebensmittel eintauschen können.<br />
Foto: Maria Terezinha Vaz<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
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20 <strong>Konsum</strong> Energie<br />
AKTION<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Energie <strong>Konsum</strong> 21<br />
Energiehunger<br />
Der Hunger nach Energie ist ein steter Begleiter des Menschen. Im Lauf der Geschichte<br />
wurden immer wieder neue Energieformen entdeckt und angewendet. Dies hatte<br />
jeweils gravierende Konsequenzen auf die gesamte menschliche und gesellschaftliche<br />
Entwicklung.<br />
Text: Andreas Walker<br />
Foto: Mathias Hofstetter<br />
Am Anfang war das Feuer. Der Mensch konnte das Feuer zähmen<br />
und nutzbar machen. Damit unterschied er sich klar von den Tieren<br />
und leitete eine rasante Entwicklung ein. Um das Feuer ranken sich<br />
unzählige Sagen und Legenden. Aus der griechischen Mythologie<br />
kennen wir Prometheus. Er hatte Zeus betrogen, worauf dieser als<br />
Strafe den Menschen auf der Erde das Feuer vorenthielt. Prometheus<br />
jedoch entzündete eine Fackel am vorbeifahrenden, funkensprühenden<br />
Sonnenwagen des Helios, eilte zur Erde zurück und setzte mit<br />
der lodernden Fracht einen Holzstoss in Flammen.<br />
Wie auch immer das Feuer auf die Erde gekommen sein mag –<br />
vermutlich war es ein Blitzschlag –, ohne diesen Wärmespender<br />
sässen unsere Vorfahren noch in den «heissen Zonen» der Erde und<br />
hätten somit nie den Norden besiedeln können. Auch das Schmelzen<br />
von Metall und das Brennen von Ton wäre nicht möglich gewesen.<br />
Mit Volldampf voraus<br />
Bereits <strong>10</strong>0 v. Chr. beschreibt der griechische Physiker Heron von<br />
Alexandria erstmals den Rückstoss von Dampf als Antrieb. Der entscheidende<br />
Durchbruch gelang schliesslich dem schottischen Ingenieur<br />
James Watt, der eine Dampfmaschine des englischen Erfinders<br />
Thomas Newcomen entscheidend verbesserte und 1769 patentieren<br />
liess. Mit der serienmässigen Herstellung von Dampfmaschinen wurde<br />
der Beginn des Industriezeitalters eingeläutet. Erst mit der Nutzung<br />
der Dampfkraft war es möglich, Lokomotiven zu bauen, die<br />
wiederum das ganze Transportwesen schlagartig veränderten und<br />
damit einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaft hatten.<br />
Erdöl schmiert das Getriebe der Wirtschaft<br />
Erdöl ist seit der Industrialisierung einer der wichtigsten Energielieferanten<br />
unserer Zivilisation. Ohne das «schwarze Gold» läuft nichts.<br />
Bereits 1859 entstand die erste Erdölraffinerie, als der Amerikaner<br />
Edwin Drake durch Bohrungen grosse Mengen Öl aus der Erde förderte.<br />
Als das elektrische Licht eingeführt wurde, verlor das Erdöl<br />
zuerst seine Attraktivität. Diese flammte jedoch schnell wieder auf,<br />
als das Automobil entwickelt wurde und plötzlich viel Benzin nötig<br />
war. Seither ist dieser Energielieferant nicht mehr wegzudenken.<br />
Mehr als ein Drittel des weltweiten Energiebedarfs wird durch Erdöl<br />
gedeckt; es ist damit Energierohstoff Nummer eins. Mag Erdöl zum<br />
Tanken von Autos oder zum Heizen sehr praktisch und einfach zu<br />
handhaben sein, so ist der Transport bis zum Endverbraucher nicht<br />
unproblematisch. Dies wird uns immer wieder bewusst, wenn ein<br />
Tankerunglück in die Schlagzeilen gerät.<br />
Das schwarze Gold hat Schattenseiten<br />
Eine der grössten Tankerkatastrophen in Europa passierte am<br />
12. Dezember 1999, als der einwandige, unter maltesischer Flagge ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
22 <strong>Konsum</strong> Energie<br />
fahrende Tanker «Erika» mit 30 000 Tonnen Schweröl an Bord vor<br />
der bretonischen Küste bei stürmischer See auseinanderbrach. 400<br />
Kilometer Küste wurden dabei verseucht und etwa 75 000 Vögel<br />
verendeten im Ölteppich.<br />
Doch der Horror eines Tankerunglücks wurde am 20. April 20<strong>10</strong><br />
noch überboten. An diesem Tag explodierte die Ölplattform «Deepwater<br />
Horizon» nach einem unkontrollierten Ölaustritt und versank<br />
im Meer. Die anschliessende Verschmutzung im Golf von Mexiko<br />
durch das austretende Öl in 1500 Metern Tiefe führte zur schwersten<br />
Umweltkatastrophe dieser Art in den Vereinigten Staaten.<br />
Schätzungen gehen davon aus, dass allein schon in den darauffolgenden<br />
ersten drei Monaten knapp zehn Millionen Liter Öl ins Meer<br />
geflossen sind.<br />
Doch so gigantisch diese Ölverschmutzung ist, die ersten drei<br />
Monate des ausgeflossenen Öls würden gerade einmal eine Stunde<br />
des globalen Ölbedarfs abdecken! Auch wenn diese Ölpest lange<br />
Zeit weltweit für Schlagzeilen sorgte, wäre es ein grosser Irrtum zu<br />
glauben, dass nur bei solch spektakulären Unfällen oder bei einem<br />
Tankerunglück viel Öl ins Meer fliesst. Die Ölmenge, die durch marode<br />
Bohrköpfe und lecke Pipelines an unzähligen Stellen auf der<br />
Welt austritt, läppert sich ganz schön zusammen.<br />
Ein trauriges Kapitel bilden in dieser Hinsicht die Ölbohrungen im<br />
Nigerdelta. Seit 50 Jahren fördern ausländische Konzerne dort nigerianisches<br />
Öl, das leicht zu raffinieren ist. Experten schätzen, dass<br />
bisher etwa zwei Milliarden Liter davon ins Nigerdelta geflossen sind.<br />
Dies ergibt jedes Jahr eine Ölverschmutzung wie beim Tankerunglück<br />
der «Exxon Valdez». Bei dieser Ölpest wurden 1989 unberührte<br />
Küstenregionen in Alaska auf 2000 Kilometern Länge verseucht,<br />
nachdem 40 000 Tonnen Öl ins Meer geflossen waren.<br />
Vom Wasser angetrieben<br />
Wasserkraft ist neben der Windkraft eine der ältesten genutzten<br />
Energien. Bereits im antiken Griechenland und in Rom wurden Wasserräder<br />
zum Mahlen von Mehl eingesetzt. Während des Mittelalters<br />
wurden grosse Wasserräder aus Holz verwendet, die zum Antrieb<br />
von Maschinen im Bergbau, in Schmiedewerkstätten, in Säge- und<br />
Schleifwerken oder in Tuchwalkereien benutzt wurden. Die Wasserkraft<br />
spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der ersten<br />
Industriestädte Europas und der USA. Die ersten Wasserkraftwerke<br />
für die Stromerzeugung wurden 1880 im englischen Northumberland<br />
gebaut. Bis heute hat sich die Technik an den grossen Anlagen nicht<br />
wesentlich verändert, sie wurde jedoch perfektioniert. So wird immer<br />
noch mit verschiedenen Turbinentypen und Generatoren Strom produziert.<br />
Weltweit wird mit Wasserkraft rund ein Viertel der gesamten<br />
Energie erzeugt. Wasserkraft ist sauber und natürlich. Doch der<br />
Hunger nach Strom fordert immer grössere Stauseen, immer leistungsfähigere<br />
Kraftwerke, was nicht ohne Folgen bleibt.<br />
Obwohl man heute besser Bescheid weiss darüber, was grosse<br />
Staudämme bewirken können, werden diese in immer grösseren<br />
Dimensionen gebaut. So zählt der Drei-Schluchten-Staudamm in<br />
China zu den grössten Talsperren der Erde. Bereits am 14. Dezember<br />
1994 wurde mit dem Bau begonnen, der bis zu 18 000 Arbeitskräfte<br />
beschäftigte. Der Projektname steht für die Bezeichnung<br />
der am 20. Mai 2006 in Betrieb genommenen Aufstauung des<br />
Jangtsekiang in China. Dabei entsteht ein Stausee im Bereich der<br />
drei Schluchten Qutang, Wuxia und Xiling. Der Jangtsekiang ist mit<br />
6380 Kilometern der längste Strom Chinas und der drittlängste der<br />
Welt. Bei diesem gigantischen Projekt werden ganze Städte, un-<br />
Energievielfrasse<br />
Der Weltenergiebedarf dürfte sich bis 2060 verdreifachen.<br />
Enorm energiehungrig sind vor allem Schwellenund<br />
Entwicklungsländer, die ihren Lebensstandard dem<br />
der Industrienationen angleichen.<br />
<strong>10</strong>7<br />
Terawatt0stund0en<br />
0<br />
im Jahr 20<strong>10</strong><br />
16Ter0awat ts5tund0en<br />
0<br />
im Jahr 2030<br />
32T1erawatt0stunde0n<br />
0<br />
im Jahr 2060<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Energie <strong>Konsum</strong> 23<br />
zählige Dörfer und Fabriken untergehen. Insgesamt müssen knapp<br />
zwei Millionen Menschen umgesiedelt werden.<br />
Energie, die aus den Bausteinen der Materie kommt<br />
Seit den 1960er-Jahren erlangten die Kernkraftwerke eine bedeutende<br />
Rolle bei der Energiegewinnung. Die Kernspaltung wurde 1938<br />
durch die deutschen Chemiker Otto Hahn und Friedrich Wilhelm<br />
Strassmann entdeckt. Durch die Spaltung der Atome wird Wärmeenergie<br />
freigesetzt, die mittels Turbinen und eines Generators in<br />
elektrische Energie umgewandelt wird.<br />
Dabei wird das radioaktive Schwermetall Uran gespalten, das sich<br />
in den Brennstäben befindet. Ein Kilogramm Uran reicht für die Erzeugung<br />
von 350 000 kW/h Strom. Mit einem Kilogramm Öl können<br />
hingegen lediglich 12 kW/h erzeugt werden. Der Kernkraftanteil an<br />
der weltweiten Stromerzeugung beträgt etwa 16 Prozent, in Deutschland<br />
sind es 23 Prozent und in der Schweiz 39 Prozent.<br />
Galt in den Anfängen der Atomenergie ein Kernkraftwerk als<br />
sauber, leistungsstark und kostengünstig, wurde dieses Vertrauen<br />
seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April 1986 massiv erschüttert.<br />
Rund 600 000 Menschen wurden durch diesen Unfall<br />
starker radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Die genaue Zahl der Toten<br />
ist bis heute nicht bekannt, sie dürfte bei mehreren Tausend liegen.<br />
Ein weiteres grosses Problem von Kernkraftwerken ist die Endlagerung<br />
der radioaktiven Abfälle, die für menschliche Begriffe eine<br />
Ewigkeit lang gefährlich bleiben. So hat Plutonium eine Halbwertszeit<br />
von 24 1<strong>10</strong> Jahren, verliert also erst nach dieser Zeit die Hälfte<br />
der radioaktiven Strahlung.<br />
Seit dem Beginn des industriellen Zeitalters hat die Menschheit den<br />
grössten Teil der Wirtschaft auf der Nutzung fossiler Energieträger<br />
aufgebaut. Experten rechnen damit, dass nach dem heutigen Wissensstand<br />
die bekannten Reserven beim Erdöl für circa 40 Jahre,<br />
beim Uran für 50 Jahre, beim Erdgas für circa 60 Jahre und bei der<br />
Kohle noch für etwa 220 Jahre reichen werden.<br />
Die Energieversorgung steht vor grundlegenden Umwälzungen<br />
Die Energieversorgung der Menschheit steht an einem Wendepunkt<br />
und vor grundlegenden Umwälzungen. Neue Entdeckungen und<br />
technologische Fortschritte können gezielte Veränderungen bewirken.<br />
Wahrscheinlich ist auch ein Szenario, in dem die Klimaveränderung<br />
und das rasante Bevölkerungswachstum mit einem ständig<br />
wachsenden Energiehunger ein Umdenken erzwingen werden. Aus<br />
heutiger Sicht scheinen sich vor allem zwei Trends abzuzeichnen:<br />
einerseits Energieeinsparungen und effizientere Nutzung, anderseits<br />
die Erschliessung alternativer Energiequellen wie die Sonnenenergie.<br />
Der Beitrag zur globalen Stromproduktion mittels Fotovoltaik liegt<br />
immer noch weit unter einem Prozent, doch die Wachstumsrate ist<br />
stark im Steigen begriffen. Seit 1988 hat die neu installierte fotovoltaische<br />
Leistung jedes Jahr um 35 Prozent zugenommen. Allein<br />
2009 wurden weltweit Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von<br />
rund 5000 MW neu installiert.<br />
Es stellt sich allerdings die Grundsatzfrage, ob eine stetige Steigerung<br />
des Energiekonsums überhaupt wünschenswert ist. Denn<br />
mit dem immer grösser werdenden Energiekonsum greift der Mensch<br />
auch immer stärker in die Abläufe der Ökosysteme ein. <<br />
Vom Wind beflügelt<br />
Ohne die Kraft des Windes in den Segeln der Schiffe wäre Amerika<br />
wohl wesentlich später entdeckt worden. Schon im frühen Mittelalter<br />
hatte man die Windenergie für den Antrieb von Windmühlen<br />
genutzt, die vorwiegend zum Mahlen des Getreides eingesetzt wurden.<br />
Waren die Windmühlen aus alter Zeit noch behäbige kleine<br />
Türme mit Stoffsegeln, so sind die heutigen Windkraftmaschinen<br />
schlanke hohe Masten mit dreiflügligen Rotoren. Damit wird die<br />
Windenergie in Rotationsenergie umgewandelt, wobei über einen<br />
Generator Strom erzeugt wird.<br />
Allein 2009 wurden weltweit Windkraftanlagen mit einer Leistung<br />
von 37 466 Megawatt (MW) neu errichtet, davon 13 000 MW in China,<br />
9922 MW in den Vereinigten Staaten, 2459 MW in Spanien, 1917 MW<br />
in Deutschland und 1271 MW in Indien. Insgesamt wurden bis Ende<br />
2009 weltweit Anlagen mit über 150 000 MW Leistung installiert.<br />
Der Energiehunger der Welt wird immer grösser<br />
Der Weltenergiebedarf liegt zurzeit bei etwa <strong>10</strong>7 000 Terawattstunden<br />
(ein Terawatt entspricht einer Billion Watt) pro Jahr und ist<br />
auch weiterhin stark im Steigen begriffen. Experten gehen davon<br />
aus, dass der Energiekonsum bis zum Jahr 2030 wohl auf etwa<br />
160 500 Terawattstunden pro Jahr ansteigen dürfte. Bis zum Jahr<br />
2060 soll sich der Energiebedarf noch einmal verdoppeln auf<br />
321 000 Terawattstunden pro Jahr. Der Hauptgrund für diese Entwicklung<br />
dürfte in den aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländern<br />
liegen, deren Lebensstandard sich dannzumal bereits stark<br />
den westlichen Industrienationen angeglichen haben wird. Laut den<br />
neuesten Daten der Internationalen Energie-Agentur (IEA) lag der<br />
Energieverbrauch Chinas 2009 bereits vier Prozent höher als derjenige<br />
in den USA.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
Basejumper Marco Büchel stürzt<br />
sich vom so genannten Pilz in<br />
der Eigernordwand in die Tiefe.
*C 9 H 13 NO 3<br />
ADRENALIN<br />
*<br />
Gratis!<br />
Robert Bösch ist seit über<br />
20 Jahren freischaffender<br />
Fotograf. Eines seiner liebs ten<br />
Sujets: Extremsportler in<br />
Aktion. Er fängt mit seiner Kamera Augenblicke ein,<br />
bei denen den meisten Menschen nur schon beim<br />
Zuschauen das Adrenalin in die Adern schiesst. Nicht<br />
erstaunlich, hat er doch selber das Bergsteigen und<br />
Klettern lange Zeit suchtmässig betrieben. Seine<br />
grosse Leidenschaft gehört, neben dem Fotografieren,<br />
den Bergen. Dort begibt sich der lizenzierte Bergführer<br />
und studierte Geograf für ein gutes Bild immer<br />
wieder in Extremsituationen. Er bestieg für einen Filmund<br />
Fotoauftrag den Mount Everest und foto grafierte<br />
in den letzten Jahren viele Extremtouren von Ueli Steck.<br />
Daneben hat Bösch aber auch Aufträge aus Industrie<br />
und Werbung. Er hat für mehrere Bildbände fotografiert<br />
und realisierte Ausstellungen in Galerien und Museen.<br />
Auch widmet er sich zunehmend der Landschaftsund<br />
Kunstfotografie.
Mountainbiker Tarek Rasouli<br />
donnert in der Provence die Steilhänge<br />
der Ockerlandschaft runter.
Kajakfahrer Simon Hirter bei einem<br />
spektakulären Drop in die wild<br />
schäumende Verzasca im Tessin.
Abgeseilt in einer Eishöhle im<br />
Zungenbereich des Morteratschgletschers<br />
im Engadin.
Ueli Steck unterwegs «free solo»,<br />
also ohne jegliche Sicherung,<br />
in der «Excalibur »-Wand beim<br />
Sustenpass.
Global Credit Suisse 31<br />
Credit Suisse Global<br />
Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />
Fotos: Olav A. Saltbones, Norwegisches Rotes Kreuz | Linus Fetz, Davos Festival | Martin Stollenwerk<br />
Benefi zveranstaltung in Zürich<br />
Match for Africa<br />
Roger Federer und Raphael Nadal,<br />
die beiden besten Tennisspieler<br />
der Welt, sind nicht nur Rivalen um<br />
Turniersiege, sondern gleichzeitig<br />
auch Freunde mit einem gemeinsamen<br />
Ziel: die Situation benachteiligter<br />
Kinder zu verbessern. Deshalb<br />
liefern sie sich am 21. Dezember im<br />
Hallenstadion Zürich ein Show duell,<br />
dessen Erlös der Roger Federer<br />
Foundation zukommt. Diese setzt<br />
sich in Afrika für Schulbildung,<br />
Sport und Spiel von Kindern ein.<br />
www.credit-suisse.com/rogerfederer<br />
Katastrophenhilfe<br />
Jahrhundertflut in Pakistan<br />
Die diesjährigen Monsunregen<br />
haben in Pakistan heftige Überschwemmungen<br />
ausgelöst, rund<br />
ein Viertel des Landes wurde<br />
überflutet. Schätzungen zufolge<br />
sind 20 Millionen Menschen betroffen,<br />
6 Millionen sind obdachlos.<br />
In Anbetracht dieser schweren<br />
Notlage hat die Credit Suisse eine<br />
Sofortspende von 250 000 Franken<br />
getätigt und bei ihren Mitarbeitenden<br />
eine weltweite Spendenaktion<br />
zur Unterstützung der Hilfsmassnahmen<br />
gestartet, bei der<br />
über 600 000 Franken gesammelt<br />
werden konnten. Der Katastrophenhilfe-Fonds<br />
der Credit Suisse<br />
Foundation hat die Spenden der<br />
Mitarbeitenden um den doppelten<br />
Betrag erhöht, sodass insgesamt<br />
ein Betrag von über 2 Millionen<br />
Franken zusammenkam. Die Spende<br />
der Credit Suisse kommt direkt<br />
Seit 1986 werden mit Unterstützung der Credit<br />
Suisse junge Spitzenmusiker aus aller Welt nach<br />
Davos eingeladen. Das Eröffnungskonzert des<br />
25. Davos Festival bestritten mit Martin Helmchen,<br />
Klavier, Antoine Tamestit, Bratsche, und Nicolas<br />
Altstaedt, Cello, die drei letzten Gewinner des<br />
Credit Suisse Young Artist Award, kongenial<br />
unterstützt vom Violinisten Daishin Kashimoto.<br />
den Rotkreuz- und Rothalbmond-<br />
Gesellschaften zugute und soll für<br />
die Sicherstellung der lebensnotwendigen<br />
Soforthilfe in Pakistan –<br />
einschliesslich ärzt licher Betreuung,<br />
Unterkunft und sau beren Trinkwassers<br />
– eingesetzt werden.<br />
Ernennungen in der Geschäftsleitung<br />
Eric Varvel ist neuer<br />
CEO Investment Banking<br />
Seit dem 1. Oktober ist David<br />
Mathers, der seit 1998 bei der<br />
Credit Suisse tätig ist, neuer Chief<br />
Financial Officer (CFO) der Credit<br />
Suisse Group AG; Renato Fassbind<br />
bleibt der Bank als Senior Advisor<br />
erhalten. Ebenfalls auf Anfang Oktober<br />
erfolgte ein Wechsel in der<br />
Leitung der Geschäftsregion Asia-<br />
Pacifi c: Osama Abbasi ist neuer<br />
CEO als Nachfolger von Kai Nargolwala,<br />
der künftig als Chairman<br />
wirkt. Bereits auf Anfang Juli hat<br />
Eric Varvel die von ihm ad interim<br />
wahrgenommene Leitung des Investment<br />
Banking definitiv übernommen;<br />
Paul Calello unterstützt ihn<br />
als Chairman I nvestment Banking.<br />
Wie bisher führen Walter Berchtold<br />
das Private Banking und Robert<br />
Shafir das Asset Management. Zur<br />
Entlastung von Robert Shafir wirkt<br />
nun Antonio Quintella als CEO<br />
Americas. Nachfolger von Eric Varvel<br />
als CEO Europe, Middle East<br />
and Africa ist Fawzi Kyriakos-Saad.<br />
Zertifi kate für Kundenberater<br />
Gezielte Weiterbildung<br />
Die Qualität der Mitarbeitenden ist<br />
auch im Bankwesen das wichtigste<br />
Unterscheidungskriterium im globalen<br />
Wettstreit. Dies gilt insbeson -<br />
dere für die weltweit 4000 Private<br />
Banking Kundenberater der Credit<br />
Suisse. Sie sollen bis Ende 2012<br />
das anspruchsvolle Weiterbildungsprogramm<br />
FLT (Front Line Training)<br />
absolvieren und ein entsprechendes<br />
Zertifi kat erhalten. Ende August<br />
wurde in Singapur die Pilotphase<br />
mit der Übergabe der ersten<br />
30 Zertifikate abgeschlossen.<br />
Energiesparen ohne Komforteinbusse<br />
Klimaschutz geht alle an<br />
Die Credit Suisse arbeitet seit<br />
diesem Sommer weltweit treibhausgasneutral.<br />
Da die getroffenen und<br />
geplanten Massnahmen ohne die<br />
Mithilfe der Mitarbeitenden nicht<br />
optimal ungesetzt werden können,<br />
ist deren Sensibilisierung ein zentraler<br />
Bestandteil der 2007 lancierten<br />
Initiative Credit Suisse Cares for<br />
Climate. So fand beispielsweise<br />
Ende Juni in Zürich eine Podiumsdiskussion<br />
mit externen und internen<br />
Fachexperten statt, darunter<br />
Thomas Vellacott, Programmleiter<br />
WWF Schweiz. Zudem erhalten<br />
die Mitarbeitenden über ein neues<br />
Schulungstool einfache Tipps<br />
darüber, wie man im geschäftlichen<br />
und privaten Alltag ohne grosse<br />
Komforteinbussen Energie einsparen<br />
kann.<br />
www.credit-suisse.com/<br />
verantwortung<br />
Texte: Mandana Razavi, Stefanie<br />
Schmid, Andreas Schiendorfer<br />
Anzeige<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
32 Credit Suisse Global<br />
Der Schutz des<br />
Regenwalds ist ein<br />
Gebot der Stunde<br />
1<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Global Credit Suisse 33<br />
Zwei Drittel aller Tier- und<br />
Pflanz enarten leben im Wald.<br />
Die fortschreitende globale<br />
Entwaldung ist deshalb existenzbedrohend<br />
für Fauna und Flora –<br />
doch auch für die Menschen.<br />
Wir sind auf eine funktionierende<br />
grüne Lunge angewiesen. Die<br />
gemeinnützige Stiftung Symphasis<br />
unterstützt die Erhaltung<br />
des Urwalds in Madagaskar.<br />
2<br />
Antananarivo<br />
Marolambo<br />
Fandriana<br />
Fianarantsoa<br />
Toliara<br />
Fotos: Martina Lippuner, WWF Madagaskar | WWF Madagaskar<br />
Eigenartig: Die Wissenschaft weiss besser<br />
Bescheid über die Zahl der Sterne in unserer<br />
Galaxie als über die Zahl der Tier- und Pflanzenarten<br />
auf der Erde. Rund 1,7 Millionen<br />
Spezies sind bislang klassifiziert, doch gehen<br />
die meisten Schätzungen von 8 bis 15 Millionen<br />
aus. Lediglich Säugetiere, höhere Pflanzen<br />
und Vögel hat man bereits relativ gut<br />
erforscht. Daran hat auch das laufende<br />
UNO-Jahr der Biodiver sität nichts geändert.<br />
Aber es hat, verbunden mit den allgemeinen<br />
Diskussionen über die Klimaerwärmung, in<br />
weiten Kreisen für eine erhöhte Sensibilität<br />
gesorgt. Unbestritten ist nämlich die Feststellung,<br />
dass die Umweltschäden unserer<br />
Epoche eine Rekordzahl von Tier- und Pflanzenarten<br />
an die Grenze des Über lebens und<br />
darüber hinaus drängen. Verantwortlich für<br />
diese Zerstörung ist vorrangig der Mensch.<br />
Während Jahrhunderten bildeten das<br />
Fällen von Bäumen zur Ausdehnung der<br />
Nahrungsmittelproduktion und die Nutzung<br />
von Waldprodukten lebenswichtige Teile der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.<br />
Doch in den letzten Jahren ist das Gleichgewicht<br />
völlig aus den Fugen geraten. Indonesien<br />
etwa hat zwischen 1990 und 2006<br />
einen Viertel seiner Waldfläche verloren;<br />
auf Madagaskar, der viertgrössten Insel der<br />
Welt, sind heute sogar nur noch zehn Prozent<br />
der früheren Waldfläche vorhanden. Damit<br />
geht nicht nur Lebensraum für Tiere und<br />
Pflanzen verloren, damit nimmt nicht nur<br />
die Leistung der grünen Lunge ab, sondern<br />
es werden auch allein durch die Brandrodung<br />
jährlich rund 1,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff<br />
verursacht, etwa ein Fünftel der<br />
vom Menschen produzierten Treibhausgas-<br />
Emissionen. Täglich führt die globale Entwaldung<br />
zu gleich grossen CO 2 -Emissionen,<br />
wie wenn Millionen von Menschen in Düsenflug<br />
zeugen von London nach New York reisen<br />
würden. «Wenn wir die Weltkarte der ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
34 Credit Suisse Global<br />
Schutz des Urwalds Im Herbst<br />
2007 meldete sich ein umweltbewusster<br />
Kunde der Credit Suisse,<br />
weil er auf möglichst unkomplizierte<br />
Art und Weise einen Beitrag<br />
zur Rettung des Urwalds leisten<br />
wollte. Die gemeinnützige Stiftung<br />
Symphasis erwies sich hierfür<br />
als idealer Partner. Der Kunde<br />
nützte die Möglichkeit, eine Unter -<br />
stiftung zu schaffen, und wählte<br />
dazu den Namen Fonds Pro tection<br />
des forêts tropicales. Die subs -<br />
tanziellen Donationen des Gründers<br />
erlaubten es, bislang fünf<br />
Projekte des WWF Schweiz namhaft<br />
mit zufinan zieren. Konkret<br />
ging (und geht) es um die Tropenwälder<br />
des Amazonasgebiets in<br />
Peru und Brasilien sowie in<br />
Borneo und Madagaskar (siehe<br />
Artikel nebenan).<br />
Kochen mit Solarenergie<br />
Die Stiftung Sym phasis hat in<br />
Madagaskar auch ein Projekt der<br />
Schweizer Hilfsorganisation<br />
ADES (Association pour le Développement<br />
de l’Energie Solaire,<br />
Suisse) unterstützt. ADES gibt<br />
der einkommensschwachen<br />
Be völkerung im Lande selbst<br />
her gestellte Solarkocher verbilligt<br />
ab, so dass diese bereits nach<br />
knapp einem halben Jahr amortisiert<br />
sind. Damit werden nicht<br />
nur Arbeitsplätze geschaffen,<br />
sondern auch ein umweltfreundliches<br />
und günstiges Kochen<br />
gefördert. Mehr Informationen<br />
unter www.adesolaire.org.<br />
Biodiversitäts-Hotspots anschauen, so befinden<br />
sich diese vor allem in Entwicklungsund<br />
Schwellenländern. Hier müssen wir uns<br />
engagieren, keine Frage», erklärt Dieter Imboden,<br />
eme ritierter Pro fes sor für Umweltphysik<br />
an der ETH Zürich und Vorsitzender<br />
der Vergabungskommission des Fonds Protection<br />
des forêts tropicales. «Doch Naturschutz<br />
darf nicht allein aus Verboten bestehen.<br />
Gerade in diesen Ländern, wo die<br />
Verdienstmög lichkeiten der lokalen Bevölkerung<br />
eingeschränkt sind, sollten Verbote<br />
zum Schutz der Umwelt mit alternativen Einkommensmöglichkeiten<br />
kombiniert werden.»<br />
Und das wiederum bedingt, zumindest in<br />
einer Übergangsphase, beträchtliche finanzielle<br />
Ressourcen. Die von der Credit Suisse<br />
finanziell unterstützten Kundenstiftungen<br />
haben in den letzten zehn Jahren 82 Pro jekte<br />
aus dem Bereich Natur und Ökologie unterstützt,<br />
fünf davon betreffen die Rettung des<br />
Urwalds in Madagaskar, Brasilien, Peru und<br />
Borneo.<br />
«Um die Gelder möglichst effizient einzusetzen,<br />
arbeiten wir stets mit kompetenten<br />
und verlässlichen Partnern zusammen», betont<br />
Geschäftsführer Daniel Otth. Bei den<br />
genannten Urwaldprojekten ist dies der WWF<br />
Schweiz, der eng mit lokalen Organisationen<br />
kooperiert. «Zahlungen zugunsten der von<br />
uns mitgetragenen Projekte erfolgen in Raten,<br />
abhängig von den Projektfortschritten.»<br />
Ein Waldstreifen wird zum Nationalpark<br />
Im lokalen Reisanbau auf Madagaskar wurden dank<br />
entsprechender Beratung die Erträge verdoppelt.<br />
Im Falle von Madagaskar unterstützte Symphasis<br />
zunächst ein einjähriges Pilotprojekt.<br />
Da der Schlussbericht zufriedenstellend ausfiel<br />
und eine Entwicklung in die gewünschte<br />
Richtung feststellbar war, wird nun auch das<br />
Folgeprojekt, das bis 2013 dauert, mitfinanziert.<br />
Und worum geht es konkret ? Die Regierung<br />
von Madagaskar hat 2003 in der so<br />
genannten Durban-Vision den Willen bekundet,<br />
die Schutzgebiete wieder auf zehn<br />
Prozent des Landes zu vergrössern. Im vorliegenden<br />
Projekt ist die Organisation Madagaskar<br />
National Park seit Mai 2008 daran,<br />
im Gebiet von Fandriana-Marolambo aus<br />
einem noch weitgehend intakten 180 Kilometer<br />
langen Waldgürtel einen 80 000 Hektaren<br />
umfassenden Nationalpark zu bilden.<br />
Dazu wird eine Fläche von 500 bis 800 Hektaren<br />
aktiv aufgeforstet und eine Fläche<br />
von 5000 Hektaren für die passive Regeneration<br />
ausgeschieden. Hier – etwa 150 Kilometer<br />
südöstlich der Hauptstadt Antananarivo<br />
– leben nicht weniger als 13 Lemurenarten,<br />
darunter der Lemur Katta (1) und der<br />
Sifaka (2), 30 Arten von Kleinsäugern, 29<br />
verschiedene Reptilien, 64 Amphibienarten<br />
sowie 280 unterschiedliche Pflanzen. Über<br />
80 Prozent dieser Arten sind Endemiten, das<br />
heisst, man findet sie nur auf Madagaskar,<br />
und viele von ihnen sind akut gefährdet.<br />
Letztlich profitiert immer der Mensch<br />
Neben Fauna und Flora geht es aber auch<br />
um die in der Region des zukünftigen Nationalparks<br />
lebende lokale Bevölkerung. Direkt<br />
involviert sind ungefähr <strong>10</strong>0 Haushalte und<br />
Bauernvereinigungen, indirekt die gesamte<br />
Region mit 120 000 Bewohnern. «Unser<br />
Hauptanliegen ist die Erarbeitung von alternativen<br />
wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
für die Bevölkerung, die durch die<br />
Nutzungsbeschränkungen im Parkgebiet auf<br />
neue Einkommensquellen angewiesen ist»,<br />
führt Doris Calegari, Projektverantwortliche<br />
beim WWF Schweiz, aus. «Ohne dies hätte<br />
der Nationalparkaufbau keine Chance – und<br />
würde auch keinen Sinn machen.»<br />
So wurden zusammen mit innovativen<br />
Bauern neue Anbautechniken von Reis angewandt<br />
sowie neue Reissorten angepflanzt.<br />
Dadurch konnten die Erträge verdoppelt werden.<br />
Auch förderte man neue Produkte wie<br />
Vanille oder Kartoffeln und baute erste dorfeigene<br />
Baumschulen auf. Dank entsprechenden<br />
Weiterbildungskursen – auch über die<br />
Gefährdung und den Nutzen des Urwalds –<br />
soll nun die gesamte Bevölkerung profitieren.<br />
Ein erster Hoffnungsschimmer mit Blick auf<br />
das UNO-Jahr der Wälder 2011. schi<br />
www.symphasis.ch; www.wwf.ch<br />
Fotos: Doris Calegari, WWF Schweiz | Sebastian Schiendorfer<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Global Credit Suisse 35<br />
Hohe Auszeichnung für<br />
die Credit Suisse<br />
Die Credit Suisse hat es sich zum Ziel gesetzt, die renommierteste Bank der<br />
Welt zu sein. Diesem Anspruch ist man – laut «Euromoney» – einen erheblichen<br />
Schritt nähergekommen. Insgesamt erhielt die Credit Suisse 16 Auszeichnungen,<br />
darunter jene als «Best Global Bank 20<strong>10</strong>», «Best Emerging Markets<br />
Investment Bank 20<strong>10</strong>» sowie «Best Bank in Switzerland 20<strong>10</strong>».<br />
Die Credit Suisse hat die Krise sehr gut überstanden<br />
und ist dank der Senkung des Risikos<br />
im Investment Banking und vor allem<br />
dank ihrer ausgesprochenen Kundenorientierung<br />
dem Ziel, die renommierteste Bank<br />
der Welt zu sein, nochmals nähergekommen.<br />
Dies bestätigte Mitte Juli die wichtige Londoner<br />
Fachzeitschrift «Euromoney».<br />
Eine der bestgeführten Banken der Welt<br />
Die Credit Suisse hat nicht zum ersten Mal<br />
Auszeichnungen von «Euromoney» erhalten.<br />
So ging beispielsweise der begehrte Award<br />
«Best Bank in Switzerland» bereits in den<br />
Jahren 2007, 2008 und 2009 an die Credit<br />
Suisse; doch den wichtigsten Titel einer «Best<br />
Global Bank» bekam man 20<strong>10</strong> erstmals zugesprochen.<br />
«Mit der erfolgreichen Umsetzung<br />
einer neuen Strategie und hohen Erträgen,<br />
die auf Basis eines Geschäftsmodells<br />
mit deutlich reduzierten Risiken erzielt worden<br />
sind, ist die Credit Suisse heute wohl<br />
eine der bestgeführten Banken der Welt »,<br />
hält «Euromoney» fest. «Inzwischen versuchen<br />
viele andere Banken, dieses Modell<br />
nachzuahmen – wenn nicht als getreues<br />
Abbild, dann doch zumindest in Teilen. Die<br />
Zahlen sprechen denn auch für sich selbst:<br />
Die Kernkapitalquote lag im ersten Quartal<br />
dieses Jahres bei 16,4 Prozent – das ist der<br />
höchste Wert in der Branche; die risikogewichteten<br />
Aktiven (USD 218 Mrd.) waren die<br />
geringsten in der Vergleichsgruppe.»<br />
Mit dem Award «Best Emerging Markets<br />
Investment Bank» würdigte «Euromoney» die<br />
starke Präsenz der Credit Suisse in Schwellenländern.<br />
Dabei hob das Fachmagazin die<br />
Einführung des bankweiten Emerging Markets<br />
Council Ende 2009 als Schlüsselfaktor<br />
für die Vernetzung der Märkte hervor.<br />
In der Schweiz nach wie vor führend<br />
Der anhaltende Zufluss von Netto-Neugeldern<br />
sowie die verstärkte Zusammenarbeit<br />
und die gegenseitige Vermittlung zwischen<br />
den Divisionen Private Banking, Investment<br />
Banking und Asset Management führte dazu,<br />
dass die Credit Suisse zum vierten Mal in<br />
Folge den Titel «Best Bank in Switzerland»<br />
führen darf. Hinzu kommen mit «Best Debt<br />
House in Switzerland» und «Best M & A House<br />
in Switzerland» zwei weitere Awards. Letztere<br />
Auszeichnung verdankt die Credit Suisse<br />
der Erfolgsbilanz bei inländischen und grenzüberschreitenden<br />
Transaktionen.<br />
Alles in allem erhielt die Credit Suisse über<br />
ein Dutzend Regionen- und Länderauszeichnungen,<br />
so zusätzlich zu den bereits genannten<br />
viermal als «Best Investment Bank», fünfmal<br />
als «Best M & A House» und zweimal als<br />
«Best Equity House».<br />
Das ist ein Grund zur Freude, wie Verwaltungsratspräsident<br />
Hans-Ulrich Doerig<br />
und Vize präsident Urs Rohner gegenüber<br />
den rund 49 000 Mitarbeitenden betonten.<br />
Sie wiesen jedoch darauf hin, dass es sich<br />
um die Anerkennung von Leistungen vergangener<br />
Geschäftsperioden handelt: «Um in<br />
Zukunft erfolgreich zu sein, müssen wir fokussiert<br />
bleiben und weiterhin flexibel auf Veränderungen<br />
in unserer Branche reagieren.»<br />
Hohe Ziele weitgehend erreicht<br />
«Wir leisten einen aktiven Beitrag zur Schaffung<br />
eines widerstandsfähigeren und stabileren<br />
Finanzsystems, indem wir Kunden in<br />
einem schwierigen Marktumfeld unterstützen<br />
und einen offenen und konstruktiven Dialog<br />
mit den Aufsichtsbehörden führen», erklärte<br />
CEO Brady W. Dougan in seinem Kommentar<br />
zum zweiten Quartal. «Dabei setzen wir uns<br />
insbesondere für international abgestimmte<br />
Regeln zur Bankenaufsicht ein.»<br />
Im ersten Halbjahr – die Zahlen für das<br />
dritte Quartal werden am 21. Oktober präsentiert<br />
– erwirtschaftete die Credit Suisse<br />
einen Reingewinn von 3,7 Milliarden Schweizer<br />
Franken, verzeichnete eine Eigenkapitalrendite<br />
von 20,1 Prozent und konnte Netto-<br />
Neugelder in der Höhe von 40,5 Milliarden<br />
Franken anziehen. Die Erträge aus divisionsübergreifenden<br />
Aktivitäten erreichten bislang<br />
weit über 2 Milliarden Franken. schi<br />
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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
36 Credit Suisse Global<br />
Dem Mythos auch 20<strong>10</strong> gerecht geworden<br />
«Wo Gott und Mensch zusammenstossen, entsteht Tragödie» lautete das Motto der Salzburger<br />
Festspiele, die ganz im Zeichen des Doppeljubiläums «90 Jahre Festspiele» und «50 Jahre Grosses<br />
Festspielhaus» standen. Wurden auch Tragödien thematisiert, so fällt die Bilanz doch alles andere<br />
denn tragisch aus: Die 250 Veranstaltungen waren unisono sehr gut besucht (Auslastung 95 Prozent)<br />
und stiessen allenthalben auf ein äusserst positives Echo. Und auch die Finanzen stimmen:<br />
Dank 249 730 Besuchern aus 73 Nationen, darunter zunehmend Gäste aus der Region Asien-Pazifik,<br />
resultierten Gesamteinnahmen von 24,5 Millionen Euro. Der Überschuss der vier jährigen Intendanz<br />
von Jürgen Flimm stieg damit auf 8 Millionen Euro. Eine Benefizveranstaltung für die notleidende<br />
Bevöl kerung in Pakistan erbrachte zudem 300 000 Euro.<br />
1<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Global Credit Suisse 37<br />
1 Dionysos: Die am 27. Juli uraufgeführte<br />
Oper «Dionysos» von Wolfgang Rihm übertraf alle<br />
Erwartungen – und die waren hoch gesteckt.<br />
Die Premierenbesucher spürten, dass sich der<br />
deutsche Komponist 15 Jahre lang intensiv<br />
mit dem Stoff beschäftigt hatte. Erfreulicherweise<br />
kann auch moderne Musik ihr Publikum finden:<br />
Die Auslastung der vier Aufführungen betrug<br />
stolze 85 Prozent. Als «N.» (Nietzsche) begeisterte<br />
Johannes Martin Kränzle.<br />
2 Hoher Sopran: 2009 schon in Händels<br />
«Theodora» überzeugend, machte Kränzle auf<br />
Mojca Erdmann (1. hoher Sopran) sichtlich<br />
Eindruck. Die Sopranistin steht seit 2006 und<br />
ihren Auftritten als Zaide, in Mozarts gleichnamiger<br />
Oper, und als Zelmira, in Haydns<br />
«Armida», in der Gunst des Publikums.<br />
3 Sommerbegegnung: Die jeweils im Vorfeld<br />
einer Opernpremiere durchgeführte Sommerbegegnung<br />
der Credit Suisse widmete sich 20<strong>10</strong><br />
im Haus für Mozart der Oper «Dionysos». Dabei<br />
überzeugte der Komponist Wolfgang Rihm (Bildmitte)<br />
vor über <strong>10</strong>0 Medienvertretern auch als Rhetoriker.<br />
Sitzend standen ihm zur Seite: Intendant Jürgen<br />
Flimm, Dirigent Ingo Metzmacher, Bühnenbildner<br />
Jonathan Meese und Regisseur Pierre Audi<br />
(von links).<br />
4 Young Singers Project: Dem Nachwuchs<br />
zu praktischer Bühnenerfahrung zu verhelfen, ist<br />
das Ziel des Young Singers Project, dessen<br />
Leitung die bekannte Opernsängerin Marjana<br />
Lipovšek von Michael Schade übernommen hat.<br />
Hier dirigiert sie die amerikanische Mezzosopranistin<br />
Emily Righter.<br />
5 Meisterklassen: Neben zahlreichen Stunden<br />
unter Ausschluss der Öffentlichkeit standen<br />
für die Young Singers auch vier gut besuchte<br />
Meister klassen auf dem Programm – mit Christa<br />
Ludwig, Marjana Lipovšek, Sir Thomas Allen<br />
und Jürgen Flimm. Dem Intendanten war die Nach -<br />
wuchsförderung stets ein besonderes Anliegen.<br />
Hier beobachtet er die deutsche Sopranistin<br />
Regine Isabelle Sturm und den italienischen Bariton<br />
André Schuen.<br />
6 Abschlusskonzert: Wie schon 2009 wurde<br />
der abschliessende Konzertabend im Mozarteum<br />
mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Leitung<br />
von Ivor Bolton zu einem unvergesslichen Erlebnis.<br />
Dies auch für die irische Sopranistin Claudia Boyle<br />
und den italienischen Tenor Antonio Poli.<br />
2<br />
3<br />
4 5<br />
Fotos: Ruth Walz | Wolfgang Lienbacher | Silvia Lelli | Salzburger Festspiele<br />
6<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
38 Credit Suisse Global<br />
Sydney Symphony: Im Kreis<br />
der weltbesten Orchester<br />
Das Klassikengagement der Credit Suisse in der Region Asien-Pazifik umfasste<br />
bislang das Beijing Music Festival und das Hong Kong Arts Festival sowie das<br />
Bangkok Symphony Orchestra. Nun ist das Sydney Symphony dazugestossen.<br />
John C. Conde, Chairman des Sydney Symphony,<br />
lächelt. Er sei, meint er mit Blick auf<br />
das Konzertprogramm, eine Art Botschafter<br />
Beethovens. Die Botschaft kommt an. Das<br />
Klavierkonzert Nr. 5 («Emperor ») zählt unbestritten<br />
zu den Höhepunkten des Lucerne<br />
Festival. Hélène Grimaud, artiste étoile, interpretiert<br />
das während der Bombardierung<br />
Wiens durch Napoleon entstandene Werk<br />
nicht mit Heldengetöse, sondern leichter,<br />
zweiflerischer, lässt durch ihre Magie der<br />
leisesten Töne die Zeit stillstehen – kongenial<br />
begleitet durch das Orchester. Das verwundert<br />
nicht, denn Chefdirigent Vladimir<br />
Ashkenazy ist ja selbst ein begnadeter Pianist.<br />
Doch das Sydney Symphony liebt es hin<br />
und wieder durchaus auch einmal bombastisch,<br />
in Luzern unüberhörbar bei Tschaikowskys<br />
Manfred-Sinfonie. Oder bei den<br />
Gustav-Mahler-Konzerten. «Dass Vladimir<br />
Ashkenazy mit uns in den beiden Jubiläumsjahren<br />
sämtliche Sinfonien und die wichtigsten<br />
Lieder von Gustav Mahler einspielt, erfüllt<br />
uns mit Stolz. Das ist ein grossartiges Projekt»,<br />
erklärt Managing Director Rory Jeffes<br />
beim Betrachten der neusten, gleichsam<br />
noch druckfrischen «Sinfonie der Tausend».<br />
Auf den Vergleich mit dem ebenfalls hervorragenden<br />
Mahler-Zyklus des Tonhalle-Orchesters<br />
Zürich unter David Zinman darf man<br />
sich freuen.<br />
Botschafter Olympische Spiele 2000<br />
Gegründet 1932 als Nationales Rundfunksinfonieorchester<br />
und seit 1946 unter dem<br />
Namen Sydney Symphony Orchestra bekannt,<br />
konzentrierte sich das stetig grösser<br />
und besser werdende Sydney Symphony<br />
lange Zeit fast ausschliesslich auf Australien.<br />
Europa etwa besuchte das Sydney Symphony<br />
lediglich 1974 und 1995. Deshalb wurde es<br />
erst als kultureller Botschafter der Olympischen<br />
Spiele 2000 in Sydney weltweit<br />
bekannt. Nach dem riesigen Erfolg der<br />
Konzerte in Stresa, Luzern, London, Wiesbaden,<br />
Bremen, Amsterdam, Edinburgh und<br />
Grafenegg wird man jedoch sicher nicht mehr<br />
so lange auf den nächsten Besuch warten<br />
müssen, auch wenn sich das Orchester ebenso<br />
sehr in Richtung Asien orientiert.<br />
Beispielhafte Nachwuchsförderung<br />
1<br />
2<br />
1 Das Sydney Symphony vor dem weltberühmten Sydney Opera House. 2 Im Rahmen ihrer<br />
Europatournee begeisterte das Orchester mit Hélène Grimaud am Lucerne Festival.<br />
David Livingstone, CEO Credit Suisse Australia,<br />
konnte am 17. August, kurz vor Tourneestart,<br />
eine Partnerschaft mit dem Sydney<br />
Symphony bekanntgeben, und damit das<br />
erste grössere Engagement der Credit Suisse<br />
in Australien. «Das Orchester hat in den letzten<br />
zehn Jahren enorme Fortschritte erzielt<br />
und sich von einem nationalen Spitzenorchester<br />
zu einem Orchester von Weltrang<br />
entwickelt », erläutert Tony J. Krein, Leiter<br />
Corporate Cultural Sponsorship der Credit<br />
Suisse, «zudem führt das Orchester ein bemerkenswertes<br />
Nachwuchsförderungsprogramm<br />
durch, das wir gerne mitunterstützen.»<br />
Im Rahmen des Sydney-Symphony-<br />
Fellowship-Programms werden neun der<br />
besten australischen Nachwuchsmusiker<br />
ein Jahr lang in allen Bereichen ausgebildet,<br />
die einen Orchester musiker auszeichnen.<br />
Eine Anstellungsgarantie besteht zwar nicht,<br />
doch haben die Teilnehmer anschliessend<br />
wenig Mühe, eine Anstellung in einem guten<br />
Orchester zu fi nden. schi<br />
Fotos: Keith Saunders, Sydney Symphony | Georg Anderhub, Lucerne Festival<br />
<strong>bull</strong>etin 4 /<strong>10</strong> Credit Suisse
Global Credit Suisse 39<br />
fashion<br />
meets<br />
function<br />
Canaletto, Bacino di San Marco, um 1738 –39, Öl auf Leinwand, 124,5 x 2<strong>04</strong>,5 cm, Museum of Fine Arts,<br />
Boston MA. Abbott Lawrence Fund, Seth K. Sweetser Fund und Charles Edward French Fund.<br />
In London den besten<br />
«Fotografen» des alten<br />
Venedig wiederbegegnen<br />
Canaletto erfreut sich in England derart grosser Beliebtheit, dass es erstaunt,<br />
dass dort noch nie eine Ausstellung dem Thema «Venedig in Bildern» gewidmet<br />
war. Die National Gallery in London holt dies nun auf eindrückliche Weise nach.<br />
Die Adelsrepublik Venedig spielte vom<br />
7. Jahrhundert bis zur Niederlage gegen<br />
Napoleon Bonaparte 1797 eine wichtige<br />
Rolle, vor allem als diplomatisch geschickte<br />
Handels- und Finanzmacht. Doch auch kunsthistorisch<br />
ist Venedig zur Zeit der Renaissance<br />
und des Barock als «Gegenpol» zu<br />
Florenz von Bedeutung. Daran erinnern Namen<br />
wie Carpaccio, Giovanni Bellini, Tizian,<br />
Tintoretto oder Giovanni Battista Tiepolo.<br />
Und natürlich Canaletto, ein Künstlername,<br />
der gleich zweimal benutzt wurde, von Giovanni<br />
Antonio Canal (1697–1768) und etwas<br />
später von seinem als Maler weniger bedeutenden<br />
Neffen Bernardo Belloto (1721–1780).<br />
Canaletto ist der bekannteste italienische<br />
Vedutenmaler, der sich nach anfänglicher<br />
Tätigkeit als Bühnenmaler darauf spezialisierte,<br />
seine Heimatstadt in detailreichen und<br />
fast fotografisch genauen Ansichten darzustellen,<br />
wohl unter Zuhilfenahme der Camera<br />
obscura. Zahlreiche Söhne des europäischen<br />
Adels kauften auf ihrer «Grand Tour », der obligatorischen<br />
Bildungsreise zu den wichtigsten<br />
Kulturstädten, venezianische Veduten als<br />
hochwertige Erinnerungsbilder in einer Zeit,<br />
in der es noch keine Postkarten gab. Besonders<br />
beliebt waren Canalettos Werke bei den<br />
Engländern, vermittelt durch den geschäftstüchtigen<br />
englischen Konsul in Venedig,<br />
Joseph Smith, aber auch zusätzlich verbreitet<br />
durch einen zehn Jahre dauernden Englandaufenthalt<br />
Canalettos, während dessen er<br />
den Duke of Richmond als Mäzen gewann.<br />
Beim Betrachten seiner Bilder scheint die<br />
Zeit stillzustehen, denn der Stadtkern der<br />
«Serenissima», der «Allerdurchlauchtesten»,<br />
hat sich bis heute kaum verändert. Vielleicht<br />
war dies sogar ein Anliegen Canalettos in<br />
einer Epoche des schleichenden Niedergangs<br />
seiner Republik: die Zeit anzuhalten.<br />
Canalettos Bilder sind indes weit mehr als<br />
gemalte Fotografien, sind, dank ihrer starken<br />
Kontraste von Licht und Schatten, unverwechselbar.<br />
In der Ausstellung «Venice: Canaletto<br />
and His Rivals» kommt ihre magische<br />
Ausstrahlung vorzüglich zur Geltung. schi<br />
«Canaletto and His Rivals». Werke von<br />
Canaletto, Luca Carlevarijs, Gaspar van Wittel,<br />
Michele Marieschi, Bernardo Belloto,<br />
Francesco Guardi, Antonio Joli, Pietro Bellotti,<br />
Francesco Tironi und Giambattista Cimaroli.<br />
National Gallery, London. 13. Oktober 20<strong>10</strong> –<br />
16. Januar 2011. National Gallery of Art,<br />
Washington, 20. Februar–30. Mai 2011.<br />
Die Credit Suisse ist Partnerin der National<br />
Gallery.<br />
C L A S S I C<br />
HANDMADE<br />
IN SWITZERLAND<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
40 Credit Suisse Schweiz<br />
Credit Suisse Schweiz<br />
Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />
Partnerschaft mit Zurich Leben<br />
Lebensversicherungen<br />
erweitern Vorsorgeangebot<br />
«Die Credit Suisse trägt den sich<br />
wandelnden Kundenbedürfnissen in<br />
der Vorsorgeberatung Rechnung<br />
und ist deshalb auf den 1. Oktober<br />
mit Zurich Leben Schweiz eine<br />
Partnerschaft eingegangen»,<br />
erklärt Hanspeter Kurzmeyer, Leiter<br />
Privatkunden Schweiz der Credit<br />
Suisse. «Im Fokus stehen Versicherungsprodukte,<br />
die einen Spar- und<br />
Fondsanteil beinhalten und im Einklang<br />
mit unserem Ansatz zur ganzheitlichen<br />
Beratung stehen.» Dank<br />
dieser Partnerschaft können die<br />
Lebensversicherungen Life Invest,<br />
Live Classic und Life Plan zu<br />
besonders günstigen Konditionen<br />
angeboten werden.<br />
www.credit-suisse.com/vorsorge<br />
i-factory im Verkehrshaus in Luzern<br />
i-days 20<strong>10</strong>: Informatik<br />
bewegt die Schweiz<br />
Das Verkehrshaus der Schweiz,<br />
das jährlich beinahe eine Million<br />
Besucher zählt, realisiert mit der<br />
i-factory eine Ausstellung zu grundlegenden<br />
Prinzipien der Informatik,<br />
die mindestens fünf Jahre lang<br />
gezeigt wird. Zur Eröffnung finden<br />
in Luzern vom 18. bis 20. November<br />
die Tage der Informatik, die so<br />
ge nannten i-days, statt. «Als Presenting<br />
Partner wollen wir Kinder<br />
und Jugendliche im Alter von<br />
11 bis 18 Jahren für die Informatik<br />
Anzeige<br />
begeistern und gleichzeitig aufzeigen,<br />
dass die Credit Suisse<br />
zu den wichtigsten IT-Arbeit gebern<br />
in der Schweiz zählt. Wir beschäftigen<br />
allein in der Schweiz über<br />
4000 IT-Mitarbeitende, und eigentlich<br />
ist der Bedarf noch höher »,<br />
führt Karl Landert aus. Welch hohen<br />
Stellenwert die IT für die Credit<br />
Suisse hat, beweist allein die<br />
Tatsache, dass Karl Landert als<br />
IT-Verantwortlicher Mitglied der<br />
Geschäftsleitung ist. Zur IT-Förderung<br />
investiert die Credit Suisse<br />
jährlich mehr als zehn Millionen<br />
Franken, beispielsweise ins<br />
IT- Ent wick lungszentrum im «Quartier<br />
de l’innovation» der Eidge -<br />
nössischen Technischen Hochschule<br />
in Lausanne (EPFL), wo bis<br />
Ende 2011 rund 250 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden.<br />
www.ictswitzerland.ch;<br />
www.verkehrshaus.ch<br />
<strong>10</strong> Jahre Venture Incubator<br />
Startkapital für<br />
Hochschul-Spin-offs<br />
Ende der 1990er-Jahre entschieden<br />
sich die ETH Zürich und die<br />
Consultinggesellschaft McKinsey &<br />
Company, eine Investmentgesellschaft<br />
zu initiieren, die vielversprechende<br />
Jungunternehmer – insbesondere<br />
aus dem universitären<br />
Umfeld – mit Geld und Fachwissen<br />
unterstützt. Für den Risikokapitalfonds<br />
Venture Incubator konnten<br />
zehn Schweizer Grossunternehmen<br />
gewonnen werden, darunter die<br />
Credit Suisse, die jeweils zehn<br />
Millionen Schweizer Franken zur<br />
Verfügung stellten. Venture<br />
Incubator entwickelte sich zu einer<br />
erfreulichen Erfolgsgeschichte:<br />
In zehn Jahren wurden <strong>10</strong>7 Millionen<br />
Franken in 34 Jungunternehmen<br />
investiert. Dadurch konnten bislang<br />
750 neue Arbeitsplätze geschaffen<br />
werden. Einige der unterstützten<br />
Firmen konnten bereits weiterverkauft<br />
werden. Venture Incubator<br />
erhielt so 53 Millionen Franken, um<br />
weitere zukunftsweisende Projekte<br />
zu unterstützen. Im Frühjahr 20<strong>10</strong><br />
haben die Gründungsunternehmen<br />
beschlossen, ihr zunächst auf<br />
zehn Jahre beschränktes Investment<br />
in ein «Evergreen»-Engagement<br />
umzuwandeln. Gefeiert<br />
wird das 1 0-Jahre-Jubiläum am<br />
23. November.<br />
www.vipartners.ch<br />
Theater PurPur<br />
Kreative Anlagen fördern<br />
Bei einem Theater mitspielen,<br />
seine eigenen Spiele erfinden oder<br />
mit Freunden malen und basteln:<br />
Das Theater PurPur in Zürich ermöglicht<br />
es Kindern und Jugendlichen<br />
seit 1996, ihre kreative<br />
Seite aktiv auszuleben. Im Zentrum<br />
steht dabei immer die Förderung<br />
eigener Ideen. Damit auch Kinder<br />
aus sozial schwächeren Familien an<br />
den Aktivi täten des Theaters teilnehmen<br />
können, ist mit Unterstützung<br />
des Jubiläumsfonds der<br />
Credit Suisse Foundation ein<br />
Sozialfonds eingerichtet worden.<br />
www.theater-purpur.ch<br />
1. Symposium und Buchvernissage der Alfred Escher-Stiftung<br />
Briefe von Alfred Escher bald elektronisch zugänglich<br />
Die Chargierten<br />
der Zofingia Zürich<br />
erweisen ihrem<br />
ehemaligen<br />
Centralpräsidenten<br />
Alfred Escher<br />
Reverenz, rechts:<br />
Prof. Dr. Joseph Jung.<br />
Mag sein, dass eine Zeit kommt, in der die Menschen nur noch per<br />
E-Mail und SMS miteinander korrespondieren und nicht mehr wissen,<br />
was ein Brief ist. Um die Persönlichkeiten und die Ereignisse des<br />
19. Jahrhunderts zu verstehen, ist das Studium von Briefen jedoch<br />
un abdingbar. Die Alfred Escher-Stiftung, für die Geschäftsführer<br />
Joseph Jung im Verlag Neue Zürcher Zeitung bereits viel beachtete<br />
Biografien von Alfred Escher und Lydia Welti-Escher herausgegeben<br />
hat, verfolgt auch ein ehrgeiziges Briefeditionsprojekt. Dem ersten,<br />
thematisch orientierten Band «Alfred Escher zwischen Lukmanier und<br />
Gotthard» mit 808 Seiten folgte im August der erste chronologische<br />
Band «Alfred Eschers Briefe aus der Jugend- und Studentenzeit.<br />
1831–1843», bearbeitet und kommentiert von Bruno Fischer, mit weiteren<br />
324 Seiten. Zuletzt sollen es sechs Bände sein. Und doch können<br />
damit nur ein Fünftel der bislang bekannten Briefe von und an Alfred<br />
Escher publiziert (und kommentiert) werden. Kein Wunder also, dass<br />
am 1. Symposium der Alfred Escher-Stiftung die Mitteilung sehr positiv<br />
aufgenommen wurde, bereits 2011 werde mit einer vollstän digen<br />
e-Edition begonnen.<br />
Ausführliche Informationen über die Publi kationen der Alfred<br />
Escher- Stiftung, fi ndet man unter www.credit-suisse.com /<strong>bull</strong>etin<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 41<br />
Fotos: Christoph Imseng, Keystone | Bernadette Helbling | Credit Suisse<br />
Business School<br />
Strichmännchen bildet<br />
Führungskräfte aus<br />
Das sympathische Strichmännchen<br />
Paul ist Hauptdarsteller einer Reihe<br />
von animierten Kurzfilmen, die<br />
das Leadership Institute der Business<br />
School in der Serie «Learn<br />
How, Learn Now» veröffentlicht.<br />
Die Clips sollen gegenwärtige und<br />
künftige Führungskräfte der<br />
Credit Suisse auf zeitgemässe Art<br />
für Managementthemen wie Motivation,<br />
Talent oder Feedback sensibilisieren.<br />
Jetzt wurde die Filmreihe<br />
von der Gesellschaft für Pädagogik<br />
und Information mit dem Comenius-EduMedia-Siegel<br />
20<strong>10</strong> für<br />
be sonders wertvolle didaktische<br />
Multi mediaprodukte ausgezeichnet.<br />
Neue Publikation<br />
Lehrpreise an Universitäten<br />
Lehrpreise prämieren Lehrleistungen,<br />
sind Anreize und Belohnungen<br />
und erheben den Anspruch,<br />
die Qualitätsentwicklung in der<br />
Lehre insgesamt zu unterstützen.<br />
In den letzten Jahren sind an vielen<br />
Universitäten Lehrpreise eingerichtet<br />
worden. Haben sie über den<br />
symbolischen Aspekt hinaus etwas<br />
bewirkt ? Dieser Frage geht das im<br />
September im Waxmann Verlag in<br />
Münster erschienene Buch «Ausgezeichnete<br />
Lehre!» nach. Es enthält<br />
den von Fritz Gutbrodt, Direk tor der<br />
Credit Suisse Foundation, verfassten<br />
Aufsatz «Fussnoten und Geistesblitze:<br />
Zur Motivation des Credit<br />
Suisse Award for Best Teaching».<br />
Gymnasiallehrer feiern Jubiläum<br />
Mittelschule hat Zukunft<br />
Der Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen<br />
und Gymnasiallehrer<br />
(VSG) feierte Ende August sein<br />
150-jähriges Bestehen. Für diesen<br />
von der Credit Suisse unterstützten<br />
Anlass in der Universität Bern konnte<br />
– neben dem Berner Regierungsrat<br />
Bernhard Pulver, dem Appenzeller<br />
Ständerat Ivo Bischofberger<br />
und der Freiburger Staatsrätin Isabelle<br />
Chassot – Jakob Kellenberger,<br />
der Präsident des IKRK, als Festredner<br />
gewonnen werden. Bei aller<br />
Jubi läumsfreude war indes der<br />
Blick vor allem nach vorne gerichtet:<br />
«Eine Zukunft für die Allgemeinbildung»<br />
lautet die nicht unbegründete<br />
Forderung des Vereins, und<br />
ein hochkarätiges Podium, unter<br />
anderem mit VSG-Präsident David<br />
Wintgens, widmete sich der Frage:<br />
«Welche Zukunft hat der Mittelschullehrberuf<br />
?». Erste Antworten<br />
fi ndet man im Internet.<br />
www.vsg-sspes.ch<br />
Direct Net zertifi ziert<br />
Online Banking barrierefrei<br />
Den Kontostand abfragen, Zahlungen<br />
tätigen, Anlagegeschäfte<br />
durchführen, die Entwicklung des<br />
eigenen Vermögens beobachten –<br />
und das schnell, rund um die Uhr<br />
und unabhängig vom eigenen<br />
Standort. Ein spezielles Bildschirmleseprogramm<br />
ermöglicht nun auch<br />
Menschen mit einer (Seh-)Behinderung<br />
den barrierefreien Zugang<br />
zum Direct Net der Credit Suisse.<br />
Die einprogrammierten Beschreibungstexte<br />
werden entweder<br />
auf der Braille-Zeile einer speziellen<br />
Tastatur angezeigt oder laut<br />
vom Computer vorgelesen. Befehle<br />
können von den Anwendern mit<br />
rund 150 verschiedenen Tastenkombinationen<br />
blitzschnell ausgeführt<br />
werden. So erlangen auch<br />
Menschen mit Behinderung ein<br />
Stück Integration und Freiheit. Im<br />
August hat das Direct Net nun<br />
bereits zum zweiten Mal die Zerti fizierung<br />
«Access for all – Zugang<br />
für alle» von der Schweizerischen<br />
Stiftung zur behinderten gerechten<br />
Technologienutzung erhalten.<br />
Europa Forum Luzern<br />
Kompetitiv dank Bildung,<br />
Forschung und Innovation<br />
Acht der 27 Studentinnen und Studenten des Instituts auf dem<br />
Rosenberg, die am Anlass «Invest in Your Future» teilnahmen.<br />
Auf dem Rosenberg lässt es sich lernen<br />
Das Institut auf dem Rosenberg in St. Gallen, gegründet<br />
1889, zählt weltweit zu den renommiertesten Privatschulen<br />
und bietet eine multikulturelle und mehrsprachige<br />
Schul gemeinschaft, die sich durch ein lebenslanges,<br />
ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl auszeichnet.<br />
So besuchte kürzlich der mexikanische Nobelpreisträger<br />
für Chemie, Mario J. Molina, seine ehemalige Schule.<br />
Die Verbindung von Tradition und Disziplin garantiert eine<br />
Erziehung nach dem Motto «Wer morgen das Sagen<br />
haben will, muss sich heute etwas sagen lassen können».<br />
Das fällt nicht immer so leicht wie beim mit der Credit<br />
Suisse durchgeführten Event «Invest in Your Future».<br />
Die beiden St. Galler Hochschuldozenten Daniel Heine<br />
und Wolfgang Jenewein verstanden es ausgezeichnet,<br />
die jugendlichen Teilnehmenden mit ihren grundlegenden<br />
und gleichzeitig unterhaltsamen Ausführungen über<br />
Finanzwirtschaft sowie Leadership in Hochleistungsteams<br />
zu fesseln, wovon sich Schulleiterin Monika A. Schmid<br />
und Marcel Küng, Leiter Credit Suisse Ostschweiz, persönlich<br />
ein Bild machten. Und das beliebte Investment<br />
Game offenbarte verschiedene Finanztalente mit Zukunft.<br />
Das Siegerteam gewann ein Bankpraktikum, doch letztlich<br />
waren alle Teilnehmenden Sieger, denn auch hier ging<br />
es – mit Pestalozzi – vor allem darum, leben zu lernen.<br />
Am 8. und 9. November dreht sich<br />
in Luzern der Dialog zwischen Wirtschaft,<br />
Wissenschaft und Politik<br />
ganz um Bildung, Forschung und<br />
Innovation als zentrale und erfolgskritische<br />
Faktoren für den Industriestandort<br />
Schweiz. Neben Bundespräsidentin<br />
Doris Leuthard und<br />
dem finnischen Wirtschafts minister<br />
Mauri Pekkarinen wurde auch<br />
Johannes Suter, CEO der im Mai<br />
gegründeten SVC-AG für KMU<br />
Risikokapital, als Referent eingeladen.<br />
Dabei wird er auch bereits<br />
über die ersten Vertrags abschlüsse<br />
berichten können.<br />
www.svc-risikokapital.ch;<br />
www.europa-forum-luzern.ch<br />
Texte: Mandana Razavi, Stefanie<br />
Schmid, Andreas Schiendorfer<br />
Anzeige<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
42 Credit Suisse Schweiz<br />
Die Schweiz ist ein Land der Klassik<br />
«Warum in der Ferne hören, wenn das Gute klingt so nah?» Es hat seinen Reiz, im Sommer die Salzburger<br />
Festspiele zu besuchen oder die längst geplante Ferienreise mit hochstehenden Konzerten<br />
zu verbinden. Aber, keine Frage, die Schweiz braucht den internationalen musikalischen Vergleich nicht<br />
zu scheuen. Lucerne Festival hat sich an der Spitze der Klassik-Festivals etabliert. Das Gleiche gilt,<br />
im Sinne der Nachwuchsförderung, von Davos Festival. Und in Avenches, St. Gallen und Zermatt lebt<br />
man keineswegs nur von der einmaligen Ambiance. Das Tonhalle-Orchester Zürich, das Orchestre<br />
de la Suisse Romande, das kammerorchesterbasel, das Musikkollegium Winterthur und natürlich das<br />
Opernhaus Zürich sorgten dafür, dass das Sommerhoch nahtlos in ein Dauerhoch übergegangen ist. schi<br />
1<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 43<br />
1 Das grösste Orchester der Schweiz:<br />
Das Tonhalle-Orchester Zürich und das Orchestre<br />
de la Suisse Romande standen – wie schon 2008 –<br />
gemeinsam auf einer Bühne. Nach der Totenmesse<br />
von Berlioz interpretierten 150 Musiker und<br />
200 Choristen unter der Leitung von David Zinman<br />
in Montreux und am Lucerne Festival (unser Bild)<br />
die spätromantischen «Gurre-Lieder » von Arnold<br />
Schönberg. Ein Ohren- und Augenschmaus.<br />
2 Händel mit Kasarova: Zum Saisonstart spielte<br />
das kammerorchesterbasel – unterstützt von der<br />
gefeierten Mezzosopranistin Vesselina Kasarova –<br />
Musik von Georg Friedrich Händel. Der Premiere<br />
in Basel folgten Auftritte am Zermatt Festival<br />
sowie in Wetzikon, Schaffhausen und Belgrad.<br />
3 Mozart-Fest: «War Mozart ein Winterthurer ?»,<br />
fragte das Musikkollegium Winterthur – und blieb<br />
letztlich die Antwort schuldig. Die Herkunft der<br />
Mozart’schen Grossmutter Anna Maria Sulzer muss<br />
jedenfalls genealogisch noch genauer untersucht<br />
werden. Das im August und September durchgeführte<br />
Mozart-Fest hingegen liess keine Wünsche<br />
offen. Im Bild sehen wir das Orchester unter der<br />
Leitung des Pianisten Alexander Lonquinch.<br />
4 Zauberberg: Davos Festival ist seit 25 Jahren<br />
bekannt für seine Nachwuchsförderung. Dies gilt<br />
auch für zeitgenössische Komponisten, den Ungarn<br />
Gregory Vajda etwa, dessen «Zauberberg. Eine<br />
Oper im Kurhotel» am 30. Juli auf der Schatzalp<br />
mit grossem Erfolg uraufgeführt wurde.<br />
5 Nach der Sintflut der Kreuzzug: «Sind wirklich<br />
schon fünf Jahre seit «Carmina Burana» vergangen?»<br />
Man kann es kaum glauben, dass die St. Galler<br />
Festspiele bereits ein kleines Jubiläum feierten.<br />
Und dann – angesichts der einmaligen Kulisse vor<br />
der Kathedrale – das leise Bedauern: «Warum<br />
nicht früher ?» Seis drum. Nach «Il diluvio universale»<br />
kommt nun «I lombardi alla prima crociata», auf<br />
Donizetti folgt Verdi. Premiere am 24. Juni 2011.<br />
6 Wachablösung: Das 1995 gegründete Opernfestival<br />
Avenches ist einer der wichtigsten Klassikevents<br />
unter freiem Himmel. Nicht zuletzt dank<br />
Sergio Fontana. Zum Abschied gab er Donizettis<br />
«Lucia di Lammermoor ». Eric Vigié, Direktor der<br />
Oper Lausanne, ist neuer künstlerischer Leiter.<br />
2<br />
3<br />
Fotos: Priska Ketterer, Lucerne Festival | Marc Kronig | Manfred Höin | Linus Fetz, Davos Festival | Toni Suter, T+T Fotografie | Marc-André Guex, Opernfestival Avenches<br />
4<br />
5 6<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
44 Credit Suisse Schweiz<br />
«Picasso spricht viele<br />
Stilsprachen gleichzeitig»<br />
Am 11. September 1932 eröffnete das Kunsthaus Zürich die weltweit erste<br />
Museumsausstellung von Pablo Picasso. Gezeigt wurden mehr als 200 vom<br />
Meister selbst selektionierte Bilder. Das Kunsthaus rekonstruiert nun mit<br />
70 Gemälden das Profil der damaligen Retrospektive. Tobia Bezzola, Kurator<br />
am Kunsthaus Zürich, über die Hintergründe der beiden Ausstellungen.<br />
Tobia Bezzola,<br />
Kurator Kunsthaus<br />
Zürich<br />
<strong>bull</strong>etin: Die Ausstellung wurde nun<br />
in einem kleineren Rahmen – mit rund<br />
70 statt 225 Bildern – rekonstruiert.<br />
War es schwierig, Zugang zu den Werken<br />
zu erhalten?<br />
Tobia Bezzola: Die grösste Arbeit für uns<br />
war, herauszufinden, welche Bilder in<br />
dieser Ausstellung gezeigt wurden. 1932<br />
stellte man noch keine bebilderten Kataloge<br />
her. Von damals sind gerade mal<br />
24 Abbildungen vorhanden, und von den<br />
Werken gibt es Angaben zu den Massen,<br />
dem damaligen Besitzer und dem Titel, der<br />
meistens jedoch «Porträt» oder «Stilleben»<br />
heisst, was nicht aussagekräftig ist. Auf<br />
Fotografien aus der Ausstellung sind etwa<br />
40 Bilder zu sehen. Die restlichen 180<br />
Bilder mussten wir also zuerst identifizieren.<br />
Der aktuelle Katalog mit Fotos von den<br />
225 Bildern dokumentiert nun die ganze<br />
Ausstellung von 1932 und ist insofern<br />
als kunsthistorischer Beitrag zu verstehen.<br />
Die momentane Ausstellung zeigt<br />
also rund einen Drittel der Werke von 1932.<br />
Wie konnte da ein repräsentatives Abbild<br />
des historischen Vorbilds beibehalten<br />
werden?<br />
Picasso hat sich bei seiner Auswahl<br />
kaum für seine frühen Werke interessiert.<br />
Er soll an der Ausstellung in Zürich zu<br />
gewissen blauen Bildern «c’est horrible»<br />
gesagt und ausser einem Werk alle fürchterlich<br />
gefunden haben. Für die Ausstellung<br />
hat er seinen Schwerpunkt beim Kubismus,<br />
der Annäherung an den Surrealis mus<br />
und den Porträtserien seiner Geliebten<br />
Marie -Thérèse Walter gesetzt. Wir haben<br />
versucht, dieses Profil nachzuzeichnen,<br />
indem wir die Gewichtung möglichst<br />
originalgetreu gespiegelt haben.<br />
Wodurch unterscheidet sich die heutige<br />
von der damaligen Ausstellung bezüglich<br />
der Räume?<br />
1932 fand die Ausstellung im Museum<br />
statt, das heisst, alle anderen Exponate<br />
inklusive der Sammlung wurden abgehängt<br />
und es wurde nur Picasso gezeigt. Seit<br />
Ende der 1950er-Jahre verfügen wir über<br />
einen grossen Ausstellungsflügel, in<br />
dem die 70 Werke von Picasso nun gezeigt<br />
werden. Nur dieser kann den heutigen<br />
Anforderungen an die notwendige Klimatisierung<br />
und den Platz für die Besucher<br />
entsprechen.<br />
Wie wurde Picasso als Kurator erlebt ?<br />
Nun ja, wir verstehen heute unter einem<br />
Kurator diejenige Person, die die Werke<br />
auswählt und gruppiert. Zu jener Zeit hat<br />
man aber noch getrennt zwischen Aufhängung<br />
und Selektion der Bilder. Picasso<br />
hat also seine Werke ausgewählt, aufgehängt<br />
wurden sie jedoch wie jede damalige<br />
Ausstellung vom Präsidenten der Ausstellungskommission.<br />
Das war der Tessiner<br />
Maler Sigismund Righini. Picasso hat ihn<br />
für die Ausstellungsein richtung sehr gelobt.<br />
Wie wurde Picassos persönliche<br />
Selektion von den Medien kommentiert ?<br />
In den Zeitungskritiken wurde immer<br />
wieder bemerkt, dass die Ausstellung zwar<br />
schön, aber dass es schade sei, dass<br />
die Bilder völlig durcheinander, also nach<br />
dekorativen Gesichtspunkten und nicht<br />
chronologisch, nach der Entwicklung<br />
an ge ordnet worden seien. Das stimmte<br />
natürlich nicht, es war chronologisch, aber<br />
halt nicht nach Stilgruppe gehängt worden.<br />
Und wie war die Resonanz sonst ?<br />
Zwar lockte die Veranstaltung insgesamt<br />
fast 35 000 Besucher – auch aus dem<br />
Ausland – an und die Ausstellung wurde<br />
sogar um zwei Wochen verlängert. Trotzdem<br />
reichten die Einnahmen schliesslich<br />
nicht, um alle Kosten zu decken, und die<br />
Zürcher Kunstgesellschaft verzeichnete<br />
sogar nach einem Zustupf der Stadt immer<br />
noch ein Defizit von gegen 7000 Franken.<br />
Das Museum of Modern Art (MoMA)<br />
hat sich damals auch dafür interessiert,<br />
Picassos Werke auszustellen. Was hat<br />
den Ausschlag gegeben, dass er sich für<br />
Zürich entschied?<br />
Das war grundsätzlich die Tatsache, dass<br />
1931 eine grosse Ausstellung von Matisse –<br />
mit dem Picasso lebenslang in einer<br />
Rivalität stand – in der Galerie Georges<br />
Petit in Paris stattfand. Picasso wollte<br />
schlichtweg Matisse übertrumpfen. Dazu<br />
kam, dass das MoMA in New York erst<br />
drei Jahre alt war und in der Kunstszene<br />
als provinziell galt – nicht vergleichbar<br />
mit seinem heutigen Ruf also. Unvorteilhaft<br />
war be stimmt auch, dass der Kurator des<br />
MoMA nicht auf die Wünsche von Picasso<br />
eingehen wollte. Der seinerzeitige Direktor<br />
des Kunsthaus hingegen, Wilhelm Wartmann,<br />
liess dem Künstler freie Hand, was<br />
für damalige Verhältnisse ein revolu tionäres<br />
Vorgehen war.<br />
Welche Rolle spielte das Kunsthaus als<br />
private Institution?<br />
Wir sind ein Verein und können Bilder<br />
aus den Ausstellungen verkaufen. Das<br />
war letztendlich sicher auch ein grosses<br />
Interesse der Händler Picassos, aus deren<br />
Beständen die meisten Bilder kamen.<br />
Die Schweiz war schon damals ein wichtiger<br />
Ort für den internationalen Kunsthandel.<br />
Und, hat es sich gelohnt für Picasso?<br />
Nun, der Handel lief über die Galerien,<br />
weshalb dies nicht genau zu beziffern<br />
ist. Aber man muss wissen, dass Picasso<br />
schon damals mit Abstand der teuerste<br />
lebende Maler war. Er war 1932 schon<br />
berühmt, trat mit Chauffeur auf und stieg<br />
in den besten Hotels ab.<br />
Welche Auswirkung hatte diese erste<br />
grosse Ausstellung auf Picassos Karriere?<br />
Das ist eine sehr komplexe Frage, weil<br />
die ganzen zeitgeschichtlichen Ereignisse<br />
einbezogen werden müssen. Die Machtergreifung<br />
der Nationalsozialisten in<br />
Deutschland hat ein Jahr nach der Ausstellung,<br />
also 1933, stattgefunden.<br />
Ganz Europa war in einer politisch und<br />
wirtschaftlich heiklen Situation, der<br />
Kunstbetrieb brach in den 1930er-Jahren<br />
total zusammen. Die so genannte<br />
Fotos: Markus Bühler | Ausstellungsansicht: Werke, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürich | Atelier mit Gipskopf: Digital image The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürich<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 45<br />
1<br />
2<br />
1 Eines der wenigen bestehenden Fotos von 1932: Ausstellungsansicht vom Kunsthaus Zürich.<br />
2 Pablo Picasso, «Atelier mit Gipskopf» («Atelier avec tête et bras de plâtre»), 1925, Öl auf Leinwand,<br />
97,9 x 131,2 cm.<br />
Das Kunsthaus hat eine grosse Tradition in Ausstellungen von<br />
Künstlern des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Die Hommage an<br />
Picassos erste Retrospektive ist ein ambitioniertes Projekt, das<br />
anlässlich des <strong>10</strong>0-jährigen Bestehens des Kunsthaus und mit Hilfe<br />
der Credit Suisse als Hauptsponsor realisiert wurde. Die Ausstellung<br />
soll sowohl die Entstehungsgeschichte der Retrospektive in den<br />
1930er-Jahren als auch ihren Einfluss auf die Rezeption des seitdem<br />
weltberühmten Künstlers vermitteln. Nebst Beiträgen zu Picasso<br />
selbst enthält der Katalog zur Ausstellung alle damals ausgestellten<br />
225 Werke. Es besteht ein umfangreiches Programm zur Kunstvermittlung,<br />
zu dem unter anderem auch spezielle Führungen und Kunstgespräche<br />
gehören. Zu sehen ist die Ausstellung vom 15. Oktober 20<strong>10</strong><br />
bis 30. Januar 2011 und ausschliesslich in Zürich.<br />
ent artete Kunst wie diejenige von Picasso<br />
war verrufen, und es wurde gefährlich<br />
und praktisch unmöglich, sie zu verbreiten.<br />
1939 hatte Picasso im MoMA in New York<br />
eine grössere Ausstellung. Das war der<br />
Weg, den auch die ganze westliche mo der -<br />
ne Kunst ging: Nur durch das Exil in<br />
New York konnte sie überleben. Nebst<br />
Picasso sind ja auch Maler wie Breton,<br />
Duchamp und Miró dorthin gefl ohen. Es ist<br />
also schwer zu sagen, wie die Wirkung<br />
unter normalen Umständen gewesen wäre.<br />
Es war also sozusagen der letzte<br />
Moment, diese Ausstellung in Zürich durchzuführen?<br />
Ja, später wäre es schon deshalb nicht<br />
mehr möglich gewesen, weil zahlreiche<br />
Leih gaben aus Deutschland stammten.<br />
Viele Galerien in Deutschland wurden<br />
bereits ein paar Monate nach der Ausstellung<br />
enteignet. Picasso selbst hatte ja noch<br />
gewünscht, dass die Ausstellung nach<br />
Berlin wandern sollte, aber daraus wurde<br />
nichts.<br />
Zurück zur Gegenwart: Wie war es<br />
denn für Sie als Kurator, eine Ausstellung<br />
zu organisieren, bei der die Selektion<br />
schon gegeben ist ?<br />
Das war mal etwas anderes und eine<br />
interessante Erfahrung, aber ich möchte es<br />
nicht gerade nochmals machen (lacht).<br />
Hätte ich übrigens als Kurator eine solche<br />
Auswahl der Werke gemacht, wäre mir<br />
von der Kunstszene wohl der Kopf abgerissen<br />
worden. Picasso unter einem solch<br />
pointierten und parteiischen Blick und mit<br />
dieser Selektion zu präsentieren, war nur<br />
unter den gegebenen Umständen möglich.<br />
Und was zeigt die Ausstellung den<br />
Besuchern nun Neues?<br />
Es gibt besonders bei Picasso einen<br />
Glauben, eine Art Dogmatik, dass sich der<br />
Künstler immer schön in diesen abgegrenzten<br />
Stilstufen entwickelt: zuerst die<br />
Blaue, dann die Rosa Periode, danach der<br />
Kubismus und so weiter. Das haben viele<br />
Wissenschaftler versucht zu belegen. Aber<br />
bei Picasso ist ab 1915 zu sehen, dass es<br />
keine einspurige lineare Entwicklung mehr<br />
gibt, sondern unterschiedliche, parallele<br />
Stränge von Stilen. Die Aus stellung zeigt<br />
diesen Picasso, der ganz verschiedene<br />
Sprachen gleichzeitig sprach. Regula Brechbühl<br />
<br />
Weitere Informationen zur Ausstellung<br />
fi nden Sie unter www.kunsthaus.ch und<br />
www.credit-suisse.ch/online.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
46 Credit Suisse Schweiz<br />
Die Fibonacci-Reihe, bei der eine Zahl immer die Summe der beiden vorangegangenen Zahlen darstellt, spielt bei Mario Merz als Symbol für Expansion<br />
und Wachstum in der Natur eine zentrale Rolle. Im Besitz des Kunstmuseums Winterthur befindet sich das Werk «1,1,2,3,5» (1975).<br />
Gipfeltreffen der Moderne –<br />
nun wieder in Winterthur<br />
Das sanierte und um Depoträume für die wachsende Sammlung erweiterte<br />
Kunstmuseum Winterthur öffnet Ende Oktober nach zweijähriger Schliessung<br />
wieder seine Tore. Die Bedeutung der Sammlung kommt in der grossen<br />
thematischen Ausstellung «Die Natur der Kunst» sehr gut zur Geltung.<br />
Weisse Kabel quellen aus der Mauer und<br />
drehen sich zu Rollen, Stahlstützen stemmen<br />
sich zwischen rohe Betondecken und -böden,<br />
transparente Abdeckfolie, Leitern, ein Eimer<br />
und andere Gegenstände liegen herum, Öffnungen<br />
sind mit gelben Holzplanken ver -<br />
bar rikadiert. Es sind keine behelfsmässig<br />
zusam mengezimmerten Behausungen mit<br />
ihrer im provisierten Infrastruktur, wie sie der<br />
Fotograf Georg Aerni (*1959 Winterthur) auf<br />
seinen Wanderungen durch Grossstädte wie<br />
jüngst Mumbai in Bilder fasste. Die Rede ist<br />
vielmehr vom Kunstmuseum Winterthur, das<br />
seit Ende November 2008 aufgrund umfangreicher<br />
Sa nierungsarbeiten derartige Bilder<br />
bot. Aerni war neben dem ebenfalls aus<br />
Winterthur stammenden Künstler Mario Sala<br />
eingeladen worden, den Umbau mit seiner<br />
Kamera zu begleiten. Entstanden ist eine<br />
Bildserie von beeindruckender formaler Qualität,<br />
die nicht nur dokumentiert, sondern die<br />
Baustelle auch als künstlerische Installation<br />
erscheinen lässt.<br />
Ein Umbau, so unangenehm seine unmittelbaren<br />
Auswirkungen auch sind, schafft die<br />
Möglichkeit für Veränderungen und kann Bestehendes<br />
neu ins Bewusstsein bringen. So<br />
zum Beispiel die Sammlung eines Museums,<br />
der nicht selten aufgrund publikumswirksamer<br />
Wechselausstellungen zu wenig Beachtung<br />
geschenkt wird. Das Kunstmuseum<br />
Winterthur hat die fast zweijährige Schliessung<br />
genutzt, um seine feine Sammlung ins<br />
Licht zu rücken. Die Hauptwerke gingen<br />
unter dem Titel «Gipfeltreffen der Moderne:<br />
Das Kunstmuseum Winterthur » auf eine Reise,<br />
die sie von Bonn über Trento und Rovereto<br />
in Norditalien bis nach Salzburg führte.<br />
Eine kleinere Auswahl ist sogar nach Japan<br />
weitergereist und wird in verschiedenen<br />
Museen noch bis im März 2011 präsentiert.<br />
Qualitative Dichte dank Privatinitiative<br />
Die Wanderausstellung war Teil der Reihe<br />
«Die grossen Sammlungen», in der bereits<br />
die Vatikanischen Museen, das Museum of<br />
Modern Art, das Puschkin-Museum und das<br />
Guggenheim-Museum ihren Auftritt hatten.<br />
Dass der Name Winterthur auf Weltstädte<br />
folgen kann, liegt nicht in der quanti tativen<br />
Grösse der Sammlung, sondern in der qualitativen<br />
Dichte begründet. Seit der Eröffnung<br />
des Kunstmuseums 1915, dessen Bau<br />
sich zu einem grossen Teil aus privaten Spenden<br />
finanzierte, sind auch die Bestände immer<br />
wieder mit Schenkungen und Legaten<br />
von Winterthurer Sammlern erweitert worden.<br />
Das Segeln unter der Flagge «Gipfeltreffen<br />
der Moderne» verdankt das Museum<br />
denn auch hauptsächlich der Sammlung<br />
von Werken der klassischen Moderne, die<br />
das Ehepaar Clara und Emil Friedrich-Jezler<br />
1973 dem Kunstverein überliess und die<br />
Gemälde von Léger, Braque, Gris, Arp bis<br />
Mondrian vereint. Sie schliesst an die Werke<br />
der Sammlung Wolfer an, die dem Kunstmuseum<br />
eine grosse Anzahl französischer<br />
Gemälde von Delacroix über Monet und van<br />
Gogh bis Bonnard vermachte. Als das Kunstmuseum<br />
Winterthur in die Welt zog, reiste<br />
es natürlich auch mit dem Nimbus, den<br />
verschiedene Winterthurer Industrielle und<br />
Grossbürger mit ihrem Kultursinn ihrer Stadt<br />
verliehen haben – das Ehepaar Hedy und<br />
Arthur Hahnloser-Bühler, deren Sammlung<br />
nun in der Villa Flora beheimatet ist, und<br />
Oskar Reinhart, dessen beide bedeutende<br />
Sammlungen am Stadtgarten und «Am<br />
Römer holz» zu finden sind.<br />
Das Kunstmuseum Winterthur erweitert<br />
seine Bestände kontinuierlich und kann heute<br />
deshalb einen Bogen vom Impressionismus<br />
bis in die Gegenwart spannen. So finden<br />
sich in den neueren Beständen eine Konzentration<br />
amerikanischer Malerei, darunter<br />
etwa Robert Mangold, sowie italienische<br />
Künstler der Arte povera wie Mario und Marisa<br />
Merz, Giulio Paolini und Jannis Kounellis.<br />
Fotos: Mario Merz, «1, 1, 2, 3, 5», um 1976, Kunstmuseum Winterthur, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürichi | Georg Aerni | Gerhard Richter<br />
<strong>bull</strong>etin 4 /<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 47<br />
Die Ausstellungssäle im Altbau strahlen<br />
jetzt wieder die erhabene Gemütlichkeit von<br />
Wohn zimmern aus, die von der im Original<br />
erhaltenen Täfelung sowie von Wandbespannungen<br />
und Teppichen ausgeht. Nach ihrer<br />
kulturellen Weltreise können es sich vorerst<br />
vor allem die Landschaftsbilder auf der weichen<br />
Wand bequem machen.<br />
Wechselverhältnis von Natur und Kunst<br />
Die Ausstellung zur Wiedereröffnung bespielt<br />
das ganze Haus, vom Altbau über den<br />
1995 eingeweihten Neubau des Architekturbüros<br />
Gigon & Guyer bis zum Graphischen<br />
Kabinett. Unter dem Titel «Die Natur der<br />
Kunst: Begegnungen mit der Natur vom<br />
19. Jahrhundert bis in die Gegenwart» breitet<br />
sich ein Panorama von über 150 Jahren auf<br />
das Wechselverhältnis von Natur und Kunst<br />
aus. Von Vincent van Goghs leuchtendem<br />
Sommerabend («Soir d’été») und Pierre<br />
Bonnards sich in Farbe auflösenden Landschaften<br />
in Südfrankreich geht die Reise<br />
weiter über Ferdinand Hodlers Schweizer<br />
Bergdarstellungen nach Norditalien zu Mario<br />
Merz und seinen Iglus und Leinwänden, die<br />
nicht mehr die Natur, sondern ihr zugrunde<br />
liegende Prinzipien ins Bild bringen, und<br />
schliesslich wieder zurück in die Schweiz zu<br />
Gerhard Richters verschwommenem Wasserfall<br />
von Sils Maria. Die verschiedenen<br />
Landschaften und künstlerischen Konzepte,<br />
denen man begegnet, zeigen die Spannbreite<br />
der Sammlung des Kunstmuseums<br />
Winterthur. Es ist eine Reise, die sich lohnt,<br />
auch wenn die grosse thematische Ausstellung<br />
vorbei ist, die ergänzenden Leihgaben<br />
wieder abge zogen sind und sich die Sammlung<br />
in einer neuen Präsentation eingerichtet<br />
haben wird. Meret Arnold<br />
Die beiden Winterthurer Künstler Georg Aerni,<br />
Fotograf, und Mario Sala, Zeichner, haben den Umbau<br />
begleitet und zeigen ihre Arbeiten in der Ausstellung<br />
«Projekt Sanierung» (bis 27. Februar 2011).<br />
Gerhard Richter. «Wasserfall» (847-1). 1997.<br />
Ölfarben auf Leinwand. Kunstmuseum Winterthur.<br />
Dem 1932 geborenen Künstler ist die Ausstellung<br />
«Elbe» gewidmet (bis 27. Februar 2011).<br />
Samstag, 30. Oktober 20<strong>10</strong>, 17 Uhr: Gemeinsame Wiedereröffnung<br />
des Kunstmuseums Winterthur und der Sammlung Oskar Reinhart<br />
«Am Römerholz», die ebenfalls aufgrund einer Sanierung geschlossen<br />
war. Gleichzeitig Vernissage der Ausstellung «Die Natur der Kunst:<br />
Begegnungen mit der Natur vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart»<br />
(bis 27. Februar 2011). Parallel dazu werden zwei weitere Ausstellungen<br />
gezeigt: «Elbe» von Gerhard Richter, ein unbekanntes Frühwerk aus<br />
dem Jahre 1957; Fotografien und Zeichnungen von Georg Aerni und<br />
Mario Sala. Anlässlich der Ausstellung in Bonn ist unter dem Titel<br />
«Von Stiftern und Anstiftern: Das Kunstmuseum Winterthur» von Horst<br />
Brandenburg ein sehenswerter Film produziert worden. Die Credit<br />
Suisse ist Partner des Kunstmuseums Winterthur und unterstützt in<br />
der Eulachstadt auch das Musikkollegium Winterthur.<br />
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Aktiver Dialog mit Kunden<br />
Zwei Tage nach dem Heimspiel gegen England sichtete Nationaltrainer<br />
Ottmar Hitzfeld am Credit Suisse Cup neue Talente und altbekannte Stars.<br />
1<br />
2<br />
1 Packende Fussballszene im Stade de Suisse.<br />
2 Ariane Ehrat, Tourismusdirektorin von<br />
Engadin-St. Moritz, gab einige Erfolgsrezepte preis.<br />
Es ist das erklärte Ziel der Credit Suisse,<br />
ihren Kunden nicht nur die besten Dienstleistungen<br />
und Produkte zu vermitteln,<br />
sondern auch einmalige Erlebnisse. So<br />
besuchten vom 15. bis 17. September rund<br />
400 Gäste der Credit Suisse die Konzerte<br />
der Wiener Philharmoniker und des Bolshoi<br />
Theatre am Lucerne Festival.<br />
Der Credit Suisse Cup wiederum ermöglichte<br />
es sportlichen Gästen am 9. September<br />
im Stade de Suisse in Bern, sich in<br />
einem gemischten Team mit Mitarbei tenden<br />
der Credit Suisse und Stars wie Stéphane<br />
Chapuisat, Adrian Knup, Andy Egli, Christophe<br />
Bonvin, Marco Pascolo oder Martin<br />
Weber selbst ein unvergessliches Erlebnis<br />
zu erdribbeln. Der eine oder andere übereifrige<br />
Flügelflitzer musste zwar von Massimo<br />
Busacca aus dem Abseits zurückgepfiffen<br />
werden, dafür konnte aber Nationaltrainer<br />
Ottmar Hitzfeld, assistiert von Murat Yakin,<br />
sein spieltaktisches Wissen ergänzen, denn<br />
die eine oder andere Passkombination wies<br />
Seltenheitscharakter auf. Noch höher als das<br />
spielerische Niveau war richtigerweise das<br />
Stimmungsbarometer.<br />
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Kunden optimal erkennen zu können, führte<br />
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<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 49<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse AG<br />
Postfach 2<br />
CH-8070 Zürich<br />
Telefon +41 44 333 11 11<br />
Fax +41 44 332 55 55<br />
Redaktion<br />
Daniel Huber (dhu; Chefredaktion), Dorothee Enskog<br />
(de; Wirtschaft International), Mandana Razavi (mar; Corporate<br />
Citizenship), Andreas Schiendorfer (schi; Markt Schweiz,<br />
Sponsoring); Regula Brechbühl (rb), Michael Krobath (mk),<br />
Fabienne de Lannay (fdl), Stefanie Schmid (sts)<br />
E-Mail<br />
redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />
Meret Arnold, Nicole Brändle, Dennis Brandes, Barbara<br />
Hatebur, Thomas Herrmann, Hannes Hug, Kevin Lyne-Smith,<br />
Manuela Merki, Martin Regnet, Christine Schmid,<br />
Claudia Steinberg, Bernard Van Dierendonck, Andreas Walker,<br />
Sarah Winter<br />
Internet<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Marketing<br />
Veronica Zimnic (vz)<br />
Foto: Romel Janeski | Jean-Marc Mähr | Peter Hunkeler, Zürich<br />
Barbara Ellmerer, «Hexenpilz», 2008, Öl auf Baumwolle, 150×200 cm<br />
Pflege von kohärenten Werkgruppen<br />
einzelner Künstler<br />
Die Sammlung Credit Suisse verfolgt neben der Förderung junger Talente<br />
auch die Pflege kohärenter Werkgruppen einzelner Künstler und Künstlerinnen.<br />
So wurde in diesem Frühjahr das Ölbild «Hexenpilz» von Barbara Ellmerer erworben.<br />
Die Credit Suisse besitzt damit bereits sieben Werke der Zürcher<br />
Malerin; darunter finden sich Still leben oder Porträts aus allen Schaffensphasen.<br />
Der neueste Ankauf «Hexenpilz» ist im Kundenaufenthalt am Paradeplatz ausgestellt,<br />
wo ein repräsentativer Querschnitt durch die Sammlung Credit Suisse<br />
ausgestellt ist. Mit energetisch-dyna mischem Pinselduktus und ausdrucksstarken<br />
Farben bemalt Barbara Ellmerer in ihren jüngsten Arbeiten meist grossflächige<br />
Leinwände, die traditionelle Sujets wie Blumen oder im Wald erlebte<br />
Pflanzen und Pilzarten wiedergeben. Die Künstlerin speichert die gewonnenen<br />
Eindrücke im Gedächtnis und setzt das subjektiv Wahrgenommene intuitiv<br />
in kräftige Malerei um. Vor einem dunklen Hintergrund besticht ein feurig roter<br />
Pilz – nahe herangezoomt und dominant im Zentrum des Blickfeldes – durch seine<br />
mystische Leuchtkraft. Einzelne Partien werden aufgrund des pastosen Farbauftrags<br />
zum greifbaren Objekt. Schicht um Schicht nimmt die Malerei die gesamte<br />
Leinwand in Besitz. Verwischte, unscharfe Konturen lassen den «Hexenpilz»<br />
ge heimnisvoll vibrieren. Der Betrachter wird Teil eines fulminanten Seherlebnisses<br />
und Zeuge unterschiedlicher Wahrnehmungsprozesse. Mehr Informationen<br />
unter www.credit-suisse.com > Wir über uns > Sponsoring > Kultur > Kunst<br />
> Sammlung Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />
Korrektorat<br />
Claudia Marolf, notabene<br />
Übersetzungen<br />
Credit Suisse Language Services<br />
Gestaltung<br />
www.arnold.inhaltundform.com:<br />
Arno Bandli, Raphael Bertschinger, Monika Häfliger,<br />
Karin Cappellazzo (Projektmanagement ), Carola Bächi<br />
(Korrektorat)<br />
Inserate<br />
print-ad kretz gmbh, Andrea Hossmann und Esther Kretz,<br />
General-Wille-Strasse 147, CH-8706 Feldmeilen,<br />
Telefon +41 44 924 20 70, <strong>bull</strong>etin@kretzgmbh.ch<br />
Beglaubigte WEMF-Auflage 20<strong>10</strong><br />
143 892<br />
ISSN-Registrierung<br />
ISSN 1423-1360<br />
Druck<br />
Swissprinters Zürich AG<br />
Redaktions kommission<br />
Richard Bachem (Head Marketing Private and Business<br />
Banking Switzerland), René Buholzer (Head Public Policy), Urs<br />
P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen),<br />
Fritz Gutbrodt (Direktor Credit Suisse Foundation), Anja Hochberg<br />
(Head Investment Strategy Asset Management), Angelika<br />
Jahn (Investment Services & Products), Bettina Junker Kränzle<br />
(Head Internal Corporate Publishing & Services), Hanspeter<br />
Kurzmeyer (Head Private Clients Switzerland), Martin Lanz<br />
(Economic Research), Andrés Luther (Head Group Communications),<br />
Charles Naylor (Head Corporate Communications),<br />
Christian Vonesch (Head Private & Business Banking Aarau)<br />
Erschei nt im 116. Jahrgang<br />
(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />
englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />
Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />
Adress änderungen<br />
Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />
an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />
Credit Suisse AG, SULA 213, Postfach <strong>10</strong>0, CH-8070 Zürich.<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />
Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />
der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />
Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />
notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />
Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />
wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />
für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />
Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />
Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />
zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />
Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />
><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
50 Credit Suisse Schweiz<br />
Die Kulisse zum Klimahörpfad: Wir hören und erwandern Geschichten und Fakten über das Matterhorn, den Gornergrat (rechts) oder den schmelzenden<br />
Gornergletscher.<br />
Auf dem Klimahörpfad zur Öko-Berghütte<br />
Wir hören die Steinmänner sprechen, die Blumen leuchten und die Gletscher schmelzen. Der neue<br />
Hörpfad der Organisation myclimate führt uns auf den Spuren des Klimawandels zur Neuen<br />
Monte-Rosa-Hütte. Das Beispiel ökologischer Baukunst glänzt und leidet unter einem gewaltigen<br />
Besucheransturm.<br />
Für dieses Mal gehören ein kleiner Audioplayer<br />
und Kopfhörer zur Wanderausrüstung.<br />
«Mini Steimannjini sind Wägwieserä<br />
i Züekunft. Wo wellentsch gah?», fragt eine<br />
tiefe Männerstimme im bergigsten Walliserdeutsch.<br />
Es ist die melodiöse Stimme des<br />
bärtigen Steinmannbauers vom Rotenboden.<br />
Sie begleitet uns für eine Episode des Klimahörpfads<br />
auf dem Wanderweg von der<br />
Halte stelle der Zermatter Gornergratbahn bis<br />
zur Neuen Monte -Rosa-Hütte. Über die<br />
Kopfhörer erzählt er von den Steinmännern<br />
und welche Bedeutung sie auch für die Inuit<br />
haben. Dann animiert der urige Walliser zum<br />
Steinmannbau. Senkrechte ausbalancierte<br />
Steine nennen die Inuit übrigens Nalunaikkutaq,<br />
die geistiges Durchei nander aufheben<br />
… Aber uns ruft der Berg. Nicht das<br />
Steinetürmen, sondern das Wandern soll<br />
unsere Gedanken ordnen. Die Stimme des<br />
Berglers und Musik legen sich zwischen uns<br />
und die Umgebung. Die Füsse bewegen sich<br />
wie von selbst über den felsigen Untergrund.<br />
Das Bergpanorama mit Matterhorn, Breithorn,<br />
Pollux, Castor, Liskamm und Monte-<br />
Rosa-Massiv zieht wie ein Dokumentarfilm<br />
vor der Sonnenbrille vorbei, bis uns die Stimmen<br />
der Hörpfadmoderatoren Lina Bader<br />
und Pius Anthamatten auffordern, den Player<br />
auszuschalten. Nächste Hörstation sei bei<br />
einer besonders auffallenden Blume. Auf<br />
Knopfdruck stehen wir mitten in einer bunt<br />
zusammengewürfelten Gesellschaft, die von<br />
der Klimaschutzorganisation myclimate zur<br />
Erstbegehung des Klimahörpfads geladen<br />
wurde.<br />
Virtuell, individuell und real<br />
Uns gemeinsam sind die grossen Kopfhörer<br />
und das Ziel: die Neue Monte-Rosa-Hütte<br />
des Schweizer Alpen-Clubs (SAC). Die Audiogeräte<br />
können gratis bei der Talstation der<br />
Gornergratbahn ausgeliehen werden. Anders<br />
als in einem Museum, wo sich solche<br />
Geräte von selbst zuschalten oder eine Tafel<br />
zum Aktivieren des Gerätes auffordert, entscheiden<br />
wir selbst, wann und wo wir eines<br />
der neun Kapitel hören wollen. Vorerst sollte<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 51<br />
sich unsere Aufmerksamkeit aber auf den<br />
Weg richten, legt uns der Bergführer Thomas<br />
Dünsser vom Zermatter Alpincenter nahe.<br />
Der Bergler begleitet unsere Gruppe und<br />
meint, dass der Weg zwar einfach, aber auch<br />
ausgesetzt sei. 300 steile Meter unter uns<br />
liegt der Gornergletscher. Markante Mittelmoränen,<br />
geschwungene Eisstrukturen, kleine<br />
Täler und Bachläufe zieren seine Oberfläche.<br />
Das Eis ist strahlend weiss.<br />
Bevor es eine Stunde später mit Steigeisen<br />
an den Füssen auf den Gletscher geht,<br />
hören wir neben ein paar gelben Blumen auf<br />
einem Felsbrocken sitzend das nächste<br />
Kapitel. Die Stimmen von Lina Bader und<br />
Pius Anthamatten stellen einige der hochalpinen<br />
Pflanzen vor. Zum Beispiel die Alpenaster.<br />
Dank ihrer violetten Blütenblätter und<br />
des leuchtend gelben Blütenkopfs kann ihr<br />
kein vorbeifliegendes Insekt widerstehen.<br />
Oder die Gemswurz gerade neben uns. Bergsteiger,<br />
Jäger und sogar Seiltänzer assen<br />
früher dessen Wurzeln, sie erhofften sich<br />
dadurch so schwindelfrei wie die Gämsen zu<br />
werden. Nicht entdecken konnten wir die<br />
Polster-Kieselnelke. Wurde sie bereits von<br />
anderen Pflanzen «aufgegessen»? Denn die<br />
rosa Polsterpflanze hält in ihrem Inneren<br />
ver rot tete Blätter als Humus zurück. Dieser<br />
Nähr boden gefällt auch grösseren Pflanzen,<br />
sie verdrängen die niedlichen Blumen. Eine<br />
Verdrängung, die einigen der spezialisierten<br />
Hochgebirgspflanzen blüht. Botaniker berichten,<br />
dass sich aufgrund des Klima wandels die<br />
Vegetationszone immer weiter nach oben verschiebt.<br />
Auf Gipfeln über 3000 Meter zählte<br />
man vor <strong>10</strong>0 Jahren noch 14 Pflanzenarten,<br />
heute sind es schon 61! Die Bergspezialisten<br />
unter ihnen können aber nicht mehr weiter<br />
nach oben ausweichen und verschwinden.<br />
Der Gletscher in Bewegung<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Fotos: Bernard van Dierendonck<br />
Ab dem Gornergletscher ist der Hüttenweg<br />
weiss-blau-weiss markiert. Alpine Erfahrung<br />
und Ausrüstung sind jetzt erforderlich. In anderen<br />
Jahren, sagt Bergführer Dünsser, hätte<br />
man bis Mitte August keine Steigeisen<br />
benötigt. Doch dieses Jahr ist bereits im<br />
heissen Frühsommer aller Schnee vom Eis<br />
geschmolzen. Für den ersten steilen Abschnitt<br />
auf dem blanken Eis binden wir uns<br />
die Steigeisen unter die Schuhe und schätzen<br />
das dicke vom Hüttenwart installierte Seilgeländer.<br />
Früher, erzählen die Stimmen des<br />
Hörpfads, sei man vom Wanderweg praktisch<br />
eben hinüber auf den Gletscher und weiter<br />
zur Hütte gelangt. Heute muss zuerst steil ><br />
4<br />
1 Der Hüttenweg über den Gletscher ist für erfahrene Bergwanderer machbar.<br />
2 Die Alpenaster und die Gemswurz (3) sind unwiderstehlich und lassen die Höhenangst<br />
vergessen. 4 Andrea Kuster, Miss Earth Schweiz, und Maximilian Horster,<br />
Geschäftsführer von Climate Neutral Investments Ltd., sind Gäste von myclimate.<br />
Sie hören und diskutieren die Kapitel des Klimahörpfads zur Neuen Monte-Rosa-Hütte.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
52 Credit Suisse Schweiz<br />
ab- und dann wieder mühsam über Moränenschutt<br />
und Felsen zur Hütte aufgestiegen<br />
werden. Der Gornergletscher schmilzt wie<br />
fast alle in der Schweiz beobachteten Gletscher.<br />
Laut einer Aufstellung im SAC-Magazin<br />
«Die Alpen» ging der Eisriese im Beobachtungsjahr<br />
2007/08 ganze 200 Meter<br />
zurück. Dies auch weil die sehr schmale Gletscherzunge<br />
den Kontakt zur Haupteismasse<br />
verlor. In der nächsten Periode verlor er zum<br />
Glück nur sechs Meter an Länge. Kurzzeitige<br />
Klimaschwankungen verkraften grosse<br />
Gletscher. Wenn sie aber schmelzen, dann<br />
deutet dies auf ein Jahrhundertereignis hin.<br />
Trotz des rasanten Rückgangs sind die<br />
Eismassen in dieser imposanten Gebirgswelt<br />
immer noch übermächtig. Im Vergleich fühlen<br />
wir Wanderer uns winzig. Holzstangen weisen<br />
den Weg. Eiskristalle knirschen und bröckeln<br />
unter den Sohlen. Die Sonne scheint ins Gesicht.<br />
Wir springen über einen Gletscherbach,<br />
der einige Meter weiter gurgelnd in<br />
einer Spalte verschwindet. Das Eis ist in<br />
Be wegung. Hier ein Knacken, da verliert ein<br />
Felsbrocken polternd die Balance. Dankbar<br />
nehmen wir die Stufen in Anspruch, die der<br />
Bergführer in eine schmale Eisrippe geschlagen<br />
hat – links und rechts klaffen Spalten.<br />
Kurz bevor wir den Gletscher für das l etzte<br />
Stück des Hüttenwegs verlassen, schweift<br />
unser Blick hoch über die Randmoräne und<br />
die steilen 300 Höhenmeter, die noch vor uns<br />
liegen. Am Horizont auf einer Felsrippe zwischen<br />
den Viertausendern Dufourspitze und<br />
Liskamm funkelt die Neue Monte-Rosa-Hütte<br />
in der Sonne.<br />
Hightechzauber und Kinderkrankheiten<br />
Die Hütte, die der SAC zusammen mit der<br />
ETH anlässlich des 150-Jahre-Jubiläums<br />
der Hochschule baute, ist weit mehr als eine<br />
Unterkunft für Gipfelstürmer. Sie ist eine<br />
Zukunftswerkstatt für nachhaltiges Bauen,<br />
Energieeffi zienz und die Nutzung von erneuerbarer<br />
Energie. Hinter der Alufassade steckt<br />
eine 30 Zentimeter dicke Isolationsschicht.<br />
Das Markenzeichen der Hütte ist ein spiralförmig<br />
ansteigendes Treppenhaus, das eigent<br />
lich nichts anderes ist als ein grosser<br />
Lüftungsschacht. Die kontrollierte Lüftung<br />
verhindert, dass die Wärme nicht einfach so<br />
in die Umgebung entweicht und die Tem peraturen<br />
im Innern konstant bleiben. Ziel des<br />
Hüttenenergiekonzeptes ist es, dass der<br />
Sechs-Millionen-Bau zu 90 Prozent energieautark<br />
sein wird. Die CO 2 -Emissionen sollen<br />
pro Übernachtung im Vergleich zur alten<br />
Monte-Rosa-Hütte um zwei Drittel gesenkt<br />
werden.<br />
Auf der Terrasse der Hütte empfängt uns<br />
Peter Planche, der ehemalige Präsident der<br />
SAC-Sektion Monte -Rosa. Er begleitete<br />
den Bau von Anfang an und führt uns ins<br />
Untergeschoss hinter eine massive Türe aus<br />
Aluminium. Hier versteckt sich der Maschinenraum.<br />
Laut Planche wurde über ein Kilometer<br />
Kabel verlegt. Zahlreiche Akkus und<br />
ein grosser isolierter Wassertank speichern<br />
solar erzeugte Elektrizität und Warmwasser.<br />
Weil in der Küche auf Hochtouren gearbeitet<br />
wird, surrt nun auch ein mit Rapsöl betriebener<br />
Stromgenerator.<br />
So beeindruckend dies alles auch aussieht,<br />
die Kinderkrankheiten der im März<br />
eröffneten Hütte sind noch nicht ausgestanden.<br />
Der Besucheransturm – bereits zur<br />
Saisonhalbzeit besuchten 5000 Personen<br />
das Haus, so viele, wie man für die ganze<br />
Saison erwartet hatte – brachte das ausgeklügelte<br />
Abwasserreinigungssystem aus<br />
dem Gleichgewicht. Die Toiletten stinken zum<br />
Himmel. Planche ist verärgert: «Der Gestank<br />
ist unerträglich. Eigentlich sollte die Abwasseranlage<br />
das Spülwasser so weit reinigen,<br />
dass es rivellafarben und nicht wie jetzt<br />
colafarben ist.»<br />
Das Wasser ist die grosse Schlüsselstelle<br />
der Hüttenbewirtschaftung. Planche: «Geologen<br />
hatten versprochen, dass die Kaverne<br />
im Urgestein hinter der Hütte wasserdicht<br />
sei. Dem war aber nicht so. Die Felshöhle<br />
musste nachträglich mit einer Folie abgedichtet<br />
werden. Im Winter sägte der Hüttenwart<br />
mit einer Motorsäge ein Loch durch die<br />
dicke Eisschicht des Gornersees, um zu<br />
Wasser zu kommen. Helikopter flogen es<br />
dann zur Kaverne.»<br />
Beim Abendessen – die Hüttenmannschaft<br />
serviert ein vollwertiges Viergangmenü<br />
– sind diese Startprobleme vergessen.<br />
Wir bestaunen den Blick durch die Panoramafenster<br />
und die kunstvoll von einer CAD-<br />
Anlage geschnitzten Holzbalken im Speisesaal.<br />
Nach dem Dessert ziehen sich die<br />
Bergsteiger in die Achtbettzimmer zurück.<br />
Für sie ist bereits um zwei Uhr morgens Tagwache.<br />
Wir Hüttentouristen stehen nochmals<br />
vor das Haus. Die Eisflanke des Liskamms<br />
leuchtet im schönsten Abendlicht. Vor der<br />
silbernen Hüttenfassade steht ein Steinmann.<br />
Wir denken zurück an die Stimme des<br />
bärtigen Steinmannbauers: «Mini Steimannjini<br />
sind Wägwieserä i Züekunft. Wo wellentsch<br />
gah?» Bernard van Dierendonck<br />
Die Audiogeräte für den Klimahörpfad<br />
gibt es gratis bei der<br />
Talstation der Gornergratbahn in<br />
Zermatt (gegen ein Depot). Mittels<br />
einer Ladestation kann man den<br />
Hörpfad auch aufs eigene Handy<br />
laden. Der Hörpfad in voller Länge:<br />
www.klimahoerpfad.ch<br />
Der Hüttenweg ist markiert und<br />
für alpinerfahrene Bergwanderer<br />
machbar. Bei Ausaperung<br />
des Gletschers sind Steigeisen<br />
erforderlich. Für die Wanderung<br />
ab Station Rotenboden sind<br />
drei Stunden erforderlich (der<br />
Rückweg ist gleich lang). Die<br />
Saison dauert bis gegen Ende<br />
September. Im Winter ist der<br />
Zustieg nicht markiert und nur<br />
mit Tourenskis möglich (offen<br />
ab Mitte März).<br />
Informationen und Reservation<br />
für Hüttenübernachtung:<br />
www.section-monte-rosa.ch<br />
Allgemeine Informationen:<br />
www.neuemonterosahuette.ch<br />
Die Credit Suisse hat 2007 den<br />
SAC mit 25 000 Franken aus dem<br />
Jubiläumsfonds beim Bau der<br />
Hütte unterstützt und unterhält<br />
seit 2009 eine Partnerschaft mit<br />
der Organisation myclimate.<br />
Bergführer:<br />
www.alpincenter-zermatt.ch<br />
Weitere sensationelle Bilder vom Klimahörpfad<br />
sowie Audiofile über diesen QR Code.<br />
So gehts: Den BeeTagg Reader gratis auf das<br />
Smartphone laden, Code fotografieren, Link erhalten.<br />
Fotos: Bernard van Dierendonck | Martin Stollenwerk<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 53<br />
Die Credit Suisse heisst ihre<br />
jungen Talente willkommen<br />
Auch dieses Jahr traten nach den Schulsommerferien neue Bank- und<br />
IT-Lernende ihre Ausbildung bei der Credit Suisse an. Der Einführungstag<br />
«Start-Up Credit Suisse» sollte den Jugendlichen den Einstieg erleichtern<br />
und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit bieten, erste Kontakte zu knüpfen.<br />
Voller Spannung und mit gemischten Gefühlen<br />
warteten am 2. August 185 hoffnungsvolle,<br />
mehrheitlich sechzehnjährige<br />
Jugendliche auf den Beginn der Veranstaltung<br />
«Start-Up Credit Suisse», einem vom<br />
Young-Talents-Team organisierten Begrüssungsevent.<br />
Viele von ihnen hatten wohl<br />
eine unruhige Nacht hinter sich, und dies<br />
nicht wegen des Lärms vom 1.-August-Feuerwerk<br />
am Vorabend, sondern wegen des<br />
neuen Lebensabschnitts, der an diesem Tag<br />
beginnen sollte. Die neuen Lernenden waren<br />
aus der ganzen Deutschschweiz ins St. Peter<br />
Forum in Zürich gekommen, um ihre «Reise»<br />
bei der Credit Suisse anzutreten. Einerseits<br />
die Reise durch die dreitägige Einführung,<br />
und andererseits jene durch die Lehre, für<br />
die an diesem Tag der Startschuss fiel.<br />
Schritt für Schritt in die neue Welt<br />
«Ich möchte Ihnen gleich drei Mal gratulieren:<br />
Erstens, weil Sie aus Tausenden von Bewerbern<br />
ausgesucht wurden, dann, weil Sie die<br />
Credit Suisse als Arbeitgeber gewählt haben,<br />
und nicht zuletzt, weil Sie sich für eine Berufslehre<br />
entschieden haben.» Mit diesen<br />
Worten hiess Marion Fürbeth vom Young-<br />
Talents-Team Zürich die neueingetretenen<br />
Bank- und IT-Lernenden aus der gesamten<br />
Deutschschweiz willkommen, die dieses Jahr<br />
den Begrüssungsevent zum ersten Mal gemeinsam<br />
absolvierten. Für die Lernenden<br />
aus der französischen und der italienischen<br />
Schweiz fanden separate Einführungsveranstaltungen<br />
in der jeweiligen Sprachregion<br />
statt. Michael Steiner von der Business<br />
School sowie weitere interne Fachspezialisten<br />
hatten an diesem Tag die Aufgabe, den<br />
Teilnehmenden Unternehmenskultur und<br />
Grundsätze der Credit Suisse vorzustellen<br />
und ihnen so den Einstieg in die Arbeitswelt<br />
zu erleichtern. Unterstützt wurden sie dabei<br />
von Hans-Ulrich Meister, CEO der Credit<br />
Suisse Schweiz.<br />
Mit Fallbeispielen und in einer interaktiven<br />
Fragerunde wurden die Lernenden an die<br />
verschiedenen Themen herangeführt. Die<br />
Redner erläuterten unter anderem die Gründungsgeschichte<br />
der Bank sowie den Verhaltenskodex<br />
(Code of Conduct), in dem die<br />
Credit Suisse für alle Mitarbeitenden zehn<br />
verbindliche Grundwerte der Geschäftstätig-<br />
keit festlegt. Der Fokus lag dabei auf dem<br />
Umgang mit Kundendaten und auf der respektvollen<br />
und fairen Zusammenarbeit am<br />
Arbeitsplatz.<br />
150 neue Lehrstellen<br />
Mit seinem Auftritt setzte Hans-Ulrich<br />
Meister ein Zeichen für das Engagement der<br />
Credit Suisse im Bereich der Nachwuchsförderung:<br />
Der Bank ist es seit Jahren ein<br />
besonderes Anliegen, jungen Menschen<br />
gute berufliche Perspektiven zu bieten. Auch<br />
in einer wirtschaftlichen Krise ist es wichtig,<br />
weiterhin in die Ausbildung junger Leute zu<br />
investieren. Deshalb lancierte die Credit<br />
Suisse, als einer der wichtigsten Ar beitgeber<br />
der Schweiz, im Dezember 2009 eine Initiative,<br />
in deren Rahmen sie über einen Zeitraum<br />
von drei Jahren ihr Lehrstellenangebot<br />
um 25 Prozent auf 750 Stellen erhöht. Damit<br />
unterstützt die Bank den Bildungs- und<br />
Werkplatz Schweiz und reagiert zudem auf<br />
das aktuelle Problem der Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Dass die Credit Suisse ihre Ausbildungsaufgabe<br />
ernst nimmt, kommt auch entsprechend<br />
bei den Berufseinsteigern an: «Ich<br />
habe mich nicht zuletzt für die Credit Suisse<br />
entschieden, weil sie sich sehr für uns Lernende<br />
interessiert und viel für uns macht»,<br />
begründete Federico seine Wahl des Arbeitgebers.<br />
Besonders gespannt war er am<br />
Begrüssungsevent darauf, mehr über den<br />
Hintergrund der Credit Suisse zu erfahren<br />
und neue Bekanntschaften zu schliessen.<br />
Auch seine Kollegin Helena blickte neu- ><br />
Fotos: Bernard van Dierendonck | Martin Stollenwerk<br />
Die Lernenden malen den Beginn ihrer Laufbahn bei der Credit Suisse und besprechen die Zeichnungen<br />
mit den Sitznachbarn.<br />
Die Auszubildenden lernen sich gegenseitig kennen<br />
und tauschen erste Erfahrungen aus.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
54 Credit Suisse Schweiz<br />
750<br />
Lernende bis 2012<br />
gierig auf das, was folgen sollte: «Die Einführungswoche<br />
hilft mir, die Credit Suisse<br />
noch besser kennenzulernen und herauszufinden,<br />
was mich genau erwartet. Ich bin sehr<br />
gespannt auf die Lehre und bin offen für<br />
Neues.» Im Verlauf des Tages hatten die Teilnehmenden<br />
immer wieder Gelegenheit, sich<br />
mit anderen Lernenden auszutauschen und<br />
sich zu vernetzen. So wurden sie unter anderem<br />
dazu aufgefordert, mit Papier und<br />
Buntstiften den Beginn ihrer Laufbahn bei<br />
der Credit Suisse aufzuzeichnen und mit<br />
ihren Sitznachbarn zu besprechen. Dies<br />
nahm den meisten die Anspannung. «Jetzt<br />
bin ich noch nicht so nervös, aber am ersten<br />
Arbeitstag werde ich bestimmt sehr aufgeregt<br />
sein, weil ich ein bisschen Angst habe,<br />
Fehler zu machen», führte Marco aus. «Nach<br />
dem heu tigen Tag weiss ich nun aber, wie<br />
die Leute ‹ticken› und wie sie arbeiten. Die<br />
Freude auf die nächsten drei Jahre ist jetzt<br />
grösser als die Nervosität.»<br />
Ingesamt konnten dieses Jahr rund 220<br />
Jugendliche ihre Berufsausbildung bei der<br />
Credit Suisse beginnen. Allein in der Region<br />
Zürich waren dies 20 mehr als im letzten<br />
Jahr. Die Bank sieht die Lehrstelleninitiative<br />
als Teil ihrer unternehmerischen Verantwortung,<br />
aber auch als Teil der Geschäftsstrategie:<br />
Die Fähigkeiten, die die Lernenden nach<br />
einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung<br />
mitbringen, machen sie zu sehr<br />
begehrten und wertvollen Mitarbeitenden.<br />
Hans-Ulrich Meister wies darauf hin, dass<br />
eine Lehre, so wie es sie in der Schweiz gibt,<br />
auf der ganzen Welt einzigartig ist und viele<br />
Vorteile bringt: «Wer das Geschäft von Grund<br />
auf kennt, hat ein breiteres Wissen. Denn<br />
zusätzlich zur Theorie kennt man auch die<br />
Praxis.» Folglich ist die Berufslehre bei entsprechender<br />
Mobilität und Weiterbildung ein<br />
ideales Sprungbrett für eine aussichtsreiche<br />
berufliche Laufbahn innerhalb der Bank.<br />
Tatsächlich fanden 2009 rund 85 Prozent der<br />
Credit Suisse Lernenden nach ihrem Lehrabschluss<br />
eine Festanstellung. Daran soll<br />
sich, wie Hans-Ulrich Meister betonte, auch<br />
in Zukunft nichts ändern. Fabienne de Lannay<br />
Der letzte Anker<br />
Jedes Jahr finden in der Schweiz rund 2500 Schweizer Jugendliche keine<br />
Lehrstelle und drohen zum Sozialfall zu werden. Um diese Schwächsten der<br />
Schwachen kümmert sich die Stiftung Speranza. Mit Erfolg.<br />
Mittagszeit im Restaurant des Sportzentrums<br />
Baregg bei Baden. In der heissen Küche wird<br />
auf Hochtouren gearbeitet, denn parallel<br />
zu den Menüs gilt es ein Abendbankett für<br />
<strong>10</strong>0 Gäste vorzubereiten. Tobias Gspandl<br />
ist für die Nachspeise verantwortlich und<br />
streicht sorgfältig die Vanillecrème durch ein<br />
Sieb. Der 18-Jährige hat vor zwei Wochen<br />
mit der Kochlehre begonnen. «Ich gebe mir<br />
alle Mühe», sagt er, «denn ich will meine letzte<br />
Chance packen.»<br />
Wie jährlich rund 2500 Schweizer Jugendliche<br />
stand Tobias nach der Schulzeit<br />
ohne Lehrstelle da, und ihm drohte ein Leben<br />
als Sozialbezüger. Die Probleme begannen<br />
bereits in der Realschule: «Ich war ein<br />
Aussenseiter. Irgendwann hatte ich die Beleidigungen<br />
meiner Klassenkameraden satt,<br />
schwänzte den Unterricht, bekam immer<br />
schlechtere Noten.» In den Schnupperlehren<br />
dienten ihm die Töpfe als Basketballkorb für<br />
Kartoffeln, aus der erhofften Ausbildung zum<br />
Koch wurde nichts. Es folgte das zehnte<br />
Schuljahr in der Kantonalen Schule für Berufsbildung,<br />
von der er nach drei Verweisen<br />
Neuer Schwerpunkt Die Stiftung<br />
Speranza erweitert derzeit<br />
mit dem Projekt «Assessment<br />
berufliche Neuorientierung»<br />
ihr Betätigungsfeld. Arbeitslosen<br />
Jugend lichen mit abgeschlossener<br />
Erstausbildung soll mittels profes<br />
sionellen Assessments inklusive<br />
Laufbahnberatung zu einem<br />
Wechsel in Branchen ohne Überangebot<br />
und einer entsprechenden<br />
Zusatzausbildung verholfen<br />
werden. «Ihre Chancen auf die<br />
Reintegration in den Arbeitsmarkt<br />
steigen dadurch erheblich»,<br />
ist Geschäftsführer Jörg Sennrich<br />
überzeugt. Da die Credit Suisse<br />
dieses Projekt ihm Rahmen ihrer<br />
Initiative «Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit»<br />
finanziert,<br />
können jährlich rund <strong>10</strong>00 Jugendliche<br />
das Assessment kostenlos<br />
absolvieren.<br />
aus disziplinarischen Gründen suspendiert<br />
wurde. Nun, mit erst 16, blieb nur noch der<br />
Gang aufs Regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />
(RAV). Dort erfuhr er von Speranza.<br />
Integration in den realen Arbeitsmarkt<br />
Aus dem Projekt «Speranza», das 2006<br />
vom Unternehmer und FDP-Nationalrat Otto<br />
Ineichen gegründet wurde, entstand zwei<br />
Jahre später die Stiftung Speranza. Sie ist so<br />
etwas wie der letzte Anker für die Schwächsten<br />
der Schwachen und kümmert sich um<br />
Jugendliche und junge Erwachsene bis 25<br />
Jahre ohne jegliche berufl iche Perspektiven.<br />
«Wir springen dort ein, wo dem Staat die Hände<br />
gebunden sind, und schliessen damit eine<br />
Lücke», sagt Geschäftsführer Jörg Sennrich.<br />
«Kein Abschluss ohne Anschluss», lautet das<br />
Speranza-Credo, im Wissen, dass eine ungenügende<br />
Berufsausbildung einen hohen<br />
volkswirtschaftlichen Schaden ver ursacht.<br />
Junge Menschen mit Sozialhilfe, in Integrationsprogrammen<br />
und im Strafvollzug belasten<br />
die öffentliche Hand gemäss Studien mit mehreren<br />
hundert Millionen Franken, so Sennrich.<br />
Das Engagement der Stiftung beruht auf<br />
zwei Eckpfeilern. Einerseits motivieren ihre<br />
wirtschaftsnahen «Networker » Unternehmer<br />
zur Ausschreibung neuer Lehr- und Praktikumsstellen,<br />
wodurch schweizweit bereits<br />
rund <strong>10</strong> 000 neue Ausbildungsplätze geschaffen<br />
werden konnten. Für Jörg Sennrich<br />
besonders wichtig: «Es handelt sich dabei<br />
nicht um Stellen in ‹geschützten Werkstätten›,<br />
sondern um die Integration in den realen<br />
Arbeitsmarkt. Zumeist sind es zweijährige<br />
Grundausbildungen EBA (Anlehren) für schulisch<br />
schwache Jugendliche.»<br />
Daneben verfügt Speranza über das<br />
Institut für Bildung (IfB). Jugendliche mit<br />
besonders grossen Defiziten werden hier<br />
während 12 bis 18 Monaten im ‹Bildungsjahr›<br />
für den Arbeitsmarkt fit gemacht. Unterstützt<br />
werden sie dabei von erfahrenen Fachleuten<br />
und Unternehmern, so genannten Wirtschaftscoachs.<br />
Die meisten Jugendlichen weisen<br />
komplexe Mehrfachproblematiken (Migrationshintergrund,<br />
schulische Defizite, Straffälligkeit)<br />
und ausgeprägte Motivationsprob-<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Schweiz Credit Suisse 55<br />
«Ich will meine letzte Chance packen»: Tobias Gspandl (18) hat dank Speranza eine Lehrstelle gefunden.<br />
Auch mit seinem Coach habe es Probleme<br />
gegeben. Doch als ihm ein neuer Betreuer<br />
zugeteilt wurde, habe es Klick gemacht. Zwar<br />
sei man ebenfalls ab und an aneinandergeraten,<br />
und manchmal sei es auch stressig<br />
gewesen, weil dieser dauernd etwas von ihm<br />
gefordert habe. Doch der Coach habe nie die<br />
Nerven verloren und habe es gut mit ihm gemeint.<br />
«Irgendwann habe ich das kindische<br />
Ver halten abgelegt und begriffen, dass es<br />
ernst gilt.» Nach einigen Praktika wurde er<br />
mit der Lehrstelle im Restaurant Baregg<br />
belohnt.<br />
Die Kosten für das Bildungsjahr betragen<br />
21 000 Franken. Ein Schnäppchen im Vergleich<br />
mit ähnlichen Angeboten oder den<br />
rund 43 000 Franken, die ein ausgesteuerter<br />
Jugendlicher den Staat kostet. Und die Erfolgsquoten<br />
von Speranza sind beachtlich.<br />
Rund 300 Jugendliche fanden nach der Absolvierung<br />
des Bildungsjahres seit 2007 eine<br />
Lehrstelle. Bei den 16- und 17-Jährigen waren<br />
es 80 Prozent, bei den über 18-Jährigen<br />
zwischen 50 und 60 Prozent. «Unser gesamtheitliches<br />
und individualisierendes Bildungskonzept<br />
sowie unser Kontakt zur Wirtschaft<br />
zahlt sich aus», sagt Jörg Sennrich, «für die<br />
Jugendlichen und für die Volkswirtschaft.»<br />
Mehr noch. Tobias Gspandl hat dank Speranza<br />
den Glauben an sich selbst (wieder)<br />
gefunden. In sein Notizheft skizziert er bereits<br />
Baupläne. Von einem eigenen Hotel –<br />
am Meer. Michael Krobath<br />
leme auf. Häufig laute ihr Lebensmotto «Chillen»<br />
(entspannen, rumhängen), sagt Jörg<br />
Sennrich. Das Gefühl, zur Gesellschaft zu<br />
gehören und einen Teil dazu beitragen zu<br />
müssen, existiere nicht. «Deshalb beginnen<br />
wir oft ganz von vorne, mit der Vermittlung<br />
von Tugenden wie Ordnungssinn, Pünktlichkeit,<br />
Durchhaltewillen und Eigenverantwortung.»<br />
In mehrwöchigen Perspektivencamps<br />
in Bergregionen erhalten die Jugendlichen<br />
eine geregelte Tagesstruktur und leisten<br />
Arbeitseinsätze, um die für den Arbeitsmarkt<br />
benötigten Schlüsselkompetenzen zu erlan-<br />
gen. Erst danach beginnt die Phase der<br />
eigentlichen beruflichen Planung. Nebst der<br />
Aufarbeitung schulischer Schwächen setzen<br />
sie sich in Berufspraktika intensiv mit der<br />
eigenen Berufswahl auseinander und erarbeiten<br />
sich einen Leistungsausweis.<br />
Zu Speranza kommen die arbeitslosen<br />
Jugendlichen jeweils durch die kantonalen<br />
Dienststellen oder durch die Wohngemeinde.<br />
So auch Tobias Gspandl. Anfangs habe er<br />
sich dort schwergetan, erzählt der kräftige<br />
Kochlehrling. Wie zuvor in der Schule habe<br />
er den Clown gespielt und sei angeeckt.<br />
<br />
Mehr Informationen unter<br />
www.stiftungsperanza.ch<br />
Als Beitrag zur langfristigen Förderung des<br />
Bildungs- und Werkplatzes Schweiz engagiert<br />
sich die Credit Suisse für die Verbesserung<br />
der Berufschancen von Jugendlichen. Im Rahmen<br />
der Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
stellt sie 30 Millionen Franken bereit.<br />
Dabei arbeitet sie in den nächsten drei bis<br />
fünf Jahren mit sieben Partnern zusammen.<br />
Bereits vorgestellt wurden:<br />
Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in<br />
der Ostschweiz (<strong>bull</strong>etin 2/20<strong>10</strong>) sowie<br />
Intégration pour tous. Project Jeunes@Work<br />
(<strong>bull</strong>etin 3/20<strong>10</strong>)<br />
Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unter nehme rische Verantwortung gegen über<br />
der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaft lichen Erfolg ist.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
56 Wirtschaft Gesundheit<br />
Universitätsspital<br />
Kantonsspital<br />
Regional-/Bezirksspital,<br />
psychiatrische Kliniken,<br />
Rehabilitationskliniken,<br />
Privatkliniken, Spezialkliniken<br />
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Spannungs<br />
Gesundheits<br />
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Foto: Mathias Hofstetter<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Gesundheit Wirtschaft 57<br />
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feld<br />
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wesen<br />
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<br />
Text: Manuela Merki, Senior Economist, Credit Suisse Economic Research<br />
<br />
<br />
Im Schweizer Gesundheitswesen sollen die Kosten eingedämmt werden,<br />
<br />
<br />
aber der uneingeschränkte <br />
Zugang zu den Dienstleistern soll auch garantiert<br />
sein. Die Unterschiede <br />
in der regionalen Versorgung haben sich verkleinert,<br />
allerdings werden die Betriebe immer grösser. Das Netz der Gesundheitsdienstleister<br />
in der Schweiz ist heute dichter und regelmässiger als noch vor<br />
<br />
zehn Jahren. Inwiefern ist diese regionale Ausdehnung mitverantwortlich für<br />
<br />
die hohen Kosten im Schweizer Gesund heitswesen? >>><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
58 Wirtschaft Gesundheit<br />
Gesundheit hat ihren Preis. Tatsächlich belaufen<br />
sich die Gesundheitsausgaben in der<br />
Schweiz heute auf mehr als zehn Prozent des<br />
BIP. Hinter den USA und Frankreich liegen<br />
wir damit weltweit auf Rang drei. Ein Spitzenplatz<br />
kann dem Schweizer Gesundheitswesen<br />
aber auch in Sachen Ergebnisqualität<br />
zugesprochen werden. Die Lebenserwartung<br />
gehört weltweit zu den höchsten (Frauen<br />
84,4 Jahre, Männer 79,7 Jahre) und Umfragen<br />
zeigen immer wieder, dass die Schweizer<br />
Bevölkerung mit den Gesundheitsdienstleistungen<br />
überaus zufrieden ist.<br />
Momentan prägt die Diskussion um die<br />
Zukunft des Gesundheitswesens aber vor<br />
allem die Angst vor den aus dem Ruder<br />
laufenden Kosten. Mehr als 60 Milliarden<br />
Schweizer Franken wurden 2009 gemäss<br />
Schätzungen gesamthaft für Gesundheitsdienstleistungen<br />
ausgegeben, Tendenz steigend<br />
(vgl. Abbildung 1). Dabei müssen nicht<br />
nur die Patienten zur Begleichung ihrer Krankenkassenprämien<br />
und Kostenbeteiligungen<br />
immer tiefer in die Tasche greifen. Auch die<br />
indirekt via Staatskasse finanzierten Gesundheitsausgaben<br />
klettern jährlich um<br />
durchschnittlich 4,7 Prozent (1998 –2007).<br />
Mehr <strong>Konsum</strong> führt zu mehr Ausgaben<br />
Die Ausgaben sind in allen Leistungsbereichen<br />
stark gestiegen, zwischen 1998 und<br />
2008, im Durchschnitt um jährlich 3,7 Prozent.<br />
Am stärksten war der Anstieg bei den<br />
ambulanten Spitalleistungen, wobei hier eine<br />
Verlagerung von Leistungen aus dem stationären<br />
Bereich stattgefunden hat.<br />
Das Wachstum der Gesundheitsausgaben<br />
ist dabei weitgehend mengen- und nicht<br />
preisbedingt. Die durchschnittliche Teuerung<br />
im gesamten Gesundheitsbereich betrug<br />
zwischen 1998 und 2008 nur 0,4 Prozent.<br />
Zwischen den einzelnen Gesundheitsgütern<br />
und -dienstleistungen können aber beachtliche<br />
Unterschiede festgestellt werden. Am<br />
stärksten gestiegen sind die Preise für Spitalleistungen<br />
(+1,3 Prozent pro Jahr). Die<br />
Preise für ärztliche Dienstleistungen stiegen<br />
nicht und Medi kamente sind sogar günstiger<br />
geworden (–1,8 Prozent pro Jahr).<br />
Die starke Mengenausweitung kommt<br />
nicht von ungefähr. Das Bevölkerungswachstum<br />
und die demografische Alterung treiben<br />
die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen<br />
an. Ein wesentlicher Teil des Kostenanstiegs<br />
ist jedoch auch bedingt durch die<br />
steigenden Ansprüche der Patienten sowie<br />
die systemimmanenten Anreize, die eine (zu)<br />
hohe Versorgung begünstigen. Die privaten<br />
Haushalte tragen in der Schweiz zwar einen<br />
beachtlichen Teil der Gesundheitsausgaben;<br />
dieser besteht jedoch grösstenteils aus den<br />
Versicherungsbeiträgen und hängt kaum<br />
von den konsumierten Leistungen ab. Auch<br />
bei den Anbietern gehen die Anreize in Richtung<br />
Mengenausweitung. Vereinfacht gesagt<br />
verdienen «gute Ärzte», die ihre Patienten<br />
schnell und nachhaltig kurieren, weniger als<br />
«schlechte Ärzte», die mit viel Aufwand wenig<br />
erreichen. Die Unsicherheit über den Erfolg<br />
von Behandlungen verstärkt die Tendenz zu<br />
höherem <strong>Konsum</strong> zusätzlich.<br />
Im Gesundheitswesen ist derjenige, der<br />
eine Leistung anordnet, nutzt und bezahlt,<br />
selten ein und dieselbe Person. Die Informationsbausteine<br />
sind auf die verschiedenen<br />
Akteure verteilt und oft nicht frei zugänglich.<br />
Die effektiven Kosten bleiben daher für<br />
die verschiedenen Entscheidungsträger verborgen.<br />
Diese Anreizverzerrungen und die<br />
dadurch steigenden Ausgaben bringen das<br />
System an seine Belastungsgrenzen.<br />
Die Ausgabenlast ist im Schweizer Gesundheitssystem<br />
auf viele Schultern verteilt<br />
und die Veränderungsbereitschaft ist<br />
gering. Zu viele Akteure profitieren von der<br />
momentanen Ausgestaltung der Gesundheits<br />
ver sorgung, Reformen kommen daher<br />
nur schleppend voran. Der steigende Kostendruck<br />
sorgt jedoch allmählich für etwas<br />
Bewegung.<br />
In der Struktur des Angebots zeichnen<br />
sich gewisse Veränderungen ab. So kann bei<br />
allen Gesundheitsdienstleistern in den letzten<br />
zehn Jahren eine Tendenz zu grösseren<br />
Betrieben festgestellt werden. In vielen Bereichen<br />
ging die Anzahl Arbeitsstätten zurück,<br />
in anderen ist sie zumindest deutlich weniger<br />
stark angestiegen als die Zahl der Vollzeitbeschäftigten.<br />
Nur bei der Psychotherapie/<br />
Psychologie und bei der Allgemeinmedizin ist<br />
die Beschäftigung (in Vollzeitäquivalenten) in<br />
den letzten zehn Jahren zurückgegangen.<br />
Die Spezialmedizin (Fachärzte, Spezialkliniken)<br />
ist deutlich stärker gewachsen als die<br />
Allgemeinmedizin.<br />
Grösste Konzentration bei Spitälern<br />
Die Konzentrationsprozesse sind bei den<br />
grossen Kostenblocks (Spitäler und Ärzte)<br />
sowie in der Hauspflege besonders intensiv,<br />
was einerseits auf hohe Effizienzgewinne<br />
durch Konzentration in diesen Bereichen zurückzuführen<br />
ist, anderseits durch den besonders<br />
starken öffentlichen und politischen<br />
Druck angetrieben sein dürfte. Die Reform<br />
der Spitalfinanzierung und die damit einher-<br />
1 Podestplatz für die Schweiz<br />
Die Schweiz gibt mehr als ein Zehntel des<br />
BIP für das Gesundheitswesen aus. Sie liegt<br />
damit hinter den USA und Frankreich.<br />
Quelle: BFS, Seco, Credit Suisse Economic Research<br />
Mrd. CHF<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />
Gesundheitsausgaben, total<br />
BIP<br />
2 Weniger regionale Unterschiede<br />
Zwischen 1998 und 2008 ist der Unterschied<br />
im Verhältnis von Beschäftigten im<br />
Gesundheitssektor zu Einwohnern kleiner<br />
geworden.<br />
Quelle: BFS, Credit Suisse Economic Research<br />
0.8<br />
0.7<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
Allgemeine Arztpraxen<br />
Krankenhäuser<br />
1998<br />
2008<br />
Pflege<br />
Total<br />
BIP<br />
650<br />
600<br />
550<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Gesundheit Wirtschaft 59<br />
Die Konzentration in den Zentren hat sich<br />
nicht prinzipiell zulasten der Randregionen<br />
verstärkt. In der Entwicklung der regionalen<br />
Versorgung lassen sich nur teilweise Konzentrations-<br />
und Spezialisierungsprozesse ausmachen.<br />
Basierend auf dem Verhältnis der Anzahl<br />
Beschäftigten im Gesundheitssektor zur Anzahl<br />
Einwohner nehmen die regionalen Unterschiede<br />
tendenziell gar ab (vgl. Abbildung 2).<br />
Mehr Versorgung in den Randregionen<br />
Bei den Versorgungsmöglichkeiten, gemessen<br />
an der Anzahl innert einem konstanten<br />
Radius von 30 Minuten Fahrzeit erreichbaren<br />
Gesundheitsdienst leister, zeigt sich teilweise<br />
gar eine stärkere Erhöhung in den Randregionen;<br />
die Regionen gleichen sich einander<br />
an. Besonders auffallend ist das Muster des<br />
erhöhten Versorgungspotenzials in gewissen<br />
Randregionen bei allgemeinen Krankenhäusern<br />
(vgl. Abbildung 3) und Ärzten.<br />
Dies überrascht angesichts der Befürchtungen<br />
einer Unter- respektive Minderversorgung<br />
der Randregionen. Vermutlich ist<br />
leister respektive die hohe Versorgung im<br />
ländlichen Raum nicht nur auf Neupositionierungen<br />
und Spezialisierungen zurückzuführen,<br />
sondern auch politisch begründet.<br />
Besonders bei der Allgemeinmedizin bietet<br />
eine überdurchschnittliche Entwicklung der<br />
Randregionen kaum ökonomische Vorteile.<br />
Inwiefern die räumliche Ausbreitung des Gesundheitswesens<br />
und die Diskrepanz zwischen<br />
räumlichem Einzugsgebiet und politischer<br />
Zuständigkeit grundsätzlich die Kosten<br />
in die Höhe treiben, bleibt offen.<br />
Die dezentrale Regulierungs- und Entscheidungsstruktur<br />
ist eine Schweizer Besonderheit.<br />
Die verschiedenen, teilweise<br />
verzahnten Kompetenzen zwischen Bund,<br />
Kantonen und Gemeinden sind sehr komplex<br />
und zeitigen mitunter unklare Zuständigkeiten,<br />
Doppelspurigkeiten oder unzweckmässige<br />
Lösungen. Angesichts der Bestrebungen<br />
zu Kostenreduktion und Konzentration wird<br />
das Spannungsfeld zwischen nationaler und<br />
regionaler Gesundheitspolitik noch stärker.<br />
Der bestehende Regulierungsrahmen<br />
ge hende Einführung von Fallpauschalen per<br />
2012 sorgt für zusätzliche Bewegung und<br />
dürfte zu einer Bereinigung der Spitallandschaft<br />
führen. Die Managed-Care-Vorlage<br />
wiederum wird den Wettbewerb der verschiedenen<br />
Versorgungsmodelle intensivieren und<br />
damit die Tendenz hin zu grösseren Praxen<br />
und Ärztenetzwerken verstärken.<br />
Der Gesundheitssektor befindet sich dabei<br />
zwischen der Konzentration und Spezialisierung<br />
einerseits sowie der Nähe zu Kunden<br />
respektive Patienten anderseits. Arbeitsteilungs-<br />
und Effizienzüberlegungen<br />
wirken oft in Richtung Konzentration der<br />
Leistungserstellung, während die notwendige<br />
Nähe zum Kunden und der Versorgungsauftrag<br />
der Konzentration entgegenwirken.<br />
In der regionalen Verteilung der Gesundheitsdienstleister<br />
zeigt sich eine hohe Konzentration<br />
in den Ballungsräumen um die<br />
wirtschaftlichen Zentren. Diese Konzentration<br />
lässt sich durch die stark konzentrierte<br />
Nachfrage und die Funktion dieser Regionen<br />
als überregionale Kompetenz- und Versorgungszentren<br />
erklären. diese Ausdehnung der Gesundheitsdienst-<br />
hemmt den Wettbewerb. Mittelfristig wäre ><br />
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Telefon <strong>04</strong>4 / 740 14 18<br />
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Telefon 022 / 307 84 44<br />
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Quai Général-Guisan 5<br />
12<strong>04</strong> Genf<br />
Telefon 022 / 317 40 00<br />
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<strong>10</strong>6, rue de Genève<br />
1226 Thônex<br />
Telefon 022 / 860 88 88<br />
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86<strong>10</strong> Uster<br />
Telefon <strong>04</strong>4 / 940 18 48<br />
MOLINO Winterthur<br />
Marktgasse 45<br />
8400 Winterthur<br />
Telefon 052 / 213 02 27<br />
MOLINO Zürich<br />
Limmatquai 16<br />
8001 Zürich<br />
Telefon <strong>04</strong>4 / 261 01 17<br />
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Zermatt<br />
Bahnhofstrasse 52<br />
3920 Zermatt<br />
Telefon 027 / 966 81 81<br />
MOLINO Fribourg<br />
93, rue de Lausanne<br />
1700 Fribourg<br />
Telefon 026 / 322 30 65<br />
MOLINO Montreux<br />
Place du Marché 6<br />
1820 Montreux<br />
Telefon 021 / 965 13 34<br />
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Stauffacherstrasse 31<br />
80<strong>04</strong> Zürich<br />
Telefon <strong>04</strong>4 / 240 20 40<br />
MOLINO Genf<br />
Place du Molard 7<br />
12<strong>04</strong> Genf<br />
Telefon 022 / 3<strong>10</strong> 99 88<br />
MOLINO St. Gallen<br />
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9000 St. Gallen<br />
Telefon 071 / 223 45 03<br />
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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
60 Wirtschaft Gesundheit<br />
3 Eine halbe Stunde Fahrzeit bis ins nächste Spital<br />
Auf dem Land hat die Versorgungsdichte zwischen 1998 und 2008 insgesamt zugenommen.<br />
Gerade in den Randregionen hat diese Entwicklung kaum ökonomische Vorteile, sondern dürfte<br />
auch politisch begründet sein. Quelle: BFS, Credit Suisse Economic Research<br />
4 Stadt und Land haben unterschiedliche medizinische Bedürfnisse<br />
In den wirtschaftlichen Ballungszentren ist mehr medizinische Grundversorgung gefragt,<br />
während auf dem Land mit einem grösseren Anteil an älteren Leuten der Bedarf nach<br />
Pflegedienstleistungen steigen wird. Quelle: BFS, Geostat, Credit Suisse Economic Research<br />
es wichtig, einen echten Binnenmarkt zu<br />
schaffen. Ausser der minimalen Grundversorgung<br />
können viele Leistungen zeitlich<br />
verzögert und ausserhalb des Wohnorts erbracht<br />
und konsumiert werden. Auch im Hinblick<br />
auf die Internationalisierung, die auch<br />
im Gesundheitsbereich zunehmen wird, wäre<br />
ein verstärkter Binnenwettbewerb eine<br />
optimale Vorbereitung. Transparenz und Information<br />
bezüglich der erbrachten Leistungen<br />
und ihrer Qualität werden dabei in Zukunft<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
Ein Ausblick auf den künftigen regionalen<br />
Versorgungsbedarf und das regionale Entwicklungspotenzial<br />
zeigt, dass sich für die<br />
verschiedenen Regionen auch in einem stärker<br />
wettbewerbsorientierten Markt und bei<br />
zunehmender Spezialisierung Chancen ergeben.<br />
Dabei liegt – ausser bei der Grundversorgung<br />
– der Schlüssel in einer zunehmenden<br />
Spezialisierung und Konzentration<br />
von Kompetenzen. In Wachstumsregionen<br />
um die wirtschaftlichen Zentren zeichnet sich<br />
ein Bedarf im Bereich der medizinischen<br />
Grundversorgung ab (vgl. Abbildung 4). Auf<br />
dem Land dürfte besonders bei der Pflege<br />
eine überdurchschnittliche Entwicklung zu<br />
verzeichnen sein, denn dort ist heute die<br />
Versorgungsdichte eher tief und das erwartete<br />
Wachstum des Alterslastkoeffizienten<br />
(Anteil der Bevölkerung 65+ im Vergleich zu<br />
20 – 64-Jährigen) besonders hoch. Entwicklungspotenzial<br />
ergibt sich auch im Reha- und<br />
Kurbereich oder bei Wellness und Schönheit.<br />
Neue Entwicklungen in den Organisationsund<br />
Marktstrukturen aktiv anzugehen, ist<br />
dabei längerfristig die beste Strategie. <<br />
Die Credit Suisse als Kompetenzzentrum<br />
für Themen der Schweizer<br />
Volkswirtschaft<br />
Am 24. August 20<strong>10</strong> wurde die<br />
neue Publikation zum Gesundheitswesen<br />
Schweiz den Medien<br />
präsentiert. Die Studie fühlt<br />
dem Gesundheitswesen in der<br />
Schweiz den Puls und beleuchtet<br />
dabei speziell die regionale<br />
Dimension mit Blick sowohl auf<br />
das Gesundheitswesen als regionalen<br />
Wirtschaftsfaktor als auch<br />
auf die Versorgung der Bevölkerung.<br />
Die vollständige Studie<br />
finden Sie im Internet unter<br />
www.credit-suisse.com/research<br />
(Schweizer Wirtschaft/Branchen).<br />
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62 Wirtschaft Export<br />
Unser Feld ist die Welt:<br />
Erfolgreiche Schweizer<br />
<strong>Konsum</strong>güterexporte<br />
35 750 Milliarden US-Dollar gibt die Welt jährlich für privaten <strong>Konsum</strong> aus.<br />
Dank ihrer starken Exportunternehmen profitiert davon auch die Schweiz.<br />
Text: Dennis Brandes, Credit Suisse Economic Research<br />
Der eigentliche Zweck allen Wirtschaftens<br />
ist der <strong>Konsum</strong>, verstanden als die gesamthafte<br />
Nachfrage von privaten Haushalten<br />
nach Gütern und Dienstleistungen in all<br />
ihrer Unterschiedlichkeit – Luxusartikel,<br />
Miete, Nahrung, Urlaub, Gesundheitsdienstleistungen.<br />
Wir arbeiten nicht, um zu sparen<br />
oder zu investieren, sondern um unsere Bedürfnisse<br />
und die von uns nahestehenden<br />
Personen heute und in Zukunft decken zu<br />
können. Wir sparen und investieren natürlich<br />
auch, was den aktuellen <strong>Konsum</strong> reduziert,<br />
richtig eingesetzt aber den künftigen Wohlstand<br />
und damit künftige <strong>Konsum</strong>möglichkeiten<br />
umso mehr erhöht.<br />
So ist es nicht verwunderlich, dass der<br />
grösste Teil der weltweiten Wirtschaftsleistung<br />
für private <strong>Konsum</strong>zwecke ausgegeben<br />
wird. Im Jahr 2008 waren dies 35 750 Milliarden<br />
US- Dollar, etwa 60 Prozent des weltweiten<br />
BIP oder das etwa Siebzigfache der<br />
jährlichen Schweizer Wirtschaftsleistung.<br />
Ein grosser Teil des <strong>Konsum</strong>s eines Landes<br />
wird direkt vor Ort befriedigt – Mieten etwa<br />
oder lokal angebaute Lebensmittel. Ein<br />
gewichtiger Teil von <strong>Konsum</strong>gütern wird aber<br />
von der ganzen Welt bereitgestellt: Autos aus<br />
Deutschland, Fernseher aus Korea, Möbel<br />
aus Schweden. Schweizer <strong>Konsum</strong>enten<br />
haben so eine viel grössere Auswahl, als<br />
Schweizer Produzenten alleine jemals bieten<br />
könnten. Umgekehrt haben Schweizer Produzenten<br />
einen viel grösseren Kundenstamm als<br />
die Schweiz, statt 7,6 Millionen potenzieller<br />
Kunden theoretisch das fast Hundert fache.<br />
Und obwohl Schweizer <strong>Konsum</strong>güterunternehmen<br />
natürlich nicht jeden Menschen weltweit<br />
zu ihren Kunden zählen können, spielen<br />
sie in vielen Bereichen ganz vorne mit.<br />
Eine Schweizer Erfolgsgeschichte<br />
<strong>Konsum</strong>güterexporte machen einen gewichtigen<br />
Anteil an allen Schweizer Warenexporten<br />
aus. Letztes Jahr wurden 92,4 Milliarden<br />
Schweizer Franken an <strong>Konsum</strong>gütern exportiert,<br />
ein Anteil von 51,3 Prozent an allen Ausfuhren.<br />
Nicht nur anteilig, auch bei der Krisenresistenz<br />
zeigten sich die <strong>Konsum</strong>güterexporte<br />
2009 führend und verzeichneten<br />
mit – 3,2 Prozent einen deutlich geringeren<br />
Rückgang als die Schwei zer Gesamtexporte,<br />
die um 12,5 Prozent einbrachen.<br />
Schweizer Hersteller exportieren natürlich<br />
eine breite Palette an Gütern und sind in<br />
vie len Bereichen wettbewerbsfähig. Volumenmässig<br />
wird die Aussenhandelsstatistik allerdings<br />
von nur wenigen Kategorien beherrscht.<br />
Die vier grössten Produktgruppen machen<br />
fast 90 Prozent der <strong>Konsum</strong>güter aus fuhren<br />
aus (Abbildung 1). Der grösste Block findet sich<br />
im Bereich der Arzneimittel. Fast 60 Milliarden<br />
Schweizer Franken und damit zwei Drittel der<br />
<strong>Konsum</strong>güter- und ein Drittel aller Warenexporte<br />
entfallen auf diese Kategorie. Pharmaexporte<br />
zeichnen auch ganz wesentlich für<br />
die gute Performance im Krisenjahr 2009 verantwortlich,<br />
denn während die Ausfuhren der<br />
meisten Warengruppen zurückgingen, wuchsen<br />
Pharmaexporte um mehr als 5 Prozent.<br />
Foto: George Doyle, Getty Images<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Export Wirtschaft 63<br />
Auf dem zweiten Platz der <strong>Konsum</strong>güterexporte<br />
liegt eines der vielleicht typischsten<br />
Schweizer Produkte: die Uhr. Trotz weltweiter<br />
Rezession wurden 2009 immer noch für<br />
12,4 Milliarden Schweizer Franken Uhren<br />
exportiert, was ge genüber 2008 allerdings<br />
einen Einbruch um mehr als einen Fünftel<br />
darstellt. Dieses Zusammenspiel zwischen<br />
stark mit der Konjunktur schwankenden und<br />
eher konjunkturresistenten Gütern zeigt sich<br />
auch auf den nächsten Plätzen der Aussenhandels<br />
statistik: Nach den vergleichsweise<br />
stabilen Nahrungsmitteln (CHF 5,8 Mrd.<br />
2009, +0,9% gegenüber 2008) folgen die<br />
eher konj unk tur empfind lichen Bijouteriewaren<br />
(CHF 5,3 Mrd. 2009, –11,5% gegenüber<br />
2008). Die Kom bi na tion aus eher konjunkturresistenten<br />
und -em pfind lichen Produkten ist<br />
eine grosse Stärke der Schweizer Exportwirtschaft,<br />
die es erlaubt, sowohl am Wirtschaftsaufschwung<br />
zu partizipieren als auch Krisen<br />
besser zu überstehen als viele andere Länder.<br />
Ausblick mittels KMU-Exportindikator<br />
1 Arzneiwaren machen die wichtigsten<br />
<strong>Konsum</strong>güterexporte der Schweiz aus<br />
Arzneiwaren und Hygieneartikel sowie Uhren<br />
machten 2009 drei Viertel aller Schweizer<br />
Exporte aus. Eine breite Diversifizierung ist<br />
aber wichtig. Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung<br />
Arzneiwaren (inkl. Hygieneartikel) 62.9%<br />
Uhren 13.4%<br />
Nahrungsmittel 6.3%<br />
Bijouterie, Schmuck und Juwelierwaren 5.7%<br />
Bekleidung und Schuhe 2.2%<br />
Pflege- und Reinigungsprodukte 1.2%<br />
Wohnungseinrichtungen 1.0%<br />
Übrige 7.2%<br />
2 Credit Suisse Exportbarometer<br />
zeigt Normalisierung der Exporte<br />
Die Schweizer Exportindustrie hat die Talsohle<br />
durchschritten und besitzt für die nächsten<br />
Monate gute Aussichten.<br />
Quellen: OECD, Eidgenössische<br />
Zollverwaltung, Datastream, Credit Suisse Economic Research<br />
In Standardabweichungen<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0<br />
–1.0<br />
–2.0<br />
–3.0<br />
–4.0<br />
89 91 93 95 97 99 01 03 05 07<br />
Wachstumsschwelle Barometer<br />
Exporte (Jahreswachstumsrate in %)<br />
Trendwachstum Exporte<br />
(gleitender 6-Monats-Durchschnitt)<br />
Barometer (+1Q)<br />
09<br />
Nach dem tiefen Einbruch 2009 sind die Exporteure<br />
20<strong>10</strong> besser unterwegs. Wird dies<br />
auch in den nächsten Monaten anhalten? Um<br />
sich dieser Frage zu nähern, haben die Osec<br />
und die Credit Suisse gemeinsam den KMU-<br />
Exportindikator konstruiert, der die ausländische<br />
Nachfrage und die Exportstimmung<br />
unter Schweizer KMU miteinander verbindet<br />
(Box). Beide Indika toren, ausländische Nachfrage<br />
und Exportstimmung, stehen im dritten<br />
Quartal auf Wachstum.<br />
Das Exportbarometer der Credit Suisse,<br />
das die ausländische Nachfrage nach Schweizer<br />
Produkten abbildet, ist im Lauf der<br />
letzten drei Monate weiter angestiegen. Im<br />
dritten Quartal wird ein Wert von 1,1 erreicht,<br />
weit über der Wachstumsschwelle von –1 und<br />
ebenfalls über dem Nullwert, der eine Norma<br />
lisierung signalisiert (Abbildung 2). Aktuell<br />
zeichnet sich allerdings eine Abschwächung<br />
der Dynamik ab. Das Barometer bleibt dabei<br />
weiter über der Wachstumsschwelle, sodass<br />
sich die Aussichten für Schweizer Exporte<br />
in nächster Zeit freundlich zeigen.<br />
Wie die ausländischen Impulse bei den<br />
KMU ankommen, zeigen die Exportperspektiven<br />
der Osec. Für das dritte Quartal verzeichnet<br />
diese eine leichte Abschwächung<br />
der Exportstimmung, von 76,8 auf 68,5<br />
Punkte. Damit bleibt der Wert weiterhin<br />
deutlich über der Wachstumsschwelle von<br />
50 Punkten. Hersteller von <strong>Konsum</strong>gütern<br />
äusserten sich dabei überdurchschnittlich<br />
optimistisch. <<br />
Osec-KMU-Exportperspektiven<br />
Die KMU-Exportperspektiven der Osec basieren auf der quartalsweisen<br />
Befragung eines festen Panels von über 200 Schweizer KMU.<br />
Die Teilnehmer repräsentierten die Branchen Pharma/Chemie,<br />
Maschinenbau, <strong>Konsum</strong>güter, Metallindustrie, Papier, Elektrotechnik,<br />
Präzisionsindustrie und Dienstleistungen. Über ihre Angaben zum<br />
Exportvolumen liefern sie weitere Informationen, etwa zu den Gründen<br />
für die Veränderung ihres Export volumens, zu den Exportmärkten etc.<br />
Diese Angaben ergeben ein aussagekräftiges Bild über die Exportaktivitäten<br />
der Schweizer KMU.<br />
Mehr Informationen zum Thema: www.osec.ch/exportindikator<br />
Credit Suisse Exportbarometer<br />
Das Exportbarometer des Credit Suisse Economic Research<br />
basiert auf den Einkaufsmanagerindizes (PMI) der 28 wichtigsten<br />
Abnehmerländer der Schweiz. Es nutzt den Umstand, dass die<br />
Auslandkonjunktur kausal mit der Exportentwicklung in der Schweiz<br />
zusammenhängt, und hat einen Vorlauf zur Schweizer Exportentwicklung<br />
von bis zu einem halben Jahr.<br />
Mehr Informationen zum Thema: Credit Suisse (2009), Aussenhandel Schweiz – Fakten und<br />
Trends, Swiss Issues Branchen, verfügbar unter www.credit-suisse.com/research<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
64 Wirtschaft Gelegenheit<br />
Chance<br />
verpasst ?<br />
Die jüngste Finanzkrise bot Unternehmen, Regierungen und der Gesellschaft<br />
im Allgemeinen eine der äusserst seltenen Gelegenheiten, Veränderungen anzugehen,<br />
radikale Ideen umzusetzen und Reformen zu beschleunigen. Haben sie diese<br />
Chance verpasst ?<br />
Text: Kevin Lyne-Smith, Head of Equity Research Europe and America<br />
In den letzten <strong>10</strong>0 Jahren kam es nur viermal<br />
zu globalen Umbrüchen, die der Welt die<br />
Chance zur Umsetzung radikaler Programme<br />
boten: die beiden Weltkriege, die dazwischenliegende<br />
Weltwirtschaftskrise und nun eben<br />
die Finanzkrise. Der radikale Neuaufbau<br />
Deutschlands und Japans nach dem Krieg<br />
kann mit Fug und Recht als Grundlage des<br />
wirtschaftlichen Erfolgs gesehen werden,<br />
den beide Länder bis heute geniessen. Auch<br />
wenn die heutige Situation bei Weitem nicht<br />
so extrem ist, bot sie doch einige Chancen.<br />
Die jetzige Finanzkrise ist in zahlreichen<br />
Punkten mit der Weltwirtschaftskrise von<br />
damals vergleichbar, die ebenfalls eine Neuregulierung<br />
der Finanzindustrie erforderlich<br />
machte.<br />
In solchen Momenten ist die Wählerschaft<br />
für radikale politische Massnahmen offen,<br />
wenn dadurch der Krise ein Ende gesetzt<br />
werden kann. Ein Kennzeichen solcher Krisen<br />
ist insbesondere der allmähliche Vertrauens<br />
verlust, der teils auf das Ausmass der<br />
Arbeitsplatzverluste und Firmenpleiten zurückzuführen<br />
ist, teils auch auf Unzulänglichkeiten<br />
gewisser Teile der Finanzmärkte,<br />
die das marktwirtschaftliche Fundament der<br />
entwickelten Länder bilden. Der Zusammenbruch<br />
von Finanzinstitutionen führt zu einer<br />
Verunsicherung der betroffenen Kunden, die<br />
um ihre Ersparnisse und ihre Pensionen<br />
fürchten. Zwar hat die jüngste Finanzkrise<br />
nicht die dramatischen Auswirkungen derjenigen<br />
von 1929 gezeitigt. Der damit einhergehende<br />
Vermögens- und Vertrauensverlust<br />
hat aber Haushaltsprobleme ausgelöst,<br />
die die Möglichkeiten der Regierungen beschränken,<br />
die Krise mit Hilfe einer Ausgabenpolitik<br />
zu überwinden. Allerdings haben<br />
diese Zwänge sowohl für mehr Haushaltsdisziplin<br />
als auch für kreativere Ansätze zur<br />
Lösung der Situation gesorgt.<br />
Angesichts der Vielzahl der möglichen<br />
Ini tiativen konzentrieren wir uns in den folgenden<br />
sechs Beispielen vor allem auf Europa:<br />
I ntegration der EU<br />
Der Euro wurde am 1. Januar 1999 in einem<br />
skeptischen Umfeld in die Finanzmärkte eingeführt.<br />
2002 ersetzte er die Währungen von<br />
16 europäischen Ländern und konnte in den<br />
folgenden sechs Jahren gegenüber dem US-<br />
Dollar meist stetig zulegen. Die Einführung<br />
des Euro hätte der erste greifbare Schritt zu<br />
einer wirtschaftlichen und politischen Integration<br />
der Euro-Staaten sein sollen. Die<br />
Probleme, mit denen Griechenland und in<br />
geringerem Umfang auch Spanien und Irland<br />
zu kämpfen haben, machen den mangelnden<br />
Fortschritt und die Risiken sichtbar, die entstehen,<br />
wenn 16 Staaten zwar eine gemeinsame<br />
Währung besitzen, aber unabhängig<br />
voneinander handeln. In Griechenland hat<br />
sich gegenüber den Zeiten der Drachme<br />
1<br />
letztlich kaum etwas verändert, ausser dass<br />
das Land seit seinem Beitritt zur Eurozone<br />
vom Zugriff auf unrealistisch billiges Kapital<br />
profitierte – zu Zinsen, die fast den deutschen<br />
entsprachen.<br />
Europa sollte sich am föderalen Modell<br />
der Schweiz ein Beispiel nehmen, das regionale<br />
und bundesstaatliche Funktionen erfolgreich<br />
kombiniert. Ein mögliches Modell<br />
wäre ein föderales Europa mit einer klaren<br />
Aufgabentrennung zwischen dem Europäischen<br />
Parlament und den Mitgliedstaaten,<br />
beide mit der Möglichkeit ausgestattet,<br />
Steuern zu erheben, um ihre Aufgaben zu<br />
finanzieren.<br />
Die stärkeren Volkswirtschaften hätten<br />
die Möglichkeit ergreifen sollen, einen Durchbruch<br />
zu einem fester integrierten Europa zu<br />
schaffen.<br />
Fotos: H. P. Merten, Keystone | Daniel Boschung, Roy McMahon, Corbis<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
2<br />
Subventionen<br />
Subventionen können definiert werden als<br />
«finanzielle Unterstützung, die einer Person<br />
oder einer Gruppe von der Regierung gewährt<br />
wird, um ein Unternehmen zu fördern,<br />
dessen Existenz als öffentliches Interesse<br />
betrachtet wird». «Öffentliches Interesse» ist<br />
dabei ein recht schwammiger Begriff, der<br />
häufig verwendet wird, um politisch sensible,<br />
nicht konkurrenzfähige Industrien zu schützen<br />
– was wiederum zu Wettbewerbsverzerrung<br />
führt. Auch die jüngsten Gesprächsrunden<br />
der Welthandelsorganisation (WTO)<br />
dümpeln vor sich hin, da die Staaten kein<br />
Interesse daran haben, Subventionen oder<br />
Handelsbarrieren zu beseitigen. Gerade jetzt,<br />
wo die Regierungen Ausgaben kürzen wollen,<br />
sollte ein Abbau von Subventionen – vor allem<br />
von solchen, die nachhaltiges Wirtschaften<br />
behindern – aber ernsthaft in Betracht gezogen<br />
werden. Beispielsweise unterstützen<br />
viele Länder immer noch ihre Fischereiindustrie,<br />
obwohl es fundierte wissenschaftliche<br />
Belege für eine massive Überfischung<br />
gibt. Weiterhin ist Wasser in vielen Ländern<br />
aufgrund von Subventionen zu Preisen verfügbar,<br />
die die wahren Kosten nicht widerspiegeln.<br />
Dies führt zu einem verschwenderischen<br />
Umgang mit dieser Ressource und<br />
dem letztlich unproduktiven Anbau von wasserintensiven<br />
Feldfrüchten wie Reis oder der<br />
Hülsenfruchtpflanze Alfalfa (auch Luzerne<br />
genannt) in halbtrockenen Gebieten. In Europa<br />
bildet die Gemeinsame Agrarpolitik nach<br />
wie vor die wichtigste Subventionsquelle.<br />
Positiv zu werten ist immerhin die jüngste<br />
Ankündigung, dass 2012 die Unterstützung<br />
der europäischen Kohleindustrie enden soll.<br />
Natürlich gibt es auch sinnvolle Aus nahmen:<br />
In der Schweiz beispielsweise profi tieren<br />
Umwelt und Tourismus von der finanziellen<br />
Unterstützung eigentlich unwirtschaftlicher<br />
Bauernhöfe. Ein Abbau von Subventionen<br />
würde generell aber die Förderung ökologisch<br />
sinnvoller Ziele, die Beseitigung von<br />
Handelsbarrieren und die Gesundung der<br />
öffentlichen Haushalte begünstigen.<br />
Rentenreformen<br />
Es muss eine Neubetrachtung der Sozialsysteme<br />
aus der Perspektive erfolgen, wie<br />
ihre Finanzierung angesichts der zunehmenden<br />
Lebenserwartung möglich ist. In den<br />
kommenden Jahrzehnten werden die Unternehmen<br />
in Europa möglicherweise unter<br />
Arbeitskräftemangel leiden, da die anhaltend<br />
niedrige Geburtenrate zu einem immer höheren<br />
Durchschnittsalter der Bevölkerung<br />
beiträgt. Nach Angaben der CIA-Veröffentlichung<br />
«The World Fact Book» beträgt die<br />
durchschnittliche Lebenserwartung in Europa<br />
mittlerweile mehr als 79 Jahre, was entsprechend<br />
lange Rentenzahlungen nach sich<br />
zieht.<br />
Trotz dieses Anstiegs ist das Renteneintrittsalter<br />
bislang bemerkenswert stabil<br />
geblieben. In Griechenland wurde es nun von<br />
eigentlich unglaublich niedrigen 53 Jahren<br />
auf 63 Jahre erhöht; in Spanien soll es von<br />
65 auf 67 Jahre angehoben werden. Dabei<br />
stellt sich die Frage, warum es hier keine<br />
einheitliche Altersgrenze gibt. Eine grössere<br />
Herausforderung ist für die Regierungen<br />
aller dings der psychologische Aspekt einer<br />
alternden Bevölkerung: In unserer vom<br />
Jugend wahn dominierten Berufswelt ist es<br />
für Menschen ab einem Alter von 55 Jahren<br />
meist extrem schwer, noch eine neue Stelle<br />
zu finden. Man könnte beispielsweise Unternehmen<br />
verpflichten, zu begründen, warum<br />
die Altersverteilung ihrer Mitarbeitenden<br />
nicht die Altersverteilung in der Gesamtbevölkerung<br />
widerspiegelt. In den USA ist<br />
dieser Grundsatz im Age Discrimination in<br />
Employment Act (ADEA) von 1967 um- ><br />
3<br />
Was 1896 als traditionelle Schreinerei<br />
begann, ist heute eines der innovativsten<br />
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Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2009
66 Wirtschaft Gelegenheit<br />
gesetzt – einem Gesetz, das die Diskriminierung<br />
Älterer (ab 40) verhindern soll. Wenn<br />
man sich vor Augen führt, dass die Gesellschaften<br />
sowohl einen Arbeitskräftemangel<br />
als auch zunehmende Rentenzahlungen bewältigen<br />
müssen, scheint die Antwort auf der<br />
Hand zu liegen.<br />
4<br />
I nfrastruktur<br />
Auch wenn Infrastruktur seit nicht einmal<br />
<strong>10</strong>0 Jahren Gegenstand der öffentlichen<br />
Debatte ist, bildet sie heute doch das Fundament,<br />
auf dem Gesellschaften aufbauen.<br />
Gerade die Weltwirtschaftskrise hat, wie<br />
Solow, Kendrick, Gordon, Abramovitz und<br />
David ausführen, gezeigt, dass es die massive<br />
Steigerung der Infrastrukturausgaben<br />
war, die die enormen Produktivitätsgewinne<br />
in den USA zwischen 1929 und 1941 ermöglichte.<br />
Hinzu kamen erheblich höhere Ausgaben<br />
für Forschung und Entwicklung, wie<br />
aus den Arbeiten von Schmookler und später<br />
Mensch hervorgeht. Interessanterweise verteilten<br />
sich diese Ausgaben auf die Mehrzahl<br />
der Sektoren.<br />
In Europa werden Infrastrukturprojekte im<br />
Zug der Sparprogramme derzeit jedoch eher<br />
zurückgefahren. Zudem werden Versorger<br />
wie RWE und E.ON durch zusätzliche Steuern<br />
belastet, was wohl eine Kürzung der Investitionsausgaben<br />
nach sich ziehen wird. Infrastrukturprojekte<br />
führen häufig dazu, dass bei<br />
Unternehmen wie ABB, Alstom, Siemens,<br />
Holcim und Lafarge neue Stellen entstehen.<br />
Von Ausgaben zur Aufwertung, Erweiterung<br />
oder Erneuerung der Infrastruktur profitiert<br />
die Gesellschaft als Ganzes. Dies kann<br />
Transport (Autobahnen, Eisenbahnen, Flughäfen,<br />
Seehäfen), Kommunikation, Versorgung<br />
(Wasser, Strom, Abfall), Schulen,<br />
Kran kenhäuser und viele andere Bereiche<br />
umfassen. Wie etwa bei den Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />
für den Bahnverkehr eröffnen<br />
sich den Regierungen hier in Form nationaler<br />
und internationaler Initiativen erhebliche<br />
Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
5<br />
Atomkraft<br />
Das öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel<br />
bildet die ideale Grundlage für die<br />
Weiternutzung der Atomkraft. Allein mit erneuerbaren<br />
Energiequellen lassen sich die<br />
Zielvorgaben, die das Kyoto-Protokoll bei der<br />
Reduzierung der Treibhausgase gesetzt hat,<br />
nicht im vorgesehenen Zeitrahmen erfüllen.<br />
Den Regierungen bietet sich die Chance,<br />
zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.<br />
Ein Moratorium zum Ausbau aller Stromerzeugungsanlagen<br />
mit Ausnahme erneuerbarer<br />
(Sonne, Wind) oder nuklearer Energien<br />
wäre ein entscheidender Schritt auf dem<br />
Weg zu einer emissionsärmeren Zukunft und<br />
würde für höhere Energiesicherheit sorgen,<br />
da die Abhängigkeit von Öl-, Kohle- und<br />
Gasimporten zurückginge. Frankreich erzeugt<br />
bereits rund 80 Prozent seines Stroms<br />
aus Atomkraft. Die britische Regierung unterstützt<br />
den Bau neuer Atomkraftwerke und<br />
bindet dabei die Privatwirtschaft ein, was in<br />
Zeiten knapper öffentlicher Finanzen sinnvoll<br />
ist. Von solchen Investitionen würden zahlreiche<br />
europäische Unternehmen wie Areva,<br />
EDF, Alstom und Siemens profitieren.<br />
Elektroautos<br />
Im Juli 2008 erreichte der Ölpreis mit 144 US-<br />
Dollar pro Barrel einen Höchststand, was die<br />
Stimmung des Finanzmarktes und der Verbraucher<br />
stark belastete.<br />
Gerade die Staaten des Westens verbrauchen<br />
grosse Mengen an Öl, produzieren aber<br />
nur wenig. Aus Gründen der Energiesicherheit<br />
und des Umweltschutzes sollte der Umstieg<br />
auf Alternativen zum Öl politische Priorität<br />
geniessen.<br />
Die Einführung komplett elektrisch betriebener<br />
Fahrzeuge stellt für die Automobilbranche<br />
eine Revolution dar. In den nächsten<br />
Jahren soll eine ganze Menge Neuentwicklungen<br />
auf den Markt kommen. Europa steht<br />
bei umweltfreundlichen Technologien an vorderster<br />
Front. Dennoch benötigt die Industrie<br />
Unterstützung, insbesondere bei der Bereitstellung<br />
von Ladestationen. Nach dem Beispiel<br />
der kalifornischen Gesetzgebung oder<br />
im Rahmen finanzieller respektive steuerlicher<br />
Anreize könnten die Regierungen die Umstellung<br />
auf Elektrofahrzeuge fördern. Leider<br />
kamen die bisherigen staatlichen Förderprogramme<br />
zumeist Fahrzeugen mit konventionellen<br />
Diesel- und Ottomotoren zugute.<br />
Allein die deutsche Abwrackprämie belief<br />
sich auf fünf Milliarden Euro.<br />
Die Finanzkrise hat viele dazu gebracht,<br />
die Welt mit neuen Augen zu sehen. Die<br />
Chance zu nachhaltigem Handeln scheinen<br />
wir bislang aber verpasst zu haben. <<br />
6<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Emerging Banking Wirtschaft 67<br />
Bankdienstleistungen<br />
für Milliarden Kunden<br />
in den Schwellenländern<br />
Bis 2030 kann in den aufstrebenden Volkswirtschaften mit 1,2 Milliarden profitablen<br />
Retail-Banking-Kunden gerechnet werden. Urbanisierung und der Wunsch nach<br />
Finanzierung des Privatkonsums lassen den Banksektor vor allem in den Städten wachsen.<br />
Text: Christine Schmid, Research Analyst<br />
Fotos: Construction Photography, George Hammerstein, Corbis | Christof Stache, Keystone<br />
Die schnelle Expansion, schiere Grösse des<br />
<strong>Konsum</strong>markts in den Schwellenländern und<br />
immer mehr Bankkunden prägen die Entwicklung<br />
des dortigen Banksektors. Diese Faktoren<br />
bergen ein über Jahre anhaltendes<br />
Potenzial für strukturelles Wachstum, das für<br />
gut positionierte Finanzinstitute auf mittlere<br />
Sicht überdurchschnittlich erfreuliche Perspektiven<br />
ergeben sollte.<br />
Schlüsseltrends im Banksektor<br />
Auch globale Vermögensverwaltungsdienstleistungen<br />
werden vom Wachstumsmuster der<br />
Schwellenländer profi tieren. Spezialisierte Privatbanken<br />
sind weltweit bereits auf breiter<br />
Front in Stellung, um die Bedürfnisse dieser<br />
internationalen Kundengruppe zu befriedigen.<br />
Angesichts immer mehr wohlhabender<br />
Kunden rechnen wir aber dennoch damit,<br />
dass längerfristig auch lokale Bankkonzerne<br />
damit beginnen werden, Dienstleistungen im<br />
Private Banking anzubieten.<br />
Mobile Bankdienstleistungen dürften die<br />
Entwicklung ländlicher Gegenden in aufstrebenden<br />
Volkswirtschaften beschleunigen.<br />
Sie mögen zwar gegenwärtig kein sehr rentables<br />
Bankgeschäft sein, könnten aber dazu<br />
dienen, das Wachstum des profitablen Retail<br />
Bankings zu beschleunigen. Gegenwärtig<br />
unterstützen sie zudem die Rentabilität und<br />
das Wachstum der Anbieter von Mobilsystemen<br />
und -technologie.<br />
Immer mehr wohlhabende Kunden treiben<br />
das Bankgeschäft in den Schwellenländern<br />
an. Die Weltbank prognostiziert, dass sich<br />
die Zahl von der Mittelklasse zurechenbaren<br />
Vermögende Mittelklasse wächst<br />
Die Zahl vermögender Kunden im profitablen<br />
Retail Banking dürfte sich zwischen 2000 bis<br />
2030 verdreifachen. Quelle: Weltbank<br />
(Millionen Menschen) 2000 2030E<br />
Lateinamerika 150 190<br />
Ostasien 120 600<br />
Europa und Zentralasien 80 170<br />
Naher Osten 30 70<br />
Afrika 20 30<br />
Südasien 0 140<br />
Total 400 1200<br />
Menschen (Einkommen von bis zu 30 000<br />
US-Dollar pro Jahr) dort von 400 Millionen<br />
(2000) auf 1,2 Milliarden (2030) verdreifachen<br />
dürfte. Dies würde etwa dem Vierfachen<br />
der US-Bevölkerung oder fast dem Doppelten<br />
der Bevölkerung Europas entsprechen.<br />
Vor diesem Hintergrund und angesichts<br />
der langfristigen Treiber hin zu einer multipolaren<br />
Welt haben sich vor Kurzem enorme<br />
Wachstumsraten im Bankgeschäft abzuzeichnen<br />
begonnen. Wir denken, dass genügend<br />
Wachstumspotenzial für die lokalen<br />
Banken besteht, aber auch für Neueinsteiger<br />
im Rahmen einer zweiten Welle, sofern diesen<br />
uneingeschränkt Zugang zu den entsprechenden<br />
Lokalmärkten gewährt wird. Retail-<br />
Banking-Produkte wie Bankkonten, Kreditkarten,<br />
Zahlungskarten, <strong>Konsum</strong>kredite und<br />
Hypotheken dürften künftig auf breiter Front<br />
vertrieben werden. Da Kunden in Schwellenmärkten<br />
Anlagen gegenüber allgemein positiver<br />
eingestellt sind, rechnen wir mit einem<br />
schnellen Wachstum der Anlageprodukte,<br />
sobald die entsprechenden Einlagen dies<br />
zulassen.<br />
Hohe Eintrittsbarrieren in Asien<br />
Viele Retail-Banking-Märkte Asiens weisen<br />
infolge einer beschränkten Lizenzvergabe<br />
zurzeit hohe Eintrittsbarrieren auf. In einer<br />
ersten Phase dürften daher die inländische<br />
Bankbranche sowie ausgewählte, als lokal<br />
wahrgenommene Institute wie HSBC oder<br />
Standard Chartered in Asien am stärksten<br />
profitieren. In Lateinamerika präsentiert sich<br />
das Bild anders. Der Zugang zum Markt<br />
steht ausländischen Banken weitgehend<br />
offen und ist historisch gewachsen. Dies ist<br />
in Mexiko am offensichtlichsten, wo ausländische<br />
(hauptsächlich spanische) Institute<br />
zwei Drittel des Bankmarkts kontrollieren.<br />
Der spanischen BBVA gehört die grösste<br />
Bank Mexikos, während Santander in Brasilien<br />
zu den drei grössten Geldhäusern zählt.<br />
Aufgrund der mit einem schnellen Wachstum<br />
einhergehenden Risiken sollten die Banken<br />
strikte Kreditrichtlinien anwenden, die<br />
sich an der Kreditwürdigkeit ihrer Privatkunden<br />
orientieren. Zudem sollten Aufsichtsbehörden<br />
und Zentralbanken entweder über<br />
höhere Reserveanforderungen oder Mittel<br />
der Fiskalpolitik gewährleisten, dass das<br />
Kreditwachstum konstant und für die Finanzsysteme<br />
der jeweiligen Länder handhabbar<br />
bleibt. Anzeichen dafür, dass diese Parameter<br />
aus dem Ruder laufen, sollten aufmerksam<br />
überwacht werden. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
68 Wirtschaft Infl ation<br />
Steht die Inflation<br />
vor der Tür?<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg griff mancher Staat bei Finanzproblemen zur Druckerpresse.<br />
Inflation war oft die Folge. Heute schieben unabhängige Zentralbanken und Marktdisziplin<br />
dem einen Riegel. Die meisten Industrieländer haben ein kleines Inflationsrisiko. Grösser<br />
ist es in Schwellenländern und rasch wachsenden Industriestaaten wie Australien.<br />
Text: Thomas Herrmann, Senior Economist, und Oliver Adler, Head of Global Economics and Real Estate Research<br />
GROSSES<br />
INFLATIONS-<br />
POSTER<br />
in diesem Heft<br />
Inflation, Jahresrate in %<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
Schwellenländer<br />
12<br />
<strong>10</strong><br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Industrieländer<br />
0<br />
–2<br />
1960 1970 1980 1990 2000 20<strong>10</strong><br />
* Die ausgezogenen Linien markieren den Zentralwert (Median) der Inflationsrate für die beiden Ländergruppen. Die schraffierten Bereiche reichen vom oberen bis zum unteren Quartil für jede Gruppe.<br />
Ist die «Grosse Mässigung» gefährdet ?<br />
Obwohl sie vor der Finanzkrise von 2008 anstieg, ist die Inflation seit Jahrzehnten auf dem Rückzug. Dieser Prozess begann in den Industrieländern<br />
Anfang der 1980er-Jahre, nachdem in den Siebzigern «Stagflation» geherrscht hatte. Die Schwellenländer folgten dieser Vorgabe. Die zyklischen<br />
Inflationsrisiken sind dort zurzeit höher als in den industrialisierten Volkswirtschaften, doch wird wohl keiner der Akteure die Errungenschaften der<br />
so genannten Grossen Mässigung aufgeben wollen. Quelle: Datastream, Bloomberg, IWF, OECD, Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Inflation Wirtschaft 69<br />
Im Zug der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
haben Regierungen weltweit viel Geld<br />
ausgegeben und Notenbanken die Zinsen<br />
drastisch gesenkt. Einige Notenbanken, besonders<br />
die US Federal Reserve, haben in<br />
grossem Umfang Staatsanleihen und andere<br />
Wertpapiere gekauft.<br />
Dies hat die Finanzmärkte nach der Insolvenz<br />
von Lehman Brothers stabilisiert und<br />
einen drastischeren Rückgang der Wirtschaftsleistung<br />
verhindert. Jedoch resultieren<br />
die getätigten Ausgaben und die viel tieferen<br />
Steuereinnahmen in hohen Budgetdefiziten<br />
und stark steigenden Staatsschulden. Die<br />
Notenbanken haben sehr viel Geld «gedruckt»,<br />
ihre Bilanzen sind stark gewachsen.<br />
Nachdem während der Finanzkrise die<br />
Deflationsangst grassierte, haben das viele<br />
geschaffene Geld und die hohen Schulden<br />
in den Medien, der Bevölkerung, aber auch<br />
bei einigen Ökonomen eine neue Angst geschürt:<br />
Inflation als unvermeidbare Konsequenz.<br />
Ob das wirklich stimmt, ist für Anleger<br />
relevant. In der neusten Ausgabe des «Global<br />
Investor » beleuchten Experten das Thema<br />
Inflation. Der folgende Text fasst einige zentrale<br />
Aspekte der Diskussion zusammen.<br />
Wird aus «gedrucktem» Geld Inflation?<br />
Viele Notenbanken haben neues Geld geschaffen<br />
und so Anleihen oder – wie die<br />
Schweizerische Nationalbank (SNB) – auch<br />
Devisen gekauft. Wie Milton Friedman sagte,<br />
ist Inflation immer und überall ein monetäres<br />
Phänomen. Wenn also zu viel Geld «gedruckt»<br />
wird, entsteht längerfristig Inflation.<br />
Allerdings war für Friedman immer klar, dass<br />
dies nur geschieht, wenn das gedruckte Geld<br />
auch wirklich in den Wirtschaftskreislauf gelangt<br />
und so zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen<br />
Nachfrage führt. Die Kernfrage<br />
ist daher, ob das neue Geld tat sächlich<br />
die Gesamtnachfrage schon übermässig<br />
stimuliert hat oder es in absehbarer Zeit tun<br />
wird. Für die meisten Industrieländer lässt<br />
sich diese Frage mit Nein beantworten. Mit<br />
Blick auf den Finanzkreislauf erscheint die<br />
Inflationsgefahr in Europa und den USA vorerst<br />
gering. Banken sind nicht zuletzt wegen<br />
des Drucks der Regulatoren gezwungen,<br />
Kapital auf- und Risiken abzubauen. Sie werden<br />
daher bei der Kreditvergabe konservativ<br />
bleiben. Das bedeutet, dass das «viele Geld»<br />
nicht voll nachfragewirksam wird.<br />
Führen Staatsschulden zu Inflation?<br />
Nebst der Furcht vor dem vielen bereits gedruckten<br />
Geld besteht die zusätzliche Angst,<br />
dass Notenbanken exzessive Staatsausgaben<br />
über die Druckerpresse finanzieren und<br />
den staatlichen Schuldenberg mit Inflation<br />
abbauen könnten. In der Vergangenheit gingen<br />
massive Inflationsschübe mit explodierenden<br />
Staatsschulden einher, besonders<br />
dann, wenn die Zentralbanken Geld druckten,<br />
um Kriege zu finanzieren. Eine jüngst veröffentlichte<br />
Studie der Professoren Reinhart<br />
und Rogoff belegt, dass Regierungen in<br />
Schwellenländern nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
ihre Ausgaben oft mit Hilfe der Druckerpresse<br />
finanzierten, selbst in Friedenszeiten.<br />
Die Studie fand indes für die meisten Industrieländer<br />
im selben Zeitraum keine systematische<br />
Korrelation zwischen Verschuldung<br />
und Inflation (siehe Grafik auf Seite 68).<br />
Kann man aber wirklich davon ausgehen,<br />
dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird?<br />
Obwohl die Finanzlage vieler Länder prekär<br />
ist, sprechen diverse Faktoren dafür, dass<br />
eine systematisch inflationstreibende Schuldenfinanzierung<br />
in den hoch verschuldeten<br />
Industrieländern unwahrscheinlich ist.<br />
Ein wichtiger Aspekt ist die beträchtliche<br />
Unabhängigkeit von den fiskalpolitischen Instanzen,<br />
die viele Zentralbanken in den vergangenen<br />
Jahrzehnten erlangt haben. Ein<br />
zweiter und möglicherweise wichtigerer<br />
Faktor ist die disziplinierende Wirkung der<br />
Kapitalmärkte. Gelangten diese zum Schluss,<br />
dass Zentralbanken systematisch Geld drucken,<br />
würden sie rasch und heftig reagieren.<br />
Die Anleihenrenditen würden nach oben<br />
schnellen und eine Finanzierungs- sowie<br />
eventuell eine Währungskrise auslösen, was<br />
die expansive Wirtschaftspolitik effektiv<br />
kurz schlösse. Agiles und risikobewusstes<br />
Kapital gewährleistet, dass eine absichtlich<br />
und systematisch inflationstreibende Politik<br />
wesentlich teurer zu stehen kommt, als dies<br />
sonst der Fall wäre.<br />
Inflation ist ein politisches Phänomen<br />
Es wäre aber unklug, sich voll und ganz auf<br />
die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken<br />
oder die Marktdisziplin zu verlassen.<br />
Ob Zentralbanken Geld zur Finanzierung<br />
ausgabefreudiger Regierungen bereitstellen<br />
oder nicht, hängt letztlich davon ab, ob der<br />
politische Prozess sie dazu zwingt. Dies wiederum<br />
wird von den wichtigen politischen<br />
Kräften bestimmt – sei es eine kleine Elite<br />
oder eine demokratische Mehrheit. Wir glauben,<br />
dass sich die alternden Mehrheiten in<br />
den industrialisierten Demokratien letztlich<br />
für Sparsamkeit und gegen inflationstreibende<br />
Ausgabenexzesse aussprechen, zumal<br />
Letztere den Wert ihrer ersparten Vermögen<br />
erodieren würden.<br />
Dasselbe gilt für die meisten Schwellenländer,<br />
wo grosse Teile der Bevölkerung in<br />
der Vergangenheit stark unter der Inflation<br />
gelitten haben. Auch diese Menschen werden<br />
die Errungenschaften der «Grossen<br />
Mässigung» – des in den vergangenen Jahrzehnten<br />
erfolgten Rückgangs und der Verstetigung<br />
der Inflation auf tiefen Niveaus –<br />
nicht aufs Spiel setzen wollen. Indessen ist<br />
es in den Industrieländern von Griechenland<br />
bis zu den USA schwierig, politischen Rückhalt<br />
für eine Konsolidierung der Staatshaushalte<br />
zu finden. Der Druck auf die Zentralbanken,<br />
die Konjunktur zu stützen, wird gross<br />
sein. Es könnte dauern, bis die Zinsen sich<br />
normalisieren. Die Schuldenproblematik wird<br />
also bisweilen indirekt Zweifel daran wecken,<br />
ob die Geldpolitik wirklich auf ein stabiles<br />
Preisumfeld mit niedriger Inflation ausgerichtet<br />
ist. Die damit einhergehende Unsicherheit<br />
könnte sich durchaus in einer substanziellen<br />
Volatilität der Finanzmärkte äussern.<br />
Milde Rezession, mehr Inflationsrisiko<br />
Die Weltwirtschaft erholt sich seit 2009. Die<br />
Industrieproduktion liegt aber noch weit unter<br />
der vollen Auslastung. Hohe Arbeitslosigkeit<br />
wird die Nachfrage der privaten Haushalte<br />
mittelfristig dämpfen; auch inflationärer Lohndruck<br />
ist unwahrscheinlich. Die Folgen der<br />
Turbulenzen dürften das Wachstum in vielen<br />
Ländern nachhaltig schwächen, da kleinere<br />
öffentliche Defizite zu geringeren Ausgaben<br />
und/oder höheren Steuern führen werden.<br />
Auch die Unabhängigkeit der Notenbanken<br />
und die disziplinierende Wirkung der Finanzmärkte<br />
sprechen gegen eine ausufernde Inflation.<br />
Wir erachten das Inflationsrisiko in den<br />
meisten Industrieländern deshalb als gering.<br />
Jene Länder, deren Volkswirtschaften nur<br />
eine milde Rezession erlebt haben und die<br />
bereits wieder solide wachsen, haben die<br />
grössten Inflationsrisiken. Das sind viele<br />
Schwellenländer und gewisse rasch wachsende<br />
Industrieländer wie Australien. Auch<br />
hier wurde die Wirtschaftspolitik massiv gelockert.<br />
So ergab sich oft eine «Überstimulierung»<br />
der Konjunktur. In China und anderswo<br />
stieg die Nachfrage rapide an, und in<br />
den vergangenen Monaten verdichten sich<br />
Anzeichen von Kapazitätsengpässen am<br />
Arbeitsmarkt. Während einige Notenbanken<br />
bereits zu einer Verknappung der Geldpolitik<br />
übergegangen sind, besteht besonders hier<br />
das Risiko, dass dies zu langsam durchgeführt<br />
wird und die Inflation rasch ansteigt. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
Wie<br />
Inflation<br />
entsteht<br />
www.credit-suisse.com/globalinvestor<br />
Finanzministerium<br />
Wie Inflation entsteht<br />
Inflation ist schwer zu verstehen und noch schwerer zu prognostizieren. Die Hauptursache für Inflation<br />
(oder Deflation) ist eine zu lockere (oder zu straffe) Zentralbankpolitik. Allerdings muss das Geld,<br />
das die Zentralbank schafft, durch verschiedene Kanäle fliessen, bevor es ausgegeben werden kann.<br />
Auf diesem Weg zum «Turm der Indeflation» wird die Stärke der Geldflüsse und damit das Ausmass<br />
des Inflations oder Deflationsrisikos durch zahlreiche wirtschaftliche Akteure und Institutionen beeinflusst,<br />
wie die Illustration zeigt. Unsere Kurztexte erläutern, auf welche Art und Weise dies geschieht.<br />
Haushalte/Arbeitsmarkt<br />
«Turm der Indeflation»<br />
Banken/Kapitalmarkt<br />
Zentralbank<br />
Devisenmarkt<br />
Gütermarkt<br />
Unternehmen<br />
Importe<br />
1 - WIRTSCHAFT ERHOLT SICH<br />
Die Wirtschaft erholt sich nach einer Krise, doch Arbeitslose, hohe Lagerbestände<br />
und die Auftragslage der Unternehmen belasten die Situation.<br />
Die Zentralbank entscheidet sich, die Konjunktur anzukurbeln, indem sie<br />
die Geldmenge innerhalb der Volkswirtschaft vergrössert. Zu diesem Zweck<br />
kauft sie den Banken Staatsanleihen oder Devisen ab. So kommen die<br />
Banken zu viel Cash (Liquidität) mit sehr niedrigen Zinsen. Das ist gut für<br />
die Unternehmen, denn jetzt erhalten sie von den Banken Kredite zu günstigen<br />
Konditionen. Das Geld, das sie von den Banken erhalten, investieren<br />
sie, stellen neue Leute ein. Der Arbeitsmarkt beginnt auszutrocknen, die<br />
Löhne steigen. Die Lagerbestände werden hingegen kleiner, die Waren<br />
teurer. Um mehr zu produzieren, braucht es mehr Angestellte. Der Staat<br />
wiederum nimmt mehr Steuern ein, weil mehr Leute arbeiten und konsumieren.<br />
Er beginnt, Schulden am Kapitalmarkt zurückzuzahlen. Die Zinsen<br />
sinken, die Kredite werden noch billiger. Die Spirale beginnt zu drehen.<br />
2 - HÄUSERBOOM<br />
Die Wirtschaftslage entwickelt sich gut. Die Zentralbank beschliesst, die<br />
Geldmenge nicht mehr zu erhöhen und keine weiteren Kredite zu vergeben.<br />
Da die Inflation relativ niedrig bleibt, muss sie vorerst nicht ins Geschehen<br />
eingreifen. Die Banken schätzen die Risiken bei der Kreditvergabe nun geringer<br />
ein und bieten auch Leuten mit einem kleinen finanziellen Polster<br />
attraktive Hypotheken an. In der Folge kaufen mehr Leute ein Haus, die<br />
Preise auf dem Immobilienmarkt steigen. Der Wert der Häuser nimmt zu,<br />
und die Hypotheken, die die Banken vergeben, werden immer grösser. Häuser<br />
können so zu einer Geldmaschine werden. Mit dem überschüssigen<br />
Geld aus der Hypothek können sich die Besitzer neue Dinge kaufen – oder<br />
ein noch grösseres Haus in einer noch besseren Gegend. Die Immobilienpreise<br />
steigen weiter, Waren und Dienstleistungen werden ebenfalls teurer,<br />
und der Staat kassiert mehr Steuern. Die Preisspirale dreht sich immer<br />
schnel ler nach oben. Was kann die Zentralbank tun, um die Situation unter<br />
Kontrolle zu halten?<br />
3 - DER HÄUSERMARKT<br />
BRICHT ZUSAMMEN<br />
Die Zentralbank beschliesst, die Konjunktur zu bremsen. Geld zu leihen,<br />
soll wieder teurer werden. Sie erhöht die Zinsen. Die Banken verlangen in<br />
der Folge auch höhere Zinsen für ihre Kredite. Viele Unternehmen können<br />
sich das nicht leisten und drosseln lieber die Produktion. Weniger Kredit<br />
heisst mehr Cash. Es kommt zu Entlassungen, um bei den Lohnkosten zu<br />
sparen. Die Entlassenen können nun der Bank ihre Hypothek nicht zurückzahlen.<br />
Im schlimmsten Fall verlieren sie das Haus an die Bank. Um zu<br />
Cash zu kommen, versuchen viele Banken, diese Häuser zu verkaufen.<br />
Die Häuserpreise sinken. Wer arbeitslos ist, kann weniger konsumieren,<br />
die Lagerbestände steigen. Weitere Leute werden entlassen und können<br />
ihre Schulden nicht bezahlen. Andere beginnen, ihr Geld auf der Bank zu<br />
horten. Die Banken verleihen kein Geld mehr, die Preise sinken. Auch die<br />
Zinsen sinken, doch das nützt nun nichts mehr. Die Rezession ist da.<br />
4 - VON BANKENRETTUNG<br />
ZU STAATSSCHULDEN<br />
Um den totalen Kollaps der Banken zu verhindern, entscheidet der Staat,<br />
sie zu retten. Die Zentralbank kauft den Banken Hypotheken und Anleihen<br />
ab. Aber anstatt Kredite zu vergeben, behalten sie das Geld oder kaufen<br />
Staatsanleihen. Um der Wirtschaft zu helfen, macht der Staat Schulden.<br />
Er verkauft Anleihen, um das Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Leute kommen<br />
wieder zu Geld und konsumieren. Die Lagerbestände sinken. Die Preise<br />
sinken etwas langsamer. Doch die Staatsschulden wachsen. Die Banken<br />
fürchten nun, auf den Staatsanleihen sitzenzubleiben. Sie wollen sie loswerden:<br />
Die Kurse sinken, die Zinsen steigen. Die Wirtschaft ist zu schwach<br />
für höhere Zinsen. Der Staat macht noch mehr Schulden. Die Zentralbank<br />
kauft nun Staatsanleihen. Das so erhaltene Geld verteilt der Staat unter<br />
die Leute, damit sie konsumieren. Alle fürchten eine Inflation und kaufen<br />
so viel wie möglich. Die Preise steigen rapide. Die Inflation ist zurück.<br />
5 - DER ÖLPREIS STEIGT<br />
Die heimische Wirtschaft leidet unter den Nachwirkungen der Geschehnisse<br />
auf dem Häusermarkt und den Staatsschulden. Doch vielen Ländern<br />
der Welt geht es besser. Aber auch dort befürchteten Zentralbanken und<br />
Finanzminister, dass die Probleme der Wirtschaft auch auf ihre Länder<br />
abfärben könnten. Daher erhöhten auch sie die Geldmenge und das Haushaltsdefizit<br />
und bescherten ihrer Wirtschaft einen Boom. Diese Länder<br />
brauchen nun viel Energie, was den Ölpreis weltweit in die Höhe treibt.<br />
Das wiederum macht die Güter auf dem Heimmarkt teurer. Das sieht aus<br />
wie Inflation. Da aber die Löhne nicht steigen, werden auch nicht mehr<br />
teurere Güter abgesetzt. Die Lagerbestände steigen. Der Bestellungsrückgang<br />
zeitigt erneut Entlassungen. Die Löhne sinken. Die Lagerbestände<br />
steigen weiter, Preissenkungen werden diskutiert. Aber der höhere Ölpreis<br />
muss nicht zu einer dauerhaften Inflation führen; ausser die Zentralbank befürchtet<br />
negative Folgen des «Ölpreisschocks» und versucht, die Wirtschaft<br />
anzukurbeln. Dann sind wir wieder bei Szenario 1 angekommen.<br />
Illustration: Bruno Muff
70 Wirtschaft Anlagestrategien<br />
Diversifikation im Privatkunden-Portfolio<br />
Mythos oder Realität ?<br />
Ein diversifiziertes, also risikogestreutes Portfolio gilt allgemein als die Grundlage<br />
einer erfolgreichen langfristigen Anlagestrategie. Gilt das auch in aussergewöhnlichen<br />
Finanzmarktsituationen? Hat sich eventuell das Zusammenspiel der verschie denen<br />
Anlagekategorien wie Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Gold im Lauf der Zeit verändert ?<br />
Wir zeigen in dieser Fortsetzung unserer Serie «Anlage strategie», wie sich die<br />
Portfoliotheorie heute in die Praxis umsetzen lässt.<br />
Text: Jörg Franzen, Anja Hochberg, Georg Stillhart, Asset Management, CIO Office<br />
Grundvoraussetzung der in den vergangenen<br />
Ausgaben des <strong>bull</strong>etin thematisierten Vermögensaufteilung<br />
(Asset Allo cation) ist, dass<br />
die verschiedenen Anlagekategorien ihre<br />
Diversifizierungs eigen schaf ten über einen<br />
längeren Zeitraum beibehalten. Unsere Analysen<br />
zeigen, dass dies im Wesentlichen der<br />
Fall ist. Um das zu verdeut lichen, betrachten<br />
wir die Korrelationen. Ist dieser Wert hoch<br />
(gegen eins), spricht man von einer positiven<br />
Korrelation, die Variablen bewegen sich in<br />
die gleiche Richtung. Aus portfoliotechnischer<br />
Sicht lassen sich diese gleichlaufenden<br />
Anlagen nicht zur Diversifizierung nutzen.<br />
Stark negativ korrelierte Anlagen (gegen<br />
minus eins) würden sich hervorragend zur<br />
Diversifikation eignen, da bei einer Kombination<br />
die Rendite gleich bleibt, aber das Risiko<br />
gegen null geht. Solch ausgeprägte Fälle gibt<br />
es in der Praxis leider kaum.<br />
Zur Gestaltung eines optimalen Portfolios<br />
sind daher schwach oder niedrig korrelierte<br />
Anlagen wünschenswert. Abbildung 2 zeigt die<br />
Entwicklung der Korrelationen zwischen<br />
Aktien, Staatsanleihen und Unternehmensanleihen.<br />
Daraus lassen sich folgende<br />
Schlussfolgerungen ableiten:<br />
1. Die Korrelation zwischen Aktien und<br />
Staatsanleihen ist auch während der Krise<br />
niedrig respektive negativ geblieben und<br />
nicht, wie oft kolportiert, gestiegen.<br />
2. Die Korrelation zwischen Staatsanleihen<br />
und Unternehmensanleihen ist in den<br />
letzten Jahren sogar gesunken.<br />
Damit lässt sich klar sagen, dass sich Diversifikation<br />
während der Finanzkrise bewährt<br />
hat. Nach wie vor bieten Aktien und Anleihen<br />
grosses Diversifikationspotenzial. Darüber<br />
hinaus haben Unternehmensanleihen stark<br />
an Diversifikationspotenzial gewonnen. Mit<br />
Unternehmensanleihen lässt sich also ein<br />
Portfolio aus Aktien und Staatsanleihen sogar<br />
noch weiter diversifizieren.<br />
Aber auch für die so genannten alter nativen<br />
Anlagekategorien ergeben sich neue<br />
Erkenntnisse. Alternative Anlagen wie Hedge<br />
Funds, Rohstoffe oder Immobilien werden<br />
den Portfolios hinzugefügt, um eine Optimierung<br />
zu erreichen, die über die klassische<br />
Diversifikation (Aktien versus Anleihen) hinausgeht.<br />
Abbildung 3 zeigt die Korrelationen<br />
1 Ausgewogen läufts rund<br />
Eine langfristige Anlagestrategie* setzt auf<br />
ein ausgewogenes Profil. Quelle: Credit Suisse AG<br />
* Davon wird im Rahmen der taktischen Asset Allocation abgewichen.<br />
20%<br />
Liquidität 5%<br />
Anleihen 35%<br />
Aktien 40%<br />
40%<br />
5%<br />
Alternative Anlagen 20%<br />
• Hedge Funds <strong>10</strong>%<br />
• Immobilien 5%<br />
• Rohstoffe 2,5%<br />
• Gold 2,5%<br />
35%<br />
zwischen Aktien und den relevanten Alternativen<br />
Anlagen. Es zeigt sich:<br />
1. Die alternativen SubAnlageklassen<br />
weisen eine durchaus unterschiedliche Korrelation<br />
zu Aktien aus, sowohl in der Höhe<br />
als auch im Verlauf der Zeit.<br />
2. Die Korrelation zwischen Hedge Funds<br />
und Aktien ist nicht erst in der Finanzmarktkrise<br />
gestiegen, sondern bereits seit 2003.<br />
3. Rohstoffe sind historisch gesehen wenig<br />
mit Aktien korreliert. In der Krise ist diese<br />
Korrelation zwar etwas angestiegen. Eine<br />
Korrelation von 0,5 wirkt aber immer noch<br />
sehr stark diversifizierend.<br />
4. Die Korrelation zwischen Aktien und<br />
Immobilien ist seit 1999 ständig gesunken,<br />
in der Finanzkrise aber auf ein ähnliches Niveau<br />
wie bei den Rohstoffen gestiegen.<br />
5. Aktien und Gold sind wenig korreliert.<br />
Allerdings ist die Korrelation deutlich vola tiler.<br />
Für die langfristige Anlagestrategie lassen<br />
sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:<br />
Es ist nach wie vor sinnvoll, innerhalb der<br />
Vermögensaufteilung Alter native Anlagen zur<br />
Diversifizierung einzusetzen. Innerhalb des<br />
HedgeFundsBereichs sollte die Auswahl<br />
der Investitionsstile an Bedeutung gewinnen,<br />
da diese unterschiedlich stark zum Beispiel<br />
mit Aktien korrelieren.<br />
Wie kann man diese Erkenntnisse zur Gestaltung<br />
von Portfolios nutzen? Die kundenorientierte<br />
PortfolioAufstellung beginnt<br />
bei der Gestaltung der langfristigen Anlagestrategie,<br />
die neben wesentlichen ökonomischen<br />
Trends auch diese Erkenntnisse einfliessen<br />
lässt. Abbildung 1 zeigt ein langfristig<br />
ausgerichtetes Portfolio für einen Investor<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
mit durchschnittlichem Risikoappetit, in der<br />
Heimwährung Schweizer Franken (Profil:<br />
CHF Balanced).<br />
Diese langfristige Anlagestrategie ist der<br />
Anker der Vermögensausrichtung und erlaubt<br />
dem Kunden, von den wesentlichen Trends<br />
zu profitieren. Eine solche Vermögensausrichtung<br />
stellt die Diversifi zierung im<br />
Portfolio sicher. Um eine Zusatzrendite zu<br />
erwirtschaften, nutzen wir in der Vermögensverwaltung<br />
auch die Möglichkeit, Anlagechancen<br />
zu erkennen, die eher kurzfristiger<br />
Natur sind. Innerhalb dieser so genannten<br />
taktischen Asset Allocation (TAA) definieren<br />
wir kurzfristige Abweichungen von der längerfristigen<br />
Anlagestrategie und nutzen auch<br />
wesentliche Diversifizierungserkenntnisse. <<br />
2 Diversifikationspotenzial<br />
Aktien und Anleihen haben grosses<br />
Diversi fi ka tionspotenzial. Zugelegt haben<br />
hier auch Unternehmensanleihen.<br />
Quelle: Bloomberg, Ibbotson, Credit Suisse AG<br />
Investieren<br />
Sie in Ihre<br />
Unabhängigkeit!<br />
1<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
–0.2<br />
–0.4<br />
–0.6<br />
87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09<br />
Aktien Welt vs. Staatsanleihen (global)<br />
Staatsanleihen (global) vs. Unternehmensanleihen<br />
(US)<br />
Aktien Welt vs. Unternehmensanleihen (US)<br />
3 Rohstoffe und Aktien<br />
Historisch sind Rohstoffe wenig mit Aktien<br />
korreliert. Sie wirken wohl auch weiterhin stark<br />
diversifizierend.<br />
Quelle: Bloomberg, Ibbotson, Credit Suisse AG<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
–0.2<br />
Sauberer Strom vom eigenen Dach – ein sensationelles Gefühl!<br />
Weniger als 25 Quadratmeter Solarzellen reichen bereits,<br />
um den durchschnittlichen Strombedarf einer ganzen Familie<br />
zu decken. Und das während einer Lebensdauer der Solarzellen<br />
von mindestens 30 Jahren.<br />
–0.4<br />
96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />
Aktien Welt vs. Hedge Funds<br />
Aktien Welt vs. Immobilienfonds CH<br />
Aktien Welt vs. Gold<br />
Aktien Welt vs. Rohstoffe<br />
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und 084 800 01 <strong>04</strong>
72 Wirtschaft Anlagestrategien<br />
Kompromiss zwischen<br />
konsumieren und sparen<br />
Andreas Russenberger, Leiter von Multi Asset Class Solutions (MACS) Mandate s and<br />
Funds der Credit Suisse, erklärt, wie «<strong>Konsum</strong>» im Zusammenhang mit der Entwicklung<br />
von Anlagestrategien interpretiert werden kann.<br />
Interview: Daniel Huber<br />
<strong>bull</strong>etin: Was geht Ihnen beim Begriff<br />
<strong>Konsum</strong> durch den Kopf ?<br />
Andreas Russenberger: <strong>Konsum</strong> geht auf<br />
das lateinische Wort consumere zurück, das<br />
einerseits gebrauchen, aber auch verbrauchen<br />
bedeutet. Spannend ist in diesem Zusammenhang<br />
das Gegenteil von konsumieren<br />
– nämlich sparen. Letztendlich ist sparen<br />
nichts anderes, als einen möglichen <strong>Konsum</strong><br />
der Gegenwart in die Zukunft zu verschieben.<br />
Was ziehen Sie aus heutiger Sicht vor ?<br />
Sowohl Gebrauchen als auch Sparen kann<br />
in extremis negative Folgen haben. So war<br />
nicht zuletzt exzessiver <strong>Konsum</strong> ein Hauptgrund<br />
für die Wirtschaftskrise 2008. Vor<br />
der Krise wurde in den USA ganz klar zu viel<br />
konsumiert – meist auf Pump und teilweise<br />
auch staatlich gefördert. Es herrschte die<br />
Meinung vor, dass jeder Amerikaner sein<br />
eigenes Heim und eine Kreditkarte besitzen<br />
müsse. Dafür gab es billiges Geld. Es sollte<br />
möglichst viel konsumiert und damit die Wirtschaft<br />
angekurbelt werden. In der Folge haben<br />
viele Amerikaner über ihre Verhältnisse<br />
gelebt. Gleichzeitig kam es zu einer Immobilienblase,<br />
die dann ja bekanntlich platzte.<br />
Auf der anderen Seite kann aber auch konsequentes<br />
Sparen ohne jeglichen <strong>Konsum</strong><br />
verheerende Folgen haben, weil es die Wirtschaft<br />
abwürgt. Die Preise brechen zusammen,<br />
und es kommt zur Deflation.<br />
Welche Lehren werden nun aus dieser<br />
Krise gezogen?<br />
Es gibt kritische Stimmen, die sagen, es sei<br />
völlig unnötig und schädlich gewesen, dass<br />
der Staat in der Krise stützend eingegriffen<br />
hat. Dadurch habe man die Staatsschulden<br />
unnötig in die Höhe getrieben. Auch sei es<br />
ein Fehler, denjenigen zu helfen, die sich<br />
nicht korrekt verhalten und über ihre Verhältnisse<br />
gelebt hätten. Es sei sozusagen mit<br />
«Exzessiver <strong>Konsum</strong> war einer der Hauptgründe<br />
für die Wirtschaftskrise 2008», sagt<br />
Andreas Russenberger.<br />
gutem Geld schlechtes Wirtschaften unterstützt<br />
worden. Entsprechend fordern heute<br />
nicht wenige ein haushälterisches Umgehen<br />
mit Geld – sowohl von den Staaten wie auch<br />
von den <strong>Konsum</strong>enten. Es gelte zwingend die<br />
Schulden zu minimieren. Doch wenn plötzlich<br />
alle konsequent zu sparen beginnen, dann<br />
kommt die gesamte Wirtschaft zwangsläufig<br />
irgendwann zum Stillstand. Ich denke, die<br />
Interventionen vor allem auch der Schweizerischen<br />
Nationalbank haben Sinn gemacht.<br />
Aber wie bis anhin weiter zu konsumieren,<br />
macht wohl auch keinen Sinn?<br />
Natürlich führt das anhaltende <strong>Konsum</strong>ieren<br />
über die Verhältnisse irgendwann zur Überschuldung,<br />
die ein striktes Sparprogramm zur<br />
Folge hat. Idealerweise müsste man irgendwo<br />
in der Mitte einen Kompromiss anpeilen<br />
und dort das Pendel zur Ruhe bringen. <strong>Konsum</strong>ieren<br />
ja, aber nicht dauernd auf Pump.<br />
Was bedeutet das für die Anleger ?<br />
In einem deflationären Umfeld, in dem die<br />
Zinsen tief sind und die Preise tendenziell<br />
sinken, macht es Sinn, Cash zu halten. Auch<br />
wenn die Zinsen tief sind, gewinnt das Geld<br />
in diesem Umfeld an Wert. Nehmen Sie das<br />
Beispiel von Spanien und den USA. Wer dort<br />
in den vergangenen zwei Jahren Cash behalten<br />
hat, kann heute in Marbella, Mallorca<br />
oder Florida Häuser zum halben Preis kaufen.<br />
Er kriegt heute also wesentlich mehr für sein<br />
Geld als vor zwei Jahren.<br />
Aber das wird nicht ewig so bleiben.<br />
Das glaube ich auch nicht. Die Staaten haben<br />
derart viel Geld in die Märkte gepumpt,<br />
und die Zinsen sind zurzeit derart tief, dass<br />
es unmöglich für immer so bleiben kann. Ich<br />
gehe davon aus, dass wir 2011 erste Anzeichen<br />
einer Trendwende hin zu einem inflationäreren<br />
Umfeld mit steigenden Zinsen haben<br />
könnten. Dann ist Cash zu halten, nicht mehr<br />
interessant. Bei einer Inflation von beispielsweise<br />
vier Prozent ist Ende Jahr das Geld um<br />
genau diese vier Prozent weniger Wert.<br />
Wie kann man sich gegen eine sich<br />
abzeichnende Infl ation schützen?<br />
Sicher muss man eine kleine Cash-Position<br />
behalten. Daneben sollte man aber in kurzfristige<br />
und teilweise inflationsgeschützte<br />
Obligationen sowie in reale Werte, wie zum<br />
Beispiel Immobilien, Rohstoffe, Aktien oder<br />
auch Gold, investieren. Wenn die Inflation<br />
ansteigt, bieten diese Werte einen besseren<br />
Schutz. Nun gilt es, den richtigen Augenblick<br />
für den Einstieg nicht zu verpassen.<br />
Hat die westliche Welt als <strong>Konsum</strong>treiber<br />
langsam ausgedient ?<br />
Ganz ohne Europa und die USA geht es wohl<br />
immer noch nicht. Doch schaut man den<br />
chinesischen oder brasilianischen Markt an,<br />
dann ist das Potenzial enorm. Zumal dort<br />
grosse Bestrebungen am Laufen sind, das<br />
generelle Einkommen zu steigern und damit<br />
als Markt selbsttragender zu werden. Doch<br />
das dauert schon noch ein bisschen. Gleichwohl<br />
haben viele Emerging Markets schon<br />
so manchen europäischen Staat überholt. <<br />
Fotos: Rainer Wolfsberger | Sven Hoffmann, Keystone, Caro<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 73<br />
Invest<br />
Analysen und Prognosen<br />
Konjunktur Global<br />
Abschwächung nach<br />
starker Beschleunigung<br />
Nach starkem Wachstum hat sich die<br />
globale Konjunkturentwicklung verlangsamt.<br />
Dies war zu erwarten. Wir denken,<br />
dass Volkswirtschaften mit strukturellen<br />
Herausforderungen (z. B. geplatzte<br />
Immobilienblase, Schulden) langsamer<br />
wachsen werden als Schwellenländer. th<br />
US-Arbeitsmarktverschlechterung drastischer<br />
als andernorts<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
USD sollte weiter<br />
zur Schwäche neigen<br />
Technische und fundamentale<br />
Daten deuten<br />
auf weitere USD/CHF-<br />
Schwäche hin. Auf der<br />
fundamentalen Seite<br />
deuten insbesondere<br />
die niedrige Zinsdifferenz<br />
und das Leistungsbilanzungleichgewicht<br />
auf eine weitere USD/<br />
CHF-Schwäche hin.<br />
Index, 12.2007 = <strong>10</strong>0<br />
<strong>10</strong>0<br />
99<br />
98<br />
97<br />
96<br />
95<br />
94<br />
93<br />
12.07 06.08 12.08 06.09 12.09 06.<strong>10</strong><br />
USA<br />
Japan<br />
Eurozone<br />
Grossbritannien<br />
Globale Wirtschaft schwächt sich ab, ohne erneut in die Rezession<br />
abzugleiten. Schwellenländer wachsen nachhaltig stärker als<br />
Industrie länder.<br />
Angesichts tiefer Inflationsrisiken bzw. sogar Deflationsrisiken in den<br />
Industrieländern bleibt die Geldpolitik dort sehr expansiv.<br />
Die globalen Aktienmärkte dürften weiterhin von der wirtschaftlichen<br />
Erholung profitieren, während Ängste bezüglich der Staatsverschuldung<br />
in Europa und eines Rückfalls in eine Rezession schwinden.<br />
Die Bewer tungen erscheinen attraktiv.<br />
Rohstoffe haben im August ihren Aufwärtstrend wieder aufgenommen,<br />
und wir erwarten weiteres Aufwärtspotenzial. Industriemetalle haben die<br />
besten Fundamentaldaten. Gold dürfte den Grossteil des nächsten Jahres<br />
über USD 1’300 notieren.<br />
Wir sind für EUR/CHF aufgrund der Überbewertung des Frankens und<br />
der vorsichtigen Haltung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf<br />
12-Monats-Sicht neutral. Die USD-Schwäche dürfte aufgrund der tiefen<br />
US-Zinsen und des US-Leistungs bilanzdefizits anhalten.<br />
Konjunktur Schweiz<br />
PMI: Ende des<br />
Höhenflugs<br />
Der PMI-Index schloss im Augst deutlich<br />
unter dem historischen Höchststand, der<br />
im Juli verzeichnet worden war. Der Indexrückgang<br />
ist damit ein prominenter Vorbote<br />
der von uns prognostizierten Wachstumsverlangsamung.<br />
cm<br />
PMI büsste ab seinem Höchststand 5.5 Punkte ein<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
95 98 01 <strong>04</strong> 07 <strong>10</strong><br />
Index<br />
Index (saisonbereinigt)<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
74 Credit Suisse<br />
%<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Übersicht<br />
Ausblick Global<br />
Die globale Wirtschaftserholung hat<br />
sich in den letzten Monaten nach<br />
einem zunächst sehr starken Wachstum<br />
merklich abgeschwächt, dürfte<br />
sich jedoch fortsetzen. Vor dem<br />
Hintergrund konjunktureller Sorgen<br />
und einer auf absehbare Zeit sehr<br />
expansiven Zentralbankpolitik sind<br />
insbesondere die Renditen von<br />
Anleihen stark gefallen. Aktien sind<br />
daher relativ günstig bewertet, und<br />
wir empfehlen, Aktien überzugewichten.<br />
An den Rohstoffmärkten sehen<br />
wir den Beginn eines neuen Aufwärtstrends.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Tiefzinsumfeld dauert<br />
auf absehbare Zeit an<br />
Einige Notenbanken haben begonnen, erste<br />
Zinserhöhungen durchzuführen (z. B. Austra<br />
lien, Norwegen). Insbesondere die US-<br />
Notenbank Fed, aber auch die grössten<br />
europäischen Notenbanken bleiben jedoch<br />
angesichts tiefer Inflation oder sogar deflationärer<br />
Risiken bei einer sehr expansiven<br />
Politik. Die Tiefzinspolitik der grossen Notenbanken<br />
trug dazu bei, dass die Renditen von<br />
Staatsanleihen auf sehr tiefe Niveaus gefallen<br />
sind. Investoren suchen an anderen Orten<br />
nach Rendite. Die Konsequenz ist, dass viel<br />
Geld in Schwellenländer fliesst. Trotz besserer<br />
Wirtschaftsentwicklung und grösserer<br />
Inflationsrisiken zögern diese daher auch,<br />
Zinserhöhungen zu tätigen, um nicht zu starke<br />
Währungsaufwertungen zu riskieren. th<br />
Zinstrends wichtiger Zentralbanken<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />
01.99 01.01 01.03 01.05 01.07 01.09<br />
USA Eurozone Japan Grossbritannien Schweiz<br />
Aktienmarkt<br />
Strategische Aktienpositionen<br />
aufbauen<br />
Wir gehen davon aus, dass sich die globale<br />
Erholung fortsetzen wird und die Ängste<br />
vor einem Rückfall in die Rezession weiter<br />
sinken dürften. Hohe Cash-Bestände der<br />
Unternehmen könnten zu höheren Akquisitionstätigkeiten<br />
und Dividendenauschüttungen<br />
führen. Diese Faktoren sollten die<br />
Aktienmärkte auf 6- bis 12-Monats-Sicht<br />
stützen, auch wenn kurzfristige Rückschläge<br />
nicht auszuschliessen sind. Zudem sehen die<br />
Aktienbewertungen unseres Erachtens –<br />
sowohl absolut wie auch relativ zu Staatsanleihen<br />
– günstig aus. Wir empfehlen daher<br />
weiterhin, strategische Aktienpositionen<br />
aufzubauen. Wir bevorzugen Aktien, die von<br />
einer weiteren Erholung, insbesondere in<br />
Schwellenmärkten, profitieren dürften. rs<br />
Die Aktienrisikoprämie (Gewinnrendite minus<br />
Staatsanleihenrendite) steht nahe an einem<br />
histo rischen Hoch. Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />
%<br />
<strong>10</strong><br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
–2<br />
06.91 06.97 06.03 06.09<br />
Aktienrisikoprämie (global)<br />
+/–1 Standardabweichung<br />
+/–2 Standardabweichungen<br />
Durchschnitt<br />
Währungen<br />
US-Dollar findet keine<br />
Zinsunterstützung<br />
Die europäische Schuldenkrise ist in den vergangenen<br />
Monaten etwas in den Hintergrund<br />
gerückt. Die Devisenmärkte haben im Zuge<br />
des anhaltend tiefen Zinsniveaus in den USA<br />
ihr Augenmerk auf die langfristig negativen<br />
Faktoren für den US-Dollar gerichtet: das<br />
Fiskal- und Aussenhandelsdefi zit in Kombination<br />
mit tiefen Zinsen. Wir sind der Ansicht,<br />
dass sich der US-Dollar gegenüber den meisten<br />
Währungen weiter abschwächen wird,<br />
solange die US-Geldpolitik expansiv bleibt.<br />
Für den Schweizer Franken spricht nicht nur<br />
die enge Zinsdifferenz, sondern auch der hohe<br />
Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz.<br />
Der strukturelle Aufwertungstrend der Währungen<br />
von Schwellenländern gegenüber<br />
dem US-Dollar dürfte anhalten. mh<br />
Die Ausichten auf tiefe Zinsen in den USA<br />
sind für USD/CHF negativ.<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
USD/CHF<br />
1.40<br />
1.30<br />
1.20<br />
1.<strong>10</strong><br />
1.00<br />
0.90<br />
Metalle und Agrarrohstoffe steigen deutlich an.<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />
Index, Januar 2008 = <strong>10</strong>0<br />
140<br />
120<br />
<strong>10</strong>0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
01.<strong>04</strong> 01.05 01.06 01.07 01.08 01.09 01.<strong>10</strong><br />
USD/CHF<br />
2-jährige Zinsdifferenz Swap USD minus CHF (r.S.)<br />
Rohstoffe<br />
Rohstoffe am Beginn<br />
eines Aufwärtstrends<br />
01.08 05.08 09.08 01.09 05.09 09.09 01.<strong>10</strong> 05.<strong>10</strong> 09.<strong>10</strong><br />
CSCB Energy Index<br />
CSCB Agriculture Index<br />
CSCB Precious Metals Index<br />
CSCB Industrial Metals Index<br />
in %<br />
3.5<br />
2.5<br />
1.5<br />
0.5<br />
–0.5<br />
Seit August haben die Rohstoffpreise deutlich<br />
angezogen, und wir sehen weiteres<br />
Aufwärtspotenzial. Sowohl die Finanzmarktbedingungen<br />
als auch die Entwicklungen<br />
am physischen Markt sprechen für weitere<br />
Stärke. An den Finanzmärkten ist zu beobachten,<br />
dass die Liquidität an den Rohstoffbörsen<br />
steigt. Am physischen Markt<br />
ist eine Zunahme der Käufe zu beobachten.<br />
Viele <strong>Konsum</strong>enten haben aus Furcht vor<br />
einer erneuten Rezession ihre Käufe aufgeschoben<br />
– nun, da die lokalen Lager leer<br />
sind, kehren sie an den Markt zurück. Dies<br />
betrifft vor allem die Metalle, aber auch<br />
Agrarrohstoffe. Gold dürfte vor allem durch<br />
niedrige Zinsen unterstützt bleiben. Öl hat<br />
aufgrund hoher Lagerbestände nur moderates<br />
Aufwärtspotenzial. tm<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 75<br />
Übersicht<br />
Ausblick Schweiz<br />
Nachdem die Schweizer Wirtschaft<br />
im ersten Halbjahr stark gewachsen<br />
ist, erwarten wir eine Abkühlung in<br />
der zweiten Jahreshälfte. Die Inflation<br />
ist zuletzt auf sehr tiefe Werte gefallen,<br />
und wir erwarten auch im<br />
kommen den Jahr geringen Preisdruck.<br />
Aufgrund der Wachstumsabschwächung<br />
und der Frankenstärke hat die<br />
Schweizerische Nationalbank (SNB)<br />
ihre mittelfristige Inflations prognose<br />
deutlich nach unten re vidiert. Wir<br />
erwarten nun die erste Zinserhöhung<br />
erst im Juni 2011.<br />
Aktienmarkt<br />
Schweizer Aktien weiterhin<br />
günstig bewertet<br />
Während die wirtschaftliche Erholung die<br />
globalen Aktienmärkte stützen sollte, dürfte<br />
der starke CHF kurzfristig zu Gegenwind im<br />
Schweizer Markt führen. Daher schätzen wir<br />
den SMI neutral ein. Im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld<br />
sehen wir Dividendentitel als<br />
eine attraktive Lösung, um defensives Aktien-Exposure<br />
aufzubauen. Ebenso empfehlen<br />
wir, Positionen in Firmen mit starkem<br />
Schwellenmarkt-Exposure und starkem Pro-<br />
rs<br />
dukteportfolio aufzubauen.<br />
Die Dividendenrendite auf dem SMI liegt<br />
weit über dem historischen Durchschnitt.<br />
Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />
Dividendenrendite in %<br />
4.0<br />
3.5<br />
3.0<br />
Währungen<br />
CHF ist gegenüber dem<br />
EUR überbewertet<br />
Die Aufwertung des CHF gegenüber dem<br />
EUR, welche im Jahr 2007 bei über EUR/<br />
CHF 1.60 begonnen hat, dürfte sich kaum<br />
im gleichen Ausmass fortsetzen. Nachdem<br />
wir lange positiv für den Franken eingestellt<br />
waren, nehmen wir nun auf 12M-Sicht eine<br />
neutrale Haltung für EUR/CHF ein, weil der<br />
Franken nach unserem geschätzten CS Fair<br />
Value überbewertet ist und Zinserhöhungen<br />
der SNB derzeit kaum ein Thema sind. mh<br />
Wir sind für EUR/CHF aufgrund der Überbewertung<br />
des CHF gegenüber dem EUR und<br />
der vorsichtigen SNB strategisch neutral.<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
EUR /CHF<br />
2.40<br />
2.20<br />
2.00<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Wohl keine Zinserhöhungen<br />
vor Mitte 2011<br />
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) beliess<br />
ihr Zielband für den 3-Monats-LIBOR<br />
im September wie erwartet unverändert<br />
zwischen 0% und 0.75%. In Bezug auf ihre<br />
künftige geldpolitische Strategie sandte<br />
die SNB ein deutliches Signal: Mit einer<br />
markanten Abwärtsrevision ihrer mittelfristigen<br />
Inflationsprognose sowie ihrer Erwartung<br />
einer «deutlichen Abschwächung des<br />
Wachstums» ist die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Zinserhöhung in naher Zukunft stark gesunken.<br />
Insbesondere sieht die SNB in der<br />
Frankenaufwertung und der abnehmenden<br />
Dynamik der Weltkonjunktur eine Gefahr.<br />
Wir revidieren unsere Prognose einer ersten<br />
Zinserhöhung im Dezember und rechnen<br />
erst im Juni 2011 mit einem Zinsschritt. fh<br />
Anhaltend tiefes Zinsumfeld in der Schweiz<br />
Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />
%<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
01.00 01.02 01.<strong>04</strong> 01.06 01.08 01.<strong>10</strong><br />
3M-LIBOR<br />
Zielband<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
Top Thema<br />
Rezession schmälerte Gewinne<br />
Die Kosten der Rezession im vergangenen Jahr wurden stärker von den Unternehmen<br />
getragen als von den Arbeitnehmenden. Die Lohnquote, der Anteil der Lohnzahlungen<br />
an der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP), erreichte mit über 64% einen neuen<br />
Höchststand. Demgegenüber sank der Anteil der Unternehmensgewinne auf tiefe 36%.<br />
Die Löhne sind 2009 im Durchschnitt sogar gestiegen, da sie bereits vor dem überraschenden<br />
Einbruch der Wirtschaft im Spätherbst 2008 festgelegt worden waren.<br />
Die Erfahrung früherer Aufschwünge lässt darauf schliessen, dass die Lohnquote in<br />
Zukunft wieder sinken wird. cm<br />
Lohnquote erreicht 2009 neuen Höchststand. Quelle: Bundesamt für Statistik<br />
%<br />
65<br />
64<br />
63<br />
62<br />
61<br />
60<br />
59<br />
09.00 09.02 09.<strong>04</strong> 09.06 09.08 09.<strong>10</strong><br />
SMI<br />
91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />
Lohnquote am BIP<br />
1.80<br />
1.60<br />
1.40<br />
1.20<br />
82 86 90 94 98 02 06 <strong>10</strong><br />
+1 Standardabweichung<br />
Fair Value EUR/CHF<br />
–1 Standardabweichung<br />
17.09.20<strong>10</strong><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
76 Credit Suisse<br />
22. September 20<strong>10</strong><br />
Überblick Prognosen<br />
Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Auswahl 22.09.20<strong>10</strong> YTD Ausblick 3M 12M-Ziele<br />
S&P 500 1’134.28 1.9 % 1’217<br />
SMI 6’344.88 –3.8 % 7’350<br />
FTSE-<strong>10</strong>0 5’551.91 2.1 % 5’827<br />
DJ Euro Stoxx 50 2’752.77 –7.7 % 3’034<br />
Nikkei 225 9’566.32 –9.3 % 11’000<br />
Gold 1’291.35 18.1 % 1’300<br />
WTI Erdöl 74.71 –5.8 % 82.5<br />
Dow Jones UBS Commodity Index 277.2298 –0.1 % 295<br />
Devisen (Wechselkurse)<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Reales BIP-Wachstum in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Wichtige Information<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />
von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />
können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />
wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />
ein Angebot noch eine Auf forderung seitens oder im Auftrag<br />
von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />
oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />
einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />
Rechts ordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />
der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />
Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />
enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />
hinsichtlich Inves titionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />
stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />
Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />
angemessene Inves tition oder Strategie oder eine andere an<br />
einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />
Ver weise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />
mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />
Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />
die Credit Suisse als zuver lässig erachtet. Dennoch<br />
kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />
der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />
lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />
Berichts ab.<br />
22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
USD/CHF 0.99 0.93 – 0.97<br />
EUR/CHF 1.32 1.31 – 1.35<br />
JPY/CHF 1.17 1.12 – 1.16<br />
EUR/USD 1.34 1.38 – 1.42<br />
USD/JPY 84 81 – 85<br />
EUR/JPY 113 114 – 118<br />
EUR/GBP 0.85 0.83 – 0.87<br />
GBP/USD 1.56 1.63 – 1.67<br />
EUR/SEK 9.17 8.40 – 8.80<br />
EUR/NOK 7.88 7.75 – 8.15<br />
AUD/USD 0.95 0.92 – 0.96<br />
NZD/USD 0.74 0.71 – 0.75<br />
USD/CAD 1.03 0.98 – 1.02<br />
2009 20<strong>10</strong> 2011<br />
CH –1.9 2.4 1.2<br />
EWU –4 1.6 1.6<br />
USA –2.4 2.7 2<br />
GB –4.9 1.4 2.7<br />
Japan –5.2 3.3 1.8<br />
Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
CHF 0.18 0.7 – 0.9<br />
EUR 0.88 1.4 – 1.6<br />
USD 0.29 0.3 – 0.5<br />
GBP 0.73 1.2 – 1.4<br />
JPY 0.22 0.2 – 0.4<br />
WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />
DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />
VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN<br />
US- PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />
oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />
Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />
Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />
verteilt, die der Zulassung und Re gulierung der<br />
Eidge nössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />
werden. Copyright © 20<strong>10</strong> Credit Suisse Group AG<br />
und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />
vor behalten.<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
20<strong>10</strong> 2011<br />
Bruttoinlandprodukt, real 2.4 1.2<br />
Privater <strong>Konsum</strong> 1.5 1.2<br />
Öffentlicher <strong>Konsum</strong> 0.8 1.5<br />
Bauinvestitionen 0.5 –2<br />
Ausrüstungsinvestitionen 1.5 2.5<br />
Importe 6.5 3.5<br />
Exporte 8 3.5<br />
Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) 0 0.5<br />
Arbeitslosenquote 3.9 3.7<br />
Inflation in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
2009 20<strong>10</strong> 2011<br />
CH –0.5 0.6 0.7<br />
EWU 0.4 1.4 1.4<br />
USA –0.4 1.8 1.2<br />
GB 2.2 3.1 2.1<br />
Japan –1.4 –1.2 –0.4<br />
Rendite <strong>10</strong>-j. Staatsanleihen<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
CHF 1.41 1.8 – 2.0<br />
EUR 2.35 2.7 – 2.9<br />
USD 2.56 3.0 – 3.2<br />
GBP 2.97 3.6 – 3.8<br />
JPY 1.03 1.1 – 1.3<br />
Impressum Invest<br />
Herausgeber Credit Suisse AG, Global Research,<br />
Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />
Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />
Fabian Heller (fh), Tobias Merath (tm), Marcel Thieliant (mt),<br />
Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs)<br />
Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />
oder auf Anfrage.<br />
E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />
Internet www.credit-suisse.com/research<br />
Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin<br />
der Credit Suisse»<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Wissenswert Wirtschaft 77<br />
Wissenswert<br />
Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />
<strong>Konsum</strong>entenpolitik [Massnahmen<br />
zum Schutz der Verbraucherinteressen]:<br />
Es kann vorkommen,<br />
dass dieselbe Fahrkarte am Automaten<br />
teurer ist als am Schalter,<br />
dass der neue Toaster mehr Strom<br />
verbraucht, als auf dem Energiekleber<br />
angegeben wird, oder dass<br />
die Jumbopackung Waschmittel<br />
plötzlich nicht mehr für die gleiche<br />
Anzahl Waschgänge reicht. Dies<br />
alles sind unlautere Geschäftspraktiken<br />
der Anbieter, die vom <strong>Konsum</strong>enten<br />
oft unbemerkt bleiben und<br />
durch <strong>Konsum</strong>entenpolitik bekämpft<br />
werden müssen. Mit gezielten<br />
Massnahmen setzt sich diese<br />
für die Verbraucher ein und fördert<br />
deren Interessen. Sie soll verhindern,<br />
dass <strong>Konsum</strong>enten aufgrund<br />
mangelnder Fachkenntnisse und<br />
ungenügender Informationen benachteiligt<br />
sind und manipuliert werden<br />
können. Im Vordergrund stehen<br />
drei Handlungsbereiche: Verbraucher<br />
sollen zunächst durch objektive<br />
Angaben über ihre <strong>Konsum</strong>möglichkeiten<br />
und die zur Verfügung stehenden<br />
Produkte auf geklärt werden.<br />
Weiter sollen eigens dafür geschaffene<br />
Rechtsnormen sie vor Missbräuchen<br />
durch Anbieter schützen.<br />
Der <strong>Konsum</strong>entenpolitik ist es zudem<br />
ein Anliegen, dass Verbraucher<br />
bereits in der Schule grundlegende<br />
Kenntnisse über ihre Rolle und ihre-<br />
Rechte als <strong>Konsum</strong>enten vermittelt<br />
bekommen. fdl<br />
<strong>Konsum</strong>entenpreisindex<br />
[Statistischer Messwert der durchschnittlichen<br />
Preisveränderung]:<br />
«Das Leben wird immer teurer.»<br />
Dieser Satz kommt einem nach<br />
einem Grosseinkauf und dem Blick<br />
ins leere Portemonnaie schnell<br />
über die Lippen. Doch meistens<br />
beruht diese Aussage eher auf der<br />
individuellen Wahrnehmung als<br />
auf harten Fakten. Für diejenigen,<br />
die es ganz genau wissen möchten,<br />
gibt es den <strong>Konsum</strong>entenpreisindex.<br />
Dieser zeigt auf, ob die Preise<br />
für Waren und Dienstleistungen,<br />
die von privaten Haushalten für<br />
<strong>Konsum</strong>zwecke gekauft werden,<br />
gestiegen sind. Über mehrere Jahre<br />
wird die durchschnittliche Preisveränderung<br />
von Nahrungsmitteln,<br />
Kleidern, Bildungswesen und anderen<br />
relevanten Bereichen berechnet<br />
und grafisch dargestellt. Anhand<br />
der Grafik ist auf einen Blick<br />
ersicht lich, in welcher wirtschaftlichen<br />
Situation sich das Land<br />
befindet: ob das Leben, wie eingangs<br />
vermutet, nun wirklich teurer<br />
geworden ist oder wir einfach nur<br />
zu viel eingekauft haben. sts<br />
Betriebsökologie [Effizienter<br />
Umgang mit Ressourcen im Unternehmen]:<br />
Wie können wir Einsparungen<br />
beim Energiekonsum unserer<br />
Liegenschaften erzielen? Wie verhalten<br />
wir uns bei unseren betrieblichen<br />
Aktivitäten umweltschonend?<br />
Mit diesen Fragen beschäftigen<br />
sich viele Firmen, denn auch sie<br />
bemühen sich – wie die Staatengemeinschaft<br />
und Einzelpersonen –<br />
um einen direkten Beitrag zur<br />
Verringerung des Klimaproblems.<br />
Sie streben danach, ihre Geschäftstätigkeit<br />
umweltgerecht zu gestalten.<br />
Das Ziel der Betriebsökologie<br />
liegt darin, den Ressourcenverbrauch<br />
durch geeignete Sparmassnahmen<br />
zu senken und Kosten<br />
einzusparen. Dabei gilt es zunächst<br />
festzustellen, wo Umweltbelastungen<br />
auftreten und der grösste<br />
Handlungsbedarf besteht. Gemessen<br />
werden der Energie-, Papierund<br />
Wasserverbrauch, die Anzahl<br />
zurückgelegter Kilometer für<br />
Geschäftsreisen sowie die Menge<br />
produzierten Abfalls. Spezialisierte<br />
Fachkräfte arbeiten in einem<br />
nächsten Schritt daran, die Klimabilanz<br />
zu verbessern, indem sie<br />
unter anderem den Einsatz von<br />
energiesparender Gebäudetechnik<br />
fördern, den Wechsel von konventioneller<br />
auf erneuerbare Energie<br />
vorantreiben sowie die Mitarbeitenden<br />
motivieren, sich aktiv an der<br />
Senkung des Energieverbrauchs zu<br />
beteiligen. fdl<br />
Anzeige<br />
A Year Without “Made in China”: One Family’s<br />
True Life Adventure in the Global Economy<br />
Sara Bongiorni, John Wiley & Sons, 2007, 256 Seiten,<br />
ISBN-13: 978-<strong>04</strong>7011613<br />
China ist der weltweit dominierende Produzent von <strong>Konsum</strong>gütern.<br />
Die Wirtschaftsjournalistin Sara Bongiorni entdeckt die unheimliche<br />
Dominanz Chinas in ihrem Alltag und wagt ein folgenschweres<br />
Experiment: Zusammen mit ihrer Familie fordert sie den chinesischen<br />
Wirtschaftskoloss heraus und beschliesst, chinesische<br />
Waren ein Jahr lang zu boykottieren. Wie sie damit ihr Leben und<br />
das ihrer Familie verändert, hält sie in ihrem Buch akribisch fest.<br />
Dabei geht es nicht nur um <strong>Konsum</strong> und Ökonomie, sondern auch<br />
um Ehekrisen, Kindertränen, eine sarkastische Mutter und neunmalkluge<br />
Nachbarn. Die Botschaft hat man schnell kapiert: Ohne<br />
chinesische Importe kann der Durchschnittsamerikaner (und vermutlich<br />
auch -europäer) seinen <strong>Konsum</strong>hunger nicht mehr stillen.<br />
Sind Bongiornis immer wieder neue Anläufe und Anekdoten<br />
wirklich nötig, um das zu begreifen? Bisweilen wirkt ihr Bericht<br />
tatsächlich etwas ermüdend, meint getAbstract. Und trotzdem ist<br />
so ein Selbstversuch erhellender, als es die seriöseste wissenschaftliche<br />
Studie jemals sein könnte. Das Buch sei allen empfohlen,<br />
die sich für Volkswirtschaft interessieren. © getAbstract<br />
Buyology: Warum wir kaufen, was wir kaufen<br />
Martin Lindstrom, Campus, 2009, 230 Seiten,<br />
ISBN-13: 978-3593389295<br />
Was offenbart der Blick in das Gehirn von <strong>Konsum</strong>enten?<br />
Unzählige Produktflops legen Zeugnis ab von den Grenzen der<br />
herkömmlichen Marktforschung. Viel nützlichere Erkenntnisse<br />
liefern Gehirnscans, behauptet Marketing-Guru Martin Lindstrom.<br />
Lindstrom hat eine umfangreiche internationale Studie über die<br />
Wirksamkeit des Neuromarketings initiiert und präsentiert in<br />
diesem Buch die Resultate. Wie Gehirnscans funktionieren, wie<br />
man sie analysiert und in kluges Marketing umsetzt, wird allgemein<br />
verständlich dargelegt. Dazu kommt eine Menge konkreter Tipps,<br />
von denen sich viele auch ohne die beschriebenen, teuren Gerätschaften<br />
nutzen lassen. Zum Glück, denn welcher Marketingchef<br />
hat schon einen Magnetresonanztomografen im Büro stehen?<br />
Störend ist, dass Lindstrom nicht gerade sparsam mit Eigenlob<br />
ist. Aber das muss man ihm zugestehen: Seine Erkenntnisse<br />
weisen Marketing und Produktentwicklung einen neuen Weg.<br />
getAbstract empfiehlt das Buch allen Marketing-, Werbe- und<br />
Produktmanagern, die die herkömmlichen Lehren bereits auswendig<br />
können. © getAbstract<br />
© getAbstract. Weitere Zusammenfassungen auf www.getabstract.com/<strong>bull</strong>etin.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
78 Leader Shirin Ebadi<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Shirin Ebadi Leader 79<br />
Im Dienste<br />
der Gerechtigkeit<br />
Die fehlende Scheu vor Konfrontationen ist wohl eines ihrer Hauptmerkmale. Anders<br />
lässt sich ihr furchtloser Kampf für Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte<br />
nämlich kaum erklären. Die iranische Rechtsanwältin und Friedensnobelpreisträgerin<br />
Shirin Ebadi traut sich, den Grossen und Mächtigen dieser Welt ihre Meinung zu sagen.<br />
Interview: Sarah Winter<br />
Foto: Elisabetta Villa<br />
<strong>bull</strong>etin: Sie waren die erste Richterin in der Geschichte Irans.<br />
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden – zumal es<br />
damals ja ein klassischer Männerberuf war ?<br />
Shirin Ebadi: Ich habe mich bereits als Kind für das Thema Gerechtigkeit<br />
interessiert und mich stets für Schwächere eingesetzt –<br />
selbst wenn ich dabei letztlich auch Prügel einstecken musste.<br />
Aber ich habe, wohl im Gegensatz zu den meisten Menschen,<br />
Konfrontationen noch nie gescheut. Im Gegenteil: Der Gedanke,<br />
durch Debatten oder gar Proteste etwas verändern und bewirken<br />
zu können, hat mich schon immer gereizt. Dementsprechend wählte<br />
ich später meine Studienrichtung – sie entsprach quasi meinen<br />
natürlichen Neigungen. Allerdings begann ich das Jurastudium<br />
von Anfang an in der Absicht, nach meinem Abschluss Richterin<br />
zu werden und mein Leben ganz in den Dienst der Gerechtig -<br />
keit zu stellen – ein Ziel, das ich im Alter von 23 Jahren erreichte.<br />
Wie wurden Sie dann zur Menschenrechtsanwältin?<br />
Während der Revolution wurde ich als weibliche Richterin abgesetzt<br />
und zur Gerichtsassistentin zurückgestuft. In dieser Zeit<br />
musste ich so viele Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen<br />
miterleben, dass ich mich entschieden habe, etwas dagegen<br />
zu unternehmen. 1992 habe ich bei der iranischen Anwaltskammer<br />
schliesslich eine Zulassung als Rechtsanwältin erwirkt<br />
und eine eigene Kanzlei eröffnet. Seitdem engagiere ich mich<br />
für die Einhaltung der Menschenrechte im Iran.<br />
Im Rahmen Ihrer Tätigkeit setzen Sie sich insbesondere für<br />
die Rechte von Kindern und Frauen ein. Sie gründeten sogar eine<br />
Vereinigung für die Verteidigung der Rechte des Kindes.<br />
Meine Eltern haben mich und meine Geschwister zu unabhängigen,<br />
selbstbewussten und vor allem frei denkenden Menschen<br />
erzogen, ohne dabei jemals einen Unterschied zwischen Jungen<br />
und Mädchen zu machen. Ich realisierte daher erst ziemlich spät,<br />
dass die Gleichheit der Geschlechter in meinem Land – ausserhalb<br />
meines Zuhauses – alles andere als eine Selbstverständlichkeit<br />
war. Während meines Studiums habe ich mich dann stark auf die<br />
Rechtsgebiete der Frauen und Kinder konzentriert, da sie in vielen<br />
Ländern leider noch immer zu den angreifbarsten Mitgliedern der<br />
Gesellschaft gehören. Aber ich bin einfach davon überzeugt, dass<br />
es unsere Pflicht ist, die Schwächsten zu schützen. So kam es,<br />
dass ich nun seit mehr als 20 Jahren als Anwältin hauptsächlich<br />
die Rechte von Frauen und Kindern verteidige. Als dann die Zahl<br />
der politisch oder religiös verfolgten Menschen im Iran immer<br />
weiter stieg, habe ich zudem begonnen, mich für die Wahrung der<br />
Rechte von politischen Gefangenen einzusetzen.<br />
Wie steht es denn um die Rechte dieser Personen im Iran?<br />
Bedauerlicherweise ist die Rechtslage noch immer nicht so, wie<br />
wir sie uns wünschen. Gemäss den Gesetzen, die nach der<br />
iranischen Revolution verabschiedet wurden, ist beispielsweise<br />
das Jugendstrafalter für Mädchen auf 9 Jahre und für Jungen auf<br />
15 herabgesetzt worden. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass<br />
wenn ein <strong>10</strong>-jähriges Mädchen eine Straftat begeht, es genauso<br />
hart bestraft werden kann wie ein 40-jähriger Erwachsener.<br />
Aus diesem Grund kommt es leider auch immer wieder zu Hinrichtungen<br />
von sehr jungen Menschen. 2009 verzeichnete der Iran<br />
die höchste Anzahl Hinrichtungen von Jugendlichen.<br />
Und was ist mit den Rechten der Frauen?<br />
Nach der Revolution im Iran 1979 wurden viele Gesetze verabschiedet,<br />
die Frauen stark benachteiligen und die heute noch in<br />
Kraft sind: So gilt beispielsweise die Aussage einer Frau vor ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
80 Leader Shirin Ebadi<br />
Shirin Ebadi wurde 1947 in Hamedan, Iran, geboren.<br />
1971 hat sie an der Universität Teheran ihr Masterstudium<br />
in Rechtswissenschaften abgeschlossen.<br />
Bereits mit 28 Jahren wur de sie zur Präsidentin<br />
des Gerichtshofs in Teheran gewählt – als erste<br />
weib liche Richterin des Landes. Nach der Revolution<br />
von 1979 zwang man Ebadi zum Rücktritt. Sie arbeitete<br />
fortan als Gerichts sekretärin an exakt jenem<br />
Gerichtshof, den sie zuvor geleitet hatte. 1992<br />
erwirkte Ebadi schliesslich eine Zulassung als Rechtsanwältin<br />
und gründete eine eigene Kanzlei. Heute<br />
unterrichtet Shirin Ebadi an der Universität von<br />
Teheran Rechtswissenschaf ten und engagiert sich<br />
für die Einhaltung der Menschenrechte und die<br />
Stärkung des gesetzlichen Status von Frauen und<br />
Kindern im Iran. Darüber hinaus hat sie zwei Nichtregierungsorganisationen<br />
gegründet, die Association<br />
for Support of Children’s Rights und das<br />
Human Rights Defence Centre.<br />
Shirin Ebadi hat ihre Tätigkeit als Anwältin trotz Ver -<br />
haftung und wiederholter Gewaltandrohungen bis<br />
zum heutigen Tag unbeirrt fortgesetzt. Für ihren<br />
mutigen Einsatz zugunsten der Demokratie und der<br />
Wahrung der Menschenrechte wurde sie mit mehreren<br />
Preisen ausgezeichnet, darunter der Friedensnobelpreis<br />
2003 und der Internationale Demokra tiepreis<br />
Bonn 20<strong>10</strong>.<br />
Shirin Ebadi hat zahlreiche Artikel und Bücher<br />
zu Men schenrechtsfragen und eine Autobiografie<br />
mit dem Titel «Mein Iran – Ein Leben zwischen<br />
Revolution und Hoffnung» veröffentlicht.<br />
Ge richt nur halb so viel wie die eines Mannes. Im Fall einer Verge<br />
waltigung bedeutet das konkret, dass eine Frau zwei Personen<br />
aufbieten können muss, die das Geschehene bezeugen. Und<br />
seien wir ehrlich: Wie oft gibt es denn Zeugen bei Vergewaltigungen<br />
oder häuslicher Gewalt ?<br />
Wie gehen Sie vor im Kampf gegen diese Ungerechtigkeiten?<br />
Indem wir täglich, und dies seit Jahren, für entsprechende Reformen<br />
im Rechtssystem kämpfen – insbesondere mit Bezug auf<br />
Frauen und Kinder. Zudem habe ich im Iran zwei Nichtregierungsorganisationen<br />
gegründet: 1995 die Association for Support of<br />
Children’s Rights, über die wir die Internationale Konvention über<br />
die Rechte des Kindes im Iran verbreiten. Und 2001, zusammen<br />
mit anderen iranischen Juristen, das Human Rights Defence<br />
Centre, in dem wir uns für die Rechte von Minder hei ten einsetzen<br />
und Personen, die aus politischen oder ideolog ischen Gründen<br />
verfolgt werden, unentgeltlich juristischen Bei stand leisten.<br />
Darüber hinaus betreiben wir auch Aufklärungs arbeit im Bereich<br />
der Menschenrechte.<br />
Der Islam, Demokratie und Menschenrechte – diese<br />
Themen werden von Politik und Medien gleichermassen als<br />
miteinander unvereinbar bezeichnet.<br />
Das sind Aussagen, die der amerikanische Politikwissenschaftler<br />
Samuel Huntington in seinem viel zitierten Buch «Kampf der<br />
Kulturen» aufgestellt hat. Noch heute dienen seine Thesen vielen<br />
als Rechtfertigung der angespannten Situation und der Kriege im<br />
Nahen Osten, da sie unterstellen, dass ein Kampf zwischen westlichen<br />
und östlichen Zivilisationen unvermeidbar sei. Dabei darf<br />
aber nicht vergessen werden, dass solche Aussagen nicht isoliert<br />
von ihrem Kontext zu verstehen sind: Die Behauptungen stammen<br />
schliesslich aus jener Zeit, als die Sowjetunion und die sozialistischen<br />
Länder zusammenbrachen. Und nach dem Kalten Krieg<br />
suchte der Westen ein Feindbild. Dabei wissen wir schon aus der<br />
Geschichte, dass Muslime und Juden im Nahen Osten über Jahrhunderte<br />
hinweg friedlich zusammengelebt haben. Auch die bestehenden<br />
Konflikte sind ganz klar nicht religiös, sondern politisch<br />
motiviert und müssten daher lösbar sein.<br />
Der Islam schliesst die Einhaltung der Menschenrechte<br />
oder die demokratische Staatsform also nicht aus?<br />
Diverse Studien zeigen, dass sich das nicht ausschliesst, selbst<br />
wenn es sich nicht von der Hand weisen lässt, dass es um die<br />
Einhaltung der Menschenrechte in vielen islamischen Ländern<br />
nicht sonderlich gut steht. Aber moderne Muslime sind fest davon<br />
überzeugt, dass das alles nichts mit dem Islam als Religion zu<br />
tun hat, sondern damit, wie der Islam ausgelegt und interpretiert<br />
wird. Ich bin der Meinung, dass eine Interpretation des Islam,<br />
die sich mit den Prinzipien der Gleichheit und der Demokratie in<br />
Einklang befindet, sogar ein sehr authentischer Ausdruck<br />
reinen Glaubens ist.<br />
Ist der weltweite Krieg gegen den Terrorismus eine wirksame<br />
Methode, um den entsprechenden Ländern Demokratie und<br />
Menschenrechte zu bringen?<br />
Terrorismus ist ganz klar etwas, das vehement bekämpft werden<br />
muss. Aber um ihn effektiv schwächen und beseitigen zu können,<br />
müssen wir an seinen Wurzeln ansetzen. Und die Wurzeln bestehen<br />
einerseits aus Fanatismus – dessen Ursprung wiederum die<br />
Unwissenheit der Menschen ist – und andererseits aus Ungerechtigkeit.<br />
Lediglich den Terrorismus zu be käm pfen, bringt also gar<br />
nichts, man muss an der Wurzel ansetzen und sie austrocknen. ><br />
Fotos: Kaveh Kazemi, Corbis Spector | France Keyser, Corbis Spector | Hasan Sarbakhshian | Jean Guichard, Sygma, Corbis<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse
Shirin Ebadi Leader 81<br />
1<br />
2 3<br />
1 Shirin Ebadi während einer Pressekonferenz der International Federation for Human Rights (FIDH) im Dezember 2003 in Paris: Zwei Monate<br />
zuvor wurde ihr der Friedensnobelpreis für ihr Engagement für Demokratie und Menschenrechte verliehen. 2 Immer wieder rufen iranische<br />
Studenten zu Massenprotesten gegen das Regime auf. Bild einer Demonstration vom 7. Dezember 2002: Die Regierung versuchte durch<br />
massive Aufmärsche von Milizen, gezielte Angriffe auf Demonstrationen sowie durch die Verhaftung und Folterung von Studenten weitere<br />
Proteste zu unterbinden. 3 Viele junge Iranerinnen setzen sich für die Verbesserung der Frauenrechte in ihrem Land ein.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>
82 Leader Shirin Ebadi<br />
Die Förderung von Bildung wäre in diesem Zusammenhang<br />
also ein sehr wichtiger Schritt, da sie wohl das effektivste<br />
Mittel gegen Unwissenheit ist. Allerdings bin ich ganz klar der<br />
Meinung, dass man Menschenrechte nicht mit Kriegen durchsetzen<br />
kann. Die Demokratisierung ist ein Entwicklungs prozess,<br />
der sich nicht einfach in ein Land und seine Bevölkerung<br />
«einbomben» lässt.<br />
Momentan scheint sich die ganze Welt vor dem Islam<br />
zu fürchten. Selbst in der Schweiz wurde ein Minarettverbot<br />
verhängt und man diskutiert darüber, die Burka zu verbieten.<br />
Wieso ist das Ihrer Meinung nach so?<br />
Diese Islamophobie, die zurzeit weltweit vorherrscht, ist wohl<br />
hauptsächlich auf das Werk einiger Medien zurückzuführen. Sie<br />
wird von der internationalen Presse regelrecht geschürt und aktiv<br />
verbreitet. Ich persönlich finde, dass man auch hier differenziert in<br />
seinem Urteil bleiben sollte. Man muss unterscheiden können<br />
zwischen den schrecklichen Verbrechen, die von islamischen Gruppierungen<br />
ausgeübt werden, und dem Islam, den Millionen anständiger<br />
und rechtschaffener Menschen als ihren Glauben ansehen<br />
und absolut friedlich praktizieren. Dass ein Attentat, das von<br />
muslimischen Extremisten begangen wurde, von der breiten Öffentlichkeit<br />
jedoch immer gleich als «islamischer Terrorakt» betitelt<br />
wird, ist der weltweiten islamischen Glaubensgemeinschaft gegenüber<br />
einfach nicht gerecht. Schliesslich behauptet auch niemand,<br />
dass das Judentum der Grund dafür ist, dass die israelische<br />
Regierung die bisher verabschiedeten UN-Resolutionen nicht<br />
umsetzt oder dass die Verbrechen in Bosnien damals im Namen<br />
des Christentums verübt wurden.<br />
Trotz Ihres schwierigen Kampfes für die Menschenrechte in<br />
islamischen Ländern und der weltweiten Kritik an der Religion<br />
Islam sind Sie noch immer gläubige Muslima.<br />
Natürlich. Das ist für mich absolut kein Widerspruch. Im Gegenteil:<br />
Mein Glaube gibt mir Kraft für meine Arbeit. Ich bin Muslima aus<br />
tiefer Überzeugung. Und ich liebe mein Land. Selbst wenn meine<br />
Heimat ein umstrittenes Land ist – es ist wunderschön. Auch<br />
die Menschen im Iran sind warmherzig, grosszügig und vor allem<br />
äusserst gastfreundlich.<br />
Durch Ihre Tätigkeit setzen Sie sich auch grossen Gefahren<br />
aus. Sie wurden verhaftet und mussten einst sogar Ihren<br />
eigenen Namen auf einer Todesliste lesen. Haben Sie keine<br />
Angst ?<br />
Angst ist lediglich ein Reflex, mit dem man umzugehen lernen<br />
muss. Ich bin ein optimistischer Mensch und glaube fest daran,<br />
dass das friedliche Verfolgen von gerechten Forderungen letztlich<br />
den Weg für eine Demokratie ebnen wird. Auch wenn der Weg<br />
zum Ziel etwas länger ist.<br />
Was bedeutet Ihnen die diesjährige Verleihung des Internationalen<br />
Demokratiepreises in Bonn oder der Friedensnobelpreis,<br />
den Sie 2003 erhalten haben?<br />
Ich bin natürlich stolz auf diese Auszeichnungen. Meine Bekanntheit<br />
ist durch die Vergabe dieser Preise deutlich gestiegen. Viel<br />
wichtiger ist jedoch, dass damit meine Arbeit und das Thema Menschenrechte<br />
vermehrt in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit<br />
gerückt werden. Ich erreiche mit meinen Anliegen viel mehr<br />
Personen und kann sie auf diese Weise für die Thematik sensi bilisieren<br />
und sie zugleich für unser Engagement gewinnen. Ich<br />
hoffe auf einen weltweiten Bewusstseinswandel, was die Wichtigkeit<br />
der Einhaltung der Menschenrechte betrifft. <<br />
Menschenrechtsforum Luzern Das Internationale<br />
Menschenrechtsforum Luzern (IHRF) bezweckt die<br />
Unterstützung und nachhaltige Weiterführung der<br />
Menschenrechtsdebatte und die gezielte Förderung<br />
der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, indem es den<br />
verschiedenen Akteuren aus Politik, Wissenschaft,<br />
Wirtschaft, Interessengruppen, Medien, Bildung oder<br />
der breiten Öffentlichkeit ein Forum bietet, um<br />
gemeinsam an einem aktuellen Thema im Bereich<br />
der Menschenrechte zu arbeiten. Mit dem Ziel, Menschenrechtsfragen<br />
auch über das unmittelbare<br />
Geschäft hinaus voranzutreiben, ist die Credit Suisse<br />
2009 eine Partnerschaft mit dem IHRF eingegangen.<br />
Am 18. und 19. Mai 20<strong>10</strong> fand das 7. Internationale<br />
Menschenrechtsforum Luzern zum Thema «Menschenrechte<br />
und Digitalisierung des Alltags» statt.<br />
Frau Dr. Ebadi gehörte neben vielen anderen<br />
na tionalen und internationalen Expertinnen und<br />
Experten zu den Gastreferenten.<br />
Mehr Informationen zum Internationalen Menschenrechtsforum<br />
Luzern unter http://www.ihrf.phz.ch<br />
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• Rieselle 2008 Riesling aus Deutschland<br />
• Rosaria 2009 Rosé aus Spanien<br />
• Josefin 2008 Zweigelt aus Österreich<br />
• Vincent 2009 Assemblage aus Frankreich<br />
• Augusto 2008 Merlot aus Italien<br />
• Don León 2008 Assemblage aus Spanien<br />
Illustrationen von Anna Sommer<br />
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Mit dem Degustations-Abonnement erhalten Sie übers Jahr<br />
verteilt 5x Flaschenpost. Jedes Paket enthält zwei bis drei Weine<br />
zum vorteilhaften Probierpreis: überraschende Entdeckungen<br />
oder besonders gut gelungene neue Jahrgänge bekannter<br />
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zwischen 25 und 55 Franken, zuzüglich Versandspesen Fr. 9.50.<br />
Das Probe-Abonemment ist jederzeit formlos kündbar.<br />
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