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bull_10_01_Nachbarn

Credit Suisse bulletin, 2010/01

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Seit 1 das Magazin der Credit Suisse Nummer 1 März/April <strong>10</strong><br />

<strong>Nachbarn</strong><br />

Wo die amerikanisch­kanadische Grenze<br />

als schwarze Linie quer durchs Theater führt<br />

und weitere Geschichten von mikroskopisch<br />

kleinen bis unvorstellbar fernen <strong>Nachbarn</strong>.<br />

Empiris Award Erforschung von Dystonie gewürdigt<br />

Migration Die Schweiz hat nicht an Attraktivität verloren<br />

Ray Kurzweil Die Ewigkeit in Griffweite


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Editorial 3<br />

Mein Schulfreund Reto war einst fürs Studium vom beschaulichen Engelburg<br />

bei St.Gallen ins städtische Zürich umgezogen. Mit etwas Glück hatte er eine<br />

einfache Mansardenwohnung mitten in Zürich gefunden. Am Samstag darauf<br />

ging er auf Vorstellungstour. Erst im dritten von fünf Stockwerken öffnete schliesslich<br />

ein misstrauisch dreinblickender Mann die Wohnungstüre. Was wolle er? –<br />

Sich vorstellen? – Neuer Nachbar? Dann machte das Misstrauen des Mannes<br />

endgültig schallendem Gelächter Platz. So etwas sei ihm schon lange nicht mehr<br />

passiert, meinte er belustigt und schloss ohne weiteren Kommentar die Türe.<br />

Reto aus Engelburg war in der Anonymität der Grossstadt angekommen. In den<br />

nächsten drei Jahren begegnete er ab und zu misstrauischen Gesichtern<br />

im Treppenhaus, einen Namen bekamen sie nie.<br />

Wo das hinführen kann, zeigt das Beispiel von Japan. Jedes Jahr sterben dort<br />

rund 30000 Menschen allein und bleiben häufig unbemerkt während Tagen<br />

oder gar Wochen in ihren Wohnungen. Diese inoffizielle Zahl hat Takumi Nakazawa<br />

hochgerechnet. Die <strong>bull</strong>etin Korrespondentin Susanne Steffen besuchte den<br />

rüstigen Rentner in einem Vorort Tokios, wo er ein Bürgerkomitee ins Leben<br />

gerufen hat, das dem einsamen Leben und Todinder Anonymität der Grossstadt<br />

den Kampf angesagt hat. Nakazawa betreibt mit einem Team von über <strong>10</strong>0 Freiwilligen<br />

eine Kontakt­und Notrufzentrale für Betroffene und Angehörige. Auch<br />

einen Quartiertreff hat er ins Leben gerufen, wo wieder nachbarschaftliche Kontakte<br />

gepflegt werden können.<br />

Natürlich gibt es auch Menschen, welche die Anonymität der Grossstadt bewusst<br />

suchen und schätzen. Sie empfinden nachbarschaftliche Kontakte als einengend<br />

und lästig. Und natürlich hat jeder ein Recht auf Privatsphäre. Doch wo Menschen<br />

auf engstem Raum zusammenleben, gibt es Berührungs­und Reibungspunkte,<br />

die es mit einem Grundmass an gegenseitigem Respekt und Toleranz zu regeln<br />

gilt. Dabei darf Toleranz nicht zur totalen Ignoranz verkommen.<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

In diesem <strong>bull</strong>etin beschränken wir uns nicht allein auf den zwischenmenschlichen<br />

Aspekt des Themas. Wir laden unsere Leser ein, nachbarschaftliche<br />

Beziehungen in verschiedensten Dimensionen kennenzulernen: angefangen bei<br />

der mikroskopisch kleinen Welt unserer nächsten <strong>Nachbarn</strong>, den Bakterien,<br />

die den menschlichen Körper zu Milliarden besiedeln, über das einsame Leben<br />

und Sterben von Menschen in Tokio, die so genannten Nachbarschaften in<br />

Graubünden, das nicht immer einfache Nebeneinander von Kanada und den<br />

USA bis hin zu einer imaginären Reise ins All auf der Suche nach galaktischen<br />

<strong>Nachbarn</strong>. Spannenden Gesprächsstoff fürden nächsten Schwatz mit einem<br />

<strong>Nachbarn</strong> sollten wir jedenfalls genug liefern.<br />

Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin<br />

Foto: CédricWidmer<br />

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Inhalt<br />

<br />

Coverfoto: Steffen Thalemann | Foto: Gerd Braune<br />

20<br />

<strong>Nachbarn</strong> In der Haskell Free Library von Stanstead<br />

sitzen die USA und Kanada sozusagen am gleichen Tisch.<br />

Der schwarze Strich amBoden des Lesesaals markiert<br />

den Grenzverlauf. DasTitelbild zeigt dasTheater im ersten<br />

Stock mit Bibliothekarin Nancy Rumery.<br />

6_Bakterien Sie sind mitAbstand unsere nächsten,<br />

aber auch wichtigsten <strong>Nachbarn</strong>.<br />

11 _ Anonymität EinRentner in Japankämpft gegendas<br />

einsameLeben undSterben in derGrossstadt.<br />

16_Graubünden Wo «Nachbarschaften»alspolitische<br />

Zweckgemeinschaften dasLeben regelten.<br />

20_Kanada–USA Geografisch undwirtschaftlichsonah<br />

unddochinvielenanderen Dingen so fern.<br />

26_Weltall Eine imaginäre ReisevorbeianSonne und<br />

Mond zu neuenUfern im grenzenlosen Universum.<br />

Credit Suisse<br />

31_ Kurzmeldungen Roger Federer – Judith<br />

Wade – Hans­Dietrich Genscher – Patti Smith<br />

34_New York Philharmonic Erste Europatournee<br />

mit Music Director Alan Gilbert<br />

36_ Swiss CFO Day Wer gehört zu den drei<br />

besten Finanzchefs der Schweiz?<br />

37_ KMU Erfolgreich durch die Krise – eine<br />

Veranstaltungsreihe liefertewertvolle Impulse<br />

39_ Hintergrund Das Economic Research hat<br />

das neue Branchenhandbuch veröffentlicht<br />

40_ Kunsthaus Eine 223­Jährige feiert den<br />

<strong>10</strong> 0.Geburtstag und blickt nach vorne<br />

42_ Nachwuchsförderung Die Credit Suisse<br />

unterstützt das Hong Kong Arts Festival<br />

43_ Kunst amBau Ein kunstfreundlicher Blick<br />

in die wiedereröffnete Filiale Zürich Enge<br />

44_ Habitat for Humanity Banker tauschen<br />

die Computermaus mit der Maurerkelle<br />

46_ Dystonie Verleihung des vierten Empiris<br />

Award for Research in Brain Diseases<br />

48_ Nicolas Altstaedt Warum man sich den<br />

Namen dieses Cellisten merken sollte<br />

65_ Dossier Immobilienanlagen<br />

<strong>01</strong>_ Vision und Strategie Markus Graf über<br />

nachhaltige Immobilienanlagen<br />

02_Sportarena Luzern Höhenflüge dank<br />

innovativer Mantelnutzung<br />

03_«Uptown»Zug Ein neues Wahrzeichen<br />

weist den Weg indie Zukunft<br />

04_Antizyklisch In internationale Immobilien<br />

investieren macht Sinn<br />

Wirtschaft<br />

52_ Migration Attraktivität der Schweiz als<br />

Auswanderungsland bleibt trotz Krise hoch<br />

56_ Asset Allocation Die Kunst der richtigen<br />

Vermögensaufteilung<br />

58_ Altersimmobilien Nachfrage nach massgeschneiderten<br />

Seniorenimmobilien steigt<br />

62_ Digitale Netzwerke Wie die Realität virtuell<br />

mit Infos angereichert wird<br />

Invest<br />

73_ Aktuelle Analysen und Trends<br />

Leader<br />

78_ Ray Kurzweil Auf dem Weg zur<br />

Unsterblichkeit<br />

Service<br />

43_ Impressum<br />

77_ Wissenswert/Nachlese<br />

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<strong>Nachbarn</strong> Bakterien<br />

Unsere lieben Bewohner<br />

Seinen allernächsten <strong>Nachbarn</strong> kann niemand entkommen: Auf und im menschlichen<br />

Körper leben etwa eine halbe Billiarde Bakterien. Wir sollten ihnen Sorge tragen.<br />

Text: Mathias Plüss<br />

Der Mensch, würde man meinen, hat sich selber gründlich durchleuchtet.<br />

Das menschliche Genom ist entschlüsselt, das Gehirn<br />

tausendfach gescannt. Wir haben unsere Zirbeldrüsen seziert und<br />

unsere unbewussten Triebe ansTageslicht geholt. Kein Verdauungsenzym,<br />

kein Kapillargefäss, kein Gehörknöchelchen ist uns verborgen<br />

geblieben.<br />

Und doch, somusste man in den letzten Jahren feststellen, gibt<br />

es eine wichtige Sphäre des menschlichen Körpers, die uns bis heute<br />

fast völlig fremd geblieben ist: das Leben von Mikroorganismen,<br />

das sich inund auf uns abspielt. Hierbei handelt essich keineswegs<br />

um eine Nebensächlichkeit – einerwachsenerMenschträgt fast zwei<br />

Kilo Bakterien mit sich herum, das ist mehr als die Gehirnmasse.<br />

Und es geht auch aufkeinenFallbloss um Schädlinge.Die allermeisten<br />

der mit uns lebenden Mikroben sind Nützlinge oder so genannte<br />

Kommensalen, dasheisst Mitesser.Sie profitieren vonuns,ohnedass<br />

uns dadurch ein Schaden entsteht.<br />

Projekt zur Erfassung des bakteriellen Lebens<br />

Laut Schätzungen lebt injedem von uns eine halbe Billiarde Bakterien.<br />

Das ist <strong>10</strong>0­mal so viel, wie der Körper Zellen hat, oder etwa<br />

140­mal dasamerikanischeStaatsbudgetinDollar.Gleichzeitig aber<br />

sind die meisten Bakterien <strong>10</strong>0­mal kleiner als menschliche Zellen<br />

undimLabor nichtzuzüchten – darum weissman so wenigvon ihnen.<br />

Erst im Jahr 2007 wurde das Human Microbiome Project gestartet,<br />

das analog zum Human Genome Project das gesamte bakterielle<br />

Leben desMenschenerfassenund entschlüsselnwill.Diessolldank<br />

einer neuen Methode gelingen: Früher musste man eine Probe von<br />

einer Körperstelle zunächst auf eine Nährkultur auftragen, umzu<br />

sehen,was da wächst.Heute kann mandirektdas Genomaller in der<br />

Probe enthaltenen Bakterien maschinell entschlüsseln. Das ist<br />

schneller und umfassender, auch wenn amEnde nicht immer ganz<br />

klar ist, welches gefundene Gen zuwelchem Bakterium gehört.<br />

Darum sind die ersten Resultate auch noch recht vage und vorläufig.<br />

Man schätzt, dass der Mensch von mehreren hundert, vermutlich<br />

sogar von mehreren tausend Bakterienarten besiedelt ist.<br />

Zwischen diesen Arten, aber auch zwischen den Bakterien und dem<br />

Menschen,findetein ständigerAustausch statt. DerMensch, sagen<br />

manche Forscher, müsse daher nicht als Einzelwesen, sondern als<br />

eigentliches Ökosystem verstanden werden – mehr noch: Es sei ein<br />

ganzes Netz von auf und inuns gedeihenden Ökosystemen, indas<br />

jeder von uns eingebunden sei. Denn die Zusammensetzung der<br />

Mikroflora ist anjeder Stelle des Körpers wieder anders. Sie variiert<br />

auch über die Zeit, und vor allem variiert sie von Mensch zuMensch.<br />

Bis heute ist nicht einmal bekannt, ob es einen Grundstock von<br />

Bakterienarten gibt, denjeder Menschinsichträgt.«UnsereMikrobengemeinschaften»,<br />

sagt der amerikanische Biologe Robert L. Dorit,<br />

«sind erheblich vielfältiger, komplexer, strukturierter und faszinierender,<br />

als jefürmöglich gehalten.»<br />

Steril sind im normalen Zustand nur fünf Bereiche des menschlichen<br />

Körpers: Gehirn, Lunge, Bauchhöhle, Blase undBlut. Überall<br />

sonst wimmelt es von Bakterien:<br />

S 99 Prozentder menschlichen BakterienlebenimDarm, derdank<br />

Zotteln und Einstülpungen die beeindruckende Fläche von 400 Quadratmetern<br />

erreicht. Mit bis zueiner Billion Bakterien pro Gramm<br />

DarminhaltwirdimDickdarmdie grössteBevölkerungsdichte erreicht.<br />

Etwa ein Drittel des ausgeschiedenen Kots besteht aus Bakterien.<br />

Es ist ein Geben und Nehmen: Die Mikroben bekommen gratis Futter<br />

– dafür produzieren sie füruns wichtige Vitamine, helfen bei der<br />

Zuckeraufnahme und zerlegen Ballaststoffe, die wir sonst nicht verdauenkönnten.IndiesemZusammenhang<br />

bekommt sogarder Blinddarm<br />

einen Sinn:MancheForschersehen darineineArt Schutzraum,<br />

von dem aus die Bakterien etwa nach einem Durchfall den Darm<br />

wieder besiedeln können. Wenigstens 500 Arten können den Darm<br />

besiedeln, vermutlich sind esnoch viel mehr. Bei dicken Menschen<br />

findet man oft einen deutlich erhöhten Anteil anBakterien aus dem<br />

Stamm der Firmicutes, die beim Kohlenhydratabbau helfen; dies<br />

könnte eine Erklärung fürÜbergewicht sein.Allerdings istnochnicht<br />

klar, was das Huhn ist und was das Ei: Sind diese Menschen dick,<br />

weil sie mehr Futterverwertungsbakterien haben – oder haben sie<br />

mehr Verwerterbakterien, weil sie mehr futtern?<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Bakterien <strong>Nachbarn</strong><br />

<br />

Foto: Medical RF.com, Science Photo Library<br />

S Rund 600 Bakterienarten bilden die menschliche Mundflora.<br />

Das Feuchtgebiet mit garantierter Nahrungszufuhr gefällt auch Urtierchen<br />

wie Geisseltierchen oder der Amöbe Entamoeba gingivalis,<br />

einem Bakterienfresser, der sich mit einer Maximalgeschwindigkeit<br />

vonzweieinhalb Zentimeternpro Stunde durchden Speichel bewegt.<br />

Bei mangelnder Mundhygiene beginnen sich die Bakterien schichtartig<br />

auf Zähnen und Zunge festzusetzen, was Karies und Mundgeruch<br />

zur Folge hat. Eine Untersuchung mit den Teilnehmern des<br />

Pfahlbauerprojekts des Schweizer Fernsehens hat 2007 gezeigt,<br />

dass der Anteil zahnschmelzschädigender Bakterien deutlich abnimmt,<br />

wenn man vier Wochen lang keinen raffinierten Zucker zu<br />

sich nimmt.<br />

S Auf unseren zwei Quadratmetern Haut leben naturgemäss weniger<br />

Bakterien als im Darm – dafür ist die Artenvielfalt grösser.<br />

Hotspots derBiodiversitätsindUnterarme,Handflächen,Zeigefinger<br />

und Kniekehlen.Was dieschiere Zahl betrifft,sosindfeuchte Stellen<br />

wieAchselhöhle,FingerzwischenräumeoderAnalfalte am dichtesten<br />

besiedelt. Dieörtlichen undindividuellenUnterschiedesindgewaltig.<br />

Beieiner Untersuchungder Unterarme vonsechs Personenfandman<br />

182 verschiedene Bakterienarten, aber nur vier Arten besiedelten<br />

alle sechs Personen. «Die haarigen, feuchten Achselhöhlen liegen<br />

nicht weit von den glatten, trockenen Unterarmen entfernt», schrieb<br />

dieamerikanische Forscherin ElizabethA.Grice in derFachzeitschrift<br />

«Science»,«aber ökologisch unterscheiden sich diesebeidenNischen<br />

so sehr wieRegenwald undWüste».UnsereHautbakterienernähren<br />

sich von Schuppen, Talg und Schweiss – ihre Abbauprodukte bilden<br />

den individuellen Körpergeruch. Sie wohnen auch in den Poren und<br />

besiedeln etwa nach dem Händewaschen von dort aus die Hautoberflächeneu.Übrigens<br />

lebenauf derHautder meistenMenschen<br />

auch Hefepilze und – im Gesicht! – etwa <strong>10</strong>00 Milben aus zwei Gattungen,<br />

die eine Grösse von gut einem Viertelmillimeter erreichen.<br />

S Der Magen tötet mit seiner Säure die allermeisten Kleinstlebewesen<br />

ab, weshalb erlange Zeit als steril galt. Erst 1979 wurde<br />

mit Helicobacter pylori ein Bakterium entdeckt, das tatsächlich im<br />

menschlichen (und nur immenschlichen) Magen lebt und überdies<br />

weit verbreitet ist. Die Mikrobe wird meist innerhalb der Familie<br />

weitergegeben und hat die ganze moderne Menschheitsgeschichte<br />

seit dem Auszug aus Afrika mitgemacht. Deshalb kann sie bei der<br />

Rekonstruktionvon Migrationszügenhelfen:Aufgrundihrer verschiedenen<br />

Herkunft haben zum Beispiel die Buddhisten und Muslime<br />

der indischen Region Ladakh jeweils deutlich unterschiedliche Versionen<br />

von Helicobacter pylori in ihren Mägen, während sich die<br />

beiden Völker etwa genetisch nicht auseinanderhalten lassen. Erst<br />

in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass vermutlich noch viele<br />

weitere Mikroorganismen im Magen leben können. Soentdeckte<br />

man imMagen eines Probanden beispielsweise einen Vertreter der<br />

Gattung Deinococcus, die man bisher vornehmlich inheissen Quellen,<br />

AKW­Kühlwasser und arsenverseuchtem Abfall gefunden hatte.<br />

Lange Zeit wareseineoffeneFrage,warum sich derKörpernicht<br />

stärker gegen die Besiedlung mit Mikroben wehrt. Als man gegen<br />

Ende des 19.Jahrhunderts die Darmflora entdeckte, hielt man die<br />

Bazillenbesiedlung füreine Krankheit und nannte sie «Darmblutvergiftung».<br />

Manch einMedizinerempfahl,den Dickdarmambesten<br />

gleich zu entfernen. Erst mit der Zeit erkannte man die verdauungsfördernden<br />

Eigenschaften der Bakterien. Es bleibt aber trotzdem<br />

wahr, dass Bakterien gefährlich sein können. Manche Art, die im<br />

Darmein stilles Dasein fristet, kann zumpotenzielltödlichen Erreger<br />

werden, wenn es ihr gelingt, die Darmwand zudurchdringen. Man<br />

vermutet heute sogar, dass noch mehr Krankheiten als bisher bekanntauf<br />

Bakterienund Viren zurückgehen könnten – manche Krebsarten<br />

etwa, Multiple Sklerose, Asthma, Depressionen und sogar<br />

Herzinfarkte.<br />

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Grenze zwischen Gut<br />

und Böse ist fliessend. Umdas zu verstehen, muss man den Menschen<br />

mit all seinen Bewohnern als komplexes Ökosystem betrachten,<br />

das sich ingesundem Zustand im Gleichgewicht befindet. Das<br />

Immunsystem hält die Bakterien inSchach, die Bakterien halten<br />

das Immunsystem auf Trab, die Bakterien kontrollieren sich gegenseitig<br />

– niemand kann sich auf Kosten der anderen derart verbreiten,<br />

dass das Ökosystem kippt. Deshalb kann ein Gesunder beispielsweise<br />

jahrzehntelang Tuberkulosebakterieninsichtragen, ohne dass<br />

die Krankheit ausbricht.<br />

Ungefährliche Platzhalter tolerieren<br />

Vieleunserer scheinbar nutzlosenodersogar potenziell gefährlichen<br />

Bewohner werden toleriert, weil dadurch verhindert wird, dass ein<br />

noch gefährlicherer Geselle an seine Stelle tritt. Der Trick sei, sagt<br />

der Biologe und Medizin­Nobelpreisträger Richard Roberts, jede<br />

ökologische Nische auf und imKörper mit möglichst unschädlichen<br />

Keimen zu besetzen. Denn jene, die da sind, verteidigen ihren Platz.<br />

Unsere Hautflora etwa hat die Aufgabe einer Hygienepolizei, welche<br />

die permanent auf uns landenden Ankömmlinge vertreibt.<br />

Schrubbt mandiesenWachdienst allzuhäufig weg, machtman Platz<br />

für die Verbreitung von Pilzen und schädlichen Mikroben, was Hautflechten,Schuppenund<br />

Ekzeme zurFolgehaben kann.Eine ähnliche<br />

Wirkung kann der Gebrauch von Breitbandantibiotika haben: Wenn<br />

plötzlich viele Nischen frei werden, kann sich ein vorher unproble­ ><br />

Rasterelektronenmikroskop­Aufnahme (REM) von Helicobacter<br />

pylori. Dieses spiralförmige, gramnegative Bakterium verursacht<br />

Magengeschwüre,Magenschleimhautentzündungen (Gastritis)<br />

und Entzündungen des Zwölffingerdarms (Duodenitis).<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


<strong>Nachbarn</strong> Bakterien<br />

Grafik 1<br />

Wasdakreucht undfleucht in unserem Darm<br />

Die Mikroorganismen im Magen­Darm­Trakt produzieren Vitamine,stärken das Immunsystem und<br />

verhindern dieAnsiedlung von Krankheitserregern. AusführlicheBeschreibungen derwichtigsten Bewohner<br />

und ihrer Funktionen finden Sie unter www.credit­suisse.ch/<strong>bull</strong>etin.<br />

Candida albicans<br />

Candida albicansist einHefepilz.<br />

Er kann Zucker vergären<br />

und produziert unter anderem<br />

Alkohol. Deshalb liebt der Pilz<br />

Kohlenhydrate.<br />

Staphylokokken<br />

Diese Bakterien kommen<br />

beim Menschen auf der Haut<br />

und weniger oft in den oberen<br />

Atemwegen und im Darm vor.<br />

In der Regel ungefährlich.<br />

Bifidobakterien<br />

Durch ihre Säureproduktion<br />

unterdrücken sie das Wachstum<br />

von Fäulnisbakterien<br />

und sind sobesonders wichtig<br />

für eine geregelte Verdauung.<br />

Clostridien<br />

Clostridien sind anaerobe<br />

Bakterien (leben ohne<br />

Sauerstoff). Einige Arten<br />

werden als Auslöser<br />

chronischer Entzündungen<br />

im Darm vermutet.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Bakterien <strong>Nachbarn</strong><br />

<br />

Escherichia coli<br />

Sie sind die wichtigsten Darmbakterien,<br />

ernähren sich vor<br />

allem von Zucker und bestimmten<br />

Aminosäuren und verdoppeln<br />

sich alle 20Minuten.<br />

Streptokokken<br />

Sie können viele Krankheiten,<br />

von Karies bis zur Lungenentzündung,<br />

verursachen. Einige<br />

Arten können aber auch<br />

nützlich fürdie Verdauung sein.<br />

Salmonellen<br />

120 der rund 2000 Arten<br />

dieser Darmbakterien sind<br />

krankheitserregend und<br />

können schwere Durchfallerkrankungen<br />

auslösen.<br />

Laktobazillen<br />

Sie produzieren Milchsäure<br />

und Bakteriengifte, mit denen<br />

sie Krankheitserreger abwehren<br />

– vor allem im Darm<br />

von Kindern,die gestillt wurden.<br />

Illustration: Martina Löwy<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


<strong>10</strong> <strong>Nachbarn</strong> Bakterien<br />

Farbige Rasterelektronenmikroskop­Aufnahme von vier Bakterien<br />

der Art Deinococcus radiodurans, die eine Tetrade bilden. Dieses<br />

Bakterium widersteht Extremwerten bezüglich Strahlungsbelastung,<br />

Tieftemperaturen, Austrocknung, Vakuum und Säuregehalt. Es kann<br />

bis zum 3000­Fachen der Strahlenbelastung überleben,die für<br />

Menschen tödlich ist. Eswird vermutet, dass hohe Mangankonzentrationen<br />

helfen, DNA­reparierende Proteine im Innern der<br />

Bakterien zuschützen.<br />

matischer Keim womöglich übermässig verbreiten und gefährlich<br />

werden. Experten warnen grundsätzlich davor, ohne Not inunsere<br />

körpereigenen Ökosysteme einzugreifen, solange man sie nicht einmal<br />

ansatzweise verstanden hat.<br />

Ein anschauliches Beispiel für die Janusköpfigkeit vieler Mikroben<br />

ist das erwähnte Magenbakterium Helicobacter pylori. Seine<br />

Entdeckung war ein Meilenstein, weil man erkannte, dass esder<br />

Hauptauslöser vonMagenkrebs ist(undnicht Stress,wie früherstets<br />

behauptet worden war). Seit man das weiss, kann man Antibiotika<br />

dagegen einsetzen. Während Magenkrebs inden USA vor <strong>10</strong>0 Jahren<br />

noch die tödlichste Krebsart war, ist die Verbreitung seither um<br />

80 Prozent zurückgegangen. Weniger als fünf Prozent der Kinder<br />

der westlichen Welt tragen den Helicobacter pylori heute noch in<br />

sich.Der jahrtausendelangeNormalzustand,den manheute nurnoch<br />

in ein paar Entwicklungsländern antrifft, war eine Verbreitung von<br />

beinahe <strong>10</strong>0 Prozent.<br />

So weit, sogut. Nun hat aber Martin Blaser, Mikrobiologe an der<br />

New York University, festgestellt, dass der Rückgang von Magenkrebs<br />

eine Kehrseite hat: Seit den 1970er­Jahren beginnt sich in<br />

den entwickelten Ländern eine besonders aggressive Form von<br />

Speiseröhrenkrebs zu verbreiten. In den USA ist esdie Krebsform<br />

mit den höchsten Steigerungsraten. Blaser führt das auf das Verschwinden<br />

von Helicobacter pylori zurück: Das Bakterium pflegt<br />

nämlich den Säuregehalt des Magens zuregulieren. Wenn esfehlt,<br />

nehmen Sodbrennen und inder Folge auch Speiseröhrenkrebs zu.<br />

Und nicht nur das: Auch gegen Asthma, Heuschnupfen und sogar<br />

Übergewicht wäre der Magenbewohner dienlich. Kinder mit Helicobacter<br />

pylori haben ein um 40 Prozent geringeres Asthmarisiko. Für<br />

die meisten Menschen hat das Bakterium insgesamt wohl mehr positive<br />

alsnegativeFolgen,meint Blaser.Vielleicht, erwägt er,müsste<br />

man esKindern sogar gezielt verabreichen, umsie vor Asthma zu<br />

schützen. Bei Gefahr von Magenkrebs könne man esspäter immer<br />

noch mit Antibiotika wieder eliminieren.<br />

Das Immunsystem von Kindern braucht offenbar einfach ein gewisses<br />

Quantum anBakterien, mit denen es trainieren kann. Ist es<br />

unterbeschäftigt, sogeht esauf die Falschen los – es drohen Asthma<br />

und Allergien. Mit den heutigen Hygienestandards haben wir<br />

es womöglich schon zu weit getrieben. «Gute Eltern sollten ihre<br />

Kinder Dreck essen lassen»,sagt Martin Blaser provokativ. Bakterien<br />

gehören schlicht zum menschlichen Leben. Bereits im Geburtskanal<br />

werden Babys, inder Gebärmutter noch steril gehalten, von<br />

den ersten Vaginal­und Fäkalbakterien der Mutter besiedelt – später<br />

kommen wichtige Bakterien aus der Muttermilch hinzu. Ohne<br />

Bakterien ist kein Leben möglich, jedenfalls kein gutes: BeiTierversuchen<br />

mit steril aufgezogenen Ratten entwickelten sich Darm und<br />

Immunsystemnicht richtig;später wieder Keimen ausgesetzt,erlitten<br />

die Tiere gefährliche Infektionen.<br />

Übertriebene Hygiene und der viel zu breite Einsatz von Antibiotika<br />

drohen ein Gleichgewicht zuzerstören, das sich über Jahrtausende<br />

aufgebaut hat. «Menschen und ihre Bakterien sind definitiv<br />

eine Einheit»,sagt Richard Roberts. Wir sollten Sorge tragen, dass<br />

es so bleibt. <<br />

Literatur:<br />

Jörg Blech. «Leben auf dem Menschen.<br />

Die Geschichte unserer Besiedler». rororo 200.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Anonymität <strong>Nachbarn</strong> 11<br />

Leben ohne <strong>Nachbarn</strong><br />

inmitten von<strong>Nachbarn</strong><br />

In den Grossstädten der modernen Welt gehen die nachbarschaftlichen Beziehungen<br />

immer mehr verloren und machen einer stummen Anonymität Platz. InTokiwadaira,<br />

einer VorstadtsiedlungTokios, kämpft ein Bürgerkomitee gegen die Vereinsamung<br />

älterer Menschen, damit deren Not und häufig auchTod nicht unbemerkt bleiben.<br />

Text: Susanne Steffen<br />

Fotos: Michael JDaly, Science Photo Library, Keystone | Susanne Steffen<br />

Es ist schon spät und Takumi Nakazawa will gerade Feierabend<br />

machen,als dasTelefonklingelt. «Vordem Fenster meines <strong>Nachbarn</strong><br />

sind in letzter Zeit immer soviele Fliegen»,erzählt die ältere Dame<br />

am anderen Ende der Leitung. Ausserdem rieche es merkwürdig,<br />

sorgt sie sich. Bei Nakazawa läuten die Alarmglocken. Sofort macht<br />

sich der 75­Jährige auf den Weg zudem Appartement. Als alles<br />

Klingeln und Klopfen erfolglos bleibt, ruft er die Polizei. Die Tür wird<br />

aufgebrochen. Eine schwarze Wolke aus Fliegen kommt ihnen entgegen.<br />

In der Badewanne findet Nakazawa den Toten. Ein Sachverständiger<br />

schätzt, dass der Mann vor mindestens zwei Wochen<br />

gestorben ist. «Ein schrecklicher Anblick, vor allem der Gestank ist<br />

unerträglich», sagtNakazawanüchtern. Dochmittlerweile hatersich<br />

schon fast daran gewöhnt.<br />

In den letzten zehn Jahren hat erviele Fälle von «Kodokushi» –<br />

wie diese einsamen Toten auf Japanisch heissen – gesehen. Seit<br />

2004 betreibt Nakazawa Japans erstes «Zentrum zur Vorbeugung<br />

gegen daseinsame Sterben»in seiner HeimatstadtMatsudo vorden<br />

Toren der 12­Millionen­Metropole Tokio. Er und seinTeam aus mehr<br />

als <strong>10</strong>0 Freiwilligen nehmen Notrufe und Nachfragen besorgter<br />

<strong>Nachbarn</strong> und Verwandten entgegen und registrieren die Kontaktdaten<br />

von Freunden, Familien und Ärzten älterer, meist alleinstehender<br />

Menschen, damit sie imNotfall schnell handeln können. Stolz<br />

ziehtNakazawamehrere dickeAktenordner ausdem Safe in seinem<br />

Büro. «Hier sind die persönlichen Daten von fast 900 Menschen,<br />

die sich schon registriert haben»,erzählt er. Vor allem viele ältere<br />

Bewohner der Tokiwadaira­Plattenbausiedlung, in der auch Nakazawas<br />

Büro liegt, machen Gebrauch von diesem Angebot.<br />

Wenn sich die Familien­zur Alterssiedlung wandelt<br />

Gründete 2004 das «Zentrum zur Vorbeugung gegen das einsame<br />

Sterben»: Takumi Nakazawa mit einer der über <strong>10</strong>0 Helferinnen.<br />

In den 1960er­Jahren hatdie öffentlicheWohnungsbaugesellschaft<br />

dieSiedlungaus demBoden gestampft, um Wohnraum fürdas ständigwachsendeHeerder<br />

Tokioter Büroangestellten zu schaffen.Rund<br />

20000 Menschen, meist junge Familien mit kleinen Kindern, zogen<br />

damals in diese sogenannte Schlafstadt mit 5300 Wohnungen.<br />

Nakazawa,seine Frau unddie beidenKindergehörten zu denersten<br />

Bewohnern. Heute ist mehr als ein Drittel der Bewohner über 65,<br />

viele der siedlungseigenen Kindergärten und Schulen mussten bereits<br />

schliessen. Immer mehr Bewohner leben allein. «Viele Ehen<br />

gehen in die Brüche und bei Älteren ist der Partner oft schon tot»,<br />

erzählt Nakazawa. Kaum jemand kennt die Sorgen und Nöte der<br />

Bewohner so gut wie Nakazawa – schliesslich ist er seit fast 50 Jahren<br />

in diversen Bürgerkomitees der Siedlung tätig, die wie inJapan<br />

üblich zwischen der Stadtverwaltung und den Bürgern vermitteln,<br />

mitder Wohnungsbaugesellschaft überMieterhöhungenverhandeln<br />

und als Ansprechpartner füralle möglichen Probleme der Bewohner<br />

fungieren. Meist drehen sich die Probleme um die richtige Mülltrennung<br />

oder Ärger mit der Wohnungsbaugesellschaft.<br />

Doch ein Fall vor neun Jahren hat die heile Welt inTokiwadaira<br />

ins Wanken gebracht: Drei Jahre lang lag ein 69­Jähriger tot in der<br />

KücheseinerZweizimmerwohnung. DiePolizei fand nurnochsein ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Grafik 2<br />

Zahlen einerGrossstadt<br />

Tokio ist das pulsierende Finanz­, Industrie­, Handels­,Bildungs­und Kulturzentrum Japans. Jenach<br />

Definition leben in Tokio zwischen 8(imeigentlichen Stadtgebiet, das aus 23 Bezirken besteht) und<br />

35 MillionenMenschen(in dergesamtenMetropolregion).Inder Präfektur Tokiosindes12,5 Millionen.<br />

DieaufgeführtenZahlenstammen ausverschiedenen Jahresstatistiken(sieheQuellen).<br />

.3%Japaner<br />

31 <strong>10</strong><br />

Selbstmorde<br />

00000Pendler täglich<br />

0.%Koreaner<br />

0.1%<br />

Sonstige<br />

2<strong>10</strong>1alleinlebende Männer gestorben<br />

200000000Fahrgäste jährlich<br />

12 <strong>01</strong>Einwohner<br />

%Shintoisten/Buddhisten


11 000 000<br />

t<br />

Essensreste<br />

jährlich<br />

244Menschen pro km 2<br />

1%<br />

Christen<br />

300<br />

.<br />

Obdachlose<br />

40 000<br />

Krähen<br />

0 000<br />

Restaurants<br />

244414<br />

Singlehaushalte<br />

440<br />

Haushalte in Tokio<br />

Frauen gestorben<br />

1alleinlebende<br />

23 000<br />

Scheidungen<br />

14 000<br />

Hochzeiten<br />

Foto: Raymond Patrick, Getty Images<br />

Quellen: National Institute ofPopulation and Social Security Research | National Police Agency | The Tokyo Medical Examiner's Office | Volkszählung 2005(Nationales Statistikbüro) | Dynamische Bevölkerungsstatistik 2009,<br />

Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt | Expedia(Online-Reisebüro): Vacation Deprivation Survey, März/April 2009 | Bayrischer Rundfunk | Medieninstitut der Länder | Wikipedia


14 <strong>Nachbarn</strong> Anonymität<br />

1 2<br />

1 Die Tokiwadaira­Siedlung ist eine typische <strong>10</strong>er­Jahre­Siedlung vor den Toren Tokios. Mehr als ein Drittel der<br />

Bewohner ist über Jahre alt. 2 Zwei Mitarbeiter der Firma Keepers bei der Auflösung einer Wohnung.<br />

Skelett.Niemand hatteden Tod bemerkt,weder Familie noch <strong>Nachbarn</strong><br />

hatten den Mann vermisst. Erst als die Mietzahlungen ausblieben,<br />

weil das Konto, über das der Dauerauftrag lief, leer war,<br />

stellte ein Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft Nachforschungen<br />

an. «Wir waren alle schockiert», erinnert sich Nakazawa. «Wir<br />

waren ratlos und haben uns gefragt, wie soetwas in unserer Siedlung<br />

passieren konnte.» Irgendwann kehrte wieder Normalität ein in<br />

Tokiwadaira. Doch ein Jahr später hörte Nakazawa, dass in der<br />

Siedlung das Gerücht umgehe, ein 50­jähriger Mann liege tot in<br />

seiner Wohnung. Sofort rief er alle <strong>Nachbarn</strong> an, die ererreichen<br />

konnte. Die alte Frau aus der gegenüberliegenden Wohnung erzählte<br />

ihm von Fliegen amFenster und einem unheimlichen Geruch.<br />

Ausserdem habe sieden Mannseitlangemnicht mehrgesehen.Die<br />

Mieterin im Stockwerkdarunter fand ebenfalls,dassesunangenehm<br />

rieche. Dieses Mal wollte Nakazawa selbst handeln. Er machte die<br />

von ihrem Mann getrennt lebende Frau ausfindig und bat sie, nach<br />

ihremMannzusehen.Zusammen mitder Polizeifandsie ihren Mann<br />

am Wohnzimmertisch – er war seit mindestens vier Monaten tot. Auf<br />

dem Boden lagen lauter leere Instant­Nudelbecher und Flaschen<br />

mit billigem Reiswein.<br />

Zeitungsausträger als Frühwarnsystem<br />

Später erzählt die Frau, sie sei mit den Kindern ausgezogen, weil ihr<br />

Mann sie geschlagen habe, nachdem erseinen Job verloren hatte<br />

und keine neue Arbeit fand. «Die Einsamkeit des Toten hat mich tief<br />

bewegt», erzählt Nakazawa. «Der Fall zeigt, dass dieses Schicksal<br />

wirklich jeden treffen kann, wenn man nichts dagegen unternimmt»,<br />

fügt er hinzu. Kurz darauf gibt erinder Siedlungszeitung sein eigenes<br />

Firmentelefon als Notrufnummer an. Später spricht erZeitungsausträger<br />

an, sie sollen sich bei ihm melden, wenn sie sehen, dass<br />

sich vor einer Wohnung Zeitungen stapeln. Dann gründet erdas<br />

«Zentrumzur Vorbeugung gegen daseinsame Sterben»undgewinnt<br />

nicht nur die freiwilligen Mitarbeiter des Bürgerkomitees, sondern<br />

auch die Stadt für sein Projekt. Die Stadt überlässt ihm sogar ein<br />

Büro und stellt auf seine Bitte hin Nachforschungen über das<br />

Ausmass des einsamen Sterbens an. Jedes Jahr sterben inder<br />

500000­Einwohner­Stadt rund <strong>10</strong>0 Menschen allein zu Hause und<br />

werden tagelang, manchmal auch wochen­ oder gar monatelang<br />

nicht entdeckt.<br />

Konkrete Zahlen gibtesnicht, aber Nakazawa schätzt, dass jedes<br />

Jahr landesweitrund 30000 Menscheneinen solcheneinsamen Tod<br />

sterben. Männer sind häufigerbetroffen alsFrauen, habendie Nachforschungen<br />

inMatsudo ergeben. Nakazawa glaubt, dass dies auch<br />

daran liegt, dass Männer,die ihrganzesBerufsleben in dervertikalen<br />

Hierarchie von Unternehmen verbracht haben, oft Probleme haben,<br />

sich in der hierarchielosen «horizontalen» Struktur einer Siedlungsgemeinschaft<br />

zurechtzufinden. Alle Betroffenen, über die Nakazawa<br />

recherchiert hat, hatten keine Freunde, vermieden den Kontakt zu<br />

den<strong>Nachbarn</strong>, grüssten nicht, hatten niegelerntzukochen, waschen<br />

oder aufzuräumen. Oft haben <strong>Nachbarn</strong> und selbst FamilienmitgliederNakazawaerzählt,<br />

derBetroffene habe immerschon unheimlich<br />

gewirkt und man habe sich ihm nicht nähern können.<br />

«In grossenAppartementsiedlungenwie unserer istesbesonders<br />

schlimm», sagt Nakazawa. Viele Leute zögen hier ein, weil sie die<br />

Anonymität suchten. Mittlerweile hat Nakazawa seine eigene Theorie<br />

entwickelt: «In unserer reichen Überflussgesellschaft brauchen<br />

wir keine <strong>Nachbarn</strong> mehr»,sagt er. In Entwicklungsländern, woes<br />

den Menschen wirtschaftlich nicht sogut gehe und sie auf die Hilfe<br />

anderer angewiesen seien, blieben auch die Nachbarschaftsbeziehungen<br />

intakt. Der wirtschaftliche Wohlstand und die individualistischen<br />

Erziehungsideale der Nachkriegszeit seien Schuld ander<br />

Selbstzentriertheit der Menschen in den Industrieländern.<br />

Firma fürdie Nachlassregelung einsamer Toter<br />

«Umzug inden Himmel»heisst das Firmenmottovon Taichi Yoshidas<br />

Umzugsunternehmen namens Keepers. Rund 270­mal wird seine<br />

Firmapro Jahr damitbeauftragt, denNachlasseines einsamen Toten<br />

zu sortieren und inden meisten Fällen auch gleich zu entsorgen.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Anonymität <strong>Nachbarn</strong><br />

1<br />

Fast immer müssen seine Mitarbeiter in völlig zugemüllten Wohnungen<br />

voller Fliegen und Kakerlaken nach vererbbaren Dingen<br />

wühlen. Wenn der Tod mehr als vier Wochen zurückliegt, sitzt der<br />

Verwesungsgestank so tief inBöden und Wänden, dass die Wohnung<br />

vonGrund aufrenoviert werdenmuss. «Oftwollendie Familien<br />

nichts aus dem Nachlass haben», erzählt der 45­jährige Firmengründer.<br />

Sie können mit Dingen von Verwandten, die sie kaum<br />

kannten, nichts anfangen. Seit Neuestem bietet seine Firma auch<br />

Lebenden den Dienst an, ihren Nachlass nach ihrem Tod gemäss<br />

ihren Wünschen zuverteilen beziehungsweise zu entsorgen. Sie<br />

wollen damit ihren Familien, zudenen sie oft keinen Kontakt mehr<br />

haben, durch den eigenen Tod keine Umstände bereiten. «Einige<br />

wollen nicht einmal, dass die Verwandten von ihrem Tod erfahren»,<br />

erzählt Yoshida. «Viele finden schon den Gedanken unerträglich,<br />

dass Angehörige, die ihnen fremd geworden sind, inihren persönlichen<br />

Dingen herumsuchen.»<br />

Das Geschäft boomt, mittlerweile hat seine Firma Zweigstellen<br />

im ganzen Land. Auch wenn ersich über seinen wirtschaftlichen<br />

Erfolg freut, wäre Yoshida manchmal lieber ohne Aufträge. Erhat<br />

auch einen Zeichentrickfilm über die einsamen Toten, die erim<br />

Lauf seiner Karriere gesehen hat, produziert, den er kostenlos an<br />

Gemeindezentren imganzen Land verteilt. Ausserdem hält Yoshida<br />

Vorträge über seine Arbeit und warnt davor, dass auf Einsame ein<br />

menschenunwürdiger Tod wartet. Manchmal erzählt erdann das<br />

Beispiel des Mannes, der erst einen Monat nach seinem Tod in seiner<br />

völlig verdreckten Wohnung gefunden wurde. Kurz vor seinem<br />

Tod hatte der Mann noch mit fahriger Hand die Schriftzeichen für<br />

«Durchhalten»aufseinen Kühlschrankgepinselt. «Ichbitte dieLeute,<br />

sich vorzustellen, sie lägen seit einer Woche tot in ihrer Wohnung<br />

und eshätte sie noch niemand entdeckt. Wer diesen Gedanken<br />

unerträglich findet, sollte sein Verhältnis zu seinen Mitmenschen<br />

verbessern»,sagt Yoshida.<br />

freut sich Nakazawa. Ausserdem werden die Menschen schneller<br />

gefunden – mittlerweile meist innerhalb von drei Tagen.<br />

«DerTod ist ein Spiegel des Lebens»,findet Nakazawa. «Wer ein<br />

erfülltes Leben hat, stirbt nicht einsam.» Die beste Vorsorge gegen<br />

eineneinsamenTod seideshalb eine Hilfestellungfürein glückliches<br />

Leben.UmeinsamenMenschen in Tokiwadaira eine Möglichkeit zum<br />

Knüpfen neuer Kontakte zugeben, haben Nakazawa und seine<br />

freiwilligen Helfer ein privates Café gegründet. Die ehrenamtlichen<br />

Kellnerinnen helfen auch bei anfänglichen Berührungsängsten.<br />

«Es gibt nichts Schöneres als die glücklichen Gesichter unserer<br />

Kunden, wenn sie uns sagen, wie gut estat, mal wieder mit einem<br />

lebenden Menschen zu sprechen statt mit dem Fernseher»,erzählt<br />

die 64­jährige Hisae Shirakawa, die fünf Tage in der Woche im «Iki<br />

Iki Salon» kellnert. Viele kommen mittlerweile täglich. Regelmässig<br />

erzählen ihr ehemals sehr einsame Kunden von gemeinsamen<br />

Reiseplänen und abund zu veranstalten vormals einsame Alte Nachbarschaftsfeste<br />

im Salon.Mittlerweile giltTokiwadaira in ganz Japan<br />

als Musterbeispiel für gute Nachbarschaft. Aus dem ganzen Land<br />

kommen Vertreter der Kommunen angereist, um sich über Nakazawas<br />

Projekt zuinformieren. Besonders stolz ist Nakazawa, dass die<br />

Plattenbausiedlung heute wieder zu den beliebtesten Objekten der<br />

Stadt gehört – wegen ihrer guten Nachbarschaftsbeziehungen. <<br />

Gute Nachbarschaft neu erlernen<br />

Fotos: Susanne Steffen | Keepers<br />

«Guten Morgen!», ruft Bürgerkomitee­Chef Nakazawa seinen Kollegen<br />

aus voller Kehle entgegen. «Guten Morgen!», schallt esim<br />

Chor zurück. Jedes Treffen des Komitees beginnt mit einer gemeinschaftlichen<br />

Grussübung. «Wir müssen wieder lernen zu grüssen»,erklärt<br />

Nakazawa. Wer seinen <strong>Nachbarn</strong> grüsse, gehe eine<br />

Beziehung mit ihm ein. ImIdealfall wachse daraus wieder eine<br />

Gesellschaft, inder sich <strong>Nachbarn</strong> gegenseitig helfen. «Unsere Gesellschaft<br />

wird immer älter. Zwangsläufig werden also auch mehr<br />

Menschen allein leben. Die Gruppe der potenziell einsamen Toten<br />

wird täglich grösser», warnt Nakazawa. Japan gehört zuden am<br />

schnellsten alternden Gesellschaften der Welt. Bereits heute sind<br />

mehr als 20 Prozent der Bevölkerung über 65. Inetwa 25 Jahren<br />

wird jeder Dritte über 65 sein. Bis 2030 wird sich die Zahl der alleinlebenden<br />

Alten verdoppelt haben. Ein gutes Verhältnis zu den<br />

<strong>Nachbarn</strong> kann fürmanch einen garzur Lebensversicherungwerden.<br />

Während bislang alle Notrufe, die von Familienmitgliedern eingegangen<br />

sind, nur noch zur Entdeckung von Toten geführt haben,<br />

konnten besorgte <strong>Nachbarn</strong> mit ihrem Anruf in fast einem Drittel<br />

aller Fälle den Betroffenen das Leben retten. Sowie die Frau, die<br />

beiNakazawaanrief, weil ihre alte Nachbarinden Fernseherstundenlang<br />

auf voller Lautstärke laufen liess. Nakazawa fand die Frau<br />

schwer krank, aber lebend vor und rief ihr einen Krankenwagen.<br />

Langsam zeigen seine Bemühungen Erfolge. «Anfangs hatten wir<br />

12 bis13einsameTotepro Jahr beiuns,jetzt sind es wenigerals <strong>10</strong>»,<br />

Ehrenamtliche Kellnerinnen betreiben in Tokiwadaira den «Iki Iki<br />

Salon», wo nachbarschaftliche Kontakte gepflegt werden können.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


16 <strong>Nachbarn</strong> Graubünden<br />

Bündner<br />

Nachbarschaften<br />

Kein Kanton der Schweiz ist kulturell so vielfältig wie der Kanton Graubünden.<br />

«Das Land der 150 Täler » vereint auch als einziger Kanton drei Sprachen. Einen<br />

Verdrängungskampf der Sprachen hat es aber nicht gegeben. Andere Unterscheidungsmerkmale<br />

als die Sprache waren politisch schon immer wichtiger. So haben<br />

sich in Talabschnitten oder ganzen Tälern Gerichtsgemeinden gebildet, die aus<br />

mehreren «Nachbarschaften» bestanden.<br />

Text: Florian Hitz<br />

Grob skizziert verteilen sich die drei Sprachen des Kantons Graubünden<br />

auf Italienisch in den Südtälern, Rätoromanisch im inneralpinen<br />

Gebiet und Deutsch in Nordbünden. Doch gibt es keine<br />

klaren Grenzen. Zumal sich gerade auch die zugewanderten, deutschsprachigen<br />

Walser in den Südtälern niederliessen. Entsprechend<br />

waren in Graubünden andere Unterscheidungsmerkmale schon<br />

immer viel wichtiger als die Sprache. Als sich im Spätmittelalter<br />

politische Verbände bildeten, hielt sich dieser Prozess nicht an die<br />

Sprachgrenzen: Die Gemeinden entstanden in den einzelnen Tälern<br />

und Talabschnitten. Das Gebiet ist ja räumlich auch stark gegliedert,<br />

stark «gekammert », wie die Geografen sagen. «Graubünden, das<br />

Land der 150 Täler – ists ein Vorteil, ists ein Fehler ?», wie der legendäre<br />

Volksschauspieler Zarli Carigiet zu singen pflegte (wobei ihm<br />

der ironische Text wahrscheinlich von Unterländer Autoren untergejubelt<br />

worden war).<br />

Auf talschaftlicher, kleinregionaler Ebene entstanden in Graubünden<br />

die Gerichtsgemeinden. Deren Vorsteher, die Landammänner,<br />

Mistrals oder Podestà, übten zunächst die niedere, dann auch die<br />

hohe Gerichtsbarkeit aus. In vormoderner Zeit war dies die wichtigste<br />

staatliche Kompetenz. Jede Bündner Gerichtsgemeinde war stolz<br />

darauf, ihren eigenen Galgen zu besitzen – als respektheischendes,<br />

ja furchteinflössendes Zeichen der eigenen Staatlichkeit. Dies blieb<br />

so bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts (Gebietseinteilungsgesetz<br />

und Strafgesetzbuch von 1851; Kantonsverfassung und Strafprozessordnung<br />

von 1854). Nun erst verloren die Bündner Gerichtsgemeinden<br />

ihre souveräne Hoheit über Leben und Tod; 39 Kreisgerichte<br />

und das Kantonsgericht traten an ihre Stelle. Gleichzeitig wurden<br />

die Gerichtsgemeinden auch als politische Korporationen ersetzt:<br />

durch 237 Nachbarschaften. Dabei handelte es sich um die bis<br />

heute bestehenden politischen Gemeinden oder Ortsgemeinden –<br />

nur dass sich deren Zahl durch Fusionen inzwischen auf 203 reduziert<br />

hat.<br />

Die Nachbarschaften waren nichts anderes als die Dorf- und Kirchgemeinden,<br />

die von jeher die lokale Wirtschaft organisiert und kontrolliert<br />

hatten. Schon im Mittelalter regelte die Nachbarschaftsversammlung<br />

– bestehend aus den dörflichen Familienoberhäuptern –<br />

die Nutzung der Allmend, also von Weide, Wasser und Wald. Diese<br />

Ressourcen bildeten insofern Gemeingut, als sie Gemeindegüter<br />

waren. Aber wer, welcher Gemeindegenosse, welcher Nachbar, sollte<br />

wie viel davon haben und was dafür tun müssen? Inwiefern, wann<br />

und wie lange sollten auch private Güter einer öffentlichen Nutzung<br />

unterliegen? Unter welchen Voraussetzungen sollten öffentliche<br />

Güter privatisiert werden können? Wie liess sich da Gerechtigkeit<br />

erzielen? Wie Übernutzung verhindern?<br />

Ausgeklügeltes Regelwerk für die Nutzung der Alpen<br />

Für die Nutzung der Alpen, also der Hochweiden, entwickelten die<br />

Nachbarschaften die «Winterungsregel»: Jeder Bauer durfte so viel<br />

Vieh «sömmern», wie er selbst durch den Winter brachte. Die Anzahl<br />

«Alpstösse» oder «Kuhrechte» richtete sich somit nach der Heumenge,<br />

nach der Wiesenfläche, über die der betreffende Bauer<br />

verfügte – kurz: nach seinem Vermögen. Kleine Bauern durften folglich<br />

für die Sömmerung kein Vieh von auswärts pachten; sie durften<br />

ihre Nutzungsrechte nicht vermieten.<br />

Verschiedene Wissenschaftsdisziplinen, von der Anthropologie<br />

über die Soziologie und Ökonomie bis zur Geoökologie, haben dieses<br />

historische Modell schon entdeckt und gefeiert: So also wurde das<br />

verzwickte «Allmend-Problem» gelöst ! Mit solch weisen Regeln lassen<br />

sich Verteilungsrationalität, Nachhaltigkeit und homöostatischer<br />

Ausgleich gewährleisten! Die Wissenschaftler pflegen dafür insbesondere<br />

– wenn nicht ausschliesslich – die Gemeinde Törbel im Wallis<br />

zu rühmen, die besonders gut untersucht ist. Aber die Winterungsregel<br />

galt auch in den Bündner Nachbarschaften. Und damit wir hier<br />

nicht zu ausschliesslich rühmen: Die Winterungsregel galt wohl in<br />

Wappen: Marco Zanoli, Wikipedia<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Graubünden <strong>Nachbarn</strong> 17<br />

allen alpinen Gemeinden. Die dörfliche Solidarität hatte jedoch ihre<br />

Grenzen: Nicht alle Einwohner waren vollberechtigte <strong>Nachbarn</strong>,<br />

waren Gemeindebürger. Die Bei- oder Hintersässen hatten weder<br />

das Stimm- noch das Nutzungsrecht. Bis ins 16. Jahrhundert konnte<br />

man sich noch ins Gemeindebürgerrecht einkaufen; wer einheiratete,<br />

zahlte eine reduzierte Taxe. Aber bald schlossen sich die<br />

Nachbarschaften vollständig ab. Wer von der Einbürgerung einer<br />

fremden Mannsperson auch nur rede, der verliere sogleich sein eigenes<br />

Bürgerrecht: Diese rigorose Bestimmung fand sich verschiedentlich<br />

im Nachbarrecht.<br />

Zusammenarbeit, Krieg und Versöhnung<br />

Zwischen den Nachbarschaften gab es jedoch eine institutionelle<br />

Zusammenarbeit. Mehrere Nachbarschaften bildeten zusammen<br />

eine Gerichtsgemeinde. Jede Nachbarschaft delegierte ihren Vertreter<br />

in den Rat, der zugleich die Geschworenenbank bildete.<br />

Die Nachbarschaftsvertreter trugen daher den gewichtigen Titel von<br />

Geschworenen.<br />

Auch zwischen den Gerichtsgemeinden kam es zur politischen<br />

Kooperation. Im 15. Jahrhundert entstanden drei grosse Gemeindeverbände,<br />

die drei Bünde, die sich schliesslich wiederum zu einem<br />

Gesamtverband zusammenschlossen. Ab dem 16. Jahrhundert bildeten<br />

die Drei Bünde einen «Freistaat » – was, richtig verstanden,<br />

nichts anderes als «Republik» bedeutet, nämlich frei von einem<br />

Monarchen. Die staatlichen Institutionen der Drei Bünde blieben<br />

allerdings rudimentär. Das wichtigste Verfahren der Entscheidfindung<br />

war das Referendum: Jeder Erlass – nicht nur Gesetze, auch<br />

blosse Verwaltungsentscheide – wurde den Gerichtsgemeinden vorgelegt.<br />

Die eigentlichen Abstimmungen fanden dann meist in den<br />

Nachbarschaften statt. In den 1860er-Jahren wurde das altbündnerische<br />

Referendum auf schweizerischer Ebene von der «Demokratischen<br />

Bewegung» wiederentdeckt. So fand es sich schliesslich, in<br />

modifizierter Form, in der Bundesverfassung von 1874 wieder.<br />

Die Bestimmungen der bündnerischen Bundesbriefe drehten sich<br />

vor allem um die Wahrung von Recht, Friede und Ordnung durch<br />

Schiedsgerichtsbarkeit. Ein schönes Beispiel solcher Konfliktregelung<br />

bildete der «Stätzer Krieg» zwischen den Nachbarschaften Churwalden<br />

und Obervaz. Hier stritten, ausnahmsweise, Angehörige<br />

verschiedener Sprachgruppen miteinander: Die Churwaldner waren<br />

Walser, die Obervazer «Welsche», also Romanen. Zugleich gehörten<br />

die Streitparteien verschiedenen Bünden an: die Churwaldner dem<br />

Zehngerichtebund, die Obervazer dem Gotteshausbund.<br />

Der «Stätzer Krieg» war eine lange, erbitterte Bauernfehde.<br />

Man stritt sich um den Besitz der Alp Stätz am Stätzerhorn, die<br />

einen Teil der Kette des Dreibündensteins bildet. Es wurden Marchen<br />

gesetzt und doch wieder überschritten. Im Zuge der Auseinandersetzungen<br />

kam es schliesslich zum Massentotschlag: Im Jahr 1487<br />

töteten die Obervazer zwölf Churwaldner, während die Churwaldner<br />

nur einen Obervazer erwischten. Im Jahr darauf verurteilte ein im<br />

Rathaus zu Chur tagendes Schiedsgericht der Drei Bünde die Täter<br />

zur Zahlung von Schadenersatz an die Hinterbliebenen der Opfer<br />

sowie zu einer Busswallfahrt. Letztere diente der «Versöhnung» im<br />

ursprünglichen Wortsinn: durch «Sühne». Zwölf Obervazer und ein<br />

Churwaldner sollten gemeinsam und friedlich nach Rom pilgern.<br />

Wenn die Parteien es vorzögen, könnten sie aber auch zur diesjährigen<br />

Engelweihe nach Einsiedeln gehen. Jedenfalls müssten<br />

sie sich die Absolvierung der Pilgerfahrt am Zielort urkundlich<br />

bestätigen lassen. <<br />

Die bündnerische Nachbarschaft<br />

Auf Romanisch ist «Gemeinde» und «Nachbarschaft»<br />

noch heute das gleiche Wort:<br />

«vischnaunca», «vschinauncha». Auf Italienisch<br />

meint der historische Ausdruck «vicinia»<br />

dasselbe.<br />

Die <strong>Nachbarn</strong> oder Gemeindebürger, romanisch<br />

«vischins», «vaschins», italienisch «vicini»,<br />

waren zur Nutzung der Gemeindegüter<br />

berechtigt. Dazu gehörten vor allem die Weiden<br />

auf Stufe Maiensäss und Alp. Im Frühling<br />

und im Herbst bestand ausserdem ein allgemeines<br />

Weiderecht auf privaten Wiesen:<br />

die Gemeinatzung.<br />

Den Rechten standen die Pflichten gegenüber:<br />

Die <strong>Nachbarn</strong> waren zum Gemeinwerk,<br />

zur «lavur cumina», verpflichtet, zur<br />

Fronarbeit im Dienste der Gemeinde wie<br />

beispielsweise die Säuberung der Gemeindeweiden,<br />

der Bau und Unterhalt von Wegen<br />

oder die Bewuhrung von Bächen.<br />

Dorfordnungen, Gemeindebriefe, «tschantamaints»,<br />

«ordinamenti» enthielten das Nachbarrecht.<br />

Dieses legte alles fest: wie viel<br />

Vieh in welche Alp «gestellt» werden durfte;<br />

die Höhe der Hirtenlöhne; Grösse, Alter und<br />

Farbe der Zuchtstiere; die Modalitäten des<br />

Holzbezugs; die Organisation der Feuer- und<br />

der Wasserwehr; Masse und Gewichte.<br />

1 2<br />

3 4<br />

1 Wappen Gotteshausbund 2 Wappen Zehngerichtebund<br />

3 Wappen Grauer Bund 4 Wappen Kanton Graubünden<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Grafik 3<br />

Vielsprachenland Graubünden<br />

Wie vielfältig sich die Sprachenlandschaft in Graubünden präsentiert, soll am Beispiel<br />

von 22 Begriffen mit ihren wichtigsten Ausprägungen in den wichtigsten Tälern<br />

veranschaulicht werden. Die verschiedenen Varianten eines Begriffs sind jeweils mit der<br />

gleichen Nummer gekennzeichnet, wobei «Hund» und «leicht» zusätzlich mit Rot und<br />

Grün hervorgehoben sind. Natürlich darf die Grafik nur als Versuch einer vagen Annäherung<br />

der tatsächlichen Sprachen landschaft verstanden werden, die einen groben Eindruck<br />

von der ungeheuren Vielfalt vermitteln will.<br />

Maienfeld<br />

Chur<br />

19<br />

Heugumper<br />

22<br />

uusruaba<br />

Ilanz<br />

5<br />

16 17<br />

Form ii<br />

drei<br />

13 18<br />

9<br />

Huan Fuggs<br />

caschiel<br />

9<br />

4 11<br />

Hu nd<br />

Khääs<br />

leav<br />

21 6 Praiselbeeri 15<br />

19 nev<br />

alles<br />

igl salep<br />

16<br />

furma 20<br />

2<br />

Schmetterling<br />

dir<br />

7<br />

Schtund<br />

17 19<br />

jeu<br />

Hauwstràffal<br />

4<br />

9 liicht<br />

1<br />

aur<br />

caschiel<br />

12<br />

2<br />

dir<br />

Bai<br />

6 15<br />

neiv<br />

1<br />

àlls<br />

14<br />

Gold<br />

7<br />

ura<br />

Khatz<br />

14 18<br />

5<br />

drii<br />

Chàtza<br />

11<br />

3 <strong>10</strong><br />

Aug 2 4<br />

tgàn<br />

gualp<br />

14<br />

giat<br />

hert liecht<br />

8 tgesa<br />

3<br />

1<br />

îgl<br />

17 roda<br />

14 21 <strong>10</strong><br />

Hüss i<br />

Gold 19 13<br />

gat Griifla<br />

6<br />

igl salep gagligna<br />

18 18<br />

Schnee<br />

15 4<br />

uolp Fuggs<br />

13<br />

alls<br />

15<br />

lev<br />

Henna<br />

11<br />

Hund<br />

tot<br />

Disentis/Mustér<br />

21 12<br />

ils garnedels<br />

7 8<br />

Stund 20 Bèi<br />

roda<br />

15<br />

tut<br />

9<br />

Bibali<br />

20<br />

la tschitta<br />

Chaas<br />

3 13 20<br />

12 Oug las gaglidras la pula<br />

11<br />

tgaun<br />

5<br />

Fuass 22<br />

treis<br />

2<br />

8<br />

rueba<br />

<strong>10</strong><br />

Huus deir<br />

9<br />

caschiel<br />

7<br />

ura<br />

22<br />

Rat<br />

ruassar<br />

5<br />

drii<br />

4<br />

liecht<br />

11<br />

tgang<br />

12<br />

comba<br />

<strong>10</strong><br />

casa<br />

9<br />

Chääs<br />

16<br />

17 furma<br />

3<br />

egl<br />

7<br />

ia<br />

22<br />

Stund<br />

5 pussar<br />

16 18<br />

fuorma<br />

Fuggs<br />

trei<br />

<strong>10</strong><br />

19 tgesa<br />

16 Höustraffel<br />

Form<br />

6<br />

neiv<br />

13<br />

Hennä<br />

18<br />

golp<br />

6 14<br />

Schnee<br />

Chatzä<br />

4<br />

lev<br />

8 21<br />

Rad Griifla<br />

5<br />

treis<br />

22 11<br />

hirme Hunt<br />

7<br />

oura<br />

12<br />

tgomma<br />

Roveredo<br />

7<br />

ora<br />

<strong>10</strong><br />

cà Splügen<br />

16<br />

forma<br />

8<br />

ròda<br />

6<br />

néf<br />

12<br />

gamba<br />

11<br />

can<br />

14<br />

gat<br />

18<br />

volp<br />

2<br />

dur<br />

21<br />

criston ros<br />

17<br />

mì<br />

1<br />

òr 4<br />

5<br />

lingér<br />

tri 20<br />

farfala<br />

19<br />

saiòtro<br />

13<br />

galina<br />

22<br />

possa<br />

9<br />

formacc<br />

3<br />

ecc<br />

15<br />

tut<br />

3<br />

îgl<br />

20<br />

Pfifolter<br />

Thusis<br />

13<br />

Hennä<br />

9<br />

casciöl<br />

12<br />

gamba<br />

21<br />

gaiüda<br />

2<br />

dür<br />

11<br />

can<br />

<strong>10</strong><br />

ciäsa<br />

20<br />

farfala<br />

18<br />

golp<br />

Vicosoprano


19<br />

Häusträffel<br />

9<br />

Chääs<br />

22<br />

ruebe<br />

14 <strong>10</strong><br />

Chatza<br />

Huus<br />

20<br />

Pfiifolter<br />

5<br />

6<br />

drii<br />

Schnee<br />

13<br />

Henna 16 2<br />

Form hert<br />

21<br />

Griifla<br />

7<br />

Stund<br />

12<br />

Bäin<br />

8<br />

Rad<br />

18<br />

Fuggs<br />

Davos<br />

15<br />

alls<br />

3<br />

Aug<br />

1<br />

Gold<br />

17<br />

i<br />

11<br />

Hund<br />

4<br />

leiv<br />

9<br />

chaschöl<br />

19<br />

il silip<br />

Zernez<br />

20<br />

la chüralla<br />

5<br />

trais<br />

12<br />

3<br />

chomma<br />

ögl<br />

11<br />

chan<br />

<strong>10</strong><br />

chasa<br />

15<br />

tuot<br />

1<br />

Gold 16<br />

Form<br />

3<br />

Aug 8<br />

Rad<br />

6<br />

Schnee<br />

15<br />

tuot<br />

6<br />

naiv<br />

8<br />

rouda<br />

17<br />

eu<br />

<strong>10</strong><br />

Huus<br />

Samnaun<br />

22 18<br />

far üna posa vuolp<br />

3 14<br />

1 ögl<br />

or<br />

giat<br />

7<br />

ura<br />

21<br />

las gialüdas<br />

18<br />

vuolp<br />

1<br />

21 aur<br />

las giglüdras<br />

1<br />

16 ar<br />

20<br />

fuorma<br />

la chüralla<br />

2<br />

13 dür<br />

2<br />

giallina<br />

7<br />

ura<br />

dür<br />

19<br />

1 il silip<br />

or<br />

11 5<br />

treis<br />

chaun<br />

8<br />

17<br />

rouda<br />

ia<br />

15<br />

6<br />

tout<br />

naiv<br />

4 16<br />

liger<br />

fuorma<br />

Samedan<br />

20<br />

17<br />

eau<br />

la chüralla<br />

21<br />

19<br />

il silip 5<br />

las giglüdras<br />

trais 9<br />

<strong>10</strong><br />

chesa<br />

chaschöl<br />

8<br />

13<br />

gillina<br />

rouda<br />

14<br />

22<br />

giat<br />

palzà<br />

22<br />

16<br />

fer üna posa<br />

forma<br />

12 7<br />

chamma<br />

ura<br />

4 14<br />

7<br />

ligeir<br />

gat<br />

ura<br />

6<br />

néf<br />

13<br />

galina 9 13<br />

furmacc galina<br />

8 14<br />

15<br />

tüt ròda<br />

gat 20 4<br />

ligér<br />

1<br />

farfala<br />

or<br />

16<br />

forma<br />

5<br />

tre<br />

14<br />

gat<br />

21 6<br />

neiv<br />

gaüdi<br />

22 <strong>10</strong><br />

palzär<br />

cà<br />

15 3<br />

Poschiavo<br />

öil<br />

tüt<br />

1<br />

17<br />

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11<br />

19<br />

can<br />

salip<br />

18<br />

5<br />

tre<br />

golp<br />

12<br />

gamba<br />

3<br />

öcc<br />

17<br />

mi<br />

19<br />

saiòtt<br />

2<br />

dür<br />

1<br />

Gold<br />

2<br />

hart<br />

3<br />

Auge<br />

4<br />

leicht<br />

5<br />

drei<br />

6<br />

Schnee<br />

7<br />

Stunde<br />

8<br />

Rad<br />

9<br />

Käse<br />

<strong>10</strong><br />

Haus<br />

11<br />

Hund<br />

12<br />

Bein<br />

13<br />

Huhn<br />

14<br />

Katze<br />

15<br />

alles<br />

16<br />

Form<br />

17<br />

ich<br />

18<br />

Fuchs<br />

19<br />

Heuschrecke<br />

20<br />

Schmetterling<br />

21<br />

Preiselbeere<br />

22<br />

ausruhen


20 <strong>Nachbarn</strong> Kanada–USA<br />

Kanada–USA:<br />

Wieneben einem<br />

Elefantenschlafen…<br />

Die USA und Kanada sind geografisch und vor allem auch wirtschaftlich eng miteinander<br />

verbunden. Im kanadischen Stanstead führt die 1 Kilometer lange Grenze gar<br />

mitten durch die Bibliothek. Und doch gab und gibt es immer wieder Punkte, welche<br />

die gutnachbarschaftlichen Beziehungen trüben.<br />

Text: Gerd Braune<br />

Nancy Rumery zögert nicht lange, wenn sie erklären soll, wohin sie<br />

gehört: «Wir gehören zu beiden Ländern und zu keinem.» Nancy<br />

Rumery ist Bibliothekarin der Haskell Free Library von Stanstead in<br />

derkanadischenProvinz Quebec – oder vonDerby Line im US­Staat<br />

Vermont, je nach Sichtweise. Die Bibliothek ist wohl weltweit einmalig:<br />

Mitten durch Lesesaal und Bücherschränke verläuft die Grenze<br />

zwischen den USA und Kanada, markiert durch einen schwarzen<br />

Strich auf dem Parkettboden. Ein Teil der Haskell­Bibliothek liegt<br />

im kanadischen Quebec, ein Teil in Vermont.<br />

Das 19<strong>01</strong> als Symbol der Freundschaft zwischen beiden Staaten<br />

auf der Grenze errichtete Bibliotheksgebäude, das im Erdgeschoss<br />

die Bücherei und imObergeschoss ein Theater beherbergt, ist eine<br />

Touristenattraktion. Vorallem Kinder finden es aufregend,mit einem<br />

Bein in Kanada, mitdem anderen in den USA zu stehen.Die meisten<br />

Bücher stehen auf kanadischer Seite, die Computer mit Highspeed­<br />

Internet dagegen in den USA. Auch durch die Sitzreihen im Theatersaal<br />

geht die Grenze, ebenfalls durch einen schwarzen Strich auf<br />

demHolzboden gekennzeichnet.Theateraufführungenund Konzerte<br />

werden stets mit «grenzenlosem» Beifall bedacht.<br />

Verschärfte Grenzbestimmungen nach /11<br />

«Grenzenlos» sind die Beziehungen zwischen Kanada und den USA<br />

nicht. Im Gegenteil: Seit den Terroranschlägen vom 11.September<br />

20<strong>01</strong> ist die Grenze dichter und spürbarer geworden. Immer wieder<br />

habenverschiedene US­Politikerseitdem dasSchreckensbildgemalt,<br />

dass Terroristen überKanadaindie USA einreisenkönnten.Vor allem<br />

in konservativen Kreisen der USA hält sich hartnäckig das Gerücht,<br />

die Attentäter von 9/11 seien aus Kanada gekommen. Imvergangenen<br />

Jahr führten die USA eine neue Ausweispflicht fürEinreisende<br />

ein. Waren es die Kanadier bislang gewohnt, lediglich ihren normalenFührerscheinanden<br />

Grenzstationen zu zücken,sobenötigen sie<br />

nun einen Pass oder einen «fortgeschrittenen Führerschein», der<br />

einen Chip mit persönlichen Daten enthält. Auch US­Bürger, die es<br />

gewohnt sind, spontan und nur mit dem Führerschein als Ausweis<br />

nach Kanada zu fahren, benötigen für ihre Wiedereinreise das neue<br />

Dokument.<br />

Die Grenze zwischen den USA und Kanada gilt als längste nichtmilitarisierte<br />

Grenze der Welt. Sie ist 8891 Kilometer lang, wovon<br />

allein 2475 Kilometer auf die Grenze zwischen Alaska und dem<br />

kanadischen Yukon­Territorium und der Provinz British Columbia<br />

entfallen. Die ebenfalls oft verwendete Bezeichnung als längste<br />

unverteidigte Grenze stimmt nur in dem Sinne, dass dort keine Soldatenstationiertsind.<br />

Denn geschützt wird sie, entweder vonGrenzbeamten<br />

oder inabseits von Gemeinden gelegenen Gebieten durch<br />

Sensoren im Boden, die Meldung zur nächsten Grenzstation geben,<br />

falls ein unbefugter Grenzübertritt registriert wird.<br />

DahersindauchinStanstead beim Besuchder Bibliothek Regeln<br />

zu beachten. Der Eingang zur Bibliothek liegt auf US­Gebiet in der<br />

Vermont­Gemeinde Derby Line, die Mehrzahl der Bücher steht in<br />

dem Gebäudeteil, der zur kanadischen Gemeinde Stanstead gehört.<br />

Kanadier können nur über US­Hoheitsgebiet die Bibliothek betreten.<br />

Aufpassen muss vor allem, wer mit dem Auto kommt. «Wer das<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Kanada–USA <strong>Nachbarn</strong> 21<br />

USA<br />

CAN<br />

Auto auf kanadischer Seite stehen lässt und direkt indie Bibliothek<br />

geht, muss sich nichtbeimZollmelden», erklärt NancyRumery. Umgekehrt<br />

haben US­Bürger in der Bibliothek ungehinderten Zugang<br />

zu den Büchern auf kanadischer Seite. Wer aber meint, den Besuch<br />

der Bibliothek mit einer unangemeldeten Visite imjeweils anderen<br />

Land zu verbinden oder somit dem Auto die Grenze überqueren zu<br />

können, täuscht sich. «Das gibt Probleme», sagt die Bibliothekarin.<br />

«Wir hatten Touristen, die wurden ernsthaft ermahnt, weil sie die<br />

Grenze missachteten und sich nicht an der Grenzstation meldeten.»<br />

Im Extremfall können deftige Geldstrafen verhängt werden.<br />

Immer wieder gestörte nachbarschaftliche Beziehungen<br />

Nicht nur bei diesen kleinen Übertretungen kann es zwischen den<br />

USA und Kanada – Länder, die der frühere kanadische Premierminister<br />

Jean Chrétien als «Cousins» bezeichnet hatte – rau zugehen.<br />

Dies ist sotrotz des Freihandels zwischen ihnen – in den durch das<br />

NAFTA­Abkommen auch Mexiko eingebunden ist – oder der engen<br />

militärischen Kooperation in den NATO­Strukturen oder des bilateralen<br />

Luftverteidigungsabkommens NORAD.Jahrelang belegten die<br />

USA kanadische Holzexporte mit Strafzöllen, was zuendlosen Verfahren<br />

vor NAFTA­und WTO­Gerichten führte, bis der Streit durch<br />

einen Kompromiss beigelegt wurde. Als sich Kanada 2003 weigerte,<br />

ander Seite der USA in den Irak­Krieg zu ziehen, führte dies zu<br />

derschwersten Störungder kanadisch­amerikanischen Beziehungen<br />

seit dem Vietnam­Krieg, als der damalige Premierminister Pierre<br />

Trudeau offenPosition gegendiesenKrieg einnahmund dieGrenzen<br />

fürjunge US­Amerikaneröffnete,die sich demWehrdienstentziehen<br />

wollten. Was nicht Trudeaus einziger Nadelstich gegen den mächtigen<br />

<strong>Nachbarn</strong> imSüden war: Auch inder Kuba­Politik setzte er<br />

sich deutlich von den USA ab und trug deren Embargo gegen den<br />

kommunistischenKaribikstaatnicht mit. AlsKanada 2005 entschied,<br />

nichtindas vonPräsident George W. Bush forcierteRaketenabwehrsystem<br />

einzusteigen, löste dies ebenfalls Unmut inWashington aus.<br />

War die Aversion der Mehrheit der Kanadier gegen George<br />

W. Bush sehr stark ausgeprägt, geniesst Barack Obama trotz etwas<br />

gefallener Werte immer noch sehr grosse Sympathien, was unweigerlich<br />

die Einstellung vieler Kanadier gegenüber den USA als<br />

Nachbarland positiv beeinflusst. Imvergangenen Herbst ergab eine<br />

Nik­Nanos­Umfrage, dass sich eine Mehrheit der Kanadier (59,6<br />

Prozent) und der US­Amerikaner (69,7 Prozent) eine engere Kooperation<br />

der beiden Staaten inder Sicherheitspolitik wünschen, und<br />

auf beiden Seiten (83,9 Prozent der Kanadier, 86,4 Prozent der<br />

US­Amerikaner) herrscht übereinstimmend die Auffassung, dass<br />

dieStaaten eine integrierteEnergiepolitikentwickeln sollten, um die<br />

Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten abzubauen.<br />

Bibliothekarin Nancy Rumery balanciert auf der amerikanischkanadischen<br />

Grenze,die in der Haskell Free Library von Stanstead<br />

im Lesesaal im Erdgeschoss und im kleinen Theater imObergeschoss<br />

mit einem schwarzen Strich am Boden gekennzeichnet ist.<br />

Handelsüberschuss von Kanada<br />

Fotos: Steffen Thalemann | Gerd Braune<br />

Wirtschaftlich sind beide Staaten eng miteinander verbunden. Nach<br />

US­amerikanischen Statistiken belief sich der Warenaustausch<br />

zwischen beidenStaatenimJahr 2008 aufinsgesamt 600 Milliarden<br />

US­Dollar, mit einem deutlichen Handelsüberschuss auf Seiten der<br />

Kanadier, die wesentlich mehr indie USA exportierten als von dort<br />

bezogen. FürKanadasinddie USA derbei Weitem wichtigsteHandelspartner,<br />

auch wenn derAnteilder US­Exporteander Gesamtausfuhr<br />

von 86,7 Prozent im Jahr 1999 auf 77,6 Prozent (2008) fiel, was allerdings<br />

vor allem auf die Steigerung des Handels beider Länder mit<br />

anderen Staatenund nichtauf einemRückgang des US­kanadischen<br />

Warenaustauschs beruht.<br />

Kanada will zwar gerne der engste Partner der USA sein, andererseitsaberauchDistanz<br />

wahren.Esist einmerkwürdigerWiderspruch,<br />

den die Kanadier insich tragen: die USA als besten Freund an der<br />

Seite zuwissen, zugleich aber auch ein gewisses Mass an Anti­<br />

Amerikanismus zupflegen, sich von den USA abzusetzen und damit<br />

eigenes Profil zugewinnen. Wer das Verhältnis der beiden Staaten<br />

zueinander beschreibt, kommt auch heute nicht an einem Zitat<br />

Trudeaus aus demJahr 1969 vorbei:Amerikanersollten niemals den<br />

ständigen Druck unterschätzen, den ihre blosse Gegenwart hervorruft.<br />

Kanadier seien anders als die Amerikaner und anders wegen<br />

derAmerikaner, sagte er in einemVortrag vordem National Press ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong><br />

USA<br />

CAN


Grafik 4<br />

WirtschaftlicheVerknüpfungvon Kanada undden USA<br />

Wirtschaftlich gesehen ist das sogar leicht grössere, aber nur zu einem Bruchteil so dicht besiedelte<br />

Kanada stark abhängig von den USA. So generiert esfast zwei Drittel seines weltweiten Handelsvolumens<br />

mit den USA. Dafür ist die USA in einem, aber dafür sehr wichtigen Gut, auf Kanada angewiesen: dem Öl.<br />

Zahlen in tausend CAN $<br />

Export CAN–USA<br />

Export USA–CAN<br />

Lebende Tiere<br />

142 <br />

113<br />

Gemüse<br />

112 241<br />

1221<br />

Fahrräder<br />

30<br />

<strong>10</strong> 23<br />

Motorräder 00–00cm 3<br />

1<br />

114<br />

Pharmazeutische Produkte<br />

431 30<br />

332 0<br />

Werkzeuge<br />

340<br />

22<br />

Flugzeuge, Raumfahrzeuge<br />

4 200<br />

31 0<br />

Einwohner<br />

CAN 33 <strong>01</strong><br />

USA 304 3<br />

Flächen<br />

CAN 9984 670 km 2<br />

USA 9629 091km 2


Salz, Steine, Kalk, Zement<br />

14040<br />

42231<br />

Süssgetränke<br />

4<br />

223<br />

Mineralische Brennstoffe<br />

440<br />

041<br />

Autos<br />

0 00<br />

411 41<br />

Bekleidung<br />

131<br />

241<br />

Handelsvolumen<br />

CAN/USA<br />

3233 000 US $<br />

CAN/Welt<br />

Fische, Krustentiere, Weichtiere<br />

12 43<br />

3<br />

2 000 US $ 62.54%<br />

USA/CAN<br />

3233 000 US $<br />

USA/Welt<br />

230 2000 000 US $<br />

0.<strong>01</strong>5%<br />

Export<br />

CAN/USA<br />

2120 000 US $<br />

Export<br />

USA/CAN<br />

<strong>10</strong>02 000 US $<br />

Handelsvolumen CAN/USA im Verhältnis CAN/Welt<br />

Handelsvolumen USA/CAN im Verhältnis USA/Welt<br />

Bier<br />

20<br />

121<br />

Quelle: Zahlen und Fakten von der Canadian International Merchandise Trade Database2009|Foreign Trade Division, U.S. Census Bureau. 2008


CAN<br />

USA<br />

24 <strong>Nachbarn</strong> Kanada–USA<br />

Touristenattraktion in der Inselwelt auf dem St.Lorenz­Strom bei Rockport inOntario: Die beiden winzigen Zavikon Islands, die mit einer<br />

zehn Meter langen Holzbrücke verbunden sind. Die linke Insel liegt auf kanadischem Boden, die rechte auf US­amerikanischem.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Kanada–USA <strong>Nachbarn</strong><br />

2<br />

als «Soviet Canuckistan».Viel freundlicher haben sich dagegen<br />

John F. Kennedy («Geografie machte uns zu<strong>Nachbarn</strong>. Geschichte<br />

machte uns zuFreunden. Die Wirtschaft machte uns zuPartnern.<br />

Und Notwendigkeit machte uns zuAlliierten»)und der aktuelle US­<br />

Präsident Barack Obamabei seiner ersten offiziellen Visite Kanadas<br />

im Februar 2009 geäussert («Ich liebe dieses Land. Wir könnten<br />

keinen besseren Freund und Alliierten haben»). Kanadas PremierministerStephenHarpersprachzuObamasAmtseinführungvon<br />

den<br />

«besonderen Beziehungen»zwischen den beiden Staaten: «Die USA<br />

bleiben Kanadas wichtigster Alliierter, engster Freund und grösster<br />

Handelspartner.»<br />

CAN<br />

USA<br />

Kanada als wichtigster Energielieferant<br />

Fotos: Gerd Braune<br />

1<br />

2<br />

1 Wenn die Grenze exakt entlang des Mittelstreifens verläuft wie<br />

zwischen Stanstead (CAN) und Derby Line (USA), kann die Strasse<br />

fast nur «Canusa Avenue» heissen. 2 Die Haskell Free Library<br />

wurde 19<strong>01</strong>als Zeichen der Freundschaft auf die Grenze gestellt.<br />

Club in Washington. Dann folgte die Beschreibung, die als «Maus<br />

und Elefant»­Zitat indie Geschichte einging, obwohl Trudeau dabei<br />

nicht von Kanada als Maus sprach: «Neben euch zuleben, ist in<br />

gewisser Weise, wie neben einem Elefanten zuschlafen. Egal wie<br />

freundlich und ausgeglichen das Biest ist, wenn ich esmal so bezeichnen<br />

kann, man bekommt jedes Zucken und Grunzen mit.»<br />

(«Living next toyou is in some ways like sleeping with an elephant.<br />

No matter how friendly and even­tempered is the beast, ifIcan call<br />

it that, one is affected by every twitch and grunt.»)<br />

Für Richard Nixon war Trudeau schlicht ein «asshole», der rechtskonservative<br />

US­Politiker Pat Buchanan bezeichnete 2002 Kanada<br />

Die Kanadier beklagen die Unkenntnis vieler US­Amerikaner, wenn<br />

es um Kanada geht. Dass Kanada nicht nur der grösste Handelspartner<br />

der USA, sondern zugleich der wichtigste Energielieferant<br />

ist, weiss inden USA nur eine Minderheit. In kleinen Regionalzeitungen<br />

der USA zeigen die Wetterkarten zwischen den «Lower 48»<br />

und Alaska eine weisse Fläche. Kanada existiert nicht. Das Regierungssystem<br />

Kanadas ist den USA fremd, während sich die meisten<br />

Kanadier sehr wohl inder US­Politik auskennen. Mit Befremden<br />

wurden in Kanada das Ringen umdie Reform des US­Gesundheitswesens<br />

und die Attacken aus den USA auf Kanadas steuerfinanziertes<br />

Gesundheitswesen verfolgt, während gerade dieses für konservative<br />

US­Politiker Beleg fürkanadischen «Sozialismus» ist. Und<br />

dass es in Kanada sogar eine sozialdemokratische Partei gibt, die<br />

im Bundesparlament vertreten ist und ineinigen Provinzen gar die<br />

Regierung stellt, lässt nicht nur US­Republikaner erschaudern.<br />

In Stansteadund DerbyLineist zu spüren undzusehen,wie nahe<br />

sich beide Seiten sind,nicht nurinder Bibliothek. Beide Gemeinden<br />

sind zusammengewachsen. In der sinnigerweise «Canusa Avenue»<br />

genannten Strasse verläuft die Grenze entlang der Fahrbahnmitte.<br />

Auf einer Seite wohnen Amerikaner, auf der anderen Kanadier, die<br />

sich eigentlich beim Zoll melden müssten, bevor sie zum Schwätzchen<br />

mit dem <strong>Nachbarn</strong> die Strasse überqueren, esmit dieser<br />

Regelung aber nicht allzu genau nehmen.<br />

Ganz nahe sind sich beide Staaten auch inder Inselwelt im<br />

St.Lorenz­Strom bei Rockport in Ontario. Wenn Touristen imSommer<br />

mit den Ausflugsdampfern auf dem St. Lorenz herumtuckern,<br />

werdensie vomKapitändaraufaufmerksamgemacht, ihre Kameras<br />

schussbereitzuhalten. Denn siepassieren dieZavikon Islands, zwei<br />

winzige Inseln, die mit einer zehn Meter langen Brücke verbunden<br />

sind. Esist angeblich «die kleinste internationale Brücke der Welt».<br />

Eine Insel liegt in kanadischem Gewässer, die andere gehört zum<br />

US­Gebiet. Grenzstreitigkeiten gibt esamSt. Lorenz­Strom nicht,<br />

anders als inder Arktis, wo die USA und Kanada umdie Grenzziehung<br />

in der ölreichen Beaufort­See und über Hoheitsrechte inder<br />

Nordwestpassage imClinch liegen.<br />

«Früher ging esviel entspannter zu»,sagt Bibliothekarin Nancy<br />

Rumery. Dass man genau aufpassen muss, wohin man tritt, liegt<br />

auch an US­Polizisten, die früher ander Grenze zu Mexiko Dienst<br />

schoben und hartes Durchgreifen gewohnt waren. Sie sahen sich<br />

plötzlich an einem Ort, andem die Menschen seit Generationen<br />

ohne Blick auf Hoheitssymbole die Seiten wechselten. «Ich wuchs<br />

mit dieser Bibliothek auf», sagt die Kanadierin Diane Farley French,<br />

diemit einigenBücherndie Bibliothekverlässt. «Alswir Kinderwaren,<br />

gab eskeine Grenzmarkierung imGebäude. Wir wussten, dass ein<br />

Teil in Kanada, der andere in den USA ist. Mehr nicht.» <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


2<br />

<strong>Nachbarn</strong> Weltall<br />

Eine Reisefernab<br />

unserer Vorstellungskraft<br />

Sonneund Mond sind dieoffensichtlichsten<strong>Nachbarn</strong>unserer Erde.Dochwas kommt<br />

danach?Das Universumist zwar grenzenlos,aber trotzdem nichtunendlich.<br />

Text: Andreas Walker<br />

Betrachtet man ineiner wolkenlosen Nacht den Himmel, sieht man<br />

mitblossem Auge mehrere tausend Sterne leuchten.Sie erscheinen<br />

als kleine Punkte, die aussehen wie Diamantsplitter, und doch sind<br />

es alles Sonnen! Viele von ihnen sind um einiges grösser als das<br />

Muttergestirn der Erde. Zwischen diesen Punkten erstreckt sich ein<br />

schwach schimmerndes Band – die Milchstrasse. Was wie ein diffuser<br />

Nebel aussieht, ist jedoch unsere eigene Spiralgalaxie. Unsere<br />

SonnebefindetsichimRandbereich dieser Galaxie, dieeinen Durchmesser<br />

von etwa <strong>10</strong>0000 Lichtjahren hat und aus rund 200 Milliarden<br />

Sonnen besteht. Die Beobachtungsposition vom Rand der<br />

Galaxie aus ermöglicht uns einen Blick auf die Anhäufung von<br />

Sternen – wie wenn wir uns amRand eines Tellers befänden und<br />

umherblickten. Diese ungeheure Menge anSternen, die wir sehen,<br />

präsentiert sich uns als das Band der Milchstrasse.<br />

Unvorstellbare Grösse<br />

Der Weltraum ist soriesengross, dass wir bis heute nicht einmal<br />

unser eigenes Sonnensystem gründlich erforscht haben. Sowurde<br />

der äusserste Kleinplanet Pluto zum Beispiel noch nie von einer<br />

Sonde angeflogen.<br />

In Science­Fiction­Filmen hat man das Problem der riesigen<br />

Entfernungen zwischen den Sternen bereits in den 1960er­Jahren<br />

zu «lösen»versucht. DieKultserie «Star Trek– Raumschiff Enterprise»<br />

greiftdabei auf äusserst wirksame Triebwerke zurück,die dasRaumschiff<br />

«Enterprise»mit «Warp­Geschwindigkeit»– Überlichtgeschwindigkeit<br />

– durch denunermesslichenRaum fegenlassen. Lässig hebt<br />

Kapitän James T. Kirk seine rechte Hand und gibt dabei den Befehl:<br />

«Warp 7» –«Energie!»Von diesem Augenblick an erblickt der Zuschauer<br />

weisse Punkte – die Sterne –, die so schnell wie Schneeflocken<br />

bei einem Sturm das Raumschiff passieren.<br />

Fragen wir uns aber einmal ernsthaft: Wie schnell müsste man<br />

denn fliegen, wenn man sich mit einer fürdas Universum «vernünftigen<br />

Reisegeschwindigkeit»fortbewegenwollte, um in einerfüruns<br />

vorstellbaren Zeitspanne kosmische Ziele erreichen zu können?<br />

Zur Erinnerung: Der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein<br />

(1879–1955) hat gezeigt, dass esunmöglich ist, schneller als mit<br />

Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Aber nur angenommen, wir würden<br />

in der Physik etwas bisher noch Unbekanntes entdecken, so dass<br />

wir diese Barriere doch irgendwie überwinden könnten? Was würde<br />

uns ausserhalb unseres Sonnensystems erwarten? Wie sieht das<br />

UniversumjenseitsunsererGalaxie aus undwie wiederum dahinter?<br />

Wo sind dieGrenzendes Universums,falls sie überhaupt existieren?<br />

Diese Fragen wird man wohl kaum mit Hilfe unserer heutigen Raumschiffe<br />

beantworten können.<br />

Mit Lichtgeschwindigkeit zuden nächsten <strong>Nachbarn</strong><br />

Um eine Ahnung von der immensen Grösse des Kosmos zu bekommen,<br />

wollen wir ein Gedankenexperiment durchführen. Dabei begeben<br />

wir uns imGeist auf eine kosmische Reise, die wir auf der<br />

Erde mit Lichtgeschwindigkeit beginnen.Wir fliegen also so schnell,<br />

wie sich Licht, Energie und Information im Weltraum fortbewegen.<br />

In Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies rund 300000 Kilometer pro<br />

Sekunde – also etwas mehr als siebenmal pro Sekunde um die Erde.<br />

Das Ziel unserer Reise ist der «kosmische Horizont»,der nach heutigem<br />

Kenntnisstand knapp 14 Milliarden Lichtjahre entfernt ist.<br />

Etwa 1,3 Sekundennachdem Startrasen wirbereits am Erdmond<br />

vorbei, und dieser wie auch unser blauer Planet schrumpfen innerhalb<br />

weniger Sekunden zuunbedeutenden Punkten inder Schwärze<br />

des Universums. Nehmen wir an, alle Planeten befänden sich auf<br />

einerLinie, dann erreichen wirnachknapp 13 Minutenden Mars und<br />

nach etwas weniger als einer Dreiviertelstunde den Jupiter. Der Vorbeiflug<br />

amSaturn erfolgt nach knapp 1,3 Stunden, während es bis<br />

zumRendez­vous mitUranus etwa 2,7 Stundenund biszum Planeten<br />

Neptun rund 4,2 Stunden dauert. Die Reisezeit bis Pluto beträgt<br />

bereits zwischen 4und 7Stunden (Pluto hat eine sehr exzentrische<br />

Bahn, deshalb diese Zeitspanne). Aus dieser Entfernung erscheint<br />

unsere Sonne gerade noch als hellster sichtbarer Stern.<br />

Nach 4,3 Jahren treffen wir schliesslich auf unseren nächsten<br />

Nachbarstern, Proxima Centauri, und danach vergehen über 2MillionenJahre,ehe<br />

wireineunserer Nachbargalaxien,den Andromeda­<br />

Nebel, erreichen. Das bringt uns zum Schluss, dass selbst die Lichtgeschwindigkeitnicht<br />

ausreicht, um im Kosmos in einer «menschlich<br />

vernünftigen Zeit» vorwärtszukommen.<br />

Noch einmal um das Milliardenfache schneller<br />

Deshalbstellen wiruns jetztvor,wir könntenauf dasMilliardenfache<br />

der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Mit dieser unvorstellbaren,<br />

nur «denkbaren» Geschwindigkeit passieren wir den 4,3 Lichtjahre<br />

entfernten Nachbarstern Proxima Centauri nach nur 0,14 Sekunden.<br />

Die Reisezeit zum neun Lichtjahre entfernten Sirius im Sternbild ><br />

Fotos: Andreas Walker<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Weltall <strong>Nachbarn</strong><br />

2<br />

1 2<br />

3 4<br />

1 Blick ins Zentrum der Milchstrasse. Was wir als nebulöses Band am Himmel wahrnehmen, ist das Hintergrundleuchten von<br />

200 Milliarden Sonnen unserer Heimatgalaxie. 2 Annäherung von Mond und Mars. Am 24.Dezember 200 erschienen der Mond<br />

und der äussere Nachbarplanet Mars von uns aus gesehen sonahe, dass sie sich fast «berührten». 3 Venus vor der Sonne.<br />

Am . Juni 2004 wanderte unser innerer Nachbarplanet Venus ander Sonne vorbei. Bei dieser Mini­Sonnenfinsternis erschien<br />

die Venus als schwarze Silhouette vor der gleissenden Sonne. 4 Rendez­vous von Saturn und Mond. Der Ringplanet Saturn<br />

wurde am22. Mai 200vom Erdmond bedeckt.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Grafik <br />

Wieder Mensch diekosmischeNachbarschaft erkundet<br />

Nur schon die Erforschung der nächsten <strong>Nachbarn</strong> dauerte Jahrzehnte.Doch der Mensch schickt unermüdlich<br />

weitere Sonden auf die Reise. Mehr Infos zu den Missionen unter www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Mariner (NASA) 1971<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

New Horizons<br />

erreicht Pluto am 14.7.2<strong>01</strong>5<br />

Pluto<br />

Viking 1und 2 (NASA) 1975<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Mars Express (ESA) 2003<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Voyager 1(NASA) 1977<br />

Wird 2<strong>01</strong>5 in den<br />

interstellaren Bereich<br />

vorstossen<br />

Neptun<br />

1Mission<br />

Uranus<br />

1Mission<br />

Curiosity (NASA) 2<strong>01</strong>1<br />

ExoMars 2<strong>01</strong> (ESA/NASA) 2<strong>01</strong>6/2<strong>01</strong>8<br />

Pathfinder (NASA) 1996<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Mars<br />

40 Missionen<br />

Opportunity (NASA) 2003<br />

Reisezeit: 1Jahr<br />

Spirit (NASA) 2003<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Beagle 2 (ESA) 2003<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Sojourner (NASA) 1996<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Phoenix (NASA) 2007<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Mars Global Surveyor (NASA) 1996<br />

Reisezeit: 3 Jahre<br />

Phobos­Grunt (RUS) 2<strong>01</strong>1<br />

Mars 1und 2 (UdSSR) 1971<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Voyager 2(NASA) 1977<br />

Pioneer 11 (NASA) 1973<br />

Reisezeit: 6 Jahre<br />

Saturn<br />

5Missionen<br />

Erforschte Saturnmonde (v.l.):<br />

Die kombinierte Cassini-<br />

Huygens-Sonde erkundete<br />

22 der 61 Saturnmonde. Das<br />

mit einer Kamera ausgerüstete<br />

Modul Huygens landete nach<br />

seiner Ablösung auf dem<br />

grössten Trabanten, dem Titan<br />

(inder Abfolge ganz links).<br />

Juno (NASA) 2<strong>01</strong>1<br />

Jupiter<br />

9Missionen<br />

Cassini­Huygens (ESA/NASA) 1997<br />

Reisezeit: 7 Jahre<br />

Asteroid Eros<br />

Galileo (NASA) 1989<br />

Reisezeit: 6 Jahre † 1996<br />

Erforschte Jupitermonde † (v.l.):<br />

Amalthea<br />

Io<br />

Europa<br />

Ganymed<br />

Kallisto<br />

Asteroid Ida<br />

Pioneer <strong>10</strong> (NASA) 1972<br />

Europa Jupiter Mission (ESA/NASA) 2020<br />

Reisezeit: 6 Jahre<br />

Sonne<br />

Entfernung<br />

in Milliarden<br />

Meilen<br />

Erde<br />

Mars<br />

Merkur<br />

Venus<br />

Jupiter Saturn Uranus Neptun Pluto<br />

Sonde<br />

NewHorizons<br />

1 2 3 4


Ulysses (ESA/NASA) 1990<br />

Sonne<br />

9Missionen<br />

SOHO (NASA) 1995<br />

Solar Orbiter (ESA) 2<strong>01</strong>5<br />

Reisezeit: 3.5 Jahre<br />

Raumstation Skylab (NASA) 1973<br />

Genesis (NASA) 20<strong>01</strong><br />

Reisezeit: 3 Jahre † 2004<br />

Venera (UdSSR) 1970<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Mariner 2(NASA) 1962<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Venera (UdSSR) 1975<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Raumstation Saljut (UdSSR) 1977<br />

MESSENGER 2004<br />

Reisezeit: 5 Monate<br />

Raumstation Saljut 1(UdSSR) 1971<br />

00aktive Satelliten<br />

in der Erdumlaufbahn<br />

Juri Gagarin 1961<br />

Erster Mensch im All<br />

GPS Navigationssystem<br />

Envisat Umweltsatellit<br />

Venus<br />

43 Missionen<br />

Erde<br />

Magellan (NASA) 1989<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Merkur<br />

2Missionen<br />

Venera 1(UdSSR) 1961<br />

Reisezeit: 1 Jahr<br />

Mariner <strong>10</strong> (NASA) 1973<br />

Reisezeit: 5 Monate<br />

Neil Armstrong 1969<br />

Erster Mensch auf<br />

dem Mond<br />

Apollo 11 (NASA) 1969<br />

Helios 1+2 BRD/USA (NASA) 1976<br />

Meteosat Wettersatellit<br />

Sputnik 1(UdSSR) 1958<br />

Erster Satellit<br />

Mond<br />

72 Missionen<br />

Keyhole Spionagesatelliten<br />

Astra Kommunikationssatellit<br />

Raumstation Mir (UdSSR) 1986<br />

Raumstation ISS(NASA) 1998<br />

Dennis Tito 20<strong>01</strong><br />

Erster Weltraumtourist<br />

Lunochod 1(UdSSR) 1970<br />

Lunik 1(UdSSR) 1959<br />

Lunik 2(UdSSR) 1966<br />

Fotos: ESA, NASA, SOHO | NASA, JPL | Olivier Sauzereau, Biosphoto | NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory,Carnegie Institution of Washington | NASA, JPL-Caltech | NASA, JPL, University ofArizona |<br />

NASA, JPL,Space Science Institute | NASA, JPL, STScI | NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory,Arizona State University, Carnegie Institution of Washington<br />

Sonde<br />

Voyager 2<br />

Interstellare<br />

Zone<br />

Sonde<br />

Voyager 1<br />

5 6 7 8 9<br />

<strong>10</strong>


30 <strong>Nachbarn</strong> Weltall<br />

Grosser Hund beträgt 0,28 Sekunden, und die 400 Lichtjahre entfernten<br />

Plejaden erreichen wir nach 12,6 Sekunden.<br />

Unsere Reise geht weiter an unzähligen Sonnen vorbei, von denen<br />

viele grösser sind als die unsrige. Nach kurzer Zeit sehen wir<br />

unsere eigene Galaxie von aussen – eine gigantische Spirale, die<br />

aus 200Milliarden Sonnen besteht. Der Raum, indem wir uns jetzt<br />

bewegen, istrelativleer. Nach 19,3 Stundengelangen wirzuunserer<br />

Nachbargalaxie, dem 2,2 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda­Nebel,<br />

der grösser ist als unsere Galaxie. Erenthält etwa<br />

400MilliardenSonnen. Auch dieseGalaxie lassen wirhinter unsund<br />

stossen mit unserer unvorstellbaren Geschwindigkeit weiter in den<br />

Raum vor.<br />

Nach etwa zwei Wochen Reisezeit haben wir uns schon recht<br />

weit vom Andromeda­Nebel und von unserer eigenen Galaxie entfernt<br />

und stellen fest, dass beide Sternsysteme zu einem Haufen<br />

von einigen Dutzend Galaxien gehören. Jeweiter wir uns von diesem<br />

Gebilde entfernen, desto besser erkennen wir, dass auch<br />

dieser Galaxienhaufen zueiner Familie gehört,zueinem Haufen<br />

von Galaxienhaufen, einem sogenannten Superhaufen. Aus noch<br />

grösserer Entfernung können wir möglicherweise sogar noch grossräumigere<br />

Strukturen erkennen.<br />

Was kommt am «Ende» der Reise?<br />

Nach knapp 14 Jahren gelangen wir schliesslich andas Ziel unserer<br />

Reise, denkosmischenHorizont. Dort müssen wirjedochfeststellen,<br />

dass sich unskeinwesentlichanderer Anblickbietetals vonunserem<br />

Reisestartpunktaus.Auchhier «sehen»wirden kosmischen Horizont<br />

wieder in knapp 14 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Wie auf der<br />

Oberfläche einer Kugel können wir uns im Kosmos immer weiter<br />

bewegen, ohne an eine Grenze zu stossen; trotzdem ist er nicht<br />

unendlich.<br />

Dieses scheinbareParadoxonhat offenbar schon denitalienischen<br />

Priester,Dichter undPhilosophen Giordano Bruno (1548–1600)stark<br />

beschäftigt, der durch die päpstliche Inquisition als Ketzer inRom<br />

zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde. Von ihm stammt<br />

folgendes Zitat: «Sagt man ferner, ausserhalb der äussersten Himmelssphäre<br />

sei das Nichts, dann hätte dieses Nichts eine Grenze<br />

nach innen, aber keine nach aussen; das aber ist nicht vorzustellen.»<br />

Auch Isaac Newton (1643–1727), englischer Astronom, Philosoph<br />

und Verwaltungsbeamter, sinnierte über die unvorstellbare Grösse<br />

des Kosmos und kam zufolgendem Schluss: «Der Raum erstreckt<br />

sich in jeder Richtung ins Unendliche. Wir können uns nämlich nirgends<br />

eine Richtung vorstellen, ohne gleich zudenken, dass es<br />

jenseits davon noch Raum gibt. Wenn jemand entgegnete, dass wir<br />

uns eine unendliche Ausdehnung nicht vorstellen können, sogebe<br />

ich das zu. Ich behaupte jedoch, dass wir sie denken können. Wir<br />

können uns zujeder Ausdehnung jeweils eine grössere vorstellen,<br />

aber wir können nicht denken, dass es eine grössere Ausdehnung<br />

gibt, als wir uns jemals vorstellen können.»<br />

Unser Weltall als eine «Blase» unter vielen<br />

Mit der milliardenfachen Lichtgeschwindigkeit hätten wir also den<br />

«kosmischen Horizont» nach knapp 14 Jahren «erreicht».Inder gleichen<br />

Zeit wären wir wieder zurück auf der Erde, wobei wir von den<br />

Problemen des Bremsens und der Beschleunigung hier einmal absehenwollen.<br />

Einige kosmologischeModelle erlauben dieAnnahme,<br />

dass unzählige Universen existieren, ähnlich einer Ansammlung von<br />

Seifenblasen. In dieser Vorstellung wäre also unser riesiges Weltall<br />

sogar nur eine «Blase» unter unzähligen, unser «grosser Nachbar»<br />

ein Universum unseres Universums.<br />

Wenn Zeit und Raum jegliche Bedeutung verlieren<br />

Bei der Vorstellung, dass unsere Sonne nur ein einzelner Stern unter<br />

200 Milliarden Sternen allein in unserer Galaxie ist, könnten sich die<br />

Menschen verloren vorkommen. Doch gerade fürdiejenigen, die<br />

Gelegenheit hatten, unseren Planeten in diesem grossen Zusammenhang<br />

aus dem Weltraum zu sehen, ist das Gegenteil der Fall.<br />

Sie berichten von einem unvergleichlichen Erlebnis. Aus dieser<br />

Perspektive verlieren offenbar Zeit und Raum, wie sie füruns «normal»<br />

sind, jegliche Bedeutung. Der französische Astronaut Jean­<br />

Loup Chrétien schilderteseine Eindrücke während einer Erdumkreisung<br />

so: «Gegen sechs Uhr abends flogen wir über die französische<br />

Mittelmeerküste, beinahe über Marseille. Ich habe in dieser Gegend<br />

mehr als zwanzig Jahre gewohnt und kenne sie gut. Mit einem Blick<br />

konnte ich Frankreich, Korsika, Sardinien, Italien und einen Teil von<br />

Spanien sehen sowie Südengland und einen Teil Deutschlands erkennen.<br />

Ich hattealso ein ziemlich grosses Gebiet imBlickfeld; dennoch<br />

hatte ich keine Mühe, selbst die kleinsten Einzelheiten jener<br />

Gegend auszumachen,inder ichnochwenige Wochen zuvorzuFuss<br />

umhermarschiert war. Lächelnd begriff ich, wie klein und relativ die<br />

WeiteunseresPlanetenist.Wenige Sekundenspäter überflogen wir<br />

die UdSSR!»<br />

Einsoprägnanter Wechselinder Perspektiveverändertabernicht<br />

nur das Empfinden von Raum und Zeit – er hat auch Auswirkungen<br />

auf den geistigen Horizont. Der amerikanische Astronaut Donald<br />

Williams formulierte dies wie folgt:«Fürdiejenigen, die die Erde aus<br />

dem Weltraum gesehen haben, und fürdie Hunderteund vielleicht<br />

Tausende,die es noch tunwerden, verändert dasErlebnis sehrwahrscheinlich<br />

ihre Weltsicht. DieDinge,die wirauf derErdemiteinander<br />

teilen, werden viel wertvoller als jene, die uns trennen.»<br />

So schön und zerbrechlich wie eine Christbaumkugel<br />

Noch drastischer ist die Schilderung des amerikanischen Astronauten<br />

James Irwin:«Die Erde erinnerte uns aneine inder Schwärze<br />

des Weltraums aufgehängte Christbaumkugel. Mit grösserer Entfernung<br />

wurde sie immer kleiner. Schliesslich schrumpfte sie auf die<br />

Grösse einer Murmel – der schönsten Murmel, die du dir vorstellen<br />

kannst. Dieses schöne, warme, lebende Objekt sah so zerbrechlich,<br />

so zart aus, als ob es zerkrümeln würde, wenn man esmit dem Finger<br />

anstiesse. Ein solcher Anblick muss einen Menschen einfach<br />

verändern, muss bewirken, dass er die göttliche Schöpfung und die<br />

Liebe Gottes dankbar anerkennt.»<br />

Ganz offensichtlich hatte der deutsche Philosoph Immanuel Kant<br />

(1724–1804) schon ähnlicheEmpfindungen, alserfolgende Gedanken<br />

äusserte: «Die grösste Angelegenheit des Menschen ist zuerkennen,<br />

wie erseine Stellung inder Schöpfung gehörig erfülle und recht verstehe.<br />

Zuwissen, was man sein muss, umein Mensch zusein.» <<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 31<br />

Credit Suisse<br />

Business /Sponsoring /In der Gesellschaft<br />

Spendenaktion der Mitarbeitenden<br />

Hilfe fürHaiti<br />

Als Soforthilfe für die Opfer des<br />

Erdbebens vom 12.Januar in Haiti<br />

hat die Credit Suisse aus dem Katastrophenhilfe­Fonds<br />

eine Spende<br />

von einer Million US­Dollar je zur<br />

Hälfte dem Amerikanischen und<br />

Schweizerischen Roten Kreuz zukommen<br />

lassen. Gleichzeitig haben<br />

Mitarbeitende Spenden für die notleidendenMenscheninHaiti<br />

gesammelt.<br />

Bis Mitte Februar kamen so<br />

weitere 1,34 Millionen Franken zusammen.<br />

Dieser Betrag wurde vom<br />

Katastrophenhilfe­Fonds umdas<br />

Doppelte erhöht, so dass zusammen<br />

mit der Soforthilfe über 5Millionen<br />

Franken(4,759 Millionen US­Dollar)<br />

überwiesen werden konnten.<br />

Credit Suisse Schweiz<br />

General Counsel Schweiz<br />

Michel Ruffieux, der seit 1992 verschiedene<br />

Funktionen in der<br />

Rechtsabteilung der Credit Suisse<br />

ausübte, wird neuer General Counsel<br />

Schweiz.Ruffieux nimmt im<br />

Regional Management Board<br />

Schweiz Einsitz und ist gleichzeitig<br />

Mitglied des General Counsel<br />

Operating Committee.<br />

In Zentraleuropa auf Wachstumskurs<br />

Polen als Schlüsselmarkt<br />

Nach der Lancierung des Private­<br />

Banking­Geschäfts 2009 intensiviert<br />

die Credit Suisse ihr Engagement<br />

inPolen weiter und unterstütztauch<br />

die Unternehmenswelt.<br />

Von Warschau aus bietet sie Wertschriftenhandelund<br />

Unternehmensanalyse<br />

an. Zentral­und Osteuropa<br />

zählen für die Credit Suisse zu den<br />

attraktivsten Wachstumsregionen.<br />

Dabei gilt Polen, wo man seit 1992<br />

im Investment Banking tätig ist,<br />

laut Michael Rüdiger, CEO Central<br />

Europe, als Schlüsselmarkt. Ziel<br />

ist es, an der Warschauer Börse<br />

WSE eine führende Position einzunehmen.<br />

Das 2007 in Breslau<br />

eröffnete Centre of Excellence, das<br />

Dienstleistungen für Europa und<br />

Nordamerika anbietet, soll auf 500<br />

Mitarbeitende ausgebaut werden.<br />

Seit Mitte Januar 20<strong>10</strong> verstärkt die Amerikanerin<br />

Pamela Thomas­Graham die Credit Suisse als Chief<br />

Talent,Branding and Communication.Gleichzeitig<br />

hat sie Einsitz indie Geschäftsleitung der Credit Suisse<br />

Group und der Credit Suisse AG genommen.<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

Bank of the Year<br />

IFR Award Im Juli 200 hatte dieCredit<br />

Suisse vonEuromoneyden Titel «Best Investment<br />

Bank»erhalten, nunwurde sieAnfang<br />

20<strong>10</strong> vonder International FinancingReview<br />

(IFR) zur «Bank of theYear»gewählt. «Die<br />

Credit Suisse AG kann mitFug undRecht behaupten,dasssie<br />

aus dergrösstenKrise<br />

derletzten 0 Jahre nichtnur ohne Schaden,<br />

sonderngestärktund miteinem noch besserenRuf<br />

hervorgegangen ist»,stellte dieRedaktion<br />

fest.Zudem lobte siedie kundenorientierte<br />

undkapitaleffizienteStrategiesowie<br />

dasÜberstehen derFinanzkrise mitvorzüglichen<br />

Kennzahlen,insbesonderedie Kernkapitalquote<br />

unddie hohe Eigenkapitalrendite.<br />

Roger Federer sammelt fürHaiti<br />

Australien ist «federised»<br />

Es gibt kaum eintennisverrückteres<br />

Land als Australien, wie David<br />

Livingstone, CEO der Credit Suisse<br />

Australien, bestätigt.Über 600000<br />

Zuschauer wurden amAustralian<br />

Open gezählt – darunter viele Fans<br />

von Roger Federer inT­Shirtsmit<br />

der Beschriftung «I’m federised».<br />

Seine menschlich bescheidene und<br />

gleichzeitig spieltechnisch überragende<br />

Art stösst in Down Under<br />

auf uneingeschränkte Begeisterung.<br />

Daspielte esauch keine Rolle,<br />

dass der Schweizer unterwegs<br />

zu seinem 4.Titel inMelbourne und<br />

seinem insgesamt 16.Grand­<br />

Slam­Titel auch Lokalmatador<br />

Lleyton Hewitt bezwang.Das wichtigste<br />

Ass schlug Federer indes<br />

noch vorTurnierbeginn: Erorganisierte<br />

spontan eine Benefiz­Tennisshow<br />

zugunsten der Erdbebenopfer<br />

von Haiti,ander Rafael Nadal,<br />

Novak Djokovic, Andy Roddick sowie<br />

Kim Clijsters, Serena Williams<br />

und Sam Stosur teilnahmen. Diese<br />

Veranstaltung brachte 150000 US­<br />

Dollar ein und wirkte ansteckend.<br />

Einzelne Spieler spendeten Preisgeld,<br />

andere versteigerten signierte<br />

Rackets, und auch die Tennisverbände<br />

ATP und WTA unterstützten<br />

die Solidaritätsaktion. So kamen<br />

laut Turnierdirektor Steve Wood<br />

687000 US­Dollar zusammen.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


32 Credit Suisse<br />

90 Jahre Salzburger Festspiele<br />

Oper von Wolfgang Rihm<br />

und Young Singers Project<br />

tens bei sich haben. FürFirmenkunden<br />

und private Kunden mit Wohnsitz<br />

ausserhalb der Schweiz bleibt<br />

die SecurID zunächst bestehen.<br />

Über Geld spricht man<br />

Wie lockt man Maturanden aneinem<br />

Finanzseminar aus der Reserve? Daniel<br />

C.Heine und Wolfgang Jenewein, zwei<br />

Professoren der Universität St.Gallen,<br />

haben es sich beim Programm «Invest<br />

in Your Future»zum Ziel gesetzt,die<br />

wichtigsten Finanzbegriffe nicht einfach<br />

im Frontalunterricht zuvermitteln, sondern<br />

die Jugendlichen aktiv ins Geschehen<br />

miteinzubeziehen. Mit der Frage,<br />

was denn eine Vision sei(«Adream with<br />

adeadline»), lockten sie im Grand Hotel<br />

Park inGstaad die Studentinnen und<br />

Studenten des Instituts LeRosey noch<br />

nicht aus der Reserve,doch wenig später<br />

waren sie bereits erfolgreich: «Wollt ihr<br />

zuerst die gute oder die schlechte Nachricht<br />

hören?» Natürlich die schlechte!<br />

Der Bann war gebrochen, auch wenn<br />

dann eben doch zuerst die «gute Nachricht»kam:<br />

«Das Finanzwesen ist sehr<br />

einfach.»Dem steht aber als «bad news»<br />

erschwerend entgegen,dass niemand<br />

die Zukunft kennt.Guter Unterricht<br />

ist, wenn hie und da auch gelacht werden<br />

darf und niemand so richtig realisiert,<br />

wie viele neue Informationen aufgenommen<br />

werden. Spannend waren auch die<br />

Workshop­Diskussionen amNachmittag<br />

rund um dasTabuthema Geld. Sie verliefen<br />

derart lebhaft, dass man sich<br />

beinahe fragen muss,wieso es sonst<br />

vielen deutlich mehr Mühe bereitet, über<br />

Geld zu sprechen, als über Politik oder<br />

Sport! Zur Ausbildung gehörte auch das<br />

Investgame: Die Studenten investierten<br />

unter Anleitung vonThomas Riz, Leiter<br />

Credit Suisse Gstaad,virtuell eine Million<br />

Franken und mussten «nach einem<br />

Jahr»die Kunden davon überzeugen,<br />

ihnen das Mandat weiterhin zu überlassen.<br />

“Three years ago<br />

the firm looked<br />

into the future and<br />

saw what highnet­worth<br />

clients<br />

would want, and<br />

what shareholders<br />

would want, and<br />

decided to implement<br />

astrategy<br />

that is now bearing<br />

fruit – one of complete<br />

integration. It<br />

seems as if wealth<br />

management asa<br />

core discipline of<br />

aglobal banking’s<br />

time has come.<br />

And for now, no<br />

bank is as successful<br />

atgetting the<br />

business mix right<br />

as Credit Suisse.”<br />

Euromoney,<br />

February 8,20<strong>10</strong><br />

Die Salzburger Festspiele, die vom<br />

25.Juli bis zum 30.August stattfinden,<br />

stehen dieses Jahr unter dem<br />

Motto «Wo Gott und Mensch zusammenstossen,<br />

entsteht Tragödie».<br />

Ein Höhepunkt wird die Uraufführung<br />

der Oper «Dionysos»des deutschen<br />

Komponisten Wolfgang Rihm<br />

am 27.Juli sein. Die Credit Suisse,<br />

die seit fünf Jahren Hauptsponsor<br />

der Salzburger Festspiele ist, wird<br />

wie schon 2009 zusätzlich das<br />

Young Singers Project unterstützen.<br />

www.salzburgerfestspiele.at<br />

www.credit­suisse.com (sponsoring)<br />

Online Banking für Privatkunden<br />

Neues Sicherheitsverfahren<br />

Seit Januar führt die Credit Suisse<br />

AG ein neues Sicherheitsverfahren<br />

für Direct Net ein. Die bisherige<br />

SecurID des Direct Net­Benutzers<br />

wird dabei durch das persönliche<br />

Mobiltelefon ersetzt.Das so genannte<br />

SMS­Sicherheitsverfahren<br />

ist fürprivate Kunden mit Domizil<br />

Schweiz und Direct Net­Vertrag<br />

vorgesehen,worüber sie per Brief<br />

informiert werden. Nach erfolgreicher<br />

Registrierung seiner Mobiltelefonnummer<br />

erhält der Direct<br />

Net­Benutzer fortan alle erforderlichen<br />

Codes per SMS.Sowohl<br />

Registrierung als auch Empfang der<br />

SMS sind für ihn kostenlos. Zukünftig<br />

ist esmöglich, Zahlungstransaktionen<br />

durch den Kunden<br />

bestätigen zulassen. Dies erhöht<br />

die Sicherheit von Zahlungen im<br />

Online Banking. Auch beimThema<br />

Komfort punktet das SMS­Sicherheitsverfahren,dadie<br />

meisten<br />

privaten Kunden ihr Mobiltelefon –<br />

im Gegensatz zur SecurID – meis­<br />

Anzeige<br />

Text:Claudia Goldberg<br />

www.credit­suisse.com/directnet<br />

Museo d’ArteLugano<br />

Robert Mapplethorpe<br />

und Patti Smith imTessin<br />

Vom 21.März bis zum 13.Juni präsentiert<br />

das Museo d’ArteinLugano<br />

– seit 1992 von der Credit Suisse<br />

als Partner unterstützt – die Ausstellung<br />

«Robert Mapplethorpe. La<br />

perfezione nella forma».Die Suche<br />

des 1989 im Alter von 43 Jahren<br />

verstorbenen Künstlers nach plastischer<br />

Perfektion wird den einmaligen<br />

Werken von Michelangelo,<br />

Pontormo und Giambologna gegenübergestellt.<br />

Mapplethorpes Schaffen<br />

umfasst unter anderem auch<br />

Porträts, soetwavon der bekannten<br />

Rocksängerin PattiSmith.<br />

Diese war mit Mapplethorpe befreundet.<br />

Deshalb hat sie sich bereit<br />

erklärt,amMittwoch, 31.März,<br />

im Palazzodei Congressi inLugano<br />

ein Konzert zugeben, ebenfalls<br />

ermöglicht von der Credit Suisse.<br />

www.mdam.ch<br />

Corporate Volunteering<br />

Weihnachten im Frühling<br />

Bereits zum 13.Mal führten das<br />

Schweizerische Rote Kreuz sowie<br />

Post und SRG die Aktion «2 xWeihnachten»<br />

durch und konnten so<br />

über 72 000 Pakete sammeln, die<br />

im März verteilt werden, um die Not<br />

bedürftiger Menschen im In­und<br />

Ausland etwas zulindern. Auch die<br />

Credit Suisse hat sich – im Rahmen<br />

des Corporate Volunteering – an<br />

dieser Aktion beteiligt. Einerseits<br />

wurden firmenintern Päckli gesammelt,vor<br />

allem aber haben 245<br />

Volunteers anacht Einsatztagen<br />

mehr als 17 000 Pakete sortiert.<br />

Fotos: Fabio B. Lenzlinger | Fernando Mora | Charly Suter | Laurent Gilliéron, Keystone<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 33<br />

Outlook Events mit Ottmar Hitzfeld<br />

Das Geheimnis des Erfolgs<br />

Kunstmuseum Bern<br />

Edward Burne­Jones inBern<br />

Wie schafft man es,als Trainer der<br />

Schweizer Fussballnationalmannschaft<br />

in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft<br />

Griechenland,den<br />

Europameister von 2004,hinter<br />

sich zu lassen und der Begegnung<br />

in Südafrika mit Europameister<br />

Spanien voller Zuversicht entgegenzusehen?<br />

Und wie besiegt man<br />

in der Qualifikation zur Euro 2<strong>01</strong>2<br />

England,das Mutterland des Fussballs?<br />

Ottmar Hitzfeld liefert(e)<br />

an mehreren Veranstaltungen der<br />

Credit Suisse Einblick in seine<br />

Erfolgsküche, so demnächst am<br />

14.April in Luzern anlässlich derVerleihung<br />

des Unternehmerpreises<br />

Zentralschweiz des Swiss Venture<br />

Club.Das Rezept ist gleichermassen<br />

einfach wie schwierig: Neben<br />

harter Arbeit und Fachwissen hat<br />

Erfolg viel mit Psychologie, mit<br />

echter Leadership zu tun. Wer seine<br />

Mitarbeitenden motivieren kann,<br />

für das Team das Letzte aus sich<br />

herauszuholen, hat gute Aussichten.<br />

Auch in der Wirtschaft.Unser Bild<br />

stammt von einer «Outlook»­Veranstaltung,<br />

zuder Beat Zeller und<br />

Albert Angehrn rund 650 Vertreter<br />

institutioneller Kunden oder Grossunternehmen<br />

eingeladen hatten.<br />

www.credit­suisse.com/fussball<br />

Nach der erfolgreichen Ausstellung<br />

über Giovanni Giacomettilaufen<br />

in Bern die Vorbereitungen für die<br />

Ausstellung zum <strong>10</strong>0.Todestag<br />

Albert Ankers,die am 7. Mai eröffnet<br />

wird, auf Hochtouren. Ein<br />

Besuch lohnt sich aber auch jetzt<br />

schon, ist doch die aktuelle Ausstellung<br />

dem Londoner Maler und<br />

Zeichner Edward Burne­Jones<br />

(1833–1898)gewidmet, die einen<br />

Einblick in die bis anhin eher<br />

etwas zuwenig beachtete spätviktorianische<br />

Kunst liefert.<br />

www.kunstmuseumbern.ch<br />

OSEC­Aussenwirtschaftsforum<br />

Hans­Dietrich Genscher<br />

kommt nach Zürich<br />

«Wie viel Europa braucht die<br />

Schweiz?»Zudiesem hoch spannenden<br />

Thema referiert Hans­<br />

Dietrich Genscher, langjähriger<br />

Aussenminister Deutschlands, am<br />

zweitenTag des Aussenwirtschaftsforums,<br />

das die OSEC am 15.und<br />

16.April mit rund 700 Teilnehmern<br />

in Zürich durchführt. Im Rahmen<br />

des übergeordnetenThemas «Exportmarkt<br />

EU – in Pole­Position für<br />

den Aufschwung» beschäftigt man<br />

sich vorwiegend mit Deutschland.<br />

Vor der Paneldiskussion «Bekannter<br />

unbekannter Nachbar»stellt<br />

beispielsweise die Medienunternehmerin<br />

Catherine Mühlemann die<br />

Frage: «Spieglein, Spieglein ander<br />

Wand,wie sieht mich mein Nachbar<br />

im andern Land?» Am ersten Tag<br />

drehen sich die Diskussionen um<br />

«Neue Wirtschaftswelt – neue<br />

Spielregeln?».<br />

www.aussenwirtschaftsforum.ch<br />

Online­Forummit JudithWade GartenundParkanlagen<br />

in ganz Italienund neuauch<br />

im Tessin sind als «GrandiGiardini Italiani»<br />

in einemlosen Netzwerk zusammengeschlossen.<br />

200 wurdensie vonsieben Millionen<br />

Menschen besucht. DieCredit Suisse unterstützt<br />

GrandiGiardini alsHauptsponsor.<br />

DerenInitiantin, diebritische Gartenexpertin<br />

JudithWade,beantwortet bisEndeApril<br />

Fragen,die ihr onlinegestelltwerden.<br />

www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin >onlineforum<br />

World Economic Forum (WEF)<br />

Den Zustand der Welt überdenken – und verbessern<br />

Am Rande des Annual Meeting des World Economic Forum in Davos<br />

lud die Credit Suisse zu zwei Paneldiskussionen ein. Beim einen unterhielt<br />

sich Paul Calello, CEO Investment Banking,mit – auf unserem Bild von<br />

links nach rechts – Laura D’Andrea Tyson,einer wichtigen Beraterin der<br />

Regierung Obama, Philipp Hildebrand, Leiter der Schweizer Nationalbank,<br />

und Hector Sants, Chef der englischen Finanzmarktaufsicht, über eine<br />

marktgerechte Regulierung. Beim anderen Panel diskutierteEric Varvel,<br />

CEO EMEA,mit den drei renommierten Energiespezialisten Paris Mouratoglou,<br />

Ramon de Miguel und Shaun Kingsbury über die Notwendigkeit<br />

alternativer Energien.<br />

Ausführliche Berichte unter www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Musikkollegium Winterthur<br />

Auszeichnung für Fealan<br />

Das Projekt «Fealan.Winterthur<br />

schreibt eine Oper»(siehe <strong>bull</strong>etin<br />

5/2009)ist mit dem internationalen<br />

«junge Ohren Preis 2009»<br />

ausgezeichnet worden. Die Credit<br />

Suisse ist Hauptsponsor des<br />

Musikkollegiums Winterthur und<br />

finanziert den Jugendbeauftragten.<br />

www.musikkollegium.ch<br />

Swiss­African Business Exchange<br />

Handelspartner Afrika<br />

Der Swiss­African Business Exchange<br />

ist in der Schweiz die wichtigste<br />

Plattform für den Aufbau von<br />

Geschäftsbeziehungen in Afrika.<br />

Nach dem Erfolg der ersten Veranstaltungen<br />

wird der Fokus nun von<br />

Südafrika auf den ganzen Kontinent<br />

ausgedehnt. Am 24.März werden<br />

imWorld Trade Center in Zürich<br />

nach Referaten branchenspezifische<br />

Diskussionen durchgeführt;<br />

der 25.März steht fürpersönliche<br />

Gespräche zur Verfügung.<br />

www.sabexchange.com<br />

Texte: Andreas Schiendorfer<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


34 Credit Suisse<br />

«Musikist diebedeutungsvollste,<br />

wahrstemenschliche Erfahrung»<br />

Das New York Philharmonic besuchte auf seiner fünften Tournee mit der Credit Suisse<br />

als Global Sponsor im Januar und Februar 20<strong>10</strong> neun Städte inSpanien,Deutschland,<br />

Frankreich, England und inder Schweiz. So erhielt das europäische Publikum die Möglichkeit,<br />

Alan Gilbert inseiner neuen Funktion als Music Director des Orchesters kennenzulernen.<br />

1<br />

1 Die Tournee führt durch die schönsten Konzertsäle Europas. Es beginnt imPalau de la Música in Barcelona. Hier Music Director Alan Gilbert mit Bariton Thomas<br />

Hampson, Artist in Residence beim New York Philharmonic. Weitere Stationen: das Auditorio yPalacio de Congresos inSaragossa (4) sowie die Tonhalle in Zürich ().<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

3<br />

Seit September 2009 leitet Alan Gilbert das<br />

NewYorkPhilharmonic als 25.Music Director.<br />

«Ich durfte das Orchester in einer hervorragendenVerfassung<br />

übernehmen», blicktder<br />

gebürtige NewYorkerzurück,dessenMutter<br />

Yoko Takebe als Violinistin imOrchester mitspielt.<br />

«Deshalb kann ich mich auf das konzentrieren,was<br />

fürmichstets im Vordergrund<br />

steht: Musik zur bedeutungsvollsten, wahrsten<br />

menschlichen Erfahrung werden zulassen.»<br />

Zarin Mehta, Präsident und Executive<br />

Director des Orchesters, ist ebenfalls sehr<br />

glücklich über die neue Zusammenarbeit:<br />

«Der Funke zwischen Alan Gilbert und dem<br />

Orchester hat von Anfang an gezündet.»<br />

DieTournee Europe/Winter 20<strong>10</strong> begann<br />

am 21.Januar in Spanien. Barcelona,Saragossa,<br />

Madrid. Wir begleiteten das Orchester<br />

in dieser aufregenden Startphase und<br />

hielten die Eindrücke ineinem Video fest.<br />

Ein weiterer Halt: Zürich. Hier war das<br />

New York Philharmonic seit 25 Jahren<br />

nicht mehr aufgetreten! Am Vorabend des<br />

Konzerts in derTonhalle spielte ein Kammermusikquartett<br />

im Kunsthaus für Mitarbeitende<br />

der Credit Suisse – welch sympathische<br />

Geste.<br />

Danach hiesseswiederdie Koffer packen:<br />

Frankfurt, Köln, Dortmund, Paris, London.<br />

4. Februar,Ende derTournee,Rückflug nach<br />

New York. Doch im Gepäck nun ein unvergessliches<br />

Erlebnis. Joy Bolli, Andreas Schiendorfer<br />

i Unter www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

finden Sie ein Interview mit Alan Gilbert sowie<br />

ein Video über die Europatournee.<br />

2 3 4<br />

<br />

Fotos: ChrisLee<br />

<br />

2/ Die Musiker versuchen, von ihren Reisedestinationen einen Eindruck zubekommen. 3 Doch imZentrum steht die Konzertvorbereitung. Das Kammermusikensemble<br />

im Kunsthaus Zürich. Zwei Meister im Gespräch: Alan Gilbert und David Zinman. Yefim Bronfman interpretiert Prokofiew brillant.<br />

<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


3<br />

Credit Suisse<br />

Herr über Risiko undErfolg:<br />

DerChief Financial Officer<br />

Am ersten Swiss CFO Day standen für einmal die stillen Erfolgsgaranten<br />

eines Unternehmens, die Finanzchefs, imMittelpunkt. Vieles drehte<br />

sich dabei umRisiko. Daneben ging esaber auch umeinen Erfahrungsaustausch<br />

sowie umdie Kür der Besten.<br />

Welche Aufgabeist wohl dieschwierigere,die<br />

eines CEO oder die eines CFO? Diese Frage<br />

lag amersten Swiss CFO Day gewissermassen<br />

inder Luft, und einer der fünf Referenten<br />

lieferte denn auch prompt die Antwort,<br />

die alle hören wollten: «Die des CFO natürlich!»<br />

Michel Demaré,Chief FinancialOfficer<br />

der ABB, räumte allerdings ein, dass er die<br />

Erfahrungen, die erimRahmen eines interimistischen<br />

Doppelmandats während eines<br />

halben Jahres auch als Chief Executive Officer<br />

sammeln durfte, nicht missen möchte,<br />

insbesondere den Fokus auf «strategisches<br />

Denken und Entscheiden».<br />

Es herrschte,keine Frage, eine sehr gute<br />

Stimmung im Casino Zug, zumal der CFO<br />

des finanziell wohl erfolgreichsten Kantons,<br />

LandammannPeter Hegglin,inseinerkurzen<br />

Begrüssungsrede seine Geheimnisse zwar<br />

nichtvölligpreisgab, sieaberwenigstensandeutete.<br />

Das von Rudolf Huber, Präsident<br />

des CFO ForumSchweiz (CFOs),ausgewählte<br />

Tagungsthema «Risiko – Gratwanderungen<br />

zwischen Erfolg und Absturz» erwies sich<br />

danach als gleichermassen anspruchs­ wie<br />

gehaltvoll. Männiglich war deshalb dankbar<br />

dafür, dass die Experten ihre halbstündigen<br />

Referate mit einer Prise Humor vortrugen,<br />

insbesondere Gerold Bührer, Präsident economiesuisse,der<br />

während desAbendessens<br />

über den Unternehmensstandort Schweiz<br />

zu sinnieren hatte.<br />

Was den guten CFO ausmacht<br />

Unternehmensberater Thomas Bohrer­Fieldingstörte<br />

sich am inflationären Umgangder<br />

Politiker und Medien mit dem Begriff «Risiko».<br />

Dies sei mitverantwortlich fürunsere<br />

riskante Gleichgültigkeit Risiken gegenüber.<br />

Mit globalenRisiken habe manohnehin noch<br />

kaum Erfahrungen, denn eigentlich gebe es<br />

die Globalisierung ja erst seit dem Fall des<br />

Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer<br />

1989,weilvorhereineklareBedrohungslage<br />

existierte. Zudem verwies Borer auf den aufschlussreichen<br />

GlobalRiskReportdes World<br />

Economic Forum, der zwei Dutzend globale<br />

Risiken für160 Länder darstellt.<br />

Wirtschaftswissenschaftler Fredmund<br />

Malik warnte vor einer trügerischen Sicherlysten<br />

und Investoren sowie besondere<br />

Leistungen undErfolge alsFinanzchef. Auch<br />

wenn die nackten Zahlen stimmen müssen,<br />

zielte die elfköpfige Jury also auf eine ganzheitliche<br />

Sicht ab. Inder Kategorie SMI­Firmen<br />

wurdeTheophil H. Schlatter,Finanzchef<br />

von Holcim, fürseine vorbildlich realisierte<br />

nachhaltige Finanzierung des Baustoffkonzerns<br />

gewählt. Beim Preisträger inder<br />

Kategorie SPI­Firmen, Gerard van Kesteren,<br />

CFO von Kühne&Nagel, wurde neben seinem<br />

Fachwissen die überragende Kommu­<br />

1 2<br />

nikationsfähigkeit hervorgehoben. Bei den<br />

CFOs­Firmen schliesslich schwang Andreas<br />

R. Herzog obenaus, daerwesentlich zur<br />

guten Entwicklung des Technologiekonzerns<br />

Bühler beigetragen und ein professionelles<br />

Risikomanagement eingeführt habe.<br />

Metamorphose statt reines Wachstum<br />

Gleichzeitig machte man sich Gedanken darüber,<br />

wasdenneinen «sehr guten»voneinem<br />

lediglich «guten»CFO unterscheide, und wer<br />

schliesslich 2009 der beste gewesen sei im<br />

Lande. Jurypräsident Professor Christoph<br />

Lengwiler, Leiter des Instituts fürFinanzdienstleistungen<br />

Zug IFZ der Hochschule<br />

Luzern, lieferte die fünf entscheidenden<br />

Beurteilungskriterien: Persönlichkeit, Vertrautheit<br />

mit dem Business der Unternehmung,<br />

Fachkompetenz, Reputation bei Ana­<br />

3<br />

1 Rudolf Huber (links), Präsident CFO Forum Schweiz, imGespräch mit seinem Referenten Urs Rohner,<br />

Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse. 2 Jurymitglied Hans Baumgartner (rechts) freut sich<br />

über den gelungenen ersten Swiss CFO Day. 3 Moderatorin Sandra Studer mit den drei Siegern (von links)<br />

Andreas R.Herzog, Bühler,Gerard van Kesteren, Kühne&Nagel, sowie Theophil H. Schlatter, Holcim.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

3<br />

heit: «MitBlick aufdie KrisenfrühererZeiten<br />

befürchte ich, dass die aktuelle Erholung<br />

nicht das Ende der Krise ist, sondern erst<br />

der Anfang.» Letztlich ist fürihn der Zeitpunkt<br />

der Neuen Welt gekommen,inder die<br />

Überlebensfähigkeit der Gesellschaft und<br />

der Unternehmen nicht mehr auf Wachstum<br />

beruht, sondern auf Metamorphose.<br />

DieUnternehmen müssen,soMalik,doppelt<br />

so gut funktionieren mit halb soviel Geld.<br />

Kundenfokussierung senkt Risiko<br />

Fotos: Patrick Kälin | Beat Märki<br />

Die Banken hätten in den vergangenen Jahren<br />

Fehler gemacht, indem sie teilweise zu<br />

produkteorientiert gehandelt hätten, führte<br />

Urs Rohner aus. Erkönne auch die Credit<br />

Suisse nicht ganz davon ausnehmen, doch<br />

habe man schon früh die Risikopositionen<br />

erkannt und wesentlich reduziert. «Das Risikomanagement<br />

muss inder ‹DNA› eines<br />

Unternehmenssein, eine spezialisierteFunktion<br />

innerhalb des Unternehmens reicht<br />

nicht»,betonte der Vizepräsident des Verwaltungsrats.<br />

Unternehmerische Risiken seien aber<br />

auch in Zukunft ein integraler Bestandteil<br />

des Bankgeschäfts. Rohner anerkannte dabei<br />

die Notwendigkeit verschärfter regulatorischer<br />

Vorschriften, doch warnte er in einer<br />

globalisierten Finanzwelt vor einem SchweizerAlleingang.<br />

Auch geltees, beijeder Massnahme<br />

die konkreten Auswirkungen auf die<br />

Realwirtschaft zu bedenken.<br />

Mit einer konsequenten Kundenfokussierung,<br />

gerade auch im InvestmentBanking,<br />

könne das Risiko deutlich reduziert werden.<br />

«Kenne deinen Kunden – und seine Bedürfnisse»,<br />

lautet ein relativ einfach klingendes<br />

Erfolgsrezept. Der Berater müsse den Kundenals<br />

langfristigenPartnerbetrachten. Das<br />

seidie Basis fürdas Vertrauenund damit für<br />

denGeschäftserfolg.ImIdealfall,soRohner,<br />

würden Banken und Unternehmen im gleichen<br />

Geist handeln. Dass dies möglich sei,<br />

zeige nicht zuletzt das Beispiel von Alfred<br />

Escher, dem Gründer der Credit Suisse.<br />

«Die Übergangszeiten zwischen den Wirtschaftsepochen<br />

sind es, indenen der Unternehmergeist<br />

blüht. Heute befinden wir uns<br />

in einersolchenPeriode», zitierteUrs Rohner<br />

den Zukunftsforscher John Naisbitt. Die<br />

aktuelleKrise lege den Nährboden fürUnternehmergeist<br />

– und das Eingehen von unternehmerischem<br />

Risiko. Andreas Schiendorfer<br />

i Mehr unter www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

und www.swisscfoday.ch; www.cfos.ch<br />

Barend Fruithof, Head Corporate &Institutional Clients,erklärteden Unternehmerinnen und<br />

Unternehmern, wie die Credit Suisse ihnen bei der Meisterung der Krise helfen kann – und wie die<br />

Situation auf dem Kreditmarkt aussieht.<br />

Schweizer KMU rüsten sich<br />

fürden Wiederaufschwung<br />

Mit einer praxisorientierten Veranstaltungsreihe unterstützte die Credit Suisse,<br />

zusammen mit PricewaterhouseCoopers und Swissmem, die Schweizer KMU<br />

auf ihrem Weg durch die Krise und beim Nutzen der sich bietenden Chancen.<br />

Ende Dezember 2009 waren bei den Regionalen<br />

Arbeitsvermittlungszentren (RAV)<br />

172740 Arbeitslose gemeldet. Damit betrug<br />

die Arbeitslosenquote in der Schweiz<br />

4,4 Prozent, was gegenüber dem Vorjahr<br />

eine Zunahme um45,5 Prozent ausmacht.<br />

Mit 5,4 Prozent lag die Jugendarbeitslosigkeit<br />

sogar noch deutlich höher.<br />

DieKrise lässt niemandenkalt, schon gar<br />

nicht die Credit Suisse, die sie besser und<br />

schnellerals andere Bankinstitute meisterte<br />

und bereits im ersten Quartal 2009 wieder<br />

aufdie Erfolgsstrassezurückkehrte.Sostartete<br />

sie gegen Ende 2009 eine Lehrstelleninitiative<br />

(siehe Seite 50).<br />

Das Rückgrat der Schweiz stärken<br />

Gerade in der Schweiz ist die Credit Suisse<br />

eng mit der Bevölkerung und vor allem auch<br />

mit der Wirtschaft verbunden, da sie über<br />

<strong>10</strong>0000 Firmenkunden betreut. Als Verantwortlicher<br />

fürdas KMU­Geschäft fühltHans<br />

Baumgartner tagtäglich den Puls der vielen<br />

Klein­ und Kleinstunternehmen, die zusammen<br />

das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft<br />

bilden. Dies motivierte ihn zur Veranstaltungsreihe<br />

«Erfolgreich durch dieKrise». Sein<br />

Rezept: Man hole sich intern und extern die<br />

richtigen Partner ins Boot und biete den<br />

Besuchern darüber hinaus eine Plattform,<br />

um sich auszutauschen. Konkret bedeutet<br />

dies,dassdie Veranstaltungsreihe vonPricewaterhouseCoopers<br />

(PWC) und Swissmem<br />

mitgetragen wurde und dass – vor einem<br />

Vernetzungsapero – jeweils drei Unternehmer<br />

über ihre Erfahrungen berichteten.<br />

In Zürich beispielsweise referierte Markus<br />

Koch, Partner bei PricewaterhouseCoopers,<br />

über die zehn Schlüsselprioritäten inder<br />

Krise (siehe Box auf Seite 38). Nationalrat<br />

und Unternehmer Johann N. Schneider­Ammann,<br />

Präsident Swissmem, erläuterte die<br />

aktuelle Situation aus der Sicht der Maschinen­,<br />

Elektro­ und Metallindustrie (MEM).<br />

Dabei wurde klar, wie wichtig die MEM­Industrie<br />

nach wie vor ist, denn sie beschäftigte<br />

Ende 2008 über 355000 Mitarbeitende.<br />

Dies bedeutet gegenüber dem Tiefststand<br />

von 2004 eine Zunahme von 48 889 Arbeitsplätzen<br />

(+ 15,9 Prozent), was den gegenwärtigen<br />

Abbau etwas relativiert. Der Swissmem­Präsident<br />

lobte die funktionierende<br />

Sozialpartnerschaft in derIndustrie alseinen<br />

entscheidendenStandortvorteilder Schweiz.<br />

«Die Gewerkschaften zeigen Verständnis für<br />

denStellenabbau»,soSchneider­Ammann. ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


3<br />

Credit Suisse<br />

Barend Fruithof, Johann N. Schneider­Ammann<br />

und Mireille Jaton im Gespräch mit Unternehmern.<br />

Johann N. Schneider­Ammann referierte aus der<br />

Sicht der Swissmem und des Unternehmers.<br />

«Die Diskussion ist nicht, ob, sondern wie.<br />

Es ist eine Stilfrage.» Um diese Flexibilität<br />

auf dem Arbeitsmarkt werde man imAusland<br />

beneidet.Was Umsatz und Auftragseingang<br />

anbelange,gäbe es nun – auf tieferem<br />

Niveau – vermehrt Zeichen der Stabilität.<br />

Deshalb erachte er die Kurzarbeit als vorzügliches<br />

Mittel, um dieZeitbis zumvermehrten<br />

Bestellungseingang zu überbrücken.<br />

Der Swissmem­Präsident riet zu offensiven<br />

Massnahmen wie Aus­ und Weiterbildung<br />

der Mitarbeitenden, Investitionen in<br />

die Entwicklung neuer Produkte, Ausnützen<br />

derallgemeinenVerunsicherungzur Vergrösserung<br />

des Marktanteils, aber auch dazu,<br />

Prozesse und Unternehmensstrukturen effizienter<br />

und schlanker zu gestalten.<br />

Im Übrigen hat er sich – durch konkrete<br />

Zahlen –überzeugen lassen, dass keine<br />

Kreditklemme, kein Credit Crunch, besteht.<br />

Im Gegenteil: DasKreditvolumen fürFirmen<br />

ist während der Krise spürbar gewachsen,<br />

bei der Credit Suisse beispielsweise um<br />

drei Prozent. Schneider­Ammann fordert<br />

denn auch keinen Überbrückungsfonds für<br />

Firmenkreditemehr, sondern eine geeignete<br />

Defizitgarantie seitens des Bundes.<br />

Firmenkredit nicht fahrlässig verteuern<br />

Die zehn Schlüsselprioritäten in der Krise<br />

Die zehn Schlüsselprioritäten werden von Pricewaterhouse­<br />

Coopers jeweils nach dem gleichen Schema behandelt:Worum<br />

geht es?Was gilt es zu beachten?Welche Fragen sollten Sie<br />

sich stellen?Markus Koch ging in seinem Referat vertieft auf<br />

«Cash is King»ein, weil Unternehmen, die aus der letzten Rezession<br />

als Marktführer in ihrem Segment hervorgegangen sind, vor der<br />

Krise im Vergleich zu ihren Konkurrenten nur etwa den halben<br />

Nettoverschuldungsgrad aufwiesen. Gleichzeitig verfügten sie<br />

über erheblich höhere Barbestände. Deshalb sollte das Cash<br />

Management Bestandteil der täglichen Prioritätenliste sein und<br />

es beansprucht in der Krise natürlich zusätzliche Beachtung.<br />

1 Betrachten Sie die Situation aus der Nähe.<br />

2 Handeln Sie mit Entschlossenheit.<br />

3 Denken Sie daran: «Cash is King.»<br />

4 Richten Sie den Fokus auf das Wesentliche.<br />

Steuern Sie Ihre Kostenbasis.<br />

Verlangen Sie verlässliche Informationen.<br />

Planen Sie unterschiedliche Szenarien.<br />

Erkennen Sie den Wert Ihrer Mitarbeitenden.<br />

Denken Sie an Ihre Stakeholder.<br />

<strong>10</strong> Nutzen Sie die Chancen.<br />

Quelle: PricewaterhouseCoopers Schweiz. Erfolgreich durch die Krise. www.pwc.ch<br />

Barend Fruithof, Head Corporate&Institutional<br />

Clients Credit Suisse, ist überzeugt,<br />

dass die Schweiz zu den Gewinnern der Krise<br />

gehören wird.Erbetonte,dassdie Kredite<br />

bei der Credit Suisse nach den gleichen<br />

Kriterien wie bisher gesprochen werden.<br />

Zwar zeigte erein gewisses Verständnis<br />

dafür, dass man nach der Finanzkrise nicht<br />

einfachzur Tagesordnung übergehen möchte,<br />

er machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam,<br />

dass die derzeit diskutierten regulatorischen<br />

Initiativen eine markante Verteuerung<br />

der Firmenkredite nach sich ziehen<br />

würden. Während jetzt eine Balance zwischen<br />

Spareinlagen und Firmenkrediten<br />

bestehe, müsste die Credit Suisse danach<br />

einen Teil der Gelder selber teuer auf dem<br />

Markt beschaffen.<br />

Schliesslich wies Fruithof auf die gute<br />

Partnerschaft zwischen der Credit Suisse<br />

und vielen Unternehmerinnen und Unternehmern<br />

hin und betonte, dass die meisten sich<br />

in dieser schwierigen Zeit vorbildlich und zukunftsgerichtet<br />

verhalten. Andreas Schiendorfer<br />

i Ein ausführlicher Bericht über die<br />

Veranstaltungsreihe findet sich unter<br />

www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />

Fotos: Beat Märki<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 39<br />

Die Branchenlandschaft<br />

der Schweiz im Fokus<br />

Das Branchenhandbuch 20<strong>10</strong> zeigt die unterschiedlichen Situationen der<br />

einzelnen Branchen in der Schweiz auf. Exportorientierte und technologieintensive<br />

Branchen dürften sich in den nächsten Jahren besonders<br />

dynamisch entwickeln.<br />

Nach dem Krisenjahr 2009 präsentiert sich<br />

die Ausgangslage für die Schweizer Branchen<br />

unterschiedlich. So dürften die konsumnahen<br />

Binnenbranchen stärker unter<br />

Druck kommen. Bei den exportorientierten<br />

Industriezulieferern sind indessen bereits<br />

Signale einer Erholung auszumachen. Über<br />

alle Branchen betrachtet wird die Schweizer<br />

Wirtschaft 20<strong>10</strong> um 0,6 Prozent wachsen.<br />

Das Branchenhandbuch zeigt auf, wie sich<br />

Firmenkonkurse und Arbeitslosigkeit unterschiedlich<br />

in den Branchen niederschlagen.<br />

Die konjunkturelle Talsohle wurde zwar durchschritten,<br />

die Erholung 20<strong>10</strong> wirkt sich allerdings<br />

in unterschiedlichem Tempo und Ausmass<br />

auf die einzelnen Branchen aus.<br />

Impulse aus Schwellenmärkten<br />

So wie die Rezession mehrheitlich importiert<br />

war, ist auch die Triebfeder des Aufschwungs<br />

vor allem im Ausland zu finden. Für die Exporttätigkeit<br />

erwarten wir für 20<strong>10</strong> einen<br />

Zuwachs von fünf Prozent. Auslöser für<br />

dieses Exportwachstum dürften weniger die<br />

traditionellen Aussenhandelspartner, sondern<br />

vielmehr die Schwellenländer sein, die<br />

weit weniger von der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

betroffen waren. Dazu zählen beispielsweise<br />

China, Indien und Brasilien. Vor allem<br />

exportorientierte Zulieferindustrien dürften<br />

von der Erholung der Weltwirtschaft profitieren.<br />

Dazu zählen neben den Produzenten<br />

chemischer Grundstoffe die Metallerzeuger,<br />

die Kunststofffabrikanten oder die Hersteller<br />

von Papierprodukten. Auf Seiten der Dienstleister<br />

dürften vor allem die Informatik- und<br />

Unternehmensdienstleistungsbranche von<br />

der Erholung profitieren. Die Aussichten für<br />

die Finanzdienstleister präsentieren sich im<br />

Lichte der soliden Einkommensperspektiven<br />

in aufstrebenden Märkten einerseits positiv,<br />

sie sind aber angesichts der laufenden Diskussion<br />

um die Finanzmarktregulierung von<br />

Unsicherheiten belastet.<br />

Der Privatkonsum dürfte im laufenden Jahr<br />

zwar nach wie vor wachsen, vor dem Hintergrund<br />

der weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit<br />

allerdings in spürbar geringerem Tempo<br />

als 2009. Dies dürfte 20<strong>10</strong> zu leicht sinkenden<br />

Detailhandelsumsätzen führen. Binnenorientierte<br />

Konsumgüterhersteller sowie Gastgewerbe<br />

und Autogewerbe werden unter der<br />

Konsumflaute leiden. Das staatliche Ausgabenwachstum<br />

wird geringer ausfallen als<br />

2009. Der Bauwirtschaft drohen aufgrund<br />

von Schwächezeichen im Hochbau sowie<br />

nachlassender Dynamik im Tiefbau teilweise<br />

Überkapazitäten.<br />

Industriebetriebe, Unternehmensberater<br />

oder der Grosshandel erfuhren einen besonders<br />

starken Anstieg der Konkurse. Einen<br />

überdurchschnittlichen Anstieg verzeichneten<br />

zudem Holding- und Investmentgesellschaften,<br />

die zu den Finanzdienstleistern<br />

gezählt werden. Binnenorientierte Branchen<br />

wie der Bau oder die Gastronomie verzeichneten<br />

strukturbedingt selbst im Boom steigende<br />

Konkurszahlen; die unmittelbaren<br />

Auswirkungen der Krise sind aber schwächer.<br />

Wir erwarten, dass die Konkurse 20<strong>10</strong> weiter<br />

ansteigen, wenn auch mit deutlich geringerem<br />

Tempo als 2009.<br />

Die mittelfristigen Aussichten<br />

Mit Hilfe eines eigens entwickelten Chancen-<br />

Risiko-Modells untersuchen wir die Branchenperspektiven<br />

über die nächsten drei bis<br />

fünf Jahre. Die Grundlage dabei bilden strukturelle<br />

Angebotsfaktoren und langfristige<br />

Nachfragetrends, die sich mehrheitlich unabhängig<br />

von konjunkturellen Einflüssen entwickeln.<br />

Die Rangliste wird von der chemischpharmazeutischen<br />

Industrie, der Medizinaltechnik<br />

und den Messinstrumenten sowie von<br />

der Uhrenindustrie angeführt. Diese Exportbranchen<br />

sind dank ihrer Technologieführerschaft<br />

international besonders wettbewerbsfähig.<br />

Hinter dieser Gruppe folgen das Gesundheitswesen<br />

sowie die Unternehmens- und<br />

Finanzdienstleister. Ersteres profitiert von<br />

einer stetig wachsenden Nachfrage, bedingt<br />

unter anderem durch die Alterung der Gesellschaft,<br />

während Letztere von der fortschreitenden<br />

Arbeitsteilung in Industrie- und<br />

Dienstleistungsbranchen profitieren. Trotz<br />

Finanzkrise und eines angekratzten Bankgeheimnisses<br />

bleibt der Finanzplatz international<br />

gut positioniert und für die Zukunft gerüstet.<br />

Am unteren Ende der Skala finden sich<br />

Branchen mit strukturellen Problemen auf<br />

der Angebotsseite. Dazu zählen Papierindustrie,<br />

Druck- und Verlagswesen, Textil- und<br />

Bekleidungsindustrie, Gastgewerbe und<br />

Landwirtschaft. Nicole Brändle, Economic Research<br />

Bestellen Sie das neue Branchenhandbuch<br />

und den Retail Outlook mit dem <strong>bull</strong>etin Talon.<br />

Das Economic Research der Schweiz publiziert regelmässig Studien<br />

über die Lage und die Zukunftsaussichten der Schweizer Branchen<br />

und Regionen. Neben dem Branchenhandbuch 20<strong>10</strong> erschien Anfang<br />

Jahr auch der Retail Outlook 20<strong>10</strong>, der einen Ausblick auf das laufende<br />

Detailhandelsjahr gibt. Auch 20<strong>10</strong> wird der private Konsum einen<br />

positiven Beitrag ans Wirtschaftswachstum leisten, zumal der Inhalt der<br />

Lohntüten nominal um 0,8 Prozent zunehmen wird. Allerdings tauchen<br />

doch gewisse Wolken am Konsumhimmel auf. Interessant ist deshalb,<br />

wie 150 Entscheidungsträger der Branche die Aussichten einschätzen.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


40 Credit Suisse<br />

Die 223­Jährigefeiertden <strong>10</strong>0.Geburtstag<br />

Es soll, inAnlehnung an «Rathaus» und «Schulhaus»,eine Begegnungsstätte füralle sein, ein Haus,<br />

das Museum und Kunsthalle zugleich ist: Das Kunsthaus Zürich wird am 17.April 19<strong>10</strong> eingeweiht.<br />

Im Jubiläumsjahr 20<strong>10</strong> stellt die Zürcher Kunstgesellschaft die Weichen für weitere <strong>10</strong>0 Jahre.<br />

1<br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika erhaltenihreVerfassung.<br />

Alserstem Bürgerlichen<br />

Deutschlands wird GottfriedWilhelmLeibniz<br />

in Hannover ein Denkmal gesetzt, und in<br />

Frankreich versucht König Ludwig XVI. die<br />

privilegierten Stände zum Verzicht auf ihre<br />

Steuerfreiheit zu bewegen. Doch die Revolution<br />

lässt sich nicht mehr aufhalten.<br />

In Zürich aber wird der älteste immernoch<br />

aktive Kunstverein der Schweiz gegründet –<br />

und mit heute rund 20 000 Mitgliedern auch<br />

der grösste. 1794 beginnt die exklusive<br />

«Künstlergesellschaft»ihre Sammeltätigkeit.<br />

Zunächst stellt sie ein so genanntes Maler­<br />

Buch zusammen. Jedes Mitglied stiftet eine<br />

eigene oder eine gekaufte Zeichnung. Die<br />

Zürcher Künstler brauchen damals den internationalen<br />

Vergleich nicht zuscheuen.<br />

Johann Heinrich Füssli sorgt in London für<br />

Furore und wird 1788 in die Royal Academy<br />

of Arts aufgenommen. Und auch der Malerpoet<br />

Salomon Gessner findet weltweit Anerkennung.<br />

Allein Goethe scheintsichnicht so<br />

recht fürseine Werke erwärmen zu können.<br />

1818 übergibt die Stadt Zürich das «Gessnerische<br />

Gemählde­Cabinet» der Künstlergesellschaft<br />

als Dauerleihgabe und legt damit<br />

den eigentlichen Grundstein zur Kunsthaus­Sammlung.<br />

DieAusstellung «Salomon<br />

Gessner. Idyllen in gesperrter Landschaft»<br />

trägt diesem Umstand Rechnung. Füssli hingegen<br />

ist 2005/2006 mit der Ausstellung<br />

«The Wild Swiss» gewürdigt worden.<br />

1<strong>10</strong><br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika beschliessen<br />

die Annexion von Spitzbergen.<br />

In Deutschland kommt das Spiel «Mensch<br />

ärgere Dich nicht»(«Eile mit Weile») auf den<br />

Markt, und Gustav Mahlers «Sinfonie der<br />

Tausend»(8. Sinfonie) wird uraufgeführt. In<br />

München, und nicht etwainWien oder New<br />

York,woMahlerdas NewYorkPhilharmonic<br />

leitet. Montenegro wird zum Königreich<br />

erhoben. Und das «Bureau International<br />

Permanent delaPaix» in Bern erhält den<br />

Der künstlerisch gestaltete Wegweiser durch das<br />

Jubiläumsjahr. www.kunsthaus.ch.<br />

Nobelpreis.Dochdas nationalistische Machtstreben<br />

– der Grosse Krieg – lässt sich nicht<br />

mehr aufhalten.<br />

In Zürich aber wird auf dem Landoltgut<br />

am Heimplatz dasKunsthaus eröffnet. Nicht<br />

«Museum»und nicht «Kunsthalle», wie Architekt<br />

Karl Moser ausführt, sondern beides.<br />

Die Namensgebung «Kunsthaus»steht ganz<br />

bewusst in der Tradition anderer demokratischerInstitutionenwie<br />

Rathaus oder Schulhaus.<br />

Die Sammlung der Zürcher Kunstgesellschaft<br />

hat unterdessen nationale Bedeutung<br />

erlangt. Geprägt werden die Jahre<br />

zwischen 1880 und 1914 durch Künstler wie<br />

Arnold Böcklin, Albert Anker, Franz Hodler,<br />

Giovanni Segantini,AlbertWelti,Adolf Wölfli,<br />

Félix Vallotton, Cuno Amiet, Augusto Giacometti,<br />

Adolf Dietrich, Paul Klee sowie Hans<br />

Arpund Sophie Taeuber­Arp. Alberto Giacomettihingegen,<br />

heuteinder Sammlungsehr<br />

gut vertreten, wird erst 19<strong>01</strong> geboren. Man<br />

spricht aber mit Respekt von Giovanni,<br />

seinem Vater. Das Kunsthaus widmet seine<br />

letzteAusstellung 20<strong>10</strong> dem vor 150 Jahren<br />

geborenen Karl Moser, der 1925 die erste<br />

Erweiterung noch selber realisiert hat.<br />

20<strong>10</strong><br />

Wir schreiben das Internationale Jahr der<br />

Biodiversität und ebenso jenes der Annäherung<br />

der Kulturen. Essen/Ruhr, Pécs in Ungarn<br />

sowie Istanbul sind Kulturhauptstädte<br />

Europas. Gleich zu Jahresbeginn wird der<br />

Burdsch Chalifa, der Turm des Kalifen, als<br />

höchstes Gebäude der Welt eingeweiht.<br />

Stolze 828 Meter. Nur acht Tage später erschüttert<br />

ein Erdbeben in Haiti die Welt.<br />

Und das Kunsthaus Zürich? Essetzt seine<br />

Gratwanderung zwischen zugkräftigen<br />

Klassikern (Sammlung Bührle, Pablo Picasso)<br />

und Avantgarde (Adrian Paci, Thomas<br />

Struth) fort und peilt wieder seine magische<br />

Marke von 300000 Besuchern an.<br />

2<strong>01</strong><br />

Zur Überraschung vieler werden die acht<br />

Millenniumsziele, insbesondere die Reduzierung<br />

der inArmut lebenden Menschen um<br />

die Hälfte, doch noch erreicht. Und trotz<br />

Klimaerwärmung trifftder von manchen prophezeite<br />

Weltuntergang nichtein.Zum Glück.<br />

Der Gotthard­Basistunnel wird als längster<br />

Tunnel der Welt eingeweiht.<br />

In Zürich aber besuchen nun über<br />

400000 Besucherdas erweiterte Kunsthaus.<br />

Auf das vielversprechende Projekt von Stararchitekt<br />

David Chipperfield ist imLauf des<br />

Jubiläumsjahres zurückzukommen.<br />

Andreas Schiendorfer<br />

i Tag der offenen Türe am 1.April<br />

(freier Eintritt).Sonderausstellungen:<br />

Salomon Gessner (bis 1..);<br />

Sammlung Bührle (bis 1..); Adrian Paci<br />

(4..–22..); Thomas Struth (11..–12..);<br />

Carl Wilhelm Kolbe (<strong>10</strong>..–2.11.);<br />

Pablo Picasso (1.<strong>10</strong>.20<strong>10</strong>–30.1.2<strong>01</strong>1);<br />

Karl Moser (ab 1.12.)<br />

Fotos: Tobias Frieman | © 2008 www.jpg­factory.com | © www.jpg­factory.com<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 41<br />

Das vor <strong>10</strong>0 Jahren erbaute Kunsthaus Zürich schlägt einen interessanten und publikumswirksamen Bogen von der traditionellen zur modernen Kunst.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


42 Credit Suisse<br />

Nachwuchsförderung<br />

in derKulturregion Asien<br />

Am Hong Kong Arts Festival fanden zum zweiten Mal die Credit Suisse<br />

Emerging Artists Series statt. Dabei traten die amerikanische Sopranistin<br />

Simone Osborne, das finnische Meta4 Quartet sowie das Freiburger<br />

Barockorchester auf. Im Singapore Art Museum wurde an der President Young<br />

Talents Exhibition der Credit Suisse Artist Residency Award verliehen.<br />

Das traditionelle Engagement der Credit<br />

Suisse in Kultur und Sport ist inden letzten<br />

Jahren zunehmend um die Komponente der<br />

Nachwuchsförderung erweitert worden. Ein<br />

erster Meilenstein indieser Hinsicht war die<br />

Gründung des Davos Festival imSommer<br />

1986 durch Michael Haefliger. In Davos wurde,von<br />

Anfang an mitHilfe derCreditSuisse,<br />

eine Plattform fürjunge, hochbegabte Musiker<br />

aus aller Welt etabliert.ImSportbereich<br />

folgte die gezielte Förderung talentierter<br />

Fussballer im Jahr 1993 mitBeginn derPartnerschaft<br />

mit dem Schweizerischen Fussballverband.<br />

Bereits seit1 Sponsoringaktivitäten<br />

Im asiatischen Raum reicht das Kultursponsoring<br />

der Credit Suisse bis ins Jahr 1999<br />

zurück, als man das Beijing Music Festival<br />

zu unterstützen begann. Aus der Sicht der<br />

Nachwuchsförderung sind zwei Partner besonders<br />

hervorzuheben, das Singapore Art<br />

Museum (SAM) sowie das Hong Kong Arts<br />

Festival.<br />

Im SAM findetseit 2007 im Rahmen einer<br />

Partnerschaft dieReihe InnovationinArt statt,<br />

die grundsätzlich der Förderung zeitgenössischer<br />

Künstler gilt, wie Tan Boon Hui, der<br />

Direktor des Singapore Art Museum, bestätigt.<br />

Ende 2009 wurde nun erstmals ein bedeutender<br />

Nachwuchspreis in der Höhe von<br />

50000 Singapur­Dollar(rund 40000 Schweizer<br />

Franken) verliehen: Im Rahmen der Ausstellung<br />

President Young Talents übergab<br />

das Staatsoberhaupt der Republik Singapur,<br />

Präsident S. R. Nathan, höchstpersönlich<br />

dem Künstlerkollektiv Vertical Submarine<br />

den Credit Suisse Artist Residency Award<br />

(PYT). Dieser ermöglicht es den jungen<br />

Künstlern Joshua Yang, Justin Loke und<br />

Fiona Koh im mexikanischen Pasaguero,<br />

einem kulturellen Schmelztiegel von internationalem<br />

Format, ein Atelier zu beziehen.<br />

Seitens der Credit Suisse drückte Lito Camacho,<br />

Vizepräsident Asia Pacific, seine<br />

Hoffnung aus, dass sich die Künstler inPasaguero<br />

weiterentwickeln können und dass<br />

dieser Preis zueinem Meilenstein inder Kulturförderung<br />

in Singapur wird.<br />

Im gleichen Rahmen wurde Donna Ong<br />

der People’s Choice Award zugesprochen,<br />

undmit TwardzikChingChorLeng undFelicia<br />

Lowerhielten zwei weiteretalentierteeinheimische<br />

Künstler eine Auszeichnung.<br />

West und Ost im Kulturaustausch<br />

Ebenfalls 2009 startete dieCreditSuisse im<br />

Rahmen des Hong Kong Arts Festival eine<br />

Nachwuchsförderung mit internationaler<br />

Ausstrahlung: die Emerging Artists Series,<br />

diejeweils Auftrittevon Künstlern ermöglicht,<br />

diekurzvor deminternationalenDurchbruch<br />

stehen. Vor einem Jahr traten der BassbaritonShenyang,<br />

derCellistTreyLee sowieder<br />

Tänzer und Choreograf Dick Wong auf, also<br />

drei asiatische Künstler, die auch schon im<br />

Westen einen beachtlichen Bekanntheitsgrad<br />

erlangt haben. 20<strong>10</strong> war esnun genau<br />

umgekehrt, indemKünstleraus demWesten<br />

die Möglichkeit erhielten, sich in Hongkong<br />

zu präsentieren und amFestival neue Impulse<br />

zu erhalten.Zunächst sang am 11.März<br />

die amerikanische Sopranistin Simone Osborne<br />

Lieder von Strauss, Liszt und Schumann.<br />

Amfolgenden Tag trat das finnische<br />

Meta4 Quartet auf, bestehend aus AnttiTikkanen,<br />

Minna Pensola, AtteKilpeläinen und<br />

TomasDjupsjöbacka. Es interpretiertedabei<br />

nicht nur den grossen finnischen Meister<br />

Sibelius, sondern auch dessen zeitgenössischen<br />

LandsmannVerneri Pohjola. Zum Abschluss<br />

der Emerging Artists Series war am<br />

13./14. März dasFreiburger Barockorchester<br />

unter der Leitung des bekannten Dirigenten<br />

René Jacobs mit den Solisten Sebastian<br />

Wienand, Hammerklavier, Teunis van der<br />

Zwart, Horn, sowie Gottfried von der Goltz,<br />

Violine, zu hören. Andreas Schiendorfer<br />

i www.singart.com<br />

i www.singaporeartmuseum.sg<br />

i www.hk.artsfestival.org<br />

Beijing<br />

Schanghai<br />

Hongkong<br />

Bangkok<br />

Singapur<br />

Taipeh<br />

Teil einer gut funktionierenden Gesellschaft «Die Partnerschaft<br />

mit dem Hong Kong Arts Festival unterstreicht unser Credo,<br />

uns in jenen Regionen, in denen wir leben und arbeiten, fürdie<br />

Gesellschaft zu engagieren, erklärt Kai Nargolwala, CEO Asia<br />

Pacificder Credit Suisse. Dies kann durch philanthropische<br />

Projekte geschehen, durch das Organisieren von Veranstaltungen<br />

mit Leadern aus Wirtschaft und Wissenschaft, die den<br />

öffentlichen Dialog fördern, aber auch durch Kultursponsoring.<br />

«Wir sind überzeugt, dass künstlerische Betätigung ein entscheidender<br />

Aspekt einer gesunden, gut funktionierenden Gesellschaft<br />

ist», betont Nargolwala. Die wichtigsten Kulturpartner in<br />

Asien sind das Beijing Music Festival, das Shanghai Museum,<br />

das Taipei Fine Arts Museum, das Hong Kong Arts Festival, das<br />

Bangkok Symphony Orchestra sowie das Singapore Art Museum.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 43<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Credit Suisse AG<br />

Postfach 2<br />

CH­8070 Zürich<br />

Telefon +41 44333 11 11<br />

Fax +41 44332 55 55<br />

Redaktion<br />

Daniel Huber (Chefredaktor, dhu),Dorothée Enskog (de),<br />

Regula Gerber (rg), Michael Krobath (mk),<br />

Mandana Razavi (mar) und Andreas Schiendorfer (schi)<br />

E­Mail<br />

redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit­suisse.com<br />

Mitarbeit andieser Ausgabe<br />

Martin Bernhard, Nicole Brändle, Dennis Brandes,<br />

Gerd Braune, Karim Cherif, Valérie Clapasson Fahrni,<br />

Claudia Goldberg, Julia Hancock, Florian Hitz,Anja Hochberg,<br />

Ian Lewis, Uwe Neumann, Mathias Plüss, André Rogger,<br />

Karin Schwerzmann, Susanne Steffen, Andreas Walker<br />

Internet<br />

www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Marketing<br />

Veronica Zimnic (vz)<br />

Edit Oderbolz, «Ohne Titel»(weisseBilder), 2009,vierbeschichtete Spanplatten, Acrylglas,<br />

237 x 170 x3cm. Ausgestellt inder Geschäftsstelle Credit Suisse AG,Bleicherweg 33,Zürich Enge.<br />

Kunstund BauinZürich<br />

Die Fachstelle Kunst stattet die Kundenhallen und Besprechungszimmer<br />

der Credit Suisse AG mit aktuellen Kunstwerken aus dem Schweizer Umfeld aus.<br />

Ergänzend zur regulären Sammlungstätigkeit werden ortsspezifische Arbeiten<br />

realisiert. So hat die Basler Künstlerin Edit Oderbolz im November 200 ein<br />

Werkensemble für die renovierte Geschäftsstelle Zürich Enge geschaffen.<br />

Edit Oderbolz’ Werke spielen mit einer Travestie des Materials. Auf den ersten<br />

Blick scheinen die Dinge etwas zu sein, was sie nicht sind. So besteht das Relief<br />

«Ohne Titel»(weisse Bilder) imTreppenaufgang der zweigeschossigen Kundenhalle<br />

aus beschichteten Spanplattenteilen, die grob mit der Handsäge geschnitten<br />

wurden. Unter der schützenden Acrylglasscheibe indes erscheint das<br />

Material aus der Sperrgutmulde wie ein Werk der amerikanischen Farbfeldmalerei,<br />

rauer vielleicht, doch ebenso ästhetisch. Oderbolz spielt so auch mit<br />

der Aura des Kunstwerks: In ihrem Relief wird das billige Industrieprodukt<br />

einzigartig und gewinnt eine Schönheit, die auf den feinen Grat zwischen dem<br />

Ästhetischen und dem Banalen hinweist. Edit Oderbolz’ Relief nimmt so<br />

den Dialog auf mit der Beton­Glas­Architektur der Geschäftsstelle, die sich<br />

in einer Ikone der modernen Zürcher Architektur befindet: dem skulpturalmonumentalen<br />

«Hochhaus zur Palme»von Haefeli Moser Steiger (1–4).<br />

Mehr Informationenunter www.credit­suisse.com >Wir über uns ><br />

Sponsoring >Kunst>SammlungCreditSuisse André Rogger,Leiter Fachstelle Kunst<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Übersetzungen<br />

Credit Suisse Language Services<br />

Gestaltung<br />

www.arnold.inhaltundform.com:<br />

Arno Bandli, Raphael Bertschinger, Monika Häfliger,<br />

Petra Feusi (Projektmanagement),<br />

Carola Bächi (Korrektorat)<br />

Inserate<br />

print­ad kretz gmbh, Andrea Hossmann,<br />

General Wille­Strasse147, 8706 Feldmeilen,<br />

Tel. 055 535 74 61, E­Mail: <strong>bull</strong>etin@kretzgmbh.ch<br />

Beglaubigte WEMF­Auflage 2009<br />

145504<br />

ISSN­Registrierung<br />

ISSN 1423­1360<br />

Druck<br />

NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />

Redaktionskommission<br />

René Buholzer (Head Public Policy), Monika Dunant (Head<br />

Internal Corporate Communications PB/CH/CIO), Urs P.Gauch<br />

(Leiter Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />

(Direktor Credit Suisse Foundation), Anja Hochberg<br />

(Head Investment Strategy Asset Management),Angelika Jahn<br />

(Investment Services &Products), Hanspeter Kurzmeyer (Head<br />

Private Clients Switzerland), Martin Lanz (Economic Research),<br />

Andrés Luther (Head Group Communications), Charles Naylor<br />

(Head Corporate Communications), Christian Vonesch (Head<br />

Private&Business Banking Aarau)<br />

Erscheint im11.Jahrgang<br />

(5xpro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />

Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />

Adressänderungen<br />

Bitteschriftlich und unter Beilage des Original­Zustellcouverts<br />

an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />

Credit Suisse AG, SULA 213, Postfach <strong>10</strong>0, 8070 Zürich.<br />

Foto: Christian Schnur<br />

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />

Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />

der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />

Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />

notwendigerweise positive Entwicklungen inder Zukunft.<br />

Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />

wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />

fürTransaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />

Group verwendet worden sein. Die indiesem Dokument vertretenen<br />

Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />

zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />

Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


44 Credit Suisse<br />

Habitatfor Humanity:Gemeinsam<br />

gegenWohnungsnot<br />

Wer als Freiwilliger mit Habitat for Humanity Häuser baut, leistet nachweislich einen Beitrag zur<br />

Lösung des Wohnungsproblems. Die Credit Suisse arbeitet weltweit mit der gemeinnützigen<br />

Organisation zusammen, ruft intern zur Mitarbeit auf und hofft extern auf möglichst viele Nachahmer.<br />

«Sie hatten vielleicht nie vor, auf dem Bau zu<br />

arbeiten.Möglicherweise sind Sie noch nicht<br />

einmal vonIhren handwerklichenFähigkeiten<br />

überzeugt. Aber auch Sie können beim Bau<br />

vonHäusern fürMenschenhelfen,denen es<br />

nicht sogut geht wie Ihnen.»<br />

Das ist die einfache und doch wirkungsvolle<br />

Botschaft von Habitat for Humanity an<br />

alle, die gerne helfen wollen, aber nicht wissen,<br />

wie. Die gemeinnützige Organisation<br />

wurde 1976 vom amerikanischen Unternehmer<br />

Millard Fuller und seiner Frau Linda in<br />

Americus, Georgia, gegründet. Ihrer Initiative<br />

lagen die Erfahrungen zugrunde, die sie<br />

mit sozial Schwachen im US­Bundesstaat<br />

Georgia selbst, aber auch inZentralafrika<br />

gemacht hatten. Heute ist Habitat for Humanity<br />

in annähernd <strong>10</strong>0 Ländern vertreten.<br />

DieOrganisation hatmehrals 300000 Wohnungen<br />

in 3000 Gemeinden entweder renoviert<br />

oder neu gebaut und soeinen ansehnlichen<br />

BeitragimKampf gegendie weltweite<br />

Wohnungsnot geleistet. Diesen Erfolg verdankt<br />

das christliche Hilfswerk vor allem<br />

den Freiwilligen, die den zukünftigen Eigentümern<br />

beiihren Bauprojektenhalfen, sowie<br />

Baufirmen,die denunerfahrenen «Bauarbeitern»<br />

mit Rat und Tat zur Seite standen.<br />

Das Gefühl, Grossartiges zu leisten<br />

«Ein Freiwilliger mag zuvor noch nie einen<br />

Hammer in dieHandgenommen haben, aber<br />

am Ende seines ersten Tages auf dem Bau<br />

wird er trotzdem das Gefühl haben, etwas<br />

Grossartigesvollbracht zu haben»,weiss Joe<br />

Mulvey, der Direktor für Unternehmensentwicklung<br />

beiHabitat forHumanityInternational,<br />

zu berichten. «Manchmal kann dank<br />

Freiwilligen der gesamte Rohbau eines<br />

Hauses ineinem Tag fertiggestellt werden.»<br />

Ob bescheidene Behausungen auf dem<br />

Land oder ganze Mehrfamilienhäuser – die<br />

Vielfalt der Projekte ist fast unendlich. Und<br />

sie werden nahezu überall auf der Welt<br />

durchgeführt: sowohl in Lateinamerika als<br />

auch in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion<br />

oder im asiatisch­pazifischen Raum<br />

undselbstinden ärmeren Gebietender USA<br />

und Europas.<br />

Nutzniesser sind ebenfalls gefordert<br />

Bei Habitat for Humanity geht esnicht darum,<br />

Menschen einfach etwas zu schenken.<br />

Von den Nutzniessern wird erwartet, dass<br />

sie woimmer möglich selbst Hand anlegen<br />

und sogenannte «sweat equity»beisteuern.<br />

Ausserdem müssen sie inder Lage sein, ein<br />

zinsloses Darlehen oder einen Kredit für Renovierungsarbeiten<br />

zurückzuzahlen.<br />

Dadurchwirdsichergestellt,dasssie sich<br />

auch selbst starkengagieren.Viele Projekte<br />

sehen den Bau von Wohnungen fürmehrere<br />

Familien vor. Diesekönnensichdanngegenseitig<br />

bei den Arbeiten und der Finanzierung<br />

unterstützen und arbeiten sozusammen.<br />

Es liegtinder Naturder Habitat­Projekte,<br />

dass sie sich besonders für Freiwillige eignen,<br />

die ab und zueinen Tag fürsolche Arbeiten<br />

reservieren und gleichzeitig Freunde<br />

oder Arbeitskollegen mit auf die Baustelle<br />

bringen können. Diese Art von Freiwilligenarbeit<br />

funktioniertaberauchimunternehmerischen<br />

Umfeld sehr gut. Das hat die Credit<br />

Suisse Anfang 2009 auf die Idee gebracht,<br />

mit Habitat for Humanity International eine<br />

Partnerschaft einzugehen. Die Freiwilligenarbeit<br />

kann dadurch besser gesteuert werden.<br />

Zudem leistet die Credit Suisse eine<br />

substanzielle finanzielle Unterstützung für<br />

den Kauf von Baumaterialien.<br />

Ausbau der Partnerschaft<br />

Die Partnerschaft mit Habitat for Humanity<br />

International entwickeltesichaus demEngagement<br />

einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

derCreditSuisse,beispielsweise bei<br />

Projekten inden ärmeren Vierteln von New<br />

York oder beim Wiederaufbau von New Orleans<br />

nach den Verwüstungen durch den<br />

Hurrikan Katrina im Jahr 2005.<br />

FürLalitaS.Advani, beider Credit Suisse<br />

in New York imBereich Corporate Citizenship<br />

tätig, ist die Arbeit mit Habitat eine interessante<br />

Möglichkeit, Freiwilligenarbeit zu<br />

fördern. Sie erreiche auch Mitarbeitende in<br />

den kleineren Geschäftsstellen, die in der<br />

Regel nicht über die Infrastruktur verfügen,<br />

um selbst solche Einsätze zuorganisieren.<br />

«Die Credit Suisse unterstützt die Geschäftsstellen<br />

aber nurbei Logistikund Finanzierung,<br />

um die Organisation der Projekte<br />

müssen sie sich selbst kümmern. Wenn Mitarbeitende<br />

einmal an einem Projekt teilgenommen<br />

haben, spielt sich dies schnell ein»,<br />

so ihre Erfahrung.<br />

0Freiwillige bereits imersten Jahr<br />

Allein 2009 haben bereits mehr als 650 Mitarbeitende<br />

derCreditSuisseaus derganzen<br />

Welt bei Habitat for Humanity mitgearbeitet.<br />

Darunter viele aus Geschäftsstellen, die<br />

sich zuvor noch nie sozial engagiert hatten,<br />

wie beispielsweise Bangkok, Buenos Aires,<br />

Mexiko­Stadt, Seoul, Tokio, Mumbai, Pune,<br />

Kuala Lumpur und Breslau.<br />

In der Regel opfern die Teilnehmenden<br />

einen Tag unter der Woche oder auch ein<br />

Wochenende, wenn sie sich stärker engagieren<br />

wollen oder dies besser mit ihrem<br />

Terminkalender zu vereinbarenist.Jeder Mitarbeitende<br />

hat Recht auf einen bezahlten<br />

Urlaubstag, umFreiwilligenarbeit zuleisten.<br />

«Die Entscheidung der Credit Suisse, das<br />

soziale Engagement ihrer Angestellten mit<br />

einem bezahlten Urlaubstag zu fördern, dürfte<br />

fürandere Unternehmen einenVorbildcha­<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

4<br />

rakter haben»,stellt Joe Mulvey von Habitat<br />

for Humanity International anerkennend fest.<br />

Die Herausforderung annehmen<br />

Die Credit Suisse in Mexiko hat die Zusammenarbeit<br />

mit Habitat for Humanity vor einigen<br />

Monaten aufgenommen. Teams von<br />

zwanzig und mehr Teilnehmenden arbeiten<br />

dort in Acht­Stunden­Schichten an Projekten<br />

in den Bundesstaaten Puebla und<br />

Hidalgo. Die jeweiligen Baustellen sind von<br />

Mexiko­Stadt aus mit dem Auto in zwei bis<br />

drei Stunden erreichbar. Das klingt anstrengend,<br />

doch RaúlToscano, Leiter Human<br />

ResourcesfürMexikound Lateinamerikader<br />

Credit Suisse, findet, dass die Resultate die<br />

Mühe wert sind. Er muss es wissen, daer<br />

die Teams inMexiko koordiniert. So haben<br />

die freiwilligen Helfer der Credit Suisse in<br />

Hidalgo Fussböden in Häusernbetoniert,die<br />

bisher aus gestampfter Erde bestanden. Zusammen<br />

mit der Installation besserer sanitärer<br />

Anlagen konnte so derVerbreitung von<br />

Krankheiten ein Riegel geschoben werden.<br />

«Nach dieser Erfahrung sehen unsere Mitarbeitenden<br />

ihre soziale Verantwortungineinem<br />

neuen Licht, und alle wollen sich inZukunft<br />

stärker einbringen»,freut sich RaúlToscano.<br />

«Einige haben sogar selbst Familien vorgeschlagen,<br />

denen wir helfen könnten.»<br />

Bis 2<strong>01</strong>3 will Habitat for Humanity die<br />

Zahl der Familien, denen die Organisation<br />

jedes Jahr hilft, auf <strong>10</strong>0000 erhöhen. Dank<br />

der tatkräftigen Unterstützung zahlreicher<br />

freiwilliger Helfer überall auf der Welt ist<br />

dieses Ziel durchaus realistisch. Ian Lewis<br />

1 2<br />

3<br />

4<br />

<br />

<br />

1 Wer freiwillig gearbeitet hat, darf sich auch mit gutem Gewissen zum Gruppenbild stellen. 2 Gemeinsame Freiwilligenarbeit fördert den Teamgeist. 3 Stein um<br />

Stein die Wohnungsnot bekämpfen. 4 Habitat for Humanity – hier in Japan. Mörtel statt Maus. Auch auf dem Bau ist Konzentration gefordert.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


4<br />

Credit Suisse<br />

ErfolgreicherKampf gegen<br />

Bewegungsstörungen<br />

Der vierteEmpiris Award for Research in Brain Diseases geht anSusanne<br />

A.Schneider. Im Rahmen ihrer Studien an der Neurologischen Klinik der<br />

Universität Lübeck erforscht sie genetische Formen von Dystonien.Übergeben<br />

wurde der Preis imJanuar 20<strong>10</strong> von Dieter Imboden, Präsident<br />

des Forschungsrates des Schweizerischen Nationalfonds.<br />

Susanne A.Schneider mit (von links) Dr. Christian<br />

Baumann, Neurologische Klinik der Universität<br />

Zürich, sowie den Jurymitgliedern Professor<br />

Amedeo Caflisch und Professor Dieter Imboden.<br />

Susanne A.Schneider bewegt sich gerne.<br />

In ihrer Freizeit reist sie viel, umLand und<br />

Leute kennenzulernen sowie Opern und<br />

Museen zu besuchen. Die berufliche Reise<br />

aber führt sie seit einem vierjährigen Aufenthalt<br />

inLondon am renommierten UCL Institute<br />

of Neurology am Queen Square in<br />

die Welt der Bewegungsstörungen. «Neben<br />

Schlaganfällen, Krampfanfällen, also Epilepsien,<br />

sowie Kopfschmerzen gehören Bewegungsstörungen<br />

zum täglichen Brot der<br />

Neurologen»,erklärt sie. «Die Störungen<br />

zeichnen sich durch ein Zuviel oder ein Zuwenig<br />

anBewegung aus. Das bekannteste<br />

Beispiel ist die Parkinson’sche Erkrankung,<br />

beider diePatienten meist ab einem Alter von<br />

60 bis 65 Jahren neben einer Bewegungsarmut<br />

auch aneinem Zittern der Hände und<br />

einer Steifheit der Muskeln leiden.»<br />

Neben diesen mit zunehmendem Alter<br />

auftretenden Bewegungsstörungen gibt es<br />

aberauchsolche,die genetischbedingt sind.<br />

Diesem noch weitgehend Neuland darstellenden<br />

Forschungsgebiet hat sich Susanne<br />

A. Schneider, eine gelernte Medizinerin, verschrieben.<br />

Seit gut einem Jahr arbeitet sie<br />

deshalb wieder in Deutschland – an der<br />

Universität Lübeck, weil dort an der Neurologischen<br />

Klinik ein Zentrum für genetisch<br />

bedingteBewegungsstörungenbesteht. Unter<br />

der Leitung von Frau Professor Christine<br />

Klein konnten Susanne A.Schneider und<br />

ihre Kollegin Ana Djarmati in erstaunlich kurzer<br />

Zeit aufsehenerregende Erfolge feiern.<br />

Insbesondere gelang es im Frühjahr 2009,<br />

dieersten europäischen Patienten mit DYT6­<br />

Dystonie zu identifizieren.<br />

Nach dem David Marsden Award 2009<br />

der European Dystonia Federation erhielt<br />

Susanne A.Schneider nun also auch<br />

Jahr Preisträger Nationalität Hochschule Fachgebiet<br />

2009 Susanne A.Schneider D Lübeck Dystonie: DYT6­Gen<br />

2008 Anat Frydman­Marom ISR Tel Aviv Alzheimer: künstliches Peptid<br />

Carsten Sachse D Jena Alzheimer: Amyloid­Fasern<br />

2007 Eline Vrieseling NL Basel Nervenzellen imRückenmark<br />

Marlen Knobloch CH Zürich Alzheimer: Peptidablagerungen<br />

2006 Mathias Heikenwälder AUT Zürich Prionen bei BSE­Rindern<br />

den Empiris Award for Research in Brain<br />

Diseases zugesprochen.<br />

Dystonie? Nie gehört!<br />

Wenn bisher scheinbar selbstverständlich<br />

von DYT6­Dystonie gesprochen wurde, so<br />

muss doch festgehalten werden, dass diese<br />

Krankheit inder Öffentlichkeit nur wenig<br />

bekannt ist. «Dystonie bedeutet ‹falsche<br />

Spannung›,nämlich inden betroffenen Muskelgruppen.<br />

Sokommt es bei Dystonien zu<br />

anhaltenden Muskelkontraktionen und Fehlhaltungen»,<br />

führt Barbara Gygli Dill von der<br />

Schweizerischen Dystonie­Gesellschaft dazu<br />

aus. «Im Gegensatz zur Parkinson’schen<br />

Erkrankung ist Dystonie nicht degenerativ,<br />

das heisst, eskommt zu keinem fortschreitenden<br />

Absterben der Nervenzellen,und es<br />

tretenauchnur ganz selten bleibende Organschäden<br />

auf. Das ist die gute Nachricht. Die<br />

schlechte ist, dass Dystonie, obwohl sie gar<br />

nicht soselten ist, immer noch viel zu oft<br />

nicht erkannt oder falsch diagnostiziert wird.<br />

Dies liegt nicht zuletzt an der vorhandenen<br />

Formenvielfalt.»<br />

Die Muskelverkrampfungen sind oft mit<br />

kaum erträglichen Schmerzen verbunden,<br />

die auch zuschweren Schlafstörungen führen<br />

können. Eskommt zu einer erheblichen<br />

Beeinträchtigung von beruflicher Tätigkeit<br />

oder häuslicher Arbeit.Der Aktionsradius ist<br />

stark eingeschränkt und geht, da die Symptome<br />

gerade bei Dystonien im Gesichtsbereich<br />

von Aussenstehenden als psychische<br />

Krankheit oder geistige Behinderung missdeutet<br />

werden können, häufig in eine «freiwillige»<br />

Isolation über. Barbara Gygli Dill:<br />

«Allzu oft führen diese Belastungen in eine<br />

schwere Depression, besonders wenn noch<br />

finanzielleProbleme wegendes Verlusts der<br />

Arbeitsfähigkeit oder hoher Behandlungskosten<br />

dazukommen.»<br />

Forschungserfolg nützt Dystoniekranken<br />

Die Dystonie, die vermutlich auf eine Funktionsstörungder<br />

Basalganglien zurückzuführen<br />

ist, kann man unterschiedlich einteilen –<br />

nach der Ätiologie (primäre oder sekundäre<br />

Formen), dem Erkrankungsalter (vor oder<br />

nach 26 Jahren) oder gemäss der topischen<br />

Symptomverteilung (fokal, segmental, multifokal<br />

und generalisiert). Nahm man früher<br />

an, dass die Häufigkeit bei etwa 40 von<br />

<strong>10</strong>0000 Personen liegt, so geht man nun<br />

wegen der schwierigen Diagnose zumindest<br />

bei den über 50­Jährigen von einer deutlich<br />

höheren Quote aus. Auch wenn Dystonie<br />

Fotos: Martin Stollenwerk<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

4<br />

vorläufig nicht heilbar ist, so können doch<br />

wenigstens die Symptome gelindert werden.<br />

Je schneller also die richtige Diagnose gestellt<br />

unddie Therapie optimiertwerdenkann,<br />

desto besser. Forschungserfolge wie jener<br />

von Susanne A.Schneider werden deshalb<br />

von den Betroffenen dankbar zur Kenntnis<br />

genommen, selbst wenn ernicht die eigene<br />

Dystonievariante betrifft. «Zurzeit sind 20<br />

verschiedene monogene Dystonieformen<br />

bekannt»,führt Susanne A. Schneider aus.<br />

«Davon sind bis jetzt nicht einmal die Hälfte<br />

derverursachendenGene, geschweige denn<br />

deren Funktion, bekannt und mit einem entsprechendenTestnachweisbar.Wir<br />

sind also<br />

immer noch sehr weit vom Ziel entfernt, zumal<br />

damit zu rechnen ist, dass zusätzliche<br />

Dystonieformen gefunden werden.»<br />

Hier sind Frauen in der Mehrheit<br />

Susanne A.Schneider wusste mit ihren anschaulichen Erläuterungen der komplexen Materie der Dystonie<br />

die zahlreich erschienenen Mitarbeitenden der Neurologischen Klinik in ihren Bann zuziehen.<br />

Stiftung Empiris Die von der Credit Suisse gegründete Dachstiftung<br />

Empiris bietet Kunden der Credit Suisse, der Clariden Leu und der<br />

Neuen Aargauer Bank die Möglichkeit, sich in den Bereichen Wissenschaft<br />

und Forschung sowie Soziales und Humanitäres auf unkomplizierte<br />

Weise wohltätig zu engagieren. Die Credit Suisse trägt weitgehend<br />

die Administrations­und Managementkosten dieser Stiftung.<br />

Ein renommierter Stiftungsrat mit alt Bundesrat Flavio Cotti an der<br />

Spitze wählt geeignete Projekte aus. So finanziert beispielsweise der<br />

Fonds Alzheimer ein Projekt der Stiftung Sonnweid in Wetzikon, das<br />

es Menschen mit Demenz gestattet, über das Kochen ihre Sinne<br />

zu aktivieren. Dies wird durch einen speziellen «Kochboy»ermöglicht,<br />

einen fahrbaren Einplattenherd, der bei Bedarf mit verschiedenen<br />

Kochutensilien bestückt werden kann, gleichzeitig aber benutzerfreundlich<br />

ist und eine hohe Sicherheit garantiert. Das Institut für<br />

Archäologie und fürAltertumswissenschaften der UniversitätLausanne<br />

wiederum wird bei der Ausgrabung und Restaurierung von Mosaiken<br />

in der frühchristlichen Kirche von Derecik in der Türkei unterstützt.<br />

Die Kirche stammt aus dem 4.Jahrhundert und ist fürden Übergang<br />

von der Spätantike zur byzantinischen Epoche bedeutsam. Die ersten<br />

Ergebnisse konnten 200 an einem internationalen Kolloquium in<br />

Bursa vorgestellt werden.<br />

Der Empiris Award for Research in Brain<br />

Diseases wurdeinder Neurologischen Klinik<br />

des Universitätsspitals Zürich verliehen, die<br />

originelle Laudatio hielt Klinikleiter Michael<br />

Weller. Jurypräsident Dieter Imboden betonte<br />

– in seiner Eigenschaft als Präsident<br />

des Nationalen Forschungsrats des Schweizerischen<br />

Nationalfonds – die Bedeutung<br />

solcher Auszeichnungen fürdie Förderung<br />

des Forschernachwuchses.<br />

DasInteresse derzahlreich erschienenen<br />

Klinikmitarbeitenden und Studenten war<br />

gross. Nicht unerwartet befanden sich viele<br />

Frauen darunter. Dementsprechend konnte<br />

Jurymitglied und Preisinitiator Amedeo<br />

Caflisch, Professor für computergestützte<br />

Strukturbiologie amBiochemischen Institut<br />

derUniversitätZürich,begeistertfeststellen,<br />

dass Frauen in leitenden Forschungspositionen<br />

zwar im Moment noch untervertreten<br />

sind, dass aber beim Empiris Award bereits<br />

eine Zweidrittel­Frauenquote bestehe.<br />

Andreas Schiendorfer<br />

i Mehr Informationen unter<br />

www.empiris.ch, www.dystonie.ch,<br />

www.dystonia­europe.org<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


4<br />

Credit Suisse<br />

NicolasAltstaedt wird am LucerneFestival<br />

fürsein «kleinesLebenswerk»geehrt<br />

Der 27­jährige Cellist Nicolas Altstaedt erhält den Credit Suisse Young Artist Award 20<strong>10</strong>.<br />

Neben der Preissumme von 75000 Schweizer Franken ist damit ein Auftritt am17. September mit den<br />

Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Gustavo Dudamel am Lucerne Festival verbunden.<br />

Nicolas Altstaedt wird das Publikum amLucerne Festival zu begeistern wissen. Ein ausführliches Porträtvon ihm findet man unter www.credit­suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

4<br />

Im Musikverein – demHaus derMusikfreunde<br />

in Wien – wird seit den1870er­Jahren Musikgeschichte<br />

geschrieben. Hier bekämpften<br />

sich jahrelang die Anhänger von Johannes<br />

Brahms und Anton Bruckner, hier erlebte<br />

Gustav Mahlerdie ersten Höhepunkte seiner<br />

Karriere und gleichzeitig eine heute nicht<br />

mehr vorstellbare Geringschätzung seiner<br />

Werke, weshalber1907 sein geliebtesWien<br />

in Richtung New York verliess. Und hier wird<br />

auch seit1999 derCreditSuisse YoungArtist<br />

Award vergeben, der – laut «Frankfurter Allgemeiner<br />

Sonntagszeitung» – «für einen<br />

Nachwuchspreis der klassischen Musik absolut<br />

konkurrenzlos» ist.Tatsächlich wird mit<br />

diesem Preis nicht ein hoffnungsvolles musikalisches<br />

Talent ausgezeichnet, sondern,<br />

wie Jurypräsident Michael Haefliger, Intendant<br />

Lucerne Festival, betonte, ein Künstler<br />

für «sein kleines Lebenswerk» geehrt.<br />

1 2<br />

Zum dritten Mal ein Cellist<br />

Fotos: Terry Linke<br />

Es kann also per definitionem kein Preisträger<br />

als Überraschung bezeichnet werden.<br />

Man denke nur etwa an die beiden letzten<br />

Gewinner,den BratschistenAntoine Tamestit<br />

(2008)und den Pianisten Martin Helmchen<br />

(2006), deren Namen in der Musikszene<br />

einem Wohlklang gleichkommen. Und doch,<br />

auf Nicolas Altstaedt hättesicher keiner der<br />

zahlreich erschienenen Medienvertreter getippt.<br />

Zum dritten Mal nach Quirine Viersen<br />

(2000)und Sol Gabetta ( 2004)ein Cellist!<br />

Das ist so aussergewöhnlich, dass gerade<br />

dies für die Unabhängigkeit und Kompetenz<br />

der fünfköpfigen Jury spricht. «Nach einem<br />

einstündigen Rezital im Brahms­Saal der<br />

Musikfreunde und einem Gespräch, indem<br />

wir unser Bild über die Persönlichkeit des<br />

Künstlers abrunden konnten, haben wir uns<br />

einstimmig für Nicolas Altstaedt entschieden»,erklärteHaefliger.<br />

DenErfolg verdanktNicolas Altstaedt übrigens<br />

auch seinem um zwei Jahre älteren<br />

BruderChristoph,einem begabtenPianisten,<br />

der sich aber füreine Dirigentenkarriere entschieden<br />

hat. In Wien begleitete erNicolas<br />

beim 1969/70 entstandenenKonzertfürVioloncello<br />

und Orchester von Witold Lutoslawski<br />

– und hat dabei aus der Partitur gespielt –<br />

eine CD­trächtige Variante…<br />

Beim Stichwort CD äusserte Altstaedt,<br />

der bereits etliche Tonträger veröffentlichte,<br />

einen eigenwilligen Wunsch. «Ich würde gerne<br />

WerkefürCello undKlavier desMünchner<br />

Komponisten Wilhelm Killmayer einspielen,<br />

die noch nicht aufTonträger erhältlich sind»,<br />

3<br />

1 Fritz Gutbrodt, Direktor der Credit Suisse Foundation, betont die Bedeutung dieses Preises imRahmen<br />

derNachwuchsförderungsbestrebungen derCreditSuisse. 2 BarbaraHiggs, LucerneFestival, im Gespräch<br />

mit Nicolas Altstaedt. 3 Gruppenbild mit Jury und Preisträger(von links):Thomas Angyan, Intendant<br />

Gesellschaft der Musikfreunde, Wien; Roland Altmann, Wiener Philharmoniker; Nicolas Altstaedt; Michael<br />

Haefliger, Intendant Lucerne Festival; Peter Hagmann, «Neue Zürcher Zeitung»; Urs Frauchiger, Autor<br />

zahlreicher Musikpublikationen.<br />

führte der inHeidelberg geborene und heute<br />

in Berlin lebendeCellistaus. «Nötigenfalls<br />

werde ich einen Teil meines Preisgeldes<br />

dafür einsetzen.»<br />

Schüler von Pergamenschikow und Feltz<br />

Diewichtigsten Impulse hatNicolas Altstaedt<br />

vom 2004 verstorbenen Boris Miroslaw Pergamenschikow<br />

erhalten, zu dessen letzten<br />

Schülern er gehörte:«Er hatmeinenLebensweg<br />

geprägt.» Gegenwärtig arbeitet er mit<br />

Eberhard Feltz zusammen, mit dem er auch<br />

viel über Musik diskutiert.<br />

Am nächsten Lucerne Festival spielt<br />

Nicolas Altstaedt am24.August Werke von<br />

Ludwig van Beethoven und Elliot Carter.<br />

24.August? Tatsächlich hat ihn Michael<br />

Haefligerbereits vorder Preisverleihung nach<br />

Luzern eingeladen,woAltstaedt in derReihe<br />

Debut auftritt. Das Programm des Preiskonzerts<br />

mit den Wiener Philharmonikern – in<br />

der Jury durch Roland Altmann vertreten –<br />

steht noch nicht fest. Esfindet am17. September<br />

unter Gustavo Dudamel statt.<br />

So unbestritten die Wahl des Cellisten<br />

war, so unbestritten waren auch die herausragenden<br />

Qualitäten der übrigen Wettbewerbsteilnehmer.<br />

«Alle waren sie füruns als<br />

Preisträgervorstellbar gewesen. Es isterfreulich,wie<br />

starkund wiebreitder musikalische<br />

Nachwuchsgegenwärtig ist»,stellte Thomas<br />

Angyan,Intendantder Gesellschaft derMusikfreunde<br />

in Wien, fest. «Eigentlich müsste<br />

man bei diesem musikalischen Nachwuchs­<br />

Oscar schon die Nomination entsprechend<br />

würdigen.»<br />

Solche Überlegungen wird die Jury, der<br />

auch Urs Frauchiger und Peter Hagmann<br />

angehören, zusammen mitToni J.Krein, Leiter<br />

Kultursponsoring Credit Suisse,und Fritz<br />

Gutbrodt,Direktorder Credit Suisse Foundation,<br />

anstellen müssen, wenn sie nach zehn<br />

Jahren Credit Suisse Young Artist Awards<br />

Bilanz zieht. Andreas Schiendorfer<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


0<br />

Credit Suisse<br />

Zusammenarbeit mit dem Bonita Trust of Gibraltar<br />

SozialeTalente fördern<br />

«Ich würde gerne nach meinem Studium Sozialarbeit inGibraltar<br />

leisten»,ist sich der 1­jährige Lathan Norton sicher.<br />

«Dabei denkeich an dieGründungeines Antimobbing­Vereins.»<br />

Norton hatgerade sein zweites ProgrammjahrimRahmen<br />

des Projekts «Future Leaders in Philanthropy»(FLiP)begonnen,<br />

welches der BonitaTrust of Gibraltar inZusammenarbeit mit<br />

der Credit Suisse realisiert. Dabei erhalten jeweils 20 Spitzenschüler,<br />

die das britische General Certificate of Secondary<br />

Education mit Bestnoten abgeschlossen haben,die Möglichkeit,sich<br />

in dreijährigen Studieneinheiten zukünftigen Leadern<br />

in Philanthropie auszubilden. «Wir wollen talentierten Jugendlichen<br />

die Bedeutung sozialer Verantwortung nahebringen»,<br />

führt Moe Cohen, CEO BonitaTrust, aus. «Sie werden mit<br />

allen Aspekten der Sozialarbeit vertraut gemacht.Solernen sie<br />

unter anderem, wie sich Wohltätigkeitsorganisationen finanzieren.»<br />

Und auch Trino Cruz von der Credit Suisse in Gibraltar<br />

zeigt sich hochzufrieden: «Durch die Verbindung von sozialem<br />

Engagement und Investment­Training konnten wir für die<br />

Schüler ein wertvolles und zugleich spannendes Projekt erstellen.»Einerseits<br />

haben die Schüler Informationen über eine<br />

örtliche Wohltätigkeitsorganisation einzuholen undineinen mehrseitigen<br />

Aufsatz zu erklären, wiesie funktioniert,sich vermarktet,<br />

Spenden sammelt und verwaltet,anderseits werden denTeilnehmern<br />

virtuell fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt,<br />

die sie unter Anleitung eines Anlageberaters der Credit Suisse<br />

in Wertpapiereinvestieren müssen.Imzweiten Jahr suchen<br />

sich die Schüler wiederum eine Wohltätigkeitsorganisation aus,<br />

für die sie ein konkretes Projekt zum Sammeln von Spenden<br />

planen und durchführen. Der Betrag, der dabei zusammenkommt,wird<br />

zuletzt vom BonitaTrust verdoppelt.«Auf diese<br />

Weise wollen wir Wohltätigkeitsorganisationen 40000 britische<br />

Pfund zukommen lassen, wovon, wie gesagt, die Hälfte von<br />

Schülern gesammelt wird», gibt sich FLiP­Projektleiterin Ros<br />

Astengo optimistisch. Julia Hancock/schi<br />

Lehrstelleninitiative<br />

Die Hauptsorge «Jugendarbeitslosigkeit»bekämpfen<br />

DasimDezemberpublizierte Sorgenbarometer<br />

hat gezeigt, dass die<br />

Arbeitslosigkeit und insbesondere<br />

die Jugendarbeitslosigkeit den<br />

Schweizerinnen und Schweizern mit<br />

Abstand ammeisten Sorgen bereitet.<br />

Zwar ist die Arbeitslosigkeit<br />

etwas tiefer als in den meisten anderen<br />

Ländern; aber mit 5,4 Prozent<br />

erreichte die Jugendarbeitslosigkeit<br />

in der Schweiz Ende Dezember<br />

einen besorgniserregenden Höchststand.<br />

DieCreditSuisse hat darauf<br />

reagiert. Im Laufe des nächsten<br />

.4%<br />

Jugendarbeitslosigkeit Schweiz<br />

Dezember 200<br />

Ausbildungszyklus schafft sie 150<br />

zusätzliche Lehrstellen und erhöht<br />

damit das Angebot um25 Prozent.<br />

Damit nimmt sie aber nicht nur<br />

ihre unternehmerische Verantwortung<br />

wahr, sondern stärkt gleichzeitig<br />

ihre Position imHeimmarkt<br />

Schweiz. Zudemstelltdie Credit<br />

Suisse zusammen mit dem Swiss<br />

Venture Club KMU und Jungunternehmern<br />

Risikokapital von insgesamt<br />

<strong>10</strong>0 Millionen Franken zur<br />

Verfügung, dies nicht zuletzt im<br />

Hinblick auf die Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze. Schliesslich will<br />

die Credit Suisse in den nächsten<br />

Jahren 30 Millionen Franken<br />

für Ausbildungsprogramme von<br />

Non­Profit­Organisationen<br />

bereitstellen. Dazuwird gegenwärtig<br />

mit kompetenten Partnern<br />

ein Konzept ausgearbeitet. schi<br />

Anzeige<br />

Initiative von ICTswitzerland<br />

Neue Informatiklehrstellen<br />

Der Informatik­ und Kommunikationssektor<br />

ist inden letzten 30 Jahren<br />

weltweit rasant gewachsen.<br />

Allein in der Schweiz arbeiten je<br />

nach Definition zwischen 120000<br />

und 220000 Informatiker. Und<br />

jährlich sollten über 5000 neue Mitarbeitende<br />

hinzukommen – deutlich<br />

mehr als junge Berufsleute ausgebildet<br />

werden. Mit anderen Worten:<br />

Trotz der hohen Arbeitslosigkeit<br />

fehlen in der Schweiz jährlich bis zu<br />

2500 Informatiker. Der Dachverband<br />

ICTswitzerland hat deshalb<br />

eine Initiative gestartet, die – insbesondere<br />

durch die «Stiftung für die<br />

IT­Berufsbildung Schweiz» – bis<br />

ins Jahr 2<strong>01</strong>5 mehr als <strong>10</strong>00 neue<br />

Lehrstellen schaffen möchte.<br />

Die Credit Suisse, die selber in der<br />

Schweiz über 4000 Informatiker<br />

beschäftigt,ist bereit, dieseInitiative<br />

mit bis zu zehn Millionen Franken<br />

zu unterstützen. Karl Landert,<br />

CIO der Credit Suisse, erklärtesich<br />

zudem bereit, im Vorstand von<br />

ICTswitzerland mitzuwirken. schi<br />

Gemeinnützige Kundenstiftungen<br />

Wasser für Afrika und Nepal<br />

Accentus, Empiris und Symphasis,<br />

die drei Kundenstiftungen der<br />

Credit Suisse AG, haben im vergangenen<br />

Jahr rund sechs Millionen<br />

Franken fürinsgesamt 163 Projekte<br />

ausgeschüttet.Dadie Bank die<br />

Verwaltungskosten übernimmt,fliessen<br />

die Spendengelder vollumfänglich<br />

gemeinnützigen Zwecken<br />

zu.Symphasis fördertezahlreiche<br />

Ausbildungsprojekte, insbesondere<br />

in der Mekong­Region, aber<br />

auch in Ost­ und Westafrika.<br />

Von zunehmender Bedeutung sind<br />

Wasserprojekte, vornehmlich in<br />

Afrika, aber beispielsweise auch<br />

in Nepal. schi<br />

www.accentus.ch; www.empiris.ch;<br />

www.symphasis.ch<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


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52 Wirtschaft Migration<br />

5.9%<br />

Nord- und Südamerika<br />

5.2%<br />

Afrika<br />

13.5%<br />

Übrige EU/EFTA-<br />

Länder<br />

Fotos: C Squared Studios, Purestock, Rosemary Calvert, Siede Preis, Ryan McVay, Andy Crawford, Getty Images<br />

33.1%<br />

Deutschland<br />

13.0%<br />

Portugal<br />

1 Herkunftsländer von Zuwanderern in die Schweiz 2008<br />

Im Jahr 2008 stammten 73 Prozent der Zuwanderer aus der EU, davon 48 Prozent aus den Nachbarländern,<br />

33 Prozent allein aus Deutschland. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Migration Wirtschaft 53<br />

Migration: Die Schweiz<br />

als attraktiver Nachbar<br />

Während der jüngsten Krise hat die Attraktivität der Schweiz als Migrationsland weiter<br />

zugenommen. Angesichts der demografischen Alterung ist das eine wünschenswerte<br />

Entwicklung zum Erhalt des Wohlstands und des Sozialstaats. Besonders attraktiv<br />

ist die Schweiz für Immigranten aus den Nachbarstaaten.<br />

4.8%<br />

Italien<br />

8.5%<br />

Frankreich<br />

7.2%<br />

Asien/Ozeanien<br />

8.8%<br />

Übriges Europa<br />

Text: Dennis Brandes, Credit Suisse Economic Research<br />

Beim Blick auf Migrationsströme meint man<br />

in der Schweiz meist solche von Ausländern.<br />

Aber auch die Schweizer Bevölkerung ist international<br />

mobil. Mit 680 000 Personen<br />

lebten 2008 immerhin mehr als zehn Prozent<br />

aller Schweizer Bürger ausserhalb der<br />

Schweiz, wobei es sich dabei vielfach um<br />

Doppelstaatsbürger handelt. Mehr als 60<br />

Prozent davon leben in europäischen Ländern,<br />

47 Prozent in den Nachbarstaaten. Allein<br />

Frankreich beherbergt 177 600 Schweizer<br />

Staatsbürger, Deutschland 75 400, Italien<br />

48 <strong>10</strong>0, Österreich 14 000, Liechtenstein<br />

3600. Jährlich wandern im Durchschnitt etwas<br />

mehr als 20 000 Schweizer in die<br />

Wanderungssaldo von Schweizern in der Regel<br />

leicht negativ ausfällt. Während Wirtschaftskrisen<br />

reduziert sich dieser normalerweise.<br />

Dominiert werden die Wanderungsbewegungen<br />

in und aus der Schweiz aber<br />

von der ausländischen Bevölkerung. Diese<br />

sind um ein Vielfaches grösser als die Wanderungsbewegungen<br />

von Schweizern. Es sind<br />

ihre Bewegungen, die häufig auch kontrovers<br />

diskutiert werden.<br />

Ausgehend von der Entwicklung der ersten<br />

zehn Monate wird die Nettozuwanderung<br />

der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung<br />

auch im Krisenjahr 2009 mehr als doppelt<br />

so hoch ausfallen wie der langjährige<br />

über den Erwartungen von offizieller Seite<br />

zu liegen kommen. Bis Oktober betrug der<br />

Wanderungssaldo 65 500, eine Abnahme von<br />

27,9 Prozent zur Vorjahresperiode, aber 6,6<br />

Prozent über dem Wert von 2007 und 76,3<br />

Prozent über dem Wert von 2006. Wie Abbildung<br />

2 zeigt, hatte die Einführung der vollen<br />

Personenfreizügigkeit 2007 (> siehe Box Seite<br />

55) einen sprunghaften Anstieg der Zuwanderung<br />

zur Folge. Bis Ende 2008 blieben die<br />

Zuwanderungszahlen deutlich über ihrem<br />

Vorjahresniveau, im Zuge der Wirtschaftskrise<br />

sanken die Jahreswachstumsraten aber<br />

wieder. In absoluten Zahlen verharrt die Zuwanderung<br />

jedoch auf einem höheren Niveau<br />

Schweiz ein, um die 30 000 aus, so dass der Durchschnitt von etwa 36 000 und damit weit als von 2002–2007. Entgegen den ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


4<br />

Wirtschaft Migration<br />

Erwartungen blieb die Schweiz selbst in der<br />

Krise ein attraktives Einwanderungsland.<br />

Gleichzeitig verlagert sich die Einwanderung<br />

wie vom Gesetzgeber gewünscht zunehmend<br />

inRichtung EU­Länder und hier<br />

grösstenteils auf die Nachbarländer der<br />

Schweiz. Im Jahr 2008 stammten 73 Prozent<br />

der Zuwanderer aus der EU, davon 48 Prozent<br />

aus den Nachbarländern, 33 Prozent<br />

allein aus Deutschland. Kulturelle Nähe und<br />

häufig die Kenntnis mindestens einer der<br />

vier SchweizerLandessprachen begünstigen<br />

Integration und Partizipation am Arbeitsmarkt.<br />

Weniger Deutsche als Italiener<br />

Auffällig ist nicht zuletzt der Anstieg der Migration<br />

aus Deutschland über die letzten<br />

Jahre und besonders seit Einführung der<br />

vollen Personenfreizügigkeit Mitte 2007.<br />

Deutsche Zuwanderer holen zunehmend gegenüberdem<br />

traditionellgrössten Herkunftsland<br />

Italien auf und sind mittlerweile gerade<br />

in einigen Deutschschweizer Regionen wie<br />

Zürich diegrössteAusländergruppe. Sowohl<br />

absolut als auch relativ zur Heimatbevölkerung<br />

(Deutschland etwa 80,Italien etwa 60<br />

Millionen) liegen deutsche Zuwanderer aber<br />

schweizweitweiterhin hinter jenenaus Italien.<br />

Auch Österreich und insbesondere Portugal<br />

weisen relativ zurHeimatbevölkerunghöhere<br />

Migrantenanteile als Deutschland auf.<br />

Bei der kontingentsfreien Einreise aus<br />

den EU­Ländern handelt essich primär um<br />

eine arbeitsmarktgetriebene Migration: Die<br />

Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung basiert<br />

auf einem Stellenangebot, Familiennachzug<br />

auf einem arbeitenden Familienmitglied,sonstige<br />

Migration aufwirtschaftlicher<br />

Eigenständigkeit. Die Einwanderung erfolgt<br />

dementsprechend zunehmend zwecks Aufnahme<br />

einer Erwerbstätigkeit. Auf demTiefpunktvon<br />

1994 war dies nur für 17,0 Prozent<br />

der Zuwanderungsgrund, 2008 für 52,1<br />

Prozent, während gleichzeitig der Anteil des<br />

Familiennachzugs vonfastzweiauf einDrittel<br />

sank.Soist dieErwerbstätigenquote vonAusländern<br />

nach einer Schwächephase in den<br />

1990er­Jahren bis 2008 wieder angestiegen<br />

und liegt mit 74,4 Prozent weiter deutlich<br />

über der Schweizer Quote von 66,6 Prozent.<br />

DieAttraktivitätder SchweizfürMigranten<br />

zeigt sich auch in einem internationalen Vergleich.Relativ<br />

zureigenenBevölkerungzieht<br />

dieSchweiz nach demKleinstaatLuxemburg<br />

am meisten Migranten inEuropa an (>siehe<br />

Abbildung 3, rechts).Der Kontrastmit Deutschland<br />

stichthervor. DerWanderungssaldo der<br />

deutschen Bevölkerungist schon seit Jahren<br />

negativ (so wie der Wanderungssaldo von<br />

Schweizern), am aktuellen Rand dreht nun<br />

zusätzlich auch der Wanderungssaldo der<br />

ausländischen Bevölkerung zunehmend ins<br />

Negative. Im Jahr 2008 wurde erstmals seit<br />

1984 eine Nettoauswanderung festgestellt.<br />

Attraktivität inder Krise gestiegen<br />

Einwanderung ist eine Funktion der Attraktivität<br />

des Ziellandes imVergleich zum Herkunftsland.<br />

Um grösstenteils qualifizierte Migrantenaus<br />

denNachbarländern anzuziehen,<br />

muss dieSchweiz eine grössereAttraktivität<br />

aufweisen als diese, die ihrerseits immerhin<br />

zu den entwickeltsten Volkswirtschaften der<br />

Welt gehören. Beschränkt man die Betrachtung<br />

auf wirtschaftliche Kriterien, lässt sich<br />

die Attraktivität der Schweiz grob indie folgendenKomponenten<br />

einteilen: dasEinwanderungsregime,<br />

volkswirtschaftliche Strukturvorteile(Steuern,<br />

Sozialversicherungetc.)<br />

und die Konjunktur. Wie haben sich diese<br />

Kriterien inder Krise entwickelt?<br />

Das Einwanderungsregime (fürEU­Bürger)<br />

ist seit Einführung der vollen Personenfreizügigkeit<br />

2007 unverändert liberal und<br />

wird sich aufgrund der Ausdehnung auf Osteuropa<br />

und des Wegfalls der Schutzklausel<br />

im Laufe dieses Jahrzehnts noch weiter lockern<br />

(>siehe Box Seite ).<br />

Die makroökonomischen Strukturvorteile<br />

sind weiter gegeben. Die Steuer­ und Abgabenbelastung<br />

in der Schweiz liegt deutlich<br />

unter der ihrer Nachbarländer. Wenn die<br />

SchweizsichihreAusgabendisziplin erhalten<br />

kann,sollte dies auch weiterhin der Fall sein,<br />

denn die imAusland sehr viel stärker steigende<br />

Staatsverschuldunglässt sich alsIndiz<br />

für die zukünftige Steuerbelastung sehen.<br />

Gleichzeitig lässt sich argumentieren, dass<br />

dieQualitätder staatlichen Dienstleistungen,<br />

diesichder Steuerzahler mitseinen Abgaben<br />

erkauft, in derSchweiz höherist alsinvielen<br />

umliegenden Staaten.<br />

Einzig im konjunkturellen Vergleich lässt<br />

sich eine deutliche Verschlechterung zu<br />

den Vorjahren feststellen; die Krise erfasste<br />

2009 auch die Schweiz. Aber selbst diese<br />

Verschlechterung muss relativiert werden.<br />

Denn es kommt weniger auf den absoluten<br />

Verlauf als auf den Vergleich mit dem Ausland<br />

an.Und hier hat sich die Schweiz vis­àvis<br />

anderen europäischen Ländern gut gehalten.<br />

Der BIP­Einbruch 2009 ist inder<br />

Schweiz umein Vielfaches geringer ausgefallen<br />

alsinihren Nachbarländern.Insgesamt<br />

hat sodie Attraktivität der Schweiz imVer­<br />

2 200 Abnahme auf hohem Niveau<br />

Nach einem sprunghaften Anstieg 200<br />

sanken die Jahreswachstumsraten 200<br />

wieder, doch verharrt die Zuwanderung<br />

absolut auf einem hohen Niveau.<br />

Quelle: BfS, CSEconomic Research<br />

Gleitende Zwölfmonatsdurchschnitte<br />

250<br />

200<br />

150<br />

<strong>10</strong>0<br />

50<br />

0<br />

–50<br />

–<strong>10</strong>0<br />

Wanderungssaldo pro Monat (rechte Achse)<br />

Jahreswachstum in %(linke Achse)<br />

3 Migration relativ zur Bevölkerung<br />

Relativ zur eigenen Bevölkerung zieht<br />

die Schweiz in Europa nach Luxemburg am<br />

meisten Migranten an.<br />

Quelle: Eurostat, CS Economic Research<br />

Nettozuwanderung pro Kopf der Ziellandbevölkerung<br />

0.<strong>01</strong>6<br />

0.<strong>01</strong>4<br />

0.<strong>01</strong>2<br />

0.0<strong>10</strong><br />

0.008<br />

0.006<br />

0.004<br />

0.002<br />

0<br />

–0.002<br />

85 88 91 94 97 00 03 06 09<br />

<strong>10</strong> 000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

–2000<br />

97 98 99 00 <strong>01</strong> 02 03 04 05 06 07 08<br />

Deutschland Spanien Frankreich Italien<br />

Luxemburg Österreich Grossbritannien Schweiz<br />

0<br />

–4000<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Migration Wirtschaft<br />

<br />

gleich zu vielen Herkunftsländern von Migranten<br />

und nicht zuletzt zu ihren <strong>Nachbarn</strong><br />

in der Krise tendenziell noch zugenommen.<br />

Migration bedeutetVeränderung,und Veränderung<br />

verursacht Anpassungskosten.<br />

Diese akzentuieren sich in der Krise. Zwar<br />

istein automatischesKorrektivindie Schweizer<br />

Einwanderungspolitik eingebaut: DaEinwanderung<br />

im Wesentlichen aufder Aufnahme<br />

einer Erwerbstätigkeit basiert, nehmen die<br />

Einwanderungsmöglichkeiten bei der Verschlechterung<br />

der Arbeitsmarktsituation ab.<br />

Allerdings reagiert erstens die Arbeitsmarktentwicklung<br />

und damit die Einwanderungsmöglichkeit<br />

verzögert auf die Wirtschaftsentwicklung.<br />

Und zweitens hält sich die<br />

Schweiz imVergleich zum umliegenden Ausland<br />

auch in der Krise gut,sie ist erfolgreich<br />

und kann ihre Attraktivität wahren.<br />

Die Schweiz: Opfer des eigenen Erfolgs?<br />

Die Kehrseite dieses Erfolgs ist die Herausforderung,<br />

die eigene Attraktivität sozugestalten,<br />

dass sie langfristig erhalten bleibt<br />

und dass die Schweiz selber davon profitieren<br />

kann. Dies verlangt nach einer nachhaltigen<br />

wirtschaftspolitischen Absicherung<br />

der Zuwanderung, einschliesslich einer entsprechendenRaum­und<br />

Infrastrukturplanung<br />

sowie nicht zuletzt verstärkter Ausbildungsmassnahmen<br />

für ansässige Geringqualifizierte<br />

(häufig ihrerseits mit Migrationshintergrund).<br />

Die Zuwanderung kann durch eine<br />

Steigerung der Beschäftigungsquote, Erwerbsbeteiligung<br />

und der Personen im erwerbsfähigen<br />

Alter (Arbeitsvolumen) sowie<br />

durch eine Steigerung des Ausbildungsstandes<br />

und des technologischen Fortschritts<br />

(Arbeitsproduktivität) langfristig das Potenzialwachstum<br />

– und damit den langfristigen<br />

Wohlstand – der Schweiz heben. 1<br />

Ein alternder und schrumpfender Kontinent<br />

Europa sieht sich vor die Frage gestellt,<br />

wie eine sinkende Zahl Erwerbstätiger die<br />

Errungenschaften des Sozialstaates aufrechterhalten<br />

soll, während gleichzeitig ein<br />

immer grösserer Teil der Bevölkerung diese<br />

alsRentner geniesst.Überdie Zuwanderung<br />

erfährt die Schweizer Bevölkerung eine<br />

Auffrischung, einen externen «Baby Boom»,<br />

eine neue Generation von gut qualifizierten,<br />

arbeitswilligen Beitragszahlern, die das Fundament<br />

des Sozialstaats verbreitern. <<br />

SchweizerMigrationspolitik<br />

DerAnsatzder SchweizerMigrationspolitik istzweigleisig:Personenfreizügigkeitmit<br />

der EU/EFTA undbeschränkte Zulassungaus dem<br />

Nicht­EU/EFTA­Raum. Ausserhalbder EU möchte dieSchweiz ihre<br />

Migrationspolitik in Richtung eineraktiven Auswahlpolitik entwickeln,<br />

bei derpotenzielle Zuwanderer anhand ihrerQualifikationen und<br />

derAnforderungender SchweizerWirtschaftausgewähltwerden. Im<br />

Gegensatzdazugibt dieSchweiz bei derZuwanderungaus den<br />

EU/EFTA­Ländernden eigenenErmessensspielraum – nach entsprechendenÜbergangsfristen<br />

– auf. DieEinführungder vollen Personenfreizügigkeitist<br />

zeitlich undnachLändergruppen gestaffelt.<br />

EU-17/<br />

EFTA<br />

EU-8<br />

BG/RO<br />

A<br />

EFTA,Malta und Zypern: Einführung der Personenfreizügigkeit für<br />

die «alten»1EU­Mitgliedstaaten*<br />

A Inländervorrang, vorgängige Kontrolle der Lohn­ und Arbeitsbedingungen bis 31. Mai 2004,<br />

Kontingente bis 31. Mai 200<br />

BVolle Personenfreizügigkeit, aber Schutzklausel bei übermässiger Zunahme der<br />

Einwanderung bis 31. Mai 2<strong>01</strong>4<br />

CVolle Personenfreizügigkeit<br />

EU­**: Einführung der Personenfreizügigkeit fürdie neuen<br />

EU­Mitgliedstaaten<br />

A Inländervorrang, vorgängige Kontrolle der Lohn­ und Arbeitsbedingungen, Kontingente<br />

bis längstens 31.April 2<strong>01</strong>1<br />

BVolle Personenfreizügigkeit, aber Schutzklausel bei übermässiger Zunahme der<br />

Einwanderung bis 31. Mai 2<strong>01</strong>4<br />

CVolle Personenfreizügigkeit<br />

BG/RO: Einführung der Personenfreizügigkeit fürBulgarien<br />

und Rumänien<br />

A Inländervorrang, vorgängige Kontrolle der Lohn­ und Arbeitsbedingungen, Kontingente<br />

für sieben Jahre ab 200<br />

BVolle Personenfreizügigkeit, aber Schutzklausel bei übermässiger Zunahme für<br />

weitere drei Jahre<br />

CVolle Personenfreizügigkeit<br />

Quelle: Integrationsbüro EDA/EVD<br />

B<br />

A B C<br />

2002 03 04 05 06 07 08 09 <strong>10</strong> 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />

*EU­15: Belgien, Dänemark,Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich,<br />

Portugal, Schweden, Spanien<br />

** EU­8:Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien,Tschechien, Ungarn<br />

C<br />

A B C<br />

1<br />

Für eine ausführlichere Behandlung dieser Frage<br />

siehe unsere Studie Credit Suisse Economic Research<br />

(2007), «Mehr Wachstum dank Migration?». Verfügbar<br />

auf dem Internet unter www.credit­suisse.com/research.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Wirtschaft Asset Allocation<br />

DieKunstder richtigen<br />

Vermögensaufteilung<br />

Die Finanzmarktkrise hat es uns deutlich vor Augen geführt: Wir leben in einer mit<br />

Risiken behafteten Welt. Im Jahr eins nach der globalen Rezession haben sich zwar einige<br />

akute Risiken entschärft. Mit der notwendigen massiven Unterstützung von Staat und<br />

Notenbanken haben sich allerdings wieder neue potenzielle Gefahren entwickelt. Anlass<br />

genug, um der Frage nach der langfristig erfolgreichen Aufstellung des eigenen Vermögens<br />

nachzugehen.<br />

Text: Anja Hochberg, Head Investment Strategy<br />

Das Konzept, genannt Asset Allocation, ist<br />

nicht neu. Esbezeichnet die Aufteilung des<br />

Vermögens inverschiedene Anlagekategorien<br />

wie Aktien, Obligationen, Alternative<br />

Anlagen (zum Beispiel Rohstoffe, Immobilien,<br />

Hedge Funds) und Liquidität. Ziel ist<br />

dabei, für das Gesamtportfolio eine optimale<br />

Mischung von Ertrag und Risiko zu finden.<br />

Ermöglicht wird dies durch die Tatsache,<br />

dass unterschiedliche Anlagekategorien<br />

auch unterschiedlich hohe Renditen abwerfen,<br />

die natürlich auch von unterschiedlich<br />

hohen Wertschwankungen begleitet werden.<br />

Hierbeigilt: je höherdie Rendite, umso höher<br />

ist auch die Schwankungsintensität der Anlage,<br />

das heisst das Risiko (>siehe Abb.1).<br />

Im Zeitraum von 1994 bis 2007 haben so<br />

Aktien zum Beispiel eine Rendite von knapp<br />

9Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Dafür<br />

musste man allerdings ein Risiko, also eine<br />

Schwankungsintensität (Volatilität),von rund<br />

14 Prozent in Kauf nehmen.Unternehmensobligationenhingegenwiesenindiesem<br />

Zeitraum<br />

eine durchschnittliche jährliche Rendite von<br />

6Prozent bei einer Volatilität von 6 Prozent<br />

auf. Kombiniert man beide Anlageklassen in<br />

einemPortfolio entlang derinAbb. 2 gezeigten<br />

grauen Linie, kann manzum Beispielein Portfolio<br />

aufbauen, das langfristig einen Ertrag<br />

von8Prozent (mehrals Obligationen,weniger<br />

als Aktien) mit einem Risiko von <strong>10</strong> Prozent<br />

(mehr als Obligationen, weniger als Aktien)<br />

erzielt. Ändert man das Verhältnis zwischen<br />

Obligationen und Aktien, kann man – je nach<br />

persönlicher Risikofähigkeit und Risikoneigung<br />

– zum Beispiel auch eine Zielrendite<br />

von 7Prozent anstreben.<br />

Die Vorteile der Diversifizierung<br />

Deutlich wird dabei eines: Die Beimischung<br />

von Aktien inein vormals reines Obligationenportfolio<br />

ermöglicht bei unverändertem<br />

1 Höhere Rendite nur mit höherem Risiko<br />

Unterschiedliche Anlagekategorien weisen ein unterschiedlich hohes<br />

Risiko auf. Im Normalfall und über einen längeren Zeitraum wird ein<br />

höheres Risiko mit einer höheren Rendite entschädigt. Quelle: Credit Suisse<br />

Rendite<br />

2 Vorteile der Diversifizierung<br />

Das optimale Portfolio erzielt man, indem man verschiedene Anlageklassen<br />

miteinander kombiniert, die unterschiedlich auf eine veränderteWirtschafts­und<br />

Finanzmarktsituation reagieren. Quelle: Credit Suisse<br />

Rendite in %p.a. (1994–2007)<br />

16<br />

15%<br />

Geringeres Risiko – höhere Rendite<br />

Globale Immobilien<br />

<strong>10</strong>%<br />

5%<br />

0%<br />

Geldmarkt EUR<br />

–5%<br />

–<strong>10</strong>%<br />

Hedge Funds<br />

Aktien USD Aktien EUR<br />

Rohstoffe<br />

Staatsanleihen EUR<br />

Private Equity<br />

14<br />

12<br />

<strong>10</strong><br />

Hedge Funds<br />

Rohstoffe<br />

Private Equity<br />

–15%<br />

–20%<br />

–25%<br />

Hedge Funds<br />

Aktien USD<br />

Rohstoffe<br />

Aktien EUR<br />

8<br />

6<br />

Anleihen (erstklassig)<br />

Aktien<br />

0% 5% <strong>10</strong>% 15% 20% 25% 30%<br />

Risiko<br />

4<br />

6 8 <strong>10</strong> 12 14 16<br />

Volatilität in%p.a.<br />

Aktien – Anleihen<br />

Aktien – Anleihen – Private Equity<br />

Aktien – Anleihen – Immobilien<br />

Aktien – Anleihen – Rohstoffe<br />

Aktien – Anleihen – Hedge Funds<br />

6Anlageklassen<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Asset Allocation Wirtschaft<br />

<br />

Risiko (zum Beispiel 6Prozent) eine Zusatzrendite<br />

von rund 0,75 Prozent. Möglich ist<br />

das durch die unterschiedliche Reaktion dieser<br />

Anlagetypen auf eine veränderte Situation<br />

inder Wirtschaft oder auf dem Finanzmarkt.<br />

Obligationen zum Beispiel weisen in<br />

Zeiten schwacher oder fallender wirtschaftlicher<br />

Aktivität bei tendenziell fallenden<br />

Zinsen eine eher gute Performance auf.<br />

Deutlich negativer reagieren diese Schuldverschreibungen<br />

in Zeiten steigender Zinsen.<br />

Aktien hingegen bevorzugen eine wirtschaftlich<br />

aussichtsreiche Situation, inder Obligationen<br />

eher zur Schwäche neigen. Im Fachjargon<br />

nenntman dies «unkorrelierte oder kaum<br />

korrelierteAnlagen», das heisst, das Verhalten<br />

dieser Anlagen ist nicht gleichgerichtet<br />

(>siehe Abb.4).Damit wirkt esimPortfolio<br />

ausgleichend. Das Bild einer Wippe, die wir<br />

alle aus Kindertagen kennen, könnte man<br />

hier alsVergleich heranziehenmit Aktienauf<br />

der einen und Obligationen auf der anderen<br />

Seite. Nur beide Anlageklassen zusammen<br />

garantieren ein ausgewogenes, das heisst<br />

ein auf unterschiedliche Wirtschafts­ und<br />

Finanzmarktsituationen ausgerichtetes Portfolio.<br />

Bleibt man hingegen ineiner Anlagekategorie,<br />

kann dasVermögenimübertragenen<br />

Sinne «sitzenbleiben».<br />

Portfolio «auf vier Beine stellen»<br />

Dass Risiken ineinem solchen Fall nicht nur<br />

die als riskanter wahrgenommenen Aktien<br />

betreffen, macht das potenzielle Risiko Inflation<br />

klar. Auch wenn selbst einem vorsichtigen<br />

Anleger imlangfristigen Durchschnitt<br />

(15 Jahre) 3 – 4Prozent Rendite genügen,<br />

können steigende Zinsendie Gesamtrendite<br />

eines konservativen Obligationenportfolios<br />

über die mittlere Frist deutlich unter diese<br />

Marke und sogar in den negativen Bereich<br />

fallen lassen.<br />

Dem kann entgegengewirkt werden, indem<br />

ein Portfolio strategisch besser und<br />

damit über verschiedene Anlageklassen hinweg<br />

aufgestellt wird. Auf vier Beinen steht<br />

ein Stuhl in aller Regel nun mal besser. Um<br />

über einen ganzen Konjunkturzyklus (inklusive<br />

Wirtschaftsaufschwung, Überhitzung,<br />

Abschwung, Rezession) gut gewappnet zu<br />

sein, empfehlen wir die folgende Positionierung<br />

für ein ausgewogenes Risikoprofil in<br />

Schweizer Franken (> siehe Abb.3).Anleger<br />

sollten also überprüfen, ob bei ihnen Rendite<br />

und Risiko ineinem angemessenen Verhältnis<br />

stehen.<br />

Eine solche Anlagestrategie stellt die<br />

Grundlagefürden langfristigen Anlageerfolg<br />

3 Die Anlagestrategie der Vermögensverwaltung<br />

Neben der längerfristigen Aufteilung des Vermögens inverschiedene Anlagekategorien<br />

setzen wir auf eine aktive Bewirtschaftung auf taktischer Basis.<br />

Aktuell sind wir positiv auf Aktien und Alternative Anlagen (z.B.Rohstoffe, Hedge<br />

Funds) eingestellt. Quelle: Credit Suisse, Ibbotson<br />

35<br />

20<br />

dar. Akademische Studien haben klar gezeigt,<br />

dass der grösste Teil des Anlageerfolges<br />

von der richtigen Vermögensaufteilung<br />

(Asset Allocation) abhängt. Das Anlagekomitee<br />

der Credit Suisse definiert die Rahmenbedingungen<br />

dieser Anlagestrategie. Im Anlagekomitee,<br />

das aus Vertretern der privaten<br />

Vermögensverwaltung (Asset Management)<br />

und erfahrenen Analysten besteht, widmet<br />

man sich darüber hinaus den Marktchancen,<br />

die sich nicht nur inlängeren, sondern auch<br />

in kürzeren Fristen ergeben.<br />

24<br />

38<br />

Risiken erforden aktive Verwaltung<br />

Gerade der aktuelle Konjunkturzyklus ist<br />

durch grosse Schwankungen anden Finanzmärkten<br />

geprägt und wird esweiter sein.<br />

Auch in der Vergangenheit sind langfristige<br />

Aufwärtstrends an den Börsen von Jahren<br />

eher unterdurchschnittlicher Performance<br />

unterbrochen worden. Der momentane Konjunkturzyklus<br />

dürfte mit seinen latenten<br />

Risiken (zum Beispiel Finanzsystem, Staatsverschuldung,<br />

steigende Zinsen, Inflation)<br />

nach den kräftigen Kursgewinnen in einem<br />

nächsten Schritt mit einem etwas gemächlicheren<br />

Tempoaufwarten.Dennoch werden<br />

sich in diesem Umfeld interessante Anlagechancen<br />

ergeben. Eine solche taktische<br />

Anlagestrategieist zumBeispieldie deutliche<br />

Anhebung des Anteils von Aktien ineinem<br />

Portfolio über einen bestimmten Zeitraum<br />

undinsbesondere füreinevielversprechende<br />

Region. Auch der Obligationenteil kann und<br />

7<br />

8<br />

31<br />

37<br />

Empfohlene Anlagekategorien<br />

Liquidität<br />

Obligationen<br />

Aktien<br />

Alternative Anlagen<br />

Langfristig<br />

sollte bei entsprechenden Marktchancen<br />

aktiv gemanagt werden. Dazu zählt zum Beispiel<br />

im passenden Umfeld die temporäre<br />

Beimischung von höher verzinslichen Anleihen<br />

oder aber das explizite Laufzeitenmanagement,<br />

um den Risiken steigender Zinsen<br />

angemessen begegnen zu können. Eine aktive<br />

Bewirtschaftung des eigenen Portfolios<br />

zum Beispiel mit Unterstützung der privaten<br />

Vermögensverwaltung kann diese ertragsrelevanten<br />

Möglichkeiten nutzen. <<br />

4 Diversifizierung zahlt sich auch<br />

in der Krise aus<br />

Auch inder Finanzmarktkrise hat sich Diversifizierung<br />

bewährt, da Obligationen und Aktien<br />

nicht gleichlaufend waren. Quelle: Credit Suisse<br />

120<br />

1<strong>10</strong><br />

<strong>10</strong>0<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

12.06 04.07 08.07 12.07 04.08 08.08 Dez 08<br />

Barclays Global Bond Index<br />

Global Equities (MSCI AC World)<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Wirtschaft Senior Housing<br />

Licht<br />

Eine gute und ausreichend starke<br />

Beleuchtung bringt nicht nur eine<br />

bessere Sicht, sondern trägt auch zu<br />

einer positiven Atmosphäre bei.<br />

Sicht<br />

Zusätzliche Fenster erhöhen den Einfall<br />

von natürlichem Licht und können zu mehr<br />

Sicherheit durch Sichtkontakt verhelfen.<br />

Schalter<br />

Lichtschalter, die imDunkeln leuchten,<br />

sind leichter zu orten. Gerade in Fluren und<br />

Durchgängen sind Bewegungsmelder<br />

von Vorteil.<br />

Haltegriffe<br />

Handläufe imFlur vermitteln ein sicheres<br />

Gefühl und helfen, die unabhängige<br />

Bewegungsfreiheit zu verlängern.<br />

Treppe<br />

Die Stufen sollten über einen rutschfesten<br />

Belag verfügen. Um den nachträglichen<br />

Einbau eines Treppenlifts zu<br />

ermöglichen,sollte die Treppe mindestens<br />

120cmbreit sein.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Senior Housing Wirtschaft<br />

<br />

Massgeschneiderte<br />

Altersimmobilien als<br />

attraktive Geldanlage<br />

Wer träumt nicht von einem geruhsamen Lebensabend in<br />

angenehmer Atmosphäre? Demografische und sozioökonomische<br />

Entwicklungen deuten darauf hin,dass die Nachfrage<br />

nach verschiedenen Arten von Seniorenimmobilien in den<br />

kommenden Jahren signifikant zunehmen wird.<br />

Text: Martin Bernhard und Karim Cherif, Global Real Estate Analysts<br />

Terrasse<br />

DerTüranschlag einer Balkon- oder<br />

Terrassentür sollte keinesfalls höher<br />

als 3cm sein.<br />

Stauraum<br />

Garderoben und sonstige Schränke<br />

müssen frei zugänglich sein. Schlüssel<br />

an Möbelstücken erhöhen die Verletzungsgefahr.<br />

Besser sind Magnetverschlüsse<br />

oder Griffe.<br />

Wohnen<br />

Beim Einrichten des Wohnbereichs<br />

ist darauf zu achten,dass angemessen<br />

grosse Freiflächen zwischen den<br />

Möbeln und vor Schränken und Türen<br />

vorhanden sind.<br />

Schwelle<br />

Jede Unebenheit ist ein potenzieller<br />

Stolperstein. Darum auch beim<br />

Wechsel von Bodenbelägen Schwellen<br />

vermeiden. Auch Abstreifer können<br />

versenkt angebracht werden.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong><br />

Foto: Michael Meier, Thun, Seniorenwohnungen Lenggen, Langnau i. E.


0<br />

Wirtschaft Senior Housing<br />

Moderne Senioreneinrichtungen sind bestrebt,<br />

älteren Menschen ein weitgehend<br />

selbständiges und unabhängiges Leben zu<br />

ermöglichen. Sie sollen ihnen zudem eine<br />

gesundheitliche Betreuung sowie Abwechslung<br />

und Unterhaltung durch soziale Aktivitäten<br />

gewährleisten. Für Anleger sind<br />

Seniorenimmobilien aufgrund ihres langfristigen<br />

Wachstumspotenzials eine attraktive<br />

Geldanlage, die sich momentan auch aus<br />

konjunkturellen Gründen anbietet. Die folgende<br />

Analyse bezieht sich aus Mangel an<br />

Daten zuanderen Regionen hauptsächlich<br />

auf den US­amerikanischen Markt, liefert<br />

jedoch Ergebnisse, die im Grossen und<br />

Ganzen auch auf Länder in Westeuropa<br />

sowie auf Japan übertragbar sein dürften.<br />

Zahl der Senioren nimmt stetig zu<br />

Alterswohnformen in den USA<br />

Die Zunahme des Anteils älterer Menschen<br />

an der Gesamtbevölkerung stellt inden entwickelten<br />

Ländern einen bedeutenden demografischen<br />

Faktor dar,der sich mittel­und<br />

langfristig auf die Immobilienmärkte auswirken<br />

wird. Schätzungen zufolge wird die Zahl<br />

der über 65­Jährigen bis zum Jahr 2030<br />

in Japan um 26 Prozent, in Europa um<br />

39 Prozent und inden Vereinigten Staaten<br />

um 78 Prozent steigen. Zudem erhöht sich<br />

auch die Lebenserwartung indiesen Ländern<br />

stetig. Als Folge dieser Entwicklung<br />

wohnen ältere Menschen durchschnittlich<br />

viel länger in Senioreneinrichtungen, insbesondere<br />

inIndependent­Living­Wohnanlagen<br />

(siehe Kasten «Verschiedene Wohnformen für<br />

Senioren»).LautDaten der OECD aus demJahr<br />

2006 beträgt die durchschnittliche Restlebenserwartung<br />

65­jähriger Männer und<br />

Frauen in den Vereinigten Staaten 17,5 bzw.<br />

20 Jahre, in derSchweiz 18,5 bzw. 22 Jahre<br />

und inJapan 18,5 bzw. 23,5 Jahre.<br />

Es ist also davon auszugehen, dass der<br />

Anteil hochbetagter Menschen an der Bevölkerung<br />

auch in denkommendenJahrzehnten<br />

signifikant steigen wird. Laut Angaben des<br />

US Census Bureau (der für Volkszählungen<br />

zuständigen US­amerikanischen Bundesbehörde)<br />

wird die Zahl der über 84­jährigen<br />

Dieinden Vereinigten Staatenzur Auswahl stehendenWohnformen<br />

fürSenioren basieren im Wesentlichen aufdreiModellen, diesichdurch<br />

unterschiedlichePflege­und Betreuungsangebote auszeichnen:<br />

Independent Living*: Eine Wohnform,die dasselbständigeWohnen<br />

undselbstbestimmteLeben unterstützt undsichfür gesundeRuheständlerohneBetreuungsbedarfeignet.Viele<br />

dieser Wohnanlagen<br />

verfügen über gemeinschaftlichgenutzteEinrichtungen(wieSchwimmbäder,<br />

Friseursalonsetc.) undorganisierte Freizeitangebote.(*Im<br />

deutschsprachigenRaum gibt es Alters­bzw.Seniorenresidenzen,<br />

derenKonzeptesichstark am Independent­Living­Modellorientieren,<br />

eine exakte Entsprechung gibt es jedoch nicht.)<br />

Assisted Living (betreutes Wohnen): Eine Wohnform fürSenioren<br />

mitBetreuungsbedarf, dieeinerseitssoselbständig undselbstbestimmt<br />

leben möchtenwie möglich,aber andererseitsauchsoviel<br />

Betreuungund Pflege erhaltenwie nötig.<br />

Skilled Nursing(Altenpflegeheime): EinrichtungenfürSenioren,<br />

dierundumdie UhrBetreuung undPflege benötigen.Unter anderem<br />

gibt es Pflegeheime,die speziell aufdie Bedürfnisse vonDemenzkranken(z.B.<br />

Alzheimerpatienten) ausgerichtetsind.<br />

ContinuedCareRetirement Communities (CCRCs)*: EinVerbundkonzept,<br />

bei demdie Kontinuitätdes WohnensimVordergrund steht<br />

unddie drei zuvoraufgeführtenWohnformen untereinem Dach<br />

angebotenwerden. Betreuungs­und Pflegeleistungenpassensich<br />

denindividuellen Bedürfnissenan, bishin zurSchwerstpflegebedürftigkeit.(*ImdeutschsprachigenRaum<br />

gibt es Alters­bzw.Seniorenresidenzen,deren<br />

Konzepte sich starkamCCRC­Modellorientieren,<br />

eine exakte Entsprechung gibt es jedoch nicht.)<br />

US­Amerikaner zwischen 20<strong>10</strong> und 2040<br />

um 145 Prozent steigen, während imgleichen<br />

Zeitraum die Gesamtbevölkerung voraussichtlich<br />

nur um 30 Prozent anwachsen<br />

wird.InAbbildung1wird diebis zumJahr 2050<br />

erwartete Zunahme der Zahl der älteren<br />

Menschen in den USA dargestellt (nach<br />

Altersgruppen eingeteilt). Und auch in Westeuropa<br />

und Japan werden 2040 nach Schätzungen<br />

der UNO etwa 90 Prozent mehr über<br />

79­Jährige leben als noch 20<strong>10</strong>.<br />

In Abbildung 2 wird anhand der Ergebnisse<br />

der imJahr 2006 veröffentlichten Medicare<br />

Current Beneficiary Survey (einer repräsentativen<br />

Umfrage unter Medicare 1 ­Empfängern)<br />

aufgezeigt, wie viele der Befragten<br />

aufgrund physischer und/oder psychischer<br />

Einschränkungenbei bestimmtenalltäglichen<br />

Aktivitäten auf Unterstützung angewiesen<br />

sind. Diese Angaben geben Aufschluss darüber,<br />

dass der Pflege­und Betreuungsbedarf<br />

und somit die Nachfrage nach entsprechenden<br />

Wohnformen mit zunehmendem<br />

Alter der Senioren steigt, und machen deutlich,<br />

dass insbesondere der Langzeitpflege<br />

in Zukunft noch mehrBedeutung zukommen<br />

wird. Auch eine auf Deutschland bezogene<br />

Studie der Beratungsgesellschaft Avivre<br />

Consult GmbH kommt zum Schluss, dass<br />

die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu<br />

werden, mit steigendem Alter exponentiell<br />

zunimmt.<br />

Auch das steigende Einkommen älterer<br />

Menschen könnte die Nachfrage nach Seniorenimmobilien<br />

ankurbeln. Nach Angaben<br />

des US Census Bureau istder Anteil der über<br />

65­Jährigen, die zuden Geringverdienern<br />

zählen bzw. unterhalb der Armutsgrenze<br />

leben, von 49,2 Prozent im Jahr 1976 auf<br />

35,6 Prozent im Jahr 2006 gesunken. Auch<br />

wenn sich also die Entwicklungen auf dem<br />

Immobilien­ und Aktienmarkt in den letzten<br />

zwei bis drei Jahren negativ auf den Vermögenseffekt<br />

ausgewirkt haben, kann man<br />

davon ausgehen, dass demografische und<br />

sozioökonomische Faktoren in den kommenden<br />

Jahren die Nachfrage nach Seniorenimmobilien<br />

steigern werden.<br />

Umzug möglichst lange hinauszögern<br />

Es ist keine leichte Aufgabe, ältere Menschen<br />

und ihre Angehörigen von den Vorteileneines<br />

Umzugs in eine Senioreneinrichtung<br />

zu überzeugen. Der kulturelle Hintergrund<br />

spielt dabei eine grosse Rolle, damit der<br />

Pflege älterer Menschen ganz unterschiedlich<br />

umgegangen wird. Gemäss der zuletzt<br />

veröffentlichten National Housing Survey of<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Senior Housing Wirtschaft<br />

1<br />

Adults Age 55+ (einer inden USA durchgeführten<br />

Umfrage zur Wohnsituation und<br />

Wahrnehmung von Senioreneinrichtungen<br />

bei den über 54­Jährigen) sind zwischen<br />

1998 und 2007 anteilig deutlich mehr Menschen<br />

in eine Senioreneinrichtung umgezogen.<br />

Nach wievor scheint einsolcherUmzug<br />

jedoch so lange hinausgezögert zu werden,<br />

bis eine echte Notwendigkeit dafür besteht.<br />

Darauf weisen auch Ergebnisse dieser Umfragehin,denen<br />

zufolge Independent­Living­<br />

Wohnanlagen und Angebote im Bereich des<br />

betreuten Wohnens im gleichen Zeitraum<br />

leicht an Attraktivität verloren haben. Viele<br />

ältere Menschen betrachten eine Senioreneinrichtung<br />

demnach als Wohnform, die sie<br />

aufgrund bestimmter Umstände zu wählen<br />

gezwungen sind. Hier müssen die amBau<br />

solcher Einrichtungen beteiligten Unternehmer<br />

und auch deren Betreiber ansetzen<br />

und sich noch stärker darum bemühen,den<br />

wachsenden Bedürfnissen und Wünschen<br />

älterer Menschen gerecht zuwerden. Dies<br />

gilt besonders für den Bereich Independent<br />

Living, da hier diejenigen Senioren angesprochen<br />

werdensollen, diesichnochbester<br />

Gesundheit erfreuen.<br />

Attraktive Einstiegsmöglichkeiten<br />

Wie rentabel eine Seniorenimmobilie ist,<br />

bestimmt die Wertsteigerung eines Wohnobjekts<br />

und die Höhe der Mieteinnahmen.<br />

Diese hängt natürlich hauptsächlich von Angebot<br />

und Nachfrage auf dem jeweiligen<br />

Wohnungsmarktab. In denVereinigten Staaten<br />

beispielsweise hat sich die schwache<br />

Konjunktur inden letzten zwei Jahren auch<br />

spürbar auf die Nachfrage nach Seniorenimmobilien<br />

ausgewirkt.Zudemhielt dieKrise<br />

auf dem dortigen Immobilienmarkt viele<br />

Senioren davon ab, ihre Eigenheime zu verkaufen<br />

und in eine Independent­Living­<br />

Wohnanlage oder eine so genannte CCRC<br />

(siehe Kasten «Verschiedene Wohnformen für<br />

Senioren») zu ziehen. Die Auslastung aller<br />

Wohnformen ging deshalb zurück, wenngleich<br />

die mit dem Leben in einer Senioreneinrichtung<br />

verbundenen Kosten (sowie die<br />

bei einem Umzug ineine CCRC anfallenden<br />

Aufnahmegebühren) auch während des Abschwungs<br />

relativ stabil blieben. Bei Altenpflegeheimen<br />

und Einrichtungen im Bereich<br />

des betreuten Wohnens verringerte sich<br />

die Auslastung vergleichsweise wenig, da<br />

sich deren Bewohnern aufgrund ihres gesundheitlichen<br />

Zustands oftmals keine Alternativen<br />

bieten. Der Auslastungsgrad ist hier<br />

also von der konjunkturellen Entwicklung<br />

weitgehend unabhängig. Die Credit Suisse<br />

vertritt jedoch die Ansicht, dass alle Wohnformen<br />

für Senioren im Jahr 20<strong>10</strong> stärker<br />

gefragt sein werden – auch infolge des zu<br />

erwartenden Konjunkturaufschwungs und<br />

der Stabilisierung des US­amerikanischen<br />

Immobilienmarkts.<br />

Unsicherheitsfaktor Gesundheitsreform<br />

Auf Anlegerseite war in den USA ein starker<br />

Rückgang des Transaktionsvolumens auf<br />

dem Markt für Seniorenimmobilien zu beobachten.<br />

Dementsprechend sind auch die<br />

Kapitalisierungssätze inden letzten Quartalen<br />

gestiegen. Vor allem der angespannte<br />

Kreditmarkt verhindert nach wie vor, dass<br />

dieVerkaufsaktivitätenzunehmen.Unsicherheit<br />

herrscht ausserdem angesichts der<br />

geplanten Gesundheitsreform, deren Auswirkungen<br />

auf die Finanzierung der Seniorenpflege<br />

und ­betreuung noch nicht klar<br />

abzusehen sind.Trotz alledem ist davon auszugehen,<br />

dass sich die Anleger 20<strong>10</strong> wieder<br />

stärker einbringenwerdenund dass miteiner<br />

Zunahme der Transaktionen zu rechnen ist –<br />

nicht zuletzt deuten positive Entwicklungen<br />

im Bereich der Wertermittlungen darauf hin.<br />

Es könnten sich imJahr 20<strong>10</strong> also interessante<br />

Möglichkeiten zum Einstieg in den<br />

US­amerikanischen MarktfürSeniorenimmobilien<br />

ergeben.<br />

Langzeitengagement empfohlen<br />

Da die Menschen in den meisten entwickelten<br />

Ländern statistisch gesehen immer älter<br />

werden, bietet der Markt fürSeniorenimmobilien<br />

äusserstattraktive,langfristige Wachstumsperspektiven<br />

und wird sich in den kommenden<br />

Jahren wohl zu einem bedeutenden<br />

Teilmarkt der globalen Immobilienwirtschaft<br />

entwickeln. Mit Anlageprodukten wie beispielsweise<br />

Real Estate Investment Trusts<br />

(REITs) nehmen die USA auf diesem Markt<br />

momentaneineSpitzenpositionein.Dochunserer<br />

Einschätzung zufolge wird sich auch in<br />

Europa und Asien in puncto Investitionsmöglichkeiten<br />

in Zukunft einigesbewegen.In der<br />

gegenwärtigen Situation empfehlen wir Anlegern<br />

den Einstieg in den Markt für Immobilien<br />

undPflege­und Betreuungsdienstefür<br />

Senioren in Form von Investitionen in Immobilienspezialfonds.<br />

<<br />

1<br />

Staatliche Krankenversicherung für ältere Menschen<br />

ab 65 Jahren (und andere Bevölkerungsgruppen wie<br />

zum Beispiel Personen mit bestimmten Behinderungen)<br />

in den Vereinigten Staaten.<br />

1 Zahl der älteren US­Amerikaner<br />

nimmt weiter stark zu<br />

Bis ins Jahr 2050 wird sich die Zahl der<br />

Menschen in den USA,die älter als Jahre<br />

sind, mehr als verdoppeln.<br />

Quellen: USCensus Bureau, CS<br />

Zahl (Wert xTausend) älterer Menschen<br />

in Altersgruppen eingeteilt<br />

<strong>10</strong>0000<br />

90000<br />

80000<br />

70000<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

<strong>10</strong> 000<br />

0<br />

–4 –4 +<br />

19<strong>10</strong> 1950 1990 2030<br />

2 Betreuungs­und Pflegebedarf<br />

mit zunehmendem Alter<br />

Mit steigendem Alter steigt auch die Abhängigkeit<br />

von fremder Hilfe im Alltagsleben.<br />

Quellen: Medicare Current Beneficiary Survey (2006), Credit Suisse<br />

%der Senioren mit Schwierigkeiten, alltägliche<br />

Aktivitäten selbständig durchzuführen<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

Baden/<br />

Duschen<br />

Ankleiden<br />

–4 –4 +<br />

Essen<br />

Zu Bett<br />

gehen<br />

Gehen<br />

Benützung<br />

WC<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


2<br />

Wirtschaft Digitalisierung<br />

Diereale Welt mit<br />

digitalenNetzwerken<br />

verknüpfen<br />

Nach dem Krisenjahr 200startet die IT­Branche bereits wieder optimistisch<br />

ins neue Jahrzehnt.Insbesondere die Einführung des iPhones hat die Allgegenwart des<br />

Internets entscheidend vorangetrieben.Die Kombination von mobilem Internet<br />

und sozialen Netzwerken ebnet den Weg zu einer Fülle von spannenden,innovativen<br />

Geschäftsmodellen.<br />

Text: Uwe Neumann, Senior Equity Analyst<br />

Der Beginn des neuen Jahrzehnts scheint<br />

für die IT­Branche vielversprechend zu sein.<br />

Industrieanalystenerwartennachdem Krisenjahr<br />

2009 wieder ein kräftiges Wachstum.<br />

Nachdem imVorjahr ein Rückgang von fast<br />

zehn Prozent zu verzeichnen war, gehen Industrieprognosen<br />

von einem Plus zwischen<br />

fünf undzehnProzent in 20<strong>10</strong> aus.Als Grund<br />

für die positive Aussicht wird neben einer allgemeinen<br />

Erholungder Konjunkturvor allem<br />

die Digitalisierung der Gesellschaft angeführt,<br />

die mit Riesenschritten voranschreitet<br />

(> siehe Abbildung 1Seite 3). Sowird erwartet,<br />

dass Unternehmen ihre Kommunikationsnetzwerke<br />

sukzessive aufrüsten, umden<br />

Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts<br />

gewachsen zu sein. Immerhin ist der<br />

letzte Aufrüstungszyklus fast zehn Jahre alt.<br />

Damals wurden die IT­Systeme auf die Anforderungen<br />

des Internets und Intranets eingestellt<br />

und der Jahrtausendwechsel vorbereitet.<br />

Heute geht esumden Wandel von<br />

Menschund Medien.Das mobile Internetund<br />

die sozialen Netzwerke spielen dabei eine<br />

zentrale Rolle. Die Kombination von beiden<br />

ermöglichtneueGeschäftsmodelle,die dank<br />

der wachsenden Marktdurchdringung von<br />

internetfähigen mobilen Endgeräten innaher<br />

Zukunft an Bedeutunggewinnen undschnell<br />

massenmarktfähig werden könnten.Seit der<br />

Einführung des iPhones hat der private Konsument<br />

seine bisherige Zurückhaltung bei<br />

der Anwendung und Nutzung des mobilen<br />

Internets aufgegeben. Gemäss dem Marktbeobachter<br />

informa soll sich die Zahl der<br />

mobilen Internetzugangspunkte biszum Jahr<br />

2<strong>01</strong>3 gegenüber 2008 verfünffachen, während<br />

sich die Internetanschlüsse imFestnetz<br />

maximal verdoppeln und vergleichsweise an<br />

Bedeutung verlieren werden.<br />

Innovative Trends des mobilen Internets<br />

Aus Internetblogs, Industrie­und Investmentanalysen,<br />

die sich mit innovativen Trends<br />

des digitalen Netzwerks beschäftigen, geht<br />

eine Vielzahl von Ideen fürneue Geschäftsmodelle<br />

hervor. Folgende fünf innovative<br />

Technologien, die sich des mobilen Internets<br />

bedienen, widerspiegeln unseres Erachtens<br />

stellvertretend für viele andere, die sich daraus<br />

ableiten lassen,die theoretischeVielfalt<br />

der neuen Geschäftsideen.<br />

1) Informationsbrillefürden Alltag: Besser<br />

bekannt unter dem englischen Begriff «augmented<br />

reality»sind darunter Informationen<br />

zu verstehen,die man überdas Displayeines<br />

Smartphones erhält. Dabei dient nicht die<br />

Tastatur, sondern die Kamera als Abrufmedium<br />

der Information. Das heisst, die Kamera<br />

erkennt Objekt oder Person, auf die sie gerichtetist,und<br />

liefert überdas Kameradisplay<br />

Informationen,ohnedassder Benutzer etwas<br />

tun muss. Ob Restaurants, Personen, Buchrücken,LebensmittelprodukteimSupermarkt<br />

oder das Denkmal im Park – alles wird er­<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Digitalisierung Wirtschaft<br />

3<br />

Fotos: www.layar.com<br />

kannt, Informationsquellen werden zugeordnet<br />

und angeboten. Das Smartphone dient<br />

als Lupe und Informationskanal zugleich.<br />

Dies wird ermöglicht durch die Kombination<br />

von GPS, Kompass, Bewegungssensorik,<br />

RFiD und Nutzung von Informationsplattformen,von<br />

Wikipedia über Lexika zusozialenNetzwerkenwie<br />

Facebook. Vielekleinere<br />

Unternehmen wie Sekai Camera (Japan),<br />

Layar, Graffiti Geo oder Mobilizy (Österreich)<br />

entwickeln solche Applikationen,die iPhones<br />

Die Realität kann durch die «Brille» eines<br />

Smartphones…<br />

…mit beliebigen Informationen aus dem<br />

Internet verknüpft werden.<br />

Es kann unter anderem aufzeigen, welche<br />

Immobilie imBlickfeld zum Verkauf steht …<br />

oder Smartphones mit Android­Betriebssystem<br />

(Google) nutzen können.<br />

2) GPS: Ein zweiter, nicht mehr ganz neuer<br />

Trend ist die Nutzung von GPS übers Handy.<br />

Innovative Mobilfunk­Applikationen machen<br />

«Geolocation» zukünftig eher zueinem «must<br />

have» als zu einem «nice to have». In Verbindung<br />

mit anderen Datenpools wie etwasozialen<br />

Netzwerken (Facebook,Twitter) können<br />

Interaktionen undKommunikationangeboten<br />

werden, die zu gezielten Marketingzwecken<br />

oder zur Informationseinholung genutzt<br />

werden. Zum Beispiel kann der Anwender<br />

einfacher und vor alleminEchtzeit die beste<br />

Party, Veranstaltung oder das näheste Kino<br />

mit noch freien Sitzplätzen finden.<br />

3) Bezahlen via Handy: Dies ist auch kein<br />

ganz neuer Trend. In vielen Ländern ist es<br />

bereits möglich, beispielsweise Parkgebühren<br />

oder Bahntickets via SMS zu bezahlen.<br />

Das mobile Internet ermöglicht aber neue<br />

Arten von Transaktionen. Denkbar ist, dass<br />

in Zukunft das Smartphone zur Kreditkarte<br />

wird.Sohat etwa der Mitbegründer von Twitter,<br />

Jack Dorsey, Anfang Dezember 2009<br />

ein neues Unternehmen gegründet(Square),<br />

welches das Bezahlen von Einkäufen via<br />

iPhone ermöglichen soll.Mit einemeinsteckbarenAufsatz<br />

undeiner ladbaren Applikation<br />

wird das iPhone zur Kreditkarte und zum<br />

Kartenlesegerät. NebenGeheimzahleingabe<br />

kann auch die Unterschrift über das Display<br />

des Handys zur Bestätigung des Kaufs eingesetzt<br />

werden.Viele andere Gesellschaften<br />

planen mobile Bezahlsysteme via Handy.<br />

Die neue Bezahlplattform Obopayvon Nokia<br />

soll im Frühjahr 20<strong>10</strong> schrittweise ihren<br />

Dienst aufnehmen. Sie soll das Handy zur<br />

Kreditkarte Nummer eins machen,vor allem<br />

in Schwellenländern, woder Zahlungsverkehr<br />

nicht sogut ausgebaut ist wie in entwickelten<br />

Ländern.<br />

4) Social CRM: Facebook und Twitter sind<br />

soziale Kommunikationsplattformen,die mittlerweile<br />

fast jedem bekannt sind. Während<br />

diese bisher in der Hauptsache Privatzweckendienen,<br />

dürfte dieseArt vonsozialen<br />

Netzwerken zunehmend auch die Unternehmen<br />

erobern. Echtzeitkommunikation mit Arbeitskollegenund/oderKundenvia<br />

Chat zum<br />

Beispiel auf dem Smartphone oder anderen<br />

mobilen EndgerätenkannneueDimensionen<br />

der Zusammenarbeit und der Kundenpflege<br />

fördern, mit entsprechend positiven Auswirkungen<br />

fürUmsatz und Rentabilität.<br />

…oder inwelcher Richtung der Club «Home»<br />

zu finden ist. ><br />

1 Die digitale Datenflut wächst weiter<br />

Die weltweite Digitalisierung der Gesellschaft<br />

lässt die IT­Branche optimistisch in<br />

die Zukunft schauen. Quelle: IDC<br />

Exabytes (Mrd. Gigabytes)<br />

2000<br />

1600<br />

1200<br />

800<br />

400<br />

0<br />

2006 2007 2008 2009 20<strong>10</strong> 2<strong>01</strong>1<br />

Weltweit produzierte digitale Information<br />

2 Globaler Internetverkehr<br />

Durch die zunehmend mobile Zugänglichkeit<br />

des Internets nimmt der globale Datenverkehr<br />

im Netz rapide zu. Quelle: Cisco VNI<br />

Mio. Terabytes/Monat<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

1999 20<strong>01</strong> 2003 2005 2007 2009 2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>3<br />

Globaler Internetverkehr<br />

3 Mobilfunk versus Festnetz<br />

Die Zahl der mobilen Zugangspunkte soll<br />

sich laut dem Marktbeobachter informa von<br />

200 bis 2<strong>01</strong>3 verfünffachen. Quelle: Infonetics<br />

Zugangspunkte<br />

<strong>10</strong><br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

2008 2<strong>01</strong>3E<br />

Zugangspunkte Festnetz (Mrd.)<br />

Zugangspunkte Mobilfunk (Mrd.)<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


4<br />

Wirtschaft Digitalisierung<br />

Bezahlen via Handy: Die Abbuchung kann<br />

innert Sekunden ohne zusätzliche Gebühren<br />

über das Handy ausgelöst werden.<br />

Über die Kamera eines Smartphones kann<br />

ein Zuhörer den Referenten scannen und<br />

so zusätzliche Infos zum Vortrag anschauen.<br />

Statt mühsam die URL­Adresse einzutippen,<br />

kann mit dem Fotografieren dieses<br />

QR­Codes sofort der Link hergestellt werden.<br />

Eine Art Twitter für Unternehmen ist zum<br />

Beispiel Yammer, das eine Echtzeit­Kommunikationsplattform<br />

bietet. Sie dient als<br />

Diskussionsplattform, umIdeen, Links und<br />

Neuigkeiten – beispielsweise Ergebnisse aus<br />

Sitzungen – schnell und effizient zu teilen.<br />

) Videos auf mobilen Endgeräten: Der<br />

Erfolg von Youtube im Festnetz der Telekomgesellschaften<br />

dürfte sich auch in das<br />

mobile Internet ausbreiten. Angesichts der<br />

schneller werdenden Mobilfunknetzwerke<br />

undder zunehmendenIntegrationvon Videokameras<br />

inSmartphones dürften «live video<br />

streaming»,Musikvideos oder Trailer von<br />

Kinofilmen unter anderem die mobilen Endgeräte<br />

zunehmend fluten.<br />

Wer profitiert von diesen neuen Trends?<br />

Obwohl der Weg zum Erfolg – zum Beispiel<br />

für «augmented reality» – noch steinig werden<br />

dürfte, weil sich Anwendungen noch in<br />

einem freien, nicht regulierten Rechtsraum<br />

bewegen, wird sich unseresErachtens in den<br />

kommenden fünf Jahren ein umfangreicher<br />

Markt dafür ausbilden. Bisher existieren nur<br />

kleine Start­up­Firmen (wie zum Beispiel<br />

SekaiCamera, Layar, Graffiti Geo, Yelp), die<br />

sich dieses Themas angenommen haben.<br />

Die erfolgreichsten Unternehmen in der<br />

wachsenden digitalen Welt dürften unseres<br />

Erachtens aber jene sein, die InformationsundKommunikationsplattformen<br />

bietenoder<br />

erstellen, die als zentraler Umschlagplatz<br />

für oben erwähnte und viele andere (nicht<br />

erwähnte) Dienste verwendet werden. Führend<br />

auf diesem Gebiet sind die beiden<br />

IT­Grössen Google und Apple. Investoren<br />

sollten aber auch Firmen wie Facebook oder<br />

Twitter im Auge behalten,die voraussichtlich<br />

in diesem Jahr die Chance suchen, andie<br />

Börsezugehen,wodurch ihrjeweiligerMarktwert<br />

sichtbar wird. Ende 2009 gingen die<br />

Schätzungen imGraumarkt von einem Wert<br />

von <strong>10</strong> Milliarden US­Dollar für Facebook<br />

aus.Dies, obwohl der Umsatz des Unternehmens<br />

für2009 lediglich 500 Millionen US­<br />

Dollar betragen haben soll. Das zeigt, welch<br />

hohe Zukunftserwartungen indas Umsatzwachstum<br />

und die Rentabilität dieser Plattformen<br />

gesteckt werden. Einnahmequellen<br />

dürften aus dem sich immer noch auf TV,<br />

Radio und Printmedien konzentrierenden<br />

Werbemarktkommen,aus Zugangsgebühren<br />

für definierte «communities»,Content­Verkäufen<br />

oder Provisionen durch angebahnte<br />

Geschäftsabwicklungen oder Dienstleistungsverträge.<br />

Vorderhand dürften auch<br />

Unternehmen profitieren, die die Infrastruktur<br />

fürdiese digitalisierte «virtuelle» Welt erstellen,<br />

umden rasant ansteigenden Datenverkehr<br />

inden Kommunikationsnetzwerken<br />

überhaupt erst zu ermöglichen. Darunter<br />

sind Software­Unternehmen wieOracleund<br />

SAP, aber auch Datenverwalter wie EMC<br />

und Unternehmensnetzwerk­Dienstleister<br />

wie Cisco. Aber auch Smartphone­Hersteller<br />

wie Apple, Nokia oder RIMM, die neben<br />

der Hardware auch integrierte Software­<br />

Plattformen zum Kommunizieren, Bezahlen<br />

oder Herunterladen anbieten, sollten langfristig<br />

profitieren. <<br />

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Dossier Immobilienanlagen<br />

Real Estate<br />

AssetManagement<br />

Credit Suisse<br />

Inhalt<br />

<strong>01</strong> Vision und Strategie Markus Graf im Gespräch<br />

02 Sportarena Luzern Innovative Mantelnutzung<br />

03 Uptown Zug Wahrzeichen der Nachhaltigkeit<br />

04 Von Sydney bis Den Haag Globale Investments<br />

05 Immobilienprodukte im Überblick


<strong>01</strong><br />

Immobilien<br />

«Wirinvestieren mitnachhaltigen<br />

Immobilien in dieZukunft»<br />

Markus Graf leitet das Real Estate Asset Management Schweiz der Credit Suisse.Sein Team<br />

verwaltet Immobilienanlagen im Wert von knapp 25 Milliarden Franken,darunter auch nachhaltige<br />

Immobilien.Die neu lancierten Produkte steigern den Anteil nachhaltiger Liegenschaften<br />

und wecken grosses Interesse bei den Investoren.<br />

<strong>bull</strong>etin: Mit so genannten Themenfonds<br />

wie «Wohnen im Alter» oder «nachhaltiges<br />

Bauen» gehen Sie neue Wege. Mit<br />

welchen Themen können Sie Investoren<br />

zukünftig noch begeistern?<br />

Markus Graf: Der Markt gibt noch viele<br />

Themen her. Beispiele wären Parkhäuser,<br />

Hospitality oder Infrastrukturen. Unser Ziel<br />

ist, uns jedes Jahr einem neuen Thema anzunehmen.<br />

Sie gehen noch einen Schritt weiter<br />

und bauen rund um diese Themen eine<br />

eigene Welt.<br />

Wir ergänzen unsere Produkte mit zusätzlichen<br />

Leistungen. Sowecken wir Interesse<br />

und schaffen einen Mehrwert fürInvestoren.<br />

Unser eigenes Gütesiegel «greenproperty»<br />

beispielsweise dient als Erkennungszeichen<br />

fürtiefe Nebenkostenund umweltbewusstes<br />

Wohnen.Dieses Gütesiegel für Nachhaltigkeit<br />

am Bau verwenden wir auch inunserer<br />

Werbung fürMietobjekte.<br />

2007 lancierten Sie den Immobilienfonds<br />

Credit Suisse REF LivingPlus und<br />

die LivingServices.<br />

Die Idee dahinter ist das selbstbestimmte<br />

Wohnen im Alter. Das Produkt richtet sich<br />

aber auch an Familien und Einzelpersonen.<br />

Mit den LivingServices unterstützen wir<br />

Mieter in ihren Aufgaben rund um das Wohnen.<br />

Dank diesem Zusatznutzen können wir<br />

Immobilien besser vermarkten und somit<br />

besser auslasten. Ein Anleger kann also<br />

sowohl in einer LivingPlus­Liegenschaft<br />

wohnen, als auch LivingServices nutzen<br />

oder LivingPlus­Anteilebesitzen. Daserhöht<br />

seine Bindung zuunseren Produkten.<br />

Markus Graf: «Wir wenden uns jedes Jahr einem<br />

neuen Thema zu. InZukunft wären auch Parkhäuser,<br />

Hospitality und Infrastrukturen denkbar.»<br />

Lässt sich diese Idee auch imAusland<br />

vermarkten?<br />

DasThema Älterwerdenbetrifftnicht nurdie<br />

Schweiz. Es ist die Lancierung eines Immobilienfonds<br />

geplant, der sich auf Seniorenund<br />

Gesundheitsimmobilien im Ausland fokussiert.Damit<br />

können wir die guten Erfahrungen,<br />

die wir mit dem Credit Suisse REF<br />

LivingPlus in der Schweiz erworben haben,<br />

auch im europäischen Ausland – zumBeispiel<br />

in Deutschland – nutzen.<br />

Es zeichnet sich noch ein weiterer<br />

Trend deutlich ab: das Investieren in nachhaltige<br />

Produkte.Was bieten Sie privaten<br />

Anlegern, die Geld in qualitativ hochwertige<br />

Bauprojekte und Liegenschaften<br />

anlegen wollen?<br />

Den Projektfonds Credit Suisse REF PropertyPlus<br />

haben wir im Oktober 2008 an die<br />

Börsegebracht. DasPortfolio hateinen Wert<br />

von über einer Milliarde Franken und setzt<br />

sich aus 19 fertiggestellten Neubauten und<br />

einer Reihe vielversprechender Projekte zusammen.<br />

Wir rechnen mit einer positiven<br />

Wertentwicklung, da für die nächsten zehn<br />

Jahrenur geringeUnterhaltskosten anfallen<br />

werden. Die Ausschüttung ist für den Anleger<br />

steuerfrei.<br />

Wann kommt der Immobilienfonds<br />

Credit Suisse REF Green Propertyandie<br />

Börse?<br />

Nicht innerhalb der nächsten drei Jahre.<br />

Vorderhand darf der Fonds nur durch qualifizierteAnleger<br />

erworben werden – namentlich<br />

institutionelle Anlegersowie vermögende<br />

Privatpersonen. Umschneller andie Börse<br />

zu gehen, müssten wirBestandesimmobilien<br />

hinzukaufen,umwachsen zukönnen.Dadie<br />

Ansprüche des Gütesiegels «greenproperty»<br />

aber sehr hoch sind, können wir praktisch<br />

keine bestehenden Liegenschaften erwerben.<br />

Zurzeit werden <strong>10</strong>0 Prozent des Fondsvermögens<br />

inBauprojekte investiert. Davon<br />

entfallen zirka zehn Prozent auf Entwicklungsprojekte.<br />

Sie investieren demnach zehn Prozent<br />

des Fondsvolumens in die Entwicklung.<br />

Wo sehen Sie das Potenzial?<br />

Viele Projekte entsprechen dem heutigen<br />

Minergiestandard. Wir aber sprechen von<br />

Nachhaltigkeit,das istweitumfassender.Wir<br />

setzen qualitativeund quantitativeMassstäbe<br />

in den Bereichen, Energie, Materialien, Nutzung,<br />

Infrastruktur und Lebenszyklus. Ent­


Fotos: Martin Stollenwerk | Archiv Olgiati ®<br />

wickeln heisst einerseits vonGrund aufneue<br />

Projekte schaffen,andererseits bestehende<br />

Projekte ausbauen, sodass sie unserem erklärten<br />

Standard entsprechen.<br />

Und wann sind die freien Landreserven<br />

in der Schweiz ausgeschöpft?<br />

Die Schweiz ist sozusagen verbaut, sprich<br />

zersiedelt. ImMittelland gibt esnoch vereinzelt<br />

einige Lücken. Ein zentrales Thema<br />

ist daher das verdichtete Bauen – mehr Wohnungen<br />

auf gleicher Fläche. Dazu gehört<br />

auch höher bauen. Die Frage ist, wie hoch<br />

gebaut werden darf. Wenn man inder Stadt<br />

Zürich auf der gleichen Wohnfläche doppelt<br />

so hohe Häuser zulassen würde, hätten wir<br />

kein Landproblem mehr. Im Gegenteil: Wir<br />

könnten das Land schonen und gleichzeitig<br />

die bestehende Infrastruktur besser nutzen.<br />

Leider gehen wir immer noch viel zu grosszügig<br />

mit unseren Landreserven um.<br />

Warum wird überhaupt weitergebaut?<br />

Die Demografie zeigt doch deutlich,<br />

dass sich die Schweizer Bevölkerung<br />

mittelfristig zurückbildet.<br />

Es gibtimmer mehr ältereMenschen. Zudem<br />

hatten wir inder Vergangenheit jährlich zwischen<br />

40000 und 70 000 Zuwanderer aus<br />

dem Ausland. Esgibt Hochrechnungen, die<br />

belegen, dass die Schweiz in 20 Jahren<br />

eine Million mehr Menschen hat. Jeder Einwohner<br />

hat heute den Anspruch auf mindestens<br />

40 bis 60 Quadratmeter Wohnfläche.<br />

Vor wenigen Jahrzehnten waren noch <strong>10</strong> bis<br />

15 Quadratmeter üblich. Unser wirtschaftliches<br />

Umfeld und die steigenden Einkommen<br />

lassen solche Bedürfnisse zu. Sogesehen<br />

bleibt die Nachfrage nach Wohnraum<br />

durch die Zuwanderung und unsere hohen<br />

Ansprüche weiterhin sehr gross.<br />

Nur sind die Möglichkeiten in der<br />

Schweiz begrenzt.<br />

Deshalbmussman dieBauweise in Richtung<br />

Verdichtung und Nachhaltigkeit ändern.<br />

Wie viel teurer ist eine nachhaltige<br />

Bauweise?<br />

Der Preis fürnachhaltiges Bauen ist schwer<br />

zu errechnen. Wenn Nachhaltigkeit bereits<br />

bei der Projektierung mit einfliesst, sind<br />

die Kosten relativ gering. Im Nachhinein<br />

umrüsten kostet Geld. Je nach Planung<br />

beträgt der finanzielle Aufwand demnach<br />

zwischen drei und zehn Prozent. Die Kosten<br />

werden inden nächsten Jahren aber sinken,<br />

weil die Technik und die Materialisierung<br />

zeitgemässer und günstiger werden. In zehn<br />

Jahren spricht niemand mehr von Mehrkosten,<br />

da nur noch nachhaltiges Bauen erlaubt<br />

sein wird.<br />

Sihlcity – am 22.März 2007 in Zürich­Wiedikon eröffnet – ist mit rund 2300 Arbeitsplätzen das erste<br />

Urban Entertainment Center der Schweiz.Das vielfältige Angebot indieser «Stadt inder Stadt» wird<br />

täglich von über 19 000 Besuchern genutzt. Die Investitionen von 600 Millionen Franken wurden von fünf<br />

Immobilienanlagegefässen der Credit Suisse sowie der Swiss Prime Site AG getätigt.<br />

Kann sich die Credit Suisse überhaupt<br />

noch erlauben, in nicht nachhaltige<br />

oder Energie sparende Immobilien zu<br />

investieren?<br />

Wir haben beschlossen, ab diesem Jahr nur<br />

noch in nachhaltige Immobilien zu investieren,<br />

inder Hoffnung, Nachahmer zu finden.<br />

In einigen Jahren, sohoffen wir, wird esnur<br />

noch «grüne» Bauprojekte geben.<br />

Was geschieht mit all den Liegenschaften<br />

in Ihren herkömmlichen Fonds?<br />

Das hängt vom Zustand und vom Alter der<br />

Immobilieab. Beider Lebenserwartungeines<br />

Hauses kommt irgendwann der Punkt, wo<br />

eine umfassendeSanierung nichtmehrmöglich<br />

ist. Eine in dieJahre gekommene Liegenschaft<br />

entspricht nicht mehr unseren heutigen<br />

Umweltkriterien. Und genau daliegt<br />

häufig das Problem. Bei der Wohnüberbauung<br />

Escherpark imZürcher Enge­Quartierbeispielsweise,die<br />

fast 80­jährige Liegenschaften<br />

aufweist, begegnen wir massiver<br />

Kritik, weil wir mit unseren Abbruchplänen<br />

günstigen Wohnraum zerstören würden.<br />

Ausgeblendet wird indiesen Diskussionen<br />

aber die Verschwendung von Energie­ und<br />

Landreserven. Und das ineiner Stadt, in der<br />

Wohnungen und Land knapp sind, und in<br />

einer Zeit, in der natürliche Ressourcen ein<br />

wichtiges Thema sind.<br />

Ein komplexer und anstrengender<br />

Prozess für Mieter und Investoren.<br />

Wenn wir aber alle wirtschaftlichen und ökologischen<br />

Kriterien berücksichtigen, drängt<br />

sich ein Abbruch dieser Liegenschaften<br />

auf. Nachhaltigkeit kann nicht eindimensional<br />

betrachtet werden, sondern umfasst<br />

neben Energie auch viele weitere Faktoren.<br />

Erst jetzt,wodie klimatischen Veränderungen<br />

spür­ und sichtbar werden, fängt man an,<br />

darüber zudiskutieren. Wir werden unsere<br />

Argumente in den nächsten Monaten der<br />

Öffentlichkeit intensiv näherbringen müssen.<br />

Ichbin überzeugt,dassunsereRichtung<br />

stimmt und wir mit unseren Projekten und<br />

dem Engagement fürnachhaltiges Bauen<br />

auch nachhaltig Gutes tun.<br />

Franziska Vonaesch


02<br />

Immobilien<br />

Innovativer Stadionbau inLuzern<br />

Nach mehrjähriger Planungszeit erhält Luzern 2<strong>01</strong>1 ein neues Fussballstadion.<br />

Ermöglicht wurde dies durch eine innovative Form der Mantelnutzung mit zusätzlichen<br />

Sportanlagen und zwei Wohnhochhäusern. An diesem neuartigen Investitionskonzept<br />

wesentlich beteiligt sind zwei Immobilien­Anlagegefässe der Credit Suisse.<br />

«Luzern erhält ein ‹KKL desSports›», jubelte<br />

der Präsident des FC Luzern Walter Stierli<br />

am 29.September vergangenen Jahres.<br />

Und weiter verkündete er stolz: «Es wird ein<br />

Symbol für eine nachhaltig aufstrebende<br />

Wirtschaftsregion Zentralschweiz.» Grund<br />

für seine Euphorie war der Spatenstich für<br />

den Bau der Swissporarena. Endlich, nach<br />

vielen Jahren des Debattierens, bekommt<br />

der Traditionsverein ein neues Stadion. Als<br />

einer der letzten Super­League­Vereine hat<br />

er damit die Stadionfrage gelöst und seine<br />

Zukunft gesichert, denn das altehrwürdige<br />

Stadion Allmend aus dem Jahre 1934 entsprach<br />

längst nicht mehr den sicherheitsund<br />

baurechtlichen Vorschriften.<br />

Neue Form der Mantelnutzung<br />

Der für2<strong>01</strong>1 geplante Bau der Luzerner<br />

Architektengemeinschaft Marques&Bühler<br />

ist ein harmonischer, raumschiffartiger Körper<br />

mit weichen Formen, der auf scharfe<br />

Ecken verzichtet. Der Innenraum ist derart<br />

gestaltet, dass er dem stimmgewaltigen Innerschweizer<br />

PublikumRechnungträgt: «Ein<br />

Kessel soll es werden, in dessen Mitte der<br />

Fussball herrschtund wo dieStimmung rundherum<br />

brodelt», sagt Iwan Bühler. Das Fassungsvermögenvon<br />

zirka 17 000 Zuschauern<br />

entspricht denörtlichen Bedürfnissen. In der<br />

letzten Saisonhatte der FC Luzern mitdurchschnittlich<br />

rund 9000 Fans den fünfthöchstenZuschauerdurchschnitt<br />

derSuper League.<br />

Die Vereinsverantwortlichen sind überzeugt,<br />

dass das moderne, mit allen Annehmlichkeiten<br />

wie gedeckten Sitz­ und Stehplätzen<br />

sowie VIP­Logen versehene Stadion noch<br />

mehr Fans anziehen und sich positiv auf<br />

den sportlichen Erfolg auswirken wird.Dass<br />

Luzern eine neue Arena erhält,war allerdings<br />

alles andere als selbstverständlich.Denn im<br />

Gegensatz zuden grossen europäischen<br />

Fussballnationen lassen sich reine Fussballstadien<br />

fürSchweizer Vereine aufgrund des<br />

geringeren Zuschauerpotenzials nicht rentabel<br />

betreiben. Fürdie öffentliche Hand<br />

wiederum istdie Finanzierung einesNeubaus<br />

politisch nicht durchsetzbar.<br />

Aus diesem Grund entwickelte die ARGE<br />

Halter AG,Zürich,und Eberli­Partner, Sarnen,<br />

in Zusammenarbeit mit der Stadt Luzern die<br />

Idee einer erweiterten Mantelnutzung für<br />

verschiedene Nutzungsarten. Somit lässt<br />

sich nundie Swissporarena realisieren.Denn<br />

auf der Allmend entsteht mehr als ein neues<br />

Stadion:Zusätzlich werdendortinden nächsten<br />

zwei Jahren eine neue Leichtathletiktribüne,<br />

eine Schiesssporthalle, das Bocciadromo<br />

(bereits realisiert) und neue Kunstrasenplätze<br />

gebaut. Hinzu kommt ein neues<br />

Sportgebäude mit Läden und Büros sowie<br />

einerDoppelturnhalle,einemFitnessklub und<br />

einem Hallenbad,dessenWasserflächedoppelt<br />

so gross ist wie jene der bestehenden<br />

städtischen Schwimmhalle.Und schliesslich<br />

werden auf dem Areal auch zwei kleeblattförmige<br />

Wohnhochhäusermit einerHöhe von<br />

88 und 77 Metern und insgesamt 334 Wohnungen<br />

errichtet.<br />

Innovatives Investitionskonzept<br />

Möglich wurde dieses attraktive Gesamtprojekt<br />

nur dank einer Private Public Partnership,ander<br />

die Credit Suisse mit zwei Immobilien­Anlagegefässen<br />

einen wesentlichen<br />

Anteil hat. Das Investitionskonzept basiert<br />

aufder Abgabe derGrundstückeimBaurecht<br />

durch die Stadt Luzern an die Immobilien­<br />

Anlagegefässe und die Stadion Luzern AG.<br />

DereinmaligabzugeltendeBaurechtszins von<br />

31,7 MillionenFrankenfliesstzweckgebunden<br />

in dieErstellungdes Stadionsund vermindert<br />

dadurchdie Direktinvestition deröffentlichen<br />

Hand um mehr als die Hälfte. Das Stadion<br />

wird nach seiner Erstellung ins Eigentum der<br />

Stadion Luzern AG übergehen, ander sich<br />

unter anderem der FC Luzern beteiligt.<br />

DieImmobilien­Anlagegefässeder Credit<br />

Suisse sind abgesehenvon ihremeinmaligen<br />

Investitionsbeitrag zum Bau des Stadions<br />

von sämtlichen Verpflichtungen befreit und<br />

beteiligen sich nicht an den Betreibergesellschaften.«Die<br />

finanzielle und räumliche Trennung<br />

zwischen Stadion und Mantel war die<br />

Voraussetzungfürunser Engagement»,sagt<br />

Markus Graf, Leiter des Real Estate Asset<br />

Management der Credit Suisse. «Wir sind<br />

überzeugt,mit dieser neuen Form der Mantelnutzung<br />

zwei attraktive Investitionsobjekte<br />

für unsere Anleger zu erstellen,die eine<br />

marktkonforme Rendite erwirtschaften.»<br />

Grosse Nachfrage der Mieter<br />

Tatsächlich herrschtdankder zentrumsnahen<br />

Lage und der hervorragenden Anbindungen<br />

an den motorisierten und öffentlichen Verkehr<br />

eine rege Nachfrage. Für das Sportgebäude,<br />

das von der Credit Suisse Anlagestiftung<br />

Real Estate Switzerland finanziert<br />

wird, konnten bereits langfristige Mietverträge<br />

mit der Stadt und dem Kanton Luzern<br />

abgeschlossen werden. Ebenso grossist das<br />

Interesse an derWohnnutzung,inwelche der<br />

Immobilienfonds Credit Suisse Real Estate<br />

Fund LivingPlus investiert. Sie bilden ein<br />

prägendes Element der neuen Allmend und<br />

zeigen, wie modernes Wohnen inLuzern


So sieht die Luzerner Allmend inZukunft aus (Bildmontagen): Neben dem raumschiffartigen Fussballstadion der Architekten Marques&Bühler (unten rechts)<br />

werden ein Sportgebäude mit Hallenbad und Turnhallen sowie zwei Hochhäuser mit 334 Wohnungen errichtet (unten links).<br />

aussehen kann.Angesprochen werden weltoffene<br />

Menschen aller Altersgruppen: Das<br />

Angebot reicht von einfacheren Singlewohnungen<br />

über komfortable Wohnungen für<br />

Paare bis hin zu luxuriösen Penthouse­Wohnungen<br />

und 48 Apartments für Geschäftsleute,<br />

die nur für einige Monate in der Stadt<br />

weilen. «Damit schliessen wir in Luzern eine<br />

Marktlücke»,sagt Markus Graf. Die Bewohner<br />

profitieren vom LivingServices Home,<br />

dem Wohnen mit Service­Angebot. Und<br />

schliesslich wurde auch der ökologische Aspekt<br />

berücksichtigt:Die Bauten entsprechen<br />

dem Minergie­Standard, und dank des Bauens<br />

indie Höhe bleibt auf der Allmend weiterhinvielGrünflächeerhalten.«Wirsindstolz<br />

aufdiesesinnovativeProjektund freuen uns,<br />

einen Teil zur Stadtentwicklung inLuzern<br />

beitragen zukönnen», sagtToni Bucher, VR­<br />

Präsident der Eberli­Partner AG. Nicht minder<br />

gross ist die Freude beim Präsidenten<br />

des FC Luzern Walter Stierli.Er träumt davon,<br />

dass sein Verein dank des neuen Stadions<br />

an dieErfolge der 1980er­und 1990er­Jahre<br />

anknüpfen kann,als der FC Luzern je einmal<br />

Meister und Cupsieger wurde und sich für<br />

die europäischen Wettbewerbe qualifizierte.<br />

Anlässlich desSpatenstichs im vergangenen<br />

September verkündete er voller Zuversicht:<br />

«Europa,wir kommen.» Michael Krobath


03<br />

Immobilien<br />

Das höchste Gebäude in Zug<br />

ist auch das nachhaltigste<br />

Eine Stadt setzt zum Höhenflug an: Im neuen Eisstadion Herti nimmt der EV Zug abder<br />

kommenden Saison seinen zweiten Meistertitel ins Visier. Und gleich daneben wird im Sommer<br />

2<strong>01</strong>1 die 60 Meter hohe Geschäfts­und Wohnüberbauung «Uptown»bezogen – finanziert<br />

vom Immobilienfonds Credit Suisse Real Estate Fund Green Property. Damit ist sie per definitionem<br />

besonders nachhaltig.<br />

Die Stadt Zug, die mit ihrem Bauland haushälterisch<br />

umgehen muss, überlässt bei ihrer<br />

baulichen Entwicklung nichts dem Zufall.<br />

Nach der inwenigen Monaten bevorstehenden<br />

Eröffnung des neuen Eisstadions Herti<br />

am westlichen Stadtrand folgen 2<strong>01</strong>1 in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft im Rahmen einer<br />

städtebaulichen Gesamtplanung nacheinander<br />

ein öffentliches Parkhaus,ein überdachtes<br />

Ausseneisfeld, ein grosszügiger Stadtplatz<br />

und dazwischen das Geschäfts­ und<br />

Wohnhochhaus «Uptown».<br />

Eine nachhaltige städtebauliche<br />

Strategie<br />

«Dieses Gebäude ist mit Sicherheit ein<br />

wichtiges Ereignis in der Stadtzuger Baugeschichte»,<br />

führte Stadtpräsident Dolfi Müller<br />

anlässlich derGrundsteinlegungvom 20.Oktober<br />

2009 aus. «Es steht füreine städtebauliche<br />

Strategie, die richtigerweise nach<br />

innen verdichtet und damit Grünland schont.<br />

Es steht füreine architektonische Lösung,<br />

die das hoch attraktive neue Eisstadion und<br />

einen neuen grosszügigen Stadtplatz ideal<br />

verbindet. Es steht als Hochhaus aber auch<br />

für eine Lebensform, die inZug nicht neu ist<br />

und vielen Menschen echte Wohnqualität<br />

bietet.»<br />

Damit hat der Zuger Sozialdemokrat,<br />

unbewusst wohl, eine Art Definition für<br />

das Nachhaltigkeitsrating «greenproperty»<br />

geliefert.Dieses ist von der Credit Suisse in<br />

Zusammenarbeit mit dem Ingenieur­ und<br />

Planungsbüro Amstein+Walthertentwickelt<br />

worden. «Es handelt sich um das erste<br />

Nachhaltigkeitsrating inder Schweiz, das<br />

eine ganzheitliche Beurteilung und Qualifizierung<br />

von Immobilien ermöglicht»,betont<br />

Raymond Rüttimann, Leiter Construction<br />

Credit Suisse. «Dieses Gütesiegel – erteilt<br />

von einem unabhängigen Schätzungsexperten<br />

– deckt sowohl ökologische als auch<br />

ökonomische und soziale Aspekte ab.»<br />

Konkret werden qualitative und quantitative<br />

Kriterien in den Bereichen Energie, Materialisierung,Nutzung,Infrastruktur<br />

undLebenszyklus<br />

bewertet, wobei Minergie eine Mindestanforderung<br />

ist.<br />

Der jüngste Immobilienfonds setzt<br />

auf Nachhaltigkeit<br />

«Im April 2009 haben wir den Credit Suisse<br />

Real Estate Fund Green Property lanciert.<br />

Dieser investiert nur in Projekte mit dem<br />

«Uptown»,das scheibenförmige Hochhaus in Zug,<br />

ist eine nachhaltige architektonische Perle.<br />

«greenproperty»­Gütesiegel fürnachhaltiges<br />

Bauen»,erklärt Fondsmanager Jean­Claude<br />

Maissen. «Der Wunsch nach einer nachhaltigen<br />

Bautätigkeit ist inder Schweiz bereits<br />

fest verankert.Deshalb waren die vorgesehenen<br />

300 Millionen Franken von institutionellen<br />

Anlegern sehr schnell gezeichnet.»<br />

Projekte, die den strengen Kriterien genügen,<br />

sind indes noch rar. «Uptown» wird<br />

nunbei Gesamtkostenvon 86 Millionen Franken<br />

als Erstes umgesetzt.Auf 18 Geschossenbietetesbei<br />

niedrigemEnergieverbrauch<br />

einen überdurchschnittlichen Wohnungsstandard<br />

mit lichtdurchfluteten Räumen und<br />

einer herrlichen Seesicht und stellt damit<br />

ein Domizil fürMenschen dar, die Wert auf<br />

stilvolles und grosszügiges Wohnen in einemmodernen<br />

urbanen Umfeld legen. Jean­<br />

Claude Maissen: «Ab Frühjahr 20<strong>10</strong> beginnen<br />

wir, die rund 70 Wohnungen zwischen<br />

dem 6.und 17.Obergeschoss zuvermieten.<br />

Während wir ganz zuoberst eine Skylounge<br />

mit grandioser Aussicht planen, befinden<br />

sich in den untersten fünf Etagen rund 4700<br />

Quadratmeter Büro­ und Verkaufsflächen.»<br />

Ein zweites Zuger Wahrzeichen<br />

Mit seinen 60 Metern wird «Uptown» das<br />

höchste Gebäude der Stadt Zug sein. Als<br />

modernes Wahrzeichen repräsentiert es die<br />

Zeit vonNachhaltigkeit undInnovation. Damit<br />

tritt eszuRecht gleichberechtigt neben<br />

das historische Zuger Wahrzeichen, den Zytturm,<br />

der mit seiner teilweise bis ins 13.Jahrhundert<br />

zurückreichenden Bausubstanz<br />

auch künftig für Geschichte und Tradition<br />

stehen wird. Andreas Schiendorfer


04<br />

Immobilien<br />

Antizyklisch in internationale<br />

Immobilien investieren<br />

Anleger sollten den Einstieg ininternationale Immobilieninvestitionen jetzt ernsthaft prüfen.<br />

Die Immobilienfonds der Credit Suisse – u.a. der Credit Suisse Real Estate Fund International –<br />

erleichtern den institutionellen Anlegern dabei die Auswahl.<br />

Die noch immer nicht ganz ausgestandene<br />

Wirtschaftskrise hatte bekanntlich einen<br />

hauptsächlichen Ursprung im amerikanischen<br />

Immobiliensektor. Muss dies Anleger nicht<br />

zur Vorsicht gemahnen? «Die Preise von<br />

Büroimmobilien haben sich inden Jahren<br />

2008 und 2009 in den zehn bedeutendsten<br />

Märkten der USA rund halbiert», erklärt<br />

Ulrich Braun, Head Real Estate Strategies<br />

und Advisory der Credit Suisse. «Zwar dürfte<br />

der Druck auf die Preise noch eine Weile<br />

anhalten. Der grösste und auch liquideste<br />

Immobilienmarkt der Welt ermöglicht nun<br />

aber wieder Renditen, wie sie letztmals zu<br />

Beginn der 1990er­Jahre realisierbar waren.<br />

Immobilienfonds, die jetzt über hohe freie<br />

Mittel verfügen, können die Gunst der Stunde<br />

nutzen.»<br />

Grundsätzlich müssen Investoren in internationale<br />

Immobilien beachten, dass sich<br />

diese infünf­bis siebenjährigen Zyklen entwickeln.<br />

In einer Aufschwungphase können<br />

Immobilien jährlich zweistellig anWert gewinnen,<br />

danach allerdings auch wieder im<br />

gleichen Rhythmus verlieren. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass transparente Märkte mit<br />

hohem Handelsvolumen und mit hohem<br />

Fremdkapitaleinsatz inAbschwungphasen<br />

am schnellsten korrigieren. Inder aktuellen<br />

Situation sind für Ulrich Braun darum auch<br />

Grossbritannien und Australien interessante<br />

Märkte.<br />

Wer das Risiko minimieren will, setzt auf<br />

so genannte Core­Investitionen. «Core» bedeutet<br />

gute Lagen, stabile, sichere Cashflows<br />

undgeringerFremdmitteleinsatz. Ulrich<br />

Braun: «In der Immobilien­Asset­Allocation<br />

von qualifizierten und privaten Anlegern sind<br />

80 Prozent derImmobilienanlagen oder mehr<br />

im Core­Segment anzusiedeln.»<br />

«Dies gilt auch fürunsere internationalen<br />

Immobilienfonds»,bestätigt Daniel Tochtermann,Global<br />

Head Real Estate Acquisition<br />

und Sales der Credit Suisse. «Darüber hinaus<br />

konzentrieren sich unsere Investitionen<br />

dank einem ausgedehnten Netz von Immobilienexperten<br />

nicht auf ein einzelnes Land<br />

oder eine Weltregion – unsere Produkte<br />

sind vielmehr breit diversifiziert.Wir können<br />

uns heute weltweit die besten Rosinen aus<br />

dem Immobilienkuchen picken. Wir sind uns<br />

sicher,dass dies inden kommenden Jahren<br />

ansehnliche Renditen ermöglichen wird.»<br />

Das Real Estate Asset Management<br />

Schweiz der Credit Suisse verwaltet gegenwärtig<br />

Immobilienvermögen ausserhalb der<br />

Schweiz imGesamtwert von rund 1,8 Milliarden<br />

Schweizer Franken und ist seit Jahren<br />

als internationaler Immobilieninvestor tätig.<br />

Dazu gehört notwendigerweise auch lokales<br />

Know­how – neben Zürich gibt esdarum<br />

NiederlassungeninFrankfurt, London,New<br />

York und Singapur. So sind die «professionellen<br />

Rosinenpicker» inder Lage, Investments<br />

beispielsweise in Singapur, den USA<br />

oder im UK genauso seriös zu prüfen wie<br />

solche in Zürich, Luzern oder Genf.<br />

Andreas Schiendorfer<br />

Der Credit Suisse REF International kaufte das<br />

Latitude East Building inSydney imMärz 2008 mit<br />

der australischen Steuerbehörde als langjährigem<br />

Hauptmieter.<br />

Die holländische Liegenschaft Anna van Saksenlaan<br />

69/71 in Den Haag gehört seit September 2006<br />

ins Portfolio des Credit Suisse REF International.


0<br />

Immobilien<br />

Real Estate AssetManagement<br />

derCredit Suisse<br />

Das Real Estate Asset Management der Credit Suisse ist<br />

mit knapp 25 Milliarden Franken inder Schweiz führender<br />

Anbieter für indirekte Immobilienanlagen.Esbewirtschaftet<br />

sieben Immobilienfonds, zwei Immobilien­Anlagegruppen der<br />

Credit Suisse Anlagestiftungsowie GefässeDritter (z.B.Swiss<br />

Prime Site AG). Das Real Estate Asset Management verfügt<br />

über langjährige Erfahrung inder Realisierung grosser Bauprojekte.<br />

Der Erfolg basiert auf einem überdurchschnittlichen<br />

und mehrjährigen Know­how und auf einer erprobten Zusammenarbeit<br />

mit renommierten General­ und Totalunternehmen<br />

sowie einem professionellen Portfoliomanagement.<br />

Die Immobilien­Anlagegefässe des Real Estate Asset Management (inklusive Gefässe Dritter)<br />

Credit Suisse REF Siat Credit Suisse REF Interswiss Credit Suisse REF PropertyPlus<br />

Fokus Wohnimmobilien Kommerzielle Immobilien Kommerzielle Immobilien<br />

Schweiz x x x<br />

International<br />

Investoren Alle – börsenkotiert Alle – börsenkotiert Alle – börsenkotiert<br />

Credit Suisse REF LivingPlus Credit Suisse REF Green Property Credit Suisse 1a Immo PK<br />

Fokus Seniorenimmobilien Nachhaltige Immobilien Diversifiziert<br />

Schweiz x x x<br />

International<br />

Investoren Alle – börsenkotiert QualifizierteInvestoren PK,Sozialversicherungs­/Ausgleichskassen<br />

Credit Suisse REF International CSA Real Estate Switzerland Swiss Prime Site<br />

Fokus Kommerzielle Immobilien Diversifiziert Kommerzielle Immobilien<br />

Schweiz x x<br />

International x<br />

Investoren Institutionelle Investoren Steuerbefreite Einrichtungen der 2. Säule Alle – börsenkotiert<br />

i<br />

Weitere Informationen finden Sie unter www.credit­suisse.com/realestatefunds<br />

Credit Suisse, Real Estate Asset Management, Sihlcity – Kalandergasse 4,8070 Zürich,Telefon 044 334 43 48,Fax 044 332<strong>10</strong>82,<br />

E­Mail info.realestate@credit­suisse.com


Credit Suisse<br />

3<br />

Invest<br />

Analysen und Prognosen<br />

Konjunktur Global<br />

Globale Erholung<br />

dürfte sich fortsetzen<br />

Trotz zwischenzeiticher Sorgen anden<br />

Märkten über die Nachhaltigkeit der<br />

Staatsfinanzen(z. B. Griechenland) und<br />

erster Anzeichen für eine etwas restriktivere<br />

Geldpolitik(z. B. China) deuten die<br />

Daten allgemein auf eine Fortsetzung<br />

der globalen Erholung hin. th<br />

Unternehmensbefragungen signalisieren<br />

Wachstum Quelle: Datastream, PMI Premium, Credit Suisse<br />

Weltwirtschaft<br />

China dürfte auch<br />

20<strong>10</strong> der Motor<br />

der Weltwirtschaft<br />

bleiben<br />

Einkaufsmanagerindex<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

<strong>01</strong>.06 <strong>01</strong>.07 <strong>01</strong>.08 <strong>01</strong>.09 <strong>01</strong>.<strong>10</strong><br />

Global<br />

China<br />

Deutschland<br />

USA<br />

Foto: Fotos: EPA, Muster Michael Mustermann Reynolds, | Muster Keystone Mustermann<br />

Die globale Wirtschaftserholung setzt sich fort. Die USA und<br />

verschiedene Entwicklungsländer erweisen sich als stark, während<br />

Europa etwas hinterherhinkt.<br />

Der Inflationsdruck in vielen Industrieländern bleibt gering, und<br />

die grossen Notenbanken dürften noch einige Quartale warten,<br />

bevor sie mit einer Normalisierung der Geldpolitik beginnen.<br />

Wir bevorzugen zyklische Rohstoffe, die von der Konjunkturbelebung<br />

am meisten profitieren dürften. Bei Edelmetallen sehen wir weniger<br />

Potenzial aufgrund des möglichen Anstiegs der Realzinsen.<br />

Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sich der US­Dollar mittelfristig<br />

abschwächen wird, und empfehlen, die derzeitige Dollarstärke zur<br />

Diversifizierung zu nutzen. Der Franken dürfte sich gegenüber dem<br />

Euro weiter aufwerten.<br />

Aktien dürften weiter von der wirtschaftlichen Erholung profitieren.<br />

Wir empfehlen Zykliker und Aktien aus Schwellenländern.<br />

Konjunktur Schweiz<br />

Aufatmen nach<br />

der Rezession<br />

Die Schweizer Wirtschaft erholt sich<br />

20<strong>10</strong> vom tiefen Fall des Vorjahres.<br />

Die Erholung des realen Bruttoinlandprodukts<br />

basiert auf den von tiefer<br />

Basis aus wiedererwachenden Impulsen<br />

aus den Exportmärkten und einem<br />

stützenden inländischen Konsum. cm<br />

PMI zeigt Besserung der Ausgangslage<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

1995 1998 20<strong>01</strong> 2004 2007 20<strong>10</strong><br />

Index<br />

Index saisonbereinigt<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


4<br />

Credit Suisse<br />

Übersicht<br />

AusblickGlobal<br />

Die Erholung dürfte sich auch in<br />

diesem Jahr fortsetzen. Während die<br />

Unterstützung durch Fiskalimpulse<br />

und Lagerbestandsaufbau inden<br />

kommenden Monaten abebben<br />

dürfte, nimmt die Zuversicht der Verbraucher<br />

und Unternehmen weiter<br />

zu, und der Aufschwung gewinnt<br />

an Nachhaltigkeit. Zinserhöhungen<br />

der grossen Notenbanken noch<br />

vor der zweiten Jahreshälfte erscheinen<br />

jedoch angesichts des tiefen<br />

Inflationsdrucks unwahrscheinlich.<br />

Rohstoffe und – in geringerem Masse –<br />

Aktien dürften weiter profitieren.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Strukturelle Stärke von<br />

Schwellenmärkten<br />

Nach der «kollektiven» Konjunkturbelebung<br />

2009 erscheint die Lage nun uneinheitlicher.<br />

Die Indikatoren sind positiv, doch die<br />

Eurozone und Grossbritannien haben etwas<br />

enttäuscht. Die Schwellenländer, vor allem<br />

Asien, zeigen weiterhin mehr Stärke als die<br />

Industrieländer. Allerdings gibt esinden<br />

Schwellenländern regionale Unterschiede.<br />

Insbesondere Asien zeigt sich sehr stark.<br />

Die grössten Zentralbanken dürften mit<br />

ersten Zinserhöhungen noch einige Quartale<br />

warten. mt<br />

Wachstum in Schwellenländern nach<br />

Regionen im Vergleich (BIP­Wachstum in %)<br />

Quelle: Datatsream, IMF, Credit Suisse/IDC<br />

%YoY<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

–5<br />

–<strong>10</strong><br />

–15<br />

2007 2008 2009<br />

Asien<br />

Naher Osten und Afrika<br />

Russland<br />

Zentral- und Osteuropa<br />

Lateinamerika<br />

Aktienmarkt<br />

Erholung dürfte Aktien<br />

weiterhin stützen<br />

Obwohl die Ängste hinsichtlich der VerschuldungeinigerLänderdie<br />

Märkte vonZeit<br />

zu Zeit belasten dürften, setzt sich die Verbesserungder<br />

gesamtwirtschaftlichen Lage<br />

(d.h.der Konjunktur­undGewinnzyklen) weiterhin<br />

fort.Die betrieblichenErgebnisse wiesen<br />

bereits in den letzten zwei Quartalen<br />

eine überraschendstarkeDynamik auf. Dies<br />

dürfte dieglobalen Aktienmärkte grundsätzlich<br />

weiterhin stützen.Von derfortschreitenden<br />

wirtschaftlichen Erholung dürften vor<br />

allem zyklische Aktien (wie z.B.Metall­ und<br />

Bergbau) profitieren. Auf regionaler Ebene<br />

bleiben wir aufgrund des stärkeren Wirtschaftswachstums<br />

in denSchwellenmärkten<br />

mit positiven Fundamentaldaten übergewichtet.<br />

rs<br />

Die Revisionen der Gewinnschätzungen bleiben<br />

im positiven Bereich für den MSCI World<br />

Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

%YoY %<br />

40<br />

30<br />

20<br />

<strong>10</strong><br />

0<br />

–<strong>10</strong><br />

–20<br />

–30<br />

–40<br />

–50<br />

02.00 02.02 02.04 02.06 02.08 02.<strong>10</strong><br />

MSCI World Netto-Revisionen der Gewinnschätzungen<br />

in %des Totals (rechte Seite)<br />

Währungen<br />

US­Dollar­Korrektur ein<br />

temporäres Phänomen<br />

DieStärkedes USD bzw. Schwächedes EUR<br />

seit Jahresbeginn ist auf zwei Faktoren zurückzuführen:<br />

Bedenken über die Nachhaltigkeit<br />

desglobalenWirtschaftsaufschwungs<br />

sowie eine steigende Risikoprämie auf dem<br />

EUR aufgrund der Sorgen über die Bonität<br />

von Ländern ander Peripherie der EWU.<br />

Obwohl sich das charttechnische Bild jüngst<br />

für den USD verbessert hat, sprechen aber<br />

die mittel­ bis langfristigen Fundamentalfaktoren<br />

wie hohes Aussenhandels­ und<br />

Budgetdefizit in den USA sowie das Fehlen<br />

jeglicher Zinsprämie unserer Meinung nach<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

–20<br />

–40<br />

–60<br />

–80<br />

weiterhin für eine US­Dollarabschwächung.<br />

Wir empfehlen deshalb, Stärkephasen des<br />

USD zur Diversifizierung zu nutzen. mh<br />

Fehlende Zinsprämie des USD spricht für<br />

schwachen USD­Trend im 20<strong>10</strong><br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

USD/CHF in %<br />

1.30<br />

1.25<br />

1.20<br />

1.15<br />

1.<strong>10</strong><br />

1.05<br />

1.00<br />

0.95<br />

0.90<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe profitieren<br />

von Kunjunkturerholung<br />

Das Umfeld fürRohstoffe hat sich weiter<br />

verbessert, und wir sehen die jüngsten<br />

Preisrückgänge als Einstiegsgelegenheit.<br />

Die konjunkturellen Frühindikatoren signalisieren<br />

für die breiteren Rohstoffindizes<br />

eine Jahresperformance von <strong>10</strong>%–20%.<br />

Wir favorisieren die zyklischeren Rohstoffmärkte<br />

wie Basismetalle und Erdöl, dasich<br />

die Angebots­Nachfrage­Situation dort am<br />

schnellsten anspannt und die Lagerbestände<br />

bereits amSinken sind. Zudem dürften<br />

diese von der Konjunkturerholung ammeisten<br />

profitieren.Fürdie Edelmetalleerwarten<br />

wir eine moderatere Performance, daein<br />

möglicher Anstieg der Realzinsen nach wie<br />

vor ein Risiko darstellt, welches das Aufwärtspotenzial<br />

begrenzen dürfte. et<br />

Konjunkturelle Frühindikatoren signalisieren<br />

weiteres Aufwärtspotenzial bei den Rohstoffen<br />

Quelle: Bloomberg<br />

Indexwerte YoY Veränderung in %<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

<strong>01</strong>.04 <strong>01</strong>.05 <strong>01</strong>.06 <strong>01</strong>.07 <strong>01</strong>.08 <strong>01</strong>.09<br />

<strong>01</strong>.<strong>10</strong><br />

USD/CHF<br />

2-jährige Zinsdifferenz Swap USD minus CHF (r. S.)<br />

<strong>01</strong>.99 <strong>01</strong>.<strong>01</strong> <strong>01</strong>.03 <strong>01</strong>.05 <strong>01</strong>.07 <strong>01</strong>.09<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

–0.5<br />

40<br />

20<br />

0<br />

-20<br />

-40<br />

-60<br />

China PMI USA PMI Global Composite PMI<br />

Dow Jones UBS Rohstoffindex mit 6Monate Lag (rechte Seite)<br />

0<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

<br />

Übersicht<br />

AusblickSchweiz<br />

Die Aussichten für eine weitere<br />

Konjunkturerholung bleiben intakt.<br />

Gleichzeitig bleiben die Inflationsrisiken<br />

vor dem Hintergrund der<br />

immer noch tiefen Kapazitätsauslastung<br />

moderat. Das Zinsumfeld<br />

dürfte im ersten Halbjahr 20<strong>10</strong> demnach<br />

weiterhin expansiv bleiben.<br />

Dagegen werden die monetären Bedingungen<br />

derzeit durch die stärkere<br />

Tendenz des Schweizer Frankens<br />

etwas gestrafft. Noch hält die Nationalbank<br />

aber daran fest, eine übermässige<br />

Aufwertung des Frankens<br />

gegenüber dem Euro zu verhindern.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Geldpolitik bleibt expansiv<br />

Für die Schweizerische Nationalbank (SNB)<br />

besteht nach wie vor wenig Druck,von ihrer<br />

expansiven Geldpolitik abzuweichen. Die<br />

Konjunkturerholung ist zwar weiterhin intakt,durch<br />

die immer noch tiefe Kapazitätsauslastung<br />

bleibt der Inflationsdruck aber<br />

derzeit noch gering. Erst gegen Ende ihres<br />

PrognosehorizontsimJahr 2<strong>01</strong>2 rechnetdie<br />

SNB wieder mit Inflationsraten von über<br />

2%.Dochobschon es in derzweiten Jahreshälfte<br />

wieder zu graduellen Zinserhöhungen<br />

kommen dürfte, kann sich die SNB noch<br />

Zeit lassen, bis sie auf die mittelfristigen<br />

Preisrisiken reagieren muss.Insbesondere<br />

auch deshalb, weil die derzeit stärkereTendenz<br />

desFrankens bereits zu einerStraffung<br />

der monetären Bedingungen geführt hat. fh<br />

DerstärkereFrankentrendhat diemonetären<br />

Bedingungen gestrafft Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

MCI %<br />

4<br />

3<br />

2 2.5<br />

1<br />

0<br />

–1<br />

–2<br />

–3<br />

02.07 <strong>10</strong>.07 06.08 02.09 <strong>10</strong>.09<br />

Monetary Conditions Index, 3:1Zinsgewichtung vs.<br />

handelsgewichteter Wechselkurs<br />

3­Monats Libor (rechte Seite)<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

Aktienmarkt<br />

Schweizer Aktien weiterhin<br />

günstig bewertet<br />

Wir beurteilen die globalen Aktien weiterhin<br />

positiv und rechnen mit einer Outperformance<br />

zyklischerer Aktienmärkte (z.B.<br />

Schwellenmärkte) gegenüber ihren defensiveren<br />

Pendants wie der Schweiz. Auf absoluter<br />

Basis behalten wir aber unsere positive<br />

Einschätzung fürSchweizer Aktien<br />

bei. Die Bewertungen sind historisch gesehen<br />

weiterhin nicht teuer. Wir bevorzugen<br />

zyklischere, Small­Cap­Unternehmen und<br />

Qualitätstitel. rs<br />

MSCI Switzerland 12­Monats­Forward P/E<br />

Quelle: Datastream<br />

Index<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

<strong>10</strong><br />

8<br />

24.1.00 24.1.03 24.1.06 24.1.09<br />

12­Monats­Forward P/E<br />

+/–1 Standardabweichung<br />

Durchschnitt<br />

Top­Thema<br />

Arbeitsmarktstabilisatorenwirken<br />

Bisher haben drei Faktoren die Auswirkungen der Rezession auf den Arbeitsmarkt<br />

gedämpft.Erstens die Kurzarbeit, ohne die die Arbeitslosenquote vermutlich 0.4 Prozentpunkte<br />

höher wäre. Zweitens federn automatische Stabilisatoren,wie Arbeitslosenunterstützungszahlungen,<br />

negative Rückkoppelungseffekte auf den Arbeitsmarkt<br />

ab. Drittens reagiert der Arbeitsmarkt jeweils mit Verzögerung. Daher darf die derzeitige<br />

relativ solide Arbeitsmarktlage nicht überbewertet werden. Die Rezession wird noch<br />

länger auf dem Arbeitsmarkt nachhallen,die Ausgangslage ist aber besser als angesichts<br />

des Einbruchs 2009 zu befürchten war. cm<br />

70 000<br />

60 000<br />

50 000<br />

40 000<br />

30 000<br />

20 000<br />

<strong>10</strong> 000<br />

0<br />

2000 20<strong>01</strong> 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Anzahl betroffener Arbeitnehmer<br />

Währungen<br />

Dreimal mehr Kurzarbeit als in der letzten Rezession Quelle: Seco<br />

Aufwertungsdruck<br />

auf CHF dürfte anhalten<br />

Der Aufwertungsdruck auf dem Schweizer<br />

Franken gegenüber dem Euro dürfte weiter<br />

anhalten. Die enge Zinsdifferenz zwischen<br />

EUR und CHF,der hohe Schweizer Leistungsbilanzüberschuss<br />

sowie die Unterbewertung<br />

des CHF zum EUR nachunseremgeschätzten<br />

Fair­Value­Modell sind für den Franken<br />

positiv. Die SNB hat seit Dezember 2009<br />

eine flexiblere Haltung gegenüber dem CHF<br />

eingenommen, und wir empfehlen Investoren,<br />

ihre EUR­Engagements abzusichern. mh<br />

Die enge Zinsdifferenz zwischen EUR und<br />

CHF deutet auf anhaltenden Aufwertungsdruck<br />

des CHF hin Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

%<br />

1.70<br />

1.65<br />

1.60<br />

1.55<br />

1.50<br />

1.45<br />

1.40<br />

<strong>01</strong>.04 <strong>01</strong>.05 <strong>01</strong>.06 <strong>01</strong>.07 <strong>01</strong>.08 <strong>01</strong>.09 <strong>01</strong>.<strong>10</strong><br />

EUR/CHF<br />

Carry (3M­Zinsdifferenz, risikobereinigt) rechte Seite<br />

%<br />

0.70<br />

0.60<br />

0.50<br />

0.40<br />

0.30<br />

0.20<br />

0.<strong>10</strong><br />

0<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Credit Suisse<br />

1. März 20<strong>10</strong><br />

ÜberblickPrognosen<br />

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele<br />

S&P 500 1’<strong>10</strong>4.49 –2.5% X 1’082<br />

SMI 6’7<strong>10</strong>.99 1.2% T 7’000<br />

FTSE­<strong>10</strong>0 5’354.52 –2.6% X 5’296<br />

DJ Euro Stoxx 50 2’724 –9.6% X 2’935<br />

Nikkei 225 <strong>10</strong>’126.03 –5.0% X 11’000<br />

Gold 1’117.6 1.7 % T 1’150<br />

WTI Erdöl 79.66 0.3% X 97.5<br />

Dow Jones UBS Commodity Index 268.5674 –3.7% U 305<br />

Devisen (Wechselkurse)<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Reales BIP­Wachstum in%<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Wichtige Information<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />

von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />

ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag<br />

von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />

einer spezifischen Handelsstrategie inirgendeiner<br />

Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />

der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />

hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />

angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an<br />

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />

Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />

massgebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />

die Credit Suisse als zuverlässig erachtet. Dennoch<br />

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />

der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />

Berichts ab.<br />

<strong>01</strong>.03.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

USD/CHF 1.08 T 0.89 – 0.93<br />

EUR/CHF 1.46 X 1.44 – 1.48<br />

JPY/CHF 1.21 X 1.09–1.13<br />

EUR/USD 1.35 U 1.58 – 1.62<br />

USD/JPY 89 T 80–84<br />

EUR/JPY 121 X 129 – 133<br />

EUR/GBP 0.90 U 0.92 – 0.96<br />

GBP/USD 1.50 U 1.68–1.72<br />

EUR/SEK 9.74 T 9.30–9.70<br />

EUR/NOK 8.05 T 7.80–8.20<br />

AUD/USD 0.90 X 0.91 – 0.95<br />

NZD/USD 0.70 X 0.69 – 0.73<br />

USD/CAD 1.04 X 1.<strong>01</strong> – 1.05<br />

200 20<strong>10</strong> 2<strong>01</strong>1<br />

CH –1.5 0.6 2.0<br />

EWU –4 1.5 2.1<br />

USA –2.4 3.5 2.8<br />

GB –4.9 1.4 2.7<br />

Japan –5.1 1.9 1.8<br />

Kurzfristzinsen 3M­LIBOR<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

<strong>01</strong>.03.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 0.25 X 0.7–0.9<br />

EUR 0.66 X 1.5–1.7<br />

USD 0.25 X 1.2–1.4<br />

GBP 0.64 X 1.3–1.5<br />

JPY 0.25 X 0.2–0.4<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />

DAVON DÜRFEN INDIE VEREINIGTEN STAATEN<br />

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US­<br />

PERSONEN ABGEGEBENWERDEN. Örtliche Gesetze<br />

oder Vorschriften können die Verteilung von Research­<br />

Berichten inbestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />

verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />

Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt<br />

werden. Copyright © 20<strong>10</strong> Credit Suisse Group AG<br />

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />

vorbehalten.<br />

Schweizer Wirtschaft<br />

(Veränderung gegenüber Vorjahr in%)<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

200 20<strong>10</strong><br />

Bruttoinlandprodukt,real –1.5 0.6<br />

Privater Konsum 1.2 0.6<br />

Öffentlicher Konsum 2.5 1<br />

Bauinvestitionen 1.3 –1.5<br />

Ausrüstungsinvestitionen –7.5 –1.5<br />

Importe –5.9 2.5<br />

Exporte –<strong>10</strong> 5<br />

Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) –0.1 –1<br />

Arbeitslosenquote 3.7 4.8<br />

Inflation in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

200 20<strong>10</strong> 2<strong>01</strong>1<br />

CH –0.5 0.8 1.0<br />

EWU 0.4 1.1 1.3<br />

USA –0.7 2.2 1.2<br />

GB 1.8 2.3 1.4<br />

Japan –1.1 –1.2 –0.4<br />

Rendite <strong>10</strong>­j. Staatsanleihen<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

<strong>01</strong>.03.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 1.88 U 2.7 – 2.9<br />

EUR 3.11 X 3.8 – 4<br />

USD 3.61 X 4.1 – 4.3<br />

GBP 4.08 X 4.2 – 4.4<br />

JPY 1.32 X 1.8 – 2<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber Credit Suisse, Global Research,<br />

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH­8070 Zürich<br />

Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />

Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Marcel Thieliant (mt),<br />

Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs)<br />

Weitere Research­Publikationen finden Sie im Internet<br />

oder auf Anfrage.<br />

E­Mail publications.research@credit­suisse.com<br />

Internet www.credit­suisse.com/research<br />

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin<br />

der Credit Suisse»<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Wissenswert Wirtschaft<br />

<br />

Wissenswert<br />

Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />

ASEAN [Verband südostasiatischer<br />

Nationen]: «Erklärung zur Eintracht»,<br />

«Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit»,<br />

«Zone des Friedens,<br />

der Freiheit und der Neutralität»–<br />

dies sind Namen von drei Verträgen<br />

zwischen den Mitgliedsstaaten<br />

der X ASEAN. Die Namen machen<br />

deutlich, welch grossen Wert die<br />

Organisation auf eine gute Nachbarschaftspflege<br />

legt. Die ASEAN,<br />

gegründet in Bangkok 1967, ist die<br />

südostasiatische Staatengemeinschaft,<br />

die sich inzwischen so weit<br />

entwickelt hat, dass ein umfassender<br />

Wirtschaftsraum nach europäischem<br />

Vorbild angestrebt wird. Zu den<br />

wichtigsten Dialogpartnern der Organisation<br />

zählen neben der regionalen<br />

Grösse China auch Australien,<br />

Neuseeland, Indien und die EU. Im<br />

Sinne einer transpazifischen Kooperation<br />

finden auch wichtige Kontakte<br />

in die USA, nach Kanada, Japan,<br />

Südkorea und Russland statt. Grösste<br />

Schwierigkeit innerhalb der<br />

ASEAN ist die vielfältige Ausprägung<br />

ihrer Mitgliedsstaaten: Unterschiedliche<br />

politische Formen treffen<br />

auf verschiedene Religionen<br />

und differenzierte Wirtschaftsstile,<br />

was zu teilweise erheblichen<br />

Integrationsproblemen innerhalb<br />

der Gemeinschaft führt.<br />

Diplomatie [Interessenvertretung<br />

eines Staates im Ausland; Verhandlungsgeschick]:<br />

Taktisch, geschliffen,<br />

geschickt – X Diplomatie ist<br />

die Kunst, erfolgreich zu verhandeln.<br />

Offizielle Vertreter eines Staates<br />

bemühen sich um gute Beziehungen<br />

zwischen zwei oder mehreren<br />

Staaten oder multinationalen Organisationen.<br />

Dabei steht das Bestreben,<br />

die Interessen des eigenen<br />

Staates im Ausland zu wahren, im<br />

Vordergrund. Durchschnittlich haben<br />

etwa 70 Prozent aller diplomatischen<br />

Kontakte eines Landes etwas mit<br />

Wirtschaftsbeziehungen zu tun.<br />

Neben der zweiseitigen – bilateralen –<br />

Diplomatie zwischen zwei Staaten<br />

gibt es die mehrseitige – multilaterale<br />

– Diplomatie, bei der mehrere<br />

Staaten gleichzeitig zu einem<br />

gemeinsamen, für alle verbindlichen<br />

Ergebnis zu gelangen suchen.<br />

Die UNO beispielsweise, aber auch<br />

die EU und die ASEAN (siehe oben)<br />

sind wichtige Plattformen der<br />

multilateralen Diplomatie. Diplomatischer<br />

Kontakt kann über die<br />

offiziellen Kanäle der Botschaften<br />

stattfinden oder aber auch informell<br />

sein. Die USA pflegen beispielsweise<br />

in China informelle Kontakte<br />

zu Mitgliedern politischer Stiftungen,<br />

um ihre Meinung deutlich zu<br />

machen, ohne dass dies über die<br />

offiziellen Wege bekannt wird.<br />

Politikder guten Nachbarschaft<br />

[aus demEnglischen: Good Neighbor<br />

Policy]: Streit mit den <strong>Nachbarn</strong>?<br />

Sie haben drei Möglichkeiten: umziehen,<br />

weiterstreiten oder eine konstruktive<br />

Lösung finden. Im Falle von<br />

Auseinandersetzungen zwischen<br />

zwei Staaten ist die erste Variante<br />

nicht umsetzbar und wird die zweite<br />

meist mit Militärgewalt verfolgt.<br />

Die dritte ging unter dem Namen<br />

X «Good Neighbor Policy» – Politik<br />

der guten Nachbarschaft – in die<br />

Geschichte ein. US­Präsident<br />

Franklin D. Roosevelt verwendete<br />

diese Politikform bis etwa 1938 gegenüber<br />

den lateinamerikanischen<br />

Staaten. So intervenierten die USA<br />

nicht mehr mit Militäroperationen,<br />

wenn ihre Interessen bedroht waren,<br />

sondern stellten neu gegenseitigen<br />

Respekt und Unterstützung ins Zentrum<br />

der Beziehungen. Auch andere<br />

Länder wie beispielsweise China verfolgen<br />

eine Politik der guten Nachbarschaft.<br />

So wurde nach der Asienkrise<br />

1997/98 vor allem die Zusammenarbeit<br />

mit der ASEAN (siehe<br />

links) verstärkt. Chinas Premierminister<br />

Wen Jiabao unterstreicht diese<br />

Haltung, indem er sein Land als<br />

«Initiator von Frieden, Freundschaft<br />

und Zusammenarbeit in der Region»<br />

versteht. cfv<br />

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Ein Schweizer Unternehmen in Asien<br />

Expedition in fernöstliche Märkte: Die Erfolgsstory<br />

des Schweizer Handelspioniers DKSH<br />

Jörg Wolle<br />

Orell Füssli, 2009<br />

240 Seiten<br />

ISBN: 978­3­280­05352­2<br />

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass das 21.Jahrhundert ein<br />

asiatisch geprägtes sein wird. Aus der stetig wachsenden Nachfrage<br />

in Asien resultieren gerade für mittelständische, europäische<br />

Unternehmen Chancen, neue Märkte zu erobern. Genau dabei<br />

und bei der Expansion in bereits existierenden Märkten hilft das<br />

seit mehr als 150 Jahren in Asien tätige Schweizer Unternehmen<br />

DKSH. Inseinem Buch beschreibt Jörg Wolle, Chef von DKSH,<br />

die Geschichte der Firma und gibt einen profunden Einblick in die<br />

asiatischen Märkte und die schweizerisch­asiatischen Handelsbeziehungen.<br />

Er analysiert nicht nur die Gegenwart, sondern<br />

zeichnet auch ein Bild einer möglichen Zusammenarbeit mit einem<br />

der dynamischsten Kontinente der Welt. Jörg Wolle gelingt es,<br />

den Lesern die Menschen und Märkte in Asien und gleichzeitig<br />

die erfolgreiche Verschmelzung von drei Familienunternehmen<br />

zu einer der grössten Schweizer Firmen näherzubringen. rg<br />

Ostasien im Vormarsch<br />

Transforming East Asia: The Evolution<br />

of Regional Economic Integration.<br />

Naoko Munakata<br />

Brookings Institution Press, 2006<br />

220 Seiten<br />

ISBN­13 :978­0815758877<br />

Naoko Munakata vom japanischen Ministerium für Wirtschaft,<br />

Handel und Industrie hat den Wandel – das wirtschaftliche Wachstum<br />

und die zunehmende Stabilität – in Ostasien genau beobachtet.<br />

In ihrem Buch wirft sie einen Blick auf den wirtschaftlichen Fortschritt<br />

Ostasiens als Resultat enger werdender nachbarschaftlicher<br />

Beziehungen einzelner Staaten. Munakata beschreibt zurückliegende<br />

Ereignisse und blickt dabei mit einem Auge in die Zukunft,<br />

in der vor allem die USA, Japan und China sich an ein neues Ostasien<br />

werden gewöhnen müssen. Die detaillierte Analyse ist keine<br />

einfache Lektüre, wer sich aber für asiatische Nachbarschaftsbeziehungen<br />

interessiert, erhält hier wertvolle Einsichten. © getAbstract<br />

© getAbstract. Eine fünfseitige Zusammenfassung dieses Buches finden Sie<br />

auf www.getabstract.com.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


Leaders Ray Kurzweil<br />

Aufdem Wegzur<br />

Unsterblichkeit<br />

Der mit 1 Ehrendoktortiteln ausgezeichnete Wissenschaftler, Erfinder und<br />

Zukunftsforscher Ray Kurzweil gilt als einer der bedeutendsten Visionäre<br />

der Neuzeit. Inseinem jüngsten Buch zeichnet er den Weg zur Unsterblichkeit<br />

voraus. Sein Leitmotiv: Lebe lange genug, umewig zuleben!<br />

Interview: Daniel Huber<br />

<strong>bull</strong>etin: Sie schlucken täglich rund 200 Pillen, umIhr Leben bis<br />

zu dem Zeitpunkt zuverlängern, ab dem die Menschheit<br />

über die technischen Mittel verfügen wird, um für immer zu leben.<br />

Werden Sie nie müde, Ihr Leben zu meistern?<br />

Ray Kurzweil: Die Menschen wollen nicht sterben, es sei denn,<br />

sie leiden und haben körperlich oder emotional grosse Schmerzen.<br />

Ich halte nichts von der Idee, dass der Tod dem Leben Sinn<br />

gibt, weil er die Zeit wertvoll macht. Die Wahrheit ist, dass der Tod<br />

ein grosser Räuber ist und dem Leben seinen Sinn nimmt. Er<br />

zerstört Wissen, Fähigkeiten und menschliche Beziehungen. Wir<br />

haben uns den Tod schöngeredet, weil wir keine andere Wahl<br />

hatten. Eigentlich reagieren wir imwirklichen Leben auf den Tod<br />

wie auf eine Tragödie. Das ist meiner Ansicht nach die richtige<br />

Reaktion. Wasdem Leben Sinn gibt, istdas,was mandaraus macht.<br />

Sie glauben also wirklich, dass wir denTod sehr bald<br />

überwinden können und ewig leben werden?<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt verfügen wir noch nicht über die Technologien,<br />

umdas Leben drastisch zuverlängern. Doch haben wir<br />

bereits die Mittel, unser Leben so weit zu verlängern, dass wir in<br />

der Zukunft den Punkt erreichen können, andem diese Technologien<br />

zur Verfügung stehen. Ich habe zusammen mit Dr. Terry<br />

Grossman zwei Bücher verfasst, indenen wir von Brücken<br />

sprechen.Wir gehendavonaus,dasswir unsvon dererstenBrücke<br />

zur zweiten Brücke und zur dritten Brücke hangeln werden.<br />

Die erste Brücke ist das, was wir zurzeit tun können, die zweite<br />

Brücke ist das volle Ausschöpfen der biotechnologischen Revolution.<br />

Und die dritte Brücke wird dann die nanotechnologische<br />

Revolution sein, mit der wir die Grenzen der Biologie überschreiten<br />

können.<br />

Und wosehen Sie heute das kritische Alter, um die alles<br />

entscheidende zweite Brücke noch zuerreichen?<br />

Selbst Babyboomer wie ich, die umdie sechzig sind, können<br />

realistischerweise von dem Vorhaben sprechen, einen Zeitpunkt in<br />

der Zukunft zu erreichen, abdem wir die Mittel haben werden,<br />

um unser Leben dramatisch zu verlängern.<br />

Angenommen, eine Person schafft es tatsächlich bis zur<br />

dritten Brücke und zum ewigen Leben. Und dann überquert sie<br />

eine Strasse und wird von einem Lastwagen überfahren.<br />

Nun, ich gehe davon aus, dass wir den Punkt erreichen werden,<br />

an dem wir die Informationen in unseren Körpern und Gehirnen in<br />

einem Backup sichern und den Körper nach einer versehentlichen<br />

Zerstörung wiederherstellen können. Dies ist bereits in beschränktem<br />

Umfang möglich. Bei einem Parkinson­Patient<br />

wird ein Teil des Gehirns durch die Krankheit zerstört. Sie können<br />

aber bereits heute einen Computer in Ihr Gehirn einsetzen,der<br />

die zerstörte Region ersetzt. Und das ist kein Experiment mehr,<br />

das ist eine bewährte medizinische Behandlung. Es gibt Tausende<br />

von Menschen, vielleicht Zehntausende, die mit einem Computer<br />

im Gehirn herumlaufen.<br />

Wo wird uns das hinführen?<br />

Wenn wir amEnde der dritten Brücke angelangt sind, werden<br />

wir inder Lage sein, Unmengen von Daten zu erfassen. Und<br />

ich spreche von wirklichen Daten, das ist keine Metapher. Es gibt<br />

reale Daten in unserem Gehirn, die unser Gedächtnis, unsere<br />

Fähigkeiten und unsere Persönlichkeit widerspiegeln. Für uns ist<br />

es ja auch ganz selbstverständlich, dass wir die Festplatte<br />

und die Programme unseres Computers sichern. Wir werden in<br />

Zukunft in der Lage sein, dies auch für unseren Körper und unser<br />

Gehirn zu tun. Das ist das äusserste Ende der dritten Brücke.<br />

Das hört sich alles recht einleuchtend an, aber Sie<br />

sprechen von gigantischen Fortschritten innerhalb von nur<br />

20 bis 30Jahren. Ist das nicht etwas gar optimistisch?<br />

Bisher haben wir nicht über das Genom verfügt, das die Software<br />

des Lebens darstellt. Und auch das ist nicht metaphorisch<br />

gemeint. Das Genom sind die Daten in jedem Gen, die die Basis<br />

der Biologie bilden. Wir beginnen erst jetzt zu verstehen, wie<br />

Biologie ausgehend von der durch unsere Gene repräsentierten<br />

Software als Satz von Informationsprozessen funktioniert.<br />

Diese Software ist übrigens veraltet. Sie hat sich vor Tausenden<br />

von Jahren entwickelt, als es völlig andere Bedingungen gab. ><br />

Foto: Thomas Eugster<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Ray Kurzweil Leader<br />

<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


0<br />

Leaders Ray Kurzweil<br />

RayKurzweil wurde am 12.Februar 14 in NewYork<br />

alsSohneiner jüdischen Immigrantenfamilie<br />

geboren. Er studierteamMassachusetts Instituteof<br />

Technology (MIT).Kurzweil erfand unteranderem<br />

1 eine Lesemaschinefür Blinde.Diese Erfindung<br />

veranlassteden blindenMusiker Stevie Wonder,<br />

mitKurzweil Kontaktaufzunehmen,woraussicheine<br />

enge Freundschaftentwickelte.Stevie Wonder ermutigteKurzweil<br />

auch,einen Synthesizerzu<br />

entwickeln, derschliesslich 14 als «Kurzweil K20»<br />

aufden Marktkam.Eswar daserste Gerät, das<br />

dieTöneeinesKonzertflügelsundalleranderenInstrumente<br />

eines klassischen Orchesters künstlich<br />

produzierenkonnte. Zusätzlich zu 1 Ehrendoktortiteln<br />

wurde Kurzweil vondrei US­Präsidenten ausgezeichnet,unter<br />

anderem vonBill Clinton mitder<br />

National Medal of Technology,der höchsten Technologie­Auszeichnungder<br />

USA.<br />

Kurzweil istAutor vonsechs Sachbüchern, vierdavon<br />

warenBestseller. DasWerk «TheSingularityIs<br />

Near»schafftenicht nurden Sprung in dieBestseller­<br />

Listeder «NewYorkTimes»sondernwar auch auf<br />

Amazon sowohl bei denWissenschafts­als auch bei<br />

denPhilosophiebücherndie Nummer eins.<br />

Beispielsweise sagt das Gen fürden Insulinrezeptor: «Halte<br />

jede Kalorie fest, weil es in der nächsten Jagdsaison nicht sogut<br />

laufen könnte.» Das war vor tausend Jahren eine gute Idee,<br />

weil es keine Kühlschränke gab. Man arbeitete den ganzen Tag,<br />

nur umein paar Kalorien abzubekommen, und musste sie für<br />

den nächsten Tag speichern. Heute ist das kein sinnvolles Programm<br />

mehr. Wir würden unseren Fettzellen gerne sagen:<br />

«Bitte haltet nicht jede Kalorie fest. Ich werde auch morgen wieder<br />

ausreichend Kalorien zumir nehmen. Wir leben ineinem Zeitalter<br />

des Überflusses.» InTierversuchen hat man dies tatsächlich<br />

schon getan. Wissenschaftler des Joslin Diabetes Center in<br />

Boston schalteten das Gen für den Insulinrezeptor bei Tieren aus.<br />

Diese Tiere konnten daraufhin Unmengen fressen und blieben<br />

trotzdem schlank. Und dieses Schlankbleiben wurde nicht künstlich<br />

erzeugt. Die Tiere erkrankten nicht anDiabetes, wurden<br />

nicht herzkrank und hatten eine um 20 Prozent längere Lebensdauer.<br />

Dabei handelt es sich nur umeines von 23000 Genen,<br />

die wir gerne beeinflussen würden.<br />

Aber das wird doch viel länger dauern als 20 Jahre?<br />

Wenn sich die Wissenschaft zu einer Informationstechnologie<br />

wandelt, wie dies gerade bei der Medizin passiert ist, unterliegt<br />

sie neu dem Gesetz der sich beschleunigenden Erträge<br />

(Law of Accelerating Returns), meinem wichtigsten Grundsatz.<br />

Dieser besagt, dass die Informationstechnologien nicht linear,<br />

sondern exponentiell wachsen. Die Computerleistung pro Dollar<br />

verdoppelt sich heute alle elf Monate. Und eine Verdopplung<br />

ist etwas ganz anderes als ein lineares Wachstum. Unsere intuitive<br />

Sicht auf die Zukunft ist linear. Die Realität inder Informationstechnologie<br />

ist jedoch eine andere: Sie wächst exponentiell.Wenn<br />

ich linear 30 Schritte vorangehe, eins, zwei, drei, vier, fünf –<br />

komme ich bei 30 an. Wenn ich 30 Schritte exponentiell vorangehe,<br />

zwei, vier, acht, sechzehn – komme ich bei einer Milliarde<br />

an. Das ist ein riesiger Unterschied. Inden frühen 1980er­Jahren<br />

habe ich die Entstehung eines World Wide Web fürMitte bis<br />

Ende der 1990er­Jahre vorhergesagt. Die Leute hielten das zu<br />

einer Zeit, in der mit dem gesamten US­Verteidigungsbudget<br />

nur ein paar tausend Wissenschaftler über das ARPANET<br />

miteinander verbunden werden konnten, fürlächerlich. Aber ich<br />

habe ein exponentielles Wachstum vorhergesehen, das sich<br />

jedes Jahr verdoppeln würde und sich innerhalb von <strong>10</strong> Jahren<br />

um Tausend und innerhalb von 20 Jahren um eine Million<br />

vervielfachen würde. Und das ist planmässig so eingetroffen.<br />

Wie wird unser Alltagsleben in 0 Jahren aussehen?<br />

In etwa 50 Jahren werden wir einen grossen Teil unserer Zeit<br />

in virtuellen Umgebungen verbringen, in denen wir virtuelle Körper<br />

haben und über unser eigenes Nervensystem vollständig in<br />

virtuelle 3­D­Realitäten eintauchen werden. Ausserdem können<br />

wir inverschiedenen Umgebungen verschieden aussehen.<br />

Somit wird der reelle Körper eines Menschen immer mehr<br />

an Bedeutung verlieren?<br />

Nicht unbedingt. Die Idee, einen Körper zu haben, ist und<br />

bleibt wichtig. Fast unsere gesamte Intelligenz ist auf unseren<br />

Körper, seine Bedürfnisse und Wünsche ausgerichtet. Wir<br />

haben jaeine ganze Hierarchie von Bedürfnissen, wie wir seit<br />

Maslow wissen. Aber wir müssen nicht nur einen Körper und eine<br />

Umgebung haben. Ich meine, inder virtuellen Realität werden<br />

wir verschiedene Körper haben. Einen Vorläufer davon kann man<br />

bereits in Second Life sehen. Dort erstellt man sich einen<br />

Foto: Thomas Eugster<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


Ray Kurzweil Leader<br />

1<br />

eigenen Körper, einen so genannten Avatar. Manchmal sieht<br />

dieser wie die Person selbst aus, manchmal ist es eine idealisierte<br />

Version und manchmal wird eine fantastische imaginäre Umwelt<br />

mit einem imaginären Körper geschaffen. Esgibt interessante<br />

psychologische Experimente mit Menschen, die in diese virtuellen<br />

Welten eintauchen. Wenn ihrem Avatar dort etwas zustösst, kann<br />

man inihrem Gehirn sehen, dass sie selbst betroffen sind. Wir<br />

nehmen also tatsächlich zusammen mit unserem Avatar eine Identität<br />

an. Auch wenn alles auf dem Bildschirm bleibt. Ziemlich bald<br />

schon werden diese imaginären Welten voll immersive 3­D­Umgebungen<br />

sein. Wir werden Brillen tragen, die dreidimensionale Bilder<br />

auf unsere Retina werfen, so dass es sich anfühlt, als obwir<br />

selbst in der Umgebung wären. Aber mit der dritten Brücke werden<br />

Nanobots über das Blut, die Blutgefässe, ins Gehirn gelangen.<br />

Sie werden mit unseren biologischen Nervenzellen auf die gleiche<br />

«Wir haben uns den Tod schöngeredet,<br />

weil wir keine andere Wahl<br />

hatten.»<br />

Weise wie das Gehirn, wie neuronale Implantate esheute schon<br />

tun, interagieren, aber bestimmend. Und sie werden uns in eine<br />

dreidimensionale, virtuelle Umgebung versetzen, indie alle Sinne<br />

über unser eigenes Nervensystem integriert sind.<br />

Werden die Menschen noch nach draussen gehen und<br />

entlang eines schönen Sees spazieren, wenn sie alles bequem<br />

zu Hause virtuell haben können?<br />

Ich sage nicht, dass wir unsere gesamte Zeit in der virtuellen<br />

Realität verbringen. Ich meine, esgibt bereits heute schon Leute,<br />

die vier, fünf Stunden täglich in Second Life, aber weiterhin auch<br />

Zeit in der realen Welt verbringen. Und wir werden ausserdem<br />

in der realen Welt inder Lage sein, unsere Körper und Gehirne<br />

durch Nanotechnologie zu verändern. Wir werden also reale<br />

Körper und virtuelle Körper haben. Ich will nur sagen, dass die<br />

virtuelle Realität immer wichtiger wird.<br />

Wie werden die Menschen kommunizieren? Wird es<br />

überhaupt noch Sprachen geben, wenn wir alle über diese<br />

Superintelligenz in unseren Köpfen verfügen?<br />

Ich denke, wenn wir über Computer in unseren Gehirnen verfügen,<br />

werden wir auch die Möglichkeit der direkten Kommunikation<br />

von Gehirn zu Gehirn haben. Diese Computer werden wir<br />

mit Nanobots über unseren Blutkreislauf mit dem Internet verbinden.<br />

Wir werden dann mit einer Mischform aus biologischer<br />

und nichtbiologischer Intelligenz denken können. Der nichtbiologische<br />

Anteil wird auch ausserhalb als sogenanntes Cloud Computing<br />

oder Cloud IT vorhanden sein. Daher wird ein Teil unseres<br />

Denkens nicht mehr physisch inunseren Köpfen stattfinden,<br />

sondern in dieser Cloud IT, die sehr flüssig mit anderen Menschen<br />

kommunizieren kann, die ebenfalls über die Cloud IT denken.<br />

Diebereits erwähntenneuronalenImplantatefürParkinson­Kranke<br />

sind erste Vorläufer dieser Entwicklung. Sie können mit Computern<br />

ausserhalb des Gehirns kommunizieren. Mit Hilfe der Wireless­Kommunikation<br />

kann neue Software auf die Implantate<br />

geladen werden. Vor kurzem wurde in einem Artikel der «NewYork<br />

Times» die Sorge geäussert,dass Hacker indie Software in<br />

den Gehirnen der Menschen eindringen könnten. Es gibt also bereits<br />

Möglichkeiten der Kommunikation jenseits der heutigen<br />

Sprachen. Wir sind gerade dabei, diese Barriere zudurchbrechen.<br />

Werden wir in der Zukunft weiterhin Geld benötigen?<br />

Geld wird es weiterhin geben. Mit Geld wird für geistiges Eigentum<br />

gezahlt. Das ist der Grund, warum geistiges Eigentum<br />

so eine wichtige Sache ist, weil es im Wesentlichen die Zukunft<br />

unserer Wirtschaft ist. Wir werden Arbeiten ausführen, die wir<br />

heute noch nicht einmal definieren können, sowie viele der<br />

Jobs, die wir heute haben, vor 20,30, 40 Jahren noch gar nicht<br />

existierten.<br />

Aber warum sollte man eigentlich weiterhin einen Körper<br />

haben und die globalen Ressourcen aufbrauchen, wenn man sich<br />

irgendwo in einer virtuellen Welt vollkommen glücklich fühlt?<br />

Diese Bedenken, dass uns die Ressourcen ausgehen werden,<br />

stimmen nur, wenn wir uns aufTechnologien der ersten industriellen<br />

Revolution im 19.Jahrhundert, etwa auf fossile Brennstoffe,<br />

beschränken. InWahrheit sind wir von Ressourcen überflutet.<br />

Was die Energie betrifft, haben wir <strong>10</strong> 000­mal mehr Energie als<br />

wir benötigen, und diese Energie strahlt jeden Tag von der Sonne<br />

auf uns herunter. Wir hatten bisher einfach nicht die ökonomischen<br />

Mittel, umsie umzuwandeln, aber das ändert sich gerade.<br />

Ich habe zusammen mit Larry Page eine Studie für die National<br />

Academy ofEngineering durchgeführt. Dabei haben wir die verschiedenen<br />

Energietechnologien untersucht und den Energieplan<br />

für die National Academy ofEngineering verfasst. Wir haben<br />

Solarenergie gewählt, weil man hier über die meisten Reserven<br />

verfügt.Esgibtandere interessante aufstrebende Technologien.<br />

Wir sind dabei, jetzt Nanotechnologie für die Solarkollektion<br />

und die Solarkollektor­Technologie sowie für die Energiespeicherung<br />

anzuwenden. Die Kosten pro Watt verringern sich damit<br />

«Es braucht nur noch acht Verdoppelungen<br />

bis unser Energiebedarf<br />

zu <strong>10</strong>0 Prozent durch<br />

Solarenergie abgedeckt sein wird.»<br />

dramatisch, und die Gesamtmenge anSolarenergie steigt exponentiell<br />

an. Und nicht erst seit kurzem: Während der letzten<br />

20 Jahre hat sie sich alle zwei Jahre verdoppelt. Esbraucht<br />

also nur noch acht Verdoppelungen, bis unser Energiebedarf zu<br />

<strong>10</strong>0 Prozent durch Solarenergie abgedeckt sein wird. Und es<br />

gibt <strong>10</strong> 000­mal mehr Sonnenlicht, als wir benötigen. Ich glaube<br />

fest daran, dass dies eintreffen wird.<br />

Und wie steht esumdie anderen Ressourcen wie Wasser<br />

oder Grundnahrungsmittel?<br />

Mit Wasser wird sich Ähnliches ereignen. Eswird keine Wasserknappheit<br />

geben. Wasser ist überall. Sehen Sie sich um. Die<br />

Ozeane sind gefüllt mit Wasser. Wir können es nur nicht trinken,<br />

weil wir eserst umwandeln müssen. Aber esgibt bereits neue<br />

Technologien, wie beispielsweise die Wassermaschine von<br />

Dean Kamen, die sehr günstig ist. Bei Nahrungsmitteln wird eine<br />

weitere Revolution stattfinden, bei der die Landwirtschaft durch<br />

die Herstellung von Nahrungsmitteln incomputerisierten Fabriken<br />

ersetzt wird. InWirklichkeit haben wir füreine erweiterte Bevöl­ ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong>


2<br />

Leaders Ray Kurzweil<br />

kerung jede Menge an Ressourcen. Gleichzeitig sinkt als Erstes<br />

die Geburtenrate, und das Bevölkerungswachstum wird negativ,<br />

wenn Länder reicher werden. Das Wachstum wird wieder positiv,<br />

wenn wir die Sterberate dramatisch verringern. Bis zur Verdoppelung<br />

der Bevölkerung wird trotzdem viel Zeit vergehen, 15 bis 20 Jahre,<br />

aber die Zeit bis zur Verdoppelung der Leistung dieser Technologien<br />

beträgt ein Jahr. Deshalb können wir mehr als Schritt halten.<br />

Glaubt man Ihren Ausführungen, werden wir also in 0 Jahren<br />

über eine künstliche Superintelligenz verfügen, die alle<br />

unsere Fähigkeiten bei weitem übersteigt. Macht Ihnen das<br />

nicht auch Angst?<br />

Diese Intelligenz ist janicht gegen uns. Schliesslich handelt es<br />

sich nicht umeine Invasion vom Mars. Es sind Werkzeuge, die wir<br />

erschaffen, umuns selbst zu erweitern. Seitdem wir zum ersten<br />

Mal einen Stock indie Hand genommen haben, um einen höheren<br />

Ast zuerreichen, haben wir Werkzeuge verwendet, um unsere<br />

Reichweite zuvergrössern – zuerst körperlich, jetzt eben mental.<br />

Ich bin um einiges klüger, weil ich mit dem Smartphone, das<br />

ich anmeinem Gürtel trage, Zugang zum gesamten menschlichen<br />

Wissen habe. Diese Geräte erweitern unseren Wissenshorizont<br />

und werden Teil unserer Identität. Und wir werden uns ändern.<br />

Es liegt inder Natur des Menschen, sich selbst zuändern. Wenn<br />

Sie mich nun fragen: Sind wir weiterhin menschlich, wenn wir<br />

damit beginnen, Computer in unsere Körper und Gehirne einzusetzen<br />

und unsere Organe zu verändern? Dann antworteich Ihnen:<br />

Ich denke, ja. Es ist genau das, was menschliche Wesen ausmacht:<br />

die beständige Veränderung dessen, wer wir sind. Wir haben uns<br />

nicht darauf beschränkt, auf dem Boden zubleiben, wir haben<br />

unsnicht daraufbeschränkt, aufdem Planeten zu bleiben, wir sind<br />

nicht innerhalb der Grenzen unserer Biologie geblieben. Keiner<br />

von uns wäre hier, wenn wir das nicht getan hätten.<br />

Ich habe einen 1­jährigen Sohn und eine 1­jährigeTochter.<br />

Eigentlich müssten sie ja nur die nächsten 20 Jahre einigermassen<br />

gesund überleben, umdann die notwendige Intelligenz<br />

mit Hilfe von Computern inihr Gehirn eingesetzt zu bekommen,<br />

damit sie danach in verschiedenen Körpern durch virtuelle<br />

Welten schweben. Geht jungen Leuten angesichts dieser Aussicht<br />

nicht irgendwann die Motivation für eine gute Ausbildung<br />

verloren?<br />

Wenn Sie einen Höhlenbewohner gefragt hätten: «Was sind<br />

deine Herausforderungen? Was würdest dugerne haben?»Seine<br />

Antwort wäre gewesen: «Ich hätte gerne einen grösseren Stein,<br />

den ich vor meine Höhle schieben kann, damit keine Tiere hereinkommen<br />

können. Ausserdem irgendwas, damit das Feuer nicht<br />

ausgeht.» Wir würden vielleicht fragen: «Willst dudenn nicht eine<br />

attraktivere Website?»Und er würde antworten: «Wovon sprichst<br />

du eigentlich?» Ich will damit sagen, dass die Leute damals keinen<br />

Schimmer davon hatten, was möglich sein könnte und was sie sich<br />

wünschen könnten. Wir entdecken ständig neue Wünsche und<br />

neue Bedürfnisse. Dinge, mit denen wir uns vor 200 Jahren noch<br />

beschäftigt haben, sind heute kein grosses Thema mehr. Aber<br />

das bedeutet nicht, dass wir nur herumsitzen und nichts tun.<br />

In einigen Jahrzehnten werden Menschen Dinge tun, die wir uns<br />

heute noch nicht einmal vorstellen können.<br />

Ist diese Vision nicht ausschliesslich eine Angelegenheit<br />

der ersten, reichen Welt, und vier Fünftel der Bevölkerung<br />

werden auch in 0 Jahren immer noch einen simplen Überlebenskampf<br />

führen?<br />

Wenn vor 15 Jahren jemand im Film sein Mobiltelefon hervorgeholt<br />

hat, war das ein Zeichen, dass diese Person sehr reich und<br />

mächtig war. Und dabei haben die Dinger noch nicht einmal besonders<br />

gut funktioniert. In den folgenden zehn Jahren haben wir<br />

eine Milliarde Handys produziert.Inden nächsten drei Jahren haben<br />

wir die zweite Milliarde in Umlauf gebracht. Für die dritte<br />

Milliarde haben wir 14 Monate gebraucht. Für die vierte Milliarde<br />

nur noch 8 Monate. Inweniger als zwei Jahren wird jede Person<br />

auf diesem Planeten über ein Handy verfügen. Aber sie sind<br />

schon jetzt sehr verbreitet. Die Hälfte aller Bauern inChina verfügen<br />

über Handys mit Internetzugang. Mit ein paar Tastenanschlägen<br />

können sie damit auf das gesamte menschliche Wissen<br />

zugreifen. Sie können Blogs schreiben und neues Wissen schaffen.<br />

So gibt eshundert Millionen Blogs inChina, was sie zu einer<br />

demokratisierenden Kraft macht. Die Tools, mit denen man auf<br />

Unternehmen wie Google oder Facebook zugreifen kann, sind also<br />

in aller Hände und nicht nur den Reichen vorbehalten. Das gleiche<br />

«Genau die beständige Veränderung<br />

dessen, was wir sind, macht<br />

das menschliche Wesen aus.»<br />

gilt fürjede Form der Informationstechnologie. Nehmen wir<br />

beispielsweise die Aids­Behandlung. Vor 15 Jahren kosteten die<br />

Medikamente 30 000 US­Dollar pro Jahr und Patient und<br />

wirkten nicht besonders gut. Heute kosten sie in Schwarzafrika<br />

<strong>10</strong>0 US­Dollar pro Patient und Jahr. Sie gelangen zu den Patienten<br />

und sie wirken sehr viel besser. Die Technologie bewegt sich<br />

in die richtige Richtung.<br />

Sind Sie eine religiöse Person? Glauben Sie anGott<br />

oder an eine höhere Macht?<br />

Nun, ich halte die Evolution füreinen spirituellen Prozess. Wenn<br />

Sie beobachten, was durch die Evolution geschieht, sehen<br />

Sie, dass Einheiten komplexer, intelligenter, kreativer, schöner und<br />

fähiger sind, höher stehende Emotionen wie Liebe zu empfinden.<br />

Wie wird nun Gott beschrieben? Gott ist ein Ideal, das in genau<br />

den Dingen, die ich gerade erwähnt habe, unendlich, unbeschränkt<br />

ist: allwissend, unbeschränkte Kreativität, Intelligenz und Liebe<br />

und soweiter. Die Evolution bewegt sich also grundsätzlich in die<br />

Richtung, umGott ähnlicher zu werden, erreicht dieses Ideal<br />

aber nie, weil es immer unendlich bleibt. Aber sie explodiert exponentiell<br />

in die Richtung der Art und Weise, inder Gott beschrieben<br />

wird. Deshalb können wir sagen, dass die Evolution ein spiritueller<br />

Prozess ist und wir Gott immer ähnlicher werden, je weiter<br />

wir uns entwickeln. Inmeiner Vorstellung werden wir uns schliesslich<br />

mit exponentieller Geschwindigkeit von diesem Planeten<br />

aus ausbreiten und das Universum mit unserer Intelligenz durchziehen,<br />

wobei wir möglichst viel davon inintelligente Computerleistung<br />

umwandeln. Daskommt einerVorstellungvon Gott so nahe,<br />

wie nur irgend möglich. <<br />

Das Interview fand im November 200<br />

im Vorfeld der Thought Leadership Conference<br />

der Credit Suisse in Zürich statt.<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> Credit Suisse


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