bull_03_01_Formel 1
Credit Suisse bulletin, 2003/01
Credit Suisse bulletin, 2003/01
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ulletin<br />
Das Magazin der Credit Suisse | www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin | Nr. 1 | Februar/März 20<strong>03</strong><br />
Sorgenbarometer<br />
Krankenkassenprämien rauben<br />
den Schweizern den Schlaf<br />
Phantomrisiken<br />
Wenn Technikbegeisterung<br />
in Skepsis umschlägt<br />
Lust und Laster<br />
Whisky – vom Keltentrunk<br />
zum Kultgetränk<br />
Im Bann der<br />
<strong>Formel</strong> 1
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EDITORIAL / INHALT<br />
Als ich Schumi dicht auf den Fersen war<br />
Ich vergesse nie den Augenblick, als ich<br />
das erste Mal Gas gab. Das war auf dem<br />
Mofa meines Bruders. Mit einem simplen<br />
Dreh einfach so loszufahren, das fand ich<br />
wunderbar – wie Harry Potter bei seinem<br />
ersten Ritt auf dem Besen! Es folgte das<br />
erste Mal im Auto, auf dem Motorrad,<br />
im Lastwagen. Sich mit Motorenkraft fortzubewegen,<br />
fasziniert. Mein Sohn feierte<br />
seinen zehnten Geburtstag mit Freunden<br />
auf der Kartbahn. Für die meisten wars<br />
das erste Mal am Steuer eines motorisierten<br />
Gefährts. Ehrfürchtig schauten sie am<br />
Anfang den vorbeisausenden Karts zu.<br />
Einer meinte gar schüchtern: «Ich fahr dann<br />
aber nicht so schnell.» Nach zwei Runden<br />
war davon nichts mehr zu spüren. Verwegen<br />
warfen sich die kleinen Heisssporne in<br />
die Kurven, kämpften verbissen um Sekunden<br />
und Plätze. In der Pause folgten hitzige<br />
Diskussionen über Bremsmanöver und<br />
Linienführung. Rennsport fasziniert. Und hat<br />
nicht auch Michael Schumacher seine<br />
Karriere auf der Kartbahn gestartet? Seither<br />
träumt mein Sohn davon, sich einmal mit<br />
dem deutschen Superstar zu messen.<br />
Genau diesen Bubentraum bekam ich vor<br />
ein paar Jahren erfüllt – zwar nicht in einem<br />
<strong>Formel</strong>-1-Rennwagen, doch immerhin in<br />
einem Ferrari Modena mit elektronischer<br />
F-1-Schaltung und enorm viel PS. Fünf<br />
Runden lang konnte ich mich auf der Teststrecke<br />
von Fiorano austoben – ich meine<br />
natürlich: an die Ideallinie herantasten. Im<br />
Ziel übergaben mir die Techniker die detaillierte<br />
Analyse der schnellsten Runde. Darauf<br />
war exakt zu sehen, wo ich wie schnell,<br />
in welchem Gang, mit wie viel Touren dahindonnerte.<br />
Der Clou: Unscheinbar daneben<br />
in Klammern waren auch die Vergleichsdaten<br />
von Michael Schumacher aufgeführt.<br />
Ich gebe es zu: Zwischen uns liegen Welten.<br />
Was mich aber am meisten erstaunte:<br />
weniger beim Gasgeben – da war ich ihm<br />
virtuell noch dicht auf den Fersen – als vielmehr<br />
beim Bremsen. Einmal mehr zeigte<br />
sich mir: Voll aufs Gaspedal drücken,<br />
das kann jeder; der echte Könner zeigt<br />
sich in der Fähigkeit, im entscheidenden<br />
Moment Gas wegzunehmen.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor Bulletin<br />
Schwerpunkt: <strong>Formel</strong> 1<br />
Fotos: Oliver Lang (Titel), Pia Zanetti (Editorial)<br />
08 Hackordnung Wer was bekommt, ist in Stein gemeisselt<br />
12 Interview Bernie Ecclestone hält die Zügel fest in der Hand<br />
15 Emanzipation Erfahrungen einer Frau im Motorsport<br />
16 Laborbericht Woran Sauber in Hinwil tüftelt<br />
22 Service Die wichtigsten Daten und Fakten zur Saison 20<strong>03</strong><br />
23 Partnerschaft Was Sauber der Credit Suisse bringt<br />
26 Wirtschaft Wo die <strong>Formel</strong> 1 hinkommt, klingeln die Kassen<br />
28 VIP-Club Champagner, Kaviar und Motorengeheul<br />
31 F1-Glosse Unentbehrliche Meditation für Humanisten<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 3
Im Urlaub drohte mir<br />
meine Freundin mal damit,<br />
meine American Express Karte<br />
die Toilette runterzuspülen.<br />
Mach nur, sagte ich ihr.<br />
Erstens sinkt die Karte nicht.<br />
Und zweitens erhalte ich<br />
innerhalb eines Tages<br />
sowieso wieder eine neue.<br />
Das war allerdings das<br />
letzte Mal, dass ich mich<br />
auf eine Löwin einliess.<br />
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INHALT<br />
1 2 2 2 2 2 2 2<br />
Aktuell<br />
49 40 37 37 33<br />
41<br />
53 55 20<br />
20 23 24<br />
22<br />
21<br />
18 22<br />
29 38 38 37 27 21 45 35<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
20<strong>01</strong><br />
2002<br />
34<br />
32 Kurz und bündig Analyse der Finanzsituation leicht gemacht<br />
33 Online Die Credit Suisse gibt sich neuen Internetauftritt<br />
33 Davos Jugend trifft sich im renovierten Youthpalace<br />
34 Sorgenbarometer Nationalratspräsident Christen nimmt Stellung<br />
39 Forum Bulletin-Umfrage stimmt optimistisch<br />
39 @propos Fische sind grottenschlechte Übersetzer<br />
40 Autofinanzierung Autofahren bleibt ein teurer Spass<br />
42 Investieren Bondprodukt bringt Sicherheit und Rendite<br />
43 Esprix Topreferenten für Topmanager<br />
43 Nach-Lese Buchtipps für Wirtschaftsleute<br />
44 Hinter den Kulissen VIP-Desk: Netzwerk für Prominente<br />
45 Neu im emagazine Gold glänzt wieder<br />
Wealth Management<br />
Strategy<br />
47 Finanzeditorial Chancen, Risiken und Nebenwirkungen<br />
48 Prognosen Die Aussichten für die nächsten zwölf Monate<br />
49 Konjunktur USA sind einmal mehr Konjunkturlokomotive<br />
50 Aktien Börsenwende könnte Mitte Jahr kommen<br />
52 Obligationen Anhaltend tiefe Inflation stützt Bondmärkte<br />
53 Währungen Franken steht unter Aufwertungsdruck<br />
54 Alternative Anlagen Hedge Funds erholen sich langsam<br />
55 Anlagetipp GIP März schlägt Benchmark<br />
56<br />
Topics<br />
56 Phantomrisiken Herausforderung für Finanzdienstleister<br />
60 Luftfahrt Billigflugsegment bricht traditionelle Strukturen auf<br />
63 Basel II Neue Eigenkapitalvereinbarung hat Folgen für KMU<br />
66 Immobilien US-Immobilienmarkt hält sich wacker<br />
69 Aktien Dividenden erobern die Gunst der Investoren zurück<br />
69<br />
Lust und Laster<br />
72 Whisky Keltentrunk, Kulturgut, Kultgetränk<br />
Sponsoring<br />
72<br />
75 Fussball EURO 2008: Wirtschaftsmotor und Werbeplattform<br />
76 Ausdauersport Der Reiz liegt zwischen Lust und Qual<br />
79 Agenda Kultur und Sport im Überblick<br />
79 Kultur in Kürze Jazzsaxofon, Fussballrowdys, Weltreisen<br />
Leaders<br />
80<br />
80 Paulo Coelho Glück misst man in Kubikzentimetern<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 5
0 AUF 200 KM/H<br />
DAUERT KNAPP<br />
5 SEKUNDEN.<br />
ODER<br />
UMGERECHNET<br />
140 METER.<br />
BEI 350 KM/H<br />
PRESST DER<br />
FAHRTWIND DIE<br />
F1-BOLIDEN MIT<br />
RUND 1,5 TONNEN<br />
AUF DEN ASPHALT.
FORMEL 1
Auf dem nobelsten Zeltplatz der<br />
Welt herrscht strenge Hackordnung<br />
Während auf der Rennstrecke immer mal wieder König Zufall einen Strich durch die Punkterechnung<br />
macht, ist neben der Strecke für die Teams alles bis ins letzte Detail geregelt. Ausschlaggebend ist ein<br />
ausgeklügelter Punkteschlüssel, der streng geheim ist. Elmar Brümmer, <strong>Formel</strong>-1-Journalist<br />
Wo genau die Ziellinie auf einer Rennstrecke<br />
verläuft, das lässt sich interpretieren,<br />
wie der von Michael Schumacher versehentlich<br />
an Rubens Barrichello verschenkte Sieg<br />
beim Grand Prix in Indianapolis gezeigt hat.<br />
Dagegen besteht hinter den Boxen im Fahrerlager<br />
in dieser Hinsicht keinerlei Diskussionsspielraum.<br />
Hier herrscht ausgeprägte<br />
Linientreue. Jeder LKW, jeder Bus, jedes<br />
Vorzelt hat seinen festen Platz und wird<br />
während der europäischen Saison zehnmal<br />
exakt gleich aufgestellt. Die weisse Linie, die<br />
das jeweilige Rennstallterritorium begrenzt,<br />
muss peinlich genau beachtet werden. Wer<br />
auch nur den Treppenaufgang zu seinem<br />
mobilen Heim ohne Ausnahmegenehmigung<br />
über den Pinselstrich hinauslugen lässt, der<br />
wird zu einer Konventionalstrafe verdonnert.<br />
Warum wir diese Episode aus der Psychologie<br />
parkender Nutzfahrzeuge erzählen?<br />
Weil sie viel darüber verrät, wie sich das<br />
grosse Rad der <strong>Formel</strong> 1 dreht: durch eine<br />
Regelung auch der kleinsten Kleinigkeiten.<br />
Natürlich ist die aktuelle Hackordnung der<br />
<strong>Formel</strong>1 zuallererst an den Startnummern zu<br />
erkennen, aber schon auf den Parkplätzen<br />
lässt sich ablesen, wer im letzten Rennjahr<br />
etwas erreicht hat: Nicht nur, dass die Garagen<br />
in der Boxengasse in der Reihenfolge<br />
des WM-Endstandes verteilt werden – auch<br />
deren Grösse orientiert sich an den erreichten<br />
Punkten. Wer (wie das Team Sauber<br />
Petronas) in den letzten beiden Jahren in der<br />
oberen Hälfte der Tabelle platziert war, der<br />
hat grundsätzlich mehr Quadratmeter zur<br />
Verfügung und profitiert damit von einer besseren<br />
Arbeitsatmosphäre. Hinter dem Garagenkomplex<br />
setzt sich der Raumgewinn fort:<br />
Da haben die besten und die besseren Rennställe<br />
dann noch die Möglichkeit, zusätzliche<br />
Transporter oder Motorhomes aufzustellen.<br />
Ein Wink mit der Antenne regelt Missstände<br />
Die Regeln auf dem wohl nobelsten Zeltplatz<br />
der Welt sind streng, sie werden persönlich<br />
überwacht von Bernie Ecclestone oder seiner<br />
rechten Hand Pasquale Lattuneddu. Da<br />
reicht ein Wink mit der Antenne der mächtigen<br />
Funkgeräte, die die beiden permanent<br />
mit sich tragen, und schon wird ein Missstand<br />
klaglos korrigiert. Den Herren der Ringe<br />
entgeht nichts im so genannten Paddock<br />
(der Begriff stammt ursprünglich aus der<br />
Reitersprache und bedeutet «Koppel»).<br />
Was nicht mit eigenen Augen oder dem<br />
Meterstab überprüft werden kann, wird ganz<br />
einfach per Magnetstreifenleser abgefragt.<br />
Die wahre Macht wird an den zwei bis<br />
drei Eingangstoren zum Fahrerlager demonstriert:<br />
Wer ins Allerheiligste der <strong>Formel</strong> 1<br />
Eintritt begehrt, der muss einen Pass mit<br />
dem richtigen Zugangscode und einem funktionierenden<br />
Chip haben. Diese Plastikeintrittskarte,<br />
die alle der Einfachheit halber<br />
an einer Kordel um den Hals baumeln haben,<br />
ist wertvoll – denn sie ist nicht käuflich. Es<br />
sei denn, ein Interessent kauft sich gleich<br />
einen ganzen Rennstall. Auch die Anzahl<br />
der zur Verfügung gestellten Ausweise für<br />
Mechaniker, Ingenieure und Gäste eines<br />
Teams hängt stark vom sportlich Erreichten<br />
ab. Das Leistungsprinzip funktioniert bis<br />
ins Detail.<br />
«ES GEHT UM PUNKTE<br />
UND PRESTIGE, UM<br />
MACHT UND MONETEN.»<br />
«Frankfurter Allgemeine Zeitung»<br />
Im Topf ist rund eine halbe Milliarde Dollar<br />
Im Concorde Agreement, dem Grundgesetz<br />
der <strong>Formel</strong> 1, ist alles bis ins Detail geregelt,<br />
allem voran, wie die Einnahmen aus den<br />
Fernseh- und Vermarktungsrechten wieder<br />
an die Rennställe ausgeschüttet werden<br />
(siehe Box). Vom Prinzip her soll das Vertragswerk<br />
es allen recht machen und dabei<br />
gerecht bleiben. Eine geschätzte halbe Milliarde<br />
Dollar im Jahr holt Bernie Ecclestone<br />
mit all seinen Unternehmen und Unternehmungen<br />
zur Vermarktung der <strong>Formel</strong> 1<br />
heraus, etwa die Hälfte davon wird wieder<br />
8 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
Fotos: Schlegelmilch Photography (Seiten 6/7, 8, 10/11, 20/21, 24/25)<br />
an die Rennställe ausgeschüttet, geregelt<br />
über das Concorde Agreement. Natürlich<br />
geht es in der Vereinbarung nicht nur um<br />
Geld, sondern auch um Macht. Das reicht bis<br />
zu technischen und sportlichen Änderungen<br />
im Reglement, die einstimmig von den Teilnehmern<br />
verabschiedet werden müssen.<br />
Das Abkommen unterliegt strengster Geheimhaltung<br />
und läuft noch bis Ende 2007. Für<br />
die Zeit danach plant die Vereinigung der<br />
grossen Automobilhersteller (GWPC) eine<br />
eigene Serie, wenn nötig in Konkurrenz zur<br />
bisherigen <strong>Formel</strong> 1. Die Rennställe werden<br />
damit geködert, dass dann die Ausschüttungsbeträge<br />
höher sind als bisher.<br />
Aber wie hoch sind diese Ausschüttungsbeträge<br />
eigentlich? Transparenz gehört nicht<br />
gerade zu den herausragenden Tugenden im<br />
Motorsport, weder in technischer noch in finanzieller<br />
Hinsicht, was in gewisser Weise<br />
durchaus nachvollziehbar ist. Besonders ungewöhnlich<br />
ist es in der Welt der populären<br />
Sportarten, dass nicht einmal die Preisgelder<br />
pro Rennen, Fahrer und Team öffentlich<br />
ausgelobt werden. Beziehen nicht Golf- und<br />
Tennisturniere einen Teil ihres Reizes aus der<br />
Einstufung bis auf den letzten Dollar? In der<br />
<strong>Formel</strong> 1 werden auf dem Podium zwar funkelnde<br />
Pokale stolz in die Menge und vor die<br />
Kameras gereckt, aber was im Preisgeldtopf<br />
drin ist, das unterliegt strengster Geheimhaltungspflicht.<br />
An das Gentlemen’s Agreement<br />
halten sich auch alle, Zuwiderhandlungen<br />
hätten vergleichbare Konsequenzen wie<br />
das Nichtantreten bei einem Rennen: massive<br />
Konventionalstrafen.<br />
Ein Insider, der Einblick in das Vertragswerk<br />
hat, rechnet jedoch das Prinzip vor:<br />
Etwa zehn Prozent werden zu gleichen Teilen<br />
an alle teilnehmenden Rennställe ausgeschüttet.<br />
Danach wird die Gewinnbeteiligung<br />
sehr kompliziert. Der Verteilungsschlüssel<br />
orientiert sich zunächst an der Platzierung in<br />
den Konstrukteurswertungen während der<br />
letzten drei Jahre. Einen besonders grossen<br />
Part macht die historische Bewertung<br />
beim Verteilerschlüssel aus. Zuerst folgt die<br />
Berechnung der Dienstjahre in der <strong>Formel</strong> 1.<br />
Im ersten Jahr gibt es vier Zähler, für<br />
zehn Jahre (wie Sauber Petronas) deren<br />
165. Ferrari, seit einem halben Jahrhundert<br />
dabei, liegt bei 1200 Punkten. Wer<br />
Konstrukteurstitel errungen hat, bekommt<br />
jeweils 25 Bonuspunkte. Dazu werden die<br />
in den letzten beiden Jahren errungenen<br />
WM-Punkte in der Teamwertung doppelt<br />
gerechnet, die Gesamtsumme aller je errungenen<br />
Zähler in der Konstrukteursweltmeisterschaft<br />
zehnfach. Zehn Punkte gibt es<br />
für jeden Sieg in den letzten beiden Jahren.<br />
Jeder zuvor errungene Grand-Prix-Erfolg ist<br />
nochmals einen Punkt wert.<br />
Selbst die Anzahl Führungskilometer zählen<br />
Aus einem Extrapool werden noch einmal<br />
die Erfolge der Teams in der abgelaufenen<br />
Saison honoriert. Zu den Multiplikatoren<br />
gehören aber auch die Platzierungen in<br />
jedem einzelnen Rennen, sogar auf die Anzahl<br />
der Führungskilometer kann es ankommen.<br />
Im letzten Concorde Agreement, von dem<br />
Details publik wurden, bekam beispielsweise<br />
der Weltmeister 23,33 Prozent der ausgeschütteten<br />
Vermarktungseinnahmen, der<br />
Vize 16,67 Prozent und der Dritte 13,33 Prozent.<br />
Der Vierte und der Fünfte erhielten<br />
noch 10 Prozent, für den Zehnten blieben<br />
3,33 Prozent. Und: Nur die ersten Zehn bekommen<br />
auch die Sondervergütung, was in<br />
der neuen Saison noch eine Rolle spielt,<br />
obwohl 20<strong>03</strong> ohnehin nur zehn <strong>Formel</strong>-1-<br />
Teams gemeldet sind. Aber die Gelder<br />
werden immer rückwirkend ausgezahlt. Ganz<br />
einfach, um einen Ausstieg zu erschweren –<br />
bedeutet er doch gleichzeitig den Verzicht<br />
auf die Auszahlung. Um die Prämienansprüche<br />
der in die Insolvenz getriebenen<br />
Rennställen von Alain Prost und Tom<br />
Walkinshaw wird wohl hinter den Kulissen<br />
heftig gekämpft werden.<br />
Politikerherzen müssten hüpfen, wenn sie<br />
sich den Darwinismus im Grand-Prix-Sport<br />
zu Gemüte führen. Zumindest jene, die propagieren,<br />
dass sich Leistung wieder lohnen<br />
soll. Wer weiss, dass jeder Rennstall zwischen<br />
20 und 40 Prozent seines Etats aus<br />
dem Geldsäckel Ecclestones bestreitet, der<br />
kann nachvollziehen, warum vergangenes<br />
Jahr lange nach der WM-Entscheidung<br />
durch Ferrari im Mittelfeld noch so verbissen<br />
gekämpft wurde. Für die wenigsten hiess<br />
der grosse Gegner Michael Schumacher, für<br />
die meisten ging es bei den Anstrengungen<br />
eigentlich nur gegen die Teams, die in der<br />
Konstrukteurswertung gerade vor einem lag.<br />
Und jenes, das hinter einem rangierte.<br />
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»<br />
beschrieb das verbissene Treiben so: «Es<br />
geht um Positionen, Punkte und Prestige,<br />
um Macht und Moneten.» Jeder Platz weiter<br />
vorne in der Hierarchie kann Millionen ausmachen.<br />
Jedes Pünktchen bringt neben<br />
der stattlichen Jahresabschlussprämie noch<br />
weitere Annehmlichkeiten: mehr Platz im<br />
Fahrerlager, tonnenweise Freigepäck in den<br />
Frachtjumbos, zusätzliche Economy-Tickets<br />
für die Mannschaft. Für den Zuschauer hat<br />
diese Beteiligungsweltmeisterschaft den<br />
Vorteil, dass sie bis zur letzten Runde spannend<br />
bleibt. Denn zu verschenken hat in der<br />
<strong>Formel</strong> 1 niemand etwas.<br />
❙<br />
Das Grundgesetz der <strong>Formel</strong> 1<br />
Das Concorde Agreement regelt die Beziehungen zwischen allen Akteuren der <strong>Formel</strong>-1-<br />
Weltmeisterschaft, wie Sportverbänden, Veranstaltern, Rennställen, Fahrern, Sponsoren –<br />
es ist sozusagen das Grundgesetz der <strong>Formel</strong> 1. Ein Schwerpunkt ist die Verteilung des<br />
Reinerlöses aus den 16 Grand-Prix-Rennen und aus der Fernsehvermarktung. Ursprünglich<br />
handelte es sich um eine Vereinbarung zwischen der Formula One Constructor’s<br />
Association (FOCA) und der Fédération Internationale de Sport Automotive (FISA), die zu<br />
Beginn der Achtzigerjahre getroffen wurde. Seinen Namen hat das Vertragswerk vom<br />
Place de la Concorde in Paris, wo es im Gebäude des Automobilweltverbandes FIA<br />
(Fédération Internationale de l’Automobile) unterzeichnet worden war. Vorausgegangen<br />
war ein jahrelanger Streit zwischen der von Jean-Marie Balestre geführten Sportbehörde<br />
FISA und der von Bernie Ecclestone vertretenen Organisation der Rennställe. Balestre<br />
wollte den Einfluss der FOCA wieder beschneiden, die sich mehr und mehr um die Vermarktung<br />
der Serie kümmerte und dadurch an Einfluss gewann. Die <strong>Formel</strong> 1 drohte an<br />
dem Machtkampf zu zerbrechen, der bis zu einem Streik führte. Sponsoren und Hersteller<br />
machten ihr weiteres Engagement schliesslich von dauerhaft gesicherten Durchführungsbedingungen<br />
abhängig und forcierten den vertraglichen Abschluss. Die FISA gibt<br />
es nicht mehr, die FOCA ist in Ecclestones Holding Formula One Administration aufgegangen.<br />
Über die Regeln der <strong>Formel</strong> 1 bestimmt weiterhin die FIA, bei bestimmten Regeländerungen<br />
aber ist laut Concorde Agreement eine Zustimmung aller Teams vonnöten.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 9
FORMEL 1<br />
10 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
200 AUF 0 KM/H<br />
DAUERT<br />
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«Natürlich will jeder mehr!»<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 ist das grösste Sportereignis der Welt. Massgeblichen Anteil an diesem Erfolg hat<br />
Bernie Ecclestone. Mit seinen 72 Jahren hält der milliardenschwere Brite die Zügel des Rennsporttrosses<br />
immer noch fest in der Hand. Interview: Marcus Balogh, Redaktion Bulletin<br />
Marcus Balogh Sie gelten als ungekrönter<br />
König der <strong>Formel</strong> 1. Wofür Sie genau<br />
verantwortlich sind, bleibt jedoch auch nach<br />
längerer Recherche ein wenig nebulös. Was<br />
tut Bernie Ecclestone für die F1?<br />
Bernie Ecclestone Ich bin ganz sicher kein<br />
König. Schliesslich ist die <strong>Formel</strong> 1 eine<br />
Demokratie.<br />
In der Sie am Ende aber immer recht<br />
behalten? Oft – aber nicht immer. Ich bin<br />
kein allmächtiger Herrscher, ich bin eher<br />
ein Feuerwehrmann. Ich lösche die Brände,<br />
die zwischen Teams, Organisatoren,<br />
Kommissionen und Ländern aufflackern.<br />
Das hört sich altruistisch an. Aber in Tat und<br />
Wahrheit hat Sie die <strong>Formel</strong> 1 zu einem der<br />
reichsten Männer Grossbritanniens gemacht.<br />
Natürlich habe ich mit der <strong>Formel</strong> 1 Geld<br />
verdient. Aber ich bin nicht der Einzige. Im<br />
Gegensatz zu vielen anderen bin ich aber<br />
oft beträchtliche Risiken eingegangen.<br />
Trotzdem murren die Hersteller und monieren<br />
Ihre Macht. Dabei geht es auch um Geld.<br />
Die Teams hätten zum Beispiel gern einen<br />
grösseren Anteil aus dem Verkauf der Fernsehübertragungsrechte.<br />
Heute bekommen sie<br />
47 Prozent. Wie stellen Sie sich dazu? Als<br />
Aussenstehender würde ich sagen: Sie<br />
sollen es versuchen. Es ist nicht mehr als<br />
natürlich, dass jeder mehr will.<br />
Werden Sie ihnen mehr geben? Ich habe<br />
bereits Geld in die <strong>Formel</strong> 1 investiert, als<br />
die meisten Hersteller noch keine Ahnung<br />
hatten, was die <strong>Formel</strong> 1 ist. Heute<br />
bekommen sie unter anderem auch dank<br />
diesem Engagement eine ganze Menge<br />
Geld von ihren Sponsoren. Insgesamt kassieren<br />
die Teams mehr als ich. Aber vielleicht<br />
sollte ich vorschlagen, dass wir alles<br />
in einen Topf tun und dann jeder gleich<br />
viel daraus bekommt. (Lacht schallend)<br />
Werden sich die Hersteller nicht eines Tages<br />
sagen: Wir zahlen die Show, wir wollen auch<br />
die Einnahmen? Die Hersteller stecken<br />
sehr viel Geld in die <strong>Formel</strong> 1. Daran gibt es<br />
keine Zweifel. Gibt ihnen das automatisch<br />
das Recht auf mehr? Niemand hat sie<br />
gezwungen mitzumachen. Und schliesslich<br />
ist die Ernte, die sie mit diesem Engagement<br />
einfahren, ebenfalls sehr gross. Sie<br />
benutzen die <strong>Formel</strong> 1 ja auch als Schaufenster,<br />
um sich selber in Szene zu setzen.<br />
Wenn Sie ihr Brot 30 Jahre lang in der<br />
selben Bäckerei kaufen, glauben Sie, dass<br />
Sie deshalb eines Tages das Recht auf<br />
einen Teil der Einnahmen haben?<br />
Beunruhigt es Sie, dass die Hersteller<br />
untereinander über eine eigene Rennserie<br />
sprechen? Überhaupt nicht. Eine Rennserie<br />
auf die Beine zu stellen, ist immens<br />
schwierig. Je mehr die Hersteller jetzt<br />
miteinander sprechen, desto deutlicher<br />
merken sie das. Ganz abgesehen davon:<br />
So langsam wird ihnen klar, dass sie<br />
mit einer zweiten Rennserie nicht mehr<br />
Geld verdienen, sondern weniger.<br />
Wieso würde dabei weniger Geld herausschauen?<br />
Weil die TV-Sender bei zwei<br />
Rennserien natürlich die Möglichkeit<br />
hätten, die Preise zu drücken.<br />
Bleiben wir noch beim Thema Geld: Sie<br />
haben die <strong>Formel</strong> 1 vom Wochenendvergnügen<br />
für Rennverrückte zur kommerziell<br />
erfolgreichsten Sportart der Welt gemacht.<br />
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Ich weiss<br />
es nicht. Der Chefkoch eines exklusiven<br />
Restaurants mit drei Sternen im Guide<br />
Michelin wird Ihnen auf diese Frage auch<br />
keine Antwort geben können. Denn Erfolg<br />
hängt nicht von einer einzigen, geheimen<br />
Zutat ab. Er ergibt sich aus der Summe<br />
vieler Details und Aktivitäten. Zum Beispiel<br />
aus Erfahrung und Durchhaltevermögen.<br />
Ausserdem bin ich seit sehr langer Zeit<br />
im Geschäft. Das trägt mir Respekt<br />
und Vertrauen ein – was weitere Erfolgsfaktoren<br />
sind.<br />
Überfällt sie nach rund 50 Jahren Motorsportzirkus<br />
nicht gelegentlich die Langeweile?<br />
Nein, ganz und gar nicht. Jeden Tag passiert<br />
irgendetwas Aufregendes. Das ist halt<br />
dieses Feuerwehrmann-Ding. Man wacht<br />
morgens auf und weiss nicht, was passiert.<br />
Können Sie uns ein Beispiel geben?<br />
Teams legen Beschwerden gegen andere<br />
Teams ein, ein Rennstall steht plötzlich vor<br />
dem finanziellen Aus – es gibt jeden Tag<br />
etwas zu verhandeln, zu verkaufen oder<br />
zu vermitteln. Und das ist eben das, was<br />
ich am besten kann und was mir am<br />
meisten Spass macht.<br />
Weshalb, glauben Sie, lockt die F1 Hunderte<br />
Millionen von Zuschauern vor die Bildschirme?<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 ist glamourös, ein<br />
grosses Spektakel. Es ist ein bisschen so,<br />
als beobachte man Seiltänzer im Zirkus.<br />
Man will zwar dort sein, wenn etwas passiert,<br />
aber man will nicht, dass etwas<br />
passiert. Und wenn etwas passiert, dann<br />
will man, dass der Fahrer ohne Verletzung<br />
aus dem Auto steigt.<br />
Machen Fahrer wie Michael Schumacher<br />
die <strong>Formel</strong> 1 nicht monoton? Michael<br />
Schumacher spaltet die F1-Fans in zwei<br />
Lager. Die eine Gruppe möchte ihn siegen<br />
und siegen und siegen sehen, während die<br />
andere bei jedem Rennen hofft, dass er<br />
endlich geschlagen wird. Für mich ist das<br />
unglaublich. Das ist fantastisch für uns.<br />
Wird die F1 in Asien und Amerika so populär<br />
werden wie in Europa? In Asien ist die F1<br />
bereits sehr populär. In den USA sind wir<br />
damit konfrontiert, dass es bereits eine<br />
Foto: © Corbis/Swiss Press<br />
12 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
«GELD BEDEUTET<br />
MIR NICHTS;<br />
ES IST NUR EINE<br />
MÖGLICHKEIT,<br />
ERFOLG<br />
ZU MESSEN.»<br />
Bernie Ecclestone<br />
FORMEL 1
Unzahl an Motorsport-Veranstaltungen<br />
gibt, von ganz unterschiedlichem Kaliber.<br />
Aber auch in den USA ziehen wir eine<br />
grosse Zuschauermenge für das jeweilige<br />
F1-Rennen an und die Fernsehübertragung<br />
erreicht gute Zuschauerquoten.<br />
Können Sie sich vorstellen, die Anzahl der<br />
Rennen zu erhöhen? Vielleicht könnte man<br />
noch ein oder zwei Rennen mehr veranstalten.<br />
Doch kein Promoter, kein Sponsor<br />
ist bereit, noch tiefer in die Tasche zu<br />
greifen, als er das jetzt schon tut. Das ist<br />
unmöglich – vorher würden die Sponsoren<br />
davon- rennen. Der limitierende Faktor<br />
ist das Geld.<br />
Sind Sie mit der F1, so wie sie heute ist,<br />
glücklich? Ich bin nie wirklich glücklich. Es<br />
gibt immer Sachen, die ich gern verbessern<br />
würde – und die ich dann auch versuche<br />
zu ändern.<br />
Vermissen Sie die «guten alten Tage»?<br />
Ich vermisse es, 21 Jahre alt zu sein. Aber<br />
was die F1 angeht – nein, wir sind heute<br />
wesentlich professioneller, und das ist auch<br />
gut so. Was ich vermisse sind die Menschen,<br />
mit denen ich früher zu tun hatte:<br />
Colin Chapman, Enzo Ferrari.<br />
Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie<br />
auf die letzten 30 Jahre zurückblicken? Auf<br />
die Entwicklung der Sicherheitstechnik.<br />
Wir haben mehr für die Sicherheit getan als<br />
für alles andere. Heute steigen die Fahrer<br />
selbst nach haarsträubenden Unfällen beinahe<br />
unverletzt aus ihren Autos aus.<br />
Gibt es Dinge, die Sie bereuen? In der F1?<br />
Spontan fällt mir nichts ein. Sicher würde<br />
ich gewisse Sachen heute anders machen<br />
– aber nicht weil sie «falsch» waren,<br />
sondern weil ich sie vielleicht hätte besser<br />
machen können.<br />
Das einträgliche Leben für den Sport<br />
Bernard Charles Ecclestone wird am 28. Oktober 1930 in Ipswich, Grossbritannien, als<br />
Sohn eines Fischerboot-Kapitäns geboren. Sein Faible fürs Geschäften zeigt der ungekrönte<br />
F1-König schon als Kind. Während der Schulpause verkauft Klein Bernie gegen<br />
einen Aufpreis Brötchen und Kuchen, die er auf dem Schulweg eingekauft hat.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg absolviert er eine Lehre als Chemielaborant, beginnt aber<br />
gleichzeitig während seiner Essenspause mit Motorradersatzteilen zu handeln. Die<br />
Geschäfte laufen gut und ein paar Jahre später besitzt Ecclestone eine der grössten<br />
Motorradhandelsketten Grossbritanniens.<br />
1949 versucht sich Ecclestone in der <strong>Formel</strong> 3 – erfolglos. Aller Leidenschaft zum Trotz<br />
ist er als Fahrer weniger begnadet denn als Manager. In dieser Funktion vertritt er später<br />
unter anderem den Rennfahrer Jochen Rindt und leitet das Team Lotus. 1972 kauft sich<br />
Ecclestone schliesslich das <strong>Formel</strong>-1-Team von Brabham. 1981 und 1983 gewinnt er<br />
mit Nelson Piquet als Fahrer die F1-Weltmeisterschaft, 1987 verkauft er schliesslich das<br />
Team erfolgreich weiter. Parallel zu seinem Engagement als Rennstallbesitzer gründet er<br />
1974 zusammen mit Colin Chapman, Max Mosley, Ken Tyrell und Frank Williams die<br />
Konstrukteurvereinigung der <strong>Formel</strong> 1 (FOCA).<br />
Wirklich reich geworden ist der knapp 1,60 m grosse Tausendsassa in den Neunzigerjahren.<br />
Erst sichert er sich die Fernsehrechte der <strong>Formel</strong> 1, anschliessend bringt er sie<br />
äusserst gewinnbringend an den Mann. Die Einnahmen aus dem jährlichen Verkauf der<br />
Fernsehrechte werden nach einem komplizierten Schlüssel verteilt. 47 Prozent bekommen<br />
die Teams.<br />
Wie reich Bernie Ecclestone aber wirklich ist, bleibt unergründlich. Schätzungen schwanken<br />
zwischen 10 bis 16 Milliarden Franken. Ecclestone ist in zweiter Ehe mit dem ehemaligen<br />
Armani-Model Slavica (43) verheiratet. Mit ihr und den gemeinsamen Töchtern<br />
Tamara (17) und Petra (13) lebt er in London. Seine Tochter Deborah (27) stammt aus<br />
seiner ersten Ehe.<br />
Was passiert, wenn Sie eines Tages zurücktreten?<br />
Niemand ist wirklich unersetzlich,<br />
auch ich nicht. Und da die F1 ein durch und<br />
durch gesundes Business ist, wird sie auch<br />
ohne mich weitergehen. Vielleicht in einer<br />
anderen Art, mit neuen Ideen. Wahrscheinlich<br />
wird sie deshalb sogar besser werden.<br />
Welche Fahrer haben Sie in den letzten Jahrzehnten<br />
am meisten bewundert? F1-Piloten<br />
sind ein spezielles Volk. Es gehören aussergewöhnliche<br />
Eigenschaften dazu, einen<br />
Rennwagen Runde für Runde konstant am<br />
Limit zu bewegen – und nur dann kann<br />
man gewinnen. Ich bewundere Leute mit<br />
Charakter. Piloten, die nicht nur mit<br />
ihrem fahrerischen Können aus der Masse<br />
herausragen – wie etwa Niki Lauda oder<br />
Nelson Piquet. Und natürlich Menschen wie<br />
Ayrton Senna oder Michael Schumacher.<br />
Aussenstehende verstehen Michael<br />
Schumacher nicht. Sie glauben, er sei<br />
kalt und berechnend. Aber er ist das<br />
Gegenteil. Scheu. Und sehr warmherzig.<br />
Gibt es jemanden, der Ihnen am Anfang<br />
geholfen hat? Eine Art Mentor? Einen<br />
Lehrmeister habe ich nicht gehabt. Aber<br />
viele Leute, die mir weitergeholfen<br />
haben. Persönlichkeiten wie Enzo Ferrari.<br />
Sie haben eine unglaubliche Karriere hinter<br />
sich. Was hat Sie angetrieben? Ich hatte<br />
nichts anderes zu tun. Es ist wie ein Hobby.<br />
Und ich hatte eine Menge Glück.<br />
In der Rennszene gelten Sie als harter<br />
Geschäftsmann – wie erlebt Sie Ihre Familie<br />
zu Hause? Ich bin seit 20 Jahren verheiratet<br />
– irgendetwas scheine ich da also richtig<br />
gemacht zu haben. Vielleicht gelingt es<br />
mir ja, die «Geschäftsseite» nicht mit nach<br />
Hause zu nehmen.<br />
Was bedeutet Geld für Sie? Geld bedeutet<br />
mir nichts; es ist nur eine Möglichkeit,<br />
den Erfolg zu messen. In erster Linie mache<br />
ich das Geld ja auch für die Teams. Je<br />
mehr Geld ich für die Teams mache, desto<br />
besser sind die Rennen – das ist es, was<br />
mich interessiert. Reich zu werden ist<br />
nie meine Triebfeder gewesen.<br />
Wie entspannen Sie sich? Ich bin entspannt!<br />
F1-Rennen entspannen mich.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne F1 vorstellen?<br />
Daran denke ich nicht. Meine Frau<br />
meint, dass sie mich wahrscheinlich tot<br />
von der Strecke tragen müssen. Oder im<br />
Tour-Bus begraben können. Mir gefällt,<br />
was ich tue – warum sollte ich aufhören?<br />
14 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
«Man wollte mir<br />
das Fliegen beibringen»<br />
Yolanda Tavoli, Ex-Rennfahrerin und Journalistin<br />
Am 3. Juni 1984 entlädt sich düsteres Gewölk über Monte Carlo.<br />
McLaren-Star Alain Prost liegt vorne, als das Rennen nach nur 31<br />
Runden abgebrochen wird. Und mit Ayrton Senna, knapp hinter ihm<br />
an zweiter Stelle, wird ein neuer Star geboren.<br />
Ausgerüstet mit Boxenkarte und Passepartout stehe ich knapp<br />
hinter den Leitplanken. Zum ersten Mal fühle und höre ich die<br />
1000-PS-Turboboliden in ihrem Kampf um Hundertstelsekunden.<br />
Sie sind unglaublich! Nur die gelben Ohrstöpsel verhindern ein<br />
Eintauchen in untolerierbare Phondimensionen. Schwer zu glauben,<br />
dass Menschen tatsächlich fähig sind, diese High-Tech- und High-<br />
Speed-Ungetüme zu kontrollieren!<br />
Genau diese Menschen sollte ich für die Tageszeitung «Blick» aus<br />
der Sicht einer Frau beschreiben, einer jungen, <strong>Formel</strong>-1-naiven<br />
Ringier-Journalistenschülerin, die vom abgebrühten F1-Spezialisten<br />
Roger Benoit den Löwen zum Frass vorgeworfen wird.<br />
Gefressen haben sie mich nicht! Aber wo sich mutige Männer<br />
exponieren, streichelt weibliche Bewunderung das nach aussen<br />
gekehrte Ego. Und so schreibe ich denn über Stefan Johanssons<br />
blaue Augen, Nelson Piquets südamerikanischen Charme und Elio<br />
de Angelis’ Vorliebe für leise Töne. Eingeladen aber werde ich überraschenderweise<br />
vom <strong>Formel</strong>-1-Piloten und Landsmann Marc Surer.<br />
Es war eine Begegnung mit Folgen.<br />
Ein Jahr drauf gelten wir in Monaco bereits als unzertrennlich, und<br />
ab 1986 gibts uns Surers nur noch im Doppelpack. Die <strong>Formel</strong> 1 wird<br />
für mich ein zweites Zuhause. Als Frau eines Piloten bin ich<br />
integriertes Teammitglied und als Journalistin privilegiert. Ich arbeite<br />
sogar für das <strong>Formel</strong>-1-Special von RTL – aber damals war ich eben<br />
«nur» die Freundin von Marc Surer und nicht eine eigenständige<br />
Rennpilotin.<br />
Die wenigen Frauen, die in den letzten Jahren im internationalen<br />
Rennzirkus mitwirkten, sind mittlerweile institutionalisiert – was rein<br />
gar nichts an den Hürden ändert, die man als Frau überwinden muss.<br />
Eine Sache, die sich beispielsweise durch meine ganze Karriere als<br />
Rennfahrerin gezogen hat: hämische Kommentare unterlegener<br />
Konkurrenten. So leicht fällt es den Herren der Schöpfung eben doch<br />
nicht, wenn man als Frau Lenkrad und Schaltstock mit der gleichen<br />
Selbstverständlichkeit bedienen möchte wie ein Mann. Für diese<br />
Erkenntnis habe ich Lehrgeld bezahlt. In meinem ersten <strong>Formel</strong>-Ford-<br />
Jahr 1989: An vierter Position in Hockenheim, in der letzten Runde<br />
eingangs Motodrom knallt mir ein Konkurrent in der engsten Kurve<br />
mit voller Absicht ins Heck. Später, im Fahrerlager, soll er gesagt<br />
haben: «Eine Frau – ich musste ihr einfach das Fliegen beibringen!»<br />
An dieser Einstellung hat sich bis heute nicht viel geändert: So<br />
erklärte die unumstrittene Rallye-Queen und Paris-Dakar-Siegerin<br />
von 2000 Jutta Kleinschmidt unlängst, dass sie dieses Jahr für die<br />
Wüstenrallye nur deswegen eine weibliche Beifahrerin gewählt habe,<br />
weil die Männer sonst ein eventuell erneut gutes Abschneiden<br />
wieder mit der Tatsache erklärt hätten, dass da eben ein männlicher<br />
Beifahrer beteiligt war.<br />
❙<br />
Foto: Eva-Maria Züllig<br />
Aber einmal Blut geleckt, konnte mich nichts mehr halten<br />
Monaco 1996. Vier Uhr früh. Noch ist es dunkel. Die letzten<br />
Paradiesvögel ziehen lärmend aus der Edeldisco «Jimmy’z». In der<br />
Zwischenzeit ist viel passiert. Seit einigen Jahren fahre ich selber<br />
Rennen. Und jetzt hänge ich schlaftrunken im Rennoverall über der<br />
Küstenmauer auf dem benachbarten Halbinselchen und warte auf<br />
das erste Training zum internationalen Renault-Spider-Cup. Die<br />
Qualifikationsrunden und -rennen bilden in diesem Jahr das<br />
Rahmenprogramm der <strong>Formel</strong> 1. Trotz Schaltproblemen erobere ich<br />
mir auf meiner Lieblingsstrecke einen respektablen 15. Platz – als<br />
einzige Frau im «Ratpack» von 25 jungen, wilden Männern. Eine<br />
Tatsache, an die ich mich gewöhnt habe. Denn auch wenn es<br />
zahlreiche Frauen im Kielwasser des F1-Zirkus gibt, war ich mit<br />
einer Ausnahme in allen Klassen immer die von ihren männlichen<br />
Kollegen etwas argwöhnisch beobachtete «Fahrer-Amazone». Von<br />
der <strong>Formel</strong> Ford über die <strong>Formel</strong> 3 bis zur italienischen Supertourenwagen-Meisterschaft<br />
1995.<br />
«EINE FRAU BEZAHLT<br />
IMMER NOCH<br />
EXTRA-LEHRGELD.»<br />
Yolanda Tavoli<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 15
280 LEUTE HABEN AM<br />
NEUEN C22 GEARBEITET.<br />
DER 10-ZYLINDER-<br />
3,0-LITER-MOTOR LEISTET<br />
RUND 800 PS.
FORMEL 1<br />
Die Bolidenbauer von Hinwil<br />
Im Januar jagte der C22 erstmals über eine Rennstrecke. Im März, wenn die <strong>Formel</strong>-1-Saison<br />
beginnt, folgt die eigentliche Feuerprobe für das jüngste Pferd aus dem Rennstall Sauber<br />
Petronas. Vom neuen Sauber-Boliden sollen die direkten Konkurrenten vor allem eines sehen:<br />
den Heckflügel. Andreas Thomann, Redaktion emagazine<br />
Foto: Oliver Lang<br />
Die Kulisse würde jedem Skiteam gut<br />
anstehen. Doch die 30 Männer von Sauber<br />
Petronas sehen irgendwie deplatziert aus auf<br />
der verschneiten Rennstrecke des norditalienischen<br />
Städtchens Fiorano. Fröstelnd<br />
posieren sie in ihren grün-blauen Overalls vor<br />
einem grün-blauen Rennwagen, auf dem<br />
noch keines der üblichen Sponsorenlogos<br />
prangt, weshalb das Gefährt fast nackt wirkt<br />
in der eisigen Kälte. Der C22 hat eben die<br />
Entwicklungsabteilung verlassen und hätte<br />
heute seine ersten Runden drehen sollen.<br />
Doch der über 800 PS starke Motor bleibt<br />
stumm. Der Wagen wird nur kurz fürs Gruppenbild<br />
hinausgeschoben, um alsbald wieder<br />
in der Garage zu verschwinden.<br />
«Der C22 läuft wie ein Uhrwerk»<br />
Erst vier Tage später, am 13. Januar, ist<br />
es so weit: Nachdem das Team kurzerhand<br />
Material und Rennwagen nach Barcelona<br />
verfrachtet hat, kann Sauber-Pilot Nick<br />
Heidfeld endlich erstmals ausprobieren, was<br />
im neuen C22 drinsteckt. Das Stimmungsbarometer<br />
steigt von Runde zu Runde. Als<br />
der Deutsche nach 61 Runden wieder an die<br />
Box zurückkehrt, knallt sogar im heimischen<br />
Hinwil der eine oder andere Champagnerkorken.<br />
«Wenn ein neues Rennauto auf<br />
Anhieb 290 Kilometer pannenfrei übersteht,<br />
kann man es wohl als zuverlässig bezeichnen»,<br />
sagt Jürg Flach, der bei der Entwicklung<br />
des C22 die Fäden zog. Die Fahrer<br />
stimmen ins Loblied ein: «Der C22 läuft wie<br />
ein Uhrwerk», lässt sich Nick Heidfeld vernehmen.<br />
«Das Auto fährt stabiler und lässt<br />
sich besser durch die Rennstrecke manövrieren»,<br />
doppelt sein neuer Teamkollege<br />
Heinz-Harald Frentzen nach, nachdem auch<br />
er am dritten Testtag erstmals den C22<br />
besteigen durfte.<br />
Doch so richtig will der Champagner in Barcelona<br />
und Hinwil nicht überschäumen.<br />
Schuld ist der Speed. «Die Rundenzeiten<br />
waren noch nicht ganz so schnell, wie wir das<br />
aufgrund der Windkanaltests erwartet hatten»,<br />
räumt Jürg Flach ein. Der C22 fährt auf<br />
Anhieb zwar schneller als der C21, allerdings<br />
bleibt die Differenz unter einer Sekunde<br />
pro Runde. «Wenn alles gut läuft, sollte ein<br />
Auto jedoch von Saison zu Saison um eine<br />
bis anderthalb Sekunden zulegen», so Jürg<br />
Flach. Auf dieses Ziel haben bei Sauber<br />
alle 280 Mitarbeiter neun Monate lang hingearbeitet.<br />
Wegen dieser anderthalb Sekunden<br />
hat man ein komplett neues Auto gebaut.<br />
Der gelernte Maschineningenieur,<br />
der bereits den vierten Sauber-Boliden mitentwickelt,<br />
weiss: Falls die Vorgabe nicht erreicht<br />
wird, ziehen die direkten Konkurrenten<br />
an Sauber vorbei.<br />
Motor, Reifen und Aerodynamik: Diese drei<br />
Variablen bestimmen nebst dem Können der<br />
Piloten darüber, wie schnell ein Rennwagen<br />
über eine Rennstrecke rasen kann. Bei<br />
Sauber sind die ersten beiden Variablen<br />
mehr oder weniger vorgegeben: Die Reifen<br />
stammen von der Firma Bridgestone. Und<br />
der neue Sauber-Motor baut auf dem letztjährigen<br />
Ferrari-Modell auf, wobei der Entwicklungsstand<br />
beim Grand Prix von Monza<br />
als Basis dient (September 2002). Das Drei-<br />
Liter-Aggregat aus gehärtetem Aluminium<br />
ist mit zehn Zylindern ausgestattet, schafft<br />
über 18 000 Umdrehungen pro Minute und<br />
liess Michael Schumacher letzte Saison der<br />
Konkurrenz davonfahren.<br />
Bei 170 km/h fährt das Auto an der Decke<br />
Bleibt die dritte Variable, die Aerodynamik.<br />
In deren Optimierung fliesst logischerweise<br />
praktisch die gesamte Energie im Sauber-<br />
Fast alles am C22 ist neu<br />
«Beim C22 haben wir neue Wege beschritten»,<br />
sagt Projektleiter Jürg Flach. Entstanden ist<br />
ein kompromissloses Rennauto. Der C22 hat<br />
eine verbesserte Aerodynamik und lässt sich<br />
auch besser manövrieren.<br />
Cockpit | Bei Sauber gibt es zwei verschiedene<br />
Ausführungen, denn der neue Sauber-<br />
Pilot Heinz-Harald Frentzen ist zehn Zentimeter<br />
grösser als sein Teamkollege Nick Heidfeld.<br />
Die Pedale sind bei Frentzen weiter vorne,<br />
der Beinschutz ist länger.<br />
Überrollbügel | Der Überrollbügel bildet den<br />
Einlass ins Airhorn, das den Ansaugtrakt des<br />
Motors darstellt. Bei einem Crash hält das<br />
filigrane Karbonteil die Wucht von zwölf Tonnen<br />
aus. Dank einer neuen Taillierung ist es<br />
beim C22 noch aerodynamischer geworden.<br />
Aufhängung | Sie hat einen grossen Einfluss<br />
darauf, wie das Auto auf der Strecke liegt.<br />
Beim C22 wurde sie nochmals etwas leichter,<br />
gleichzeitig aber auch steifer.<br />
Heckflügel | Er sorgt für über einen Drittel<br />
des totalen Abtriebs des Boliden. Der Heckflügel<br />
besteht aus vier Elementen, wobei das<br />
unterste Element nochmals komplett überarbeitet<br />
wurde, um mehr Abtrieb bei weniger<br />
Luftwiderstand zu erreichen.<br />
Frontflügel | Sie erzeugen über 25 Prozent<br />
des Abtriebs. Beim C22 ist vorläufig noch<br />
das letztjährige Modell montiert. Eine Neuerung<br />
soll schon bald folgen.<br />
Seitenkästen | Die langen Tage im Windkanal<br />
haben auch hier zu einer neuen Form<br />
geführt: Die Seitenkästen beim C22 liegen<br />
tiefer und stehen auch in einem veränderten<br />
Winkel zum Chassis.<br />
Chassis | Das Chassis bildet das Kernstück<br />
des <strong>Formel</strong>-1-Autos. Die Entwicklungszeit<br />
von 2,5 Monaten diktiert gleichzeitig den Ablauf<br />
der Fahrzeugentwicklung. Beim C22 ist<br />
das Chassis deutlich steifer geworden.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 17
Werk. Das erklärt auch, warum vieles bei<br />
Sauber eher an eine Flugzeugfabrik als an<br />
eine Autowerkstatt erinnert, denn <strong>Formel</strong>-1-<br />
Boliden funktionieren wie umgekehrte Flugzeuge:<br />
Was beim Flugzeug der Auftrieb, ist<br />
beim Rennwagen der Abtrieb (Downforce).<br />
Das Auto soll schliesslich auch bei hohem<br />
Tempo und in engen Kurven nicht von der<br />
Rennstrecke abheben, sondern gut auf dem<br />
Asphalt haften. Bereits bei 170 km/h übersteigt<br />
die Downforce das Gewicht des Autos<br />
(ca. 600 kg), womit der Bolide praktisch an<br />
der Decke fahren könnte.<br />
Bodenhaftung ist jedoch nicht alles. Der<br />
Wagen soll dem Wind auch möglichst wenig<br />
Angriffsfläche bieten. Diesem Problem<br />
begegnen die Herren der Lüfte mit immer<br />
gewagteren Formen. Bei Sauber hat man<br />
auf die kommende Saison hin den Innovationskräften<br />
besonders freien Lauf gelassen.<br />
«Beim C22 haben wir noch konsequenter als<br />
bisher neue Wege beschritten», sagt Jürg<br />
Flach. Ins Auge sticht die neu proportionierte<br />
Front- und Heckpartie, was dem Wagen<br />
ein aggressiveres Aussehen verleiht. Das<br />
Auto ist auch kompakter geworden: «Wir<br />
haben mehr Masse auf den Schwerpunkt<br />
konzentriert, wodurch sich das Auto agiler<br />
fahren lässt.» Daneben gibt es für die Kenner<br />
Eine virtuelle Tour durchs Sauber-Werk sowie<br />
mehr Fakten und Bilder über den Windkanal<br />
finden Sie unter www.credit-suisse.com/f1<br />
viele Details zu bestaunen, an denen die<br />
Hinwiler Tüftler monatelang gefeilt haben:<br />
ein neu geformter Heckflügel etwa, eine kleinere,<br />
tiefer geschnittene Motorabdeckung,<br />
eine leichtere Aufhängung, ein steiferes<br />
Chassis oder ein taillierter Überrollbügel.<br />
Die Spielwiese der Aerodynamiker hat<br />
sich noch vergrössert, seit das Benetton-<br />
Team (heute Renault) vor zehn Jahren<br />
erstmals aerodynamische Simulationen am<br />
Computer durchführte. Mittlerweile gibt es<br />
in jedem Team eine Abteilung für Computational<br />
Fluid Dynamics, kurz CFD. Dank enormen<br />
Rechnerleistungen können die Spezialisten<br />
hier viele Varianten in der virtuellen<br />
Welt testen, bevor man das neue Teil im<br />
Windkanal ausprobiert. Das spart Zeit und<br />
Kosten, denn viele Ideen können zum Vornherein<br />
verworfen, viel versprechende Varianten<br />
dagegen weiterverfolgt werden. Der<br />
Computer ersetzt das Testen in der realen<br />
Welt jedoch nur teilweise, sonst würde<br />
Sauber wohl kaum für 70 Millionen Franken<br />
einen hochmodernen Windkanal aus dem<br />
Boden stampfen (siehe Box). «Der Computer<br />
liefert uns ein ausgezeichnetes Verständnis<br />
für die aerodynamischen Kräfte», so Dirk de<br />
Beer, Projektleiter Aerodynamik beim neuen<br />
Windkanal. «Allerdings sind die Rechnerleistungen<br />
immer noch zu klein, um sämtliche<br />
Kräfte zu messen, die auf den Wagen<br />
wirken.»<br />
Karbon – Edelmaterial aus dem Backofen<br />
Haben die CFD-Leute einmal die Spreu vom<br />
Weizen getrennt, bauen die Konstrukteure<br />
die neuen Teile im Massstab 1:2 nach.<br />
Bewährt sich die neue Form auch im Windkanal,<br />
geht das Teil schliesslich in die Produktion.<br />
Um die aerodynamischen Geheimnisse<br />
nicht preiszugeben, stellt Sauber die<br />
meisten Teile selbst her. In Sachen Material<br />
ist Karbon seit langem die erste Wahl in der<br />
<strong>Formel</strong> 1: Bei praktisch allen Teilen des<br />
Boliden – mit Ausnahme des Motors und des<br />
Getriebes – wird Kohlefaser verwendet,<br />
denn das Material ist gleichzeitig sehr leicht<br />
und extrem resistent. Wer in den letzten<br />
Jahren gesehen hat, wie ein Fahrer nach<br />
einem spektakulären Crash oft unversehrt<br />
aus dem Cockpit gestiegen ist, erahnt, was<br />
die Karbonteile heutzutage aushalten. Leider<br />
ist Karbon auch unglaublich teuer – ein<br />
Grund, weshalb es für industriell gefertigte<br />
Autos nicht in Frage kommt. Bei der Herstellung<br />
werden mehrere Karbonlagen mit Kunstharz<br />
übereinander geklebt und in speziellen<br />
Öfen, so genannten Autoklaven, «gebacken».<br />
Fünf Jahre dauert es durchschnittlich,<br />
bis ein gewöhnlicher PKW zur Serienreife<br />
gelangt. Die <strong>Formel</strong>-1-Teams brauchen<br />
gerade mal acht Monate, bis ihr Baby zum<br />
ersten Mal auf die Rennstrecke darf. Doch<br />
der vermeintliche Endpunkt einer Entwicklung<br />
ist eigentlich bloss ein neuer Anfang.<br />
«Zufrieden sind wir nie», bringt Jürg Flach<br />
die <strong>Formel</strong>-1-Philosophie auf den Punkt.<br />
Seine Agenda bis zum ersten Grand Prix der<br />
Saison ist genauso voll wie in den Monaten<br />
davor. Alle Teams unterziehen ihre Wagen<br />
in dieser Zeit intensiven Tests auf der Rennstrecke.<br />
Bis zu 200 an den Rennwagen<br />
angebrachte Sensoren füttern die Computer<br />
in der Box per Funk mit ungefähr vier Megabyte<br />
Datenmaterial pro Runde. Praktisch<br />
alles wird ausgewertet, vom Öldruck bis<br />
zum Kurvenverhalten. Und natürlich geben<br />
auch die Feedbacks der Fahrer interessante<br />
Rückschlüsse, wie man den Wagen noch<br />
optimieren könnte. Die gesammelten Daten<br />
werden anschliessend ins Werk von Hinwil<br />
übermittelt, wo man sich unverzüglich an<br />
die Feinabstimmung macht. Ein Perpetuum<br />
mobile der Entwicklung.<br />
Je näher die Saison rückt, umso stärker<br />
steigt die Spannung im ganzen Team. Weil<br />
meist mehrere Teams gleichzeitig auf einem<br />
bestimmten Circuit testen, kommt bereits<br />
Wochen vor Saisonbeginn eine Art Wettkampfstimmung<br />
auf. Allerdings spielen die<br />
Teams noch mit verdeckten Karten, indem<br />
sie ihre Tankfüllungen nicht offen legen. «Die<br />
Rundenzeiten sind damit nie völlig vergleichbar»,<br />
so Jürg Flach. Spätestens am 7. März<br />
ist definitiv Schluss mit dieser Geheimniskrämerei.<br />
Dann nämlich wird in Melbourne<br />
zum ersten Qualifying für den Grand Prix von<br />
Australien gestartet.<br />
❙<br />
Wenn Sturmwinde durch die Röhre blasen<br />
Gleich neben dem Sauber-Werk in Hinwil ziehen Baukräne seit dem 20. Oktober 20<strong>01</strong> ein<br />
scheinbar gewöhnliches Bürogebäude in die Höhe. Das Innenleben hat es jedoch in sich:<br />
Acht Meter über dem Boden entsteht der weltweit modernste Windkanal im Automobilbau.<br />
Das 9,4 Meter dicke Rohr ist bereits eingesetzt, im eigentlichen Prüfstand klafft<br />
derzeit noch ein Loch. Auf einem Stahlrollband, das mit bis zu 300 Stundenkilometern<br />
rotieren wird, kann dort künftig ein originalgrosser <strong>Formel</strong>-1-Bolide auf seine Aerodynamik<br />
getestet werden. «Kein anderes <strong>Formel</strong>-1-Team kann ein Fahrzeug – gestützt auf seinen<br />
eigenen Rädern – bei diesem Tempo testen», sagt Dirk de Beer, Projektleiter Aerodynamik<br />
des Windkanals. Bis jetzt musste Sauber mit einem im Massstab 1:2 gefertigten<br />
Modell seine Tests im Windkanal des Flugzeugwerks Emmen durchführen. «In Hinwil werden<br />
wir doppelt so lang testen können, und zwar wann immer wir wollen», so Dirk de Beer.<br />
Im Windkanalgebäude entstehen auch ein Automobilmuseum und eine Event-Plattform.<br />
Dort können dereinst die Partner von Sauber Petronas und ihre Gäste den Windmachern<br />
bei der Arbeit zusehen.<br />
Fotos: Sauber Petronas<br />
18 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
DER MODERNSTE WINDKANAL<br />
DES AUTOMOBILBAUS KOSTET<br />
70 MILLIONEN FRANKEN.<br />
Das meiste am Auto besteht aus Karbon:<br />
Das Material ist leicht und sehr resistent.<br />
20–40 Millisekunden dauert ein Gangwechsel<br />
im computergesteuerten Getriebe.<br />
Ausser Motor und Reifen wird praktisch jedes<br />
Teil von Sauber selbst hergestellt.
FORMEL 1<br />
DIE HERSTELLER<br />
BRINGEN<br />
3000 BIS 4000<br />
REIFEN AN DIE<br />
RENNSTRECKE.<br />
RUND 700 DAVON<br />
WERDEN<br />
VERBRAUCHT.<br />
WÄHREND DES<br />
RENNENS WERDEN<br />
DIE REIFEN<br />
100 GRAD HEISS.
Die wichtigsten Infos auf einen Blick<br />
Teams und Fahrer<br />
Team Ferrari BMW Williams McLaren Mercedes Renault Sauber Petronas<br />
Gegründet 1929 1968 1963 1977 1970<br />
F1-Debüt 1950 1975 1966 1977 1993<br />
Siege 159 108 135 15 0<br />
Fahrer 1 Michael Schumacher 3 Juan Pablo Montoya 5 David Coulthard 7 Jarno Trulli 9 Nick Heidfeld<br />
2 Rubens Barrichello 4 Ralf Schumacher 6 Kimi Räikkönen 8 Fernando Alonso 10 Heinz-Harald Frentzen<br />
Hauptsponsor Marlboro HP West Mild Seven Petronas<br />
Team Jordan Jaguar BAR Honda Minardi Toyota<br />
Gegründet 1981 1997 1998 1980 1999<br />
F1-Debüt 1991 2000 1999 1985 2002<br />
Siege 3 0 0 0 0<br />
Fahrer 11 Giancarlo Fisichella 14 Marc Webber 16 Jacques Villeneuve 18 Jos Verstappen 20 Olivier Panis<br />
12 Ralph Firmin 15 Antonio Pizzonia 17 Jenson Button 19 Justin Wilson 21 Cristiano da Matta<br />
Hauptsponsor Benson & Hedges HSBC Lucky Strike Gazprom Panasonic<br />
Die wichtigsten Änderungen im F1-Reglement<br />
p Die Datenübertragung von der Box zum Fahrzeug wird ab Saisonstart verboten.<br />
p Die Datenübertragung vom Auto zur Box wird ab 2004 durch ein Standardsystem ersetzt.<br />
p Eine Sprechverbindung zwischen Fahrer und Boxencrew darf eingesetzt werden, wenn das System eine zeitgleiche<br />
Datenübertragung unmöglich macht und die Kommunikation von der FIA und den TV-Stationen mitgehört werden kann.<br />
p Ein drittes Auto darf nur dann genutzt werden, wenn ein Rennfahrzeug nicht reparierbar ist. Ist ein Fahrzeug kurz vor dem<br />
Start nicht einsatzfähig, startet es aus der Boxengasse. Gleiches gilt für einen Rennabbruch in den ersten zwei Runden.<br />
p Die Autos werden zwischen dem Qualifying und dem Rennen unter den Bedingungen des Parc Fermé abgestellt.<br />
Dies kann auch in den Garagen der jeweiligen Teams geschehen, dann jedoch nur unter Aufsicht. Jegliche Arbeiten,<br />
ausser Routinewartungen, benötigen eine Erlaubnis.<br />
p Traktionskontrolle und Startautomatik werden ab dem britischen GP in Silverstone verboten. Für die Startautomatik gilt<br />
die Regelung, dass die Teams bis dahin eine Möglichkeit finden sollten, die Kupplungen wieder manuell zu bedienen.<br />
p Das Qualifying findet in zwei Teilen statt: Freitag und Samstag. Jeder Wagen hat jeweils eine fliegende Runde, jeder ist<br />
allein auf der Strecke. Für die Startaufstellung gelten nur die Zeiten vom Samstag.<br />
p Wer sich verpflichtet, von März bis November nicht mehr als zehn Tage zu testen, bekommt am Freitag vor dem Rennen<br />
zwei Stunden zusätzliche Testzeit. Von dieser Möglichkeit machen die Teams von Renault, Jordan und Minardi Gebrauch.<br />
p Die WM-Punkte werden bis zum achten Platz vergeben: 10-8-6-5-4-3-2-1.<br />
p Eine Stallorder ist verboten.<br />
Offizielle und inoffizielle F1-Homepages<br />
3 www.fia.com 3 www.formula1.com 3 www.f1-live.com<br />
3 www.f1-plus.com 3 www.grandprix.com<br />
3 www.f1total.com 3 www.autosport.com<br />
<strong>Formel</strong>-1-Weekend zu gewinnen<br />
Das Bulletin verlost als Hauptpreis eines Wettbewerbes ein <strong>Formel</strong>-1-Weekend. Einfach die drei Fragen auf dem<br />
beiliegenden Talon beantworten und den ausgefüllten Wettbewerbstalon bis zum 31. März 20<strong>03</strong> einsenden.<br />
1. PREIS<br />
2. PREIS<br />
3. PREIS<br />
Besuch des GP von Europa auf dem Nürburgring für zwei Personen<br />
inklusive Transfers und Hotelübernachtungen, exklusive Anreise.<br />
Datum: Freitag bis Sonntag, 27. Juni bis 29. Juni 20<strong>03</strong><br />
Besuch eines Sauber-Petronas-Testtages für zwei Personen in<br />
Europa inklusive Anreise. Datum: 19. Juni 20<strong>03</strong><br />
1 VIP-Package mit Rucksack, T-Shirt, Fahrercap und vielem mehr.<br />
Agenda<br />
9. März<br />
AUSTRALIEN, MELBOURNE<br />
23. März<br />
MALAYSIA, KUALA LUMPUR<br />
6. April<br />
BRASILIEN, INTERLAGOS<br />
20. April<br />
SAN MARINO, IMOLA<br />
4. Mai<br />
SPANIEN, BARCELONA<br />
18. Mai<br />
ÖSTERREICH, SPIELBERG<br />
1. Juni<br />
MONACO, MONTE CARLO<br />
15. Juni<br />
KANADA, MONTREAL<br />
29. Juni<br />
EUROPA, NÜRBURGRING<br />
6. Juli<br />
FRANKREICH, MAGNY-COURS<br />
20. Juli<br />
GROSSBRITANNIEN, SILVERSTONE<br />
3. August<br />
DEUTSCHLAND, HOCKENHEIMRING<br />
24. August<br />
UNGARN, BUDAPEST<br />
14. September<br />
ITALIEN, MONZA<br />
28. September<br />
USA, INDIANAPOLIS<br />
12. Oktober<br />
JAPAN, SUZUKA<br />
Bulletin Spezial<br />
Zum Thema <strong>Formel</strong> 1 können<br />
Sie mit dem beiliegenden<br />
Talon eine Bulletin-Sondernummer<br />
mit ausführlichem<br />
Serviceteil bestellen.<br />
22 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
«Das Team Sauber bringt alles,<br />
um ganz vorne mitzufahren»<br />
Marketingchef Jan Nyholm erklärt, warum die <strong>Formel</strong> 1 und insbesondere das Team Sauber zum Bild der<br />
Credit Suisse passt und wohin die Partnerschaft in Zukunft steuert. Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
Daniel Huber Was bedeutet Ihnen<br />
Geschwindigkeit?<br />
Jan Nyholm Ich mag Geschwindigkeit,<br />
sei es bei Autos oder aber im Geschäft.<br />
Und mit welchem Auto können Sie<br />
dieser Vorliebe frönen? Mit einem ganz<br />
normalen. Aber auch damit kann ich<br />
schnell fahren.<br />
Haben Sie noch nie Probleme mit der Polizei<br />
bekommen? Nein, in Sachen Geschwindigkeitsüberschreitung<br />
habe ich keine Probleme.<br />
Eher, wenn es ums Parkieren geht.<br />
Und wie äussert sich die Liebe zur<br />
Geschwindigkeit bei der Arbeit in der Bank?<br />
In zweierlei Hinsicht. So ist für mich ein<br />
guter Service fast zwingend immer auch ein<br />
schneller Service. Der Bankkunde will<br />
schnell seine Probleme gelöst und Wünsche<br />
erfüllt haben. Zum anderen braucht es in<br />
der heutigen Zeit auch häufig schnelle Entscheide.<br />
Natürlich müssen sie auch richtig<br />
sein, aber zu lange alles bis ins letzte<br />
Detail zu analysieren, bringt meistens nichts.<br />
Wofür steht für Sie die <strong>Formel</strong> 1? Die<br />
<strong>Formel</strong> 1 ist eine extrem innovative und<br />
perfektionistische Sportart. Um bei diesem<br />
Kampf um Tausendstelsekunden mithalten<br />
zu können, müssen Tausende von zum Teil<br />
handgemachten Teilen perfekt aufeinander<br />
abgestimmt werden. Das ist Hightech pur.<br />
Und wofür steht innerhalb der <strong>Formel</strong> 1<br />
das Team Sauber? Ausschlaggebend für<br />
den Einstieg in die <strong>Formel</strong> 1 war für uns die<br />
Partnerschaft mit Sauber. Über die <strong>Formel</strong> 1<br />
kann man unterschiedlicher Meinung sein.<br />
Dagegen gilt Sauber unbestritten als ein<br />
äusserst zuverlässiges, professionelles, innovatives<br />
und dynamisches Team, das sehr<br />
effizient und zielgerichtet arbeitet – also<br />
durchwegs positive Attribute, mit der die<br />
Credit Suisse gerne in Verbindung gebracht<br />
«GUTER SERVICE<br />
IST SCHNELLER<br />
SERVICE.»<br />
Jan Nyholm, Leiter Marketing, Credit Suisse<br />
werden möchte und meiner Meinung<br />
nach auch darf.<br />
Bei allem Wohlwollen gegenüber dem<br />
Schweizer Team, ganz zuoberst auf dem<br />
Podest wird man die Sauber-Fahrer wohl<br />
kaum je antreffen. Stört Sie das nicht?<br />
Das stimmt für mich so nicht. Wenn Sie<br />
heute alle <strong>Formel</strong>-1-Teams anschauen und<br />
sich fragen, welche Voraussetzungen<br />
erfüllt sein müssen, um ganz vorne mitzufahren,<br />
dann gehört für mich Sauber – vielleicht<br />
abgesehen vom Budget – sicher<br />
dazu. Das Team kann auf eine unheimliche<br />
Erfahrung zurückgreifen und es nutzt<br />
seine im Vergleich zu anderen Teams eher<br />
bescheidenen Ressourcen absolut optimal.<br />
Die Credit Suisse ist nun schon zwei Jahre<br />
dabei. Was hat das Engagement der Bank<br />
gebracht? Es hat uns in verschiedener<br />
Hinsicht viel gebracht. In der Schweiz sind<br />
wir sozusagen der offizielle Sponsor der<br />
Schweizer Nationalmannschaft im Motorsport.<br />
Das hat unser Image positiv beeinflusst.<br />
Das belegen auch unzählige<br />
Feedbacks von Kunden. Die <strong>Formel</strong> 1<br />
hat zudem den Vorteil, dass sich die Rennen<br />
praktisch übers ganze Jahr hinziehen<br />
und rund um die Erde stattfinden. Um<br />
den Namen Credit Suisse international<br />
bekannt zu machen, ist das ein entscheidender<br />
Vorteil. Ganz wichtig ist im Übrigen<br />
auch die Möglichkeit, Kunden ein sehr<br />
exklusives Erlebnis zu bieten. Unter dem<br />
Strich ist für uns die Rechnung ganz<br />
klar aufgegangen.<br />
Die Credit Suisse hat als Hauptsponsor<br />
der Kandidatur massgeblich dazu beigetragen,<br />
die Fussball-EM 2008 in die Schweiz<br />
zu holen. Sie wird es sich wohl kaum<br />
nehmen lassen, auch beim Anlass selbst<br />
als Sponsor präsent zu sein. Hätte das<br />
negative Folgen für das Engagement bei<br />
Sauber? Ich sehe da eigentlich keine<br />
Probleme. Grundsätzlich ist es noch weit<br />
bis 2008, und solange uns die <strong>Formel</strong> 1<br />
marketingmässig einen Nutzen bringt, werden<br />
wir dabei bleiben – und zurzeit bringt<br />
sie uns eine Menge. Wenn uns die EM<br />
2008 zusätzlich etwas bringen kann, dann<br />
machen wir das ebenfalls.<br />
Lange war der Motorsport in der Schweiz<br />
verpönt und auch die Credit Suisse lehnte<br />
es ab, in diesem Bereich Sponsoring zu<br />
betreiben. Woher kam der Sinneswandel?<br />
Persönlich denke ich, dass die ökologischen<br />
Bedenken gegenüber dem Motorsport<br />
an Relevanz verloren haben. Zum einen sind<br />
klare Verbesserungen gemacht worden,<br />
zum anderen ist jeder Grossanlass mit<br />
Tausenden von anreisenden Zuschauern<br />
eine Belastung. Heute gibt es bei jeder<br />
Sportart gewisse negative Aspekte. Es gilt<br />
also stets abzuschätzen, ob sie in einem<br />
vertretbaren Rahmen bleiben. Und bei<br />
Sauber sahen wir diesbezüglich keinerlei<br />
Probleme.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 23
24 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
1600 LITER<br />
BENZIN<br />
VERBRAUCHT EIN<br />
TEAM AN EINEM<br />
RENNWEEKEND.<br />
DAZU RUND<br />
160 LITER<br />
MOTORENÖL.<br />
UND ETWA<br />
60 LITER<br />
GETRIEBEÖL.
Millionen für die Regionen<br />
Der wirtschaftliche Nutzen der Grands Prix ist für die Regionen, in denen die Rennen<br />
ausgetragen werden, beachtlich. Die möglichen Folgen des Verbotes der Tabakwerbung<br />
allerdings auch. Denn neue Sponsoren sind im Moment nicht in Sicht. Jürgen Freund, DF Momentum<br />
Der belgische Grand Prix 20<strong>03</strong> wurde<br />
kurz vor Ende des vergangenen Jahres<br />
von der <strong>Formel</strong> 1 ersatzlos gestrichen. Die<br />
belgische Regierung hatte sich mit den weltweiten<br />
Ausrichtern und Rechteinhabern der<br />
<strong>Formel</strong> 1 – dem Automobilweltverband (FIA)<br />
und Bernie Ecclestones Formula One Administration<br />
(FOA) – nicht darüber einigen können,<br />
das für den 1. Juli 20<strong>03</strong> vorgesehene<br />
Tabakwerbeverbot in Belgien bis nach der<br />
Austragung des Grand Prix zu verschieben.<br />
Ohnehin bedeutet das Inkrafttreten des<br />
Werbeverbots ein Vorpreschen des belgischen<br />
Staates, hatte sich doch die Europäische<br />
Union vorher mit der <strong>Formel</strong> 1 darauf<br />
geeinigt, ab 2007 keine Tabakwerbung<br />
auf Fahrzeugen, Fahrerkleidung und im<br />
Umfeld der Grands Prix zuzulassen.<br />
Bei den elf europäischen <strong>Formel</strong> 1 Grands<br />
Prix entsteht insgesamt ein volkswirtschaftlicher<br />
Effekt von 500 Millionen Euro, also<br />
fliessen durchschnittlich 45,5 Millionen Euro<br />
in die jeweilige Region. Damit liegen die<br />
Ausgaben, die anlässlich eines <strong>Formel</strong> 1<br />
Grand Prix getätigt werden, mehr als doppelt<br />
so hoch wie zum Beispiel bei vergleichbaren<br />
IndyCar Events in den USA. Fast alle europäischen<br />
<strong>Formel</strong>-1-Rennen haben sich nämlich<br />
zu Grossevents mit einem Einzugsgebiet<br />
von mehreren hundert Kilometern entwickelt,<br />
während die amerikanischen Teamsportevents<br />
sich meist auf eine eher lokale Fangemeinde<br />
beschränken.<br />
Zu den in einer Studie von InContext,<br />
einem US-amerikanischen Institut für Geoökonomie,<br />
analysierten Geldflüssen zählen<br />
neben den Eintrittsgeldern die Aufwendungen<br />
der Besucher für Verpflegung, Benzin<br />
und Hotels. Hinzu kommen alle Ausgaben,<br />
die der Grand-Prix-Tross selbst tätigt, und<br />
die Beschäftigungseffekte für etwa 3000<br />
lokal angeworbene Helfer. Weiterhin entsteht<br />
Einkommen durch die Vermietung von<br />
Privatgrundstücken und Sportplätzen als<br />
temporäre Camping- und Parkplätze.<br />
Nicht alles, was die Grand-Prix-Besucher<br />
vor Ort ausgeben, stiftet jedoch Nutzen für<br />
die Region: Bei einigen europäischen Grands<br />
Prix entgehen die Eintrittsgelder den<br />
Streckenbetreibern. Stattdessen tritt die FOA<br />
selbst als Veranstalter auf und vergütet den<br />
Rennstreckenbesitzern pauschal die Nutzung<br />
der Anlage. Für alle Fälle gilt, dass die<br />
<strong>Formel</strong> 1 für ihre Auftritte eine so genannte<br />
«weisse Rennstrecke» beansprucht, das<br />
heisst alle permanenten Werbeflächen<br />
müssen abgedeckt und für die Sponsoren<br />
der <strong>Formel</strong> 1 freigemacht werden. Ebenfalls<br />
arbeiten viele der Souvenirhändler, die bei<br />
jedem Grand Prix im Eingangsbereich der<br />
Rennstrecken ihre Waren anbieten, auch<br />
überregional und lassen lokalen Anbietern<br />
0<br />
10<br />
20<br />
30<br />
oft keinen Platz. Schliesslich verhält es sich<br />
ähnlich mit dem «Paddock Club», dem VIP-<br />
Treffpunkt der <strong>Formel</strong>-1-Besucher, der bei<br />
jedem Rennen mit zugereistem Personal und<br />
standardisiertem Catering betrieben wird.<br />
Für die meisten der Sponsoren- und<br />
Teampartner der <strong>Formel</strong> 1 sind die Werbeeffekte<br />
über die TV-Übertragung viel wichtiger<br />
als das Publikum an der Rennstrecke.<br />
Deshalb ist ihnen gleichgültig, in welchem<br />
Land das Rennen ausgetragen wird. Für die<br />
lokale Hotellerie und Restaurantszene stehen<br />
die anreisenden Fans und Zuschauer jedoch<br />
im Vordergrund.<br />
Der Verlust des Grand Prix wiegt schwer<br />
Besonders für eine strukturschwache Region<br />
wie die Provinz Lüttich, in welcher der<br />
Austragungsort des belgischen Grand Prix<br />
liegt, bedeutet die Streichung des Events<br />
den Absturz in ein ökonomisches schwarzes<br />
Der Tabak wartet auf seine Nachfolger<br />
Insgesamt schütteten die Tabakmultis letztes Jahr rund 270 Millionen Euro an die<br />
verschiedenen Rennställe aus. Die Suche nach «tabakfremden» Sponsoren läuft auf<br />
Hochtouren. Quelle: EuroBusiness Magazine, 4/20<strong>01</strong> und 4/2002, Credit Suisse Formula 1 Office<br />
Sponsoringvolumen 20<strong>01</strong>/2002<br />
Lucky Strike (BAT):<br />
BAR Honda<br />
Marlboro (Philip Morris):<br />
Ferrari<br />
West (Reemtsma):<br />
McLaren Mercedes<br />
Mild Seven (Japan Tobacco):<br />
Renault<br />
Benson & Hedges (Gallaher):<br />
Jordan<br />
40<br />
50<br />
Sponsoringvolumen 20<strong>01</strong><br />
Sponsoringvolumen 2002<br />
60<br />
70<br />
80<br />
90<br />
100 in USD Mio.<br />
26 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
FORMEL 1<br />
Loch. In Belgien war der <strong>Formel</strong> 1Grand Prix<br />
die mit Abstand wichtigste internationale<br />
Veranstaltung:<br />
p Der Grand Prix produzierte regelmässig<br />
Umsatzeffekte von 31 Millionen Euro. Darin<br />
sind die Auswirkungen des dann von den<br />
Empfängern ausgegebenen Geldes noch gar<br />
nicht enthalten.<br />
p Jährlich kamen für die Rennwoche über<br />
200 000 Zuschauer, mehr als 80 Prozent<br />
aus den Nachbarländern Deutschland, den<br />
Niederlanden, England und Frankreich. Die<br />
nächstgrösseren Events in Belgien erreichen<br />
höchstens 100 000 Besucher.<br />
p Firmen, die mehr oder weniger direkt mit<br />
der Rennwoche zu tun hatten, beschäftigten<br />
rund 6000 Arbeiter und Angestellte.<br />
p Während des Rennwochenendes wurden<br />
3000 temporäre Arbeitsplätze geschaffen;<br />
die Rennstrecke selber beschäftigt über das<br />
Jahr nur 25 Vollzeitkräfte.<br />
p Die FOA rekrutiert die temporären Mitarbeiter<br />
meist in Zusammenarbeit mit lokalen<br />
Verwaltungen und Clubs. Bei diesen fällt<br />
dadurch oft genug Zusatzeinkommen an, um<br />
die nächste Betriebsfeier zu finanzieren.<br />
Der F1-Zirkus weicht nach Asien aus<br />
Die Empörung, die gegenwärtig über die<br />
Streichung «ihres» Rennens herrscht, ist nur<br />
zu verständlich. Warum, so fragen sich nicht<br />
nur die betroffenen Belgier, verhält sich der<br />
belgische Staat noch restriktiver als die<br />
als tabakfeindlich bekannten Brüsseler? Der<br />
zumindest für 20<strong>03</strong> von der <strong>Formel</strong>1angebotene<br />
Kompromiss, das Rennen vorzuziehen<br />
und es nochmals vor dem Inkrafttreten des<br />
Werbeverbots auszutragen, scheiterte an den<br />
Querelen zwischen den flämischen und wallonischen<br />
Volksvertretern. Nach monatelangen<br />
Diskussionen riss den Verantwortlichen von<br />
FOA und FIA der Geduldsfaden, verfügt man<br />
doch über eine stattliche Warteliste von aussereuropäischen<br />
Bewerbern für einen Grand<br />
Prix. Für 2004 erhielten die Vereinigten<br />
Arabischen Emirate eine Zusage, Shanghai<br />
ist ebenfalls bald an der Reihe.<br />
Grund für das Abdriften der <strong>Formel</strong> 1 auf<br />
Strecken ausserhalb Europas ist neben der<br />
wachsenden Popularität der Autorennen<br />
auch die in diesen Ländern grössere Liberalität<br />
gegenüber Werbung und Promotion<br />
der Zigarettenhersteller. Schliesslich stellten<br />
die Tabakkonzerne mit 266 Millionen Euro<br />
im Jahr 2002 die wichtigste Finanzierungssäule<br />
der <strong>Formel</strong> 1. In einer Vereinbarung<br />
zwischen dem Automobilweltverband und<br />
der Tabakindustrie war im Jahr zuvor der<br />
geordnete Rückzug der Zigarettenwerbeaufschriften<br />
geregelt worden. Dieser hätte<br />
den Teams erlaubt, sich über einen Zeitraum<br />
von vier Jahren andere Sponsoren zu suchen,<br />
und hätte den Marketingstrategen der Zigarettenindustrie<br />
Zeit zur Entwicklung anderer<br />
Kommunikationswege gegeben. Durch den<br />
belgischen Vorstoss fühlt sich nun die Europäische<br />
Kommission ermutigt, das Thema<br />
wieder aufzugreifen und gegen den Willen<br />
von FIA–Präsident Max Mosley ein früheres<br />
Verbot europaweit durchzusetzen.<br />
Die Belgier preschen vor – und verlieren etliche Millionen Euro<br />
Der Grand Prix in Spa Francorchamps war die wichtigste Veranstaltung des Landes. Der<br />
nächstgrössere Event in Belgien zieht nur halb so viele Zuschauer an. Für die Region Lüttich<br />
ist der Verlust des Grand Prix ein herber Schlag und stösst auf Unverständnis. Quelle: InContext<br />
Ausgaben der Rennbesucher (Basis GP von Belgien)<br />
Zuschauer insgesamt<br />
2<strong>03</strong> 000<br />
Ausgaben insgesamt<br />
(in Euro)<br />
31 095 912<br />
Parken 2%<br />
Tickets 43%<br />
19% Verpflegung<br />
11% Unterkunft<br />
20% Shopping<br />
5% Benzin<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 lebt schon seit Jahrzehnten mit<br />
den Besonderheiten der national unterschiedlichen<br />
Gesetzeslagen zur Zigarettenwerbung:<br />
So war lange auf dem deutschen Nürburgring<br />
beim «Grossen Preis von Europa»<br />
Zigarettenwerbung auf Fahrzeugen und<br />
Rennoveralls erlaubt, beim «Grossen Preis<br />
von Deutschland» im nur 200 Kilometer entfernten<br />
Hockenheim hingegen verboten. In<br />
Grossbritannien tragen Rennwagen bei vielen<br />
Veranstaltungen Zigarettenlogos, beim<br />
<strong>Formel</strong> 1 Grand Prix müssen sie auf Grund<br />
einer Konvention der Tabakkonzerne abgedeckt<br />
werden. Bei Fahrten durch Frankreich<br />
müssen die Werbeaufschriften der Zigarettensponsoren<br />
selbst auf den Renntransportern<br />
unkenntlich gemacht werden. Das jeweilige<br />
Umlackieren der F1-Boliden, der<br />
Teamfahrzeuge, der Helme und das Mitführen<br />
einer neutralen Teamkleidung verschlingt<br />
jährlich sechsstellige Eurobeträge,<br />
die die Kassen der Teams belasten.<br />
Die Umgehung der Restriktionen trieb<br />
auch eigenwillige Blüten. Aus «West» wurde<br />
«East», «Benson & Hedges» mutierte zu<br />
«Be on Edge» und «Lucky Strike» wandelte<br />
sich zu «Look Alike». Marlboro konnte es<br />
sich immerhin leisten, nur dezente rot-weisse<br />
Dreiecke zu zeigen, und erzeugte trotzdem<br />
korrekte Markenassoziation.<br />
Mögliche Sponsoren zieren sich<br />
In der gegenwärtig herrschenden angespannten<br />
wirtschaftlichen Lage erscheint<br />
das Finden von neuen Sponsoren, die<br />
dem Sponsoringbeitrag der Tabakindustrie<br />
entsprechende Summen bereitstellen, als<br />
schwierig. Obwohl hier mit vergleichsweise<br />
bescheidenem Aufwand weltweit mehr als<br />
300 Millionen Zuschauer erreicht werden<br />
und sich dadurch Markenimages in kürzester<br />
Zeit aufpolieren und modernisieren lassen,<br />
stehen potenzielle Sponsoren nicht etwa<br />
Schlange. Die Krise der New Economy und<br />
der Telekommunikationsbranche hat die<br />
bereits designierten Nachfolger der Zigarettenhersteller<br />
vorzeitig aus dem Rennen genommen.<br />
Jüngste Initiativen zur Dämpfung<br />
der Kostenexplosion in der <strong>Formel</strong>1kommen<br />
deshalb gerade recht. Ob die Vorschläge der<br />
FIA zum möglichst raschen Einsatz dieser<br />
Kostenbremse von den Teamchefs der<br />
<strong>Formel</strong> 1 angenommen werden, müssen die<br />
nächsten Wochen bis zum ersten Rennen in<br />
Australien zeigen.<br />
❙<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 27
FORMEL 1<br />
Wo die Reichen und Schönen<br />
auf Touren kommen<br />
Der Paddock Club gehört zu den exklusivsten Adressen der Welt. Er wird bei jedem <strong>Formel</strong> 1 Grand Prix<br />
von neuem aufgebaut. 2000 Tonnen Material und rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen dafür,<br />
dass bis zu 4000 VIP-Gäste das Rennen rundum geniessen können. Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
Angefangen hat alles mit einem kleinen<br />
Zirkuszelt und Spaghetti Bolognese. Die<br />
Teams der <strong>Formel</strong> 1 waren es leid, ihre Sponsoren<br />
und geladenen VIP-Gäste improvisiert<br />
aus Kühlboxen zu bewirten. Sie wünschten<br />
sich im Fahrerlager einen stilvolleren, zentralen<br />
Verköstigungsservice. Daraufhin rief<br />
<strong>Formel</strong>-1-Organisator Bernie Ecclestone<br />
1984 am Grand Prix in Dijon den Paddock<br />
Club ins Leben. Betrieben wird er von der<br />
Firma Allsport mit Sitz in Genf. Doch wo<br />
anfangs noch mit grosser Kelle die Fleischsauce<br />
über die Spaghetti für 200 hungrige<br />
Mäuler geschöpft wurde, serviert heute<br />
geschultes Personal erlesene Leckerbissen<br />
französischer Haute Cuisine. «Wir simulieren<br />
sozusagen auf der grünen Wiese ein Erlebnisrestaurant»,<br />
sagt Isabelle Kaufmann, die seit<br />
drei Jahren den Paddock Club leitet.<br />
Der englische Rasen kommt aus Bordeaux<br />
Für die 39-jährige Zürcherin ist nur das<br />
Beste gut genug. Angefangen beim Rasen,<br />
auf den das Zeltdorf jeweils gepflanzt wird.<br />
Entweder schafft es ein vor Ort angeheuertes<br />
Gärtnerteam, die bestehende Grünfläche<br />
innerhalb von zwei, drei Wochen auf Höchstform<br />
zu trimmen, oder ein neuer, von Bordeaux<br />
eingeflogener englischer Rasen wird<br />
ausgerollt.<br />
Drei Wochen vor dem Rennen beginnt<br />
ein eingespieltes Team von 30 Arbeitern<br />
mit dem Aufbau der Zeltstadt. Keine der<br />
Rennstrecken verfügt über ausreichend<br />
Räumlichkeiten und Infrastruktur, um den<br />
Ansprüchen des Paddock Club zu genügen.<br />
So wird das gesamte Material angekarrt:<br />
Zelte, Kücheneinheiten mit Kochherden,<br />
Kühl- und Gefrierschränken, Tische, Teppiche,<br />
Teller, Gläser, Besteck, Klimaanlagen,<br />
Dekoration, Blumen, Grossleinwand-TV und<br />
«WIR SIMULIEREN<br />
AUF DER GRÜNEN<br />
WIESE EIN ERLEBNIS-<br />
RESTAURANT.»<br />
Isabelle Kaufmann, Leiterin Paddock Club<br />
Unmengen von Lebensmitteln. Am glamourösen<br />
Heimrennen der englischen Teams in<br />
Silverstone fährt der Paddock Club jeweils<br />
mit einem Konvoi von 90 Trucks auf. Die<br />
Verköstigung der 3000 bis 4000 Gäste ist<br />
eine eigentliche Materialschlacht. Durchschnittlicher<br />
Verbrauch pro Grand Prix: 2300<br />
Hummer, 1,4 Tonnen Rindfleisch, 1,2 Tonnen<br />
Fisch, 400 Kilogramm Erdbeeren, 5500<br />
Magnumflaschen Champagner, 7700 Magnumflaschen<br />
Rotwein und 9270 Magnumflaschen<br />
Weisswein, um nur die wichtigsten<br />
Posten zu nennen.<br />
Gleichzeitig arbeiten bis zu 300 Servierleute<br />
Der organisatorische Aufwand ist enorm.<br />
Insgesamt beschäftigt Isabelle Kaufmann<br />
pro Veranstaltung inklusive Auf- und Abbau<br />
500 Mitarbeiter. Am Rennsonntag stehen bis<br />
zu 300 Servierleute sowie 80 Köche gleichzeitig<br />
im Einsatz. «Es sind durchwegs junge,<br />
aufgestellte und trendige Leute», sagt Isabelle<br />
Kaufmann. «Häufig sind es Studenten<br />
oder Hotelfachschüler, die uns oft durch die<br />
ganze Rennsaison begleiten. Sie werden alle<br />
vorgängig für diesen speziellen Cateringeinsatz<br />
geschult.» Als besonders wichtig<br />
erachtet Kaufmann den Einbezug von lokalem<br />
Personal, das in der Regel zehn Prozent<br />
ausmacht. Isabelle Kaufmann: «Die Gäste<br />
schätzen es, wenn sie in ihrer Muttersprache<br />
einen Schwatz halten können. Gerade in<br />
Japan oder Malaysia ist das allein schon<br />
wegen der Verständigung absolut zwingend.»<br />
Das eigentliche Catering läuft unter der<br />
Regie einer Wiener Firma, die mit 80 Köchen<br />
an die verschiedenen Grand Prix anreist.<br />
Obwohl die Arbeit für die Gourmet-Spezialisten<br />
extrem aufreibend sei, schätzten sie<br />
die Abwechslung und das Globetrotterleben,<br />
erzählt Isabelle Kaufmann. Etwas sei für<br />
den Job aber unabdingbar: «Unsere Angestellten<br />
dürfen nicht <strong>Formel</strong>-1-Fans sein.<br />
Sonst würden sie ständig das Rennen verfolgen<br />
wollen, statt zu arbeiten. Vor allem die<br />
Küchenzelte stehen häufig direkt neben der<br />
Strecke.»<br />
Entspannung und Unterhaltung inbegriffen<br />
Im Zeltdorf des Paddock Club wird den<br />
Gästen aber mehr als nur das hektische<br />
Renngeschehen geboten. So stehen unter<br />
anderem ein Masseur, eine Kosmetikerin und<br />
ein Coiffeur zu Diensten. Daneben sorgen<br />
ein Karikaturist sowie ein Kartentrickkünstler<br />
für Unterhaltung. Zudem bereiten Patissiers<br />
live kleine Kostproben ihres Könnens<br />
zu. Und selbst der freundliche Schuhputzer<br />
fehlt nicht. Zusätzlich zum Zeltdorf gibts für<br />
Fotos: © Allsport Management SA<br />
28 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
30000 TELLER,<br />
40000 GLÄSER<br />
UND 6 TONNEN<br />
BESTECK WARTEN<br />
AUF 4000 GÄSTE.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 29
die Gäste entweder direkt über der Boxenstrasse,<br />
wenn immer möglich auf dem Dach<br />
des Garagengebäudes, oder sonst an guter<br />
Lage Zuschauertribünenplätze. Im Vorfeld<br />
des Rennens können die Paddock-Club-<br />
Gäste zudem in geführten Gruppen die<br />
Boxenstrasse hautnah erleben.<br />
Die Teams geniessen erste Priorität<br />
Das exklusive <strong>Formel</strong>-1-Erlebnis hat aber<br />
auch seinen Preis. Ein Ticket im Paddock<br />
Club kostet zwischen 2400 und 3800 Dollar.<br />
Isabelle Kaufmann spricht nur ungern über<br />
Geld. Auch seien diese Ticketpreise fast<br />
schon eine hypothetische Grösse. Denn nur<br />
selten gelangten Tickets in den freien Verkauf.<br />
Kaufmann: «Erste Priorität geniessen<br />
die Teams und ihre Sponsoren. Für sie und<br />
ihre Gäste ist der Paddock Club in erster<br />
Linie da. Sie bekommen die Plätze auch zu<br />
Vorzugskonditionen.»<br />
Im Normalfall ist der Paddock Club bereits<br />
mit den Reservationen der Teams ausgebucht.<br />
Eine besondere Ehre ist es, beim<br />
Grand Prix von Monaco geladen zu sein. Dort<br />
ist der Paddock Club im exklusiven Yacht<br />
Club am Hafen einquartiert, wo nur gerade<br />
400 Gäste Platz finden. Über den Preis<br />
eines solchen Tickets schweigt sich Isabelle<br />
Kaufmann vornehm aus.<br />
❙<br />
Wettbewerb Gewinnen Sie zwei exklusive<br />
Paddock-Tickets für den Grand Prix am<br />
Nürburgring. Informationen zum Wettbewerb<br />
finden Sie auf dem beiliegenden Talon.<br />
EIN PLATZ IM PADDOCK CLUB KOSTET<br />
ZWISCHEN 2400 UND 3800 DOLLAR.<br />
Fotos: © Allsport Management SA<br />
Zusätzlich zum geruhsamen Zeltdorf auf grünem Rasen gibts für die Gäste des Paddock Club entweder direkt über der Boxenstrasse,<br />
wenn immer möglich direkt auf dem Dach des Garagengebäudes, oder sonst an guter Lage Zuschauertribünenplätze.
FORMEL 1<br />
Man könnte ein absurdes Stück<br />
über die Pneuwechsler schreiben<br />
Arnon Grünberg, Januar 20<strong>03</strong>, Übersetzung: Marek Boudny<br />
© by Arnon Grünberg<br />
Von Sport weiss ich nicht viel, aber von nichts weiss ich so wenig<br />
wie von Autorennsport. Vielleicht, dass gerade Korbball oder Dame<br />
in der Gegend gespielt wird. Auch wenn man sich wenig für Fussball<br />
interessiert, ist es fast unvermeidlich, etwas über diese Sportart zu<br />
wissen. So wie ein Atheist weiss, wer Gott ist, so weiss auch ein<br />
Fussballhasser, wer Maradona ist. Und manchmal sogar mehr als<br />
das. Doch Autorennsport? Da ich ein leidenschaftlicher Zeitungsleser<br />
bin und aus Pflichtbewusstsein auch schnell und ein kleines<br />
bisschen beschämt den Sportteil nach dem Wetterbericht durchsuche<br />
(die «New York Times» ist so vernünftig, den Wetterbericht regelmässig<br />
im Sportteil abzudrucken), kann ich den Namen Schumacher<br />
mit dem Autorennsport in Verbindung bringen. Und sonst? Nichts.<br />
Leere. Ferrari. Vielleicht. Porsche. Der Zandvoort-Ring.<br />
Ich besitze weder ein Auto noch einen Führerschein, und erst vor<br />
kurzem, an meinem Einunddreissigsten, habe ich auf den Bermudas<br />
zum ersten Mal auf einem Moped gesessen. Nach drei Tagen und<br />
einem unglücklichen Sturz habe ich es gewagt, auf manchen ruhigen<br />
und geraden Strecken beinahe 50 Kilometer pro Stunde zu fahren.<br />
Es war aufregend, und ich würde es auch gerne öfter tun, allerdings<br />
nicht mehr als einmal alle drei Monate.<br />
Wenn es mich bereits so viel Mühe kostet, etwas für Autos zu<br />
empfinden, wie soll ich mich jemals in einen Mann versetzen, dessen<br />
Lebensinhalt darin besteht, an einem <strong>Formel</strong>-1-Rennen teilzunehmen?<br />
Es gibt doch auch Bücher, die vollgeschrieben sind über<br />
Menschen, die leben – vergeblich oder nicht –, um Schau- oder<br />
Schachspieler zu werden. Und gerade von einem Schriftsteller dürfte<br />
man erwarten, dass er sich in etwas versetzt, in das sich kaum jemand<br />
versetzen kann, dass er das verteidigt, was zwar verteidigt werden<br />
muss, worauf der Rest der Welt jedoch keine Lust hat.<br />
Ich kenne keine Schriftsteller, denen Autorennsport gefällt, keine<br />
Romane, die von Autorennsport handeln. Ja, für Fussball, da wagen<br />
es die Schriftsteller, sich ohne Scham zu begeistern, einige brüsten<br />
sich sogar damit unter dem Motto: Wir schreiben zwar Literatur, sind<br />
aber doch nicht elitär, denn wir schauen uns jeden Sonntag «Studio<br />
Sport» an. Basketball kommt ganz knapp durch. In Amerika. Tennis<br />
wird akzeptiert. Und sogar Boxen kommt bei einer bestimmten aussterbenden<br />
Art Schriftsteller vor. Oder war es nicht Norman Mailer,<br />
der das Schreiben mit dem Boxen verglich?<br />
So beschäftige ich mich nun bereits seit einem oder zwei Tagen<br />
mit der Frage, woran es wohl liegen mag, dass der Autorennsport<br />
so unattraktiv für Intellektuelle ist, woher es kommt, dass der Geruch<br />
des Ordinären diesem Sport so hartnäckig anhaftet.<br />
Die Meinung, ein Täuschungsmanöver eines Fussballers sei eleganter<br />
als ein Rennwagen, der durch die Kurve fährt oder der sich<br />
überschlägt, scheint mir fraglich. Die kleinste Bewegung einer Ziege,<br />
und ich bin ein grosser Liebhaber von Ziegen, finde ich eleganter<br />
und beeindruckender als die meisten raffinierten Täuschungsmanöver<br />
von Ronaldo. Der Mensch ist nun einmal eine der hässlichsten Tierarten,<br />
die auf dem Erdball herumläuft. Mit Ästhetik erreichen wir in<br />
dieser Angelegenheit also gar nichts.<br />
Vielleicht liegt es am Lärm. Ich gebe zu, Lärm kann ein grosses<br />
Problem sein. Ein lautes Restaurant verlasse ich sofort, mag das<br />
Essen noch so gut sein.<br />
Ich verstehe, dass Aggressivität und Sport unvermeidlich miteinander<br />
einhergehen, doch Stille kann auch sehr aggressiv sein. Stille<br />
ist aggressiver und unheilverkündender als der meiste Lärm, den man<br />
auf der Erde hören kann. Vielleicht könnte der Autorennsport etwas<br />
leiser sein, zum Beispiel durch den Einsatz von Elektromotoren.<br />
Ein Schriftsteller muss schon lange mehr sein als Schriftsteller.<br />
Er kann aus einem Land stammen, das von einem blutigen Bürgerkrieg<br />
zerrissen ist, er kann Meinungen über Kriege verkünden, obwohl<br />
er nie Soldat gewesen ist und auch keine Karriere in der Politik anstrebt,<br />
er kann sich für das Leben von Schweinen und Freilandhühnern<br />
einsetzen, die in Wirklichkeit gar nicht frei laufend gehalten werden.<br />
Doch was bleibt einem Schriftsteller übrig, der von der Wahnvorstellung<br />
besessen war, seine Aufgabe bestünde einfach darin<br />
zu schreiben?<br />
Da eilt ihm der Autorennsport zu Hilfe. Oder ist es für ihn etwa<br />
keine schöne Aufgabe, diesen Sport bei der Elite salonfähig zu<br />
machen? Es kommt auch Eigennutz ins Spiel, ich gebe es zu, denn<br />
so unterscheidet er sich sofort von der Menge.<br />
Er könnte ein absurdes Stück über die Pneuwechsler schreiben.<br />
Er könnte erklären, dass der Sport nicht langweiliger ist als Korbball,<br />
dass niemand je von <strong>Formel</strong>-1-Hooligans gehört hat, dass, wenn<br />
rassistische Parolen im Stadion geschrien werden, sie niemand<br />
wegen des Lärms verstehen kann, und es in dieser Sportart nicht<br />
darum geht, den Gegner zu Fall zu bringen, und dass es daher<br />
eigentlich ein besonders friedliebender und angenehmer Zeitvertreib<br />
ist. Er könnte sogar so weit gehen zu sagen: Das Verfolgen von<br />
Autorennsport ist eine unentbehrliche Meditation für den postmodernen<br />
Humanisten.<br />
❙<br />
Arnon Grünberg wurde 1971 in Amsterdam geboren. Nach dem<br />
Rausschmiss aus dem Gymnasium jobbte er als Gehilfe in<br />
einer Apotheke und als Tellerwäscher. Der klassische Karrieresprung<br />
vom Tellerwäscher zum Millionär blieb aber aus. Statt<br />
dessen schrieb er mehrere Theaterstücke, ein preisgekröntes<br />
erstes Buch («Blauer Montag») und Kolumnen für die Zeitschrift<br />
des niederländischen Buchhandels. Furore machte Arnon<br />
Grünberg mit der Enthüllung, dass er auch unter dem Pseudonym<br />
Marek van der Jagt schreibt. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />
galt van der Jagt als publikumsscheuer «Phantomautor».<br />
Arnon Grünberg lebt in New York.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 31
Leonhard H. Fischer<br />
(links) und<br />
Josef Meier (rechts)<br />
Neue Führungskräfte<br />
Seit dem 1. Januar 20<strong>03</strong> ist der 39-jährige Leonhard<br />
H. Fischer neuer Chef der Winterthur-Gruppe. Der<br />
Betriebswissenschafter war 20<strong>01</strong> zum Vorstandsmitglied<br />
des Münchner Versicherungsunternehmens Allianz<br />
und dessen Tochter Dresdner Bank berufen worden<br />
und war dort vor seinem Wechsel zur Winterthur für<br />
den Unternehmensbereich Corporates & Markets<br />
Online-Analyse der persönlichen<br />
Vermögenssituation<br />
Der Financial Check-up erscheint in neuem Design, mit<br />
erweiterten Produkteempfehlungen und mit neuen Crosslinks.<br />
Der Besucher kann in kurzer Zeit seine persönliche<br />
Vermögenssituation analysieren. Schon mit der Eingabe<br />
weniger Eckdaten erhält er eine grafische Analyse<br />
mit möglichen Optimierungsvorschlägen in den Bereichen<br />
Steuern, Vorsorge, Anlagen, Finanzierung und Erbschaft.<br />
Die Vorteile im Überblick:<br />
p Grafische Analyse der persönlichen Finanzsituation<br />
p Optimierungsempfehlungen<br />
p Grafische Darstellung der Auswirkungen verschiedener<br />
Szenarien (z. B. vorzeitige Pensionierung oder Hauskauf)<br />
p Bericht zum Ausdrucken<br />
p Diverse Online-Rechner wie zum Beispiel der<br />
Steuerrechner<br />
Den Financial Check-up findet man unter dem<br />
Menüpunkt «Online Dienste» auf der Privatkunden-Seite<br />
von www.credit-suisse.com (schi)<br />
zuständig. Bereits seit dem 1. November 2002 ist Josef<br />
Meier – als Nachfolger von Rolf Dörig, dem neuen<br />
CEO Rentenanstalt/Swiss Life – neuer Leiter des<br />
Corporate & Retail Banking, dem Privat- und Firmenkundengeschäft<br />
der Credit Suisse in der Schweiz.<br />
Vor seiner Ernennung präsidierte Josef Meier die<br />
Geschäftsleitung der Neuen Aargauer Bank (NAB).<br />
Insgesamt ist Josef Meier bereits seit 22 Jahren in<br />
verschiedenen Führungsfunktionen für die Credit<br />
Suisse Group tätig. Die Nachfolge an der Spitze<br />
der NAB hat das bisherige Geschäftsleitungsmitglied<br />
Hans-Mathias Käppeli angetreten. (schi)<br />
Credit Suisse<br />
Sports Awards<br />
Partnerschaftliche Seite<br />
der Credit Suisse<br />
Die Credit Suisse hat eine Internetseite speziell für<br />
ihre Vertriebspartner erstellt. Dort finden die<br />
bestehenden und potenziellen Partner Informationen<br />
zur Zusammenarbeit mit der Credit Suisse über<br />
Produkte, Börsen und Märkte sowie Formulare<br />
und Berechnungsfunktionen. Mehr unter<br />
www.credit-suisse.com/vertriebspartner (schi)<br />
Der Skispringer Simon Ammann<br />
und die Triathletin Natascha<br />
Badmann wurden an den<br />
Credit Suisse Sports Awards zu<br />
den Sportlern des Jahres 2002<br />
gewählt. Per Internetabstimmung<br />
wurde die Tennisspielerin Myriam Casanova<br />
zur Newcomerin des Jahres gewählt. Weitere Awards<br />
erhielten Edith Hunkeler, Behindertensportlerin, Bernie<br />
Schödler, Skispringer-Trainer, sowie der FC Basel. Mehr<br />
Informationen unter www.sportsawards.ch (schi)<br />
Fotos: Daniela Badertscher<br />
32 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
AKTUELL<br />
Eine Adresse genügt<br />
Ab März 20<strong>03</strong> sind die vielfältigen Internetdienstleistungen der<br />
Credit Suisse unter einem Dach vereinigt: www.credit-suisse.com.<br />
Gleichzeitig wurde die Privatkunden-Seite völlig überarbeitet.<br />
Die einzige Zauberformel, die Bankkunden<br />
sich künftig merken müssen, lautet:<br />
www.credit-suisse.com<br />
Von dieser Startseite aus hat der Interessent<br />
schnellen Zugriff auf alle Banking-Angebote,<br />
die sich vorher unter diversen Websites<br />
und Internetadressen fanden.<br />
Die Credit Suisse Homepage ist in folgende<br />
vier Bereiche unterteilt:<br />
p Privatkunden Schweiz<br />
p Firmenkunden Schweiz<br />
p Private Banking<br />
p Investment Banking<br />
Der Bereich «Privatkunden Schweiz» wurde<br />
total überarbeitet und hat ein neues Design<br />
erhalten. Nun sind die Informationen noch<br />
übersichtlicher und die Bedienung ist noch<br />
benutzerfreundlicher gestaltet.<br />
Was ist sonst noch neu?<br />
p Alle interaktiven Tools finden sich an<br />
einem Ort. Speziell die Online-Rechner,<br />
wie zum Beispiel Steuer-, Hypotheken-,<br />
Die Privatkunden-Seite der Credit<br />
Suisse enthält nun noch mehr<br />
Informationen – zu finden unter<br />
www.credit-suisse.com<br />
Vorsorge- und Währungsrechner wurden<br />
mit weiteren wertvollen Möglichkeiten<br />
ergänzt.<br />
p Die Marke «yourhome» wird im April<br />
durch den neuen Auftritt unter dem Begriff<br />
«Hypotheken» abgelöst. Hier findet sich<br />
alles rund um die Themen Finanzierung,<br />
Beratung, Steuern und Recht.<br />
p Auch der Credit Suisse Economic<br />
Research und der Credit Suisse Private<br />
Banking Research wurden vereint.<br />
Exklusive Publikationen über Marktanalysen<br />
sowie Technical Research sind für die<br />
Private-Banking-Kunden nur im passwortgeschützten<br />
Investors’ Circle erhältlich.<br />
p Das Börsenkurs- und Marktdatenangebot<br />
diverser Plattformen wurde zusammengefasst,<br />
so dass das Abfragen der<br />
Credit Suisse Quote nur noch auf eine<br />
Applikation zurückgreift. Diese Applikation<br />
unter dem Namen «Börsen & Märkte» ist<br />
jetzt viersprachig, und die Abfragemöglichkeit<br />
wurde mit weiteren Instrumenten<br />
ergänzt wie: Credit Suisse Private Banking,<br />
Strukturierte Anlagen, Obligationen, Optionen<br />
und Futures (Eurex), Commodities,<br />
Devisen und Zinssätze.<br />
p Auch in der Watchlist werden zusätzliche<br />
Instrumente wie Bonds, Traded<br />
Options, Futures und Structured Investments<br />
angeboten.<br />
p Unter dem Navigationselement «Unsere<br />
Lösungen» finden sich Themen und ausgesuchte<br />
Bankprodukte zu den verschiedenen<br />
Lebensabschnitten. Ausserdem werden<br />
Frauen speziell angesprochen. (schi)<br />
Davos ist eine Übernachtung wert<br />
Mitte Januar 20<strong>03</strong> wurde in Davos die umgebaute Jugendherberge<br />
«Youthpalace» eingeweiht. Dank der Jubiläumsstiftung der Credit<br />
Suisse Group ist sie rollstuhlgängig.<br />
Jugendherbergen müssen kostengünstiges<br />
Übernachten ermöglichen, mittlerweile<br />
aber auch einen gewissen Standard aufweisen.<br />
Von der 1949 eröffneten Jugendherberge<br />
Davos-Höhwald, die modernen<br />
Qualitätsvorstellungen nicht mehr genügte,<br />
zügelte man im Winter 20<strong>01</strong> ins bekannte<br />
«Albula», das 1913 als Sanatorium erbaut<br />
und 1927 zum Kurhaus erweitert worden<br />
war. Nun ist – erstmals in der Schweiz –<br />
ein sechsmonatiger Umbau nach dem<br />
anspruchsvollen «Youthpalace»-Konzept<br />
erfolgt. Deshalb werden künftig jährlich<br />
rund 16000 Gäste, viermal mehr als bisher,<br />
erwartet. Darunter sollen sich auch möglichst<br />
viele Jugendliche befinden, die<br />
gehbehindert oder an den Rollstuhl gebunden<br />
sind. Deshalb hat die Jubiläumsstiftung<br />
der Credit Suisse Group diesen Umbau<br />
mitgetragen, indem sie den entsprechenden<br />
Aufzug finanziert hat. «Dieses Engagement<br />
stimmt mit den Zielen überein, die sich<br />
die Credit Suisse auch bei ihrer Geschäftstätigkeit<br />
bezüglich Reduktion der Mobilitätsschranken<br />
für Behinderte gesetzt hat»,<br />
betonte Josef Meier, Head Retail and<br />
Corporate Banking der Credit Suisse, anlässlich<br />
der Eröffnung vom 17. Januar 20<strong>03</strong>.<br />
«Bei grösseren Renovationen der Bankgebäude<br />
werden schon seit Jahren Zugänge<br />
und Schalterhallen rollstuhlgängig gestaltet<br />
und behindertengerechte Bancomaten<br />
installiert.»<br />
Das Engagement in Davos ist ein Beispiel,<br />
wie die Jubiläumsstiftung der Credit Suisse<br />
Group Projekte mit und zu Gunsten von<br />
Behinderten fördert. So ermöglichte sie 2000<br />
in Crans-Montana die 6. Ski-Weltmeisterschaft<br />
für Behinderte. Im Dezember 2002<br />
stellte sie, mit der Amag, vier Institutionen<br />
rollstuhlgerecht ausgestattete Transportbusse<br />
zur Verfügung, und in diesen Tagen<br />
wird eine von ihr finanzierte rollstuhlgängige<br />
Rampe zur Tagesschule für sehgeschädigte,<br />
mehrfachbehinderte Kinder in Oerlikon<br />
gebaut. Am 5./6. Juli 20<strong>03</strong> schliesslich ist<br />
sie zum dritten Mal Hauptpartnerin beim<br />
Magglinger Tag von Plusport Schweiz. (schi)<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 33
Die grössten Sorgen im Jahr 2002<br />
Probleme rund um das Gesundheitswesen<br />
bereiten den Schweizerinnen und Schweizern<br />
erneut die grössten Sorgen, gefolgt von<br />
Arbeitslosigkeit und AHV/Altersvorsorge.<br />
58<br />
52<br />
49<br />
43<br />
22<br />
21<br />
20<br />
19<br />
19<br />
18<br />
17<br />
17<br />
16<br />
12<br />
10<br />
9<br />
9<br />
Angabe in % Stimmberechtigter<br />
9<br />
8<br />
7<br />
AHV und Asylwesen bedrohlicher<br />
Im Vergleich zum Vorjahr haben die AHV und das<br />
Asylwesen über zehn Prozentpunkte zugelegt.<br />
Dafür wird die Sonderstellung in Europa immer<br />
weniger als Problem wahrgenommen.<br />
1996 1997 1998 1999 2000 20<strong>01</strong> 2002<br />
46 52 46 48 59 64 58<br />
75 81 74 57 34 45 52<br />
36 39 45 45 49 37 49<br />
25 30 47 56 41 32 43<br />
21 19 17 18 18 27 22<br />
34 39 40 43 45 34 21<br />
19 22 17 26 22 19 20<br />
– – – – – 22 19<br />
13 13 15 18 15 14 19<br />
20 19 19 18 25 15 18<br />
8 9 10 13 11 24 17<br />
19 20 15 11 8 16 17<br />
18 15 15 17 15 13 16<br />
30 28 22 16 15 11 12<br />
– – – – – 10 10<br />
12 10 8 5 10 10 9<br />
– – – – – 27 9<br />
13 14 12 13 13 19 9<br />
– – – – – 27 8<br />
22 21 24 22 15 10 7<br />
Gesundheitswesen<br />
Arbeitslosigkeit<br />
AHV/Altersvorsorge<br />
Gesundheitswesen<br />
Arbeitslosigkeit<br />
AHV/Altersvorsorge<br />
Flüchtlings-/Asylwesen<br />
neue Armut<br />
Europa<br />
Bundesfinanzen<br />
Ausländer<br />
persönliche Sicherheit<br />
Umwelt<br />
Globalisierung<br />
Wirtschaftsentwicklung<br />
soziale Sicherheit<br />
Drogen<br />
Verkehr/Neat<br />
Inflation/Teuerung<br />
Zusammenleben<br />
Löhne<br />
Extremismus/Terrorismus<br />
Rassismus/Fremdenfeindlichkeit<br />
Flüchtlings-/Asylwesen<br />
neue Armut<br />
Europa<br />
Bundesfinanzen<br />
Ausländer<br />
persönliche Sicherheit<br />
Umwelt<br />
Globalisierung<br />
Wirtschaftsentwicklung<br />
soziale Sicherheit<br />
Drogen<br />
Verkehr/Neat<br />
Inflation/Teuerung<br />
Zusammenleben<br />
Löhne<br />
Extremismus/Terrorismus<br />
Rassismus/Fremdenfeindlichkeit
AKTUELL<br />
Krankenkassenprämien rauben<br />
den Schweizern den Schlaf<br />
Probleme rund ums Gesundheitswesen, Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge bereiten den Schweizerinnen<br />
und Schweizern am meisten Kopfzerbrechen. Zu diesem Schluss kommt das Sorgenbarometer 2002.<br />
Die repräsentative Umfrage des Bulletin wird alljährlich zusammen mit dem GfS-Forschungsinstitut in Bern<br />
durchgeführt. Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
Foto: PhotoDisc, Quelle: GfS-Forschungsinstitut, Politik und Staat, Bern, Sorgenbarometer, Stand Oktober 20<strong>01</strong> (N = 1029)/Oktober 2002 (N = 1<strong>01</strong>0)<br />
Bereits zum dritten Mal in Folge ist die<br />
grösste Sorge der Schweizer Bevölkerung<br />
das Gesundheitswesen. Für 58 Prozent der<br />
insgesamt 1<strong>01</strong>0 Befragten gehört es zu<br />
den fünf grössten Problemen. Das sind im<br />
Vergleich zum Vorjahr zwar sechs Prozent<br />
weniger, doch an Dringlichkeit hat das<br />
Thema nichts eingebüsst. Auf Platz zwei<br />
mit 53 Prozent Anteil liegt die Arbeitslosigkeit,<br />
gefolgt von AHV/Altersvorsorge<br />
und Asyl- und Flüchtlingswesen. Letztere<br />
beiden haben im Problembewusstsein<br />
des Schweizers die grössten Sprünge nach<br />
vorne gemacht. Die Altersvorsorge hat um<br />
zwölf (neu 49 Prozent) und die Immigrationsproblematik<br />
um elf Prozent zugelegt.<br />
Dieser Trend bestätigt sich auch bei der<br />
Folgefrage nach dem als am dringlichsten<br />
eingestuften Problem. Zwar führt auch hier<br />
das Gesundheitswesen mit 15 Prozent die<br />
Tabelle an, doch wird es dicht gefolgt von<br />
Arbeitslosigkeit (13 Prozent), AHV/Altersvorsorge<br />
(10 Prozent) und Asylwesen (9<br />
Prozent). Vor einem Jahr war der Abstand<br />
zum Gesundheitswesen noch deutlich<br />
grösser. Claude Longchamp, Projektleiter<br />
der Studie seitens des GfS, kommt zum<br />
Schluss: «Wenn das Sorgenbarometer<br />
20<strong>01</strong> durch den 11. September und seine<br />
Folgen geprägt war, gilt dies für das Jahr<br />
2002 nicht mehr. Vielmehr sind jetzt die<br />
Probleme rund um die wirtschaftliche<br />
Entwicklung in den Vordergrund gerückt.»<br />
So ist auch der Terrorismus als Sorge vom<br />
sechsten auf den 19. Platz zurückgefallen.<br />
Auf der Liste der dringlichsten Probleme ist<br />
er schon nicht mehr vertreten.<br />
Werden die einzelnen Nennhäufigkeiten<br />
genauer untersucht, so ergibt sich gerade<br />
beim Problem Nummer eins, dem Gesundheitswesen,<br />
ein interessantes Bild. Die stei-<br />
genden Krankenkassenprämien werden nicht<br />
etwa von den unteren Einkommensklassen<br />
am meisten beklagt, sondern mit 64 Prozent<br />
von relativ gut situierten Schweizern mit einem<br />
monatlichen Haushaltseinkommen von<br />
zwischen 7000 und 9000 Franken. Auch<br />
innerhalb der Gruppierung «Kader der Privatwirtschaft»<br />
ist die Sorge mit 62 Prozent<br />
Nennungen überdurchschnittlich stark präsent.<br />
Erstaunliche Resultate bringt die Detailanalyse<br />
der Arbeitslosigkeitsnennungen.<br />
Diese Möglichkeit ist offenbar in der obersten<br />
Einkommenskategorie (über 9000<br />
Franken) mit 64 Prozent Nennungen besonders<br />
bedrohlich geworden. Daneben wird<br />
Arbeitslosigkeit insbesondere von 18- bis<br />
29-Jährigen (58 Prozent), einfachen Angestellten<br />
(58 Prozent) und gut verdienenden<br />
Personen mit 7000 bis 9000 Franken als<br />
sehr Besorgnis erregend wahrgenommen.<br />
Im Zuge der allgemeinen Verunsicherung<br />
hat sich das Vertrauen in die Wirtschaft insgesamt<br />
deutlich verschlechtert. So gaben<br />
erstmals über die Hälfte (53 Prozent)<br />
aller Befragten zu Protokoll, dass sie oft<br />
das Gefühl hätten, die Wirtschaft versage<br />
in entscheidenden Dingen. Seit der<br />
erstmaligen Erhebung des Sorgenbarometers<br />
1995 wurde noch nie ein derart<br />
hoher Wert ermittelt. Vor zwei Jahren vertraten<br />
lediglich 29 Prozent diese extrem<br />
kritischen Meinungen. Offenbar am stärksten<br />
enttäuscht sind Kaderleute der Privatwirtschaft.<br />
Sie vertreten die «oft»-Meinung<br />
zu 62 Prozent, gefolgt von den selbstständig<br />
Erwerbenden (55 Prozent) sowie<br />
Angestellten des öffentlichen Dienstes<br />
(51 Prozent).<br />
Nicht ganz so verheerend wie bei der<br />
Wirtschaft, aber immer noch sehr negativ<br />
Welches Problem muss zuerst gelöst werden?<br />
Auch bezogen auf die Dringlichkeit haben die Arbeitslosigkeit, die Altersvorsorge<br />
und vor allem das Asylwesen deutlich zugelegt. Dagegen hat die Globalisierung<br />
offenbar viel von ihrem Schrecken verloren und belegt nur noch Platz acht.<br />
Rang Problem Dringlichstes Dringlichstes Rang<br />
2002 Problem 2002 Problem 20<strong>01</strong> 20<strong>01</strong><br />
1. Nennung 1. Nennung<br />
1. Gesundheitswesen 15 17 1.<br />
2. Arbeitslosigkeit 13 9 2.<br />
3. AHV/Altersvorsorge 10 7 5.<br />
4. Asylwesen 9 4 9.<br />
5. Neue Armut 6 8 4.<br />
Wirtschaftsentwicklung 6 5 7.<br />
7. Steuern/Finanzen 5 4 9.<br />
8. Soziale Sicherheit 4 3 8.<br />
Überfremdung 4 3 9.<br />
Globalisierung 4 9 2.<br />
Angaben in % Stimmberechtigter<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 35
Sorgen im zeitlichen Wandel<br />
Zyklische Arbeitslosigkeit<br />
Geht es der Wirtschaft schlecht, steigen die<br />
Arbeitslosenzahlen und parallel dazu die<br />
Nennungen im Sorgenbarometer. Im Jahr<br />
2000 waren in der Schweiz 94 000 Menschen<br />
arbeitslos. 1997 waren es 194 000. Zurzeit ist<br />
der Trend wieder eindeutig steigend.<br />
Entproblematisiertes Europa<br />
Während der bilateralen Verhandlungen nahm<br />
die Zahl der Nennungen der Europa-Frage<br />
noch stetig zu. Seit dem Abschluss<br />
der Verträge mit der EU im Jahr 2000 zeichnet<br />
sich eine klare Entproblematisierung der<br />
Europa-Frage ab.<br />
Aktuelles Flüchtlingswesen<br />
Erhöhte Werte für das Problembewusstsein<br />
bezüglich Asylwesen lassen sich zumeist<br />
auf aktuelle äussere Umstände zurückführen.<br />
In den Jahren 1998 und 1999 war es die<br />
Flüchtlingswelle im Sog des Kosovo-<br />
Konflikts, 2002 die Asylinitiative der SVP.<br />
Wirtschaft versagt<br />
Frage: «Wie oft haben Sie das Gefühl, die<br />
Wirtschaft versage in entscheidenden<br />
Dingen?» Über die Hälfte der Schweizerinnen<br />
und Schweizer finden «oft». So ausgeprägt<br />
negativ war die Stimmung im Sorgenbarometer<br />
noch nie.<br />
■ keine Antwort ■ nie ■ selten ■ oft<br />
Politik versagt<br />
Frage: «Wie oft haben Sie das Gefühl, die<br />
Politik versage in entscheidenden Dingen?»<br />
Auch hier finden fast die Hälfte der Befragten<br />
«oft». Allerdings kommt dieser Anteil noch<br />
nicht ganz an die Spitzenwerte der Jahre<br />
1996 und 1997 heran.<br />
■ keine Antwort ■ nie ■ selten ■ oft<br />
Vertrauen in die Banken steigt<br />
Frage: «Wie gross ist Ihr persönliches<br />
Vertrauen in die Banken?» Die letztjährige<br />
Befragung war geprägt vom Niedergang der<br />
Swissair und von der Rolle der Banken dabei.<br />
2002 überwiegen dank einem Plus von acht<br />
Prozent wieder die Vertrauensnennungen.<br />
■ keine Antwort ■ Vertrauen ■ weder/noch ■ kein Vertrauen<br />
Angabe in % Stimmberechtigter<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
20<strong>01</strong><br />
2002<br />
70 75 81 74 57 34 45 52<br />
48 34 39 40 43 45 34 21<br />
31 25 30 47 56 41 32 43<br />
7 6 9 10 5 9 11<br />
5 4<br />
6 5<br />
5<br />
5 3<br />
33<br />
40 45<br />
45<br />
52 54 61<br />
48 45 33 31 29 41 53<br />
7 6 6 9 9 2 10 10<br />
4 5 4 5<br />
5 4 3 4<br />
40 36 40<br />
37<br />
51 48 50 49<br />
49 53 50 35 39 43 38 49<br />
1 2 2 2 2 2 2 2<br />
49 40 37 37 33<br />
41<br />
53 55 20<br />
20 23 24<br />
22<br />
21<br />
18 22<br />
29 38 38 37 27 21 45 35<br />
3 www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Die vollständige Studie sowie weitere Highlights<br />
des Sorgenbarometers finden Sie im emagazine.<br />
fällt die Beurteilung der politischen Klasse<br />
aus. 49 Prozent der Schweizerinnen und<br />
Schweizer haben das Gefühl, die Politik<br />
versage oft in entscheidenden Dingen.<br />
Besonders ausgeprägt ist diese Sichtweise<br />
bei Leuten, die sich selbst als eher<br />
rechts einstufen (59 Prozent), gefolgt von<br />
Wählern der Mitte (46 Prozent) und<br />
Linksstehenden (44 Prozent). Mit 37<br />
Prozent «oft»-Nennungen verhältnismässig<br />
wohlwollend gehen jene Leute mit der<br />
Politik ins Gericht, die sich nicht in einen<br />
Links-rechts-Raster zwängen lassen<br />
wollen.<br />
Im Sorgenbarometer des Bulletin wird<br />
jeweils auch das Vertrauen der Wahlberechtigten<br />
in die wichtigsten politikrelevanten<br />
Institutionen erhoben. Dabei wird vom<br />
Anteil der Vertrauensvoten jeweils der Misstrauensanteil<br />
abgezogen. Daraus resultiert<br />
ein einziger Indexwert für das Vertrauen<br />
respektive Misstrauen (falls negativ). Viel<br />
Vertrauen bringen die Bürger und Bürgerinnen<br />
dem Schweizer Justizwesen entgegen.<br />
So bringt es das Bundesgericht als<br />
Spitzenreiter auf einen Indexwert von 45.<br />
Knapp dahinter platziert ist die Polizei mit<br />
44. Wieder etwas erholt vom massiven<br />
Vertrauenseinbruch im letzten Jahr haben<br />
sich die Banken. 20<strong>01</strong> fiel der Vertrauensanteil<br />
von 55 auf ein Rekordtief von 33<br />
Prozent. Die Befragung fiel damals in eine<br />
Phase, in der sich die Banken im Zuge des<br />
Swissair-Groundings viel Kritik gefallen<br />
lassen mussten. Ein Jahr später ist dieser<br />
Einbruch mit einem Plus von acht Prozentpunkten<br />
wieder etwas kompensiert worden.<br />
Ebenfalls deutlich an Vertrauen gewonnen<br />
haben die Arbeitnehmerorganisationen<br />
mit einem Plus von sechs Prozent. Dagegen<br />
haben die UNO und die Kirchen je acht<br />
Prozent eingebüsst. Doch während bei der<br />
UNO das Vertrauen mit einem Indexwert<br />
von plus 8 insgesamt überwiegt, sind bei<br />
den Kirchen mittlerweile die Misstrauensbekundungen<br />
in der Überzahl (Index –2).<br />
Das Gleiche gilt für die EU (–9) und in<br />
noch stärkerem Masse für die politischen<br />
Parteien (–16) sowie die Massenmedien<br />
(–24). Diese Tendenz dürfte insbesondere<br />
den Parteien einige Sorgen bereiten. ❙<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
20<strong>01</strong><br />
2002
AKTUELL<br />
«Unsere direkte Demokratie<br />
braucht starke Parteien»<br />
Nationalratspräsident Yves Christen nimmt Stellung zu den Resultaten des Bulletin-Sorgenbarometers<br />
2002. Eines der dringlichsten Anliegen des obersten Schweizers ist die Einführung einer tauglichen<br />
Einwanderungspolitik. Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
Daniel Huber Was bereitet Ihnen als ranghöchstem<br />
Politiker die grösste Sorge?<br />
Yves Christen Meine Hauptsorge ist die<br />
gespaltene Einstellung der Schweizerinnen<br />
und Schweizer zu Fragen der Ausland- und<br />
Ausländerpolitik. Egal ob es um UNO-Beitritt,<br />
Friedenstruppen oder Asylpolitik geht,<br />
in den Abstimmungen fallen die Resultate<br />
immer sehr knapp aus. Um Lösungen<br />
für die grossen Probleme wie Gesundheitswesen,<br />
Altersvorsorge und Arbeitslosigkeit<br />
zu finden, brauchen wir aber eine gute,<br />
breit abgestützte Ausländer-, Asyl- und<br />
Integrationspolitik.<br />
Wo ist da der direkte Zusammenhang?<br />
Nehmen wir zum Beispiel die Altersvorsorge.<br />
Demografisch gesehen nimmt das<br />
Durchschnittsalter der Schweizer Bevölkerung<br />
im gleichen Masse zu, wie der Anteil<br />
der Werktätigen abnimmt. Um das Problem<br />
der AHV-Finanzierung in den Griff zu bekommen,<br />
sind wir auf ausländische Arbeitskräfte<br />
angewiesen. Dabei dürfen und können<br />
wir aber keine Rosinenpickerei<br />
betreiben. Bei den Immigranten gibt es in<br />
gleichem Masse schwarze und weisse<br />
Schafe wie bei den Schweizern.<br />
Gäbe es neben ausländischen Arbeitskräften<br />
nicht auch noch die Möglichkeit einer besseren<br />
Familienpolitik, um die Überalterung in<br />
den Griff zu bekommen? Die Schweizer<br />
Durchschnittsfamilie bringt es gerade mal auf<br />
1,4 Kinder. Natürlich ist es ganz wichtig,<br />
auch in dieser Richtung etwas zu unternehmen.<br />
Doch selbst mit einer sehr<br />
dynamischen Familienpolitik können wir<br />
das Problem in den nächsten zwei,<br />
drei Jahrzehnten nicht lösen. Das ist lediglich<br />
ein Tropfen auf den heissen Stein.<br />
Das Gesundheitswesen führt seit Jahren<br />
quer durch alle Bevölkerungsschichten die<br />
Nationalratspräsident<br />
Yves Christen findet<br />
das Schweizer<br />
Gesundheitswesen<br />
an sich zwar gut,<br />
doch müsse es<br />
bezahlbar bleiben.<br />
Fotos: PhotoDisc, Martin Stollenwerk, Quelle: GfS-Forschungsinstitut, Politik und Staat, Bern, Sorgenbarometer, Stand Oktober 2002 (N = jeweils ca. 1000)<br />
Schweizer Sorgenhitparade an. Ist unser<br />
System wirklich so schlecht? In Bezug auf<br />
die steigenden Prämien ist die Sorge sicher<br />
berechtigt. Unser Gesundheitssystem an<br />
sich ist gut, doch muss es für alle gleichermassen<br />
bezahlbar bleiben. Zurzeit steigen<br />
die Prämien zu stark.<br />
Und was können Sie dagegen tun? Die<br />
diskutierte Aufhebung der freien Arztwahl<br />
geht vielleicht etwas zu weit. Zudem lässt<br />
sich so etwas nur schwer gegen den Willen<br />
der Ärzte sinnvoll durchsetzen. Zur Lösung<br />
dieses Problems müssen Versicherer,<br />
Politiker und Ärzte eng zusammenarbeiten.<br />
Interessanterweise bereitet das Gesundheitswesen<br />
der Schweizer Mittelschicht<br />
grössere Sorgen als der befragten Gruppierung<br />
mit geringerem Einkommen. Wie<br />
erklären Sie sich das? Das ist ganz logisch.<br />
Im Kanton Genf haben 40 Prozent der<br />
Bevölkerung subventionierte Prämien. Die<br />
Leute aus der Mittelschicht am unteren<br />
Rand der Lohnskala ohne Subventionen<br />
spüren die Prämien am stärksten.<br />
Die zweitgrösste Sorge der Schweizer ist die<br />
Arbeitslosigkeit. Im Vergleich zu anderen<br />
europäischen Ländern sind wir mit weniger<br />
als vier Prozent Arbeitslosen aber immer<br />
noch sehr gut dran. Sind die Schweizer in<br />
dieser Beziehung zu ängstlich? Die Schweizer<br />
sind in jeder Beziehung sehr ängstlich.<br />
Sie wollen tendenziell keine Risiken eingehen,<br />
haben wenig Unternehmergeist und<br />
sind häufig doppelt versichert. Allerdings<br />
ging es mit der Schweizer Konjunktur in<br />
den vergangenen fünfzig Jahren auch praktisch<br />
nur bergauf. Ich bin seit 38 Jahren<br />
glücklich mit einer Französin verheiratet. In<br />
ihrer Familie wird das Thema Arbeitslosigkeit<br />
als weniger bedrohlich wahrgenommen.<br />
Arbeit und Geld zu verlieren, ist für jemanden,<br />
der im Krieg alles verloren hat, nicht<br />
so besorgniserregend.<br />
In der Schweiz hat die Sorge um die Arbeitslosigkeit<br />
insbesondere unter den Kaderleuten<br />
markant zugenommen. Erstaunt Sie das?<br />
Eigentlich nicht. Während meiner Zeit als<br />
Stadtpräsident hatten wir in Vevey 13 Prozent<br />
Arbeitslose. Das war Schweizer Rekord.<br />
Zwei grosse Fabriken mussten kurz<br />
nacheinander ihre Tore schliessen und<br />
mehrere Hundert Arbeiter standen plötzlich<br />
auf der Strasse. Doch viele von ihnen<br />
hatten bereits früher Erfahrungen mit der<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 37
Arbeitslosigkeit gemacht und Sozialgelder<br />
bezogen. Dagegen können sich Leute mit<br />
8000 oder 9000 Franken Einkommen<br />
nur schwer ein Leben ohne Arbeit vorstellen.<br />
Diese trifft es unvorbereiteter und somit<br />
irgendwie auch härter.<br />
Für die Schweizer ist die Integration in Europa<br />
immer weniger besorgniserregend. Das<br />
Thema ist in diesem Jahr auf Platz fünf abgerutscht.<br />
Hat die Schweizer Sonderstellung<br />
endgültig ihren Schrecken verloren? Den<br />
Schweizern ist in den vergangenen Jahren<br />
bewusst geworden, dass sie über die bilateralen<br />
Verträge auch ohne Mitgliedschaft<br />
von der EU profitieren können. Die Resultate<br />
der verschiedenen Abstimmungen<br />
haben deutlich gezeigt, dass ein Beitritt in<br />
nächster Zeit kaum zustande kommen wird.<br />
Wie bei der UNO wird er irgendwann in<br />
zehn, zwanzig Jahren ohne viel Aufhebens<br />
trotzdem Realität werden.<br />
Auf die Frage, wie oft die Wirtschaft in entscheidenden<br />
Dingen versage, sind die «oft»-<br />
Nennungen innerhalb von zwei Jahren von 29<br />
auf 53 Prozent hochgeschnellt. Wie kann die<br />
Wirtschaft das Vertrauen der Bevölkerung<br />
zurückgewinnen? Mit mehr Ethik und Moral.<br />
Die Unternehmen müssen wieder mehr<br />
Verantwortung übernehmen.<br />
Aber auch die Politik bekommt schlechte<br />
Noten. Fast die Hälfte der Befragten geht<br />
davon aus, dass sie oft versage. Wie<br />
stark fühlen Sie sich noch als Volksvertreter?<br />
Wenn es der Wirtschaft schlecht geht,<br />
schwindet automatisch auch das Vertrauen<br />
in die Politik. Das ist logisch. Besonders<br />
beunruhigend finde ich aber die Tatsache,<br />
dass sich die Leute immer mehr von den<br />
Parteien abwenden. Sie haben zurzeit ein<br />
«Um die AHV-Finanzierung<br />
in den Griff zu bekommen,<br />
sind wir dringend auf<br />
ausländische Arbeitskräfte<br />
angewiesen.»<br />
Yves Christen, Nationalratspräsident<br />
sehr schlechtes Image. Es wird momentan<br />
zu viel über Strategien und zu wenig über<br />
die eigentliche Parteiarbeit gesprochen.<br />
All die Freiwilligen, die sich mit viel Engagement<br />
für politische Anliegen einsetzen,<br />
gehen vergessen. Vielleicht hat die momentane<br />
Wirtschaftskrise insofern noch etwas<br />
Gutes, als wir wieder mehr Leute für die<br />
Politik und vielleicht auch für die Parteien<br />
interessieren können.<br />
Im Sorgenbarometer zeigt sich deutlich, dass<br />
sich mit einem Anteil von 59 Prozent vor<br />
allem Schweizer und Schweizerinnen, die<br />
sich politisch als eher rechts einstufen,<br />
von der momentanen Politik nicht vertreten<br />
fühlen. Überrascht Sie das? Eigentlich<br />
nicht. Wenn die Leute Angst haben, dann<br />
wollen sie einfache Lösungen. Und die<br />
gemässigten Mitte-rechts-Parteien, wie es<br />
die FDP oder auch die CVP sind, suchen<br />
vernünftige und durchführbare Lösungen.<br />
Und die können nicht einfach sein. Das<br />
führt dazu, dass viele Bürgerliche nach<br />
rechts abdriften.<br />
Wo die SVP einfache Lösungen bereithält?<br />
Wenn es darauf ankommt, sind die bürgerlichen<br />
Wähler immer noch sehr vernünftig<br />
und vorsichtig. So werden zwar viele SVP-<br />
Brückengänger Yves Christen<br />
Yves Christen wurde 1941 in Bern geboren. Seine Familie stammt aus der<br />
Westschweiz und zu Hause wurde Französisch gesprochen. Auch seine schulische<br />
Ausbildung erfolgte auf Französisch: zuerst an der Ecole française in<br />
Bern, dann am Collège Saint-Michel in Fribourg. Das Studium zum Bauingenieur<br />
absolvierte er dann an der ETH in Zürich. 1977 wurde er als FDP-Parteimitglied<br />
in den Gemeinderat von Vevey gewählt. Es folgten der Grosse<br />
Rat der Waadt (1981), der Stadtrat von Vevey (1985), schliesslich das Amt<br />
des Stadtpräsidenten (1989–20<strong>01</strong>). Dem Nationalrat gehört er seit 1995 an.<br />
Yves Christen ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.<br />
Politiker aus Protest in die Legislative<br />
gewählt, doch bei der Besetzung von wichtigen<br />
Ämtern der Exekutive ist die SVP<br />
längst nicht so erfolgreich. Sie ist keine<br />
Partei der Verantwortung.<br />
Sie gelten als Vermittler zwischen der Romandie<br />
und der Deutschschweiz. Wie gross<br />
ist für Sie das Problem des Röstigrabens?<br />
Es gibt viele Minderheiten in der Schweiz.<br />
Dadurch gibt es viele Gräben, die man<br />
füllen muss. Der Röstigraben ist für mich<br />
vergleichsweise unproblematisch. Den<br />
Graben zwischen Stadt und Land, wie zum<br />
Beispiel zwischen dem wirtschaftlichen<br />
Ballungszentrum Zürich und dem ländlichen<br />
Appenzell, erachte ich als viel grösser.<br />
Die direkte Demokratie der Schweiz hat viele<br />
Vorteile, aber auch Nachteile. Wären Sie<br />
nicht manchmal gerne der gute König<br />
aus dem Märchen, der Probleme schnell und<br />
unbürokratisch lösen kann? Die Idee hat<br />
sicher etwas Verlockendes. Trotzdem bin<br />
ich von unserem System überzeugt. Zwar<br />
mag es vergleichsweise langsam sein, doch<br />
ist das nicht immer ein Nachteil. So drückte<br />
zum Beispiel die englische Regierung die<br />
Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs<br />
extrem schnell durch und machte dabei<br />
grosse Fehler. Auch in Deutschland wurden<br />
rückblickend verschiedene politische Entscheide<br />
zu überhastet umgesetzt. Natürlich<br />
besteht immer auch die Gefahr, einen Zug<br />
zu verpassen. Aber alles in allem glaube ich<br />
an unser System.<br />
Eine gute Fee gewährt Ihnen für Ihre Amtszeit<br />
die Erfüllung von drei Wünschen. Welche<br />
wären das? Einen hab ich schon erwähnt:<br />
dass die Parteien wieder ein besseres<br />
Image und beim Volk eine grössere Akzeptanz<br />
bekommen. Das ist enorm wichtig.<br />
In einer direkten Demokratie braucht es<br />
starke Parteien, um etwas bewegen<br />
zu können. Als zweiten Wunsch hätte ich<br />
gerne die Einführung unseres Bundesstaatmodells<br />
in ganz Europa und insbesondere<br />
in Ex-Jugoslawien. Meiner Meinung<br />
kann dort nur ein neuer föderalistischer<br />
Staat nach dem Vorbild der Schweiz eine<br />
friedliche Lösung für die vielen verschiedenen<br />
Völkergruppen bringen.<br />
Sie haben noch einen Wunsch offen. Gibt es<br />
noch etwas aus Ihrem persönlichen Umfeld?<br />
Dass ich auch in diesem Jahr wieder<br />
die Zeit finde, um 4000 Kilometer mit<br />
dem Velo zu fahren.<br />
❙<br />
38 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
AKTUELL<br />
@propos<br />
Reaktionen auf das<br />
Bulletin 06/2002<br />
Foto: Rainer Wolfsberger<br />
Bulletin-Meinungsumfrage<br />
im Medienspiegel<br />
«Berner Zeitung»:<br />
Ein Land von Optimisten?<br />
«Tribune de Genève»:<br />
Les Suisses restent confiants dans l’avenir<br />
«Corriere del Ticino»:<br />
Svizzeri ottimisti ma preoccupati<br />
Zahlreiche Medien haben die repräsentative Meinungsumfrage<br />
des Bulletin zum Thema Perspektiven (Nr.6/2002)<br />
aufgegriffen. Die über 1000 befragten Stimmbürgerinnen<br />
und Stimmbürger zeichnen zwar ein differenziertes<br />
Bild von der Zukunft, aber sie sind mehrheitlich, und das<br />
ist keineswegs selbstverständlich, immer noch sehr<br />
zuversichtlich und positiv eingestellt: «Familie Schweizer<br />
ist optimistisch» («Wiler Nachrichten»).<br />
Die Perspektive stimmt<br />
Ich möchte Ihnen für die Nummer 6 des Bulletin besonders<br />
danken. Ich fand die Artikel sehr spannend und äusserst<br />
interessant (vor allem Perspektiven, Weltuntergang/Prognosen,<br />
Salz, Gabe der Götter). Obwohl ich schon immer<br />
da und dort einen interessanten Artikel vorfand, ragt die<br />
aktuelle Nummer klar heraus.<br />
Christian King, Wallisellen<br />
Fachinformationen<br />
Das neue Bulletin hat mich gefreut, da es wieder lesenswert<br />
ist. Ich erwarte von einem Bank-Bulletin schwergewichtig<br />
Fachinformationen, und zwar in einer auch für<br />
Nichtbanker verständlichen Sprache. (...) Der Beitrag über<br />
Herrn Kielholz ist beispielhaft. Es geht darum, diese<br />
Menschen besser kennen zu lernen, um wieder Vertrauen<br />
in die Credit Suisse zu gewinnen. Es wäre auch ehrlich,<br />
über Negativschlagzeilen – zum Beispiel die happigen<br />
Bussen in den USA – eine Stellungnahme zu lesen. (...)<br />
Max Keller, per E-Mail<br />
Geärgert? Gefreut?<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Sagen Sie uns Ihre Meinung! Schicken Sie Ihre<br />
Leserbriefe an: Credit Suisse Financial Services,<br />
Redaktion Bulletin, XCPB, Postfach 2, 8070 Zürich<br />
oder an <strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
ruth.hafen@credit-suisse.com<br />
«Für Hoffnung sind sie gut,<br />
aber verstehen, um zu hoffen»<br />
Ich habe kürzlich ein neues Computerspielzeug entdeckt. Seitdem<br />
verbringe ich Stunden vor dem Bildschirm, nur so zum Spass.<br />
Mein Mann macht sich auch schon Sorgen. Immer dieses Gekichere,<br />
manchmal auch explosionsartiges Gelächter. Mein neuer Zeitvertreib:<br />
Ich lasse mir Texte online übersetzen.<br />
Mein absoluter Liebling ist Babelfish. Hinter der Adresse<br />
http://babelfish.altavista.com/babelfish/tr verbirgt sich für mich ein<br />
nie versiegender Quell sprachlichen Aberwitzes. Eine kleine Kostprobe?<br />
«Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern. Es war die<br />
Nachtigall, und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr<br />
durchdrang.» Zugegeben, den armen Fisch mit einem Happen aus<br />
Shakespeares «Romeo und Julia» zu füttern, ist nicht gerade die<br />
feine Art, aber es ist immerhin eine der bekanntesten Zeilen aus<br />
der Weltliteratur, vielleicht kennt er sie ja. Babelfish übersetzt mir<br />
zuerst auf Englisch: «Do you want already gehn? The day is still<br />
far. It was the nightingale, and not the lark, which penetrated your<br />
banges ear evenly now.» Etwas faul und fantasielos, dieser Fisch.<br />
Gleich nochmal, jetzt soll er sein «Englisch» hurtig wieder ins<br />
Deutsch zurückübersetzen. Vielleicht ergibt das wieder die Originalversion.<br />
«Wünschen Sie bereits gehn? Der Tag ist noch weit. Es<br />
war die Nachtigall und nicht der Lark, der Ihr banges Ohr gleichmässig<br />
jetzt eindrang.»<br />
Ich frage mich, wer sich ernsthaft solcher maschineller Übersetzungen<br />
bedient. Vermutlich die arroganten Dummbeutel, die mich<br />
früher herablassend musterten, wenn ich die Frage nach meiner<br />
Studienrichtung beantwortete. «Englisch? Das muss man doch<br />
nicht studieren, das kann man doch so.» Bei Lernmethoden, die<br />
«Englisch ohne Mühe», «Japanisch in dreissig Tagen» oder «Suaheli<br />
im Sauseschritt» propagieren, sollten bei einem Menschen mit normalem<br />
Verstand die Alarmglocken klingeln. Eine Sprache zu lernen<br />
ist harte Arbeit, sie gut in eine andere zu übersetzen, eine hohe<br />
Kunst. Da bleibt nur die Hoffnung, dass es noch lange gute Übersetzer<br />
gibt, damit wir nicht auf Babelfish und Konsorten zurückgreifen<br />
müssen. Apropos Hoffnung: Rudolf Augstein, der Ende<br />
2002 verstorbene Gründer des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel»,<br />
hat etwas gesagt, das mich sehr beeindruckt: «Hoffnung ist gut,<br />
aber nicht zu hoffen ist Verstand.» Mein Freund Babelfish hingegen<br />
meint: «Für Hoffnung sind sie gut, aber verstehen, um zu hoffen.»<br />
Ruth Hafen<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 39
Drum prüfe, wer sich bindet<br />
Autofahren ist ein teurer Spass. Teurer, als es sich die meisten Autobesitzer eingestehen wollen.<br />
Daran ändert auch das neue Konsumkreditgesetz nichts. Marcus Balogh, Redaktion Bulletin<br />
Als Folge des siebentägigen<br />
Rücktritts- beziehungsweise<br />
Widerrufsrechts werden neu<br />
geleaste Fahrzeuge in Zukunft<br />
wohl erst nach einer ebenso<br />
langen Wartefrist ausgeliefert<br />
Für kein Konsumgut wird mehr Geld<br />
ausgegeben als für das Auto. Und es gibt<br />
wohl kein Alltagsobjekt, das derart<br />
stark emotional besetzt ist – es sei eben<br />
identitätsstiftend, erklären Psychologen.<br />
In der Tat kann der Kauf eines Autos nicht<br />
nur rationale Beweggründe haben. Wie<br />
sollte man auch erklären, dass sich im Zeitalter<br />
des (beinahe) globalen Tempolimits<br />
ausgerechnet die teuren und schnellen<br />
Autos besonders gut verkaufen? Schliesslich<br />
liesse sich ja praktisch jedes Mobilitätsbedürfnis<br />
auch mit günstigen und sparsamen<br />
Kleinwagen befriedigen. So aber<br />
beläuft sich in der Schweiz der Durchschnittspreis<br />
für ein fabrikneues Auto auf<br />
rund 34 000 Franken. «Diesen Betrag<br />
blättern die wenigsten aber einfach auf den<br />
Tisch. In der Schweiz ist etwa jedes<br />
zweite Auto geleast», erklärt Thomas Gulich,<br />
Leiter des Geschäftsbereichs Leasing<br />
der Credit Suisse. Werden dazu noch alle<br />
über Kredite finanzierten Fahrzeuge hinzugezählt,<br />
zeigt sich, dass vier Fünftel aller<br />
Autos in der Schweiz fremdinanziert sind.<br />
An dieser Tatsache wird sich auch mit<br />
der Einführung des neuen Konsumkreditgesetzes<br />
nicht viel ändern. «Das neue<br />
Konsumkreditgesetz gestaltet zwar das<br />
Kreditrecht mit Privatpersonen grundlegend<br />
um, auf unsere Geschäfte hat es aber<br />
keine grossen Auswirkungen. Die Prüfung<br />
der Einkommenssituation und die Meldung<br />
des Leasings oder des Kredits an eine<br />
zentrale Informationsstelle ist bei uns seit<br />
Jahren Standard», so Thomas Gulich.<br />
Die bekannten Probleme bleiben bestehen<br />
Neu kommen im Wesentlichen eine erweiterte<br />
Kreditfähigkeitsprüfung und Budgetberechnung<br />
sowie ein siebentägiges<br />
Rücktritts- beziehungsweise Widerrufsrecht<br />
des Leasingnehmers hinzu. Die Neuerungen<br />
haben auch Auswirkungen auf die<br />
Solidarbürgschaft. In Zukunft kann ein<br />
Ehemann nicht mehr Solidarbürge seiner<br />
Ehefrau sein. Dafür kann das Einkommen<br />
des Ehepartners zur Entlastung des Haushaltsbudgets<br />
in der neuen Kreditfähigkeitsprüfung<br />
anteilsmässig herangezogen<br />
werden. Und im Gegensatz zu vorher ist<br />
diese anteilsmässige Budgetentlastung nicht<br />
mehr nur durch den Ehepartner, sondern<br />
auch durch nicht verwandte Personen<br />
im gleichen Haushalt möglich, zum Beispiel<br />
durch den Konkubinatspartner.<br />
Auf die umfangreiche Kreditfähigkeitsprüfung<br />
kann übrigens verzichtet werden,<br />
wenn der Leasingnehmer ausreichende und<br />
nicht gebundene Vermögenswerte bei der<br />
Bank hält. In solchen Fällen unterliegt<br />
der Leasingvertrag nicht mehr dem neuen<br />
Konsumkreditgesetz und darf deshalb auch<br />
nicht der Informationsstelle für Konsumkredit<br />
(IKO) gemeldet werden. Alles in allem<br />
beurteilt Thomas Gulich das neue Konsumkreditgesetz<br />
als konsumentenfreundlich –<br />
wenn es auch an den grundsätzlichen Problemen<br />
nur wenig ändert. «Wir bekommen<br />
die trübe wirtschaftliche Lage zu spüren. Die<br />
Anzahl von Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten<br />
wächst. Die Leasingrate ist eben<br />
nicht der einzige Budgetposten, der aufs<br />
Portemonnaie schlägt. Dazu kommen noch<br />
die Versicherungen, die Steuern, der Be-<br />
Foto: Mark Gilbert/Stone<br />
40 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
AKTUELL<br />
trieb und der Unterhalt. Und ein Polster für<br />
Unvorhergesehenes schadet auch nicht.»<br />
Sollte sich ein Leasingnehmer dazu entschliessen,<br />
unter diesen Umständen vorzeitig<br />
seinen Vertrag zu kündigen, wird ihm<br />
eine rückwirkende Erhöhung der Leasingraten<br />
mit entsprechend verkürzter Leasingdauer<br />
in Rechnung gestellt – was vom<br />
neuen Konsumkreditgesetz gestützt wird.<br />
Die persönlichen Vorlieben sind entscheidend<br />
Der Entscheid, ob ein Auto vollständig mit<br />
Eigenmitteln gekauft wird, in einer Kombination<br />
von Eigenmitteln und Fremdmitteln<br />
oder ausschliesslich mit Fremdmitteln<br />
gekauft oder geleast werden soll,<br />
hängt im Wesentlichen von den Präferenzen<br />
in der persönlichen Finanzplanung,<br />
der Liquidität und den Möglichkeiten zu<br />
alternativen Anlagen ab. Zudem müssen<br />
die laufenden Kosten eines Fahrzeuges<br />
berücksichtigt werden. Ein bar bezahlter<br />
Kleinwagen in der Preiskategorie um 16 000<br />
Franken kostet je nach gefahrenen Kilometern<br />
jährlich bereits zwischen 5500 und<br />
8500 Franken. Ein Fahrzeug der oberen<br />
Mittelklasse, mit einem Kaufpreis von rund<br />
55 000 Franken, schlägt gar mit rund<br />
Merkmale Leasing<br />
p Keine Beanspruchung vorhandener liquider Mittel und/oder<br />
Privatkreditlimiten für den Barkauf.<br />
p Das Fahrzeug muss nach Ablauf oder Kündigung zurückgegeben<br />
werden.<br />
p Im Leasing gilt die neue Regelung nach KKG nicht, wonach Konsumkredite<br />
in maximal 36 Monaten budgetmässig rückzahlbar sein müssen.<br />
p Während der ganzen Leasingdauer muss das Fahrzeug<br />
vollkaskoversichert bleiben.<br />
Merkmale Kredit<br />
p Keine Beanspruchung von Eigenmitteln/Ersparnissen.<br />
p Kredite müssen – im Gegensatz zum Leasing – budgetmässig innert<br />
maximal 36 Monaten rückzahlbar sein, auch wenn eine längere<br />
Laufzeit vereinbart wird.<br />
12 000 bis 18 000 Franken zu Buche. Die<br />
Zahlen scheinen hoch. Doch rund ein<br />
Drittel machen alleine die Amortisation<br />
und der Wertverlust aus.<br />
Beim Leasing bleiben Eigenmittel und<br />
Kreditlimiten hingegen frei. Zudem vermeidet<br />
man alle Eigentümerrisiken eines<br />
Barkaufes. Und selbst die oftmals als<br />
Nachteil erwähnte Rückgabe des Fahrzeuges<br />
nach Ablauf der Leasingdauer<br />
entpuppt sich bei genauem Hinsehen als<br />
Vorteil: Denn schliesslich bezahlt der<br />
Leasingnehmer gerade dadurch mit seinen<br />
Raten nicht den vollen Preis des Autos,<br />
sondern nur die effektive Nutzung mit einem<br />
wirtschaftlich realistischen Restwert. ❙<br />
Leasing, Flottenleasing und Fleet Management<br />
Die fortschreitende Globalisierung zwingt<br />
auch in der Schweiz immer mehr Unternehmen,<br />
Rationalisierungs- und Ersatzinvestitionen<br />
vorzunehmen. Dabei werden die<br />
vorhandenen Ressourcen immer häufiger<br />
auf das Kerngeschäft konzentriert. In diesem<br />
Zusammenhang erweist sich das Outsourcing<br />
von Finanzierung und Management<br />
peripherer Unternehmensbereiche wie<br />
etwa Fahrzeugflotten, Telekommunikation<br />
und Energie, aber auch von Geschäftsimmobilien<br />
und von -flugzeugen als Gebot<br />
der Stunde und trägt nicht unwesentlich<br />
zur nachhaltigen Verbesserung der Gesamtkapitalrendite<br />
bei.<br />
Als Schweizer Marktführer im Investitionsgüterleasing<br />
konnte die Credit Suisse<br />
kürzlich mit der Feldschlösschen Getränke<br />
AG (FGG) als Leasingnehmerin und der<br />
Volvo Trucks (Schweiz) AG als Lieferantin<br />
eine Rahmenvereinbarung zur Gesamterneuerung<br />
der Last- und Lieferwagen-<br />
Flotte der FGG abschliessen.<br />
Auf Basis dieser strukturierten Finanzierungslösung<br />
geht die Feldschlösschen<br />
Getränke AG mit der Volvo Trucks<br />
(Schweiz) AG zunächst eine so genannte<br />
Systempartnerschaft ein. Sie beinhaltet<br />
unter anderem ein «Sale and Rent Back»<br />
der bestehenden Flotte, die im Lauf<br />
der nächsten anderthalb Jahre vollständig<br />
durch 200 neue Leasingfahrzeuge<br />
samt Aufbauten, Hebebühnen, Wartung<br />
und Reparatur durch die Volvo Trucks<br />
(Schweiz) AG ersetzt wird. Der erste neue<br />
Anhängerzug wurde von der Feldschlösschen<br />
Getränke AG bereits Anfang Januar<br />
in Empfang genommen.<br />
Diese partnerschaftliche Finanzierungslösung<br />
weist für alle beteiligten Parteien<br />
einen äusserst attraktiven Win-Win-Win-<br />
Charakter auf und soll daher auch als<br />
prototypischer Modellfall für europaweite<br />
Finanzierungen dienen. Im Zusammenhang<br />
mit der aktuellen C02-Problematik und<br />
dem dadurch erforderlichen hohen<br />
Erneuerungsbedarf an schadstoffreduzierten<br />
und betriebskostengünstigeren<br />
Fahrzeugflotten, aber auch im Hinblick<br />
auf «Basel II» (siehe auch Artikel auf Seite<br />
63) mit seinen verschärften Eigenmittelunterlegungsvorschriften<br />
für Finanzierungsinstitute<br />
wird sich das Leasing<br />
im Rahmen des «risk-adjusted pricing» als<br />
«star product» für Objektfinanzierungen<br />
sowohl mit KMU als auch Grossunternehmen<br />
erweisen. (nj)
Neues Bondprodukt bietet<br />
Kapitalschutz und Chance auf mehr<br />
Heute sind Anlagen gefragt, die einerseits Kapitalschutz bieten und andererseits dem Anleger<br />
die Chancen auf attraktive Renditen offen halten. Vor diesem Hintergrund lanciert die Credit Suisse<br />
den Man Performance Bond Ltd. Anke Haux, Structured Investments Group<br />
In schwierigen Zeiten wie heute wächst<br />
der Wunsch nach Sicherheit. Dies gilt<br />
besonders im Finanzbereich. Das aktuelle<br />
von Verunsicherungen geprägte Marktumfeld<br />
erschwert gezieltes Investieren.<br />
Gefragt sind heute Sicherheit und Kapitalschutz,<br />
ohne dabei die Möglichkeit von<br />
attraktiven Zusatzrenditen vollends auszuschliessen.<br />
Der neue Man Performance<br />
Bond Ltd. trägt diesem Markttrend Rechnung.<br />
Das Produkt setzt sich im Wesentlichen<br />
aus zwei Bausteinen zusammen: einer<br />
festverzinslichen Anlage und einem Handelsportfolio.<br />
Die festverzinsliche Anlage<br />
stellt die Kapitalrückzahlung am Ende der<br />
Laufzeit (durchschnittlich zwölf Jahre)<br />
von mindestens 120 Prozent des anfangs<br />
investierten Betrags sicher (respektive 100<br />
Prozent für die Franken-Tranche). Die<br />
Rückzahlung wird von einer unabhängigen<br />
Drittpartei garantiert, die über eine ausgezeichnete<br />
Bonität verfügt – das heisst,<br />
von der Ratingagentur Standard & Poors<br />
mit einem AA- bedacht wurde.<br />
Die Rendite des Handelsportfolios stellt –<br />
wie im Chart beschrieben – eine zusätzliche<br />
Gewinnmöglichkeit dar. Bei einer Netto-<br />
Performance, die zehn Prozent übertrifft,<br />
besteht die Möglichkeit, dass Niveau des<br />
Kapitalschutzes in Absprache mit dem<br />
Garantiegeber zu erhöhen (so genannter<br />
Profit Lock-in).<br />
Das Handelsportfolio besteht aus Alternativen<br />
Anlagen. Diese haben sich im<br />
schwierigen Marktumfeld der letzten Monate<br />
bewährt und je nach der Richtung der<br />
Gewinnbringende Sicherheit trotzt dem Marktumfeld<br />
Die Struktur des Man Performance Bond Ltd. besteht aus zwei Bausteinen:<br />
einer festverzinslichen Anlage, welche die Kapitalrückzahlung am Ende der Laufzeit<br />
sicherstellt, und einem Handelsportfolio, welches aus Alternativen Anlagestrategien<br />
besteht und zusätzliche Gewinne erwirtschaften soll. Quelle: CSFS Structured Investments Group<br />
in % Leverage: max. 120%<br />
des Anlagevermögens<br />
170<br />
160<br />
150<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
Handelsportfolio:<br />
90<br />
Alternative Anlagestrategien<br />
30%<br />
80<br />
70<br />
60<br />
Festverzinsliche<br />
50<br />
Anlage<br />
40<br />
70%<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Initialinvestition: 100%<br />
Leverage: max. 150%<br />
des Anlagevermögens<br />
Profit Lock-in<br />
Laufzeit: durchschnittlich 12 Jahre. Die Angaben beziehen sich auf die Euro- und die US-Dollar-Tranche.<br />
Potenzielle<br />
Handelsgewinne<br />
Kapitalschutz<br />
EUR/USD:<br />
120% des<br />
ursprünglich<br />
investierten<br />
Betrags<br />
Anke Haux,<br />
Structured<br />
Investments<br />
Group<br />
Märkte werden unterschiedliche Strategien<br />
zum Zugpferd der Rendite des Handelsportfolios.<br />
Dadurch, dass im Portfolio alle<br />
wichtigen Alternativen Strategien enthalten<br />
sind, kann dieses in sehr unterschiedlichen<br />
Märkten attraktive Renditen generieren.<br />
Die Alternativen Anlagestrategien, in die<br />
investiert wird, werden in vier Kategorien<br />
gegliedert: Managed-Futures-Strategien,<br />
Securities Selection (long/short), Event-<br />
Driven-Strategien und Arbitrage-Strategien.<br />
Der Manager des Man Performance Bond<br />
ist die Man Investment Products Ltd.<br />
mit Sitz in Pfäffikon, Schwyz. Sie ist eine<br />
der führenden Firmen im Bereich Alternativer<br />
Anlagestrategien. 1983 gegründet, hat<br />
Man Investment Products Ltd. bisher über<br />
200 Alternative Investmentvehikel lanciert,<br />
viele davon in Zusammenarbeit mit<br />
führenden Finanzinstituten. Auf Grund<br />
der Erfahrung und der Expertise der Man<br />
Investment Products Ltd. bietet das<br />
Anlagevehikel Zugang zu einem Portfolio<br />
Alternativer Anlagen, die von einer Anzahl<br />
ausgesuchter Manager sorgfältig ausgewählt<br />
und permanent überwacht werden.<br />
Die Kombination von Expertise im<br />
Management eines Portfolios Alternativer<br />
Anlagestrategien mit der Sicherheit einer<br />
Kapitalgarantie per Ende der Laufzeit<br />
macht den Man Performance Bond Ltd.<br />
im gegenwärtigen Marktumfeld zu einer<br />
attraktiven Anlagemöglichkeit.<br />
❙<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
42 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
AKTUELL<br />
ESPRIX feiert<br />
Jubiläum<br />
Der ESPRIX, Schweizer Qualitätspreis für<br />
Business Excellence, wird am Mittwoch,<br />
12. März 20<strong>03</strong>, in Luzern bereits zum fünften<br />
Mal verliehen. Als Hauptsponsor möchte die<br />
Credit Suisse einen Beitrag zur Erhöhung<br />
der Konkurrenzfähigkeit von Schweizer Unternehmen<br />
leisten, denn ESPRIX vermittelt<br />
Impulse für das Streben nach umfassender<br />
Unternehmensqualität und fördert nachhaltige<br />
Spitzenleistungen.<br />
Letztes Jahr gewannen den begehrten<br />
Award die Getreidemühle Minoteries de Plainpalais<br />
SA, Granges-près-Marnand, bei den<br />
KMU sowie die Luzerner Elektronik- und<br />
Elektrofirma Schurter AG bei den Grossunternehmen.<br />
Ebenfalls ausgezeichnet wurden die<br />
beiden KMU Hotel Saratz, Pontresina, sowie<br />
die Pumpenherstellerin Biral AG, Münsingen.<br />
Das attraktive Programm des ESPRIX 20<strong>03</strong> –<br />
Forum für Excellence zum Thema «Erfolgreich<br />
führen im Wandel der Zeit» lohnt einen Gang<br />
nach Luzern in jedem Falle. Neben Bundesrat<br />
Kaspar Villiger referieren Jens Alder, CEO<br />
Swisscom, André Kudelski, CEO Kudelski-<br />
Gruppe, Richard F. Teerlink, ehemaliger CEO<br />
Harley-Davidson, sowie Klaus Kobjoll, Inhaber<br />
Hotel Schindlerhof, Nürnberg.<br />
Anmeldeschluss 24. Februar. Mehr unter<br />
www.esprix.ch (schi)<br />
Wer wird wohl am 12. März den Schweizer<br />
Qualitätspreis für Business Excellence –<br />
den ESPRIX 20<strong>03</strong> – aus Luzern nach Hause tragen?<br />
Nach-Lese<br />
Wer sagt, Elefanten<br />
können nicht tanzen?<br />
Von Louis V. Gerstner Jr., gebundene Ausgabe, 351 Seiten,<br />
etwa 52 Franken, ISBN 3-421-05696-X<br />
«Das Letzte, was IBM braucht, sind Visionen»,<br />
sagte Louis V. Gerstner Jr., als er 1993 seinen<br />
Posten als Exekutivdirektor von IBM antrat. Er<br />
hatte nach einigem Zögern die Herausforderung<br />
angenommen, einen der grössten amerikanischen<br />
Konzerne mit weltweit knapp 320 000 Mitarbeitern<br />
zu retten. In seinem Buch «Wer sagt, Elefanten<br />
können nicht tanzen» schildert er den Kraftakt, mit<br />
dem es ihm innerhalb von zehn Jahren gelang, den heruntergewirtschafteten<br />
Konzern wieder nach oben zu bringen. Eines der grössten<br />
Hindernisse, auf die der Branchenaussenseiter stiess, waren<br />
verkrustete Strukturen auf allen Ebenen und eine «ausserordentliche<br />
Verbohrtheit». In seinem teilweise sehr persönlich gefärbten Rückblick<br />
schildert Gerstner seine Strategie, macht sich Gedanken<br />
zu Unternehmens- und Kommunikationskultur, und prangert – ohne<br />
je die Contenance zu verlieren – die rüpelhaften Verhaltensweisen<br />
in der IT-Branche an. Auch wenn stellenweise eine gewisse<br />
IBM-Propaganda nicht zu überlesen ist, bietet das Buch aufschlussreiche<br />
Lektüre. Ruth Hafen, Redaktion Bulletin<br />
Funky Business<br />
von Jonas Ridderstrale und Kjell Nordström,<br />
broschiert, 252 Seiten, etwa 25 Franken, ISBN 3-426-82360-8<br />
«Marx ist zurück – und er hatte Recht. Die Arbeiter<br />
sollten die wesentlichen Produktionsmittel der<br />
Gesellschaft besitzen. Das tun wir jetzt. Das<br />
wichtigste Produktionsmittel ist klein, grau und<br />
wiegt etwa 1,3 Kilogramm: Es ist das menschliche<br />
Gehirn.» Diese Behauptung stammt von Kjell<br />
Nordström und Jonas Ridderstrale, zwei jungen<br />
Assistenzprofessoren an der Stockholm Business<br />
School. Gemäss den Autoren hängt der Geschäftserfolg von der<br />
Fähigkeit ab, den Intellekt vieler zu vereinigen. Ihre Alternative zum<br />
Konservatismus ist eine Geschäftsrevolution: kreatives Chaos soll<br />
produktiver sein als bürokratische Strukturen. Ihr theoretisches<br />
Modell heisst Funky Inc. und verlangt nach visionären Leadern,<br />
die Chaos nicht nur zulassen, sondern auch schaffen, und zwar in<br />
einem innovativen Umfeld mit hoher Fehlertoleranz. Funky Inc. erfordert<br />
mutige Einzelpersonen, die Risiken eingehen, Regeln brechen<br />
sowie neue schaffen und ihre Kunden überraschen, statt sie nur<br />
zufrieden zu stellen. «Funky Business» ist ein Buch über Geschäfte<br />
und Management mit einem New-Age-Touch; es ist erfrischend<br />
und unkonventionell,sozusagen der Rock ’n’ Roll der Volkswirtschaft.<br />
Maria Dolores Lamas, Analystin Credit Suisse Private Banking<br />
3 Weitere Rezensionen finden sich im Financial Bookshelf<br />
unter www.cspb.com<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 43
AKTUELL<br />
Henri Berchtold (links) und<br />
Daniel Dietrich bieten<br />
massgeschneiderte Lösungen<br />
für eine anspruchsvolle<br />
Kundschaft.<br />
Ein Blick hinter die Bankfassade<br />
«Unser Erfolg ist eine Frage der Glaubwürdigkeit»<br />
Sie sind berühmt oder unbekannt, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere oder im Ruhestand – und sie<br />
alle sind Kunden von Henri Berchtold. Als Leiter des so genannten Sport and Entertainment Desk betreut<br />
er Hochleistungssportler und die Prominenz der Unterhaltungsbranche. Marcus Balogh, Redaktion Bulletin<br />
Brauchen Spitzensportler oder Künstler<br />
wirklich spezielle Betreuung? «Ja, denn<br />
ihre Karrieren haben einige Besonderheiten»,<br />
so Daniel Dietrich, Managing<br />
Direktor der Credit Suisse in Genf. «Beide<br />
Gruppen häufen oft innert kurzer Zeit<br />
ein beträchtliches Vermögen an. Im Unterschied<br />
zu den normalen Kunden des<br />
Private Banking haben sie aber keine über<br />
Jahre etablierte Beziehung zu Vermögensverwaltern<br />
oder Anlageberatern. Und im<br />
Vergleich zu Geschäftsleuten fehlt ihnen in<br />
Geldsachen oft das Know-how.»<br />
Rund ein Dutzend Mitarbeitende der<br />
Credit Suisse in Genf arbeiten an eigens<br />
auf diese Kunden zugeschnittenen<br />
Vermögens- und Versicherungsprodukten.<br />
«Zusammen mit der Interbroke Ltd.,<br />
einem der grössten Broker der bekannten<br />
Londoner Versicherung Lloyd’s, bieten<br />
wir eine ganze Reihe von Spezialversicherungen<br />
an. Sie decken zum Beispiel den<br />
Verlust von Sponsorenverträgen, den Ausfall<br />
von Start- und Siegerprämien, den<br />
Lohnausfall bei Erwerbsunfähigkeit oder<br />
Invalidität und vieles andere mehr ab.»<br />
Leiter des so genannten Sport and<br />
Entertainment Desk ist Henri Berchtold.<br />
Seit Daniel Dietrich 1997 das Konzept des<br />
Sport and Entertainment Desk entwickelt<br />
hat, arbeitet Berchtold sehr erfolgreich<br />
an einem ständig wachsenden Netzwerk aus<br />
Rechtsanwälten, Agenten, Treuhändern,<br />
Trainern, Sportlern und Showbusiness-<br />
Prominenz. Dank dieser Bemühungen ist<br />
das Sport and Entertainment Desk heute<br />
auch in Genf beheimatet. «Die Kontakte<br />
sind das A und O – vorausgesetzt, man ist<br />
glaubwürdig und hält, was versprochen<br />
wurde.» Ein Teil dieser Glaubwürdigkeit<br />
ergibt sich aus der Grösse der Credit Suisse.<br />
Einen anderen steuern die Produkte bei.<br />
«Und schliesslich kommen zwei meiner<br />
Mitarbeiter aus der Sportszene, ein weiterer<br />
hat als Physiotherapeut Spitzensportler<br />
betreut, ein Dritter kann auf Kontakte zur<br />
anglophonen Sportszene zurückgreifen.»<br />
Das allein reicht aber immer noch nicht<br />
aus. Henri Berchtold kennt jeden einzelnen<br />
seiner rund 100 Kunden persönlich. Und<br />
er hat für sie jederzeit ein offenes Ohr.<br />
«Und damit meine ich wirklich jederzeit.<br />
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Sportler<br />
mitten in der Nacht anruft, weil er grad<br />
am anderen Ende der Welt einen Wettkampf<br />
hat und es bei ihm 15 Uhr ist. Für ihn<br />
ist das eben kein Anruf bei einer Bank,<br />
sondern ein kollegiales Gespräch.»<br />
Im Idealfall knüpft Henri Berchtold den<br />
Kontakt schon ganz zu Beginn einer Laufbahn.<br />
Das erlaubt den Aufbau einer guten<br />
Beziehung und eine frühzeitige finanzielle<br />
und berufliche Planung für die Jahre nach<br />
der Aktivzeit. Diese Taktik erklärt auch die<br />
grossen finanziellen Unterschiede zwischen<br />
Berchtolds Kunden. «Einige haben noch<br />
sehr wenig Geld, dafür grosses Potenzial.<br />
Andere besitzen bereits ein immenses<br />
Vermögen.» Trotzdem muss die eine Gruppe<br />
ebenso persönlich betreut werden wie die<br />
andere. «Denn wen wir als Anfänger nicht<br />
zufrieden stellen, der kommt auch als Star<br />
nicht zu uns. Ausserdem finden die meisten<br />
ihren Weg zu uns durch Mund-zu-Mund-<br />
Propaganda. Wie gesagt, alles beruht auf<br />
persönlichen Kontakten – und es würde<br />
mich nicht wundern, wenn ich die höchste<br />
Handyrechnung der Credit Suisse hätte.» ❙<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
44 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
AKTUELL<br />
emagazine<br />
Ihr Link zu unserem Know-how: http://www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Profitieren Sie vom Wissen und von den Erfahrungen unserer Experten.<br />
emagazine bietet kostenlos<br />
p einen wöchentlichen Newsletter mit Beiträgen aus Wirtschaft, Kultur und Sport<br />
p ein umfangreiches Themenarchiv, welches laufend erweitert wird<br />
p einen Shop mit allen wichtigen Publikationen der Credit Suisse<br />
p Videointerviews mit Finanzanalysten, Ökonomen und Wirtschaftsführern<br />
p sämtliche Bulletin-Ausgaben der letzten fünf Jahre<br />
Im Februar 20<strong>03</strong> online:<br />
Invest<br />
Videointerview: Gold als Goldgrube für Anleger?<br />
Die Einstellung gegenüber Gold ist – nach dem Rekordtief im Sommer 1999 – grundsätzlich<br />
wieder positiver geworden. Die latente Terrorangst, Exzesse an den Aktienmärkten und<br />
in der Wirtschaft sowie «Corporate Governance»-Probleme haben Gold wieder zu einem<br />
attraktiven «safe haven» werden lassen. Der Goldkursanstieg war in den letzten Monaten<br />
beträchtlich. Bleibt dies so? Beat Schumacher, Ökonom der Credit Suisse, nimmt Stellung.<br />
Geld und Karriere<br />
Gutes Management ist lernbar<br />
Gerade in den heutigen schwierigen Zeiten sind gute Manager nötiger denn je. Richtiges<br />
Führungsverhalten wird den wenigsten in die Wiege gelegt, ist aber, so Professor Fredmund<br />
Malik von der Universität St. Gallen, lernbar. Malik nahm an einem Online-Forum der Credit<br />
Suisse teil. Dabei wurden ihm Fragen gestellt wie: «Was halten Sie vom Konzept ‹manage<br />
your manager›?» – «Liegt die Verantwortung für bessere Manager bei den Mitarbeitenden?»<br />
Fotos: Patrick Coughlin/Stone, Antonio Mo/Taxi, Alan Powdrill/Taxi, ©Tobias Everke/Swiss Press<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
Investitionen in Mehrfamilienhäuser sind 20<strong>03</strong> top<br />
Die neue Studie der Credit Suisse zum Immobilienmarkt zeigt Chancen und Risiken direkter<br />
oder indirekter Immobilienanlagen auf und bietet Investoren eine Vielzahl von Entscheidungshilfen.<br />
So werden 20<strong>03</strong> nur 10 000 Einfamilienhäuser gebaut, während es 1999 noch<br />
30 Prozent mehr waren. Was bedeutet dies für den Investor? Und wie wirkt sich wohl der<br />
Stellenabbau von 30 000 Bürobeschäftigten auf die Büroflächenpreise aus?<br />
Kultur<br />
Maximilian Schell – ein Star mit Familiensinn<br />
Vor kurzem porträtierte «emagazine» die Schwestern Katja und Marielle Labèque. Ein noch<br />
bekannteres kulturell tätiges Geschwisterpaar sind Maximilian und Maria Schell. Schauspieler<br />
und Regisseur Maximilian Schell erwies sich im Gespräch als gewinnende Persönlichkeit<br />
mit viel Familiensinn. Seinen Erfolg führt er auf drei Dinge zurück: Glück, Befolgen der ungeschriebenen<br />
Gesetze Hollywoods und Wissen um die Vergänglichkeit des eigenen Ruhms.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 45
Warten Sie nicht länger auf umfassende Sicherheit.<br />
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Wealth Management<br />
Chancen und Risiken 20<strong>03</strong><br />
Wie offen der Ausgang des Jahres 20<strong>03</strong> ist, illustrieren die höchst<br />
gegensätzlichen Einschätzungen, die heute von renommierten Ökonomen<br />
vertreten werden. Drei Szenarien skizzieren diese Positionen:<br />
I<br />
Mit glaubwürdigen Managemententscheiden werden unternehmerische<br />
Überkapazitäten und Ertragsprobleme angepackt. Das Vertrauen<br />
kehrt langsam wieder zurück und stabilisiert die Konjunkturperspektiven.<br />
Die Unsicherheit über den Ausgang der Irak-Krise nimmt ab und als<br />
Folge des psychologischen Stimmungsumschwungs haussieren die<br />
Aktienmärkte.<br />
II<br />
Schuldenabbau und Rückstellungen für die Lücken zahlreicher<br />
Vorsorgeeinrichtungen reduzieren unternehmerische und private Einkommen.<br />
Kapazitäts- und Stellenabbau belasten das Konsumentenvertrauen<br />
und schliesslich die Immobilienpreise. Weil sich auch im Irak<br />
keine rasche Lösung ergibt, bleibt das Anlegervertrauen vorerst aus. Die<br />
Aktienmärkte tendieren schwächer und Staatsanleihen halten ihre<br />
hohen Kurse.<br />
III<br />
Die wachsende Unterdeckung vieler Pensionspläne löst strengere<br />
Bilanzierungsregeln aus, welche manche Unternehmensergebnisse<br />
nachhaltig belasten. Trotz der schwachen Konjunktur steigt das Zinsniveau<br />
auf Grund wachsender Staatsschulden, wegen des Ölpreisanstiegs<br />
und der expansiven Geldpolitik der letzten Jahre. Das Anlegermisstrauen<br />
nimmt nochmals zu und neben den Aktienmärkten<br />
verzeichnen auch die Obligationenmärkte Kursverluste.<br />
Und nun?<br />
Die reale Rendite auf Geldmarktanlagen ist heute bereits<br />
negativ! An den Aktienmärkten sehen wir immer noch mehr Risiken als<br />
Chancen. Die Obligationenmärkte dürften ihren Höhepunkt dieses<br />
Jahr überschreiten. Die besten Perspektiven bieten heute Alternative<br />
Anlagen und intelligent strukturierte Finanzprodukte.<br />
Strategy<br />
48 Anlagestrategien<br />
Experten der Credit Suisse<br />
schätzen die konjunkturelle<br />
Lage ein, beleuchten Währungen,<br />
Obligationen, Aktien und<br />
Alternative Anlagen.<br />
55 Anlagetipp<br />
Das Global Investment Program<br />
hat im Dezember den Widrigkeiten<br />
des Marktes relativ gut getrotzt.<br />
Topics<br />
56 Phantomrisiken<br />
Schwer kalkulierbare Risiken<br />
stellen Finanzdienstleister vor<br />
neue Herausforderungen.<br />
60 Billigflugfirmen<br />
Das Billigflugsegment boomt<br />
und bricht in Europa traditionelle<br />
Strukturen auf.<br />
63 Kreditvergabe<br />
Neue Eigenkapitalvereinbarung<br />
«Basel II» hat Folgen für KMU.<br />
66 US-Immobilienmarkt<br />
Allen Unkenrufen zum Trotz<br />
steht der amerikanische<br />
Immobilienmarkt nicht vor dem<br />
Abgrund.<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
Burkhard Varnholt Head Financial Products<br />
69 Aktien<br />
In der gegenwärtigen Aktienflaute<br />
wird die Dividendenrendite für<br />
viele Investoren wieder attraktiver.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 47
Prognosen<br />
Eurosätze (3 Monate)<br />
Ende 2002 aktuell 16.1.20<strong>03</strong> in 3 Monaten 1 in 12 Monaten 1<br />
USA 1.4 1.4 1.4 2.2<br />
EWU 2.9 2.8 2.4 2.6<br />
GB 4.0 4.0 4.0 4.5<br />
Japan 0.1 0.1 0.1 0.1<br />
Schweiz 0.6 0.6 0.8 1.2<br />
Renditen Staatsanleihen (10 Jahre)<br />
USA 3.8 4.2 3.9 4.6<br />
EWU 4.2 4.3 4.3 4.6<br />
GB 4.4 4.5 4.5 4.8<br />
Japan 0.9 0.9 0.9 1.0<br />
Schweiz 2.2 2.4 2.3 2.8<br />
Devisenkurse<br />
USD/EUR 1.05 1.05 1.05 1<br />
JPY/USD 118.79 119.35 120.0 128.0<br />
CHF/EUR 1.45 1.46 1.46 1.47<br />
CHF/USD 1.38 1.39 1.39 1.47<br />
CHF/GBP 2.23 2.22 2.28 2.26<br />
Wirtschaftswachstum<br />
(BIP-Veränderung gegenüber Vorjahr) 20<strong>01</strong> aktuell 2002 1 20<strong>03</strong> 1<br />
USA 0.3 3.2 (Q3/02) 2.4 2.2<br />
EWU 1.5 0.8 (Q3/02) 0.7 1.5<br />
GB 2.0 2.1 (Q3/02) 1.7 2.0<br />
Japan 0.3 1.5 (Q3/02) –0.9 0.7<br />
Schweiz 0.9 0.6 (Q3/02) 0 1.2<br />
Aktienindizes<br />
Ende 20<strong>01</strong> 14.1.20<strong>03</strong> in 12 Monaten 2<br />
USA S&P 500 1148.08 931.66 0<br />
Japan TOPIX 1<strong>03</strong>2.14 845.90 –<br />
Hongkong Hangseng 11397.21 9796.31 0<br />
Deutschland DAX 5160.10 3098.72 0<br />
Frankreich CAC 40 4624.58 3174.<strong>03</strong> 0<br />
Grossbritannien FTSE 100 5217.40 3945.60 0<br />
Italien BCI 1433.36 1139.42 0<br />
Spanien General 824.40 682.16 0<br />
Niederlande AEX 506.78 335.15 0<br />
Schweiz SMI 6417.80 4965.30 0<br />
1 Prognosen 2 Relativ zum MSCI Welt: + Outperformer 0 Marktperformer – Underperformer<br />
Strategische Asset Allocation in CHF<br />
Ausgewogen<br />
Geldmarkt Obligationen Aktien Alternative Anlagen Total<br />
20<br />
10<br />
Schweiz 10.0 35.0 15.0 60.0<br />
Europa (Euro) 3.5 3.5<br />
Europa (ohne EWU) 2.0 2.0<br />
35<br />
Nordamerika 13.0 13.0<br />
35<br />
Asien 1.5 1.5<br />
Gemischt 20.0 20.0<br />
Total 10.0 35.0 35.0 20.0<br />
Im emagazine der Credit Suisse finden Sie viele weitere Wirtschaftsdaten und -informationen: www.credit-suisse.com/emagazine<br />
48 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT STRATEGY<br />
Konjunktur<br />
Bringt die expansive US-Wirtschaftspolitik<br />
die Weltkonjunktur in Schwung?<br />
Beat Schumacher<br />
p Die Vereinigten Staaten übernehmen<br />
einmal mehr die Funktion einer<br />
Konjunkturlokomotive.<br />
p Das Wachstum des privaten Konsums<br />
bleibt vorerst wohl moderat.<br />
Präsident Bush hat jüngst ein neues, vor allem<br />
Steuerkürzungen umfassendes Stimulierungspaket<br />
von 670 Milliarden US-Dollar für die<br />
nächsten zehn Jahre vorgestellt. Zusammen<br />
mit der Zinssenkung von 525 Basispunkten<br />
auf rekordtiefe 1,25 Prozent in den letzen zwei<br />
Jahren ist die Wirtschaftspolitik in den USA<br />
so expansiv wie selten zuvor. Diese stimulierende<br />
Politik steht im Gegensatz zur Lage in<br />
Euroland, wo sich die Europäische Zentralbank<br />
bisher mit Zinssenkungen schwer tat,<br />
und das Maastricht-Korsett keinen Raum<br />
für eine expansive Fiskalpolitik lässt. Einmal<br />
mehr kommt somit die Funktion der Konjunkturlokomotive<br />
den USA zu.<br />
Die Credit Suisse erwartet, dass die in den<br />
letzten Monaten schwächer gewordene Wachstumsdynamik<br />
der Weltwirtschaft aber in der<br />
nächsten Zeit noch gering bleibt. Neben<br />
dem anhaltenden Bereinigungsprozess der<br />
Übertreibungen der Neunzigerjahre ist das<br />
geschwächte Konsumenten- und Unternehmensvertrauen<br />
dafür verantwortlich. Das<br />
Wachstum des privaten Konsums wird vorerst<br />
wohl moderat sein. In den USA verlieren<br />
die bisherigen Stützen (Autoverkäufe und<br />
Refinanzierungsboom am Häusermarkt) an<br />
Bedeutung und in der Eurozone belastet die<br />
anhaltende Unsicherheit am Arbeitsmarkt.<br />
Bei den Unternehmensinvestitionen ist eine<br />
gewisse Stabilisierung zu beobachten. Eine<br />
Belebung ist aber erst im zweiten Halbjahr<br />
wahrscheinlich, befindet sich die Kapazitätsauslastung<br />
doch noch immer auf einem tiefen<br />
Niveau. Bei einer baldigen Lösung des Irak-<br />
Konflikts würde der Erdölpreis dank dem Wegfall<br />
der Kriegsunsicherheit fallen und die allgemeine<br />
Stimmung sich verbessern. Zusammen<br />
mit den tiefen Zinsen würde dies eine<br />
spürbare Konjunkturerholung ermöglichen.<br />
Wirtschaftsdynamik in den USA, in Europa und Japan<br />
Die Erholung wird noch eine Weile auf sich warten lassen<br />
Das in den letzten Monaten schwächer gewordene Wachstum wird in der nächsten Zeit wohl kaum<br />
radikal an Dynamik gewinnen. Immer noch steht ein Prozess der Bereinigung der Übertreibungen der<br />
Neunzigerjahre an, ausserdem ist das Konsumenten- und Unternehmensvertrauen nach wie vor wacklig.<br />
6-Monats-Veränderung in %<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
–2<br />
–4<br />
–6<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
–8<br />
–10<br />
Quelle: Datastream<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 20<strong>01</strong> 2002<br />
USA Europa Japan<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 49
Aktien<br />
Das Börsentief zieht nur langsam ab<br />
Bernhard Tschanz<br />
p Einiges deutet darauf hin,<br />
dass Mitte 20<strong>03</strong> die lang ersehnte<br />
Börsenwende kommen könnte.<br />
p Die besseren konjunkturellen<br />
Perspektiven sprechen<br />
für amerikanische Aktien.<br />
Die globalen Aktienmärkte verzeichneten<br />
2002 zum dritten Mal in Folge Indexrückschläge.<br />
Das war seit der grossen Depression<br />
von 1929 bis 1933 nicht mehr der Fall.<br />
Und dennoch: Das neue Jahr an den Finanzmärkten<br />
mag zwar noch jung sein, die Themen<br />
sind die Alten geblieben. So bieten die<br />
unverändert hohen politischen und konjunkturellen<br />
Risiken, der schwache US-Dollar und<br />
die kräftig gestiegenen Erdöl- und Goldpreise<br />
kein ideales Umfeld für eine rasche, markante<br />
und dauerhafte Börsenerholung. Sie<br />
sprechen im Gegenteil sogar dafür, dass sich<br />
die hohen Indexschwankungen der zweiten<br />
Jahreshälfte 2002 auch im ersten Semester<br />
des laufenden Jahres wiederholen könnten.<br />
Der S&P 500 generierte damals nach vorhergehenden<br />
Börsenkorrekturen allein im<br />
Juli/August und im Oktober/November zwei<br />
Börsenrallys mit über 20 Prozent Indexanstieg.<br />
Der aggressive Policy-Mix der USA, der eine<br />
stark expansive Geld- und Fiskalpolitik zeigt,<br />
könnte dann aber gegen Mitte 20<strong>03</strong> durchaus<br />
die lang ersehnte Börsenwende einleiten.<br />
Eine V-förmige Börsenerholung ist indes<br />
wenig wahrscheinlich. Die Credit Suisse geht<br />
vielmehr davon aus, dass auf Grund der<br />
ungelösten strukturellen Probleme der Weltwirtschaft<br />
und vieler Unternehmen nur eine<br />
prozentual einstellige, aber positive Anlagerendite<br />
erzielbar ist. Zuerst müsste wohl aber<br />
die Unsicherheit über den Ausgang der<br />
Irak-Krise beseitigt werden. Dazu wäre eine<br />
politisch überzeugende Lösung oder eine<br />
militärisch rasch erfolgreiche Intervention<br />
notwendig. Diese würden zu rückläufigen<br />
Erdölpreisen führen und zusammen mit den<br />
dann freundlich tendierenden Finanzmärkten<br />
das Konsumentenvertrauen und letztlich das<br />
Wirtschaftswachstum stärken.<br />
SMI, Euro Stoxx, S&P 500, Nasdaq<br />
An den Börsen geht es weiterhin bergab<br />
Nach der monatelangen Talfahrt im letzten Jahr erholten sich die Börsen gegen Jahresende kurzfristig.<br />
Doch die lang ersehnte Börsenwende dürfte noch bis Mitte 20<strong>03</strong> auf sich warten lassen.<br />
120<br />
Indexpunkte<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
2000<br />
J<br />
Quelle: Datastream<br />
FMA<br />
MJ J<br />
20<strong>01</strong><br />
A S O N D J FM<br />
A M<br />
SMI<br />
S&P 500 Composite<br />
2002<br />
J J A S O N D J FM<br />
A M<br />
DJ Euro Stoxx 50<br />
Nasdaq Composite<br />
20<strong>03</strong><br />
J J A S O N D J<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
50 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT STRATEGY<br />
Obwohl die US-Börse deutlich höher bewertet<br />
ist als die europäischen Aktienmärkte,<br />
bleibt die Credit Suisse angesichts der besseren<br />
konjunkturellen Perspektiven zumindest<br />
für die nächsten Monate bei ihrer Präferenz<br />
für US-Aktien. Die jüngste Schwächeneigung<br />
des US-Dollars hat das Vertrauen in die<br />
Konkurrenzfähigkeit der US-Unternehmen<br />
und deren besseres Gewinnmomentum<br />
zusätzlich gestärkt. Die diskutierte Steuerbefreiung<br />
der Dividendenausschüttungen würde<br />
ebenfalls positiv wirken. Nichts geändert<br />
hat sich an der negativen Einschätzung der<br />
japanischen Börse.<br />
Defensive Branchen wie Nahrungsmittel,<br />
Getränke oder Tabak bekunden zusehends<br />
Mühe, die seit längerer Zeit gezeigte gute<br />
relative Performance aufrechtzuerhalten.<br />
Trotzdem sollten sie auf Grund der oben erwähnten<br />
Risiken nicht vernachlässigt werden,<br />
mit Akzent auf Wachstum. Hier bieten sich<br />
primär Pharma und Medizinaltechnik (Pfizer,<br />
Aventis, Centerpulse) an. Für ein deutliches<br />
Aufstocken der zyklischen Titel ist es noch<br />
zu früh. Die Selektion von Unternehmen mit<br />
einem starken Cashflow ist hier besonders<br />
wichtig.<br />
Die Credit Suisse favorisiert Aktien aus<br />
den Branchen Papier (Stora Enso), Spezialitätenchemie<br />
(Lonza, DSM) und Software<br />
(Microsoft, SAP). Im Finanzbereich sind eher<br />
defensive Banken wie die Royal Bank of<br />
Scotland den Versicherern vorzuziehen.<br />
Länder-, Branchen- und Titelpräferenzen<br />
Nun müssen auch defensive Branchen mit Gegenwind rechnen<br />
Auch defensive Branchen wie Nahrungsmittel, Getränke oder Tabak bekunden zusehends Mühe, die bis anhin gute<br />
relative Performance weiterhin aufrechtzuerhalten.<br />
Europa Schweiz Nordamerika Japan Asien ohne Japan<br />
Länder Frankreich Korea<br />
Thailand<br />
Sektoren (regional) Versorger Medizinaltechnik Gesundheitswesen, Energie Gesundheitswesen Versorger<br />
Finanzwerte, Industrie Präzisionsgüter Transport<br />
Telekommunikation Automobil<br />
Sektoren (global) 1<br />
Fluglinien/Verkehr (–) China Southern Airlines<br />
Automobil (0) Peugeot Nissan Motor<br />
Banken (0) Royal Bank of Scotland UBS Wells Fargo & Co Kookmin Bank<br />
Rohstoffe (0)<br />
Chemie (0) DSM Lonza Dow Chemicals<br />
Baugewerbe (0)<br />
Verbrauchsgüter (0) The Swatch Group I Kao, Shiseido<br />
Energie (–) ENI Chevron Texaco<br />
Maschinenbau/<br />
Lockheed Martin<br />
Elektrotechnik (0) Caterpillar<br />
Getränke(–)/Nahrungsmittel (0) Danone Nestlé N<br />
Tabak (0)<br />
Versicherungen (0) Generali Swiss Re<br />
IT-Services/Software (0) SAP Microsoft<br />
Medien (–)<br />
Gesundheitswesen (+) Aventis Serono Johnson & Johnson Takeda Chemical<br />
Centerpulse<br />
Amgen<br />
Papier & Zellstoff (0)<br />
Immobilien (0) Wharf Holdings Ltd.<br />
Detailhandel (–) Wal-Mart<br />
Technologie-Hardware (0) Canon, Sharp<br />
Halbleiter (0) Samsung Electr.<br />
Telecom-Ausrüster (+) Alcatel<br />
Telecom-Dienstleister (0) Tele Danmark (TDC) BellSouth<br />
Versorger (+) RWE Huaneng Power<br />
Übrige (–)<br />
Empfohlene Anlagefonds: Mellon Asian Equity Pfl A USD, CS EF Global Pharma, Cordius Inv Euro Corp Bonds, ING (L) Renta Fd Corp USD P Cap<br />
Weitere Fonds unter www.fundlab.com<br />
1 Relativ zum MSCI Welt: + Outperformer 0 Marktperformer – Underperformer<br />
Quelle: CSPB, Stand 27.1.<strong>03</strong><br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 51
Obligationen<br />
Zwischen Konjunkturhoffen<br />
und Kriegsbangen<br />
Anja Hochberg<br />
p Wirtschaft und Finanzmärkte warten<br />
auf eine Lösung des Irak-Konflikts.<br />
p Die anhaltend tiefe Inflation stützt<br />
die Bondmärkte.<br />
Die internationalen Finanzmärkte gehen in<br />
kaum veränderter Ausgangsposition in das<br />
Ertragsrennen des neuen Jahres. Nach wie<br />
vor schwebt das Damoklesschwert des Irak-<br />
Konfliktes über der weltpolitischen Lage und<br />
beeinflusst die konjunkturentscheidende<br />
Stimmung bei den Wirtschaftsakteuren. Insbesondere<br />
in den USA setzt man mit Hilfe von<br />
geld- und fiskalpolitischen Anreizen auf eine<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen. Erst<br />
mit einer Lösung des Irak-Konfliktes können<br />
freilich die Wachstumskräfte in der US-Wirtschaft<br />
zum Tragen kommen. Eine Zinswende,<br />
lange bevor die US-Wirtschaft nach überstandener<br />
Irak-Krise wieder mit nachhaltigen<br />
Wachstumsraten aufwarten kann, braucht<br />
der Bondanleger in den nächsten Monaten<br />
jedoch kaum zu befürchten.<br />
Schützenhilfe für ein weiterhin attraktives<br />
Investitionsumfeld erhalten Obligationen durch<br />
die tiefe Teuerung, die allerdings zum grössten<br />
Teil zyklischer Natur ist. Der entlastende<br />
Effekt der niedrigen Inflation wird in den<br />
kommenden Monaten noch durch die expansive<br />
Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken<br />
verstärkt werden.<br />
Zentralbanken nutzen Spielraum<br />
Das Fed wird angesichts der fragilen weltpolitischen<br />
Situation und der wackligen<br />
Konjunktur an seiner lockeren Geldpolitik<br />
festhalten und erst in einem stabilen Konjunkturumfeld<br />
die Leitsätze wieder anheben.<br />
Die Europäische Zentralbank verfügt sogar<br />
noch über zusätzlichen Zinssenkungsspielraum.<br />
Die anhaltend impulsarme Binnenkonjunktur,<br />
die insbesondere in Deutschland<br />
die Gemüter bewegt, sowie Teuerungsraten,<br />
die bald wieder ins Zielband der Europäischen<br />
Zentralbank zurückgleiten, dürften hier<br />
noch im Frühjahr eine Zinssenkung auf ein<br />
historisches Tief zur Folge haben. Bis zum<br />
Frühsommer 20<strong>03</strong> geht daher die ausgeprägte<br />
politische und wirtschaftliche Unsicherheit<br />
mit seitwärts tendierenden Zinsen<br />
einher.<br />
Kriegsgefahr bannt Wachstumskraft<br />
Langfristzinsen auf historischem Tiefstand<br />
Trotz überwundener US-Rezession verharren die Zinsen auf tiefem Niveau. Politische Unsicherheiten,<br />
schwunglose Konjunktur und tiefe Inflation lassen in den nächsten Monaten kaum Zinsdruck aufkommen.<br />
9<br />
Rendite10-jährige Staatsanleihen in %<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1995<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
1996<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
1997<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
1998<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
1999<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
2000<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
20<strong>01</strong><br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
2002<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.<br />
<strong>01</strong>.05.<br />
<strong>01</strong>.09.<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>. 20<strong>03</strong><br />
Quelle: Bloomberg<br />
USA<br />
Deutschland<br />
Schweiz<br />
52 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT STRATEGY<br />
Währungen<br />
Irak-Konflikt setzt Franken unter<br />
Aufwertungsdruck<br />
Marcus Hettinger<br />
p Der Schweizer Franken notiert wegen<br />
des Irak-Konflikts so stark wie zuletzt<br />
im Mai 1999.<br />
p Das attraktive Zinsniveau sowie das<br />
robuste Wirtschaftswachstum stützen<br />
die Dollarblockwährungen.<br />
Die Abschwächung des Schweizer Frankens<br />
im November war nur von kurzer Dauer. Mit<br />
den gestiegenen geopolitischen Risiken und<br />
einer möglichen militärischen Intervention im<br />
Irak stellt der Franken wieder einmal seine<br />
Rolle als traditionell sicherer Hafen unter<br />
Beweis. Der stärkere Franken dämpft einerseits<br />
die Auswirkungen des gestiegenen<br />
Erdölpreises und verringert somit die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Inflation in der Schweiz.<br />
Auf der anderen Seite verschlechtert sich die<br />
preisliche Wettbewerbsposition exportorientierter<br />
Branchen (zum Beispiel des Tourismus).<br />
Offenbar nehmen die Märkte eine militärische<br />
Intervention im Irak bereits heute vorweg,<br />
womit vorerst ein weiteres deutliches Erstarken<br />
des Frankens begrenzt sein dürfte. Länge,<br />
Dauer und Erfolg einer allfälligen Intervention<br />
im Irak dürften jedoch für die weitere Wechselkursentwicklung<br />
entscheidend sein. Zum<br />
Vergleich bietet sich die Entwicklung des<br />
Frankenkurses während des Irak-Krieges<br />
Anfang der Neunzigerjahre an. Die Grafik zeigt,<br />
dass der Franken deutlich schwächer wurde,<br />
als der Markt begann, einen erfolgreichen<br />
Ausgang des Konflikts zu erwarten.<br />
Spiegelbildlich zur Entwicklung des Schweizer<br />
Frankens dürfte der US-Dollar – bedingt<br />
auch durch die noch gemischten Wachstumsperspektiven<br />
und das tiefe Zinsniveau – vorerst<br />
unter Druck bleiben. Dies sollte jedoch nicht<br />
darüber hinwegtäuschen, dass auch in der<br />
Eurozone die Aussichten alles andere als rosig<br />
sind. Der begrenzte Spielraum der Fiskalpolitik<br />
sowie die die Konsumlust dämpfende hohe<br />
Arbeitslosigkeit werden in Euroland für keine<br />
grossen Wachstumssprünge sorgen. Vor diesem<br />
Hintergrund dürften Währungen, die über<br />
einen Zinsvorteil gegenüber dem US-Dollar<br />
und ein robustes gesamtwirtschaftliches<br />
Wachstum verfügen, eine gute Performance<br />
aufweisen. In dieser Kategorie sind die «Rohstoffwährungen»<br />
australischer, neuseeländischer<br />
und kanadischer Dollar zu finden.<br />
Historische Zyklen des Schweizer Frankens<br />
Schweizer Franken traditionell sicherer Hafen<br />
Ähnlich wie 1991 wertet sich der Schweizer Franken auch im gegenwärtigen Umfeld geopolitischer<br />
Unsicherheit auf. Die militärische Intervention schwächte den Franken 1991 jedoch in der Folge<br />
innerhalb weniger Monate deutlich.<br />
Index (419 Tage vor militärischer Intervention = 100)<br />
110<br />
Irak besetzt Kuwait<br />
2.8.90<br />
105<br />
Beginn Luftangriffe<br />
17.1.91<br />
100<br />
95<br />
90<br />
85<br />
80<br />
75<br />
Fotos: Martin Stollenwerk<br />
70<br />
–419<br />
–359<br />
–299<br />
–239<br />
–179<br />
–119<br />
–59<br />
CHF/USD Zyklus 1990/91<br />
CHF/USD Zyklus 2002/<strong>03</strong><br />
1<br />
61<br />
121<br />
181<br />
241<br />
3<strong>01</strong><br />
Tage<br />
Quelle: Bloomberg, CSPB<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 53
Alternative Anlagen<br />
Hedge Funds können sich<br />
Unsicherheiten zunutze machen<br />
Patrick Husistein<br />
p Bei den Hedge Funds<br />
zeichnet sich im ersten Quartal<br />
eine vorsichtige und fragile<br />
Erholung ab.<br />
p Die Performance der wichtigen<br />
Long/Short Equity Funds<br />
wird sich im ersten Halbjahr<br />
langsam erholen.<br />
Vielen Anlegern und Managern wird das<br />
Jahr 2002 in schlechter Erinnerung bleiben.<br />
Die Investoren verloren grosse Teile ihres<br />
Anlagevermögens und die regelmässigen<br />
negativen Schlagzeilen hinterliessen einen<br />
schalen Geschmack.<br />
Auch die meisten Hedge Funds Manager<br />
sahen sich im letzten Jahr mit einem schwierigen<br />
Marktumfeld konfrontiert, wobei vor<br />
allem die beiden letzten Monate ein sonst<br />
enttäuschendes Jahr retteten. Im Vergleich<br />
zu den traditionellen Aktienindizes gelang es<br />
den meisten Hedge Funds aber, ihr Kapital zu<br />
bewahren, und einzelne Strategien verzeichneten<br />
sogar zweistellige Zuwachsrenditen.<br />
Wie bei traditionellen Anlagen wird das<br />
Verhalten der Hedge Funds Manager im<br />
ersten Quartal des neuen Jahres besonders<br />
durch die Situation im Nahen Osten und die<br />
Folgen daraus bestimmt werden. Im Gegensatz<br />
zu Managern von traditionellen Investments<br />
liegt aber eine Stärke der Hedge<br />
Funds Manager gerade darin, von diesen<br />
Unsicherheiten profitieren zu können. Im Allgemeinen<br />
ist mit einer fortsetzenden, wenn<br />
auch fragilen und heterogenen Erholung in<br />
den verschiedenen Strategien zu rechnen.<br />
Für die volumenmässig grösste Strategie<br />
Long/Short Equity ist vorsichtiger Optimismus<br />
angesagt. Voraussetzungen für ein gutes<br />
Quartal werden ein stabiles Marktumfeld und<br />
sich an Fundamentaldaten orientierende<br />
Investoren sein. Gefahren drohen vor allem<br />
von kurzfristigen volatilen Marktveränderungen.<br />
Ab der zweiten Jahreshälfte rechnet die<br />
Credit Suisse mit einem stabilen Wachstum.<br />
Eine andere weit verbreitete Strategie<br />
zielt darauf ab, durch Beteiligungen an Unternehmen,<br />
die sich in finanziellen Schwierigkeiten<br />
befinden, Profite zu erzielen (Distressed<br />
Securities). Auch hier wird sich<br />
die im vierten Quartal 2002 begonnene<br />
Erholung weiter fortsetzen. Eine geringere<br />
Volatilität, eine sich verbessernde Kreditsituation<br />
und eine steigende Nachfrage nach<br />
Eigenkapital von Firmen versprechen interessante<br />
Renditen für Manager, die diese<br />
Strategie verfolgen.<br />
Performance von Hedge-Fund-Strategien<br />
Ein letztes Aufbäumen zum Jahresende 2002<br />
Dank der überdurchschnittlich guten Monate November und Dezember konnten die meisten Hedge Funds<br />
über das ganze Jahr 2002 gesehen das Kapital bewahren oder gar vermehren.<br />
Managed Futures<br />
Long/Short<br />
Global Macro<br />
Fixed Inc Arb<br />
Event-Driven<br />
Equity Mkt Ntrl<br />
Emerging Markets<br />
Convertible Arbitrage<br />
CSFB/Tremont<br />
Hedge Fund Index<br />
in %<br />
–0.20 0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00 1.20 1.40 1.60 1.80<br />
Durchschnittliche monatliche Rendite<br />
November bis Dezember 2002<br />
Durchschnittliche monatliche Rendite<br />
Jahr 2002<br />
Quelle: CSFB/Tremont Hedge Fund Index<br />
54 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT STRATEGY<br />
Anlagetipp 20<strong>03</strong><br />
«Mit dem Global Investment Program<br />
sind wir optimal positioniert»<br />
Credit Suisse Investmentexperte Pascal Pernet nimmt erstmals Stellung zur Performance seines<br />
Anlagetipps 20<strong>03</strong>, des Global Investment Program (GIP). Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
Fotos: Martin Stollenwerk<br />
«Beim GIP fällen erfahrene externe<br />
Profis die wichtigen Entscheide für<br />
den Kunden.»<br />
Pascal Pernet, Financial Products<br />
Daniel Huber Wie hat sich Ihr Anlagetipp, das<br />
Global Investment Program, kurz GIP,<br />
in den vergangenen zwei Monaten entwickelt?<br />
Pascal Pernet Wir sind zufrieden. Die Performance<br />
der verschiedenen Anlagestrategien<br />
des GIP lag über dem Benchmark.<br />
Wenn Sie besser als der Benchmark sagen,<br />
heisst besser als die traditionellen Anlagekategorien.<br />
Aber absolut gesehen handeln<br />
die GIP-Units zurzeit negativ. Was sagen Sie<br />
dazu? Tatsächlich sind wir absolut gesehen<br />
unter dem Strich leicht negativ, aber in<br />
diesem Umfeld war auch keine positive<br />
Rendite zu erwarten. Trotzdem blicken wir<br />
optimistisch in die Zukunft.<br />
Und wie kommt das? Einerseits hat die Anlagestrategie<br />
eine grosse Resistenz gegenüber<br />
den Marktgegebenheiten bewiesen.<br />
Auf der anderen Seite sind wir mit dem GIP<br />
optimal positioniert. Wir halten uns verschiedene<br />
Möglichkeiten offen, um an den<br />
Entwicklungen, die sich zurzeit an den<br />
Finanzmärkten abzeichnen, gewinnbringend<br />
teilzunehmen.<br />
Die da wären? Wir gehen davon aus, dass<br />
sich die Aktienmärkte im ersten Halbjahr<br />
wegen der schwierigen Situation im<br />
Mittleren Osten weiter unsicher verhalten<br />
werden und erst danach eine positive<br />
Entwicklung einsetzt.<br />
Somit gehen heute, Anfang Februar 20<strong>03</strong>,<br />
die Finanzmärkte ganz klar vom Ausbruch<br />
eines Krieges im Irak aus? Die Art und Weise,<br />
wie die Optionen in den letzten Wochen<br />
positioniert wurden, sprechen eine deutliche<br />
Sprache. Es gibt Erhebungen, die zeigen,<br />
dass die Aktienmärkte zu 80 Prozent von<br />
einem Ausbruch des Krieges und einer relativ<br />
kurzen Kriegsdauer von wenigen Monaten<br />
ausgehen.<br />
Und was passiert mit dem GIP, wenn der Krieg<br />
nicht ausbricht? Das wäre natürlich in jeder<br />
Hinsicht besser. Für einen Investor ist die<br />
Alternative zum GIP, sein Portfolio selbst zu<br />
bewirtschaften und somit alle Entscheide<br />
selber zu fällen. Tendenziell kommen private<br />
Investoren aber immer zu spät, weil ihnen<br />
Relative Performance im Dezember 2002<br />
GIP März 2002 deutlich besser als der Benchmark<br />
GIP März Income<br />
Die GIP-Income-Tranche übertraf den Vergleichsindex<br />
im Monat Dezember 2002 deutlich. Das gute<br />
Ergebnis ist hauptsächlich auf die bessere<br />
Rendite der Alternativen Anlagen zurückzuführen.<br />
Diese sind je nach GIP-Anlagestrategie mit<br />
21 bis 24 Prozent gewichtet.<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
–0.5<br />
–1<br />
–1.5<br />
–2<br />
–2.5<br />
–3<br />
in %<br />
Dezember 2002 –<br />
Performance GIP Income vs. Benchmark<br />
CHF EUR<br />
Benchmark<br />
USD<br />
weniger Informationen zur Verfügung stehen<br />
und sie weiter vom Marktgeschehen entfernt<br />
sind. Beim GIP nehmen externe Profis<br />
den Kunden genau diese Entscheide ab.<br />
Nehmen wir noch den Fall, der Krieg bricht<br />
aus, zieht sich aber wider Erwarten in die<br />
Länge. Welche Folgen hätte das für das GIP?<br />
In diesem Fall ist es Sache unseres Investitionsausschusses<br />
zu entscheiden, wie die<br />
Zusammensetzung des GIP verändert<br />
werden soll und ob beispielsweise der Aktienanteil<br />
heruntergefahren wird oder nicht.<br />
Gibt es Pläne, eine weitere Tranche von GIP-<br />
Units zu lancieren? Tatsächlich ist es so,<br />
dass wir auf Grund der grossen Nachfrage<br />
in diesem März eine weitere GIP-Tranche<br />
auf den Markt bringen.<br />
GIP März Growth<br />
Im Monat Dezember 2002 hat die Growth-Tranche<br />
in einem schwierigen Marktumfeld eine positive<br />
relative Rendite erwirtschaftet. Mit 39 bis 41 Prozent<br />
Aktienanteil ist diese Strategie die meistgewichtete.<br />
Die Alternativen Anlagen sind mit ungefähr<br />
24 Prozent vertreten.<br />
Dezember 2002 –<br />
Performance GIP Growth vs. Benchmark<br />
1<br />
0<br />
–1<br />
–2<br />
–3<br />
–4<br />
–5<br />
–6<br />
–7<br />
in %<br />
CHF EUR USD<br />
Benchmark<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 55
Früher war vieles einfacher, die Risiken waren kalkulierbarer<br />
Es besteht ein Zusammenhang zwischen Risiken und Gefahren einerseits und dem Entwicklungsstand<br />
einer Gesellschaft und deren Wirtschaft anderseits. Waren in der vorindustriellen Gesellschaft Risiken<br />
noch eher einfach zu berechnen, sind sie in der modernen Risikogesellschaft zu schwer bis gar nicht<br />
kalkulierbaren Ausmassen angewachsen. Quelle: Credit Suisse Economic & Policy Consulting, in Anlehnung an Treibel<br />
Vorindustrielle Gesellschaft<br />
Industriegesellschaft<br />
Risikogesellschaft<br />
Vorherrschender<br />
Gefahren- bzw. Risikotyp<br />
Naturkatastrophen,<br />
Seuchen<br />
Begrenzte, von Menschen<br />
verursachte Unfälle<br />
(z.B. Fabriken)<br />
Unbegrenzte, von Menschen<br />
verursachte Unfälle,<br />
Phantomrisiken<br />
Verantwortung<br />
Vermutet bei<br />
transzendentalen Mächten<br />
Zurechenbar<br />
Schwer zurechenbar<br />
Kalkulierbarkeit<br />
Gegeben<br />
(Risiko = Schadenausmass x Eintretenswahrscheinlichkeit)<br />
Fraglich bis nicht gegeben<br />
56 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Fortschritt birgt auch Risiken<br />
Technischer Fortschritt ist immer auch mit Risiken verbunden. Dort, wo die Technikbegeisterung in Skepsis<br />
und Bedenken umschlägt, taucht das Phänomen der so genannten Phantomrisiken auf. Allein schon<br />
Verdachtsmomente können unabsehbare Folgen haben. Cesare Ravara und Thomas Enz, Economic & Policy Consulting<br />
Foto: Martin Barraud/Stone<br />
Unser heutiger Wohlstand basiert massgeblich<br />
auf den innovativen Leistungen vorangegangener<br />
Generationen. Doch Innovation<br />
ist risikobehaftet. Sie ist häufig das Resultat<br />
naturwissenschaftlicher Forschung und Experimente.<br />
Die Menschen nahmen das Risiko<br />
in Kauf und züchteten zum Beispiel aus<br />
Gräsern Getreidepflanzen oder aus wilden<br />
Tieren Haus- und Nutztiere. Aus Mikroorganismen<br />
wie Bakterien und Schimmelpilzen<br />
entwickelten sie Lebensmittel, Medikamente<br />
oder Waschmittel, aus Wasser- und Windkraft<br />
erzeugten sie Energie, oder sie nutzten<br />
physikalische Gesetze zur Entwicklung von<br />
Verkehrsträgern. Damit Innovation sich auszahlt,<br />
muss sie in nutzbringende Produkte<br />
und Dienstleistungen einfliessen. Je höher<br />
der Wohlstand, desto mehr hat ein Individuum<br />
beziehungsweise die Gesellschaft aber zu<br />
verlieren. Entsprechend gross ist das Sicherheitsbedürfnis.<br />
Dies drückt sich darin aus,<br />
dass die Ausgaben für Risikoforschung,<br />
Schadensprävention und Risikodeckung<br />
(Versicherungen) parallel zur Wirtschaftskraft<br />
3 Weitere Informationen zum Thema finden<br />
Sie im Economic Briefing Nummer 31<br />
«Phantomrisiken – real und relevant». Es ist<br />
verfügbar auf dem Internet unter<br />
www.credit-suisse.com/shop unter «economics».<br />
steigen. Innovationen sind somit erst dann<br />
marktfähig, wenn sie auch gesellschaftlichen<br />
Sicherheitsvorstellungen entsprechen.<br />
Technischer Fortschritt und naturwissenschaftliche<br />
Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten<br />
und beeinflussen Zeitgeist und<br />
Wertvorstellungen. Wie die Globalisierung,<br />
Deregulierung und Liberalisierung löst auch<br />
dieser Wandel Anpassungsprozesse aus,<br />
die Chancen und Gefahren in sich bergen.<br />
Weder die Anpassungsprozesse noch die<br />
durch sie hervorgebrachten Chancen und<br />
Gefahren sowie deren Verteilung unter den<br />
Individuen lassen sich jedoch genau vorhersagen.<br />
Gesellschaft und Wirtschaft unterstehen<br />
dem so genannten Änderungsrisiko.<br />
Wenn das Eintreten und das Ausmass von<br />
Chancen und Gefahren eines Entscheides,<br />
einer Handlung oder einer Neuerung nicht mit<br />
absoluter Sicherheit (wie sicher ist sicher?)<br />
bestimmt werden können, sondern nur mit<br />
einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dann<br />
sind die dafür aufgewendeten Mittel risikobehaftet.<br />
Dies gilt sowohl für die Nutzung<br />
industrieller Güter, den Einsatz von Produk-<br />
tionsanlagen, die Energiegewinnung, den<br />
Verkehr, die Luftfahrt, den Transport, die<br />
Pharma- und Chemieindustrie als auch für<br />
die Bildung von Ballungszentren mit hohem<br />
Verletzlichkeitspotenzial oder die Ausbreitung<br />
der Zivilisation in gefährdete Gebiete.<br />
Biotechnologie im Brennpunkt der Debatte<br />
In der Biotechnologie werden die biologischen<br />
Eigenschaften und Fähigkeiten von<br />
Mikroorganismen durch verschiedene naturwissenschaftliche<br />
Disziplinen erforscht.<br />
Die Gentechnologie ist eine davon. Sie<br />
erforscht, zerlegt und verändert gezielt die<br />
Änderungsrisiken sind Teil des Bank- und Versicherungsgeschäfts<br />
Die Assekuranz deckt Schäden aus unvorhergesehenen, aber kalkulierbaren Ereignissen.<br />
Dadurch ermöglicht sie risikobehaftete private und unternehmerische Entscheide. Die<br />
Banken tragen durch die Entgegennahme von Ersparnissen und die Vergabe von Krediten<br />
so genannte Zinsänderungs-, Kredit- und Zinsausfallrisiken. Durch Dienstleistungen, wie<br />
Finanzierungsberatung, Vermögensverwaltung, Emission von Wertpapieren, Handel mit<br />
Wertschriften und Devisen, leisten Banken einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung<br />
des Kapitaleinsatzes.<br />
Banken und Versicherungen, aber auch private und institutionelle Investoren diversifizieren<br />
ihre Anlage- und Geschäftsportefeuilles entsprechend ihren Renditezielen und ihrer Risikoneigung.<br />
Die erwartete Rendite einer Investition hängt vom geschätzten Gegenwartswert<br />
der zukünftigen, risikobereinigten Zahlungsströme ab. Diese unterliegen nicht nur<br />
wirtschaftlichen Entwicklungs- und Anpassungsszenarien, sondern auch den nebenan<br />
beschriebenen gesellschaftlichen Änderungsrisiken. Das Sicherheitsdenken manifestiert<br />
sich zum Beispiel in den durch die Aufsichtsbehörden den Banken auferlegten Eigenmittelunterlegungsvorschriften,<br />
im Ausbau des Konsumentenschutzes, in der Ausweitung von<br />
Haftpflichten oder in der Ausbreitung von Sammelklagen. Wie Risiko definiert und im Wandel<br />
der Zeit neu bewertet wird, und welche Grundstimmungen gegenüber Neuerungen in der<br />
Gesellschaft vorherrschen, kann praktische Auswirkungen auf die Politik, den Einsatz und<br />
die Rendite von Ressourcen haben. Für Banken und Versicherungen sowie deren Kunden<br />
sind dies wesentliche Entscheidungsgrundlagen. Gesellschaftliche Änderungsrisiken sind<br />
Teil des Geschäftsrisikos von Banken, Versicherungen und Investoren.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 57
Erbsubstanz von Organismen. Dadurch werden<br />
neue genetische Variationen entwickelt,<br />
die dem Menschen dienen sollen. Gentechnik<br />
und Fortpflanzungsmedizin dürfen nicht<br />
miteinander verwechselt werden, obschon<br />
im Bereich der vorgeburtlichen Diagnostik<br />
Berührungspunkte bestehen.<br />
Bio- und gentechnologische Erkenntnisse<br />
dienen heute der Herstellung zum Beispiel<br />
von Waschmitteln, Farbstoffen, Plastik, Papier,<br />
Kosmetika, Medikamenten und Lebensmitteln.<br />
Ihre Anwendung in der Lebensmittelproduktion<br />
stösst zum Teil auf Abwehr.<br />
Insbesondere die Gentechnologie besitzt<br />
grosse politische Sprengkraft, weil sie sich<br />
zum Beispiel an Bereiche heranwagt, die von<br />
der Öffentlichkeit als Eingriffe in die Würde<br />
der Kreatur gewertet werden. In der Debatte<br />
über Gentechnik werden auch so genannte<br />
Stellvertreterdiskussionen geführt. Die Öffentlichkeit<br />
ist allgemein skeptisch, ob<br />
etwas Neues auch etwas Gutes ist. Also<br />
reagiert sie auf Neues sensibel. Dabei fliesst<br />
die missbräuchliche Nutzung der Gentechnik<br />
ebenso in die Diskussion ein wie Lebensmittelskandale,<br />
die nichts mit der Anwendung<br />
von Gentechnik zu tun haben, oder<br />
negative Erfahrungen mit Medikamenten<br />
«Risiken lösen Skepsis aus<br />
und können dadurch<br />
den Fortschritt hemmen.»<br />
Cesare Ravara (links) und Thomas Enz,<br />
Economic & Policy Consulting<br />
oder mit Hochtechnologien. Der Nutzen des<br />
Fortschritts wird dabei teils ausgeblendet.<br />
Ausgelöst wird die Skepsis gegenüber<br />
der Gentechnologie im Weiteren durch die<br />
komplexen Zusammenhänge, unterschiedliche<br />
Expertenmeinungen und die teils noch<br />
zu wenig erforschten Kausalzusammenhänge,<br />
was auch von Fachkreisen bemängelt<br />
wird. Genährt wird die Skepsis auch durch<br />
die Art und Weise, wie die Individuen von den<br />
Chancen und Gefahren der Gentechnik betroffen<br />
sind, oder zu sein glauben, und wie<br />
sie die Betroffenheit wahrnehmen. Für die<br />
Betroffenheit und Wahrnehmung wesentlich<br />
sind zum Beispiel der durch ein (hypothetisches)<br />
Risiko ausgelöste Schrecken, dessen<br />
Nachvollziehbarkeit und ob es freiwillig oder<br />
unfreiwillig eingegangen wird. Die Akzeptanz<br />
der Gentechnologie kann verbessert werden,<br />
wenn es gelingt, das Vertrauen zwischen<br />
Konsumenten, Industrie, Forschung und<br />
Gesetzgebung zu festigen. Ohne Vertrauen<br />
besteht dagegen die Gefahr, dass die Bevölkerung<br />
sich Entwicklungen widersetzt,<br />
deren Risiken nur hypothetisch sind.<br />
Jedes eingegangene Risiko birgt Chancen<br />
und Gefahren. Solange unklar ist, was<br />
bei einem vorliegenden Schaden die haftungsbegründende<br />
Ursache ist, lässt sich<br />
das Haftungsrisiko nicht kalkulieren. Die<br />
dadurch ausgelöste Skepsis hemmt den<br />
Fortschritt. Deshalb versucht die Forschung<br />
eine zuverlässige Basis für das Einschätzen<br />
von Risiken zu schaffen. In die Bewertung<br />
Risiko ist ein gesellschaftliches Konstrukt<br />
Die öffentliche Risikodiskussion ist Teil des politischen Prozesses. Das Risikobewusstsein ändert sich<br />
infolge des gesellschaftlichen Wertewandels. Ob und wie stark etwas als Risiko wahrgenommen wird,<br />
hängt auch wesentlich von den Medien ab. Quelle: Credit Suisse, in Anlehnung an Meier/Slembeck<br />
Medien<br />
Technische und<br />
naturwissenschaftliche Entwicklung<br />
Wirtschaftliche Entwicklung<br />
und Wohlstandsniveau<br />
Individuelle Ebene<br />
Unsicherheit<br />
Filter<br />
Problementstehung<br />
Kollektive Ebene<br />
= wirtschaftspolitischer Prozess<br />
Filter Agenda Setting<br />
Gesellschaftlicher Wertewandel<br />
Politische Entscheide und regulatorische Massnahmen<br />
Fotos: Martin Stollenwerk, Martin Barraud/Stone<br />
58 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Gentechnologie: Wer will was?<br />
Die Wirtschaft will:<br />
p Kenntnisse über bisher zu wenig<br />
erforschte Krankheiten<br />
p Neue Heilmittel, Impfstoffe und Therapien<br />
p Neue Diagnosemöglichkeiten und<br />
-instrumente<br />
p Biologisches statt chemisches Werkzeug<br />
in der Landwirtschaft<br />
p Nutzen der zum Teil weltbesten<br />
Forschungsbasis<br />
Die Wirtschaft will nicht:<br />
p Menschenzüchtung<br />
p Abtreibungen nach Zuchtwünschen<br />
p Eugenetik<br />
p Diskriminierung wegen genetischer<br />
Krankheitsveranlagung<br />
p Produktionssteigerungen zu Lasten<br />
der Nutztiere<br />
p Fertilität um jeden Preis<br />
Die Genlex will:<br />
p Begrenzung möglicher Risiken der<br />
Gentechnologie für Mensch und Umwelt<br />
p Erhaltung und nachhaltige Nutzung der<br />
biologischen Vielfalt<br />
p Achtung der Würde der Kreatur<br />
p Erhaltung der artspezifischen<br />
Eigenschaften und Lebensweisen wie<br />
Fortpflanzung und Bewegung<br />
p Förderung der Kenntnisse und des<br />
öffentlichen Dialogs über die<br />
Gentechnologie<br />
p Haftpflicht für Hersteller von<br />
gentechnisch veränderten Organismen<br />
p Transparenz<br />
von Risiken fliessen der gegenwärtige wissenschaftliche<br />
Erkenntnisstand und – trotz<br />
Bestreben nach einer möglichst hohen<br />
Objektivität – auch gesellschaftliche und<br />
wirtschaftliche Werturteile ein. Erkenntnisse<br />
aus der Risikoforschung können in Widerspruch<br />
zum gesellschaftlich wahrgenommenen<br />
Risiko stehen.<br />
In die politische Debatte über Nutzen und<br />
Gefahren von Risiken fliessen somit wissenschaftliche<br />
Urteile sowie die Wahrnehmungen<br />
der unterschiedlichen Betroffenen ein. Risiko<br />
ist daher nicht einzig naturgegeben, sondern<br />
ein gesellschaftliches Konstrukt, mit dem<br />
sich Ingenieur- und Naturwissenschaften<br />
genauso auseinander setzen wie Sozial- und<br />
Rechtswissenschaften. Die Auseinandersetzung<br />
mit dem Risiko führt zu neuen<br />
Erkenntnissen und zum Beispiel zur Entwicklung<br />
von besseren technischen Nachweisverfahren,<br />
kann aber auch zur Neubewertung<br />
von Risiken durch die Wissenschaft<br />
und Gesellschaft führen.<br />
Wenn Verdachtsmomente reale Folgen haben<br />
Lässt sich das Risiko auf Grund von Wahrscheinlichkeiten<br />
und Erfahrungswerten<br />
schätzen, kann es dank angemessenen<br />
Instrumenten (Prävention, Diversifikation,<br />
Versicherungspolicen) bewusst eingegangen,<br />
gesteuert bzw. eingedämmt werden.<br />
Versicherungen nehmen nicht Risiken in<br />
Kauf, sondern sie kaufen Optionen auf mit<br />
einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintretende<br />
Schäden. Wird keine Versicherungsdeckung<br />
angeboten, heisst dies nicht, dass<br />
keine Gefahr besteht. Wird eine solche<br />
befürchtet, ohne dass sie nach dem aktuellen<br />
Stand der Wissenschaft widerlegt oder<br />
bestätigt werden kann, entsteht Ungewissheit,<br />
ein so genanntes Phantomrisiko. Dieses<br />
taucht insbesondere dort auf, wo die Technikbegeisterung<br />
der Industriegesellschaft in<br />
Skepsis und Bedenken umschlägt. Allein der<br />
Verdacht einer mutmasslichen Schädigung<br />
kann reale Folgen haben.<br />
Phantomrisiken lösen negative Grundstimmungen<br />
aus. Sie sind real in der Angst,<br />
den Kaufverweigerungen und den Debatten,<br />
die sie auslösen, den gesundheitlichen<br />
Störungen, die ihnen angelastet werden, in<br />
den ihretwegen erlassenen Gesetzen und<br />
Verordnungen sowie in den erhobenen<br />
Schadenersatzansprüchen. Im Hinblick auf<br />
die Tatsache, dass Wohlstand nach immer<br />
mehr Sicherheit, Schadensprävention und<br />
Regelung der Haftungsverhältnisse (Verjährungsfristen,<br />
Ursachen-, Gefährdungsoder<br />
Vermutungshaftung) ruft, ist dies für die<br />
eingebrachten Finanzmittel der privaten und<br />
institutionellen Anleger, aber auch für Banken<br />
und Versicherungen von Bedeutung.<br />
Cesare Ravara<br />
Telefon <strong>01</strong> 333 59 12, cesare.ravara@credit-suisse.com<br />
Thomas Enz<br />
Telefon <strong>01</strong> 334 39 38, thomas.enz@credit-suisse.com<br />
«Eine Deckung<br />
ist immer begrenzt»<br />
Jean-Claude Werz,<br />
Functional Department Property &<br />
Casualty, Winterthur Insurance<br />
Wie definieren Sie Phantomrisiken?<br />
Wir sprechen oft von Entwicklungsrisiken,<br />
deren Existenz<br />
und/oder Ausmass noch nicht<br />
gefestigt sind. Sie können aber,<br />
wie das Beispiel Asbest zeigt,<br />
später sehr konkret werden.<br />
Was ist besonders daran?<br />
Im Wesentlichen kann man die<br />
Ursache eines eingetretenen<br />
oder befürchteten Schadens<br />
nicht sicher nachweisen, was<br />
eine Risikoanalyse erschwert.<br />
Zudem kann der Schaden erst<br />
Jahre nach dem Ereignis eintreten.<br />
Es kann auch sein, dass<br />
sich das rechtliche und gesellschaftliche<br />
Umfeld im Zeitpunkt<br />
des Schadens verändert hat.<br />
Sind diese Risiken versicherbar?<br />
Grundsätzlich ist die Haftung<br />
für Entwicklungsrisiken versicherbar.<br />
Im Einzellfall hängt die<br />
Deckung vom jeweiligen Stand<br />
der Wissenschaft, von der Zahl<br />
und vom Ausmass der befürchteten<br />
Schäden sowie vom<br />
rechtlichen und sozialpolitischen<br />
Umfeld ab.<br />
Wie sichert sich die Versicherung<br />
selbst ab?<br />
Wo Deckung gewährt wird,<br />
ist sie immer auch begrenzt –<br />
mit Bezug auf die Versicherungssumme<br />
und die Deckungsperiode.<br />
Hier verfolgen wir die<br />
Diskussionen in einzelnen<br />
Bereichen genau, um gegebenenfalls<br />
Einschränkungen in<br />
der Annahmepolitik zu<br />
beschliessen und unser Risiko<br />
einzuschränken. (dhu)<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 59
Billigfluglinien sind nicht zu schlagen<br />
Traditionelle Fluglinien können auf Grund ihrer komplexen<br />
Betriebsstruktur auch bei strengem Kostenmanagement<br />
nicht das Kostenniveau und die betriebliche Effizienz der<br />
Billigfluglinien erreichen. Quelle: MS-Research<br />
in Mio. Euro<br />
140<br />
13.37<br />
Sonstige Kosten<br />
Leasing<br />
Abschreibung<br />
Marketing- und Verkaufskosten<br />
Flughafengebühren<br />
Wartung<br />
Treibstoff<br />
Personal<br />
120<br />
100<br />
3.24<br />
12.52<br />
14.00<br />
28.05<br />
80<br />
10.94<br />
60<br />
16.72<br />
40<br />
39.17<br />
4.11<br />
5.32<br />
0.36<br />
11.86<br />
1.11<br />
20<br />
2.38<br />
9.36<br />
7.05<br />
British Airways<br />
Ryanair<br />
60 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Billigfluglinien brechen in Europa<br />
traditionelle Strukturen auf<br />
Das Billigflugsegment wächst und wächst. Und immer mehr etablierte Fluglinien im europäischen<br />
Streckennetz kommen unter Zugzwang. Auf der anderen Seite wird der Wettbewerbsdruck auch bei den<br />
Billigfluglinien in naher Zukunft massiv zunehmen. Oliver Schwarz, Investment Research<br />
Fotos: Magnum/Martin Parr, Martin Stollenwerk<br />
Neun Prozent der Passagiere im europäischen<br />
Streckennetz benutzen eine Billigfluglinie.<br />
Und man kann davon ausgehen, dass bis<br />
2<strong>01</strong>2 der Marktanteil des Billigflugsegments<br />
im europäischen Flugverkehr 30 Prozent<br />
erreichen wird. Eine Marktanteilszunahme von<br />
gegen 50 Prozent ist auf Grund des ausgedehnten<br />
Streckennetzes von Hochgeschwindigkeitszügen<br />
und Autobahnen, aus ökologischen<br />
Überlegungen, aber auch auf Grund<br />
der von den etablierten Airlines beherrschten<br />
Zubringerstrecken für Transatlantikflüge eher<br />
unwahrscheinlich.<br />
Das Marktwachstum wollen die Billigfluglinien<br />
vor allem über aggressive Angebotsausweitungen<br />
erreichen. Ryanair und easyJet<br />
haben für die kommenden Jahre einen jährlichen<br />
Kapazitätszuwachs von 20 bis 25 Prozent<br />
in Aussicht gestellt. Es hat sich gezeigt,<br />
dass immer mehr Passagiere auf europäischen<br />
Kurzstrecken auf den hochpreisigen<br />
Premiumservice der etablierten Fluglinien<br />
verzichten können. Vor allem flexiblere Freizeit-<br />
und Privatreisende sowie preisbewusste<br />
Geschäftsreisende bevorzugen auf<br />
kürzeren Strecken deshalb vermehrt Billigfluglinien.<br />
Der gegenwärtige Konjunkturabschwung<br />
hat diese Entwicklung in den letzten<br />
Monaten noch weiter verstärkt.<br />
Gute Chancen für Marktanteilsgewinne<br />
bieten sich auf hochpreisigen Hauptstrecken<br />
mit grossem Passagieraufkommen sowie auf<br />
wenig bedienten Regionalstrecken. Bereits<br />
stark etabliert ist der Billigflugmarkt in<br />
Deutschland und Grossbritannien. Noch<br />
unausgeschöpftes Wachstumspotenzial ist<br />
vor allem in skandinavischen und osteuropäischen<br />
Ländern vorhanden. In diesen<br />
Regionen dürften in den kommenden Jahren<br />
vor allem durch Ryanair zahlreiche neue<br />
Strecken lanciert werden. Das bedeutet<br />
«Höhere Frequenzen und<br />
neue Strecken bringen<br />
einen Kapazitätszuwachs.»<br />
Oliver Schwarz<br />
neue Konkurrenz für die traditionellen Fluglinien<br />
zum Beispiel auf den Routen zwischen<br />
Deutschland und Polen. Vor dem Hintergrund<br />
des gegenwärtig anspruchsvollen<br />
Konjunkturumfelds sind Preissenkungen für<br />
die traditionellen Airlines wohl die einzige<br />
realistische Möglichkeit, allzu grosse Marktanteilsverluste<br />
zu verhindern.<br />
Der Wettbewerbsdruck nimmt zu<br />
Ein Markt mit hohem Wachstumspotenzial<br />
und soliden Gewinnperspektiven verfügt<br />
über eine grosse Anziehungskraft für neue<br />
Mitbewerber. Im Jahr 2002 sind die Billigfluglinien<br />
Hapag-Llyod Express und German<br />
Wings neu in den Markt eingetreten. Für<br />
Sommer 20<strong>03</strong> plant Europas zweitgrösster<br />
Reisekonzern MyTravel die Lancierung einer<br />
eigenen Tiefpreis-Airline. Auf Grund der<br />
Attraktivität des Marktes wird es weitere<br />
Markteintritte geben, was den Konkurrenzdruck<br />
im Billigflugsegment verstärken wird.<br />
Lufthansa hat sich zum Beispiel gegen<br />
easyJet und Ryanair mit der Lancierung<br />
einer eigenen Tiefpreisfluggesellschaft mit<br />
dem Namen German Wings und Preissenkungen<br />
ausserhalb der Stosszeiten zur Wehr<br />
gesetzt. Diese aggressiven Kapazitätsausweitungen<br />
einiger Marktteilnehmer dürften<br />
schon bald zu Überkapazitäten führen. Da<br />
Air France hebt ab<br />
Für den etablierten Airline-Sektor bleibt das Marktumfeld auch im laufenden Jahr schwierig.<br />
Es empfiehlt sich daher weiterhin eine Untergewichtung des Sektors. Im Gegensatz<br />
zum traditionellen Airline-Markt verspricht das Billigflugsegment infolge des hohen Marktwachstums<br />
auch 20<strong>03</strong> solide Gewinnperspektiven. Die fairen Bewertungsniveaus limitieren<br />
jedoch das Kurssteigerungspotenzial von Ryanair und easyJet. Daher hat die Credit Suisse<br />
beide Fluglinien mit einem Hold-Rating eingestuft.<br />
Branchenfavorit bleibt nach wie vor Air France (Rating: Buy). Die fortschreitende<br />
Privatisierung – der Staat beabsichtigt, 20<strong>03</strong> seinen Aktienanteil von 56 Prozent auf unter<br />
20 Prozent zu reduzieren – bringt der Fluglinie die notwendige Freiheit für die Umsetzung<br />
einer wertorientierteren Unternehmensstrategie, was sich positiv in der künftigen<br />
Ergebnisentwicklung niederschlagen dürfte. Zudem verfügt Air France dank des effizienten<br />
Basisflughafens Charles de Gaulle und des attraktiven Streckennetzes über Wettbewerbsvorteile.<br />
Die Aktie weist im Sektorvergleich eine tiefe Bewertung auf.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 61
auch vermehrt etablierte Fluglinien mit Preisnachlässen<br />
reagieren, werden die Flugpreise<br />
vorerst weiter sinken, was zwangsläufig zu<br />
kleineren Gewinnmargen aller Branchenteilnehmer<br />
führen wird. Mittelfristig dürfte kaum<br />
mehr eine Billigfluglinie eine Betriebsgewinnmarge<br />
von mehr als zehn Prozent erreichen.<br />
Tiefe Kosten bei hoher Produktivität<br />
Den Erfolg verdanken die Billigfluglinien<br />
ihrem Geschäftsmodell. Es besteht aus drei<br />
zentralen Elementen: einem relativ einfachen<br />
Produkt (fehlender Bordservice), einer hohen<br />
Produktivität (kurze Umschlagszeiten an<br />
den Sekundärflughäfen, lediglich Direktverbindungen)<br />
und niedrigen Betriebskosten<br />
(geringer Personalbedarf).<br />
Kostenführer im Billigflugsegment ist<br />
nach wie vor die irische Ryanair. Im Vergleich<br />
zu British Airways liegen die Einheitskosten –<br />
variable und fixe Anteile – je Passagier bei<br />
42 Euro gegenüber 138 Euro. Den grössten<br />
Kostenvorteil erzielt die Billigfluglinie beim<br />
Personalaufwand. Da Ryanair auf einen<br />
regulären Bordservice verzichtet und etwa<br />
90 Prozent der Flugtickets übers Internet<br />
verkauft, benötigt Ryanair deutlich weniger<br />
Kabinen- und Verkaufspersonal als eine<br />
etablierte Airline.<br />
Die Konzentration auf Sekundärflughäfen<br />
führt zu einem weiteren deutlichen Kostenvorteil.<br />
Sekundärflughäfen, die meist etwas<br />
ausserhalb der grossen Metropolen liegen,<br />
verlangen von den Fluggesellschaften teilweise<br />
bis zu 70 Prozent tiefere Start- und<br />
Landegebühren. Dank der höheren Produktivität<br />
erzielt Ryanair ausserdem Skaleneffekt,<br />
was zu einem niedrigeren Fixkostenan-<br />
Der Wettbewerbsdruck beschränkt das Wachstum<br />
Auf Grund der langfristig zu erwartenden Marktsättigung wird sich der Anteil des Billigflugsegmentes<br />
auf einem Niveau von 30 bis 35 Prozent stabilisieren. Quelle: MS-Research, CS Group<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Anteil am europäischen Gesamtmarkt in Pozent<br />
1999<br />
2000<br />
20<strong>01</strong><br />
2002<br />
20<strong>03</strong><br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
2008<br />
2009<br />
2<strong>01</strong>0<br />
2<strong>01</strong>1<br />
2<strong>01</strong>2<br />
2<strong>01</strong>3<br />
2<strong>01</strong>4<br />
2<strong>01</strong>5<br />
2<strong>01</strong>6<br />
2<strong>01</strong>7<br />
2<strong>01</strong>8<br />
2<strong>01</strong>9<br />
2020<br />
teil führt. Weitere operative Vorteile werden<br />
erreicht mit der höheren Sitzdichte in den<br />
Flugzeugen, der Flottenstandardisierung, der<br />
Vergabe der Wartung, der kleineren Verwaltungsapparate<br />
sowie der Einsparung von<br />
Verkaufsprovisionen zum Beispiel an Reisebüros.<br />
Branchenkonsolidierung ist unausweichlich<br />
Das langfristig beschränkte Wachstumspotenzial<br />
des Billigflugmarktes und der zunehmende<br />
Konkurrenzdruck werden mittelfristig<br />
zu einer Marktkonzentration führen. Mit der<br />
Übernahme von Go durch easyJet ist die Konsolidierungsphase<br />
bereits eingeleitet worden.<br />
Dank des Kaufs hat easyJet einen Marktanteil<br />
von rund 45 Prozent erreicht und ist zum<br />
Marktführer im Billigflugsegment aufgestiegen.<br />
An zweiter Stelle folgt Ryanair mit einem<br />
Anteil von rund 40 Prozent. Ein weiterer<br />
potenzieller Kandidat für eine Übernahme<br />
durch easyJet ist die Deutsche BA, eine<br />
Tochtergesellschaft von British Airways. Aus<br />
Profitabilitätsüberlegungen dürfte es in den<br />
kommenden Jahren zu einigen Akquisitionen<br />
kommen. Neu lancierte Billigfluggesellschaften,<br />
welche die Gewinnzone nicht in der geplanten<br />
Frist erreichen, werden dagegen aus<br />
dem Markt ausscheiden. Möglicherweise werden<br />
sich langfristig nur zwei bis drei innereuropäische<br />
Billigairlines durchsetzen. Die<br />
Überlebenschancen für etablierte europäische<br />
Regionalfluglinien, die nur Punkt-zu-Punkt-<br />
Verbindungen anbieten, in keinem Allianzverbund<br />
sind und ohne staatliche Subventionen<br />
auskommen, sind als relativ gering einzustufen.<br />
Oliver Schwarz<br />
Telefon <strong>01</strong> 334 56 44, oliver.schwarz@credit-suisse.com<br />
Die Grossen drohen die Kleinen zu kaufen<br />
Billigfluglinien beschränken sich aus Kostengründen auf einen oder zwei Flugzeugtypen und<br />
wählen einen Sekundärflughafen mit tiefen Grundgebühren als Basis. Trotzdem kommt es<br />
langfristig zu einer weiteren Marktkonzentration. Quelle: Unternehmensangaben, CS Group Daten<br />
Flotte Destinationen Wichtigste Eigentümer Marktanteil im<br />
Basisflughäfen<br />
Billigflugsegment<br />
easyJet/Go 53 (B737) 35 London-Gatwick/-Luton/-Stansted unabhängig 44.6%<br />
Ryanair 41 (B737) 80 Dublin, London-Stansted, Hahn unabhängig 39.3%<br />
Buzz 10 (8 BAE146 + 2 B737) 22 London-Stansted KLM 4.5%<br />
Virgin Express 14 (B737) 15 Brüssel Virgin Group 7.6%<br />
MyTravelLite 2 (A320) 7 Birmingham, Belfast MyTravel<br />
Hapag-Lloyd Express 8 (B737) 10 Köln, Bonn TUI<br />
German Wings 5 (A319) 10 Köln, Bonn Eurowings/Lufthansa 3.7%<br />
bmibaby 2 (B737) 22 Cardiff BMI<br />
Deutsche BA 16 (B737) 6 Berlin-Tegel British Airways<br />
Germania 20 (13 B737 + 7 MD82/83) 18 Köln, Bonn unabhängig<br />
Fotos: Magnum/Peter Marlow, Peter Tillessen<br />
62 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Neue Eigenkapitalvereinbarung<br />
belohnt gutes Management bei KMU<br />
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht will die geltenden Vorschriften über die erforderliche<br />
Unterlegung von gewährten Krediten mit Eigenmitteln der Banken weiterentwickeln. Welche Folgen hat<br />
diese als «Basel II» bekannte Regelung für Schweizer Firmen? Manuel Rybach, Economic & Policy Consulting<br />
Basel II<br />
Säule 1<br />
Mindesteigenkapitalanforderungen<br />
Säule 2<br />
Überprüfung durch<br />
Aufsichtsbehörden<br />
Säule 3<br />
Marktdisziplin<br />
p Kreditrisiko (neue<br />
Bemessungsansätze)<br />
p Marktrisiko (unverändert)<br />
p Operationelles Risiko (neu)<br />
Nationale Aufsichtsbehörden<br />
können nach erfolgter Überprüfung<br />
der bankinternen<br />
Verfahren und der sich daraus<br />
ergebenden Eigenmittelausstattung<br />
eine höhere Unterlegung<br />
verlangen.<br />
Vermehrte Offenlegung, u.a.<br />
bei der Berechnung der<br />
Eigenmittelausstattung und<br />
den Methoden der Risikobewertung,<br />
soll die Marktdisziplin<br />
fördern.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 63
In der Schweiz spielen Kredite eine wesentliche<br />
Rolle bei der Finanzierung des Wirtschaftskreislaufs.<br />
Anders als etwa in den<br />
USA, wo die Mittelbeschaffung über den<br />
Kapitalmarkt bedeutsamer ist, finanzieren<br />
sich viele kleinere und mittlere Unternehmen<br />
(KMU) hierzulande fast ausschliesslich mit<br />
Bankkrediten. Die Kapital- und Kreditvermittlung<br />
stellt daher eine wichtige Tätigkeit<br />
der Schweizer Banken dar.<br />
Knapp ein Drittel der Inlandkredite geht<br />
an private nicht finanzielle Unternehmungen,<br />
davon etwa 90 Prozent an KMU. Diese sind<br />
nicht nur ein wesentlicher Wachstumstreiber,<br />
sondern mit rund 70 Prozent Anteil an der<br />
Gesamtbeschäftigung auch ein wichtiger<br />
Arbeitgeber der Schweizer Wirtschaft. Deshalb<br />
ist die Frage, ob sich für diese Betriebe<br />
auf Grund von Basel II der Zugang zu Kapital<br />
verteuern wird, von grosser Bedeutung. Die<br />
neuen Vorschriften, deren Endfassung noch<br />
nicht vorliegt (siehe Box), werden die Finanzinstitute<br />
beeinflussen und die Art und Weise,<br />
wie diese Bankgeschäfte tätigen.<br />
«Im Rahmen von Basel II werden Schuldner mit hoher<br />
Bonität von tieferen Kreditsätzen profitieren können.»<br />
Manuel Rybach, Economic & Policy Consulting<br />
Zeitplan Basel II<br />
2. Quartal 20<strong>03</strong> | Drittes Konsultationspapier,<br />
danach Vernehmlassungsphase bis Ende<br />
Juli 20<strong>03</strong><br />
4. Quartal 20<strong>03</strong> | Veröffentlichung der<br />
Endfassung von Basel II<br />
Anfang 2006 | Beginn der einjährigen<br />
Übergangsphase<br />
Anfang 2007 | Inkrafttreten von Basel II<br />
Von Basel I zu Basel II<br />
Zur Erhöhung der Stabilität des Bankensystems<br />
und zur Förderung der Sicherheit<br />
der Kundeneinlagen haben Banken ihre<br />
Aktiven – und somit vor allem ihre Ausleihungen<br />
– schon seit einiger Zeit mit Eigenmitteln<br />
zu unterlegen. Ende der Achtzigerjahre<br />
wurden erstmals Schritte in Richtung<br />
der internationalen Harmonisierung der<br />
Regulierung des Kreditwesens getan. Zu<br />
diesem Zweck hat der Basler Ausschuss der<br />
Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden<br />
der wichtigsten Industriestaaten damals<br />
eine Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) verabschiedet.<br />
Seither haben sich jedoch die<br />
Finanzmärkte, das Bankgeschäft und vor<br />
allem die Risikomanagement-Ansätze der<br />
Banken grundlegend verändert.<br />
In seinem Vorschlag für neue Eigenmittelvorschriften<br />
vom Januar 20<strong>01</strong> versuchte der<br />
Basler Ausschuss diesen Entwicklungen<br />
gerecht zu werden. In drei Säulen gegliedert,<br />
sieht der Entwurf grundsätzlich eine risikosensitivere<br />
Ausrichtung der Unterlegungspflichten<br />
vor, ohne dass sich der durchschnittliche<br />
Bestand an regulatorischem Eigenkapital<br />
im Bankensystem verändern soll.<br />
Die drei Säulen von Basel II<br />
In der ersten Säule von Basel II (Mindesteigenkapitalanforderungen)<br />
bleiben die geltende<br />
Eigenkapitaldefinition sowie die<br />
Mindesteigenkapitalquote unverändert. Als<br />
wichtige Neuerung werden die Regeln für<br />
Kreditrisiken verfeinert. Unverändert aus der<br />
alten Regelung übernommen werden die<br />
Vorschriften zum Marktrisiko, während mit<br />
dem Einschluss operationeller Risiken Neuland<br />
betreten wird. Die Bestimmungen der<br />
zweiten Säule regeln das Überprüfungsverfahren<br />
und die Überwachung der Kapitalunterlegung<br />
durch nationale Aufsichtsbehörden.<br />
Mit der dritten Säule strebt der<br />
Ausschuss durch weitestgehende Offenlegungspflichten<br />
an, die Banken einer verstärkten<br />
Disziplinierung durch die Märkte zu<br />
unterwerfen.<br />
Die Bemessung des Kreditrisikos wird<br />
sich in Folge von Basel II verändern. Während<br />
die geltende Eigenkapitalvereinbarung für<br />
Unternehmenskredite nur ein einziges Risikogewicht<br />
kennt, sieht der Entwurf in Säule I<br />
eine risikosensitive Eigenmittelunterlegung<br />
von Krediten vor. Das regulatorische Kapital<br />
der Banken muss zwar wie bisher acht Prozent<br />
der risikogewichteten Aktiven ausmachen,<br />
doch neu hängen die Risikogewichte<br />
von der Kreditqualität ab. Zur Bemessung<br />
der Risikogewichte werden zwei grundlegende<br />
Möglichkeiten vorgeschlagen. Liegt<br />
die Zustimmung der nationalen Aufsichtsbehörde<br />
– in der Schweiz der Eidgenössischen<br />
Bankenkommission (EBK) – vor, so<br />
können Banken eine auf internen Kreditratings<br />
basierende Methode (IRB-Ansatz;<br />
IRB: internal ratings-based) zur Ermittlung<br />
der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung<br />
verwenden, woraus eine breite Palette von<br />
Risikogewichten resultiert. Bei Finanzinstituten,<br />
deren interne Ratingsysteme in den<br />
Augen der Aufsichtsbehörde den Basler Anforderungen<br />
noch nicht genügen, gelangt<br />
64 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Fotos: Martin Stollenwerk, Eva-Maria Züllig<br />
der vorgeschlagene Standardansatz zur Anwendung,<br />
bei dem die Risikogewichte von<br />
der Aufsichtsbehörde vorgegeben werden.<br />
Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen<br />
Der Revisionsvorschlag des Basler Ausschusses<br />
bestätigt und fördert die Differenzierung<br />
der Kunden und Kredite nach deren<br />
Risikogehalt und anerkennt die Anwendung<br />
von Ratings. Auf Grund der verfeinerten Vorschriften<br />
des Vorschlags müssen Darlehen<br />
an Kreditnehmer mit einer hohen Bonität mit<br />
weniger Eigenkapital unterlegt werden und<br />
verursachen demzufolge weniger Eigenmittelkosten.<br />
Basel II wird deshalb die sich<br />
bereits im Gang befindliche Entwicklung hin<br />
zu vermehrt abgestuften Konditionen für<br />
Firmenkunden verstärken: Während gute<br />
Kreditnehmer von tieferen Kreditzinssätzen<br />
profitieren können, haben Kreditnehmer mit<br />
einer niedrigeren Bonität höhere Zinssätze<br />
zu tragen.<br />
Einige Schweizer Banken verfügen bereits<br />
über differenzierte Kreditrisikomanagement-Systeme.<br />
Dies gilt insbesondere für<br />
die beiden Grossbanken und die grösseren<br />
Kantonalbanken, die zusammen die wichtigsten<br />
Darlehensgeber der hiesigen Betriebe<br />
sind. Schon heute werden Firmenkunden<br />
bei diesen Banken nach Risikogehalt in Ratingklassen<br />
eingeteilt, nach denen sich auch<br />
die Risikoprämie im Kreditzinssatz richtet.<br />
Für KMU, die über 99 Prozent der Schweizer<br />
Betriebe ausmachen, bedeutet dies nicht<br />
automatisch steigende Kapitalkosten.<br />
Grundsätzlich ist die vermehrte Risikodifferenzierung<br />
im Kreditgeschäft zu begrüssen,<br />
da sie der fragwürdigen Praxis der Quersubventionierung<br />
zwischen den einzelnen<br />
Bonitätsklassen – wie, im Falle von Basel I<br />
besonders problematisch, diejenige zwischen<br />
öffentlich-rechtlichen Körperschaften aus<br />
OECD-Ländern und privatrechtlichen Firmenkunden<br />
– ein Ende bereiten dürfte. Dies<br />
liegt einerseits im Interesse der gesamten<br />
Volkswirtschaft, da dadurch die Effizienz der<br />
Kapitalallokation gefördert wird. Für Firmen<br />
mit guter Bonität bedeutet dies andererseits,<br />
dass sich die Wettbewerbsbedingungen<br />
auf Grund der günstigeren Kreditkonditionen<br />
verbessern werden.<br />
Basel II wird deshalb für Firmenkunden<br />
die Anreize verstärken, ihre Einflussmöglichkeiten<br />
auf das Rating aktiv auszuschöpfen<br />
und eine offene Kommunikation mit den<br />
Fremdkapitalgebern zu pflegen. Gerade<br />
Unternehmen mit schlechter Zahlungsfähigkeit<br />
sind gefordert, durch vermehrte Innovation,<br />
aufgewertete Produkte und Prozesse<br />
sowie höhere Eigenkapitalquoten ihre<br />
Bonität zu verbessern. Dies gilt gleichermassen<br />
für grosse wie auch für kleine Firmenkunden,<br />
die nicht notwendigerweise<br />
schlechtere Ratings aufweisen als grössere<br />
Betriebe. Die wichtigsten Einflussfaktoren<br />
auf das Rating und somit die «Hebel» für<br />
günstigere Kreditkonditionen sind die Managementqualität<br />
eines Unternehmens, dessen<br />
Positionierung im Markt bzw. die verfolgte<br />
Geschäftsstrategie sowie die Finanzlage der<br />
Firma.<br />
Wie überall im Bankgeschäft steht auch<br />
bei der Kreditgewährung die Betreuung der<br />
Kunden im Vordergrund. Firmenkunden werden<br />
von ihrer Bank in Zukunft eine noch<br />
umfassendere Beratung in Finanzierungsfragen<br />
erwarten. Zentral sind dabei gegenseitiges<br />
Vertrauen und Transparenz. Bereits<br />
im Vorfeld der Einführung der neuen Eigenmittelvereinbarung,<br />
die Januar 2007 in Kraft<br />
treten soll, zeigt sich die Bedeutung einer<br />
aktiven Informationspolitik.<br />
Hohe Bonität zahlt sich aus<br />
Basel II wird die relative Attraktivität der<br />
Finanzierung mit Bankkrediten für verschiedene<br />
Firmenkunden auf unterschiedliche<br />
Weise beeinflussen. Die Qualität der<br />
Sicherheiten wird eine grössere Rolle spielen<br />
als bisher. Von tieferen Fremdkapitalkosten<br />
profitieren Betriebe mit einer hohen Bonität.<br />
Fällt diese hingegen tief aus, so verteuern<br />
sich Bankkredite. Ein gutes Rating zu erhalten<br />
ist für Firmenkunden keine Frage der<br />
Unternehmensgrösse. Entscheidend ist vielmehr<br />
die Qualität des Managements, eine<br />
aussichtsreiche Strategie und eine gute<br />
Finanzlage. Aus der Sicht der Banken führt<br />
Basel II dazu, dass enge Kontakte zu ihren<br />
Firmenkunden, eine umfassende Beratung<br />
sowie eine offene Informationspolitik in<br />
Zukunft noch wichtiger werden.<br />
Manuel Rybach<br />
Telefon <strong>01</strong> 334 39 40, manuel.rybach@credit-suisse.com<br />
Weiter führende Informationen:<br />
Economic Briefing Nummer 22, «Einblick in das<br />
Innenleben des Kreditgeschäfts».<br />
«Firmenkredite<br />
bleiben wichtig»<br />
Urs Füglistaller,<br />
Direktor des Instituts für gewerbliche<br />
Wirtschaft der Universität St. Gallen<br />
Welches sind die Erkenntnisse<br />
Ihrer Studie «Kredit-Rating durch<br />
Banken in der Schweiz»?<br />
Unser Institut hat die Studie im<br />
Auftrag und in Zusammenarbeit<br />
mit KPMG Schweiz durchgeführt.<br />
Es zeichnet sich ab, dass<br />
der traditionelle Firmenkredit<br />
auch in Zukunft seine bedeutende<br />
Rolle beibehält. Eine zentrale<br />
Erkenntnis der Studie ist,<br />
dass zwischen Unternehmen<br />
und Bank eine beidseitige Informationsasymmetrie<br />
besteht.<br />
Was sollten die Banken tun?<br />
Sie sollten ausführlicher über<br />
ihren Ratingprozess informieren.<br />
Die Prozesse und insbesondere<br />
die Bedeutung der einzelnen<br />
quantitativen und qualitativen<br />
Faktoren sollten transparent<br />
offen gelegt werden. Nur wenn<br />
der Unternehmer weiss, wie<br />
und wo er Einfluss auf ein<br />
besseres Rating nehmen kann,<br />
ist eine langfristige Kundenbeziehung<br />
gewährleistet.<br />
Und die KMU?<br />
Unternehmer sollten möglichst<br />
offen und frühzeitig über<br />
Ergebnisse und Änderungen<br />
im Betrieb informieren. Die<br />
Entscheidungsträger müssen<br />
aktiv mit ihrem Treuhänder<br />
auf die Banken zugehen und<br />
sich informieren. Das Rating ist<br />
im Grunde genommen ein<br />
systematisch erfasstes und in<br />
seiner Langzeitperspektive<br />
wertvolles Spiegelbild der Unternehmung,<br />
was ich als echte<br />
Chance für KMU ansehe.<br />
Michael Nold, Credit Suisse, Fachstelle KMU<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 65
Aktienverluste werden nicht kompensiert<br />
Die Preise für Eigenheime sind in den letzten Jahren um rund sieben Prozent gestiegen. Dennoch gleicht<br />
der Wertzuwachs der Immobilien nicht die erlittenen Verluste auf den Aktienvermögen aus. Quelle: Flow of Funds<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999<br />
66 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Der Einfluss des amerikanischen<br />
Immobilienmarktes schwindet<br />
Der Preisanstieg für Wohneigentum schürt die Angst vor einem Kollaps des Immobilienmarktes. Bei<br />
genauem Hinsehen finden sich jedoch zahlreiche Faktoren, die dagegen sprechen. Erwartet wird eher ein<br />
moderates Wachstum. Beat Schumacher, Fixed Income and Forex Research<br />
Immobilienvermögen<br />
Aktienvermögen<br />
2000 20<strong>01</strong> 2002<br />
Jahresveränderung in Mrd. USD<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
–500<br />
–1000<br />
–1500<br />
–2000<br />
Allen Unkenrufen zum Trotz ist der private<br />
Konsum in den USA bisher recht robust<br />
geblieben. Tatsächlich war er vom vierten<br />
Quartal 20<strong>01</strong> bis zum dritten Quartal 2002<br />
für rund 80 Prozent des Wachstums des<br />
Bruttoinlandproduktes zuständig. Neben den<br />
Kaufanreizen im Autobereich hat dabei vor<br />
allem der Immobilienmarkt den privaten<br />
Konsum gestützt.<br />
Die Preise für Eigenheime sind in den<br />
letzten Jahren um durchschnittlich rund<br />
sieben Prozent gestiegen. Dennoch war der<br />
von den Haushalten erzielte Wertzuwachs<br />
bei den Immobilien geringer als die von<br />
ihnen erlittenen Verluste auf den Aktienvermögen.<br />
Dies wird allerdings dadurch aufgewogen,<br />
dass die Konsumausgaben stärker<br />
auf Preisveränderungen bei Wohnimmobilien<br />
als bei Aktien reagieren. Erklärbar ist dies<br />
unter anderem mit der gleichmässigeren Verteilung<br />
der Immobilienvermögen im Vergleich<br />
zu den Aktienvermögen.<br />
«Der Immobilienmarkt ist<br />
noch nicht in einer<br />
Übertreibungsphase.»<br />
Beat Schumacher, Fixed Income and Forex Research<br />
Refinanzierung lässt Milliarden fliessen<br />
Neben diesem Vermögenseffekt ist die Entwicklung<br />
der Refinanzierungen von Hypothekarkrediten<br />
bemerkenswert. Die Kombination<br />
von gestiegenen Hauspreisen und rekordtiefen<br />
Zinsen hat zu einem Refinanzierungsboom<br />
geführt. Dieser kann die effektive<br />
Kaufkraft auf zwei Arten erhöhen: Erstens<br />
können bestehende Hypotheken in neue mit<br />
tieferen Zinsen umgewandelt werden, so<br />
dass der Zinsaufwand sinkt. Zweitens kann<br />
dank der gestiegenen Immobilienpreise<br />
gleichzeitig der Belehnungswert erhöht<br />
werden, so dass den Hausbesitzern neue<br />
Barmittel zufliessen. 2002 wurde diese<br />
Möglichkeit bei gut der Hälfte der Refinanzierungen<br />
in Anspruch genommen. Die<br />
so genannten «cash-outs» betrugen im letzten<br />
Jahr schätzungsweise 200 Milliarden US-<br />
Dollar, was 2,5 Prozent des verfügbaren<br />
Einkommens ausmacht.<br />
Der Immobilienmarkt kollabiert nicht<br />
Nach dem spürbaren Preisanstieg der letzten<br />
Jahre wird von einigen Seiten argumentiert,<br />
dass sich der Immobilienmarkt bereits<br />
in einer «bubble» befindet und die Gefahr<br />
eines massiven Preiseinbruchs mit negativen<br />
Konsequenzen für den privaten Konsum<br />
besteht. Die Credit Suisse teilt diese Befürchtungen<br />
nicht ganz. Zwar ist der Immobilienmarkt<br />
in einzelnen Regionen angespannt,<br />
aber auf nationaler Ebene aus folgenden<br />
Gründen noch nicht in einer gefährlichen<br />
Übertreibungsphase:<br />
p Der Anstieg der Hauspreise in den letzten<br />
Jahren ist zwar beeindruckend, erweist<br />
sich im historischen Vergleich aber nicht als<br />
aussergewöhnlich.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 67
p Wie der so genannte Affordability Index<br />
(siehe Grafik unten) zeigt, können sich die<br />
Haushalte ihre Häuser immer noch etwa<br />
gleich gut leisten wie in den letzten Jahren,<br />
weil deutlich gestiegene Einkommen und<br />
gefallene Zinsen die höheren Immobilienpreise<br />
in etwa kompensiert haben.<br />
p Ein weiterer Faktor ist der generelle<br />
Anstieg des Wohlstands. Der Anteil der Ausgaben<br />
für Grundbedürfnisse (zum Beispiel<br />
Nahrungsmittel) am verfügbaren Einkommen<br />
hat von 38 Prozent in den Siebzigerjahren<br />
auf 30 Prozent in den Neunzigerjahren<br />
abgenommen. Diese relative Verschiebung<br />
der Konsumpräferenzen bedeutet, dass die<br />
Haushalte willens und fähig sind, sich höhere<br />
Immobilienpreise und einen etwas höheren<br />
Schuldendienst zu leisten.<br />
p Auch die im Verhältnis zum Einkommen<br />
gestiegene Hypothekarverschuldung ist zu<br />
relativieren, da der Anteil der Hauseigentümer<br />
von 64 Prozent Mitte der Neunzigerjahre<br />
auf 68 Prozent der privaten Haushalte<br />
gestiegen ist. Konsequenterweise ist –<br />
gesamtwirtschaftlich gesehen – auch der<br />
Hypothekarzinsaufwand in Relation zum Einkommen<br />
gestiegen. Oft wird dabei jedoch<br />
übersehen, dass es dafür weniger Mieter<br />
gibt und der Anteil der Mietzinszahlungen am<br />
Einkommen entsprechend gesunken ist.<br />
Wohneigentum ist bedeutender als Aktienbesitz<br />
Interessant ist ein Blick auf die Vermögensverteilung der US-Bevölkerung. Auf die 20 Prozent<br />
der Haushalte mit dem höchsten Einkommen entfallen 42 Prozent allen Wohneigentums<br />
und nicht weniger als 78 Prozent der Aktienbestände. Die 20 Prozent der Haushalte mit<br />
den geringsten Einkommen besitzen nur etwa ein Prozent der Aktien, aber immerhin acht<br />
Prozent der Immobilien. Aufgrund der viel gleichmässigeren Verteilung der Immobilienvermögen<br />
ist es verständlich, dass für einen Grossteil der Haushalte die Preisveränderungen<br />
am Häusermarkt für ihre finanzielle Lage wichtiger sind als diejenige an den Aktienmärkten.<br />
Dank dieser Faktoren ist nicht mit einem<br />
Kollaps am Immobilienmarkt zu rechnen.<br />
Realistisch betrachtet muss nach den kräftigen<br />
Preisanstiegen aber mit einer moderateren<br />
Entwicklung gerechnet werden und<br />
Preisrückgänge in einzelnen Regionen sind<br />
nicht auszuschliessen.<br />
Bereits jetzt hat der Preisanstieg begonnen,<br />
an Dynamik zu verlieren. Die sich anbahnende<br />
Beruhigung am Immobilienmarkt<br />
widerspiegelt sich in der leichten Abnahme<br />
der Anträge auf Hypothekarkredite. Die entscheidende<br />
Rolle spielt diesbezüglich die<br />
Zinsentwicklung. Man kann davon ausgehen,<br />
dass die Zinsen nahe dem Tiefpunkt<br />
sind und mittelfristig tendenziell ansteigen<br />
dürften, was die Nachfrage nach Immobilien<br />
dämpfen wird. Ein weiterer Faktor ist, dass<br />
vor dem Hintergrund der drastisch gefallenen<br />
Aktienkurse vermehrt in Immobilien<br />
investiert wurde. Mit der in der zweiten<br />
Jahreshälfte erwarteten Konjunkturerholung<br />
dürfte dieser Trend aber nachlassen.<br />
Diesen zyklischen Faktoren stehen positive<br />
strukturelle und demografische Entwicklungen<br />
gegenüber. Ein Grossteil der<br />
Baby-Boom-Generation besitzt unterdessen<br />
ein Eigenheim, nun kaufen sie vermehrt<br />
Zweitwohnungen und Ferienhäuser. Eine<br />
zunehmend wichtige Rolle spielen auch die<br />
Einwanderer in die USA, deren Anzahl weiter<br />
zunehmen wird. Zudem erlauben innovative<br />
Finanzierungsprodukte auch Familien mit<br />
niedrigeren Einkommen, ein Eigenheim zu<br />
erwerben. Die Attraktivität eines Eigenheimes<br />
wurde auch durch eine Änderung in<br />
der Besteuerung von Kapitalgewinnen auf<br />
Wohnhäusern, einen einfacheren Ablauf<br />
bei der Kreditvergabe und rückläufige Transaktionskosten<br />
erhöht.<br />
Trotz höherer Preise bleibt das Wohneigentum bezahlbar<br />
Die amerikanischen Haushalte könne sich ihre Häuser immer noch etwa gleich gut leisten wie<br />
in den letzten Jahren. Neben gestiegenen Einkommen und fallenden Zinsen ist dafür auch<br />
der generelle Anstieg des Wohlstands verantwortlich. Quelle: National Association of Realtors, Freddie Mac<br />
150<br />
145<br />
140<br />
135<br />
130<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
Index*<br />
100<br />
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 <strong>01</strong> 02<br />
Hauspreise<br />
Affordability Index (rechte Skala)<br />
* Ein Wert über 100 bedeutet, dass ein Haushalt mit einem mittleren Einkommen sich eine Hypothek für ein Haus im<br />
mittleren Preissegment leisten kann.<br />
Jahresveränderung in %<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Die Refinanzierung verliert an Bedeutung<br />
Mit einer moderateren Preisentwicklung am<br />
Immobilienmarkt wird auch ein Rückgang der<br />
Anzahl der Refinanzierungen einhergehen.<br />
Denn da bereits im grossen Ausmass refinanziert<br />
wurde, ist der Anteil potenzieller<br />
Nutzniesser solcher Transaktionen nun viel<br />
geringer. Mit dem mittelfristig erwarteten<br />
Anstieg der Zinsen wird auch der Einfluss<br />
des wichtigsten Motivationsfaktors für Refinanzierungen<br />
geringer. Gefährlich wäre ein<br />
schneller, starker Zinsanstieg, der aber nicht<br />
prognostiziert ist. Die Mortgage Bankers<br />
Association of America erwartet, dass der<br />
Refinanzierungssatz von 58 Prozent im 2002<br />
auf 43 Prozent im laufenden Jahr zurückgehen<br />
wird. Damit verliert eine wichtige Stütze<br />
des privaten Konsums langsam an Bedeutung.<br />
Dank des anhaltenden Wachstums des<br />
verfügbaren Einkommens dürfte sich das –<br />
wenn auch nur moderate – Wachstum des<br />
privaten Konsums jedoch fortsetzen.<br />
Beat Schumacher<br />
Telefon <strong>01</strong> 334 56 91, beat.schumacher@credit-suisse.com<br />
Fotos: Cameron Davidson/Stone (S. 66, 68), Martin Stollenwerk (S. 67), Peter Tillessen (S. 69)<br />
68 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Die Dividendenrendite feiert<br />
eine Renaissance<br />
Mit Aktienengagements sind vorerst wohl noch keine grossen Kursgewinne zu erwarten. Deshalb<br />
interessiert sich eine zunehmende Zahl von Investoren wieder für die Dividendenrendite ihrer Aktien.<br />
Es lohnt sich aber, auch die «Dividendenperlen» genau zu analysieren. Damian Sigrist, Equity Research<br />
Ein Blick in die zur Jahreswende von den<br />
Strategen publizierten Prognosen zeigt, dass<br />
zwar insgesamt mit einer leichten Erholung<br />
der Aktienmärkte, nicht aber mit einem Kursfeuerwerk<br />
wie zu den «goldenen» Börsenzeiten<br />
gerechnet werden kann.<br />
Die Dividendenrendite hat deshalb an Attraktivität<br />
gewonnen. Selbst die US-Regierung<br />
hat sich indirekt dieses Themas angenommen.<br />
Sie sieht in ihrem neuen Steuerpaket<br />
unter anderem die Abschaffung der Doppelbesteuerung<br />
der Dividende vor.<br />
Papiere mit einer hohen Dividendenrendite<br />
sind für Investoren an der Schweizer Aktienbörse<br />
nicht nur unter dem Gesichtspunkt<br />
«Lieber den Spatz in der Hand als die Taube<br />
auf dem Dach» interessant, sondern auch deshalb,<br />
weil einige Papiere inzwischen besser<br />
Dividendenrenditen der letzten zehn Jahre<br />
Dividendenrenditen können im Laufe der Jahre grosse Schwankungen erfahren.<br />
Die vier Beispiele zeigen, dass man bei einem Aktienkauf nicht nur auf die<br />
letzte Dividende achten darf. Quelle: Datastream<br />
6<br />
Dividendenrendite in %<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1991<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 20<strong>01</strong><br />
CKW UBS Nestlé Novartis<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 69
entieren als eidgenössische Staatsanleihen.<br />
Risikoaverse Anleger sollten sich aber, bevor<br />
sie einfach auf Grund einer Rangliste der<br />
am besten rentierenden Schweizer Aktien zu<br />
investieren beginnen, erst Gedanken darüber<br />
machen, was denn diese Kennzahl überhaupt<br />
aussagt.<br />
Üblicherweise wird sie berechnet, indem<br />
man die zuletzt bezahlte Dividende – gegenwärtig<br />
also die für das Geschäftsjahr 20<strong>01</strong><br />
festgelegte, aber erst nach der Generalversammlung<br />
2002 bezahlte Gewinnausschüttung<br />
– durch den aktuellen Aktienkurs<br />
dividiert und mit 100 multipliziert. Die so<br />
errechnete Prozentzahl ist entsprechend ein<br />
vergangenheitsbezogener Wert. Sie stellt<br />
somit keine Garantie für eine gleich hohe<br />
oder sogar höhere Gewinnausschüttung in<br />
der Zukunft dar. Zwar tendieren die Unternehmen<br />
dazu, Kontinuität in ihren Dividendenzahlungen<br />
zu zeigen. Die jüngste<br />
Vergangenheit lehrt aber, dass es immer<br />
auch Zeiten gibt, in denen Gesellschaften<br />
die Dividenden aus ökonomischen Gründen<br />
kürzen. Entsprechend unterscheidet sich<br />
die Reihenfolge in der Rangliste so genannter<br />
Schweizer «Dividendenperlen», die sich<br />
auf Basis der zuletzt bezahlten Dividende<br />
«Die Dividendenrendite<br />
ist wieder ins Blickfeld der<br />
Investoren gerückt.»<br />
Damian Sigrist, Equity Research Credit Suisse<br />
Private Banking<br />
errechnet, von der Bestenliste mit den für<br />
das laufende Jahr geschätzten Dividenden<br />
(vgl. Tabelle).<br />
Steueraspekte sprechen gegen Dividende<br />
Es gibt auch Argumente, die gegen die Gewinnausschüttung<br />
an die Aktionäre sprechen.<br />
Dank der Einbehaltung von Erträgen verfügt<br />
ein Unternehmen über zusätzliche Mittel, die<br />
es in gewinnbringende oder wertsteigernde<br />
Projekte investieren kann. Die Aktionäre<br />
partizipieren über Kursgewinne am so generierten<br />
Mehrwert. Auch sprechen in der<br />
Schweiz Steueroptimierungsüberlegungen<br />
gegen die Ausrichtung einer Dividende, da<br />
diese der Verrechnungssteuer unterliegen.<br />
Diesem Steueraspekt trugen zwar verschiedene<br />
Gesellschaften dadurch Rechnung,<br />
dass sie den Aktionären an Stelle einer Dividendenausrichtung<br />
eine steuerfreie Nennwertreduktion<br />
gewährten. Nachdem diese<br />
Massnahme aber Schule gemacht hat, ist<br />
der Spielraum für weitere Reduktionen inzwischen<br />
begrenzt.<br />
Trotzdem dürften viele Anleger, die in den<br />
vergangenen zwei Jahren vor allem Buchverluste<br />
auf ihren Aktienengagements einfuhren,<br />
zurzeit eine Dividende wohl vorziehen.<br />
Geringe Liquidität begründet hohe Renditen<br />
Es gibt Branchen, die infolge sektorspezifischer<br />
Faktoren traditionell eine hohe Dividendenrendite<br />
ausweisen. Unternehmen, die wie<br />
etwa Papier- und Zellstoffgesellschaften in<br />
reifen Märkten operieren, verfügen nur noch<br />
Schweizer «Dividendenperlen» im Überblick<br />
Dividendenrenditen von über drei Prozent dürfen sich sehen lassen. Eine Analyse der unten stehenden Tabelle zeigt<br />
aber Schwankungen der Dividenden innerhalb eines Jahres von minus zwei Prozent bis plus 1,5 Prozent. Nicht jede<br />
«Dividendenperle» von heute muss also auch eine von morgen sein. Quelle: Unternehmensangaben/Bloomberg<br />
Aktie Marktkapital in Mio. CHF Valoren-Nr. Bloomberg Kurs am 9.1.<strong>03</strong> in CHF Dividende in CHF Dividendenrendite in %<br />
20<strong>01</strong> 2002E 20<strong>01</strong> 2002E<br />
Vontobel 2083.20 1233554/VONN SW 22.80 1.50 1.04 6.6 4.6<br />
Helvetia Patria 1069.80 1227168/HEPN SW 154.75 8.75 6.73 5.7 4.3<br />
Swisscom 27209.40 874251/SCMN VX 420.00 19.00 14.21 4.5 3.4<br />
Warteck 184.70 261948/WARN SW 1260.00 55.00 58.00 4.4 4.6<br />
Luzerner KB 1307.20 1169360/LUKN SW 158.00 6.50 6.25 4.1 4.0<br />
Züblin 236.10 976983/ZUB SW 8.34 0.35 0.39 4.2 4.7<br />
Allreal 468.70 883756/ALLN SW 77.00 3.00 4.15 3.9 5.4<br />
Zuger KB 597.00 130890/ZG SW 2390.00 85.00 90.00 3.6 3.8<br />
Baloise 3556.20 1241051/BALN VX 58.75 2.40 1.59 4.1 2.7<br />
CKW 588.20 157928/CKW SW 2200.00 70.00* 44.80** 3.2 2.0<br />
Valora 1099.70 208897/VALN SW 264.00 9.00 9.44 3.4 3.6<br />
PSP Swiss Property 1143.70 1042810/PSPN SW 149.00 5.00 5.38 3.4 3.6<br />
Pargesa Holding 3899.50 217375/PARG SW 2555.00 80.00 65.50 3.1 2.6<br />
Kühne&Nagel 2083.20 1254181/KNIN SW 89.00 2.90 2.88 3.3 3.2<br />
Rieter 1138.00 367144/RIEN SW 272.00 8.60 7.55 3.2 2.8<br />
*Geschäftsjahr per Ende September 2002 bzw. **20<strong>03</strong><br />
Fotos: Martin Stollenwerk, Peter Tillessen<br />
70 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
über limitierte Möglichkeiten, den hohen Cashflow<br />
mit einer ansprechenden Rendite im<br />
eigenen Unternehmen zu investieren. Hohe<br />
zurückbehaltene Gewinne würden somit den<br />
Return on Equity (ROE) unter Druck setzen.<br />
Die Gesellschaften schaffen in dieser Situation<br />
einerseits durch hohe Dividendenzahlungen<br />
(oft über den gesamten Zyklus konstant) und<br />
andererseits durch Akquisitionen Abhilfe.<br />
Unter Schweizer Werten stechen diesbezüglich<br />
die Immobilien- und Stromgesellschaften<br />
heraus. Die defensiven Immobilienaktien<br />
wurden mit dem Anspruch im Markt<br />
etabliert, ein Bond-Ersatz zu sein. Die meisten<br />
dieser Unternehmen verfügen über einen<br />
anständigen Streubesitz, doch weist die<br />
Mehrheit mit einer Marktkapitalisierung von<br />
unter einer Milliarde Franken für die gewichtigen<br />
institutionellen Anleger keine optimale<br />
Grösse aus. Entsprechend macht sich bei<br />
solchen Immobilienaktien eine vergleichsweise<br />
geringe Liquidität des Handels bemerkbar.<br />
Damit könnten sich für Privatinvestoren<br />
Probleme im Falle eines geplanten Ausstiegs<br />
ergeben.<br />
Die Schweizer Stromgesellschaften richten<br />
aus sektorspezifischen Gründen (Monopolgesellschaften<br />
in reifen Märkten) traditionell<br />
hohe und stetige Dividenden aus. Dieser Umstand<br />
hat die Titel in den letzten zwei Jahren<br />
für vorsichtige Investoren attraktiv gemacht.<br />
Dies schlug sich in deutlich gestiegenen<br />
Aktienkursen, inzwischen aber auch in gesunkenen<br />
Dividendenrenditen nieder. Indes verfügen<br />
auch Stromaktien über eine geringe<br />
Liquidität und einen tiefen Free Float.<br />
In der Rangliste der Schweizer Dividendenperlen<br />
belegen Finanzwerte die Spitzenplätze.<br />
Dabei handelt es sich allerdings um<br />
Werte, die – mit Ausnahme der Bâloise – zu<br />
den Mid Caps zu zählen sind. Zum einen ist<br />
die vergleichbar hohe Rendite auf die infolge<br />
des schwierigen Börsenumfelds gesunkenen<br />
Kurse der Banken- und Versicherungsaktien<br />
zurückzuführen, wovon auch die Mid Caps<br />
unter den Finanztiteln nicht verschont blieben.<br />
Zum andern befinden sich darunter mit<br />
der Luzerner und der Zuger Kantonalbank<br />
auch Werte, die auf Grund der Staatsgarantie,<br />
über die die beiden Institute verfügen,<br />
speziell von risikoaversen, einkommens- und<br />
langfristig orientierten Privatinvestoren gesucht<br />
sind.<br />
Im Falle von Vontobel und Baloise haben<br />
die Auguren, auf Grund des schwierigen<br />
Die amerikanische Anlagestrategie «Dogs of the Dow»<br />
Die geplante Aufhebung der Doppelbesteuerung der Dividenden in den USA rückt die<br />
bekannte Anlagestrategie «Dogs of the Dow» wieder in den Fokus des Marktes. Danach<br />
werden zu einem bestimmten Stichtag aus den 30 Werten des Dow Jones Industrial die<br />
zehn Titel mit der höchsten Dividendenrendite bestimmt, die so genannten «faulen Hunde».<br />
In diese wird jeweils exakt der gleiche Betrag investiert und die Aktien werden zwölf<br />
Monate nicht angerührt. Danach wird nach demselben Muster neu selektiert. Mit dieser<br />
Strategie konnte man zwar nicht immer, aber doch häufig eine bessere Performance erzielen<br />
als der Dow Jones. In der Blüte der Technologiehausse 1997 bis 1999 übertraf der Dow<br />
Jones Industrial die Dogs drei Jahre in Folge. Doch im vergangenen Jahr wäre man damit<br />
wieder besser gefahren. Zwar verbuchten die Dogs ein Minus von 6,1 Prozent, der Dow<br />
Jones erlitt aber im selben Zeitraum einen Rückschlag von 16,8 Prozent.<br />
Geschäftsumfeldes für diese Institute, ihre<br />
Dividendenprognosen für das laufende Geschäftsjahr<br />
2002 reduziert.<br />
Limitierte Auswahl am Schweizer Markt<br />
Eine optisch attraktive Dividendenrendite<br />
stellt für sich allein genommen also kein<br />
sicheres Investmentkriterium dar.<br />
Der Anleger kommt nicht darum herum<br />
zu überprüfen, ob die Rendite auf einer gesunden<br />
Bilanz und einer hohen Cashflow-<br />
Entwicklung abgestützt ist. Solide Gesellschaften<br />
bieten am ehesten Gewähr, dass<br />
die bisherige Dividendenpolitik aufrechterhalten<br />
wird. Entsprechend gehören unter<br />
den Schweizer Aktien zwangsläufig jene von<br />
grosskapitalisierten Werten in den Anlageraster.<br />
Die Titel kommen aber unabhängig<br />
von der Dividendenrendite als Engagement in<br />
Betracht. Sie bieten im momentan schwierigen<br />
Umfeld die Aussicht auf eine Barausschüttung,<br />
die das Vorjahresniveau erreicht,<br />
sowie die Chance, im Falle einer Erholung<br />
der Börsen Kursgewinne zu erzielen.<br />
Damian Sigrist<br />
Telefon <strong>01</strong> 334 36 39, damian.sigrist@credit-suisse.com<br />
Dividenden und Obligationen im Vergleich<br />
Die durchschnittliche Verzinsung staatlicher Obligationen ist meistens attraktiver als die<br />
durchschnittliche Dividende auf den Schweizer Aktien. In den letzten Jahren haben sich die<br />
Werte zunehmend angenähert. Die so genannten Dividendenperlen sind heute für den<br />
Anleger interessanter als die meisten Obligationen. Quelle: Datastream<br />
%<br />
5.0<br />
4.5<br />
4.0<br />
3.5<br />
3.0<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0<br />
Jun 95<br />
Okt 95<br />
Feb 96<br />
Jun 96<br />
Okt 96<br />
Feb 97<br />
Jun 97<br />
Okt 97<br />
Feb 98<br />
Jun 98<br />
Okt 98<br />
Feb 99<br />
Jun 99<br />
Okt 99<br />
Feb 00<br />
Jun 00<br />
Okt 00<br />
Feb <strong>01</strong><br />
Jun <strong>01</strong><br />
Okt <strong>01</strong><br />
Feb 02<br />
Jun 02<br />
Okt 02<br />
Rendite von 10-jähriger Bundesanleihe<br />
Dividendenrendite SMI<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 71
Jede Brennerei hat ein Farbsystem entwickelt, das es ihr ermöglicht festzustellen, wie oft ein Fass schon gefüllt wurde.
LUST UND LASTER<br />
Vom Gerstenmalz zum Single Malt<br />
Single-Malt-Whiskys haben die Bars der Welt erobert. Ihren Erfolg verdanken sie sowohl dem einmaligen<br />
Herstellungsprozess wie auch dem Können ihrer Destillateure. Marcus Balogh, Redaktion Bulletin<br />
Foto: David Lefranc<br />
Tamdhu, Bruichladdich, Dalwhinnie, Caol Ila,<br />
Caperdonich, Glenglassaugh – man sollte<br />
das laut aussprechen. Oder hinter vorgehaltener<br />
Hand beschwörerisch murmeln. Dann<br />
hört es sich wie der Zauberspruch eines<br />
keltischen Druiden an. In Tat und Wahrheit<br />
sind es die Namen von sechs Single-Malt-<br />
Whiskys. Für einen Connaisseur gelten<br />
Single Malts als Krone der Whiskyschöpfung<br />
und die Namen haben damit durchaus etwas<br />
Magisches.<br />
Der Name «Whisky» leitet sich vom gälischen<br />
«uisge beatha» ab, was übersetzt<br />
nichts anderes heisst als Lebenswasser –<br />
oder lateinisch «aqua vitae». 1494 wird dieses<br />
Aqua Vitae das erste Mal in einem offiziellen<br />
schottischen Dokument erwähnt: Der Mönch<br />
John Cor habe eine Ladung gemalzter Gerste<br />
bestellt, um damit Schnaps zu brennen,<br />
heisst es da. Man kann also davon ausgehen,<br />
dass sich die Schotten seit beinahe<br />
einem halben Jahrtausend mit der Herstellung<br />
von Whisky befassen – und das mit<br />
echter Hingabe. Ende des 16. Jahrhunderts<br />
wurde von den Destillerien so viel Gerste<br />
verbraucht, dass es zu einer Knappheit auf<br />
den Lebensmittelmärkten kam.<br />
Der Boom beflügelt die Preise<br />
Für eine Hungersnot sorgen die Single Malts<br />
heute gewiss nicht mehr. Ihr Anteil an der<br />
gesamten Whiskyproduktion beträgt nur<br />
fünf Prozent. Diese fünf Prozent haben<br />
allerdings eine rührige Gefolgschaft. In der<br />
Zwischenzeit gibt es kaum eine Grossstadt,<br />
die nicht mindestens eine auf Single Malt<br />
spezialisierte Bar hat. Und seltene Flaschen<br />
werden zu exorbitanten Preisen an Versteigerungen<br />
verkauft. Im Dezember 2002 erzielte<br />
beispielsweise ein 62 Jahre alter Dalmore<br />
den Rekordpreis von rund 63 000 Franken –<br />
macht pro Schluck rund tausend Franken.<br />
Aber auch jüngere Single Malts wechseln<br />
für beachtliche Summen ihren Besitzer. Wer<br />
sich einen 1998 abgefüllten, 21 Jahre im<br />
Fass gelagerten Port Ellen in die Hausbar<br />
stellen will, muss um die 1500 Franken auf<br />
den Tisch blättern. Ob diese Flaschen ihr<br />
Geld wirklich wert sind, lässt sich nicht so<br />
einfach beantworten. Wie bei den meisten<br />
Sammlerstücken – egal ob Porzellanfiguren<br />
oder Ölgemälde – bestimmt die Nachfrage<br />
den Preis. Und dementsprechend sind denn<br />
auch nicht alle Whiskyliebhaber begeistert<br />
über die Popularität ihres Leibgetränkes.<br />
Es lebe der Unterschied<br />
In jedem Fall ist ein Single Malt aber nicht<br />
einfach ein Single Malt. Zwischen einem<br />
Laphroaig und einem Highland Park stellt<br />
man mindestens so viele Unterschiede fest<br />
wie zwischen einem Château Cheval-Blanc<br />
und einem Châteauneuf-du-Pape.<br />
Diese Unterschiede sind von vielen Faktoren<br />
abhängig. Vom Wasser, vom mehr oder<br />
weniger rauchigen Trocknen der ausgekeimten<br />
Gerste und von den Fässern, in<br />
denen der Whisky reift. Daneben finden sich<br />
natürlich auch mehr oder minder magische<br />
Einflüsse. Wird beispielsweise ein Brennkessel<br />
ersetzt, so hat der neue nicht nur<br />
die gleiche Form wie sein Vorgänger, mit<br />
akribischem Gehämmer schlagen die Brennmeister<br />
in den neuen Sudkessel auch<br />
noch die gleichen Beulen wie bei der alten<br />
Brennblase. Das mag übertrieben scheinen.<br />
Doch die Single-Malt-Industrie lebt eben<br />
sowohl vom Mythos wie auch von den<br />
Geschmacksunterschieden zwischen den<br />
einzelnen Marken und Destillerien – und die<br />
Whiskyindustrie lebt recht gut. Die kleine<br />
Insel Islay, mit ihren 4000 Einwohnern und<br />
einer Handvoll Destillerien, füllt die britische<br />
Staatskasse zum Beispiel jährlich mit beinahe<br />
einer halben Milliarde Franken an<br />
Steuergeldern.<br />
Illegales Trinken wurde patriotische Pflicht<br />
Viel Geld. Und darüber freuen sich die<br />
Behörden nicht erst seit heute. Seit fast<br />
dreihundert Jahren schröpfen die britischen<br />
Steuervögte die Whiskyindustrie. Kein Wunder,<br />
tauchten in der Vergangenheit viele<br />
Brennereien in die Illegalität ab – und selbstverständlich<br />
galt das Trinken der unrechtmässig<br />
hergestellten Whiskys den Schotten<br />
als patriotischer Akt.<br />
Jede Region hat ihren Charakter<br />
Die Whiskybrennereien werden grob nach vier Regionen unterschieden. Die Single Malts<br />
aus den südlichen Lowlands haben oft einen sanften und leichten Charakter. Whiskys, die<br />
von der Insel Islay stammen, duften markant torfig, je nach Marke erinnern sie ein<br />
bisschen an Medizin oder sind eine Spur salzig. In den Highlands/Speyside finden sich<br />
die meisten Destillerien und dementsprechend gross sind die Unterschiede. Viele Single<br />
Malts aus dieser Region haben jedoch einen sanften Charakter und decken die ganze<br />
Bandbreite zwischen süsslich und trocken ab. Last but not least kommen die Whiskys von<br />
den Inseln Jura, Orkney, Mull und Skye. Geografisch gehören sie eigentlich noch zu den<br />
Highlands. Auch hier ist es schwierig, eine gemeinsame Charakteristik zu finden, reichen<br />
die Aromen doch von süsslich bis trocken, von torfig bis mild.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 73
Die meisten Destillerien überlassen das Wenden der austreibenden Gerste Maschinen –<br />
natürlich schwören Puristen, dass nichts über die Handarbeit eines Schotten geht.<br />
Heute ist das Geschäft mit dem Whisky ein<br />
Business wie jedes andere auch. Steuern<br />
sind ein lästiges Übel, aber kein Grund für<br />
Schwarzbrennerei. Wichtiger ist den Destillerien<br />
die Erhaltung des Charakters.<br />
Für diesen Charakter nehmen die als geizig<br />
verschrienen Schotten sogar etwas eher<br />
Unschottisches in Kauf: Im Verlauf der Fassreifung<br />
«verdampft» der Whisky jährlich um<br />
rund zwei Prozent seines Volumens, den<br />
«angels share» – den Anteil der Engel. Zwei<br />
Prozent, das hört sich nach wenig an, aber<br />
nach 15 Jahren ist ein Drittel verdampft.<br />
Ist der Single Malt erst mal in Flaschen<br />
abgefüllt, reift er nicht mehr nach. Jetzt geht<br />
es nur noch um den Genuss. Wie dieser sein<br />
soll, darüber streiten sich Laien genauso<br />
wie Experten. Die meisten Single-Malt-<br />
Anhänger trinken ihren Whisky pur. Ohne<br />
Wasser und schon gar nicht auf Eis. Die<br />
Schotten selber fügen ihrem Nationalgetränk<br />
hingegen ganz gerne ein paar Tropfen<br />
Wasser bei. So entwickelt sich der Duft<br />
besser und der typische Charakter tritt noch<br />
deutlicher hervor.<br />
Diese Charakterunterschiede machen den<br />
Single Malt zu einem alkoholischen Allrounder.<br />
Ein frischer, mit einem Hauch von Torf<br />
aromatisierter Caol Ila eignet sich durchaus<br />
als Aperitif, während ein Cardhu mit seiner<br />
Spur von Süsse einen guten Digestif abgibt.<br />
Und wer sich etwas Besonderes gönnen will,<br />
zündet sich zu seinem ein wenig nach Jod<br />
riechenden Lagavullin noch eine Havanna an.<br />
Single Malt ist nicht einfach Single Malt<br />
Single-Malt-Whiskys sind so kontrastreich wie<br />
Schottland selber. Der Herstellungsprozess aber<br />
ist immer der gleiche.<br />
1|Zuerst wird die Gerste gemälzt. Dazu<br />
wird sie für zwei bis drei Tage in Wasser<br />
eingeweicht, dann breitet man die Samen<br />
auf einem Felsen oder auf einem Betonboden<br />
aus.<br />
2|Hier treibt die Gerste nun aus. Dabei<br />
verwandelt ein Enzym einen Teil der Gerste<br />
in Zucker und Stärke. Während acht bis zwölf<br />
Tagen wird die keimende Gerste von fleissigen<br />
Schotten immer wieder umgeschaufelt<br />
und gewendet.<br />
3|Schliesslich wird der Keimungsprozess<br />
gestoppt. Dazu streut man die gemälzte<br />
Gerste auf einen Trockenboden aus. Unterhalb<br />
des Bodens glüht ein Feuer vor sich<br />
hin – eine Mischung aus Torf und anderen<br />
brennbaren Materialien. Der aufsteigende<br />
Rauch trocknet das Malz und verleiht ihm<br />
gleichzeitig einen Teil des charakteristischen,<br />
für jede Destillerie eigenen Geschmacks.<br />
4|Die getrocknete Gerste wird gemahlen<br />
und mit heissem Wasser gemischt. Die festen<br />
Bestandteile setzen sich am Boden ab,<br />
ein anderer Teil löst sich auf. Diese Flüssigkeit<br />
– in Schottland nennt man sie Wort –<br />
wird abgezogen und kommt in grosse Becken,<br />
die zwischen 9000 und 45000 Liter fassen.<br />
5|Bei einer konstanten Temperatur von<br />
rund 21 Grad und unter Beigabe von<br />
Hefe lässt man das schlammig aussehende<br />
Gemisch vor sich hin gären.<br />
6|Nach etwa 48 Stunden hat diese Flüssigkeit<br />
einen Alkoholgehalt von rund sieben<br />
Prozent. Erst jetzt beginnt der eigentliche<br />
Destillationsprozess. In einer Brennblase<br />
wird die Flüssigkeit aufgeheizt. Alkohol verdampft<br />
bei einer tieferen Temperatur als<br />
Wasser und verflüchtigt sich, lange bevor<br />
das Wasser zu kochen beginnt. Die kondensierte<br />
Flüssigkeit wird aufgefangen und<br />
anschliessend ein zweites Mal destilliert.<br />
Diese zweite Destillation verlangt grosse<br />
Routine. Denn nur der mittlere Teil der verdampfenden<br />
Flüssigkeit kann verwendet<br />
werden. Den richtigen Zeitpunkt muss ein<br />
Brennmeister einfach im Gefühl haben.<br />
7|Nun kommt der gewonnene Whisky – der<br />
immer noch völlig farblos ist und zwischen<br />
53 und 60 Alkoholprozent hat – zur Lagerung<br />
in die Fässer. Diese Fässer sind nicht etwa<br />
neu. Die einen ziehen Eichenfässer vor,<br />
die Sherry enthielten, andere solche, in denen<br />
Bourbon reifte. In beiden Fällen lagert der<br />
Single Malt nun aber mindestens drei Jahre.<br />
In der Regel beträgt die Reifezeit aber<br />
zwischen 8 und 15 Jahren – bei einzelnen<br />
Abfüllungen wesentlich länger.<br />
Foto: David Lefranc<br />
74 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
SPONSORING<br />
Die Schweiz wird zum EURO-Land<br />
und zu einer neuen Fussball-Grösse<br />
Das Jahr 2002 war das erfolgreichste in der 107-jährigen Geschichte des Schweizerischen Fussballverbands<br />
SFV. Das Tüpfelchen auf das «i» stellte dabei die erfolgreiche Kandidatur für die EURO 2008 dar. Wie geht<br />
es nun weiter? Was bedeutet dieser Grossanlass für die Schweiz? Andreas Schiendorfer, Redaktion Bulletin<br />
Mittwoch, 12. Dezember 2002, 14.32 Uhr:<br />
UEFA-Präsident Lennart Johannsson verkündet,<br />
dass die EURO 2008 in Österreich<br />
und in der Schweiz stattfindet.<br />
Trotz der guten Vorbereitung war der<br />
erfolgreiche Verlauf dieser sportpolitischen<br />
Abstimmung keineswegs sicher. Umso grösser<br />
der Jubel: «Ein Hauch von südländischer<br />
Freude», titelte selbst die nüchterne «NZZ».<br />
«Der Schweizer Fussball kann nun sechs<br />
Jahre dem Leitstern EURO 2008 folgen: ein<br />
ideales Förderband für das 1995 eingeführte<br />
Nachwuchskonzept des SFV», erklärt Thomas<br />
Helbling, Gesamtprojektleiter der Kandidatur<br />
EURO 2008. «Das Stichwort ‹EURO<br />
2008› ist für jedes Talent eine Antriebsfeder<br />
mit Langzeitwirkung.»<br />
Gerade dieses Nachwuchskonzept ist<br />
der Credit Suisse seit je ein Anliegen. Die<br />
Hälfte des finanziellen Engagements komme<br />
seit Beginn der Partnerschaft 1993 dem<br />
Nachwuchs zugute, betont Urs Wyss, Leiter<br />
Sponsoring Credit Suisse. Die Junioren<br />
hätten denn auch während der Durststrecke<br />
der A-Nationalmannschaft nach 1996 immer<br />
wieder für ausgezeichnete Resultate gesorgt.<br />
2002 erreichte der SFV mit dem Europameistertitel<br />
der U17-Junioren und dem Vordringen<br />
der U21 in den Halbfinal einen kaum<br />
zu überbietenden Höhepunkt.<br />
Für die Credit Suisse hat sich sowohl das<br />
Engagement für die Nationalmannschaften<br />
wie auch jenes für die Kandidatur EURO<br />
2008 gelohnt. Trotzdem ist die Zukunft noch<br />
ungewiss. «Der Vertrag mit dem SFV läuft<br />
nach der EURO 2004 in Portugal aus», erklärt<br />
Adrian Schüpbach, Leiter Sportsponsoring<br />
Schweiz. «Die Partnerschaft mit den Nationalmannschaften<br />
wird sicher weitergehen –<br />
sofern man sich über die Konditionen einigt.<br />
Zu bedenken gilt es dabei beispielsweise,<br />
dass nun die für einen Sponsor attraktiven<br />
Qualifikationsspiele wegfallen werden.»<br />
Auch die EURO 2008 selbst ist näher, als<br />
man denkt: Bereits im März wird in Genf das<br />
zweite EURO-Stadion eingeweiht, und im<br />
Herbst müssen die Zürcher per Abstimmung<br />
die letzte Unsicherheit über den Bau ihres<br />
Stadions beseitigen. Das Eröffnungsspiel<br />
steigt am 7. Juni 2008 im neuen Wankdorf.<br />
Nicht erst dann gilt es, vorbereitet zu sein. Die<br />
EURO 2008 wird 1,138 Millionen Menschen<br />
in die Stadien der beiden Länder locken.<br />
Bern, Basel, Genf und Zürich können mit<br />
rund 14 000 Zusatzübernachtungen pro Tag<br />
rechnen. Das allein ergibt, mit Verpflegung<br />
und Nebenkosten, einen Mehrumsatz von<br />
rund 150 Millionen Franken. Zweifellos bilden<br />
die Fernsehübertragungen mit total 10,5<br />
Milliarden Zuschauern auch eine ideale<br />
Werbeplattform für die Schweiz.<br />
Rot und Blau im Stade de Genève<br />
Der neue St. Jakob Park in Basel bringt der Schweizer Nationalmannschaft Glück:<br />
Das Team von Köbi Kuhn gewann dort das erste Qualifikationsspiel für die EURO<br />
2004 in Portugal gegen Georgien mit 4:1 und startete eine neue Erfolgsserie. Nun<br />
steht, am 2. April, in Tiflis das Rückspiel bevor. Verlieren verboten, lautet da die<br />
Devise, will man sich vor dem wichtigen Spiel in Basel gegen Russland (7. Juni)<br />
seine Chancen wahren. Am 30. April folgt die Länderspielpremiere im neuen,<br />
oben abgebildeten Stade de Genève. Die Squadra Azurra stellt dabei einen<br />
ausgesprochen attraktiven und starken Gegner der Rothemden dar. Das Freundschaftsspiel<br />
gegen Italien dürfte deshalb bald einmal ausverkauft sein. Die Credit<br />
Suisse, Hauptsponsor der Fussball-Nationalmannschaften, hat sich rechtzeitig<br />
für die Leser des Bulletin dreimal zwei Tickets gesichert. Die Verlosung wird im<br />
emagazine (www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin) durchgeführt.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 75
Dem Lauf der Zeit trotzen<br />
Am 9.März fällt der Startschuss des von der Credit Suisse gesponserten Engadin Skimarathons.13000 Frauen<br />
und Männer läuten damit die lange Saison der Torturen ein. Ob auf Inlineskates, Mountainbikes oder zu Fuss:<br />
Immer mehr suchen im Sport die grosse Herausforderung. Remo Geisser, Sportredaktor «NZZ am Sonntag» und Hobbyläufer<br />
Start zum Engadin Skimarathon: Um ans Ziel zu kommen, ist weder Talent noch Technik entscheidend, sondern vor allem eine grosse Portion Sturheit.
SPONSORING<br />
Foto: swiss-image/Remy Steinegger<br />
Im Ausdauersport ist das Mass aller Dinge<br />
nach wie vor der Marathon, der Mythos<br />
aller Disziplinen. Hunderttausende joggen<br />
weltweit in atmungsaktiven Kleidern und<br />
mit luftgefederten Schuhen auf den Spuren<br />
des griechischen Meldeläufers Pheidipides,<br />
der von Marathon nach Athen lief und<br />
gerade noch die Botschaft vom Sieg seiner<br />
Landsleute über die Perser murmeln<br />
konnte, bevor er tot zusammenbrach.<br />
Solche Bilder mögen in den Köpfen ablaufen,<br />
wenn moderne Menschen zum Wagnis<br />
Marathon aufbrechen. Nicht umsonst fällt<br />
im Gespräch mit Ausdauersportlern immer<br />
wieder der Begriff der Grenzerfahrung.<br />
Und es ist auch kein Zufall, dass diese<br />
Sportler meist über 35 sind, es in ihrem<br />
Leben zu etwas gebracht haben und sich<br />
allmählich zurücklehnen könnten. Aber<br />
plötzlich kommt die Frage: War es das jetzt?<br />
Es ist erstaunlich, wie viele Erfolgsmenschen<br />
in der zweiten Hälfte ihres Lebens<br />
beginnen, gegen die Zeit anzurennen.<br />
Joschka Fischer, Jörg Haider, Roger de<br />
Weck oder Roger Schawinski sind einige<br />
prominente Beispiele. Stehen sie wieder<br />
einmal an der Startlinie zu einem grossen<br />
Volkslauf, scheint es, als seien politische<br />
oder geschäftliche Erfolge nichts,<br />
gemessen an einer blechernen Finisher-<br />
Medaille und einer persönlichen Bestzeit.<br />
Der Mythos Marathon täuscht darüber<br />
hinweg, dass Ausdauersport für die breite<br />
Masse völlig einfach ist. Es braucht dazu<br />
weder Talent noch Technik, sondern vor<br />
allem Zeit und ein gerüttelt Mass an Sturheit.<br />
Das ist wohl die wichtigste Erklärung<br />
dafür, warum in Wohlstandsgesellschaften<br />
ein eigentlicher Marathonboom entstehen<br />
konnte. Der Trainingsplan gibt dem Leben<br />
einen strukturierten Inhalt, das Ziel gibt<br />
ihm einen Sinn. Dabei können die Grenzen<br />
bei Bedarf immer wieder verschoben<br />
werden: Der Marathon wird zum Ultralangstreckenlauf,<br />
zum Triathlon, zum Inferno-<br />
Triathlon, zum Gigathlon.<br />
Dass soziale Kontakte unter der permanenten<br />
Selbstkasteiung leiden, spielt<br />
in einer ohnehin entfremdeten Welt keine<br />
grosse Rolle. Als Entschädigung für die<br />
Einsamkeit des Langstreckentrainings gibt<br />
es entlang der grossen Stadtmarathonstrecken<br />
wohlige Duschen der Zuwendung.<br />
Hunderttausende tragen die Läufer mit<br />
ihrem Applaus ins Ziel. «You look good!»,<br />
rufen sie in New York. «Du schaffst es!»,<br />
schreien sie in Berlin. Und der Läufer<br />
erreicht das Ziel wie in Trance. Die Endorphine,<br />
die in seinem Gehirn ausgeschüttet<br />
werden, damit die Schmerzen überhaupt<br />
erträglich sind, spielen dabei eine mindestens<br />
so wichtige Rolle wie die Anfeuerungsrufe<br />
der Zuschauer. Psychologen sprechen<br />
vom «Flow», einer rauschhaften Empfindung,<br />
die sich aus einer leichten Überforderung<br />
und deren Überwindung ergibt.<br />
Dieses Gefühl hält auch nach dem Wettkampf<br />
noch einige Zeit an. Viele Finisher<br />
berichten von einer Euphorie, die bis zu<br />
einem Monat ihr Leben versüsst und für<br />
Grosstaten im Geschäftsalltag genutzt wird.<br />
Ohne die richtige Ausrüstung läuft nichts<br />
So viel positive Energie ist den Sportlern<br />
einiges wert. Das beginnt bei der Investition<br />
in die Ausrüstung: Laufschuhe, Socken,<br />
Shorts, Tops, Regenjacken – alles aus<br />
Hightechmaterialien, deren fantastische<br />
Namen allein schon Erfolg suggerieren.<br />
Hinzu kommen elektronische Pulsmesser<br />
zur Trainingssteuerung, Geräte zur Bestimmung<br />
des Körperfettanteils, Laktatmessgeräte<br />
und manch anderes Produkt der<br />
modernen Technik. Wie lange dauert es noch,<br />
bis auch reine Hobbysportler zur Vorbereitung<br />
auf den New York Marathon in einer<br />
Unterdruckkammer nächtigen, um die<br />
Vermehrung der roten Blutkörperchen zu<br />
stimulieren?<br />
Doch nicht nur die Sportartikelindustrie<br />
profitiert vom Boom des Ausdauersports,<br />
sondern auch die Reisebranche, denn für<br />
die meisten Teilnehmer zählt nicht nur<br />
die Leistung, sondern auch der Ort, an dem<br />
diese erbracht wird. New York, London oder<br />
Berlin heissen die Marathondestinationen<br />
mit dem höchsten Prestige; Triathleten zieht<br />
es nach Hawaii, Ultraläufer auf die Jungfrau.<br />
So kommt es, dass in der Millionenstadt<br />
Berlin nur gut zehn Prozent der<br />
40 000 Teilnehmenden Einheimische sind.<br />
Fast 10 000 kommen aus dem Ausland,<br />
davon über 1000 aus der Schweiz. Ähnlich<br />
sind die Verhältnisse in London oder New<br />
York. Die Schweizer Kontingente an Veranstaltungen<br />
im Ausland sind noch eindrücklicher,<br />
wenn man weiss, dass es in der<br />
Schweiz laut Fachleuten nur rund 3000<br />
Marathonläufer gibt. Auch die Anreise an<br />
Marathonanlässe ist nicht gerade billig.<br />
So kostet ein viertägiger Trip nach Berlin<br />
ohne Weiteres 1000 Franken, und für den<br />
Flug nach New York müssen mindestens<br />
2500 Franken hingeblättert werden. Dafür<br />
ist der Startplatz garantiert, und meist<br />
wird noch ein mehr oder weniger umfassender<br />
Zusatzservice geboten: T-Shirt, Massage<br />
und Betreuung durch prominente<br />
Ex-Läufer. Doch längst nicht alle geben<br />
sich mit dem Standardangebot zufrieden.<br />
Für die Reise zum New York Marathon<br />
leistet sich inzwischen jeder zehnte Schweizer<br />
ein Businessclass-Ticket. Schliesslich<br />
will man die Aussichten auf eine gute<br />
Zeit nicht schon beim Anflug in der Holzklasse<br />
gefährden.<br />
Am Veranstaltungsort angekommen,<br />
greifen die Sportler noch einmal tief in die<br />
Tasche. Eine Umfrage, die 1998 am Berlin-<br />
Marathon durchgeführt wurde, brachte<br />
eindrückliche Zahlen zu Tage: Die 25 000<br />
Teilnehmer reisten im Durchschnitt mit<br />
1,5 Begleitpersonen an, buchten insgesamt<br />
knapp 50 000 Übernachtungen und gaben<br />
pro Tag 132 (Deutsche) respektive 182<br />
(Ausländer) Franken aus. Das ergab für die<br />
Stadt Berlin eine Wertschöpfung von<br />
42,5 Millionen Franken. Der Organisations-<br />
Die Credit Suisse am<br />
35. Engadin Skimarathon<br />
Als Hauptsponsor trägt die Credit Suisse<br />
seit 1997 dazu bei, dass der Engadin Skimarathon<br />
und die Tage vorher zum Langlauf-Volksfest<br />
werden. Den Auftakt macht<br />
am 2.März 20<strong>03</strong> der Frauenlauf. Er führt über<br />
17 Kilometer von Samedan nach S-chanf.<br />
Am 7. März folgt der Mungga-Lauf, wo prominente<br />
Gäste für und mit der Engadiner<br />
Skijugend laufen.<br />
Im Marathon-Village in St. Moritz Bad können<br />
sich Langläuferinnen und Langläufer<br />
über die aktuellen Trends informieren und<br />
mit der neusten Ausrüstung eindecken.<br />
Daneben bietet die Credit Suisse ein Spektakel<br />
der besonderen Art: PS-Fans können<br />
im Cockpit eines <strong>Formel</strong>-1-Simulators von<br />
Sauber Petronas ihr Können unter Beweis<br />
stellen. Hauptpreis ist eine Führung für zwei<br />
Personen im Sauberwerk in Hinwil. Der Startschuss<br />
zum 35. Engadin Skimarathon fällt<br />
am 9. März um 8.40 Uhr in Maloja. Weitere<br />
Infos auf www.engadin-skimarathon.ch oder<br />
unter 081 850 55 55 (rh)<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 77
Im Land der Superlativen<br />
In keinem Land der Welt gibt es eine solche Dichte von Veranstaltungen<br />
im Langstreckenbereich wie in der Schweiz. Der Wohlstand der Bevölkerung,<br />
die ideale Topografie, die gute Verkehrserschliessung und die Vielzahl<br />
von Sportvereinen, aus denen freiwillige Helfer rekrutiert werden können, spielen<br />
dabei eine zentrale Rolle.<br />
Die wichtigsten Langstreckenwettbewerbe<br />
und ihre Charakteristika<br />
Engadin Skimarathon<br />
9. März 20<strong>03</strong><br />
Zürich Marathon<br />
13. April<br />
100 km von Biel<br />
13./14. Juni<br />
Swiss Alpine Marathon<br />
26. Juli<br />
Ironman Switzerland<br />
27. Juli<br />
Inline one-eleven<br />
10. August<br />
Jungfrau-Marathon<br />
6. September<br />
Etwas für Einsteiger. Die Strecke führt zwar über die klassische Marathondistanz<br />
von 42,2 Kilometern, aber mit Ski lassen sich diese mit vergleichsweise<br />
geringem Aufwand bewältigen. Sind der Anstieg zur Olympiaschanze<br />
und der Stazerwald einmal überwunden, geht es gemächlich das Engadin<br />
hinunter. Rund 13000 Frauen und Männer machen diesen Volkslauf jährlich<br />
zu einer der grössten Sportveranstaltungen der Schweiz.<br />
Seit Jahren wird darüber geschnödet, dass es in der Schweiz keinen<br />
grossen Stadtmarathon gibt. Nun nimmt Zürich einen weiteren Anlauf. Die<br />
Strecke führt zwar nur zum Teil durch die Innenstadt, scheint aber mit bloss<br />
30 Höhenmetern sehr schnell zu bewältigen zu sein. Dass es ein Bedürfnis<br />
für ein solches Rennen gibt, zeigt der Run auf die Tickets: Anfang<br />
Januar waren bereits knapp 3000 der 5000 Startplätze vergeben.<br />
Einmal musst du nach Biel, heisst es unter ambitionierten Langstreckenläufern.<br />
Die lange Nacht im Seeland ist tatsächlich ein eindrückliches<br />
Erlebnis. Einsames Laufen in völliger Dunkelheit und Passagen inmitten<br />
von Volksfesten wechseln sich immer wieder ab. In den Morgenstunden<br />
beginnt allerdings für alle ein langer Kampf gegen die Müdigkeit. Trotz der<br />
langen Tortur wurden 2002 immerhin 1400 Läufer klassiert.<br />
Wer ganz hoch hinaus will, reist nach Davos. Die ultimative Herausforderung<br />
heisst hier K78. Der grösste Ultraberglauf der Welt führt am Piz Kesch<br />
über 78,5 Kilometer, wobei 2320 Meter zunächst als Auf- und dann als<br />
Abstieg zu überwinden sind. Abwärts werden Gelenke und Muskeln<br />
extrem strapaziert. Trotzdem wurden im vergangenen Jahr 900 Ultraläufer<br />
klassiert.<br />
Für Triathleten ist die Ironman-Distanz noch immer das einzig Wahre. 3,8 Kilometer<br />
Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und zum Schluss noch einen<br />
Marathon laufen – das verlangt eine ungeheure Ausdauer. Jahr für Jahr<br />
machen sich in Zürich gegen 2000 Ausdauersportler auf den langen Weg.<br />
Noch ein Superlativ: «Längstes Inline-Rennen der Welt» nennen die St.Galler<br />
Organisatoren ihre Veranstaltung. Auf Rollen geht es gelenkschonend,<br />
aber keineswegs anspruchslos über 111 Kilometer durch die Ostschweiz.<br />
Knapp 700 Skater bewältigten im vergangenen Jahr das Pensum.<br />
Einmal mehr die 42,195 Kilometer, aber hier in einer besonderen Variante.<br />
1823 Höhenmeter sind zu überwinden, bevor das Ziel erreicht ist. Immerhin<br />
geht es auf dem letzten Kilometer abwärts, so dass die Bilder bei der<br />
Ankunft etwas schmeichelhafter ausfallen. Dass fast ausschliesslich<br />
aufwärts gelaufen wird, hat einen grossen Vorteil: Die Gelenke werden<br />
viel weniger belastet. Wer am Jungfrau-Marathon teilnehmen will, braucht<br />
Glück. Das Interesse ist riesig, und die 3600 Startplätze werden verlost.<br />
aufwand war mit 7,1 Millionen Franken<br />
bescheiden. In der Schweiz wurden vergleichbare<br />
Studien durchgeführt. So bringt<br />
der Skimarathon dem Engadin jährlich<br />
eine Wertschöpfung von fünf Millionen<br />
Franken, und im Berner Oberland werden<br />
mit dem Jungfrau-Marathon gegen sechs<br />
Millionen Franken umgesetzt.<br />
Solche Zahlen haben auch die Zürcher<br />
aufgeweckt. Hinter dem Stadtmarathon,<br />
der am 13. April erstmals durchgeführt<br />
werden soll, steht als treibende Kraft denn<br />
auch nicht etwa ein Sportverein, sondern<br />
die Tourismusindustrie. Erich Ogi, einer der<br />
Initianten des Projekts, rechnet schon<br />
im ersten Jahr mit einer Wertschöpfung von<br />
über sechs Millionen Franken. Und dies,<br />
obwohl die Teilnehmerzahl auf 5000<br />
beschränkt wird. Damit sollen Strecke<br />
und Logistik getestet werden. Ist der erste<br />
Eindruck positiv, steht einem Wachstum<br />
nichts im Weg. 10 000 Läufer scheinen<br />
auch für den Zürich Marathon keine Utopie.<br />
Der Boom der Ausdauersportarten hat<br />
aber auch seine Schattenseiten, denn<br />
im Kampf um das Prestige einer persönlichen<br />
Bestzeit ist manchen jedes Mittel<br />
recht. Dass in der Hoffnung auf eine<br />
Leistungssteigerung neben Elektrolytgetränken<br />
auch Coramintabletten geschluckt<br />
werden, mag noch als naiver Akt abgetan<br />
werden. Aber je ambitionierter die Hobbysportler,<br />
desto skrupelloser die Methoden.<br />
So brachte eine Studie am Jungfrau-<br />
Marathon zu Tage, dass 34 Prozent aller<br />
Läufer vor dem Start Schmerz- oder<br />
Rheumatabletten zu sich nahmen, um die<br />
Leiden während des Wettkampfes zu<br />
lindern. Andere putschen sich bewusst auf<br />
oder schrecken selbst vor Anabolika und<br />
Epo nicht zurück. «Ich vermute, dass 20<br />
bis 30 Prozent der Teilnehmenden am<br />
Engadiner gedopt sind», sagt der Schweizer<br />
Olympia-Arzt Beat Villiger. Und auch der<br />
grosse italienische Dopingbekämpfer<br />
Alessandro Donato warnt: «Doping wird<br />
zur Volkskrankheit.»<br />
Darum Vorsicht: Im verbissenen Kampf<br />
um immer noch bessere Leistungen könnte<br />
sich der Kreis schliessen. Wer Ausdauersport<br />
nach den unerbittlichen Regeln der<br />
Leistungsgesellschaft betreibt, droht zum<br />
modernen Pheidipides zu werden. Und die<br />
Kunde vom Sieg über sich selbst könnte<br />
irgendwann eine Todesanzeige zieren.<br />
78 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
SPONSORING<br />
Agenda 1/<strong>03</strong><br />
Aus dem Kultur- und Sportengagement<br />
der Credit Suisse<br />
GEORGIEN<br />
2.4. EM-Qualifikation Georgien –<br />
Schweiz, Fussball<br />
KUALA LUMPUR<br />
23.3. Grand Prix von Malaysia, F1<br />
LAUSANNE<br />
5.4. All Blues Jazz Classics:<br />
Brad Mehldau Solo & Trio,<br />
Métropole<br />
LENZBURG<br />
3.4. CS Junior Awards, Fussball<br />
LUGANO<br />
6.4. All Blues Jazz Classics:<br />
Brad Mehldau Solo & Trio,<br />
La Cittadella<br />
MELBOURNE<br />
9.3. Grand Prix von Australien, F1<br />
SÃO PAULO<br />
6.4. Grand Prix von Brasilien, F1<br />
STANS<br />
22.–27.4. Stanser Musiktage<br />
ZÜRICH<br />
7.4. All Blues Jazz Recitals:<br />
Brad Mehldau Solo & Trio<br />
Kultsaxofon<br />
Der Saxofonist Wayne Shorter gilt als genialer<br />
Jazzkomponist und Ideengenerator. Der<br />
knapp 60-Jährige kann auf eine besonders<br />
fruchtbare und abwechslungsreiche Karriere<br />
zurückblicken. 1964 holte ihn Miles Davis in<br />
seine Band, wo er massgeblich an der Weiterentwicklung<br />
des Stils jenes Ausnahmetrompeters<br />
beteiligt war. 1970 gründete er<br />
zusammen mit dem Keyboarder Joe Zawinul<br />
die legendäre Fusiongruppe Weather Report. Für seine Kompositionen,<br />
darunter auch die Filmmusik zu «Round Midnight», erhielt der<br />
Saxer bis anhin drei Grammys. Zurzeit ist er auf Tour – seit langem<br />
wieder einmal mit einer akustischen Band. Shorter kann auf hochkarätige<br />
Unterstützung zählen: Danilo Pérez, panamaischer Piano-<br />
Flinkling und einer der neuen Sterne am Klavierhimmel, Bassist<br />
John Pattitucci, langjähriges Mitglied in Chick Coreas Electric und<br />
Acoustic Bands sowie Drummer Brian Blade. (rh)<br />
Wayne Shorter, All Blues Jazz Recitals.<br />
17.3., Tonhalle Zürich; 18.3. Victoria Hall Genf. Weitere Infos<br />
unter www.allblues.ch und www.vervemusicgroup.com<br />
Auf www.credit-suisse.com/emagazine können Sie Tickets gewinnen.<br />
Kultort Stadion<br />
Auch wenn Fussball gerne als völkerverbindender Sport auftritt,<br />
gefoult wird trotzdem. Auf dem Spielfeld und leider immer mehr auch<br />
auf den Zuschauerrängen. Die Wanderausstellung «Kultort Stadion»<br />
zeigt, wie die Inszenierung von Grossereignissen in Fussballstadien<br />
neben der Begeisterung für das sportliche Geschehen auch schlecht<br />
kontrollierbare Emotionen und Aggressionen auszulösen vermag und<br />
ein wirkungsvolles Forum für Demonstrationen bietet. Die Ausstellung<br />
thematisiert Gewalt, Rassismus und Diskriminierung in und um<br />
Fussballstadien. Sie stellt die Problematik, Mechanik und Dynamik<br />
solcher Exzesse dar und vor allem zur Diskussion. «Kultort Stadion»<br />
ist ein erster Schritt auf dem Weg, sich den soziokulturellen Hintergründen<br />
des Phänomens anzunähern. Die Ausstellung zeigt auch,<br />
welche Initiativen ergriffen werden, um dieser Entwicklung im medial<br />
genutzten Fussball wirkungsvoll zu begegnen und die Freude am<br />
Fussball wieder ins Zentrum zu rücken. Gerade auch aktuellste<br />
Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, durch das Bewusstmachen dieser<br />
Zusammenhänge die Fairness im Sport wieder zu verstärken. (rh)<br />
«Kultort Stadion», Wanderausstellung.<br />
Erste Station vom 28.1. bis 8.3.<strong>03</strong> im Gundeldinger Feld, Basel.<br />
Mehr Infos unter www.klauslittmann.com<br />
Lina Böglis Reise<br />
Sie klingt unglaublich, die Geschichte<br />
der Lina Bögli und ihrer<br />
Reise in die Welt. Geboren 1858<br />
als Bauerntochter in Oschwand<br />
BE, machte sich Lina Bögli 1892<br />
auf eine Reise, die auf den Tag<br />
genau zehn Jahre dauern sollte.<br />
Die Berichte von dieser Weltreise,<br />
die nach ihrer Rückkehr als<br />
Briefe an eine fiktive Freundin<br />
veröffentlicht wurden, widersprechen<br />
den gängigen Vorstellungen<br />
der Möglichkeiten, die reisende<br />
Frauen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
hatten. Lina bereiste allein<br />
und ohne jegliche Sicherheit<br />
Australien, Neuseeland, die USA<br />
und Kanada. Eine Reise in die<br />
weite Welt, doch auch eine Flucht<br />
vor einer unglücklichen Liebe zu<br />
einem polnischen Offizier. Unter<br />
der Regie von Christoph Marthaler<br />
entführt das Ensemble,<br />
darunter Catriona Guggenbühl<br />
und Michael von der Heide, die<br />
Zuschauer in die innere und äussere<br />
Welt einer früh emanzipierten<br />
Frau, die das Exil und<br />
die eigene Unabhängigkeit einer<br />
bürgerlichen Existenz vorzog. (rh)<br />
«Lina Böglis Reise», 21. und 25.3.,<br />
Schauspielhaus Zürich. Bulletin<br />
verlost für beide Daten je fünf Mal<br />
zwei Tickets. Details siehe Talon.<br />
Impressum<br />
Herausgeber Credit Suisse, Postfach 2, 8070 Zürich, Telefon <strong>01</strong> 333 11 11, Fax <strong>01</strong> 332 55 55 Redaktion Daniel Huber (dhu) (Leitung), Marcus Balogh (ba) (Wealth Management), Ruth Hafen (rh)<br />
(Sponsoring), Andreas Schiendorfer (schi) (Aktuell), emagazine: Andreas Thomann (ath), Martina Bosshard (mb), Michèle Luderer (ml), Michael Schmid (ms), Redaktionssekretariat: Sandra Haeberli,<br />
Telefon <strong>01</strong> 333 73 94, Fax <strong>01</strong> 333 64 04, E-Mail redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com, Internet: www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin Korrektorat text control, Zürich Gestaltung www.arnolddesign.ch:<br />
Karin Bolliger, Adrian Goepel, Urs Arnold, Alice Kälin, Maja Davé, Benno Delvai, Annegret Jucker, Saroeun Dan, Andrea Studer, Roland Hersche, Monika Isler (Planung und Durchführung) Inserate<br />
Yvonne Philipp, Strasshus, 8820 Wädenswil, Telefon <strong>01</strong> 683 15 90, Fax <strong>01</strong> 683 15 91, E-Mail yvonne.philipp@bluewin.ch Druck NZZ Fretz AG/Zollikofer AG Redaktionskommission Othmar Cueni<br />
(Head Corporate & Retail Banking Northern Switzerland, Private Clients), Claudia Kraaz (Head Corporate Communications Credit Suisse Financial Services), Eva-Maria Jonen (Customer Relation Services,<br />
Marketing Winterthur Life & Pensions), Karin Rhomberg (Chief Communications Officer Credit Suisse Group), Fritz Stahel (Credit Suisse Economic & Policy Consulting), Burkhard Varnholt (Head Financial<br />
Products), Christian Vonesch (Head Marktgebiet Privatkunden Zürich), Claudia Grüter (Head Private Clients Offers, e-Solutions) Erscheint im 108. Jahrgang (6 × pro Jahr in deutscher, französischer<br />
und italienischer Sprache). Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin der Credit Suisse». Adressänderungen bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts an Ihre<br />
Credit Suisse Geschäftsstelle oder an: Credit Suisse, KISF 14, Postfach 600, 8070 Zürich<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken. Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften. Hinweise auf die frühere<br />
Performance garantieren nicht notwendigerweise positive Entwicklungen in der Zukunft. Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits für Transaktionen von Gesellschaften der CREDIT SUISSE GROUP verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen Ansichten<br />
sind diejenigen der CREDIT SUISSE GROUP zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.) Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.
LEADERS<br />
«Wir müssen die Bombe<br />
der Intoleranz entschärfen»<br />
Wenn er nicht gerade an einem Bestseller schreibt, kämpft der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho<br />
für eine bessere Welt. Interview: Ruth Hafen, Redaktion Bulletin<br />
Ruth Hafen In Ihren Büchern geht es in<br />
erster Linie um spirituellen, aber auch um<br />
handfesten Reichtum. In Ihrem neusten<br />
Werk «Der Dämon und Fräulein Prym» verdirbt<br />
die Aussicht auf plötzlichen Reichtum<br />
den Charakter eines ganzen Dorfes.<br />
Sie sind weltweit einer der erfolgreichsten …<br />
Paulo Coelho … und reichsten! (lacht<br />
schallend)<br />
… Autoren. Hat Sie das viele Geld verändert?<br />
Ich war immer reich. Reichtum ist nicht in<br />
erster Linie mit dem Geld verbunden, das<br />
man hat. Es geht vielmehr darum, was man<br />
damit macht, ob man es zu seinem Vorteil<br />
zu nutzen weiss. Als ich noch ein Hippie<br />
war, bereiste ich mit nur 200 Dollar die<br />
ganzen Vereinigten Staaten und einen Teil<br />
von Mexiko. Mit fehlte es an nichts: Ich<br />
hatte genug zu essen, eine Freundin und<br />
viel Spass. Was ist Reichtum? Doch nur<br />
die Möglichkeit, das zu tun, wonach einem<br />
gerade der Sinn steht. Und mit diesen<br />
200 Dollar konnte ich all das tun, was ich<br />
wollte. Heute habe ich zwar mehr Geld,<br />
aber wenn ich das Leben nicht geniessen<br />
kann, bin ich trotzdem arm dran. Worauf<br />
es wirklich ankommt, ist, dass der Mensch<br />
seine Träume verwirklichen kann. Das ist<br />
wahrer Reichtum.<br />
Geld allein macht also nicht glücklich. Da<br />
könnten Sie Ihres ja ebenso gut verschenken.<br />
Ich begann zu schreiben, als ich schon<br />
relativ alt war, mit 38, in einem Alter, in dem<br />
die meisten Leute nichts Neues mehr<br />
anfangen. Es wird eher von einem erwartet,<br />
endlich etwas zu Ende zu bringen. Es war<br />
immer mein Traum gewesen, Schriftsteller<br />
zu sein, ich hatte die Umsetzung aber immer<br />
wieder aufgeschoben. Als ich meinen<br />
Traum endlich erfüllt sah, war ich sehr zufrieden.<br />
Doch vielen Leuten in meiner Nähe<br />
geht es schlecht. Sie haben zu wenig zu<br />
essen, keine Chance, ihre Träume zu verwirklichen,<br />
sind frustriert. Ich merkte, dass<br />
ich keine Insel bin: Ich kann nicht zufrieden<br />
leben, wenns um mich herum unglückliche<br />
Leute gibt. Es gibt viele Dinge, die<br />
ich nicht ändern kann. Ich kann die Einstellung<br />
eines Menschen gegenüber seinem<br />
Schicksal nicht ändern. Also habe ich nicht<br />
versucht, die ganze Welt zu verändern,<br />
sondern beschloss, es in meinem Viertel zu<br />
versuchen. Ich habe das Instituto Paulo<br />
Coelho gegründet, das sich momentan um<br />
310 Kinder und deren Erziehung kümmert.<br />
Dafür steht ein jährliches Budget von<br />
400 000 Dollar zur Verfügung. Natürlich<br />
benütze ich auch meinen Ruhm, meinen<br />
Erfolg, um auf die Regierung Druck<br />
auszuüben, damit die Grundlage für die<br />
Ärmsten verbessert wird. Das Gewissen<br />
regt sich, wenn man merkt, dass man<br />
keine Insel ist.<br />
Wählen Sie die Projekte, die unterstützt<br />
werden, selbst aus? Nein, nein. Meine<br />
Frau Cristina kümmert sich darum. Als wir<br />
das Institut gründeten, war klar, dass das<br />
Geld für Projekte in unserer Nachbarschaft<br />
bestimmt sein sollte. In der Nähe meiner<br />
Wohnung in Rio gibts genug Favelas, wo<br />
die Leute unter grosser Armut leiden.<br />
Vor vier Jahren haben wir mit 100 Kindern<br />
begonnen, heute sinds 310, das Ziel<br />
liegt bei 800.<br />
Sie helfen Menschen in Ihrem engeren<br />
Umfeld. Haben Sie eine Idee, wie man den<br />
Reichtum global besser verteilen könnte?<br />
Ich bin mir der Probleme, die auf der Welt<br />
herrschen, bewusst. Ich bin davon überzeugt:<br />
Wenn ich helfe, wird mir gleichzeitig<br />
geholfen. Das ist positive Energie, die<br />
freigesetzt wird. Ich bin sicher, dass eine<br />
stille Kette der Solidarität die ganze Welt<br />
umspannt. Die Menschen beginnen, sich<br />
miteinander zu verbinden und Ideen auszutauschen,<br />
sie fangen an, zu kooperieren.<br />
Ich bin Vorstandsmitglied der «Schwab<br />
Foundation for Social Entrepreneurship»,<br />
einer Schweizer Stiftung. Klaus Schwab<br />
möchte durch diese Organisation weltweit<br />
Leute verbinden, die soziale Anliegen auch<br />
in ihre Arbeit einbringen. Wir möchten die<br />
Welt verbessern, aber ohne romantische<br />
Ideen, die nirgends hinführen, sondern mit<br />
einem ausgeprägten Realitätssinn. Eine<br />
neue ökonomische Struktur soll entstehen,<br />
welche die sozialen Anliegen der Gesellschaft<br />
mit einbinden soll. Die Schwab<br />
Foundation wird in zehn Jahren ein wichtiger<br />
Katalysator für die Förderung von<br />
sozialverträglichem Unternehmertum sein.<br />
Das tönt sehr nach Elfenbeinturm. Im Gegenteil!<br />
Es laufen bereits einige sehr konkrete<br />
Projekte: Nutzung von Solarenergie, Kondome<br />
für die Prostituierten in Thailand, ein<br />
Spiel, um die Kinder in Peru zu alphabetisieren.<br />
Insgesamt sind es etwa 40 Projekte.<br />
Klaus Schwab möchte die Leute, die an<br />
diesen Projekten arbeiten, mit den Teilnehmern<br />
am World Economic Forum (WEF)<br />
zusammenbringen, um so weitere finanzielle<br />
Unterstützung zu finden.<br />
Sie sind einer der wenigen WEF-Teilnehmer,<br />
die nicht aus Politik oder Wirtschaft kommen.<br />
Ich bin nicht der Einzige. Umberto Eco<br />
war schon da, Mario Vargas Llosa, Peter<br />
Gabriel, Bono. Wir müssen eine Dialogbasis<br />
schaffen. Die Gesellschaft ist zu<br />
komplex; Dinge, die uns hier beeinflussen,<br />
üben auch anderswo ihren Einfluss aus.<br />
Ein chinesisches Sprichwort sagt, dass der<br />
Flügelschlag eines Schmetterlings in China<br />
in Amerika einen Hurrikan auslösen kann.<br />
Es muss eine Diskussion zwischen den<br />
aktiven Mitgliedern der Gesellschaft stattfinden.<br />
Das WEF soll dafür sorgen, die<br />
Foto: Tom Haller<br />
80 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
«Mit 38 Jahren beschloss ich, mein bisheriges Leben über Bord zu werfen und Schriftsteller zu werden», verrät Paulo Coelho.<br />
Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong> 81
LEADERS<br />
«Wahrer Reichtum ist,<br />
wenn ein Mensch seine<br />
Träume verfolgen kann.»<br />
Paulo Coelho<br />
Welt zu verbessern. Doch es bestehen viele<br />
Vorurteile gegenüber dem Forum. Das ist<br />
schade, denn das Forum leistet sehr wertvolle<br />
Arbeit.<br />
Sie haben kein Verständnis für die Gegner,<br />
die befürchten, dass eine kleine Machtgruppe<br />
hinter verschlossenen Türen über<br />
den Lauf der Welt bestimmt? Klar, ich<br />
dachte früher ja auch so. Aber in Wirklichkeit<br />
ist es doch so, dass keiner diese Macht<br />
hat. Keiner hat diese Kontrolle. Heute<br />
besteht auf der Welt die ungesunde Tendenz<br />
zur Vereinfachung. Wir meinen immer,<br />
alles erklären zu müssen, also erklären<br />
wir die Dinge auf die einfachste – und<br />
schlechteste – Weise. Mir gefällt das Einfache,<br />
aber es ist unzulänglich, die Welt<br />
so simpel darzustellen, alles nur in Schwarz<br />
und Weiss. Alle Dinge sind miteinander<br />
verbunden.<br />
Neben Ihrer eigenen Stiftung und der<br />
Schwab Foundation arbeiten Sie auch für<br />
die Unesco. Worum geht es da? Ich bin für<br />
die Unesco und für die Shimon Perez<br />
Foundation tätig. Wir leben in einer Zeit, in<br />
der die Welt immer mehr aus den Fugen<br />
gerät und niemand mehr die Kontrolle hat.<br />
Das kann in zwei Richtungen führen: zu<br />
mehr Toleranz oder zu Fundamentalismus.<br />
Ich spreche hier von islamischem Fundamentalismus,<br />
den christlichen Fundamentalismus<br />
– der für mich nichts mit Glauben zu<br />
tun hat – möchte ich beiseite lassen. Die<br />
Idee der Unesco ist es, eine Diskussion einzufädeln.<br />
Es geht nicht darum, am grünen<br />
Tisch über Gott oder religiösen Synkretismus<br />
zu reden, sondern darum, gemeinsam<br />
Brücken zu finden; das ist nicht einfach.<br />
Wir stehen noch ganz am Anfang dieses<br />
Prozesses. Vor zwei Jahren wurde ich<br />
als erster nicht muslimischer Schriftsteller<br />
in den Iran eingeladen. Wir versuchen, Menschen<br />
unterschiedlicher Kulturen und<br />
Glaubensrichtungen dazu zu bringen, miteinander<br />
in den Dialog zu treten; wir müssen<br />
die Bombe der Intoleranz entschärfen.<br />
Sie wurden erst mit 38 Schriftsteller. Wieso?<br />
Weil es sehr einfach ist, einen Traum zu<br />
haben. Und sehr schwierig, den Preis dafür<br />
zu bezahlen. Sobald ich beginne, den Traum<br />
zu leben, muss ich mich darauf gefasst<br />
machen, dass ich nicht nur gewinnen, sondern<br />
auch verlieren kann. Die Angst ist<br />
immer präsent. Im «Alchimisten» beschreibe<br />
ich einen Kristallverkäufer, der seine Träume<br />
nicht verwirklichen will, weil er Angst<br />
hat, sein Leben verliere dann den Sinn. In<br />
meinem Fall war das anders: Ich dachte,<br />
mein Traum wäre nicht realisierbar. Also sei<br />
es besser, mit dieser romantischen Idee<br />
zu leben und mich über die Gesellschaft und<br />
alles Mögliche zu beschweren, anstatt zu<br />
versuchen, meinen Traum zu verwirklichen<br />
und vielleicht damit Schiffbruch zu erleiden.<br />
Als ich zum ersten Mal auf dem Jakobsweg<br />
pilgerte – der Wendepunkt meines<br />
Lebens –, wurde mir bewusst, was für ein<br />
Feigling ich 38 Jahre lang gewesen war.<br />
Ich hatte immer die komfortabelste Art zu<br />
leben gesucht, statt das Risiko einzugehen,<br />
meinen Traum zu verwirklichen. Dann aber<br />
habe ich mir gesagt, jetzt beginnst du,<br />
deinen Traum zu leben. Du kannst gewinnen<br />
oder verlieren. Es ist zwar spät, aber<br />
noch ist alles möglich. Und es war nicht<br />
zu spät. Ich beschloss, mein bisheriges<br />
Leben über Bord zu werfen.<br />
Welche Rolle spielen Religion und Glaube in<br />
Ihrem Leben? Glaube und Religion sind<br />
zwei verschiedene Dinge. Die Religion gibt<br />
mir Disziplin. Ich denke zwar nicht, dass<br />
Disziplin zu den wichtigsten Dingen der Welt<br />
gehört, aber für mich ist sie von grosser<br />
Bedeutung. Glaube ist ebenfalls sehr wichtig<br />
für mich. Den Glauben muss man sich<br />
täglich erobern, er gleicht einer Wette, die<br />
man mit sich selbst eingeht. Und wie es halt<br />
so ist mit allen Wetten, ist man sich nie ganz<br />
sicher. Deswegen brauchts den Glauben.<br />
Was tun Sie, wenn Sie nicht mehr weiterwissen?<br />
Ich halte mich an Zeichen. Ich<br />
glaube fest daran, dass alles aus Zeichen<br />
ersichtlich ist. Wenn ich meine ganze<br />
Aufmerksamkeit darauf konzentriere, sehe<br />
ich die Zeichen, das Alphabet Gottes. Die<br />
Antworten auf meine Fragen können überall<br />
sein – im Taxifahrer, im Concierge, in einem<br />
Passanten, überall. Die Zeichen können<br />
überall auftauchen, und ich folge ihnen.<br />
Sie haben Glück, solche Zeichen sieht nicht<br />
jeder. Ja, ich habe Glück. Der Schriftsteller<br />
Carlos Castaneda sagte einmal, dass alle<br />
Menschen einen Kubikzentimeter Glück<br />
haben. Das Geheimnis des Lebens besteht<br />
darin, diesem Kubikzentimeter zu folgen.<br />
Internetlinks:<br />
3 www.paulocoelho.com<br />
3 www.schwabfound.org<br />
3 www.diogenes.ch<br />
Vom Hippie und Magier zum millionenschweren Popliteraten<br />
Paulo Coelho, 1947 geboren, wurde erst mit 38 Jahren Schriftsteller. Nach einem abgebrochenen<br />
Jurastudium schrieb er in den Siebzigerjahren sozialkritische Songtexte für<br />
Raul Seixas, einen brasilianischen Rockstar. Der Militärjunta ein Dorn im Auge, wurde er<br />
wiederholt verhaftet, einmal während einer Woche sogar inhaftiert und gefoltert. Danach<br />
arbeitete er einige Zeit als Manager beim Plattenlabel Polygram. Mit seinem Buch «Der<br />
Alchimist» gelang ihm der Durchbruch. Von der Literaturkritik wird er als Leichtgewicht<br />
eingestuft, was seine Beliebtheit bei der Leserschaft jedoch nicht schmälert: Mit einer<br />
Auflage von rund 45 Millionen in 56 Sprachen gehört Coelho zu den fünf meistverkauften<br />
Autoren weltweit. Zu seiner Fangemeinde zählen auch Bill Clinton und Madonna. Ende<br />
Oktober 2002 wurde Paulo Coelho in die brasilianische Akademie der Geisteswissenschaften<br />
aufgenommen. Der Autor lebt mit seiner Frau, der Malerin Cristina Oiticica, in<br />
Rio de Janeiro und im südfranzösischen Tarbes.<br />
Foto: Tom Haller<br />
82 Credit Suisse Bulletin 1-<strong>03</strong>
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