Kölner Stadtteilliebe Herbst 2021
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Koelner-StadtteilLiebe.de 53<br />
Ich bin 80 und habe Schmetterlinge im Bauch<br />
„Er ist gekommen und geblieben. 14 Monate später hat er<br />
sich umgemeldet“, so begann ein Gespräch mit Marianne<br />
O. über Willi P. (Sie bitten um Nachsicht, dass ihre Nachnamen<br />
nicht genannt werden). „Verliebt im hohen Alter, ist einfach<br />
nur schön und seit wir zusammenleben, geht es uns<br />
richtig gut. Dabei haben wir es gar nicht gewollt, geschweige<br />
denn daran gedacht, als wir uns das erste Mal nach 60<br />
Jahren wieder sahen“, so die fröhliche Seniorin.<br />
Verliebte Tage in Köln<br />
Doch beginnen wir von vorne. Marianne und Wilhelm kennen<br />
sich eigentlich aus der Schule. Wie das Leben so geht,<br />
heirateten beide, bekamen Kinder und hatten einen wunderschönen<br />
Lebenslauf. Das natürlich nicht zusammen,<br />
sondern jeder für sich. Marianne ist immer im <strong>Kölner</strong> Süden<br />
geblieben, Willi hat es der Liebe wegen nach Österreich verschlagen.<br />
Wegen eines Klassentreffens vor ein paar Jahren<br />
standen sie irgendwann wieder in Kontakt, zu Coronazeiten<br />
wurde ab und an einmal telefoniert. Die Telefonate waren<br />
schön, lustig, herzerwärmend und immer positiv und so beschlossen<br />
die Silver-Ager, sich doch noch einmal zu treffen.<br />
So wurden ein Hotel gebucht, ein Zugticket gekauft, im Restaurant<br />
reserviert und schöne Tage in Köln geplant. Doch<br />
dann kam Corona, und alle Pläne drohten zu scheitern, bis<br />
Marianne sagte „Schlaf doch bei mir im Gästezimmer, ich<br />
habe viel Platz.“ Gesagt getan und so stand Willi eines Tages<br />
mit einem gepackten Koffer vor der Tür. Viel hatten die alten<br />
Schulfreunde zu erzählen, viele Spaziergänge haben sie zusammen<br />
gemacht und die vielen gemeinsamen Stunden<br />
waren für beide wie ein Lebenselixier. Aus fünf Tagen wurden<br />
fünf Monate. Zu Hause in Österreich wartete auf Willi niemand<br />
mehr. Seine Frau war verstorben, seine Kinder leben<br />
im Ausland und zu Freunden sollte man ja keinen Kontakt<br />
mehr haben. Zum Glück hatte er die Telefonumleitung eingestellt,<br />
und so konnte er mit all seinen Lieben telefonieren,<br />
ohne im Ort zu sein. Die Zeit ging rum wie im Flug und so verbrachten<br />
die älteren Herrschaften wunderschöne Monate.<br />
Zurück nach Österreich<br />
Doch irgendwann musste er einmal nach Hause. Die Rückreise<br />
trat Marianne mit ihm an, um zu sehen, wovon er die<br />
ganze Zeit so schwärmte. 4 wundervolle Wochen erlebten sie<br />
daraufhin in den Bergen. Und dann kam der Abschied, für<br />
beide eine unglaubliche Qual, denn sie hatten sich in dem<br />
halben Jahr unglaublich aneinander gewöhnt und wenn<br />
man sie ehrlich fragt, sogar ineinander verliebt. „Beim ersten<br />
Kuss war ich aufgeregt wie ein Teenager“, so Willi P., „leider<br />
war es unser Abschiedskuss am Bahnhof und einer meiner<br />
schwersten Heimgänge.“ Im Gespräch merkt man schnell,<br />
wie ungern er daran denkt. „Verliebt mit über 80, das kann ja<br />
nicht sein, das schickt sich nicht“ so Willi mit zärtlichem Blick<br />
an seine Seniorenliebe gerichtet. „Doch ständig waren meine<br />
Gedanken bei ihr. Wie es Ihr wohl geht, was sie wohl so<br />
macht, ob sie mich auch vermisst? Plötzlich wieder verliebt!<br />
Nein das darf nicht sein. Darum bloß nicht zu oft anrufen. “<br />
Die Sehnsucht war zu groß – das Lebensglück gemeinsam<br />
in Köln<br />
Umgekehrt war es ähnlich, auch Marianne fragte sich, „wann<br />
sehen wir uns wieder? Wann wird er wohl das nächste Mal<br />
kommen? Ohne ihn war es schrecklich leer. Zum Glück hatte<br />
Willi seine Jacke hängen gelassen und das war der Grund,<br />
dass er nochmals nach Köln kommen musste“, so die glücklich<br />
strahlende Rentnerin. „Was habe ich mich schick gemacht,<br />
als ich wusste, dass er kommt. Was war ich nervös, als<br />
ich das Taxi sah und es kurze Zeit später dann schellte.“ Seit<br />
diesem Tag sind Marianne und Willi nun unzertrennlich, denn<br />
eins war den beiden klar, wir wollen nicht mehr ohne einander<br />
sein und so gab Willi seine große Wohnung jetzt im Sommer<br />
in Österreich auf und zog zurück in seine Geburtsstadt,<br />
zu seiner Marianne und zwar ins Gästezimmer für immer.<br />
Alle Kinder und Freunde finden die Entscheidung großartig,<br />
denn für beide ist es pures Lebensglück, das noch einmal<br />
zu gefunden zu haben. Erfreulich ist auch, die Gesundheit<br />
hat sich für beide verbessert, sie lachen viel, sind aktiv und<br />
helfen sich gegenseitig. Heiraten wollen sie allerdings nicht<br />
mehr, wegen der Rente, obwohl ihr Glück sichtbar ist.