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MUT&LIEBE / THEMA /<br />
Wenngleich der Weg zum eigenen Laden steinig war<br />
und es immer noch ist, liebt Markus seinen neuen<br />
Job, der ihn eigentlich immer beschäftigt. Zuvor hat<br />
er achtzehn Jahre lang als Medienoperator in einem<br />
großen Druckereiunternehmen im Rhein-Main-Gebiet<br />
gearbeitet. Als die Firma Corona-bedingt Probleme<br />
bekam, wurde Markus mit rund zweihundert<br />
anderen entlassen.<br />
Ausgleich zum digitalen Konsum<br />
Nach einem Jahr in einer Transfergesellschaft war<br />
er arbeitslos und hatte einen Plan: Er wollte einen<br />
Schallplattenladen eröffnen, denn die schwarzen<br />
Scheiben liegen ihm am Herzen und wieder voll im<br />
Trend. Laut dem Bundesverband der Musikindustrie<br />
waren es 2019 schon 3,4 Millionen Schallplatten, die<br />
über den Ladentisch gingen.<br />
Auch, wenn der Anteil im gesamten Musikverkauf<br />
bei nur 4,5 % im ersten Halbjahr 2020 liegt, kann<br />
man feststellen, dass auch junge Leute auf den warmen<br />
Klang gekommen sind, oft durch DJs und Clubabende.<br />
Die Pop- und Rocksongs der 70er und 80er<br />
sind gewissermaßen Klassiker geworden. „Zwei junge<br />
Frauen haben neulich eine Queen-Platte gekauft,<br />
das hätte ich anfangs nicht vermutet“, erzählt Markus<br />
Flach. Natürlich spiele auch die schöne Aufmachung<br />
der Alben eine Rolle bei der Begeisterung für Vinyl.<br />
Manchmal sind es richtige Kunstobjekte, wie die<br />
Alben von Jethro Tull, beispielsweise „Living in the<br />
Past“ oder von „Mireille Mathieu“, die mir Markus<br />
zeigt. Ich fühle mich sogleich in den Schallplattenladen<br />
in der Kaiserstraße 5 in Frankfurt versetzt, wo<br />
mein Vater tätig war und wo ich mir viele Platten<br />
erstmals anhörte, wie das Album IV von Led Zeppelin<br />
(Stairway to Heaven) oder „Saturday Night Fever“<br />
von den Bee Gees. Das beste Album des Jahres 1979<br />
brachte er mir dann ans Bett als ich dort mit einer<br />
dicken Erkältung lag.<br />
So wie mir geht es vielen Menschen, die hier im<br />
Laden stöbern. Sie verbinden Erinnerungen und Geschichten<br />
mit den schwarzen Scheiben oder sogar<br />
ganze Lebensphasen. Markus Flach erinnert sich<br />
noch an einzelne Konzerterlebnisse, so zum Beispiel<br />
an eines im Frankfurter Volksbildungsheim von<br />
der Band Twisted Sister, die heute nur noch wenigen<br />
bekannt ist, allerdings mit „Metallica“ als Vorgruppe.<br />
Nach dem Konzert hat er noch ein persönlich unterschriebenes<br />
Autogramm von Metallica ergattert, direkt<br />
auf der Eintrittskarte, die selbstverständlich zur<br />
Sammlung gehört. „Ich habe mich einfach angestellt<br />
und mein Autogramm bekommen. Das gibt es heute<br />
nicht mehr“, schwärmt Markus. So hat sich Mr. Flat’s<br />
Record Store schon zu einem kleinen Treffpunkt für<br />
Musikliebhaber entwickelt.<br />
Viele gaben die Schallplatten in den 90ern zu Gunsten<br />
der moderneren CDs auf – und haben ihre Alben<br />
nicht mehr. Aber das echte Feeling kommt nur mit<br />
Vinyl auf – und so freuen sie sich über den Mitte Juni<br />
2021 eröffneten Laden von Markus Flach. Der Ladenbesitzer<br />
freut sich ebenfalls und scheint mit seinem<br />
Geschäft einen Nerv getroffen zu haben.<br />
Dennoch war sein Weg bis hierher nicht einfach. Für<br />
die Renovierung, Einrichtung und Bestückung des<br />
Ladens musste er an seine Ersparnisse gehen. Und<br />
ohne seinen Steuerberater hätte er auch den Businessplan<br />
mit geplanten Umsätzen und allem Drum<br />
und Dran nicht erstellen können. „Es wird einem nicht<br />
leicht gemacht“, sagt er. Aber seine Familie steht hinter<br />
dem Geschäftsmodell. Ohne seine jetzige Frau,<br />
die ursprünglich aus Bieber stammt und den leerstehenden<br />
Laden entdeckt hat, hätte er die Möglichkeit<br />
wahrscheinlich nicht ergriffen. Denn die<br />
Ladenflächen in der Offenbacher Innenstadt sind zu<br />
JUNI / JULI / AUGUST 2021<br />
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