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MutundLiebe 402021 Neustart

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MUT&LIEBE / THEMA /<br />

Wenngleich der Weg zum eigenen Laden steinig war<br />

und es immer noch ist, liebt Markus seinen neuen<br />

Job, der ihn eigentlich immer beschäftigt. Zuvor hat<br />

er achtzehn Jahre lang als Medienoperator in einem<br />

großen Druckereiunternehmen im Rhein-Main-Gebiet<br />

gearbeitet. Als die Firma Corona-bedingt Probleme<br />

bekam, wurde Markus mit rund zweihundert<br />

anderen entlassen.<br />

Ausgleich zum digitalen Konsum<br />

Nach einem Jahr in einer Transfergesellschaft war<br />

er arbeitslos und hatte einen Plan: Er wollte einen<br />

Schallplattenladen eröffnen, denn die schwarzen<br />

Scheiben liegen ihm am Herzen und wieder voll im<br />

Trend. Laut dem Bundesverband der Musikindustrie<br />

waren es 2019 schon 3,4 Millionen Schallplatten, die<br />

über den Ladentisch gingen.<br />

Auch, wenn der Anteil im gesamten Musikverkauf<br />

bei nur 4,5 % im ersten Halbjahr 2020 liegt, kann<br />

man feststellen, dass auch junge Leute auf den warmen<br />

Klang gekommen sind, oft durch DJs und Clubabende.<br />

Die Pop- und Rocksongs der 70er und 80er<br />

sind gewissermaßen Klassiker geworden. „Zwei junge<br />

Frauen haben neulich eine Queen-Platte gekauft,<br />

das hätte ich anfangs nicht vermutet“, erzählt Markus<br />

Flach. Natürlich spiele auch die schöne Aufmachung<br />

der Alben eine Rolle bei der Begeisterung für Vinyl.<br />

Manchmal sind es richtige Kunstobjekte, wie die<br />

Alben von Jethro Tull, beispielsweise „Living in the<br />

Past“ oder von „Mireille Mathieu“, die mir Markus<br />

zeigt. Ich fühle mich sogleich in den Schallplattenladen<br />

in der Kaiserstraße 5 in Frankfurt versetzt, wo<br />

mein Vater tätig war und wo ich mir viele Platten<br />

erstmals anhörte, wie das Album IV von Led Zeppelin<br />

(Stairway to Heaven) oder „Saturday Night Fever“<br />

von den Bee Gees. Das beste Album des Jahres 1979<br />

brachte er mir dann ans Bett als ich dort mit einer<br />

dicken Erkältung lag.<br />

So wie mir geht es vielen Menschen, die hier im<br />

Laden stöbern. Sie verbinden Erinnerungen und Geschichten<br />

mit den schwarzen Scheiben oder sogar<br />

ganze Lebensphasen. Markus Flach erinnert sich<br />

noch an einzelne Konzerterlebnisse, so zum Beispiel<br />

an eines im Frankfurter Volksbildungsheim von<br />

der Band Twisted Sister, die heute nur noch wenigen<br />

bekannt ist, allerdings mit „Metallica“ als Vorgruppe.<br />

Nach dem Konzert hat er noch ein persönlich unterschriebenes<br />

Autogramm von Metallica ergattert, direkt<br />

auf der Eintrittskarte, die selbstverständlich zur<br />

Sammlung gehört. „Ich habe mich einfach angestellt<br />

und mein Autogramm bekommen. Das gibt es heute<br />

nicht mehr“, schwärmt Markus. So hat sich Mr. Flat’s<br />

Record Store schon zu einem kleinen Treffpunkt für<br />

Musikliebhaber entwickelt.<br />

Viele gaben die Schallplatten in den 90ern zu Gunsten<br />

der moderneren CDs auf – und haben ihre Alben<br />

nicht mehr. Aber das echte Feeling kommt nur mit<br />

Vinyl auf – und so freuen sie sich über den Mitte Juni<br />

2021 eröffneten Laden von Markus Flach. Der Ladenbesitzer<br />

freut sich ebenfalls und scheint mit seinem<br />

Geschäft einen Nerv getroffen zu haben.<br />

Dennoch war sein Weg bis hierher nicht einfach. Für<br />

die Renovierung, Einrichtung und Bestückung des<br />

Ladens musste er an seine Ersparnisse gehen. Und<br />

ohne seinen Steuerberater hätte er auch den Businessplan<br />

mit geplanten Umsätzen und allem Drum<br />

und Dran nicht erstellen können. „Es wird einem nicht<br />

leicht gemacht“, sagt er. Aber seine Familie steht hinter<br />

dem Geschäftsmodell. Ohne seine jetzige Frau,<br />

die ursprünglich aus Bieber stammt und den leerstehenden<br />

Laden entdeckt hat, hätte er die Möglichkeit<br />

wahrscheinlich nicht ergriffen. Denn die<br />

Ladenflächen in der Offenbacher Innenstadt sind zu<br />

JUNI / JULI / AUGUST 2021<br />

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