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MutundLiebe 402021 Neustart

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Text/Fotos: Ingrid Walter, walter-wortware.de<br />

MUT&LIEBE / THEMA /<br />

Mich inspirierte gleich die ganze Halle mit luftigen<br />

Fabrikfenstern, Kettenzug und Werkbank. Im Showroom<br />

konnte ich mich gar nicht sattsehen an den<br />

Möbelstücken, die Melanie schon verschönert hatte.<br />

mich inspiriert, was in<br />

den dingen steckt<br />

Das originellste Stück war<br />

vielleicht ein kleiner Beistelltisch,<br />

der einen lateinischen<br />

Namen trägt und afrikanisch anmutet. „Das<br />

war mein erster Patient“, lacht Melanie. „Vir Stercus“<br />

oder ganz profan „der kackende Mann“ fand sich auf<br />

dem Flohmarkt. Melanie nahm ihn mit, ohne dass sie<br />

recht wusste, was sie mit ihm anfangen sollte. Als es<br />

dann bei ihr im Job immer stressiger wurde, musste<br />

er herhalten und sie arbeitete die eigenwillige Holzskulptur<br />

zu einem Büchertisch um, der das Zeug zum<br />

Eyecatcher hat. Daneben ein Barschrank mit kunstvoll<br />

gebrochenem Spiegelinnenleben oder ein alter<br />

Fernsehschrank, der zur Sitzbank avancierte. Melanie<br />

schafft es, die Seele aus den ausrangierten Möbeln<br />

zu holen und verhilft ihnen oft zu einer ganz anderen<br />

Funktion. Was sie dabei immer im Blick hat, ist das<br />

Holz in seiner individuellen Schönheit.<br />

Bevor sie sich zur Gründung ihrer Werkstatt entschloss,<br />

arbeitete sie in leitender Position bei der<br />

FRAGround, dem Personaldienstleister der FRAPort<br />

AG. Sie brachte das Unternehmen mit auf den Weg.<br />

Aber nach 18 Jahren war sie erschöpft und krank.<br />

Das war im Februar 2019, als die Welt sich in den<br />

ersten Lockdown begab. Für Melanie stand die Entscheidung<br />

fest, dass sie nicht weiterleben wollte wie<br />

bisher – auch, weil es zu Lasten des Familienlebens<br />

ging. „Ich war so zerrissen, stand nachts um drei auf, damit<br />

ich um vier Uhr am Flughafen war und nachmittags<br />

wieder zuhause, um für mein Kind da zu sein“, erzählt<br />

sie. Im Lockdown fand sie Zeit zum Nachdenken und<br />

begann wieder mit Holz zu arbeiten, was sie schon in<br />

ihrer Kindheit und Jugend immer wieder getan hatte.<br />

Die Resonanz von Familie und Freunden war positiv<br />

und so wuchs die Idee für eine eigene Möbelwerkstatt.<br />

Daneben wurde ihr immer klarer: das Immergleiche<br />

liegt ihr nicht. Mit der Abfindung machte sie<br />

ihren Traum Anfang 2021 wahr<br />

und wagte einen kompletten<br />

<strong>Neustart</strong> – mit Woodfever,<br />

woodfever:<br />

"nichts verschwenden,<br />

wieder verwenden"<br />

ihrer eigenen kreativen Holzwerkstatt und Marke.<br />

Das Motto dafür hat ihr neunjähriger Sohn geprägt:<br />

„Nichts verschwenden, wieder verwenden.“<br />

Unter ihrem leidenschaftlichen<br />

Label betreibt sie<br />

Upcycling, Recycling und<br />

bietet individuelle Möbel und Dekorationskunstwerke<br />

an. Denn Kunstwerke sind neben den Möbeln<br />

auch die eigensinnigen Lampen, die sie aus alten<br />

Ästen oder Planken mit modernen Leuchtkörpern<br />

fertigt. Tatsächlich kommt sie aus einer Handwerker-Familie,<br />

hat schon früh an Autos geschraubt und<br />

wollte eigentlich eine Schreinerlehre machen, was<br />

für Mädchen noch sehr unüblich war. Also wurde<br />

es eine kaufmännische Ausbildung. „Mich interessiert<br />

das Leben, das in den Dingen steckt. Das hole ich<br />

dann heraus. Einen festgelegten Plan gibt es nicht“, beschreibt<br />

sie ihre aktuelle Tätigkeit.<br />

Nachdem sie eine Werkstatt gefunden hatte, mussten<br />

Werkzeuge wie eine Kreissäge, ein Lackiergerät und<br />

andere angeschafft werden. Eine alte Werkbank, die<br />

sie gerade zu einem sehr individuellen Schreibtisch<br />

umgestaltet, stand schon da. Dinge zu erhalten, also<br />

Nachhaltigkeit im besten Sinn, ist ihr eine Herzensangelegenheit<br />

und<br />

das merkt man bei<br />

ihren Stücken, die<br />

alle einen eigenen Charakter<br />

besitzen. „Ich liebe<br />

Kleinmöbel, die etwas herruntergekommen<br />

sind und<br />

die ich dann einmal auf<br />

links drehen kann“, sagt<br />

sie. Manchmal bekommt<br />

sie Dinge zugetragen, mit<br />

denen die Menschen nichts<br />

mehr anfangen können, die<br />

aber zu schade zum Wegwerfen<br />

sind. So wurde ein<br />

altes Spinnrad zu einem<br />

hübschen Bar-Tisch, auf<br />

dem ein Apéro stilecht<br />

kredenzt werden<br />

kann.<br />

Upcycling, recycling &<br />

dekorationskunstwerke...<br />

MÄRZ / APRIL / MAI 2021<br />

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