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AUSGABE <strong>34</strong> 21. August <strong>2021</strong><br />
EUROPEAN MAGAZINE AWA R D WINNER <strong>2021</strong> POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC<br />
WELTORDNUNG<br />
Wolfgang Ischinger über<br />
den Sieg der Taliban und die<br />
Ohnmacht des Westens<br />
VERDRÄNGEN<br />
VERSCHLAMPEN<br />
VERSCHLAFEN<br />
VON CORONA BIS KABUL<br />
Wie Versagen zum Prinzip der<br />
deutschen Politik wurde
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EDITORIAL<br />
Es ist zum Verzweifeln!<br />
Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />
Foto: Peter Rigaud/<strong>FOCUS</strong>-Magazin, Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
was würden Sie von einer<br />
Familie halten, die alle Versicherungen<br />
in guten Zeiten<br />
kündigt und sich von<br />
den so gesparten Beiträgen<br />
schöne Urlaube gönnt – bis<br />
es zu einem Unfall kommt,<br />
einer schweren Krankheit<br />
oder einem Hausbrand? Und<br />
die sich dann verteidigt: Das<br />
konnte doch niemand vorhersehen.<br />
„Selber schuld“ wäre<br />
noch der geringste Vorwurf,<br />
viele würden wohl sagen: Die<br />
sind ja verrückt geworden!<br />
Doch genauso wie diese Familie verhält<br />
sich seit vielen Jahren unser Staat.<br />
Als die Pandemie 2020 ausbrach, stellte<br />
Deutschland erschrocken fest, dass es<br />
keine Masken und kaum Schutzkleidung<br />
gab. Nach der Flutkatastrophe mussten<br />
die Bürger erkennen, dass der Staat zwar<br />
viele Sirenen aus Kostengründen abgeschafft,<br />
aber vergessen hatte, für Ersatz<br />
zu sorgen, um Menschen vor Lebensgefahr<br />
wirksam zu warnen. In Afghanistan<br />
gab es zwar wiederholte Warnungen der<br />
Botschaft in Kabul, man möge die Evakuierung<br />
einleiten oder wenigstens vorbereiten.<br />
Doch weil nicht sein kann, was<br />
nicht sein darf, steckte man in Berlin den<br />
Kopf in den Sand.<br />
Jeder einzelne Fall staatlichen Versagens<br />
wäre schlimm genug, doch die Reihung<br />
ist unerträglich. Zwischen den fehlenden<br />
Masken, den nicht vorhandenen Sirenen<br />
und dem Debakel von Kabul gibt es<br />
Gemeinsamkeiten. Dazu gehört: Es sind<br />
in der Folge viele Menschen gestorben,<br />
die nicht hätten sterben müssen. Zweitens:<br />
Niemand übernimmt persönlich die<br />
Verantwortung dafür und tritt aus eigenem<br />
Willen zurück. In der Berliner<br />
Republik ist viel von politischer<br />
Verantwortung die Rede,<br />
aber dieses Gerede hat keine<br />
Bedeutung.<br />
Gerettet Aus Kabul evakuierte Menschen in einem Airbus-Transportflugzeug<br />
der Bundeswehr nach der Landung in Taschkent<br />
Besonders beunruhigend aber ist die<br />
Erkenntnis, dass Deutschland beim<br />
Schutz seiner Bürger vor Gefahren für<br />
Leib und Leben kläglich versagt – eine<br />
der stärksten Industrienationen der Welt!<br />
Vor einem Monat habe ich an dieser Stel-<br />
Wochen der Entscheidung<br />
Jetzt das <strong>FOCUS</strong>-Wahl-Abo sichern<br />
16 Jahre stand sie am Steuer und geht jetzt von Bord.<br />
Angela Merkel verlässt nach der Bundestagswahl im<br />
September die Kommandobrücke. <strong>FOCUS</strong> wird<br />
Sie dabei durch den Wahlkampf begleiten:<br />
Unser Redaktionsteam beobachtet und beurteilt Woche<br />
für Woche die Kanzlerkandidaten, analysiert die<br />
Wahlprogramme und was das für Sie persönlich<br />
bedeutet. Unser Tipp: Sichern Sie sich das Angebot<br />
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genügt ein Anruf, und das Abo ist beendet.<br />
* Inkl. MwSt. und Versand. Sie haben ein gesetzliches<br />
Widerrufsrecht.<br />
Herzlich Ihr<br />
le beklagt, die westliche Welt<br />
überlasse Afghanistan seinem<br />
Schicksal und den radikalen<br />
Kriegern der Taliban. Ich habe<br />
mir nicht vorstellen können,<br />
dass unsere Regierung auch<br />
unsere eigenen Landsleute<br />
und jene vielen Hundert<br />
Afghanen, die uns vor Ort<br />
unterstützten, über Wochen<br />
einfach vergessen und in<br />
Lebensgefahr bringen würde.<br />
Die Katastrophe von Kabul<br />
gehört nun – neben manchem<br />
Verdienst – zum Erbe<br />
der Kanzlerin nach 16 Jahren.<br />
Angela Merkel wird wissen,<br />
was es bedeutet, wenn alle<br />
in der Union jetzt betonen, 2015 dürfe<br />
sich nicht wiederholen – also eine unkontrollierte<br />
Zuwanderung. Merkel hat sie<br />
damals in Kauf genommen. Bitter für sie,<br />
dass heute auch ihr möglicher Nachfolger<br />
Armin Laschet so redet, der vor sechs<br />
Jahren bombenfest an ihrer Seite stand.<br />
Abseits der Befindlichkeit der Kanzlerin<br />
haben die vergangenen anderthalb Jahre<br />
ein massives Defizit bei der Zukunftsfähigkeit<br />
Deutschlands offenbart: Pandemie,<br />
Flut, Eroberungssturm der Taliban.<br />
Verschärft werden diese und andere Probleme<br />
durch die digitale Inkompetenz<br />
des Landes und die Frage nach der Sicherung<br />
unseres immer noch einzigartigen<br />
Wohlstands. Wir rasen auf eine Demografie-Krise<br />
und damit auf ein Rentenund<br />
Pflege-Desaster zu. Wir haben ein<br />
Wohnraum-Problem in den Städten, ein<br />
Problem beim Breitbandausbau auf dem<br />
Land. Nein, es ist eigentlich nicht meine<br />
Art, alles so über einen Kamm zu scheren<br />
wie hier in dieser Kolumne. Aber es ist<br />
zum Verzweifeln!<br />
Mit dem QR-Code können Sie auf die Abo-Seite gelangen<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong> 3
Blutzoll<br />
Der Siegeszug der<br />
Taliban in Afghanistan<br />
– und die verheerende<br />
Kapitulation der<br />
westlichen Politik<br />
Seite 22<br />
Geisteshaltung<br />
Die Sängerin<br />
Lorde über ihre<br />
Furcht vor zu viel<br />
Verehrung<br />
Seite 70<br />
Herzensangelegenheit<br />
Einst war er Spieler bei der Berliner<br />
Hertha, jetzt will Fredi Bobic<br />
den Klub als Manager beleben<br />
Seite 96<br />
Nervennahrung<br />
Starköchin Nigella<br />
Lawson verrät ihr<br />
Rezept gegen<br />
Liebeskummer<br />
Seite 100<br />
Seelenretter Wie eine Elster Sam Bloom therapierte Seite 90<br />
4 <strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong>
INHALT NR. <strong>34</strong> | 21. AUGUST <strong>2021</strong><br />
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Titelthema<br />
Wissen<br />
Titel: doc-stock, action press, Getty Images (3), vario images, WITTERS JuergenSchwarz/ddp/Pool,<br />
imago (2), VISUM/Composing Focus Magazin<br />
Fotos: EPA/STRINGER, Ophelia Mikkelson Jones, DK Verlag/Jonathan Lovekin,<br />
Urban Zintel, Cameron Bloom<br />
22 Der Verrat<br />
Die afghanische Bevölkerung fürchtet neue<br />
Gräueltaten der Taliban und fühlt sich<br />
vom Westen im Stich gelassen<br />
32 „Es grenzt an Würdelosigkeit“<br />
Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner<br />
Sicherheitskonferenz, übt scharfe Kritik an<br />
der deutschen Afghanistan-Politik<br />
<strong>34</strong> System Versagen<br />
Manches gewollt, vieles nicht gekonnt:<br />
Die lange Reihe der Pleiten und Pannen des<br />
vierten und letzten Merkel-Kabinetts<br />
38 Zurück ins Jahr 2015?<br />
Furcht vor einer neuen Flüchtlingswelle:<br />
Wie das Afghanistan-Desaster den<br />
Bundestagswahlkampf beeinflusst<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong><br />
Politik<br />
40 Leinen los<br />
Guter Deal oder der Beginn eines<br />
verhängnisvollen Ausverkaufs?<br />
Klammheimlich veräußert Hamburg<br />
einen Teil des Hafens an China<br />
42 Politik in den sozialen Netzwerken<br />
Wie sich der Wahlkampf ins Netz<br />
verlagert und der Twitter-Rummel um<br />
den Gesundheitsexperten der SPD,<br />
Karl Lauterbach<br />
Wirtschaft<br />
46 Die Kosten des Klimawandels<br />
EZB-Direktorin Isabel Schnabel über<br />
die wirtschaftlichen Folgen etwa von<br />
Unwettern oder Waldbränden<br />
und die Strategien der Zentralbank<br />
52 Guck mal, wer da zockt<br />
Ein Millionenpublikum folgt im Netz<br />
Finanz-Influencern. Deren Tipps sind oft<br />
fundiert, aber recht selten uneigennützig<br />
56 Geldmarkt<br />
In die Zukunft investieren: Spezielle<br />
Fonds fahnden nach besonders<br />
innovativen Unternehmen<br />
58 Das Mikrobiom von Mutter Erde<br />
Moderne, ökologisch ausgerichtete<br />
Methoden schützen Ackerböden, die<br />
wichtigste Ressource der Landwirtschaft<br />
64 Der Mückenschreck<br />
Fangen statt vergiften: Wie ein Biologe<br />
auf den Malediven Moskitos besiegt<br />
67 Einmal Globalisierung und zurück<br />
Die erstaunlich wechselhafte<br />
Küchenkarriere der Paprikafrucht<br />
3 Editorial<br />
6 Kolumne von<br />
Jan Fleischhauer<br />
9 Nachrichten<br />
10 Fotos der Woche<br />
16 Grafik der Woche<br />
Kohlekraftwerke<br />
18 Menschen<br />
66 Echt irre<br />
Kultur<br />
70 Oh, Lorde!<br />
Die neuseeländische Sängerin über ihren<br />
Weltruhm als Teenager, geklaute Gala-<br />
Gabeln und die Gunst David Bowies<br />
74 Die Hölle regiert<br />
Als am 30. Januar 1933 die Nazis die Macht<br />
eroberten, blieben den oppositionellen<br />
Intellektuellen nur wenige Wochen zur<br />
Flucht. Vorabdruck aus Uwe Wittstocks<br />
Buch „März 33. Der Winter der Literatur“<br />
80 Wellness und Weltschmerz<br />
Die besten neuen Filme, Bücher, Alben<br />
Leben<br />
90 Ein Engel namens Penguin Bloom<br />
Die Geschichte einer Elster, die der gelähmten<br />
Sam Bloom wieder Lebensfreude<br />
schenkt, war erst Internetphänomen, dann<br />
Weltbestseller. Nun kommt sie ins Kino<br />
96 Fußballaballa?<br />
Fredi Bobic über seinen Plan, aus Hertha<br />
BSC Berlin einen Spitzenklub zu formen<br />
100 Brathähnchen und Crème Caramel<br />
Im Interview verrät die britische Starköchin<br />
Nigella Lawson, was ihr durch Krisen hilft –<br />
manches hat ziemlich viele Kalorien<br />
106 Der Chinakracher<br />
Das erste SUV des Shanghaier Autobauers<br />
Aiways ist sagenhaft günstig – und macht<br />
erstaunlich viel Freude<br />
Rubriken<br />
Titelthemen sind rot markiert<br />
81 Mein Salon<br />
82 Buch & Welt<br />
82 Bestseller<br />
108 Die Einflussreichen<br />
110 Leserbriefe/<br />
Impressum<br />
112 Nachrufe/<br />
Servicenummern<br />
114 Tagebuch<br />
FORD<br />
RANGER<br />
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POLITIK<br />
Machtdemonstration<br />
Schwer bewaffnet posieren die<br />
Taliban im Präsidentenpalast.<br />
Ein Kämpfer trägt ein<br />
Sturmgewehr Diemaco C7, das<br />
dem amerikanischen M16<br />
ähnelt. Es wird auch von der<br />
afghanischen Armee genutzt<br />
Der Verrat<br />
Der Westen ist aus Afghanistan nach 20 Jahren Hals über Kopf abgezogen und<br />
überlässt die Menschen der Willkür islamistischer Gotteskrieger. Vor allem die<br />
Frauen fühlen sich im Stich gelassen. Über ein Land in Angst und Chaos<br />
TEXT VON GUDRUN DOMETEIT, JOSEF HUFELSCHULTE, SEBASTIAN MOLL, DOROTHEA RIECKER UND ANDRZEJ RYBAK<br />
Ohnmächtig<br />
Wolfgang Ischinger über die großen<br />
Defizite in der europäischen Außenpolitik<br />
Seite 32<br />
Verdrängt<br />
Das Afghanistan-Debakel und andere<br />
Pannen des Merkel-Kabinetts<br />
Seite <strong>34</strong><br />
Getrieben<br />
Von Corona bis Kabul – Katastrophen<br />
bestimmen den deutschen Wahlkampf<br />
Seite 38<br />
22
TITEL<br />
Terror-Rückkehrer<br />
Kurz nach den Anschlägen vom<br />
11.9.2001 landete Gholam Ruhani<br />
als einer der ersten Terrorverdächtigen<br />
in Guantanamo.<br />
2007 ließ die Bush-Regierung<br />
den heute 46-Jährigen wieder<br />
frei. Er hatte behauptet, einfacher<br />
Schuhmacher zu sein<br />
Foto: Zabi Karimi/AP/dpa<br />
Schneller Siegeszug<br />
Kurz nach der Flucht des<br />
afghanischen Präsidenten<br />
besetzten die Taliban<br />
den Präsidentenpalast in<br />
Kabul und kündigten<br />
das „Islamische Emirat<br />
Afghanistan“ an<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong> 23
POLITIK<br />
Heiko Maas<br />
Die Liste der Vorwürfe<br />
gegen den Außenminister<br />
wird immer länger<br />
Jens Spahn<br />
Seit Corona quält sich der<br />
Gesundheitsminister durch ein Chaos<br />
teils selbst verursachter Pannen<br />
Angela Merkel<br />
Nach 16 Jahren als Regierungschefin<br />
wirkt auch die Kanzlerin außen- wie<br />
innenpolitisch erschöpft<br />
Verdrängen, Verschlampen, Verschlafen<br />
Das aktuelle Afghanistan-Debakel ist nur der letzte Akt einer<br />
langen Reihe von Pleiten und Pannen des vierten Merkel-Kabinetts<br />
Z<br />
wischen Gewollt und Trotzdemnicht-Gekonnt<br />
liegen manchmal<br />
nur ein paar Stunden. Von<br />
Sonntag auf Montag hob eine<br />
US-Militärfrachtmaschine vom<br />
Typ C-17 am Flughafen von<br />
Kabul ab. Zulässig sind 1<strong>34</strong> Passagiere.<br />
An Bord waren 640 Afghanen. Der<br />
Kapitän wollte niemanden zurücklassen.<br />
In der Nacht darauf landete ein ähnlich<br />
großer Militär-Airbus A400M der Bundeswehr,<br />
der nach rund einer halben Stunde<br />
wieder abhob. Mit sieben Passagieren.<br />
CDU-Verteidigungsministerin Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer (AKK) erklärte<br />
die deutsche Sparsamkeit in Menschenrettungs-Fragen<br />
später damit, dass die<br />
Crew vor Ort eine „sehr unübersichtliche,<br />
gefährliche und komplexe Situation“<br />
vorgefunden habe. Wer hätte das<br />
gedacht, dass es in Kabul momentan<br />
nicht mehr so freundlich zugeht wie beim<br />
Flammkuchenbacken in Püttlingen?<br />
In sozialen Netzwerken konnte man<br />
daraufhin viele amüsante Erklärungen<br />
für den Quasi-Leerflug finden: Vielleicht<br />
fehlte ein Visa-Stempel in den Papieren<br />
<strong>34</strong> <strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong>
TITEL<br />
Frank-Walter<br />
Steinmeier<br />
In Schloss Bellevue empfing<br />
der Bundespräsident<br />
die neue Regierung<br />
Horst Seehofer<br />
Vom starken Bayern in<br />
wenigen Jahren zur<br />
skurrilen CSU-Altlast<br />
Als alles noch<br />
gut war<br />
Bundespräsident<br />
Steinmeier im<br />
März 2018 mit<br />
dem Kabinett<br />
Merkel IV<br />
Olaf Scholz<br />
Der Kanzlerkandidat tut das,<br />
was Sozialdemokraten am besten<br />
können: Geld ausgeben<br />
Peter Altmaier<br />
Ein Wirtschaftsminister,<br />
der die Wirtschaft immer wieder<br />
gegen sich aufbrachte<br />
Andreas Scheuer<br />
Die Pkw-Maut wurde zum<br />
größten Debakel des<br />
Verkehrsministers<br />
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – aber bisweilen auch ein bitteres Ende<br />
Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa, Marius Becker/dpa<br />
der Afghanen bzw. WLAN an Bord für die<br />
Luca-App? Oder der Einbruch der Nacht<br />
hatte den Piloten erschreckt? Irgendwas<br />
haben wir Deutschen immer, vor allem<br />
einen Hang zu bürokratischem Perfektionismus.<br />
Außenminister Heiko Maas<br />
(SPD) machte dann das, was er besonders<br />
gut kann: ein zerknirschtes Gesicht.<br />
Es gebe „nichts zu beschönigen“. Sein<br />
morastfarbener Anzug saß trotzdem wieder<br />
derart perfekt, dass man glatt die<br />
Frage vergessen konnte, weshalb er nicht<br />
einfach mal seinen Rücktritt anbot. Aber<br />
Sie kennen das sicher: Nach einem sehr<br />
anstrengenden Bürotag ist man bisweilen<br />
sogar zu müde, sich ins Bett fallen<br />
zu lassen. So wirken auch Maas und das<br />
gesamte Kabinett Merkel IV nach vier<br />
Jahren: viel zu erschöpft für echte Entscheidungen.<br />
„Totalversager“ Maas?<br />
Wenn die seit 2018 amtierende, nunmehr<br />
vierte Auflage der Merkel’schen<br />
Regentschaft etwas auszeichnet, dann<br />
dass erstaunlich viele Mitglieder ihres<br />
Führungsteams nicht sonderlich auffallen<br />
durch Faktoren wie Expertise, Führungsstärke<br />
oder wenigstens Standpunkte.<br />
Groß sind etliche dagegen im Vergessen,<br />
Verschlampen, Verwalten, Verstecken,<br />
Verdrängen, Verstolpern, Verschieben.<br />
Einen „Totalversager“ nannte die<br />
„Welt“ Heiko Maas, n-tv beschimpfte<br />
ihn als „schlechtesten Außenminister<br />
seit 1945“, was auch nicht schön ist. Und<br />
selbst die sonst eher nüchterne „Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung“ definierte das<br />
Afghanistan-Debakel als „Deutschlands<br />
Vietnam“. Das ist schon deshalb unfair,<br />
weil Maas Wert darauf legt, dass „wir<br />
alle“ einer gewissen Lage-Fehleinschätzung<br />
aufsaßen. Also nicht nur er.<br />
Es waren auch die US-Präsidenten<br />
Donald Trump und Joe Biden und Brüssel<br />
samt Nato, und China ist sicher auch<br />
irgendwie mitverantwortlich oder dass<br />
man in Kabul zu wenig Regenbogenfähnchen<br />
gehisst hat in den vergangenen<br />
Jahren. Apropos: Als die UEFA im<br />
Juni zur Fußball-Europameisterschaft<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>34</strong>/<strong>2021</strong> 35
LEBEN<br />
Beeindruckt<br />
Schauspielerin Naomi Watts (l.)<br />
spielt Sam im Kinofilm „Beflügelt“.<br />
„Ein besonderes Projekt“, sagt sie<br />
Befreundet Fast zwei Jahre lang war Penguin an Sam Blooms Seite – beim Kochen, Schreiben, Malen und Nachdenken<br />
Wie im Film –<br />
aber eine wahre<br />
Geschichte<br />
Das hätte Hollywood nicht<br />
besser erfinden können: In<br />
der Verfilmung „Beflügelt –<br />
Ein Vogel namens Penguin Bloom“<br />
von Regisseur Glendyn Ivin spielen<br />
Naomi Watts und Andrew Lincoln<br />
das australische Ehepaar Bloom.<br />
Schauspielerin Watts und Sam<br />
Bloom wurden während der Dreharbeiten<br />
enge Vertraute. Im Oktober<br />
erscheint Blooms Autobiografie<br />
„Wieder fliegen lernen“, in der die<br />
ehemalige Surferin erzählt, wie sie<br />
gelähmt wieder zum Sport gefunden<br />
hat und zweifache australische<br />
Goldmedaillengewinnerin bei den<br />
Para-Surfing-Weltmeisterschaften<br />
wurde. Im Dezember nimmt sie in<br />
Kalifornien an den nächsten Weltmeisterschaften<br />
teil.<br />
92<br />
Leinwand-Leben<br />
Naomi Watts mit einem<br />
der Penguin-Darsteller.<br />
Am ersten Drehtag verrichtete<br />
ein Vogel sein<br />
Geschäft auf ihrem Kopf<br />
Altes Leben Mit ihren Söhnen 2013 in Thailand vor dem Unfall. „Ich<br />
vermisse dieses Leben. Ich bin immer noch wütend“, sagt sie<br />
Der Wendepunkt Im Krankenhaus in Bangkok, kurz bevor ihre<br />
Söhne Thailand verlassen. Sie bleibt für weitere Untersuchungen