Taxi Times DACH - 2. Quartal 2021
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<strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> 4,80 €<br />
www.taxi-times.taxi<br />
D – A – CH<br />
PBEFG-NOVELLE TRITT IN KRAFT<br />
BALL LIEGT<br />
BEI BEHÖRDEN<br />
Spahns wichtiges Versprechen<br />
BEDROHUNG FÜR<br />
LANDTAXIS ABGEWENDET<br />
Volvo XC40 Recharge P8<br />
BEFÖRDERUNG IN<br />
EINEM ELEKTRO-TAXI<br />
Ulmers Kolumne<br />
BEWERTUNG<br />
DER ZUVERLÄSSIGKEIT
Sieben ist<br />
Trumpf<br />
Für manche Menschen ist die Sieben eine Glückszahl – etwa für Sie als <strong>Taxi</strong>-Unternehmer.<br />
Schließlich bietet der Touran Platz für bis zu sieben Personen, inklusive Fahrer.<br />
Und auch sein Kofferraum macht Beförderungsprofis glücklich, denn dank eines<br />
cleveren Klapp-Konzepts entsteht Raum für bis zu 1.980 Liter Gepäck. Aber das beste:<br />
Die effizienten Motoren des Touran sorgen für gute Laune an der Zapfsäule.<br />
Profitieren Sie jetzt von seinen <strong>Taxi</strong>-Qualitäten.<br />
Der Touran<br />
Das abgebildete Fahrzeug zeigt Sonderausstattungen.<br />
Bitte beachten Sie die allgemeingültigen Corona-Regelungen.<br />
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TITEL: Adobe Stock / jozsitoeroe MONTAGE: Raufeld Medien FOTO: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
BEHÖRDE IST DER<br />
SCHIEDSRICHTER<br />
Am <strong>2.</strong> August wird die Meisterschaft<br />
um die gewerbliche Personenbeförderung<br />
neu gestartet.<br />
Dann tritt das „Gesetz zur Modernisierung<br />
des Personenbeförderungsrechts“<br />
in Kraft. Es ist eine<br />
ausführliche Überarbeitung des<br />
Personenbeförderungsgesetzes<br />
(PBefG) mit einem letztendlich<br />
aus <strong>Taxi</strong>sicht doch noch befriedigenden<br />
Ergebnis. Der Gesetzgeber hat nun die rechtlichen Grundlagen<br />
für ein Spielfeld geschaffen, auf dem für alle die gleichen<br />
Regeln bestimmt sind (das sogenannte Level-Playing-Field), und<br />
dafür die Genehmigungsbehörden in deren Rolle als Schieds richter<br />
gestärkt.<br />
Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie verantwortungsvoll<br />
die Ämter das Spiel leiten werden. Für einen fairen<br />
Markt kann nun endlich die eine oder andere Gelbe oder Rote<br />
Karte gezückt werden – auch auf die Gefahr hin, dass die Entscheidung<br />
hinterher durch Gerichte revidiert oder manifestiert werden<br />
muss. Wer regelkundig das Spiel leitet und Interpretationsräume<br />
schlüssig auslegt, braucht sich davor allerdings nicht zu fürchten.<br />
Es gibt somit keinen Grund, das Spiel ohne Eingreifen laufen zu<br />
lassen, denn dann werden die Plattformanbieter und die schwarzen<br />
Schafe der Branche weiterhin ungestraft übel foulen.<br />
Diese neue Meisterschaft um die gewerbliche Personenbeförderung<br />
benötigt die besten Schiedsrichter. „Der Ball liegt bei den<br />
Behörden“, haben wir deshalb unsere Titelstory genannt. Ab<br />
Seite 4 beleuchten wir auf insgesamt 13 Seiten die neuen Paragrafen,<br />
die den Genehmigungsbehörden vieles ermöglichen – und<br />
die derzeit innerhalb der Amtsstuben bis in die höchsten Leitungsebenen<br />
für Verunsicherung bei deren Auslegung sorgen.<br />
Der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen (BVTM) hat deshalb vor<br />
einigen Wochen einen Leitfaden veröffentlicht, der auf 36 Seiten<br />
die wichtigsten Fragen zur PBefG-Novelle beantwortet. In unserer<br />
Titelstory haben wir daraus immer wieder zitiert. Er bietet den<br />
regionalen <strong>Taxi</strong>verbänden und -Betreibern die Basis für den jetzt<br />
immens wichtigen Austausch zwischen <strong>Taxi</strong>- und Mietwagengewerbe<br />
und den Behörden bzw. der kommunalen Politik.<br />
Vielleicht hilft ja auch diese <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Ausgabe, das neue Spiel<br />
in die richtigen Bahnen zu lenken. Falls ja, freuen wir uns darauf,<br />
künftig von der Pressetribüne aus spannende und faire Spiele<br />
um die Meisterschaft der Personenbeförderung kommentieren<br />
zu dürfen.<br />
Jürgen Hartmann (Chefredakteur)<br />
INHALT<br />
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
4 Die Steuerung der Mietwagen<br />
5 Definition „Abstellorte“<br />
6 Neue Varianten beim <strong>Taxi</strong>tarif<br />
8 Festpreise und Tarifkorridore<br />
10 Gebündelter Bedarfsverkehr<br />
12 Rollstuhlquote ab 20 Konzessionen<br />
13 Fachkunde: Behörden im Dornröschenschlaf<br />
14 Uber & Free Now gehören ins PBefG<br />
WETTBEWERB<br />
15 Uber: App-Verbot im Berufungsverfahren bestätigt<br />
KRANKENFAHRTEN<br />
16 Spahns wichtiges Versprechen<br />
17 Kolumne: Tipps gegen Tricks der Krankenkassen<br />
ELEKTRO-TAXIS<br />
18 News zum ID.4, Wallbox, Mercedes<br />
20 Der Volvo XC 40 Recharge P8 im Test<br />
RECHT<br />
22 Bußgeldkatalog, reduzierte Finanzierungsraten<br />
23 Zuverlässigkeit beim Konzessionsübertrag<br />
TAXI INTERNATIONAL<br />
24 Uber stiehlt sich aus der Verantwortung<br />
QUERBLICK<br />
26 Themen der <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Regionalausgaben<br />
26 Impressum<br />
DAS AUS FÜR INSIKA<br />
Trotz Warnungen zahlreicher Experten hat die<br />
Bundesregierung eine Novelle der Kassensicherungs-<br />
Verordnung beschlossen. Künftig fallen nun auch<br />
Taxameter darunter. Diese müssen ab 2024 eine zertifizierte<br />
Signiereinheit aufweisen, deren Ausgestaltung<br />
aber erst noch erarbeitet werden muss. INSIKA-<br />
Lösungen werden dann nur noch übergangsweise<br />
anerkannt. Ausführliche Infos zu dieser Thematik können<br />
Sie in der nächsten Ausgabe der<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> nachlesen oder schon jetzt<br />
auf der <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>-Website (Stichwortsuche<br />
„Taxameter“ oder „Kassensicherung“).<br />
red<br />
TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
3
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
Genehmigungsbehörden können das<br />
in Schieflage geratene <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
mit gut durchdachten Mietwagen-<br />
Regulierungen wieder in ruhigere<br />
Gewässer führen.<br />
MIETWAGEN<br />
BESSER<br />
STEUERN<br />
<strong>Taxi</strong>ähnliche Mietwagenverkehre bereiten in vielen Städten große Probleme.<br />
Das neue PBefG gibt den Genehmigungsbehörden weitreichende Möglichkeiten,<br />
regulierend einzugreifen. Wir nennen zwei Beispiele.<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 49, Absatz 4, Satz 7: „In Städten mit mehr als 100.000<br />
Ein wohnern kann die Genehmigungsbehörde zum Schutz<br />
der öffentlichen Verkehrsinteressen die in ihrem Bezirk<br />
geltenden Regelungen für den gebündelten Bedarfsverkehr<br />
auch auf den in ihrem Bezirk betriebenen Verkehr mit<br />
Mietwagen anwenden, wenn per App vermittelter Verkehr<br />
mit Mietwagen einen Marktanteil von 25 Prozent am Fahrtaufkommen<br />
im Gelegenheitsverkehr mit Taxen, Mietwagen<br />
und gebündeltem Bedarfsverkehr überschreitet.“<br />
§ 49,<br />
Abs. 7<br />
BEISPIEL 1 – EINSCHRÄNKUNGEN BEI DEN<br />
MIETWAGENGENEHMIGUNGEN:<br />
Die rechtliche Basis dafür liefert der neu formulierte Satz 7 im<br />
§ 49, Absatz 4 (siehe nebenstehender Kasten): In Städten mit<br />
mehr als 100.000 Einwohnern können die Genehmigungsbehörden<br />
zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen die<br />
Regelungen für den gebündelten Bedarfsverkehr auch für<br />
Mietwagen anwenden. Damit wäre dann beispielsweise eine<br />
Kontingentierung der Mietwagen möglich (Rechtsbasis: § 13,<br />
Absatz 5a PBefG), eine zeitliche und räumliche Beschränkung<br />
für die Genehmigung der Mietwagenkonzessionen (Rechtsbasis:<br />
§ 50, Absatz 2, PBefG) sowie die Vorgaben von Sozialstandards<br />
(Rechtsbasis: § 50, Absatz 4, PBefG).<br />
Letztlich wäre auf dieser Basis sogar die Definition<br />
einer von Teilen des Gewerbes so vehement<br />
geforderten Vorbestellfrist legitim. „Das Instrument<br />
wurde zwar nicht in den Katalog zusätzlicher<br />
Steuerungsinstrumente aufgenommen, ist<br />
aber eine Form der zeitlichen und räumlichen<br />
Beschränkung des Mietwagenverkehrs“, äußert<br />
sich dazu der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen<br />
e. V. (BVTM).<br />
All das ist allerdings nur möglich, wenn neben<br />
der bereits erwähnten Einwohnerzahl der Marktanteil<br />
von appvermittelten Mietwagen 25 Prozent des Gelegenheitsverkehrs<br />
überschreitet. Der BVTM nennt eindeutige Indikatoren,<br />
die eine genaue Untersuchung des Marktanteils erforderlich<br />
machen: In den Städten ist ein nicht-linearer Anstieg an Mietwagen<br />
zu verzeichnen und große Mobilitäts-Apps (wie z. B. Uber und<br />
Free Now) bieten im Stadtgebiet Beförderungen mit Mietwagen an.<br />
Konkret empfiehlt der BVTM den Genehmigungsbehörden:<br />
„Eine genaue Untersuchung sollte dann auf Basis von Daten erfolgen,<br />
die der Genehmigungsbehörde von den Beförderungsunternehmen<br />
zur Verfügung gestellt werden sowie auf Basis von über<br />
den Nationalen Zugangspunkt erhältlichen Daten von Vermittlern<br />
und Beförderern. Ausschlaggebend ist der Anteil des per<br />
App vermittelten Verkehrs mit Mietwagen am Fahrtaufkommen<br />
im Gelegenheitsverkehr mit Taxen, Mietwagen und gebündeltem<br />
Bedarfsverkehr.“<br />
BEISPIEL 2 – VERHINDERUNG VON DUMPING-<br />
PREISEN:<br />
Die rechtliche Basis dafür liefert der neu aufgenommene<br />
§ 51a, PBefG. Er erlaubt den Genehmigungsbehörden,<br />
auch für Mietwagen einen Tarif festzulegen,<br />
der zumindest den Mindestpreis definiert. Damit<br />
können die Kommunen Dumpingpreise mit gesellschaftspolitisch<br />
fatalen Marktverschiebungen<br />
unterbinden. Solche Mindestentgelte für Mietwagen<br />
kommen laut BVTM besonders dann in Betracht,<br />
wenn der Mietwagenverkehr in Konkurrenz zu Bus und<br />
Bahn steht, wenn Mietwagen taxiähnlichen Verkehr bieten<br />
und den regulären <strong>Taxi</strong>betrieb gefährden und wenn Hinweise auf<br />
systematisches Sozialdumping vorliegen.<br />
Die Höhe des Mindestentgelts im Mietwagenverkehr sollte<br />
von der Behörde so bemessen sein, dass es für die Unternehmen<br />
auskömmlich ist und kein Sozialdumping begünstigt. Der BVTM<br />
empfiehlt, das Mindestentgelt für Mietwagen auf der Höhe des<br />
<strong>Taxi</strong>tarifs festzulegen. „Es muss im Kern einen km-Satz ausweisen,<br />
auf den die fahrbedingte Wartezeit umgelegt ist.“ jh<br />
§ 51a,<br />
Abs. 1<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 51a, Absatz 1, PBefG: „Die Genehmigungsbehörde kann<br />
zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für den<br />
Verkehr mit Mietwagen, der in ihrem Bezirk betrieben wird,<br />
tarifbezogene Regelungen, insbesondere Mindestbeförderungsentgelte,<br />
festlegen.“<br />
FOTOS: Adobe Stock / jozsitoeroe, Adobe Stock /Mr Doomits<br />
4 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
ABSTELL-<br />
ORTE<br />
BITTE GUT<br />
ABWÄGEN<br />
Abstellorte in Flughafennähe<br />
zu genehmigen, entspricht<br />
nicht der Absicht<br />
des Gesetzgebers.<br />
Die Rückkehrpflicht für Mietwagen bleibt, doch nun haben Behörden die Option,<br />
sogenannte Abstellorte zu genehmigen. Gründe dafür gibt es nur wenige.<br />
Aus den diversen Statements der <strong>Taxi</strong>vertreter zur Novelle<br />
des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) lässt sich<br />
eine mehrheitliche Zufriedenheit heraushören. Nahezu<br />
unisono wird auf die Anfänge hingewiesen, als Verkehrsminister<br />
Andreas Scheuer seine Eckpunkte vorgelegt hatte. Wären diese<br />
so umgesetzt worden, hätte das desaströse Auswirkungen auf<br />
die <strong>Taxi</strong>branche gehabt. Entsprechend hatte sich die <strong>Taxi</strong>branche<br />
dagegen gewehrt – vom einzelnen Fahrer über den Unternehmer<br />
bis zur Funktionärsebene.<br />
Sinnbildlich für den Kampf gegen eine taxifeindliche<br />
Novelle stand der Protest gegen die Aufhebung<br />
der Rückkehrpflicht für Mietwagen. Sie<br />
konnte verhindert werden, auftragslose Mietwagen<br />
müssen weiterhin an ihren Betriebssitz<br />
zurückkehren. Allerdings wird den Behörden nun<br />
die Option eingeräumt, zusätzliche Abstellorte<br />
zu genehmigen. Diese müssen mindestens 15 Kilometer<br />
vom Hauptsitz oder anderen Abstellorten<br />
entfernt sein.<br />
§ 49,<br />
Abs. 5<br />
Aufgrund dieser Entfernungsvorgaben geht der Bundesverband<br />
<strong>Taxi</strong> und Mietwagen (BVTM) davon aus, dass eine Stadt eine<br />
Ausdehnung von mindestens 30 Kilometern haben muss, damit<br />
die rechnerische Voraussetzung für einen Abstellort überhaupt<br />
gegeben ist. Somit kämen auch nur Gemeinden mit einer Fläche<br />
von mindestens 350 km² in Betracht. „Ist die Stadt eher kreisförmig,<br />
ist die erforderliche Fläche sogar noch größer“, schreibt der<br />
BVTM in einem Leitfaden, der speziell an die Genehmigungsbehörden<br />
adressiert ist.<br />
Weil zusätzliche Abstellorte die Rückkehrpflicht als Abgrenzungsmerkmal<br />
zwischen <strong>Taxi</strong> und Mietwagen schwächen, sollte<br />
von der Möglichkeit nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht<br />
werden. Dies könnten beispielsweise die Verfügbarkeit von Schnellladepunkten<br />
bei Unternehmen mit vollelektrischen Flotten<br />
sein oder unternehmensspezifische Sonderfälle<br />
wie spezielle Anforderungen an das Abstellen von<br />
historischen Fahrzeugen oder Stretchlimousinen.<br />
Keinen geeigneten Grund für einen zusätzlichen<br />
Abstellort stellt die räumliche Nähe zu<br />
Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen oder<br />
Flughäfen dar. „Hier ist davon auszugehen, dass<br />
durch einen zusätzlichen Abstellort im Kern Konkurrenz<br />
zum <strong>Taxi</strong>gewerbe aufgebaut werden soll,<br />
was nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht.<br />
Generell sollte in der Nähe von <strong>Taxi</strong>halteplätzen hiervon<br />
abgesehen werden“, empfiehlt der BVTM.<br />
Ebenso eindringlich appelliert der BVTM, zusätzliche Abstellorte<br />
jeweils nur für ein Unternehmen zu genehmigen und keine<br />
geteilte Nutzung von einer Vielzahl von Abstellorten zu ermöglichen.<br />
Die Kontrolle der Rückkehrpflicht solle zudem immer möglich<br />
bleiben. <br />
jh<br />
FOTOS: BER, Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 49, Absatz 5: Die Genehmigungsbehörde kann für<br />
Gemeinden mit großer Flächenausdehnung Einzelheiten<br />
für die Genehmigung von Ausnahmen von der Pflicht zur<br />
Rückkehr an den Betriebssitz ohne neuen Beförderungsauftrag<br />
an einen anderen Abstellort als den Betriebssitz<br />
festlegen. Hierbei ist eine Mindestwegstrecke von<br />
15 Kilometern zwischen Hauptsitz und Abstellort oder<br />
bei mehreren Abstellorten zwischen diesen zu Grunde<br />
zu legen. Die Genehmigungsbehörde kann insbesondere<br />
Regelungen treffen über<br />
1. die Anforderungen an den Abstellort und<br />
<strong>2.</strong> die zulässige Anzahl von Abstellorten.<br />
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TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
5
Beim <strong>Taxi</strong>tarif<br />
können künftig bis<br />
zu vier Varianten<br />
gewählt werden.<br />
Am Ende sollte<br />
aber immer Gelb<br />
gewinnen.<br />
VIER GEWINNT<br />
BEIM TAXITARIF<br />
Die Festlegung des <strong>Taxi</strong>tarifs war schon immer Sache der Kommunen. Jetzt<br />
können auch Festpreise und Tarifkorridore aufgenommen werden. Das sollte<br />
unbedingt in enger Absprache mit dem örtlichen <strong>Taxi</strong>gewerbe erfolgen.<br />
Die Novelle des Personenbeförderungsrechts<br />
(PBefG), am 16. April als „Gesetz<br />
zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts“<br />
im Bundesgesetzblatt veröffentlicht,<br />
hat den Namen „Novelle“ tatsächlich<br />
verdient. Mehr als die Hälfte der über 70 PBefG-<br />
Paragrafen wurde verändert.<br />
Trotz vieler Neugestaltungen wurde aber ein<br />
wichtiger Aspekt beibehalten: <strong>Taxi</strong>s unterliegen als<br />
Teil des ÖPNV auch weiterhin aufgrund ihrer wichtigen<br />
§ 51,<br />
Abs. 1<br />
Bedeutung für die Daseinsvorsorge besonderen Verpflichtungen.<br />
Dazu zählen die Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht. Letzteres<br />
ermöglicht vor Ort nun allerdings mehr Flexibilität, indem<br />
Beförderungen zu Festpreisen sowie ein Tarifkorridor mit Mindest-<br />
und Höchstpreisen grundsätzlich ermöglicht werden.<br />
INSGESAMT STEHEN DEN<br />
GENEHMIGUNGSBEHÖRDEN NUN<br />
VIER VARIANTEN OFFEN:<br />
1. Es gilt der behördlich festgelegte <strong>Taxi</strong>tarif.<br />
<strong>2.</strong> Es können zusätzlich Festpreise für bestimmte, immer wiederkehrende<br />
Fahrtstrecken definiert werden.<br />
3. Es kann zusätzlich für (vor-)bestellte Fahrten ein fester Kilometersatz<br />
vereinbart werden.<br />
4. Der feste Kilometersatz darf sich innerhalb eines Tarifkorridors<br />
mit einer tariflichen Unter- und einer Höchstgrenze<br />
bewegen.<br />
Für die Genehmigungsbehörden sind die Punkte 2 bis 4 eine<br />
Kann-Option. Wird diese nicht wahrgenommen, gilt grundsätzlich<br />
wie bisher auch für alle <strong>Taxi</strong>fahrten innerhalb des Pflichtfahrgebiets<br />
der örtlich festgelegte <strong>Taxi</strong>tarif. Dort können auch<br />
weiterhin abweichende Nacht- oder Wochenendtarife geregelt<br />
sein. Der <strong>Taxi</strong>tarif gilt zudem generell für alle Fahrten, bei denen<br />
der Fahrgast am Halteplatz eingestiegen ist oder wenn das <strong>Taxi</strong><br />
vom Straßenrand abgewunken wurde. Wurde ein Festpreis für<br />
bestimmte Wegstrecken in die <strong>Taxi</strong>tarifordnung aufgenommen,<br />
gilt dieser auch, wenn der Fahrgast an einem der<br />
festgelegten Startpunkte einsteigt und zu dem<br />
ebenso festgelegten Zielpunkt fahren will.<br />
Die optional möglichen Festpreis-Optionen sind<br />
im Gesetz in zwei Bereiche untergliedert: Festpreise<br />
für Fahrten zwischen bestimmten Wegstrecken<br />
(§ 51, Abs. 1, Satz 2, Nr. 1, PBefG) und<br />
Festpreise für Fahrten auf vorherige Bestellung (§<br />
51, Abs. 1, Satz 3, PBefG). Letztere müssen nicht an<br />
bestimmte Ziele gebunden sein. „Es handelt sich um zwei<br />
unterschiedliche Formen von Festpreisen, die unterschiedlich<br />
auszugestalten sind“, interpretiert der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und<br />
Mietwagen (BVTM) die neuen Bestimmungen.<br />
Gewährt die Behörde einen Tarifkorridor, können die Festpreise<br />
variieren. Allerdings muss in der <strong>Taxi</strong>tarifordnung ein Mindestund<br />
ein Höchstpreis definiert sein. Festpreise innerhalb eines<br />
Tarifkorridors dürfen nur bei (vor-)bestellten Fahrten abgerufen<br />
werden.<br />
In allen Fällen hat die Genehmigungsbehörde freie Hand bei<br />
der Ausgestaltung der jeweiligen Festpreis-Varianten (siehe Seite<br />
8). Der BVTM appelliert an die Genehmigungsbehörden, dieses<br />
Instrument nur anzuwenden, wenn es vom örtlichen <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
gewünscht ist. Den Austausch mit deren Vertretern hält der<br />
Verband dabei für unerlässlich. <br />
jh<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 51, Absatz 1: Die Landesregierung wird ermächtigt, durch<br />
Rechtsverordnung Beförderungsentgelte und -bedingungen<br />
für den Taxenverkehr festzusetzen. Die Rechtsverordnung<br />
kann insbesondere Regelungen vorsehen über<br />
1. Grundpreise, Kilometerpreise und Zeitpreise sowie<br />
Festpreise für bestimmte Wegstrecken.<br />
FOTOS: Adobe Stock / andrey gonchar, Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
6 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
x<br />
taxi-deutschland.net
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
39<br />
ÜBER ALLEM<br />
SCHWEBT DER § 39<br />
Wenn Behörden künftig Festpreise und Korridore in die <strong>Taxi</strong>tarifordnung aufnehmen,<br />
sollte deren Höhe nach genau definierten Kriterien festgelegt werden.<br />
Durch eine Erweiterung des Paragrafen 51, Absatz 1 des<br />
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) wird nun ausdrücklich<br />
die Möglichkeit eingeräumt, dass <strong>Taxi</strong>fahrten<br />
innerhalb des Pflichtfahrgebietes auch zu Festpreisen durchgeführt<br />
werden können. Ganz neu ist diese Option nicht, sie war<br />
auch bereits in der alten Fassung möglich – indem Gemeinden<br />
unter Beachtung bestimmter Vorgaben Sondervereinbarungen<br />
zuließen (§ 51, Absatz 2). Dazu zählte beispielsweise, dass ein<br />
bestimmter Zeitraum, eine Mindestfahrtenanzahl oder ein Mindestumsatz<br />
im Monat festgelegt wird. Zudem durfte die Ordnung<br />
des Verkehrsmarktes nicht gestört werden.<br />
Solche klaren Vorgaben fehlen bei der jetzigen Erweiterung<br />
des § 51, Absatz 1, was bei den örtlichen Genehmigungsbehörden<br />
zu einer großen Verunsicherung führt, wie es auch Aleksandar<br />
Dragicevic, Vorstand des Kölner <strong>Taxi</strong>ruf, bei einem Webinar für<br />
seine Stadt bestätigte.<br />
Dragicevic und viele andere Gewerbevertreter befürworten<br />
die Einführung von Festpreisen und sehen es als wirkungsvolles<br />
Instrument im Wettbewerb mit taxiähnlich agierenden Mietwagen<br />
an. „Festpreise geben Fahrgästen Verlässlichkeit“, schreibt auch<br />
der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen in einem speziell an die<br />
Behörden gerichteten Leitfaden. Auch der Bremer Ingo Heuermann<br />
sieht darin eine Möglichkeit, dem Wunsch einiger gewerblicher<br />
Kunden nach einer Festpreisvereinbarung nachzukommen, welche<br />
diese lediglich für ihr betriebsinternes Genehmigungsverfahren<br />
benötigten. Preisnachlässe seien da gar nicht das Ziel.<br />
TARIFKORRIDOR DARF KEINE DUMPING-OPTION SEIN<br />
Neben der grundsätzlichen Option,<br />
Festpreise für <strong>Taxi</strong>fahrten zu definieren,<br />
bietet das neue Personenbeförderungsgesetz<br />
(PBefG) darüber hinaus die<br />
Möglichkeit, dafür einen Tarifkorridor<br />
festzulegen. „Das schafft eine preisliche<br />
Flexibilität, innerhalb derer sich die<br />
anbietenden Unternehmen voneinander<br />
differenzieren können. Der unternehmerische<br />
Spielraum wird vergrößert“,<br />
konstatiert der Bundesverband <strong>Taxi</strong><br />
und Mietwagen (BVTM), warnt aber<br />
gleichzeitig davor, dass dies nicht dazu<br />
führen dürfe, dass die Rolle des <strong>Taxi</strong>s als<br />
Teil des ÖPNV und der Daseinsvorsorge<br />
ausgehöhlt und in Frage gestellt wird.<br />
Auch hier wird auf den § 39, Absatz 2,<br />
PBefG verwiesen.<br />
Bei einem Tarifkorridor komme dem<br />
Mindesttarif eine besondere Bedeutung<br />
zu, mahnt der BVTM. Er müsse Preisdumping<br />
wirksam verhindern, weil dies<br />
in der Konsequenz entweder zu Sozialdumping<br />
zulasten der Beschäftigten<br />
oder zu einem Wegbrechen vom Mobilitätsangebot<br />
vor Ort führen würde.<br />
Bei der Definition eines Mindesttarifs<br />
sei darüber hinaus zu berücksichtigen,<br />
dass der <strong>Taxi</strong>tarif ein wichtiger Orientierungspunkt<br />
für die Preisgestaltung,<br />
etwa im Bereich Krankenfahrten, ist.<br />
Dieses Marktsegment hänge mittelbar<br />
von der Tarifgestaltung ab und ist mit<br />
entscheidend für die wirtschaftliche<br />
Stabilität der Unternehmen vor Ort.<br />
„Wird ein Tarifkorridor eingeführt, so<br />
erscheint es plausibel, dass der (bisherige)<br />
<strong>Taxi</strong>tarif dem neuen Mindestpreis<br />
entspricht“, argumentiert der BVTM. jh<br />
FOTO: Adobe Stock / tournee<br />
8 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
FOTO: Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
Heuermann setzt damit auch ein klares Statement,<br />
dass <strong>Taxi</strong>-Festpreise nicht zwingend günstiger<br />
als der <strong>Taxi</strong>tarif sein müssen. Sie sollten<br />
sich vielmehr unbedingt am <strong>Taxi</strong>tarif orientieren,<br />
lautet das nahezu einstimmige Credo innerhalb der<br />
Branche.<br />
Der Grund ist ganz einfach: „Festpreise hängen weder<br />
von der tatsächlichen Fahrtstrecke (Umleitungen) noch von der<br />
tatsächlichen Fahrzeit (Verkehrssituation) ab“, schreibt der BVTM.<br />
„Sie verlagern dieses Risiko vom Fahrgast auf den Unternehmer.<br />
Bei der Einführung von Festpreisen ist daher zu beachten, dass<br />
die Interessen des Fahrgastes und die Interessen des Unternehmers<br />
in einen fairen Ausgleich gebracht werden. Eine Festpreis-<br />
Option ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn ein solcher fairer<br />
Ausgleich gelungen ist.“<br />
§ 39<br />
FUNDIERT UND WIRTSCHAFTLICH KALKULIERT<br />
Die Genehmigungsbehörden stehen damit in der Verantwortung,<br />
Festpreise wie auch Tarifkorridore auf Basis fundierter wirtschaftlicher<br />
Kalkulationen festzusetzen. Dafür ist eine Abstimmung mit<br />
dem örtlichen <strong>Taxi</strong>gewerbe unverzichtbar. Das Zauberwort lautet<br />
„auskömmlich“. Festpreise müssen so definiert sein, dass sie für<br />
den durchführenden <strong>Taxi</strong>unternehmer wirtschaftlich sinnvoll<br />
sind. Die gesetzliche Grundlage bildet der (unverändert gebliebene)<br />
Paragraf 39, Absatz 2 des PBefG: „Die Genehmigungsbehörde<br />
hat die Beförderungsentgelte insbesondere daraufhin zu<br />
prüfen, ob sie unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage<br />
des Unternehmers, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung<br />
des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung<br />
angemessen sind.“<br />
Wie sieht das nun konkret bei Festpreisen für bestimmte Wegstrecken<br />
mit einem klar definierten Start- und Zielpunkt aus? Hier<br />
sollte der Preis dem durchschnittlichen Beförderungsentgelt ohne<br />
Festpreis entsprechen, empfiehlt der BVTM. Als Parameter nennt<br />
er den Grundpreis, die durchschnittliche Strecke, eine streckenabhängige<br />
Tarifkomponente laut Tarifordnung, eine durchschnittliche<br />
fahrbedingte Wartezeit, die zeitabhängige Tarifkomponente<br />
laut Tarifordnung sowie einen Festpreis-Aufschlag.<br />
Ein Festpreis unabhängig von der Wegstrecke, der nur bei (vor-)<br />
bestellten Fahrten angewendet werden darf (siehe Seite 6), kann<br />
dagegen nicht die tatsächliche Strecke und eventuelle Wartezeit<br />
§ 51,<br />
Abs. 1<br />
abbilden. Er muss laut BVTM daher auf Basis<br />
von vorab gebildeten Erwartungswerten definiert<br />
sein. „Der Fahrpreis wird also nicht durch Messung<br />
des Taxameters gebildet, sondern ähnlich<br />
einem Navigationsgerät, was bei Fahrtantritt angibt,<br />
welche Strecke und welche Fahrzeit erwartet wird.“<br />
Der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen empfiehlt, den<br />
Zeitfaktor in Form eines Aufschlags pauschaliert auf die Kilometer<br />
umzulegen. Dies stärke die Preistransparenz für die Fahrgäste<br />
und erleichtere die Nachvollziehbarkeit der Preisbildung sowohl<br />
für Fahrgäste als auch für Behörden.<br />
FESTPREIS MIT MINDESTBETRAG<br />
Für die Gestaltung des Festpreis-Tarifs in der Praxis zählt der<br />
BVTM verschiedene Möglichkeiten auf. So könnte beispielsweise<br />
ein Grundpreis plus einheitlicher Kilometer-Satz definiert werden.<br />
Das Beförderungsentgelt würde sich in diesem Fall aus dem<br />
Grundpreis plus der erwarteten Strecke mal dem km-Satz zusammensetzen,<br />
wobei der Fahrpreis pro Fahrt einen Mindestbetrag<br />
nicht unterschreiten sollte, auch wenn die Strecke sehr kurz ist.<br />
Beispiel: 1,60 Euro je km, aber immer mindestens 4 Euro.<br />
Alternativ könnten auch streckenabhängige Tarifstufen definiert<br />
werden. „Fahrten bis 3 Kilometer kosten x Euro, bis 5 Kilometer<br />
y Euro, bis 10 Kilometer z Euro usw.“, nennt der BVTM<br />
ein Preisbeispiel und fordert, dass bei allen Festpreis-Modellen<br />
beim Kilometer-Satz ein Aufschlag für fahrbedingte Wartezeit zu<br />
berücksichtigen ist, weil andernfalls die Einführung von Festpreisen<br />
faktisch einer Tarifsenkung gleichkäme. Auch hier hat<br />
die Behörde zwingend nach Maßgabe des § 39, Absatz 2, PBefG<br />
zu entscheiden: Der Tarif muss auskömmlich sein. <br />
jh<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 51, Absatz 1, Satz 3: Für Fahrten auf vorherige Bestellung<br />
können Festpreise bestimmt oder Regelungen über<br />
Mindest- und Höchstpreise getroffen werden, innerhalb<br />
derer das Beförderungsentgelt vor Fahrtantritt frei zu vereinbaren<br />
ist. Die Landesregierung kann die Ermächtigung<br />
durch Rechtsverordnung übertragen.<br />
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GBV-Verkehre haben<br />
nur dann eine Existenzberechtigung,<br />
wenn sie für weniger<br />
Verkehr auf den<br />
Straßen sorgen.<br />
POOLING MUSS<br />
»VERKEHRSEFFIZIENT«<br />
SEIN<br />
Die Legitimation des Poolings in Form eines gebündelten Bedarfsverkehrs ist<br />
eine der wesentlichsten Neuerungen des PBefG. Bei der Genehmigung sollten<br />
Behörden aber genau abwägen.<br />
Beim gebündelten Bedarfsverkehr (GBV) werden verschiedene<br />
Fahrtwünsche entlang ähnlicher Strecken zu einer<br />
(Teil-)Fahrt zusammengefasst. Prominente Beispiele für<br />
solche Dienstleister sind Moia oder CleverShuttle sowie zahlreiche<br />
regionale Angebote. Der GBV ist im neu geschaffenen § 50 geregelt.<br />
Bisher waren die Pooling-Fahrten im Personenbeförderungsgesetz<br />
(PBefG) über den § 2, Abs. 6 als typenähnlicher Verkehr<br />
oder über den § 2, Abs. 7 im Zuge der Experimentierklausel auf<br />
Zeit genehmigt. Mit der Aufnahme als dritte Verkehrsart heißen<br />
Poolingfahrten jetzt „gebündelter Bedarfsverkehr“ und sind dauerhaft<br />
genehmigungsfähig.<br />
Allerdings besteht für die Behörden keine Genehmigungspflicht.<br />
Ein Kriterium für eine mögliche Antragsablehnung oder<br />
spätere Widerrufung ist die sogenannte Bündelungsquote, definiert<br />
im Paragrafen 50, Absatz 3. Sie errechnet sich aus der Zahl<br />
der zurückgelegten Personenkilometer der Fahrgäste, geteilt durch<br />
die zurückgelegten Fahrzeugkilometer, und dient als Indikator,<br />
wie sehr es einem GBV-Betreiber auch tatsächlich gelingt, die<br />
Fahrtwünsche zu bündeln.<br />
BÜNDELUNGSQUOTE IST PFLICHT<br />
Die Bündelungsquote muss zwingend von der Behörde vorgegeben<br />
werden. Maßstab für die Höhe ist die Abgrenzung des GBV<br />
von <strong>Taxi</strong> und Mietwagen sowie die Sicherstellung eines Teils der<br />
verbesserten Verkehrseffizienz. Sie sollte nicht unter 2,0 bestimmt<br />
werden, empfiehlt der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen (BVTM)<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
Auszug aus § 50, Abs. 1: Gebündelter Bedarfsverkehr ist die<br />
Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, bei der<br />
mehrere Beförderungsaufträge entlang ähnlicher Wegstrecken<br />
gebündelt ausgeführt werden. Der Unternehmer darf die<br />
Aufträge ausschließlich auf vorherige Bestellung ausführen.<br />
[…] Den Taxen und Mietwagen vorbehaltene Zeichen und<br />
Merkmale dürfen für den gebündelten Bedarfsverkehr nicht<br />
verwendet werden.<br />
Auszug aus § 50, Abs. 2: […] Die Genehmigungsbehörde<br />
kann die Beförderung von Personen im gebündelten Bedarfsverkehr<br />
zeitlich oder räumlich beschränken, soweit öffentliche<br />
Verkehrsinteressen dies erfordern. […]<br />
Auszug aus § 50, Abs. 3: Im Stadt- und im Vorortverkehr ist<br />
von der Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit dem<br />
Aufgabenträger eine Quote für den Anteil an gebündelten<br />
Beförderungsaufträgen festzulegen, der in einem bestimmten<br />
Zeitraum innerhalb des Gebietes zu erreichen ist, in dem der<br />
Verkehr durchgeführt wird (Bündelungsquote). […]<br />
Auszug aus § 50, Abs. 4: Die Genehmigungsbehörde kann<br />
zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen Einzelheiten<br />
zur Rückkehrpflicht und weitere Anforderungen an den<br />
gebündelten Bedarfsverkehr […] regeln. […]<br />
Auszug aus § 13, Abs. 5a: Bei einem gebündelten Bedarfsverkehr<br />
kann die Genehmigung versagt werden, wenn die<br />
öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt<br />
werden, dass durch die Ausübung des beantragten Verkehrs<br />
die Verkehrseffizienz im beantragten Bediengebiet nicht<br />
mehr sichergestellt ist. […]<br />
FOTO: Pixabay<br />
10 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
FOTO: Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
in einem Leitfaden für die Genehmigungsbehörden.<br />
„Das würde bedeuten, dass im Durchschnitt<br />
zwei Fahrgäste gleichzeitig transportiert werden,<br />
was dem Wesen und dem Anspruch eines gebündelten<br />
Bedarfsverkehrs entspricht“, erläutert der<br />
BVTM. Schafft ein GBV diese Hürde nicht, wäre er<br />
eher ein individueller Verkehr wie <strong>Taxi</strong> oder Mietwagen.<br />
§ 50,<br />
Abs. 1<br />
Während die Bewertung eines GBV anhand der Bündelungsquote<br />
klaren Maßgaben entspricht, fällt die Bewertung der im<br />
Gesetz im Paragrafen 13, Absatz 5a formulierten Verkehrseffizienz<br />
schon schwieriger aus. „Der Begriff Verkehrseffizienz wird<br />
im Gesetz nicht näher bestimmt“, konstatiert der BVTM, wagt<br />
aber dennoch eine Interpretation: „Mit Blick auf die Zielformulierung<br />
des PBefG inklusive der Dimensionen Klimaschutz und<br />
Nachhaltigkeit ist davon auszugehen, dass die Verkehrseffizienz<br />
dann nicht mehr sichergestellt ist, wenn ein beantragter Verkehr<br />
die Auslastung des ÖPNV (Bus, Bahn, <strong>Taxi</strong>, Linienbedarfsverkehr)<br />
und/oder den Umweltverbund (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) zu schwächen<br />
droht. Eine hohe erwartete Auslastung oder eine hohe erwartete<br />
Bündelungsquote ist nicht ausreichend, da dies zulasten des<br />
Umweltverbunds gehen könnte und in der Praxis auch häufig<br />
geht. Eine Verbesserung der Verkehrseffizienz durch gebündelten<br />
Bedarfsverkehr liegt insbesondere dann vor, wenn Mietwagenverkehr<br />
oder privater motorisierter Individualverkehr durch<br />
gebündelten Individualverkehr ersetzt wird.“<br />
ELEKTRO-FLOTTE REICHT NICHT ALS ARGUMENT<br />
Selbst eine rein elektrisierte GBV-Flotte wäre noch kein Argument<br />
für eine bessere Verkehrseffizienz, wenn die Fahrzeuge beispielsweise<br />
in einem Gebiet eingesetzt werden, in dem auch (ebenfalls<br />
elektrifizierte) Straßenbahnlinien fahren. Entscheidend ist hier<br />
vielmehr, dass auch emissionsfreie Fahrzeuge zu einer Mehrbelastung<br />
im Straßenverkehr führen und somit nicht im Sinne des<br />
öffentlichen Verkehrsinteresses einer Kommune sind.<br />
Jener Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen eröffnet den<br />
Genehmigungsbehörden auch die Option, die Erlaubnis für einen<br />
GBV mit bestimmten Auflagen zu versehen, definiert im § 50,<br />
Absatz 4. Dazu zählen beispielsweise die Kontingentierung der<br />
Fahrzeuge im gebündelten Bedarfsverkehr, eine Rückkehrpflicht<br />
für auftragslose Fahrzeuge (anders als Mietwagen unterliegen<br />
Pooling-Fahrzeuge keiner generellen Rückkehrpflicht),<br />
zeitliche und räumliche Beschränkungen<br />
sowie die Definition von Sozialstandards. Die<br />
räumliche und zeitliche Einschränkung könnte<br />
laut Einschätzung des BVTM in zwei Richtungen<br />
erfolgen. Indem man entweder bestimmte Zeiten und<br />
Gebiete in die Genehmigung explizit und verpflichtend<br />
einschließt oder indem man sie explizit ausschließt.<br />
§ 13,<br />
Abs. 5a<br />
SCHUTZ VOR ROSINENPICKEREI<br />
Ersteres sei dann sinnvoll, wenn verhindert werden soll, dass ein<br />
gebündelter Bedarfsverkehr Rosinenpickerei betreibt und insbesondere<br />
in Randgebieten und Randzeiten keinen Dienst einrichtet,<br />
argumentiert der BVTM. Der Ausschluss bestimmter Zeiten<br />
und Gebiete sei dagegen dann sinnvoll, wenn andere Verkehre<br />
geschützt werden sollen. „Hierbei geht es um den Linienschutz von<br />
Bus und Bahn, aber auch um Linienbedarfsverkehr und <strong>Taxi</strong>“, heißt<br />
es im oben erwähnten Leitfaden. „Beispielsweise wäre denkbar,<br />
dass Flughäfen nicht vom gebündelten Bedarfsverkehr angefahren<br />
werden dürfen, weil diese in der Regel durch den großen ÖPNV<br />
und das <strong>Taxi</strong>gewerbe ausreichend angebunden sind.<br />
Bei der Frage, wie viel ein gebündelter Verkehr kosten darf,<br />
kann die Behörde ebenfalls mitreden. Ähnlich wie künftig auch<br />
bei <strong>Taxi</strong>s (siehe Seite 6 bzw. 8) kann ein Mindest- und ein Höchstpreis<br />
definiert werden bzw. optional auch ein Tarifkorridor. Der<br />
Mindestpreis muss dabei so gewählt sein, dass er für den Betreiber<br />
auskömmlich ist, wobei natürlich berücksichtigt werden muss,<br />
dass sich mehrere Fahrgäste die Fahrt teilen. Unter dem Gesichtspunkt<br />
der Verkehrseffizienz sei ein angemessener Abstand zu<br />
ÖPNV-Tarifen zu wahren, empfiehlt der BVTM. „Der Mindestpreis<br />
für gebündelten Bedarfsverkehr sollte unter dem <strong>Taxi</strong>tarif (weil er<br />
Fahrten bündelt) und oberhalb des ÖPNV-Tarifs (damit der ÖPNV<br />
nicht kannibalisiert wird) liegen.<br />
Höchstpreise sind laut Ansicht des BVTM dann geboten, „wenn<br />
ein Einschluss bestimmter Bedienzeiten und Bediengebiete zur<br />
Auflage gemacht ist. Anderenfalls könnte die Bedienung dieser<br />
Zeiten und Gebiete schlicht durch sehr hohe Abschreckungspreise<br />
umgangen werden. Plausibel erscheint, dass der Höchstpreis<br />
für gebündelten Bedarfsverkehr dem <strong>Taxi</strong>tarif bzw. im Falle eines<br />
Tarifkorridors dem Höchstpreis für <strong>Taxi</strong>s entspricht“. jh<br />
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§ 64c<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmer<br />
mit mindestens<br />
20 Fahrzeugen in<br />
der Flotte müssen<br />
künftig auch<br />
Inklusionstaxis<br />
haben.<br />
ROLLSTUHLTAXIS<br />
WERDEN ZUR PFLICHT<br />
Ganz am Ende des PBefG taucht künftig ein Paragraf auf, der vor allem<br />
Mehrwagenbetriebe betrifft. Sie müssen barrierefreie Fahrzeuge in ihrer Flotte<br />
haben. Aber nicht alle und nicht sofort.<br />
Die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten<br />
Menschen finden sich nun auch im neu<br />
hinzugekommenen Paragrafen 64 c des Personenbeförderungsgesetzes<br />
(PBefG). Sie sollen vom Aufgabenträger mit dem<br />
Ziel berücksichtigt werden, eine möglichst weitgehende Barrierefreiheit<br />
zu erreichen. Konkret bedeutet dies, dass jede Kommune<br />
dafür sorgen muss, dass der betroffene Personenkreis jederzeit die<br />
Möglichkeit hat, auf rollstuhltaugliche Fahrzeuge (Inklusionstaxis)<br />
der gewerblichen Personenbeförderung zurückgreifen zu können.<br />
Das PBefG schreibt deshalb ab August <strong>2021</strong> vor, dass <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />
mit 20 Fahrzeugen und mehr grundsätzlich mindestens<br />
ein barrierefreies Fahrzeug anbieten müssen. Ab dieser<br />
Flottengröße müssen grundsätzlich fünf Prozent der Flotte barrierefrei<br />
sein. Diese Vorgabe gilt ebenfalls für Unternehmen des<br />
gebündelten Bedarfsverkehrs. Mietwagen sind dagegen von dieser<br />
Verpflichtung befreit, außer es liegen die auf Seite 4 beschriebenen<br />
Voraussetzungen vor, die eine Bewertung des Mietwagens<br />
nach den Vorgaben des gebündelten Bedarfsverkehrs ermöglichen.<br />
Dann kann die 5-Prozent-Regelung auch ab 20 Mietwagen<br />
angewandt werden. Zurück zum <strong>Taxi</strong>: Ein sehr langer Absatz 2<br />
des § 64c ermöglicht es den Genehmigungsbehörden, von den Vorgaben<br />
zur Barrierefreiheit abzuweichen, sofern technische und/<br />
oder wirtschaftliche Gründe dies rechtfertigen. Umgekehrt kann<br />
sie auch zusätzliche Vorgaben im Interesse der Barrierefreiheit<br />
auferlegen, sofern hierdurch keine unzumutbare wirtschaftliche<br />
Härte für die betroffenen Unternehmen entstehen. „Grundsätzlich<br />
ist hier zu berücksichtigen, dass barrierefreie Fahrzeuge für<br />
Unternehmer mit signifikant höheren Kosten verbunden sind“, rät<br />
der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen in einem Leitfaden, der<br />
speziell an die Behörden gerichtet ist. Er verweist zudem darauf,<br />
dass gezielte Förderprogramme diesen wirtschaftlichen Nachteil<br />
ggf. teilweise ausgleichen können. Solche Programme existieren<br />
derzeit unter anderem in Berlin, Hamburg, München und Stuttgart.<br />
Die hier angesprochene unzumutbare wirtschaftliche Härte<br />
dürfte auch bei der Frage ins Spiel kommen, ob Mehrwagenbetriebe<br />
mit mehr als 20 <strong>Taxi</strong>s gleich zum <strong>2.</strong> August die erforderliche<br />
Anzahl an Inklusionstaxis in der Flotte haben müssen. „Grundsätzlich<br />
ist davon auszugehen, dass einer sofortigen Umrüstung von<br />
Fahrzeugen wirtschaftliche Gründe entgegenstehen und angemessene<br />
Übergangsfristen einzurichten sind“, interpretiert dies der<br />
BVTM. Er empfiehlt den Dialog zwischen Genehmigungsbehörde<br />
und betroffenen Unternehmen. <br />
jh<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 64c, Barrierefreiheit: (1) Beim Verkehr mit Taxen und beim<br />
gebündelten Bedarfsverkehr sollen die Aufgabenträger die<br />
Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten<br />
Menschen mit dem Ziel berücksichtigen, eine möglichst<br />
weitgehende Barrierefreiheit zu erreichen. Hierfür ist ab<br />
einer Anzahl von 20 Fahrzeugen eine Mindestverfügbarkeit<br />
von barrierefreien Fahrzeugen je Unternehmer vorzusehen,<br />
für die ein bundesweiter Richtwert von 5 Prozent bezogen<br />
auf die Anzahl der von dem Unternehmer betriebenen Fahrzeuge<br />
gilt.<br />
Die Maßgaben des § 35a, Absatz 4a der Straßenverkehrs-<br />
Zulassungs-Ordnung vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679), die<br />
zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. November<br />
2019 (BGBl. I S. 2015) geändert worden sind, an barrierefreie<br />
Fahrzeuge finden Anwendung.<br />
(2) Die Genehmigungsbehörde kann Einzelheiten zur Herstellung<br />
einer weitgehenden Barrierefreiheit im Hinblick auf<br />
die Mindestanzahl vorzuhaltender barrierefreier Fahrzeuge<br />
beim Verkehr mit Taxen und beim gebündelten Bedarfsverkehr<br />
festlegen, soweit dies keine unzumutbare wirtschaftliche<br />
Härte gegenüber dem Unternehmer darstellt. Sie kann<br />
darüber hinaus Ausnahmen im Hinblick auf die Mindestanzahl<br />
vorzuhaltender barrierefreier Fahrzeuge bestimmen, die eine<br />
Einschränkung der Barrierefreiheit rechtfertigen, soweit dies<br />
nachweislich aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen<br />
unumgänglich ist.<br />
FOTOS: Adobe Stock / jozsitoeroe, <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
12 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
<strong>2.</strong> August <strong>2021</strong><br />
DIE ZEIT DRÄNGT<br />
Die Ortskunde wird abgeschafft, stattdessen muss eine Fachkunde nachgewiesen<br />
werden. Das veranlasst Behörden, schon jetzt keine Prüfungen mehr durchzuführen.<br />
FOTOS: Pixabay, Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
§ 48,<br />
Abs. 4<br />
(FeV)<br />
Künftig sollen Neubewerber nur dann einen<br />
Personenbeförderungsschein von der<br />
Behörde ausgestellt bekommen, wenn<br />
sie eine Fachkunde nachweisen. Im Gegenzug<br />
entfällt der Nachweis einer Ortskundeprüfung,<br />
die zuletzt allerdings sowieso nur noch für <strong>Taxi</strong>neulinge<br />
galt.<br />
Die neue Regelung tritt am <strong>2.</strong> August <strong>2021</strong> in<br />
Kraft, führt aber bei vielen Kommunen schon heute<br />
dazu, dass keine Ortskundeprüfungen mehr abgenommen<br />
werden – mit der Folge, dass <strong>Taxi</strong>betriebe Neubewerber um<br />
einen Arbeitsplatz als <strong>Taxi</strong>fahrer nicht einstellen können, weil der<br />
nötige Ortskundenachweis nicht erbracht werden kann. Gleichzeitig<br />
nimmt auch die Nachfrage der Anwärter nach den Prüfungsterminen<br />
ab, vor allem in den lernintensiven Großstädten.<br />
Dabei ist klar geregelt: Wer vor dem <strong>2.</strong> August in Besitz eines<br />
gültigen <strong>Taxi</strong>scheins inklusive nachgewiesener Ortskunde ist,<br />
genießt das sogenannte Übergangsrecht: Der P-Schein behält seine<br />
Gültigkeit auch ohne Nachweis einer Fachkunde und beinhaltet<br />
dann auch eine Fahrerlaubnis für den gebündelten Bedarfsverkehr<br />
sowie für den Linienbedarfsverkehr.<br />
FACHKUNDE NUR FÜR NEUBEWERBER<br />
Die Fachkunde müssen demnach nur Neubewerber nachweisen,<br />
unabhängig von der Verkehrsart. Damit ist also die zuletzt fehlende<br />
Chancengleichheit zwischen <strong>Taxi</strong> und Mietwagen wieder hergestellt.<br />
Über den Inhalt der Fachkunde gab es zum<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch keine konkreten Ergebnisse.<br />
Forderungen, dazu das <strong>Taxi</strong>gewerbe in Form eines runden<br />
Tisches einzubeziehen, bleiben bisher unerhört. Falls es dem<br />
zuständigen Verkehrsministerium nicht gelingt, rechtzeitig die<br />
Inhalte einer Fachkunde zu definieren, gibt es für die nach Landesrecht<br />
zuständigen Behörden die Möglichkeit,<br />
unter Anwendung des § 74, FeV den P-Schein auch<br />
ohne Nachweis einer Fachkunde auszustellen.<br />
Bayern hat als erstes Bundesland eine solche<br />
Übergangsregelung bereits beschlossen.<br />
Das wäre Wasser auf die Mühlen all jener<br />
Unternehmer, die dann endlich wieder dringend<br />
benötigtes Fahrpersonal einstellen könnten. Und es<br />
wäre ein rotes Tuch für diejenigen, die eine Fachkunde<br />
als wichtiges Instrument einer Qualitätssicherung ansehen.<br />
Genau zwischen diesen beiden Lagern bewegt sich aktuell<br />
die Bandbreite der aktuellen Diskussion. So oder so: Die Zeit<br />
drängt und das Verkehrsministerium täte gut daran, den Landesund<br />
Kommunalbehörden schnellstmöglich Gewissheit über die<br />
künftige Fachkunde zu geben. Damit diese aus ihrem derzeitigen<br />
Dornröschenschlaf wieder aufwachen können. <br />
jh<br />
§ 76,<br />
Nr. 17<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 48, Absatz 4, Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Die<br />
Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ist zu erteilen,<br />
wenn der Bewerber […]<br />
7. Falls die Erlaubnis für Taxen, Mietwagen und den<br />
Gebündelten Bedarfsverkehr gelten soll – einen Nachweis<br />
der Fachkunde vorlegt.<br />
§ 76, Nummer 14 wird folgender Satz eingefügt: Inhaber<br />
eines Führerscheins zur Fahrgastbeförderung, der vor<br />
dem <strong>2.</strong> August <strong>2021</strong> ausgestellt wurde, sind auch berechtigt,<br />
Personenkraftwagen im gebündelten Bedarfsverkehr<br />
und im Linienbedarfsverkehr zu führen.<br />
Wir danken allen Vertragspartnern,<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmern und -fahrern für<br />
ihr Durchhaltevermögen in dieser<br />
besonders herausfordernden Zeit.<br />
Wir sind auch weiterhin für Sie da.<br />
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PBEFG-NOVELLE IN DER PRAXIS<br />
STEHEN<br />
UBER UND<br />
FREE NOW<br />
ÜBER DEM<br />
GESETZ?<br />
Eigentlich regelt das neue Gesetz, dass Mobilitätsplattformen als Vermittler<br />
keine Genehmigung brauchen. Doch im Fall von Uber & Co. ist die Einstufung als<br />
Beförderer möglich. Als solche würden sie dann dem PBefG unterliegen.<br />
Erstmals taucht im Personenbeförderungsgesetz<br />
(PBefG) das Wort „Vermittler“<br />
auf. Im neu aufgenommenen § 1,<br />
Absatz 3 wird bestimmt, dass Vermittler dem<br />
PBefG unterliegen und somit alle Bestimmungen<br />
auch angewandt werden können. Dabei definiert<br />
der Gesetzgeber einen Vermittler als „Betreiber von<br />
Mobilitätsplattformen, deren Hauptgeschäftszweck<br />
auf dem Abschluss über eine genehmigungspflichtige<br />
§ 1,<br />
Abs. 3<br />
Beförderung ausgerichtet ist und die nicht selbst Beförderer sind.“<br />
Allerdings heißt es im neuen § 2, Absatz 1b, dass die reinen<br />
Fahrtenvermittler nicht genehmigungspflichtig sind. Das dürfte<br />
in erster Linie für die klassischen <strong>Taxi</strong>zentralen gelten, nicht aber<br />
für die neuen Mobilitätsanbieter wie Uber und Free Now.<br />
VERMITTLER ZÄHLEN ZUM PBEFG<br />
Der Gesetzgeber habe klargestellt, dass jeder Vermittler, der die<br />
Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich<br />
kontrolliert, Beförderer und Unternehmer im Sinne des Gesetzes<br />
ist und somit in der Konsequenz letztlich auch der Genehmigungspflicht<br />
gemäß Paragraf 2, Absatz 1, PBefG unterliegt, interpretiert<br />
Rechtsanwalt Herwig Kollar die Absicht hinter den neuen Regelungen.<br />
Das gehe aus der Gesetzesbegründung hervor und aus der<br />
Begrifflichkeit „Mobilitätsplattform“, die im Duden als Internetplattform<br />
definiert ist, während <strong>Taxi</strong>zentralen ja auch weiterhin<br />
analoge (telefonische) Vermittlung betreiben.<br />
„Unter bestimmten Bedingungen ist ein App-Vermittler nicht<br />
reiner Vermittler, sondern wird als Beförderer betrachtet“, ist sich<br />
auch der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen (BVTM) sicher. Dies<br />
gelte insbesondere dann, wenn gegenüber den Fahrgästen der Eindruck<br />
entstehen kann, dass Uber oder Free Now auch die Beförderer<br />
sind oder wenn der App-Betreiber Einfluss auf die Ausführung<br />
der Beförderung nimmt, also etwa auf Wegstrecken, Preise oder<br />
dergleichen. Die Behörden haben also durchaus ein<br />
rechtliches Instrumentarium, um von Uber & Co.<br />
eine Genehmigung einzufordern. Wird diese nicht<br />
vorgelegt, müsste die Behörde hiergegen vorgehen.<br />
„In Betracht kommt eine Gewerbeuntersagungsverfügung“,<br />
schreibt der BVTM in einem Leitfaden, der<br />
speziell an die Behörden gerichtet ist. „Daneben ist<br />
auch zu prüfen, ob ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren<br />
einzuleiten ist.“ Dazu sei auch zu prüfen, ob gegen die einzelnen<br />
Mietwagenunternehmer wegen Beihilfe zur unerlaubten Personenbeförderung<br />
Maßnahmen ergriffen werden müssen.<br />
Wahrscheinlich müssten dann hinterher Gerichte klären, ob<br />
diese Interpretation rechtlich haltbar ist. Helfen könnte dabei ein<br />
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember<br />
2019 (Az. 3-08 O 44/19, bestätigt durch OLG Frankfurt am Main,<br />
Urteil vom 20.05.<strong>2021</strong>, Az. 6 U 18/20). Hier wurde die Genehmigungspflicht<br />
für Uber bereits gerichtlich festgestellt. jh<br />
§ 12,<br />
Abs. 1b<br />
SO STEHT ES NEU IM GESETZ<br />
§ 1, Absatz 3: „Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt<br />
außerdem die Vermittlung von Beförderungen gemäß<br />
Absatz 1. Vermittlung im Sinne von Satz 1 ist die Tätigkeit<br />
von Betreibern von Mobilitätsplattformen, deren Hauptgeschäftszweck<br />
auf den Abschluss eines Vertrages über eine<br />
gemäß § 2 genehmigungspflichtige Beförderung ausgerichtet<br />
ist und die nicht selbst Beförderer nach Absatz 1,<br />
Satz 1 sind.“<br />
§ 2, Absatz 1b: „Wer im Sinne des § 1, Absatz 3 eine<br />
Beförderung vermittelt, muss nicht im Besitz einer Genehmigung<br />
sein. Er ist Vermittler im Sinne dieses Gesetzes.“<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, Adobe Stock / jozsitoeroe<br />
14 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
WETTBEWERB<br />
Das <strong>Taxi</strong>gewerbe gewinnt<br />
regelmäßig Gerichtsverfahren vor<br />
Gericht. Und doch ist es mühsam,<br />
das Recht dann auch gegen<br />
Uber & Co. durchzusetzen.<br />
WIE UBER DEN<br />
RECHTSSTAAT TÄUSCHT<br />
Ubers Geschäftsmodell ist auf taxiähnlichen Verkehr ausgerichtet.<br />
Das führt zwangsläufig zu Kollisionen mit dem Gesetz und zu Verurteilungen<br />
durch deutsche Gerichte – deren Umsetzung dann sehr mühsam ist.<br />
FOTO: OLG Frankfurt<br />
Jüngstes Beispiel ist ein vom <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
gewonnenes Berufungsverfahren<br />
vor dem Frankfurter<br />
Oberlandesgericht. Das hatte am 21. Mai<br />
<strong>2021</strong> das viel beachtete Verbotsurteil des<br />
Landgerichts Frankfurt vom 19. Dezember<br />
2019 bestätigt, indem es die Berufung<br />
ablehnte. Damals hatte das Gericht der<br />
Klage von <strong>Taxi</strong> Deutschland stattgegeben<br />
und die Uber-App in der Form, in der sie<br />
bisher betrieben wurde, verboten.<br />
Die Hoffnung der <strong>Taxi</strong>branche, dass die<br />
App damit vom Markt genommen wird,<br />
hatte sich jedoch nicht erfüllt, denn Uber<br />
hatte innerhalb von wenigen Tagen ein paar<br />
Änderungen vorgenommen und die Fahrtenvermittlung<br />
unter dem Vorwand fortgesetzt,<br />
man hätte ja nun die im Urteil<br />
bemängelten Unzulässigkeiten ausgeräumt.<br />
URTEIL OHNE EINFLUSS?<br />
„Das heutige Urteil hat keinen Einfluss auf<br />
unseren Service in Deutschland, denn es<br />
bezieht sich auf unser altes Vermittlungsmodell“,<br />
ließ sich ein Unternehmenssprecher<br />
noch am Tag der Berufungsniederlage von<br />
der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zitieren.<br />
Deutlicher Widerspruch kommt da von<br />
Kläger-Seite. „Uber täuscht die Öffentlichkeit<br />
und die Behörden frech weiter und<br />
behauptet, das Urteil habe keinen Einfluss<br />
auf ihre Geschäftstätigkeit, weil man das<br />
Geschäftsmodell bereits nach dem Urteil<br />
des Landgerichts im Dezember 2019 angepasst<br />
habe. Jedes Mal, wenn Uber behauptet,<br />
man habe das Geschäftsmodell<br />
geändert und beachte nun die Gesetze,<br />
stellt sich bei einer gerichtlichen Überprüfung<br />
heraus, dass wieder nur getäuscht<br />
wurde“, äußert sich Markus Burgdorf,<br />
Pressesprecher von <strong>Taxi</strong> Deutschland. „Die<br />
Hinzuziehung eines Generalunternehmers<br />
ändert nichts daran, dass Uber weiterhin<br />
ohne Genehmigung illegal agiert. Das<br />
Unternehmen, das in Deutschland weder<br />
Steuern noch Sozialabgaben für seine<br />
Fahrer*innen bezahlt, fährt nicht nur ohne<br />
Genehmigung, es verstößt auch jeden Tag<br />
gegen geltende Gesetze.“<br />
Burgdorf spielt damit auf die klare Vorgabe<br />
des Urteils von 2019 an, wonach Uber<br />
seine App nur dann betreiben darf, wenn<br />
man über eine Verkehrsgenehmigung für<br />
den Mietwagenverkehr in Deutschland verfügt.<br />
Dieter Schlenker, Vorsitzender der<br />
Genossenschaft <strong>Taxi</strong> Deutschland, stellt<br />
ebenfalls noch mal klar, dass Uber in<br />
Deutschland noch immer keine Genehmigung<br />
für die Personenbeförderung habe,<br />
und kritisiert die zuständigen Kontrollinstanzen:<br />
„Wir fragen uns allerdings,<br />
warum die Behörden seit Jahren das rechtswidrige<br />
Verhalten von Uber hinnehmen.“<br />
Auch im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene<br />
Rückkehrpflicht für Mietwagen<br />
wirft <strong>Taxi</strong> Deutschland Uber und seinen<br />
Subunternehmern andauernde Verstöße<br />
vor. „<strong>Taxi</strong> Deutschland hatte das mehrfach<br />
gerichtsfest beweisen können, erinnert<br />
Burgdorf. „Während Uber die Verantwortung<br />
für die Rechtsverstöße auf seine<br />
Subunternehmer schiebt, sieht das Oberlandesgericht<br />
Uber selbst als Täter, weil<br />
die Firma mit ihrer App die Verstöße gegen<br />
die Rückkehrpflicht erst ermögliche.“<br />
STRAFEN FÜR UBER-PARTNER<br />
<strong>Taxi</strong> Deutschland kündigt an, nach der<br />
Zurückweisung der Berufung sein Recht<br />
nun konsequent durchzusetzen. „Wir werden<br />
beim Landgericht Ordnungsgelder<br />
beantragen, die für jede einzelne Fahrt bis<br />
zu 250.000 Euro betragen können. Die Justizkasse<br />
wird sich dann sehr dafür einsetzen,<br />
diese Ordnungsgelder einzutreiben.“<br />
Mit dieser Vorgehensweise wären hauptsächlich<br />
die angeschlossenen Subunternehmer<br />
die Leidtragenden, für die nun<br />
eine schwere Zeit anbreche. „Ob Uber<br />
einen Weg finden wird, diese Ordnungsgelder<br />
auf ihre Subunternehmer abzuwälzen,<br />
so wie sie es mit der Verantwortung<br />
für die Rechtsverstöße immer wieder<br />
machen, bleibt abzuwarten“, sagt Markus<br />
Burgdorf. <br />
jh<br />
TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
15
KRANKENFAHRTEN<br />
SPAHNS WICHTIGES<br />
VERSPRECHEN<br />
Als der Bundesrat der PBefG-Novelle zustimmte, versteckte er darin eine<br />
Aufforderung an die Bundesregierung, die seitdem wie ein Damoklesschwert<br />
die Existenz der ländlichen <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenbetriebe bedrohte.<br />
»Ihre Bedenken kann<br />
ich nachvollziehen.<br />
Umso erfreulicher<br />
ist es, dass ich Ihnen<br />
mitteilen kann, dass<br />
die Bundesregierung<br />
diese gewünschte<br />
Änderung der Freistellungsverordnung<br />
nicht vornehmen<br />
wird.«<br />
Minister Jens Spahn in einem Schreiben<br />
an den <strong>Taxi</strong>verband VSPV<br />
Der Bundesrat hatte die explosive<br />
Bitte formuliert, die Freistellungsverordnung<br />
dahin gehend<br />
zu überarbeiten, dass ehrenamtliche und<br />
sogenannte soziale Fahrdienste von den<br />
Anforderungen des PBefG befreit würden.<br />
Die Initiative beinhaltete einigen Zündstoff,<br />
denn die Ausgliederung der sogenannten<br />
sozialen Fahrdienste aus dem Geltungsbereich<br />
des PBefG käme in ihrer Auswirkung<br />
insbesondere für ländliche <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenunternehmen<br />
wohl dem lange Zeit<br />
diskutierten Wegfall der Rückkehrpflicht<br />
auf städtische <strong>Taxi</strong>betriebe gleich.<br />
Unter dem Begriff der „Sozialfahrten“<br />
würde auch die Beförderung von Patienten<br />
(Krankenfahrten) verstanden werden, hatte<br />
der Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen<br />
BVTM unmittelbar nach Bekanntwerden<br />
der Bitte gewarnt. „Eine solche Freistellung<br />
von Krankenfahrten würde die Mobilitätsstrukturen<br />
vor Ort in erheblichem Maße<br />
gefährden, da ein Freifahrtschein für jene<br />
Beförderungsfälle dazu führen werde, dass<br />
<strong>Taxi</strong>- und Mietwagenbetriebe in ländlichen<br />
Räumen ihren Betrieb nicht mehr aufrechterhalten<br />
können und aus dem Markt ausscheiden.“<br />
Auch der Verband des privaten<br />
gewerblichen Straßenpersonenverkehrs<br />
Nordrhein-Westfalen VSPV e. V. mit Sitz<br />
in Dortmund hatte sich zu dieser Thematik<br />
lautstark zu Wort gemeldet. Die Politik<br />
würde damit das <strong>Taxi</strong>- und Mietwagengewerbe<br />
im ländlichen Raum zu Grabe tragen.<br />
Für den VSPV ist klar, dass es bei dieser<br />
Bitte nur darum gehe, dass Krankenfahrten<br />
künftig nicht mehr der Regulierung<br />
des PBefG unterliegen. Anstelle von <strong>Taxi</strong>und<br />
Mietwagenunternehmen würden diese<br />
künftig von einem „quasi-gewerblichen<br />
Substitut unter dem Deckmantel von Ehrenamt<br />
und Gemeinnützigkeit“ durchgeführt<br />
werden, argumentierte der VSPV-Geschäftsführer<br />
Sascha Waltemate.<br />
ENTWARNUNG AUS DEM BMG<br />
Von genau solchen Krankenfahrten seien<br />
aber <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenbetriebe im ländlichen<br />
Raum wirtschaftlich abhängig. Der<br />
Verlust „dieses elementaren Teils der Einnahmenstruktur<br />
der <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenunternehmen<br />
wird dazu führen, dass<br />
es im ländlichen Raum demnächst heißen<br />
wird: ‚Kein Anschluss unter dieser Nummer‘,<br />
wenn man ein <strong>Taxi</strong> bestellen möchte“,<br />
warnte Waltemate in einem Schreiben, das<br />
man den zuständigen Ministern in Bund<br />
und Land zukommen ließ.<br />
Mit Erfolg, denn ein paar Wochen später<br />
teilte Bundesgesundheitsminister Jens<br />
Spahn dem VSPV in einem persönlichen<br />
Schreiben mit, dass die Bundesregierung<br />
dieser Bitte nicht nachkommen wolle (siehe<br />
Zitat oben).<br />
Mit diesem klaren Statement ist der Erhalt<br />
der grundsätzlichen Zugehörigkeit solcher<br />
Krankenfahrten unter dem Mantel<br />
des PBefG zunächst einmal sichergestellt.<br />
Andernfalls hätten sich die Krankenkassen<br />
im Sinne des wirtschaftlichen Denkens geradezu<br />
dazu verpflichtet gefühlt, einen Wettbewerb<br />
unter den Anbietern solcher Fahrten<br />
zu inszenieren.<br />
Zudem kann auch nur der Erhalt der Freistellungsverordnung<br />
die arbeitsrechtliche<br />
Absicherung auch ehrenamtlicher Beschäftigter<br />
garantieren. <br />
jh<br />
SO BLEIBT ES<br />
UNVERÄNDERT IM GESETZ<br />
Der § 1 der Freistellungsverordnung<br />
definiert zahlreiche Verkehre<br />
und Beförderungsarten, die nicht<br />
unter das PBefG fallen, darunter<br />
beispielsweise Schülerverkehre,<br />
Bestattungs- oder auch Militärfahrten.<br />
Die Verordnung soll unverändert<br />
beibehalten werden.<br />
FOTO: BMG<br />
16 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
KRANKENFAHRTEN<br />
ERKLÄRUNG<br />
ALS ABSICHERUNG<br />
Immer wieder gibt es Probleme bei der Abrechnung der Fahrtkosten mit den<br />
Krankenkassen. Die Expertin Gisela Spitzlei gibt in dieser Kolumne Tipps gegen<br />
Tricks der Krankenkassen.<br />
FOTOS: Adobe Stock / SimpLine, ARZ<br />
Es ist ein altbekanntes Problem: Nicht jede Verordnung einer<br />
Krankenfahrt garantiert dem <strong>Taxi</strong>- oder Mietwagenunternehmer,<br />
dass er die Fahrtkosten hinterher auch tatsächlich<br />
von der Krankenkasse erstattet bekommt. In solchen Fällen<br />
muss der Betrag dem Fahrgast in Rechnung gestellt werden, dieser<br />
wiederum kann sie bei seiner Krankenkasse einreichen, wo er sie<br />
dann erstattet bekommt.<br />
Nun haben Krankenkassen offenbar eine neue Masche entdeckt,<br />
solchen Zahlungsverpflichtungen zu entgehen: Patienten,<br />
die nach Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse<br />
wegen fehlender Genehmigung eine Rechnung vom Unternehmer<br />
erhalten, wird die Auskunft erteilt, dass es nicht zulässig<br />
sei, dass der Unternehmer dem Fahrgast die Fahrten in Rechnung<br />
stelle. Vielmehr hätte der Unternehmer bzw. dessen Fahrer bei<br />
Fahrtantritt zu prüfen, ob es sich um einen genehmigungspflichtige<br />
Fahrt handelt, und dürfe dann, wenn keine Genehmigung für<br />
Fahrt, Strecke, Datum vorliege, die Verordnung nicht annehmen.<br />
Wenn die Verordnung doch angenommen würde, sei diese dann<br />
auch das für die Fahrt gültige Zahlungsmittel.<br />
GISELA SPITZLEI<br />
war von 1974 bis 2005 <strong>Taxi</strong>unternehmerin<br />
und steht seit<br />
1980 dem Abrechnungszentrum<br />
Spitzlei vor. Gewerbepolitisch<br />
engagiert sie sich seit<br />
1974 und seit den 1990er-<br />
Jahren ist sie im Fachausschuss<br />
Krankenfahrten des<br />
Bundesverbands BVTM, seit<br />
1999 als dessen Vorsitzende.<br />
Mustertext für eine Erklärung:<br />
Mir ist bekannt, dass Krankenfahrten<br />
genehmigt werden müssen. Sollte(n)<br />
die von mir in Anspruch genommene(n)<br />
Fahrt(en) von dem auf der Verordnung<br />
genannten Kostenträger nicht oder nicht<br />
vollständig übernommen werden, geht<br />
die Rechnung über den nicht ausgeglichenen<br />
Betrag zu meinen Lasten und<br />
ist mit einer Frist von acht Tagen nach<br />
Rechnungsstellung zu begleichen. Eventuelle<br />
eigene Ansprüche gegen meinen<br />
Kostenträger bleiben hiervon unberührt.<br />
DER SELTSAME RAT DER KRANKENKASSE<br />
Gerade ist mir wieder ein solcher Fall auf den Tisch gekommen.<br />
Die Krankenkasse hatte die Kostenübernahme wegen fehlender<br />
Genehmigung abgelehnt. Daraufhin erfolgte die Rechnungsstellung<br />
durch den <strong>Taxi</strong>- bzw. Mietwagenunternehmer an den Patienten,<br />
der mit dieser Rechnung dann zu seiner Krankenkasse ging,<br />
um dort eine Kostenübernahme zu erreichen.<br />
Doch anstatt die Möglichkeit einer Kostenübernahme zu prüfen,<br />
wurde dem Patienten angeraten, die Rechnung nicht zu bezahlen,<br />
da der Unternehmer kein Recht habe, diese zu stellen. Er habe<br />
schließlich den Transportschein angenommen und damit sei es<br />
das Problem des Unternehmers, wenn er den Fahrpreis wegen<br />
fehlender Genehmigung nicht von der Krankenkasse erstattet<br />
bekäme. Der Patient ging daraufhin mit der Rechnung zum Unternehmer<br />
und berichtete von der Aussage der Krankenkasse. Diese<br />
Vorgehensweise ist in doppelter Hinsicht sehr ärgerlich für den<br />
Unternehmer. Zum einen, weil er dadurch das ihm zustehende<br />
Entgelt nicht bekommt, zum anderen – und das wiegt viel schwerer<br />
–, weil beim Kunden der Anschein erweckt wird, der <strong>Taxi</strong>- bzw.<br />
Mietwagenunternehmer hätte zu Unrecht eine Rechnung gestellt.<br />
Es soll auch schon Urteile geben, in denen Richter sich genau<br />
diese Denkweise zu eigen gemacht haben, die hier von den Krankenkassen<br />
verbreitet wird. Der Unternehmer und sein Fahrpersonal<br />
hätten als „Profis“ vor Antritt der Fahrt darauf hinzuweisen,<br />
dass die Fahrtkosten trotz Verordnung nicht zwingend übernommen<br />
werden. Der Patient als „Laie“ müsse dieses Wissen nicht<br />
haben.<br />
Im konkreten Fall ging die Sache aber doch noch gut aus, weil<br />
sich der Unternehmer auf eine Quittung berufen konnte, die er<br />
dem Fahrgast bei Fahrtantritt zur Unterschrift vorgelegt hatte<br />
(siehe oben stehender Mustertext).<br />
Der Unternehmer hat der Krankenkasse eine Kopie der Quittung<br />
zugestellt und es sich verbeten, dem Patienten zu erklären, er<br />
dürfe keine Rechnung für eine korrekt erbrachte Leistung erstellen.<br />
Dank dieser Quittung ruderte nun die Krankenkasse wieder<br />
zurück. Dem Patienten wurde versichert, dass man eine Kostenübernahme<br />
wohlwollend prüfen würde.<br />
Mein Tipp gegen diesen Trick der Krankenkasse lautet daher:<br />
Da sich aus den leider öfters nicht korrekt ausgestellten Verordnungen<br />
nicht unbedingt erkennen lässt, ob es sich um eine Fahrt<br />
handelt, welche die Krankenkasse zu zahlen hat oder nicht, sollte<br />
sich der Unternehmer (durch seinen Fahrer) in jedem Fall eine<br />
solche Quittung unterschreiben lassen. Sie kann verhindern, dass<br />
der Unternehmer auf den Fahrtkosten sitzen bleibt. gs<br />
TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
17
E-TAXIS<br />
Das Hamburger „Projekt<br />
Zukunftstaxi“ lädt<br />
auch andere Städte zum<br />
Nachahmen ein.<br />
DIE 100-E-TAXI-<br />
MARKE<br />
IST GEKNACKT<br />
Das Hamburger „Projekt Zukunftstaxi“ hat die erste Förderrunde<br />
mit Bravour genommen. Bis zum Stichtag 27. Mai wurden knapp<br />
über 100 verbindliche E-<strong>Taxi</strong>-Bestellungen eingereicht.<br />
Der Erfolg ist auch der einfachen und schnell durchführbaren<br />
Antragsstellung zuzuschreiben. Damit die Autos aber auf die Straße<br />
kommen, schrieb die Förderrichtlinie vor, dass der Anspruch<br />
auf die Förderung verfällt, wenn bis zum Stichtag kein Nachweis<br />
einer verbindlichen Fahrzeugbestellung bei der Hamburger Genehmigungsbehörde<br />
eingegangen ist.<br />
Von maximal 150 geförderten Anträgen konnten 102 Unternehmer<br />
rechtzeitig den Nachweis der verbindlichen Bestellung<br />
eines Fahrzeugs einreichen. Die durch die Fristversäumnis übrigen<br />
48 Förderzusagen wurden Nachrückern zugewiesen. Bis mit<br />
der Ausschüttung der Förderbeträge (E-<strong>Taxi</strong> bis zu 10.000 Euro,<br />
E-Inklusionstaxi bis zu 20.000 Euro) begonnen wird, müssen die<br />
Fahrzeuge bis spätestens zum 31. Dezember <strong>2021</strong> in Hamburg<br />
konzessioniert werden.<br />
Interessant ist ein Blick auf die im Projekt beteiligten E-<strong>Taxi</strong>s.<br />
Da wäre beispielsweise ein Smart EQ forfour, der bereits auf der<br />
Straße ist, ebenso wie die ersten beiden Polestar 2 in Hellelfenbein.<br />
Wirklich überraschend sind aber auch die Fahrzeuge, die<br />
zahlenmäßig überwiegen. Über 70 (!) VW ID.4 sollen bis Ende<br />
des Jahres in Hamburg als <strong>Taxi</strong> unterwegs sein, die ersten Zulassungen<br />
erfolgten bereits Anfang Juli. Bei den Inklusionstaxis<br />
wurden die Bestellbetätigungen von 16 TX des britischen Herstellers<br />
LEVC bestätigt. Das mit großem Abstand am häufigsten<br />
vertretene E-<strong>Taxi</strong> ist nach dem ID.4 das Model 3 von Tesla (6). Mit<br />
niedrigen Stückzahlen, aber immerhin auch vertreten sind die<br />
E-<strong>Taxi</strong>s von KIA (2), Mercedes (6), Opel (1) und Nissan (3) sowie ein<br />
Tesla-Model S. <br />
sg<br />
TELEKOM<br />
GIBT STROM<br />
Die Deutsche Telekom hat sich maßgeblich am „Projekt Zukunftstaxi“<br />
beteiligt. Jetzt stellt sie ihr Know-how für die Ladeinfrastruktur<br />
zur Verfügung, denn der richtige Mix zwischen Schnell- und<br />
Normalladen kann der Schlüssel für einen reibungslosen Betriebsablauf<br />
mit einem E-<strong>Taxi</strong> sein. Die Telekom unterstützt <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />
von der Beratung zum Geschäftsmodell über<br />
Installationsservices von Wallbox/Ladesäulen bis hin zum Wartungs-<br />
und Entstörservice.<br />
Bundesweit sind mehr als 7.000 eigene Service-Techniker<br />
und zertifizierte Spezialisten für Ladeinfrastruktursysteme der<br />
E-Mobilität im Einsatz. Als eine sinnvolle Ergänzung neben dem<br />
öffentlichen Ladenetz in Hamburg und den Schnellladern von<br />
Comfortcharge kann eine Wallbox im eigenen Betriebshof den<br />
entscheidenden Unterschied machen.<br />
Mit dem Rundum-Service kann die Telekom punkten.<br />
Anfang März <strong>2021</strong> gab es vom Bundesministerium für Verkehr<br />
und digitale Infrastruktur (BMVI) einen weiteren Förderaufruf für<br />
umstiegswillige <strong>Taxi</strong>unternehmen. Mit der finanziellen Subvention<br />
aus den Fördermitteln und der Unterstützung der Telekom sind<br />
die Weichen für eine eigene Ladeinfrastruktur gestellt. sg<br />
FOTOS: Freie und Hansestadt Hamburg, Telekom<br />
18<br />
<strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
E-TAXIS<br />
NEWSTICKER<br />
WO IST MERCEDES?<br />
Der ID.4 zählt aktuell zu den am häufigsten verkauften E-<strong>Taxi</strong>s in<br />
Deutschland.<br />
VW UNOFFICIAL<br />
Über 70 VW ID.4 werden in Hamburg als E-<strong>Taxi</strong> das Straßenbild<br />
bestimmen. Möglich ist das, weil Volkswagen Automobile Hamburg<br />
gemeinsam mit der Funkanlagen-Elektronik Heinz Reuss GmbH<br />
kooperiert. Ab Werk wird kein <strong>Taxi</strong>paket angeboten. Die ersten beiden<br />
ID.4-<strong>Taxi</strong>s sind allerdings nicht in der Hansestadt geblieben,<br />
sondern fahren jetzt in Gifhorn bei <strong>Taxi</strong> Hoffmann.<br />
Mittlerweile bieten auch andere Funkwerkstätten, wie beispielsweise<br />
Jürgen Weberpals in Köln, die Umrüstung des Stromers an.<br />
Der ID.4 ist mit zwei Batteriepaketen erhältlich. Mit 52 kWh Netto-<br />
Energieinhalt und maximal 170 PS fährt er mit einer Ladung bis zu<br />
346 Kilometer weit. Ordert man den ID.4 mit dem 77-kWh-Akkupaket,<br />
dann treibt ein 204-PS-E-Motor die Hinterräder an. Diese Kombination<br />
ist für maximal 522 Kilometer gut. Hamburger Unternehmer, die<br />
bereits Anfang Juli ihre ersten Schichten absolvierten, berichten von<br />
einem Verbrauch von 15 kw/h pro einhundert Kilometer. sg<br />
Als ehemaliger <strong>Taxi</strong>-Klassenprimus macht<br />
sich Mercedes-Benz gerade in der Öffentlichkeit<br />
rar. Die Produkte in Hellelfenbein<br />
werden nicht aktiv beworben und das,<br />
obwohl sich mit dem Hamburger „Projekt<br />
Zukunftstaxi“ ein toller medialer Effekt<br />
bewirken ließe. Wie sich die Mercedes-<br />
Presseabteilung gegenüber einem <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />
äußerte, wird derzeit eine<br />
Strategie entwickelt, die darüber entscheidet,<br />
wie der Konzern sich zukünftig in der<br />
Branche positionieren will.<br />
Bei der Ausstattung mit werkseitigen<br />
<strong>Taxi</strong>paketen hingegen scheint die Strategie<br />
bereits klar zu sein: mehr E-Fahrzeuge<br />
und weniger Limousinen, was sich mit der<br />
<strong>Taxi</strong>-Absage für S-Klasse und EQS erklären<br />
lässt. Trotzdem sind praxistaugliche <strong>Taxi</strong>-<br />
Produkte, auch vollelektrische, verfügbar,<br />
lediglich, so scheint es, fehlt noch die Entscheidung,<br />
ob man sich in Zukunft weiterhin<br />
als Partner des <strong>Taxi</strong>gewerbes verstehen<br />
will. <br />
sg<br />
FOTO: Funkservice Reuss, Julia Schneider<br />
DAS RIDE-HAILING-AUTO<br />
Das britische Start-up Arrival – bis jetzt im E-Bus- und Lieferwagen-<br />
Bereich tätig – bündelt seine Kräfte mit Uber. Beide wollen Autos<br />
entwickeln, die speziell auf den Einsatz im Ride-Hailing (Mietwagenmarkt)<br />
ausgelegt sind. Das Arrival-Car soll im dritten <strong>Quartal</strong> 2023 in<br />
die Produktion gehen. Arrival und Uber untersuchen eine „strategische<br />
Beziehung in Schlüsselmärkten, einschließlich Großbritannien<br />
und der EU“. Produziert werden sollen die Fahrzeuge voraussichtlich<br />
in Großbritannien.<br />
In dem Modell werden leicht zu reinigende Materialien eingesetzt.<br />
Ein umklappbarer Beifahrersitz (für mehr Gepäckraum) ist ebenso<br />
angedacht wie ein Panoramadach. Tom Elvidge, Arrivals Senior Vice<br />
President für Mobilität, sagt: „Wir glauben, dass wir das Fahrerlebnis<br />
für die Fahrer verbessern können, denn wir starten mit einem<br />
leeren Blatt Papier.“ Das Arrival Car soll aber nicht ausschließlich<br />
Uber-Fahrern vorbehalten sein – auch andere Verbraucher sollen das<br />
Auto kaufen können.<br />
Die Kooperation mit Uber spricht auch dafür, dass gegebenenfalls<br />
auch eine direkte Kommunikation zwischen App und Fahrzeug<br />
möglich sein wird. Uber könnte das nutzen, um beispielsweise automatisiert<br />
Fahrgäste in Autos mit ausreichender Batterieleistung zu<br />
buchen. Arrival wird von Investoren wie BlackRock, Hyundai und<br />
Kia unterstützt. Letztere kooperieren bereits mit Uber. wf<br />
Der Mercedes EQV kann sehr flexibel<br />
konfiguriert werden.<br />
SPEZIALREIFEN<br />
FÜRS E-TAXI<br />
In der Regel sind die E-Fahrzeuge bereits<br />
ab Werk mit speziellen Pneus ausgestattet.<br />
Bis auf eine Kennung mit dem Buchstaben<br />
E oder den Hinweis Elect ist kein Unterschied<br />
zu herkömmlichen Reifen erkennbar.<br />
Der liegt im Detail, denn die E-Reifen<br />
sollen im Vergleich zu herkömmlichen Reifen<br />
für bis zu acht Prozent mehr Reichweite<br />
verantwortlich sein. Deshalb empfehlen die<br />
Reifenexperten vom TÜV Süd auch, beim<br />
Neukauf auf entsprechende Ausführungen<br />
zurückzugreifen. Vorgeschrieben ist<br />
das allerdings nicht. Solange die Reifendimensionen<br />
denen im Fahrzeugschein entsprechen,<br />
ist die Verkehrssicherheit nicht<br />
eingeschränkt. <br />
sg<br />
TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
19
E-TAXIS<br />
Die beiden E-Maschinen<br />
sitzen im P8 direkt über<br />
den Achsen, während die<br />
Batterie im Unterboden<br />
verbaut ist.<br />
DER ERSTE<br />
VON VIELEN<br />
Volvo war einer der ersten Autohersteller, die sich vom Dieselmotor verabschiedet<br />
haben. Jetzt starten die Schweden ihr E-Auto-Line-up mit dem elektrischen XC40<br />
Recharge P8. Zeit für ein paar Testeindrücke.<br />
Auf den ersten Blick ist kein großer<br />
Unterschied zum XC40 mit<br />
Verbrennungsmotor zu erkennen.<br />
Lediglich der abgedeckte Kühlergrill und<br />
der fehlende Auspuff lassen ahnen, dass<br />
es sich um ein E-<strong>Taxi</strong> handelt.<br />
Anders als im kürzlich von <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
ebenfalls getesteten XC40 Recharge Plugin-Hybrid<br />
setzte Volvo bei dem Stromer<br />
auf ein gänzlich neues Multimediasystem,<br />
was jetzt komplett auf Google basiert. Das<br />
entspricht dem letzten Stand der Technik,<br />
kann aber auch im ersten Moment zu Irritationen<br />
führen.<br />
Beispielsweise, wenn man im E-<strong>Taxi</strong><br />
verständlicherweise wissen will, wie groß<br />
die Reichweite ist, denn eine Anzeige sucht<br />
man vergeblich. Zwar wird der Ladestand<br />
wie bei einer Tankanzeige im digitalen<br />
Armaturenbrett angezeigt, aber die Reichweite<br />
in Kilometern erfährt man nur mit<br />
einem Trick.<br />
Dieser ist nicht in den Untermenüs des<br />
großen Displays in der Mitte des Armaturenbretts<br />
zu finden, sondern kann nur über<br />
Google abgefragt werden. „Hey, Google, wie<br />
ist meine Reichweite?“ Per Spracheingabe<br />
gibt der Wagen dann genauso über die<br />
Reichweite Auskunft wie er auch bei „Hey,<br />
Google, erzähl mir einen Witz“ einen Kalauer<br />
reißt. Schöne neue Welt! Was geschehen<br />
könnte, wenn Fahrgäste diese Funktion<br />
kennen, mag man sich nicht vorstellen.<br />
Besser wäre es, wenn man diese Funktion<br />
abschalten könnte und die Spracheingabe<br />
ausschließlich über den Knopf am Lenkrad<br />
aktiviert werden könnte. Alternativ ist es<br />
ebenso möglich, über die sogenannte Volvo<br />
Cars App Kontakt zum Fahrzeug zu halten.<br />
Mit ihr kann man auch den Innenraum vorklimatisieren.<br />
INNEN MIT LEDERPOLSTERUNG<br />
Aber zurück zum Auto: Der Innenraum ist<br />
hochmodern und dank der im Testwagen<br />
vorhandenen Lederpolsterung auch sehr<br />
komfortabel. Die Beinfreiheit auf der Rücksitzbank<br />
ist naturgemäß bei einem SUV mit<br />
4,60 Metern Gesamtlänge nicht allzu üppig,<br />
aber in Ordnung.<br />
Eine weitere Besonderheit, an die man<br />
sich aber schnell gewöhnt, ist die Tatsache,<br />
dass der Wagen direkt nach dem Einsteigen<br />
fahrbereit ist. Es muss mit keinem Knopf<br />
der Motor gestartet werden. Mit einem<br />
Wahlhebel in der Mittelkonsole wird die<br />
Fahrtrichtung gewählt und schon geht es<br />
los. Beim Rückwärtsfahren hilft eine Rückfahrkamera,<br />
die bei dem Wagen auch wirklich<br />
empfehlenswert ist, denn die breiten<br />
C-Säulen erschweren den Blick nach hinten.<br />
Auch beim Abbiegen geht der Schulterblick<br />
ins Leere. Der Kofferraum verfügt<br />
über einen doppelten Boden und fasst<br />
da rüber 414 Liter. Unter der Motorhaube<br />
GÜNSTIGER STROM<br />
Viele Unternehmer schrecken vor<br />
der Anschaffung eines E-<strong>Taxi</strong>s<br />
zurück, weil die laufenden Kosten<br />
schwer zu kalkulieren sind. Speziell<br />
der Strompreis variiert sehr stark.<br />
Volvo und Polestar haben deshalb<br />
ihre Kooperation mit Plugsurfing<br />
vertieft. Neu- und Bestandskunden,<br />
welche die Volvo Cars App nutzen,<br />
können ab Juli <strong>2021</strong> für 12 Monate<br />
vergünstigt das Schnellladenetz von<br />
Ionity nutzen und für 35 Cent pro<br />
kW/h laden. <br />
sg<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, Volvocars<br />
20<br />
<strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
E-TAXIS<br />
Unter der vorderen Haube ist Platz für Ladekabel und Dachzeichen.<br />
Der XC40 bietet im Fond nicht üppig viel Platz, dafür aber ein gehobenes<br />
Ambiente.<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
ist noch ein zweigeteiltes Staufach, das<br />
Platz für ein Ladekabel und sogar für das<br />
Dachzeichen bietet.<br />
Ist man auf der Straße, dann macht<br />
der P8 oder manchmal auch Pure Electric<br />
genannte XC40 richtig Spaß. Hat man in<br />
den Einstellungen die automatische Bremse<br />
aktiviert, dann kann der Wagen tatsächlich<br />
nur über das Strompedal gefahren werden.<br />
Die Einstellung ist auch insofern empfehlenswert,<br />
da der Wagen – beispielsweise<br />
an einer roten Ampel – stehen bleibt und<br />
zudem die Bremsen schont, weil die Bremsenergie<br />
zurückgewonnen wird, was wiederum<br />
der Reichweite zugutekommt.<br />
Die wird übrigens von Volvo mit<br />
418 Kilometern angegeben, soll aber auch je<br />
nach Betrieb innerstädtisch deutlich höher<br />
sein. Die Energie kommt aus einer Hochvoltbatterie<br />
mit einer Kapazität von 78 kWh.<br />
Ist man mit dem P8 auf der Straße<br />
unterwegs, ist der Wagen immer mehr als<br />
ausreichend motorisiert und verfügt auch –<br />
dank der beiden angetriebenen Achsen (ein<br />
Motor vorne und einer hinten) – über Allradantrieb.<br />
Bekannt ist der Antriebsstrang<br />
bereits aus dem ebenfalls als <strong>Taxi</strong> erhältlichen<br />
Polestar 2, mit dem sich der XC40<br />
einen Großteil der Technik teilt.<br />
ZU VIELE PS FÜR EIN TAXI<br />
Den starken Druck aufs Fahrpedal quittiert<br />
der Volvo mit einer sehr starken Beschleunigung.<br />
408 PS und bis zu 660 Newtonmeter<br />
Drehmoment sind in einem <strong>Taxi</strong><br />
einfach nicht notwendig. Gleiches gilt für<br />
die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h.<br />
Das schafft der Wagen in 4,9 Sekunden. Der<br />
Vortrieb ist übrigens wie bei allen neuen<br />
Volvo-Modellen auf 180 km/h begrenzt.<br />
Werte, die ganz vermissen lassen, dass<br />
es sich um ein <strong>Taxi</strong> handelt. Das kann<br />
man übrigens auch im Innenraum schnell<br />
vergessen. Der Testwagen kommt ohne<br />
Funkgerät, ist aber mit einem HALE-Spiegeltaxameter<br />
ausgestattet, der sich nahtlos<br />
ins Interieur einbindet. Der Taster für das<br />
Dachzeichen und der HALE Cey sind im<br />
Fahrzeughimmel verbaut. Der Schalter für<br />
die <strong>Taxi</strong>notalarmanlage ist in der Lenkradverkleidung<br />
so integriert, dass man nicht<br />
Gefahr läuft, mit dem Knie den Alarm auszulösen.<br />
INDUKTIVES HANDY-LADEN<br />
Erwähnenswert ist der in der Mittelkonsole<br />
integrierte Mülleimer. Als wirklich gelungen<br />
kann man auch das optionale induktive<br />
Smartphone-Ladegerät in der Mittelkonsole<br />
bezeichnen. Nicht ganz so optimal ist<br />
hingegen die zusätzliche Halterung für ein<br />
Handy, die teilweise das Display verdeckt.<br />
Das <strong>Taxi</strong>paket ist übrigens schon im<br />
Preis inbegriffen und zudem nicht auf Fahrzeuge<br />
mit bestimmten Ausstattungsdetails<br />
beschränkt. Der Kunde kann grundsätzlich<br />
zwischen einer Ausstattung mit Semitronoder<br />
HALE-Geräten entscheiden. In beiden<br />
Varianten wird ein Spiegeltaxameter<br />
verbaut. Darüber hinaus umfasst das <strong>Taxi</strong>paket<br />
das Dachzeichen inklusive Schalter<br />
und Anschluss und eine <strong>Taxi</strong>-Alarmanlage.<br />
Die Folierung in Hellelfenbein ist optional.<br />
Ganz besonders interessant ist, dass die<br />
Fahrzeuge inklusive Konformitätsprüfung,<br />
Ersteichung sowie mit der Untersuchung<br />
nach § 42 BOKraft ausgeliefert werden. Auf<br />
Wunsch wird auch der Tarif aufgespielt.<br />
Mit anderen Worten, der XC40 kann direkt<br />
nach der Auslieferung als <strong>Taxi</strong> eingesetzt<br />
werden.<br />
Billig ist das ganze Fahrzeug dann letztlich<br />
nicht. Der Testwagen steht mit knapp<br />
unter 55.000 Euro netto in den Büchern.<br />
Auch einen Nachlass wie bei den anderen<br />
Volvo-<strong>Taxi</strong>s (teilweise bis zu 35 Prozent)<br />
sucht man noch vergebens. Immerhin ist<br />
das <strong>Taxi</strong>-Paket bis maximal <strong>2.</strong>999 Euro<br />
inklusive und die Umweltprämie kann<br />
ebenfalls geltend gemacht werden.<br />
Wer sich als <strong>Taxi</strong>unternehmer für den<br />
XC40 entscheidet, hat übrigens auch noch<br />
einen Vorteil gegenüber den Privatkäufern,<br />
denn sie können den Wagen ausschließlich<br />
online kaufen. Für Gewerbetreibende<br />
macht Volvo da eine Ausnahme. Der<br />
XC40 Recharge ist bei Volvo das erste von<br />
vielen künftigen E-Modellen, von denen<br />
einige auch wieder ein <strong>Taxi</strong>paket bekommen<br />
werden. Sie könnten sich vor allem<br />
durch weniger Leistung (nur ein Motor)<br />
und geringere Batteriekapazität sowie<br />
durch einen deutlich niedrigeren Preis<br />
auszeichnen. Das, gepaart mit der reichhaltigen<br />
Ausstattung des Testwagens, ist<br />
das ideale Rezept für ein ausgewogenes<br />
E-<strong>Taxi</strong>. sg<br />
DAS NAVI NIMMT DIE ANGST<br />
VOR LANGEN TOUREN<br />
E-<strong>Taxi</strong>-Skeptiker führen gerne<br />
ins Feld, dass man lange Touren<br />
nicht durchführen könne – aus<br />
Angst, dass einem unterwegs der<br />
Strom ausgeht. Beim Volvo XC40<br />
Recharge P8 AWD empfiehlt sich<br />
bei jeder Fern-Fahrt die Nutzung<br />
des Navigationssystems. Dort wird<br />
bei jeder Streckenberechnung automatisch<br />
auch der für den Zielort<br />
berechnete Ladezustand angezeigt.<br />
Wenn es eng wird oder ein<br />
Ladestopp notwendig ist, werden<br />
alle Ladeoptionen auf der Strecke<br />
angezeigt.<br />
jh<br />
TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
21
RECHT<br />
ANSPRUCH AUF<br />
GERINGERE RATEN<br />
Darf eine (Auto-)Bank einen Finanzierungsvertrag<br />
kündigen, wenn der Unternehmer seine Raten nicht<br />
mehr bezahlen kann? Der Richterspruch zu dieser<br />
Frage fiel taxifreundlich aus.<br />
Anstatt 1.500 Euro muss ein lockdowngeplagter<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmer nur 300 Euro an<br />
monatlichen Raten bezahlen.<br />
Die Münchner Rechtsanwältin Daniela<br />
A. Bergdolt berichtet auf dem<br />
Portal www.anwalt.de von einem<br />
„positiven Gerichtsurteil für die <strong>Taxi</strong>-Branche“,<br />
das man kürzlich vor dem Amtsgericht<br />
Stuttgart-Bad Cannstatt erwirkt habe<br />
(AZ 10 C 458/21). Es ging dabei um einen<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmer, der aufgrund der coronabedingten<br />
Umsatzeinbußen die Raten<br />
für die Fahrzeugfinanzierung nicht mehr<br />
bedienen konnte, weshalb die (Auto-)Bank<br />
die Kündigung angedroht hatte, weil die<br />
Finanzierungsraten nicht mehr geleistet<br />
werden konnten. „Die Folge wäre gewesen,<br />
dass das <strong>Taxi</strong> zurückgegeben werden<br />
muss oder die ganze Finanzierungssumme<br />
auf einmal bezahlt werden muss, mehrere<br />
zehntausend Euro – in der aktuellen<br />
Zeit unmöglich“, berichtete Frau Bergdolt.<br />
„Unser Mandant stand also vor der Wahl,<br />
durch den Verlust des <strong>Taxi</strong>s seine berufliche<br />
Existenz aufgeben oder sehr schnell einen<br />
riesigen Geldbetrag aufbringen zu müssen.<br />
Beides unzumutbare Alternativen.“<br />
Folglich ging man vor Gericht und<br />
erzielte dort ein Urteil, wonach die Finanzierungsrate<br />
um drei Viertel gesenkt wird.<br />
Anstatt 1.200 Euro mussten nur noch<br />
300 Euro pro Monat bezahlt werden. Die<br />
Gesamtsumme der Rückzahlung wird nun<br />
anders aufgeteilt, entweder über eine verlängerte<br />
Ratenzahlung oder eine höhere<br />
Schlusssumme. „Für unseren Mandanten<br />
bedeutete dies die Rettung seines Betriebes.<br />
Er kann sein <strong>Taxi</strong>gewerbe weiter betreiben,<br />
und das zu monatlichen Zahlungen, die für<br />
ihn leistbar sind.“<br />
Das Urteil erging vorübergehend, bis<br />
ein weiterer Rechtsstreit Klärung bringt.<br />
Nach Einschätzung von Frau Bergdolt ist<br />
dieser Richterspruch auch auf andere Fälle<br />
übertragbar: „Das Gericht hat argumentiert,<br />
dass wenn man die Interessen beider Vertragsparteien,<br />
des <strong>Taxi</strong>fahrers sowie der<br />
Bank, miteinander vergleicht, die Interessen<br />
des <strong>Taxi</strong>fahrers in dieser Situation<br />
insoweit überwiegen, dass die Finanzierungsrate<br />
abgesenkt werden muss.“ jh<br />
DER ZWEITE VERSUCH<br />
Nach dem Desaster im Jahr 2020 hat das Bundesverkehrsministerium im<br />
April <strong>2021</strong> eine überarbeitete Version des Bußgeldkatalogs herausgegeben.<br />
Für Raser wird es nun richtig teuer.<br />
Schon wer mit 10 km/h zu schnell<br />
erwischt wird, muss künftig die<br />
doppelte Strafe bezahlen: 30 Euro<br />
anstatt 15 Euro innerorts, 20 anstatt<br />
10 Euro außerhalb geschlossener Ortschaften.<br />
Bei 20 km/h-Überschreitung sind es<br />
70 anstatt 35 Euro bzw. 60 anstatt 30 Euro.<br />
Ab 21 km/h sind je nach Höhe mindestens<br />
100 Euro fällig. Das ursprüngliche Vorhaben,<br />
schon ab 21 km/h innerorts bzw.<br />
26 km/h außerorts ein Fahrverbot zu verhängen,<br />
wurde wieder aufgegeben. Hier<br />
bleibt es bei der bisherigen Regelung (ab<br />
31/41 km/h).<br />
Nutzer von Elektro-<strong>Taxi</strong>s dürften sich<br />
über eine Zusatzregelung bei Parkverstößen<br />
freuen. Das Parken auf einem Lade-/<br />
Parkplatz für E-Autos oder Car-Sharing<br />
wurde als neuer Tatbestand aufgenommen<br />
und kostet künftig 70 Euro. Auch<br />
viele andere Verstöße beim Parken oder<br />
Halten werden drastisch teurer, vor allen<br />
Dingen dann, wenn dadurch die Sicherheit<br />
für Fußgänger und Radfahrer gefährdet ist.<br />
Wer beispielsweise auf Geh- oder Radwegen<br />
parkt, muss bis zu 110 Euro bezahlen.<br />
Eine Übersicht über weitere Bußgelder hat<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> auf seiner Website veröffentlicht<br />
(siehe QR-Code).<br />
Wichtig auch für alle Krankenfernfahrten<br />
oder Flughafenshuttles: Wer im Stau<br />
eine Rettungsgasse nutzt oder durchfährt,<br />
wird mit mindestens 200 Euro plus einem<br />
Monat Fahrverbot bestraft.<br />
Der neue Bußgeldkatalog soll voraussichtlich<br />
im September in Kraft treten.<br />
Eine für 2020 geplante Fassung musste<br />
vom Scheuer-Ministerium aufgrund<br />
eines Formfehlers wieder kassiert<br />
werden. <br />
ar<br />
Hier abrufbar:<br />
Die neuen<br />
Bußgeldsätze.<br />
FOTOS: Pixabay<br />
22<br />
<strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
RECHT<br />
ALLES ZUVERLÄSSIG,<br />
ODER WAS?<br />
Die Zuverlässigkeit des Unternehmers im <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
ist ein zentrales Thema, nicht nur im Prüfalltag der<br />
Genehmigungsbehörden, sondern auch in der Rechtsprechung.<br />
Neuestes Beispiel hierzu ist die<br />
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts<br />
(BVerwG) vom<br />
10. Juni <strong>2021</strong>. Worum geht es? Seit Jahren<br />
wird immer wieder ein Urteil des Verwaltungsgerichts<br />
(VG) Köln zur Übertragung<br />
der Genehmigung auf einen Nachfolger<br />
zitiert, die in dürren Worten ausgedrückt<br />
hat, dass sowohl der übertragende (Alt-)<br />
Unternehmer als auch der die Genehmigung<br />
aufnehmende Unternehmer zuverlässig<br />
im Sinne von § 13, Abs. 1, PBefG<br />
sein müssen.<br />
Bis zur Entscheidung des VG Köln konnte<br />
ein „unzuverlässiger“ Genehmigungsinhaber<br />
seine Genehmigungen einfach<br />
übertragen, um auf diesem Wege wenigstens<br />
die Früchte seiner jahrelangen Arbeit<br />
zu ernten. Mit dem Richterspruch aus Köln<br />
war dies vorbei, mit der Folge, dass ein beispielsweise<br />
wegen hoher Steuernachzahlungen<br />
„unzuverlässiger Unternehmer“<br />
den Widerruf der Genehmigung und ein<br />
sich daran anschließendes Privatinsolvenzverfahren<br />
hinnehmen musste.<br />
Dieses Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen<br />
Rechtsprechung lag immer daneben,<br />
denn in einem solchen Fall ist es oftmals<br />
der Verkaufserlös, der die private Insolvenz<br />
verhindert und vor allem die Ansprüche des<br />
Fiskus sichert, sodass die Anwendung dieser<br />
Rechtsprechung folgerichtig auf Widerstand<br />
traf. Damit ist jetzt Schluss, denn<br />
das BVerwG hat nun in eindeutiger Klarheit<br />
beschlossen, dass der unzuverlässige<br />
Unternehmer die Übertragung beantragen<br />
kann, solange einerseits die Genehmigung<br />
noch besteht und ein Widerruf nicht rechtskräftig<br />
entschieden ist.<br />
Mit anderen Worten: Es kommt dem<br />
Übertragungswunsch des „unzuverlässigen<br />
Altunternehmers“ eine gewisse Priorität<br />
zu, die allerdings zwingend erfordert,<br />
dass gegen Widerrufsverfügungen mit<br />
allen rechtlichen Mitteln vorgegangen wird,<br />
damit diese nicht bestandskräftig werden.<br />
SCHUTZ FÜR DIE FAHRGÄSTE<br />
Die Begründung des Richterspruchs zeigt<br />
auf, worum es in der Sache geht: Das PBefG<br />
hat zum Ziel, die Fahrgäste vor unzuverlässigen<br />
Unternehmen zu schützen, eine<br />
ordnungsgemäße Verkehrsbedienung zu<br />
garantieren. Und wenn dies durch den<br />
Übernehmer, der ja seine Zuverlässigkeit<br />
im Genehmigungsverfahren nachweist,<br />
erkennbar geschieht, gibt es keinen Grund,<br />
die Übertragung der Genehmigung zu verhindern.<br />
Die Entscheidung des BVerwG weist<br />
damit Behörden eindeutig in die Schranken,<br />
insbesondere diejenigen, die im Rahmen<br />
der Zuverlässigkeitsbeurteilung der<br />
Unternehmen eine „kurze Lunte“ haben<br />
und oftmals die Maus zum Elefanten<br />
machen. Dies ist auch wichtig, denn der<br />
Katalog des § 1, PBZugV, der den Unzuverlässigkeitsvorwurf<br />
näher konkretisiert,<br />
lässt auch Spielraum zu und die Ergebnisse<br />
der behördlichen Beurteilung sind oft<br />
nicht gerade leicht verständlich und häufig<br />
Gegenstand von Gerichtsverfahren.<br />
Aber bitte nicht falsch verstehen: Das<br />
Gericht stellt keinen Freifahrtschein aus,<br />
sondern setzt auch für die Unternehmen<br />
Grenzen. Und natürlich gilt hier, dass jeder<br />
Einzelfall zählt und neu zu betrachten ist.<br />
Denn das PBefG geht vom zuverlässigen<br />
Unternehmer aus, der sich an die Bestimmungen<br />
hält und der im Sinne des kollegialen<br />
Miteinanders von allen gewünscht<br />
wird. Dies muss das Ziel sein! au<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>-Kolumnist Axel Ulmer aus<br />
Kaiserslautern ist Unternehmensberater<br />
und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt<br />
Verwaltungsrecht/PBefG.<br />
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TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />
23
TAXI INTERNATIONAL<br />
Fahrer-Proteste in<br />
den Niederlanden:<br />
„Uber, wir sind keine<br />
Algorithmen, wir<br />
sind echte Menschen!“<br />
(Text auf<br />
den Transparenten<br />
im rechten Bild).<br />
UBER SCHEUT<br />
VERANTWORTUNG<br />
GEGENÜBER FAHRERN<br />
In immer mehr Ländern muss sich Uber vor Gerichten verantworten,<br />
weil seine Fahrer eigentlich als Angestellte eingestuft werden<br />
müssten. Das hat auch eine hohe politische Relevanz.<br />
Protest gegen Uber in Barcelona.<br />
Derzeit wird weltweit darüber debattiert,<br />
wie die Rechte der Arbeitnehmer<br />
in der Gig Economy geschützt<br />
werden können. Die Europäische Kommission<br />
hat eine öffentliche Konsultationsphase<br />
zu möglichen EU-weiten Vorschriften<br />
eröffnet.<br />
In diesem Zusammenhang ist ein kürzlich<br />
begonnener Prozess in den Niederlanden<br />
ein wichtiger Baustein gegen die<br />
Lobbymaßnahmen auf europäischer Ebene.<br />
Kläger ist die größte Gewerkschaft der Niederlande,<br />
die FNV. Sie verlangt, dass die<br />
etwa 4.000 Uber-Fahrer des Landes als<br />
Arbeitnehmer eingestuft und nach dem<br />
nationalen <strong>Taxi</strong>tarifvertrag bezahlt werden<br />
und zudem von den üblichen Sozialvorteilen<br />
profitieren.<br />
Bisher fahren die Fahrer als „Scheinselbstständige“<br />
für einen Arbeitgeber: Uber.<br />
Das Unternehmen wird nicht müde, immer<br />
wieder weltweit sein Mantra zu wiederholen,<br />
dass Fahrer am liebsten zeitlich flexibel<br />
als Freiberufler arbeiten möchten, und<br />
ignoriert ein Urteil des Europäischen<br />
Gerichtshofs vom Dezember 2017, das den<br />
Konzern als Personenbeförderer einstuft.<br />
Uber gibt sich noch immer als technische<br />
Plattform aus, die lediglich Kunden mit<br />
Fahrern zusammenbringe.<br />
Die Amsterdamer Klage folgt auf eine<br />
Reihe ähnlicher Klagen und politischer<br />
Entscheidungen. In Großbritannien wurde<br />
Uber im Februar in einem Berufungsverfahren<br />
verurteilt und seine Fahrer als<br />
„Worker“ eingestuft, eine Kategorie zwischen<br />
Selbstständigen und Angestellten.<br />
In Frankreich war Ähnliches bereits ein<br />
Jahr zuvor passiert. Auch in Spanien wurden<br />
Uber-Fahrer nach einer gerichtlichen<br />
Anordnung als Arbeitnehmer eingestuft.<br />
In Deutschland verlor Uber bereits eine<br />
Reihe von Gerichtsverfahren. Hier gilt der<br />
Fahrtenvermittler seit Dezember 2019 als<br />
genehmigungspflichtig (AZ 3-08 O 44/19,<br />
bestätigt durch OLG Frankfurt am Main,<br />
Urteil vom 20.5.<strong>2021</strong>, AZ 6 U 18/20).<br />
SPANIEN ALS VORREITER<br />
Als eines der ersten Gesetze in Europa in<br />
Bezug auf die Rechte von Arbeitnehmern<br />
in der Gig Economy hat die spanische<br />
Regierung im Mai als Folge eines Urteil<br />
des Obersten Gerichtshofs von 2020 eine<br />
Verordnung erlassen, wonach Gig-Unternehmer<br />
ihre selbstständigen Partner als<br />
Arbeitnehmer einstufen müssen. Die spanischen<br />
Unternehmen haben bis August Zeit,<br />
sich umzustellen. Nach Berechnungen des<br />
Arbeitsministeriums wurden bereits fast<br />
17.000 Fahrer ohne Vertrag identifiziert.<br />
Arbeitsministerin Yolanda Díaz kommentierte<br />
die Entscheidung: „Die heute verabschiedete<br />
Verordnung (…) bringt uns an die<br />
Spitze eines technologischen Wandels, der<br />
die Rechte der Arbeitnehmer nicht hinter<br />
sich lassen kann.“ Ein Uber-Sprecher kritisierte:<br />
„Diese Regelung wird Tausenden<br />
von Gig-Arbeitern, die Apps flexibel nutzen,<br />
direkt schaden. Sie haben zuvor erklärt,<br />
dass sie nicht als Angestellte eingestuft werden<br />
wollen.“ Adigital, ein Branchenverband<br />
von Gig-Unternehmen wie Deliveroo, meint:<br />
„Das heute vom Kabinett genehmigte Dekret<br />
ist ein schwerer Schlag für die Zukunft der<br />
digitalen Wirtschaft in Spanien.“<br />
Das Urteil lässt Fragen offen – und eine<br />
Reihe von Klagen erwarten. Viele Gig-<br />
Unternehmen suchen bereits nach neuen<br />
Geschäftsmodellen, die es ihnen ermöglichen,<br />
profitabel zu bleiben. Einige stellen<br />
neuerdings Mitarbeiter über Personalfirmen<br />
ein. Andere wie etwa Just-Eat (Take<br />
Away’s spanisches Pendant) arbeiten wiederum<br />
gesetzeskonform mit Arbeitnehmern.<br />
<br />
wf<br />
Uber-Fahrer als<br />
Arbeitnehmer:<br />
eine Übersicht<br />
über die weltweiten<br />
juristischen<br />
Einschätzungen.<br />
FOTOS: FNV, Elite-<strong>Taxi</strong><br />
24 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
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TAXI <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> 25
QUERBLICK<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> Berlin und<br />
München haben eine Auflage<br />
von je 5.000 Exemplaren.<br />
Sie werden in beiden Städten<br />
von <strong>Taxi</strong>unternehmern und<br />
deren Fahrern gelesen.<br />
FOTO: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
WAS B UND M VON<br />
HH LERNEN KÖNNEN<br />
Die beiden Regionalausgaben der <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> Berlin und<br />
München beleuchten die dortigen E-<strong>Taxi</strong>-Förderungen<br />
und ziehen den Vergleich zu Hamburg, wo die Resonanz<br />
um ein Vielfaches höher ausfällt.<br />
Die Berliner Landespolitik hat bei<br />
Inklusionstaxis enttäuschende<br />
Erfahrungen mit Fördertöpfen<br />
gemacht. Kann es mit der E-<strong>Taxi</strong>-Förderung<br />
besser laufen? Hamburg macht vor, wie es<br />
geht (siehe QR-Code). Auch in der bayerischen<br />
Metropole ist die Resonanz überschaubar.<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> München schildert<br />
die Unterschiede der beiden Förderprojekte.<br />
Beide Regionalausgaben berichten<br />
von Erfahrungen der E-<strong>Taxi</strong>-Pioniere und<br />
stellen aktuelle <strong>Taxi</strong>modelle mit Elektroantrieb<br />
vor.<br />
Zudem analysieren die Regionalausgaben<br />
die Änderungen des Personenbeförderungsgesetzes<br />
und beschreiben die<br />
künftigen Optionen, die nun speziell den<br />
Genehmigungsbehörden – KVR in München<br />
und LABO in Berlin – offenstehen,<br />
wenn diese denn wollen. In Berlin zumindest<br />
scheint dies zweifelhaft nach den<br />
schlechten Erfahrungen des Gewerbes mit<br />
der Verkehrsverwaltung, der seit Jahren<br />
eklatante Untätigkeit vorgeworfen wird.<br />
Die Herausforderungen, vor die das novellierte<br />
PBefG alle zuständigen Behörden in<br />
Deutschland stellt, sind enorm.<br />
Titelthema der Berliner Ausgabe sind<br />
aber die vom Land finanzierten Seniorenfahrten<br />
zu den Impfzentren und zurück<br />
mit dem <strong>Taxi</strong>, die eine gigantische logistische<br />
Herausforderung für die größte deutsche<br />
<strong>Taxi</strong>funkzentrale bedeuteten – und<br />
für das hauptstädtische Gewerbe mehr als<br />
ein Strohhalm während des Lockdowns<br />
waren, da sie für viele Taxler die Pleite<br />
verhinderten. Die Abrechnung erfolgte<br />
über eigens geschaffene Impf-Coupons,<br />
von denen <strong>Taxi</strong> Berlin bis zu 20.000 täglich<br />
zu bearbeiten hatte. Unter dem Titel<br />
„Das Aus für INSIKA“ beschäftigen sich die<br />
beiden kürzlich erschienenen Ausgaben<br />
mit der Änderung der Kassensicherungs-<br />
Verordnung (KassenSichV), die die technischen<br />
Anforderungen an elektronische<br />
Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im<br />
Geschäftsverkehr definiert. Hier kommen<br />
Veränderungen auf <strong>Taxi</strong>unternehmen zu.<br />
Weitere Berliner Themen sind der verzögerte<br />
ZOB-Umbau und der Wahlkampf, der<br />
hier auch auf Landesebene stattfindet. In<br />
München wird über den neuen <strong>Taxi</strong>verband<br />
Bayern, die IHK-Wahlen und die ausbleibende<br />
politische Resonanz auf <strong>Taxi</strong>proteste<br />
berichtet. <br />
ar<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
München<br />
im E-Kiosk.<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Berlin<br />
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Alles über das<br />
Hamburger „Projekt<br />
Zukunftstaxi“.<br />
IMPRESSUM<br />
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taxi-times Verlags GmbH<br />
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26 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI
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