Wirtschafts-News II 2021 Mainz
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„Der Mensch im Mittelpunkt”<br />
und andere Utopien<br />
Die Zukunft der Arbeitswelt<br />
Warum sollte irgendein Mensch es genießen, morgens in aller Frühe aus dem warmen Bett zu springen,<br />
sich anzuziehen, sich kaltes Wasser ins Gesicht zu kippen und sich in einen vollkommen unnötigen Stau<br />
zu stellen? Nur um sich dann, am Arbeitsplatz angekommen, vorschreiben zu lassen, was richtig und<br />
falsch ist. Sehr häufig leider auch, ohne die eigenen Interessen und Fähigkeiten gezielt und in Eigenverantwortung<br />
einsetzen zu dürfen? Ein Einblick in die menschliche Seite des Geschäfts und die Notwendigkeit,<br />
unser Verständnis von Arbeitswelt zu renovieren.<br />
Ähnlich wie in einem menschlichen Organismus<br />
müssen die einzelnen Organe in einem Unternehmen<br />
sinnvoll miteinander in Verbindung<br />
stehen – ihre Fähigkeiten sind spezialisiert, doch<br />
erst das Zusammenspiel befähigt uns, zu denken<br />
und uns erfolgreich anzupassen. Seit die<br />
erste Form des Lebens erschien, dauerte es 4,1<br />
Milliarden Jahre Evolution, damit der menschliche<br />
Körper, wie wir ihn heute kennen, zu dem<br />
wurde, was er ist. 4,1 Milliarden Jahre kontinuierlicher<br />
Mutationen, Anpassungen und Verbesserungen,<br />
um in einer Welt ständiger Änderung<br />
zu überleben. Die Natur hatte bis dato<br />
Erfolg – Zeit für uns, die größtenteils noch aus<br />
dem Taylorismus stammenden „Organe“ und<br />
„Hierarchien“ anzupassen.<br />
„Das haben wir schon immer so gemacht!“<br />
Den Unternehmen könnte das Verständnis<br />
helfen, die Digitalisierung nicht als IT-Thema,<br />
sondern als „Menschen-Thema“ zu verstehen.<br />
Denn wer schlechte Prozesse digitalisiert, der<br />
hat am Ende – ganz richtig – schlechte digitale<br />
Prozesse. Momentan konzentriert man sich<br />
aber häufig zu stark darauf, Menschen und ihr<br />
Verhalten zu ändern, indem man ihnen sagt<br />
oder sie schult, wie sie sein sollen. Man passt<br />
eher Menschen an die Software an, nicht die<br />
Software an die realen Bedürfnisse. Dabei ist<br />
das Zielbild häufig ungenügend beschrieben<br />
oder sogar schon veraltet, da interne und externe<br />
Einflüsse die Bedingungen geändert haben.<br />
Die Kompetenzen der Einzelnen werden<br />
nur teilweise wertgeschätzt und „angezapft“.<br />
Das demotiviert. Die gleichen Menschen, die<br />
häufig durch diese Vorgehensweisen zur Unselbstständigkeit<br />
„erzogen“ wurden, sollen nun<br />
aber die Pläne selbstständig umsetzen.<br />
Im Alltag ist es häufig nicht so einfach, die Wirkungen<br />
des selbstständigen Handelns abzusehen.<br />
Wenn wir A machen, geschehen B, C<br />
und D und weil C geschieht, geschieht auch noch<br />
E und spätestens dann verlieren wir den Überblick<br />
über die Wirkung unseres Handelns. Alles,<br />
was wir machen, ist verknüpft mit so vielen<br />
anderen Dingen, die kurz davor, kurz danach<br />
oder sogar gleichzeitig mit unserem Tun geschehen,<br />
das eine sichere Planung nahezu unmöglich<br />
wird. Leider werden die Abhängigkeiten<br />
im beruflichen Alltag nicht immer und nur unzureichend<br />
wahrgenommen. Damit die Kontrolle<br />
des Systems einfacher wird, sind wir es<br />
gewohnt, nur eine Teilaufgabe der Wertschöp-