Wirtschafts-News II 2021 Mainz
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Kunst<br />
und Wirtschaft<br />
Die Beziehung zwischen Wirtschaft und Kunst steht heute im Spannungsverhältnis von Freiheit der<br />
Kunst und Abhängigkeit von der Wirtschaft. Das eine kann zur Abschottung, das andere zur Funktionslosigkeit,<br />
aber auch zu wechselseitigen Synergien führen. Kunst ist und war – in welcher Form auch<br />
immer – ein Spiegel der Gesellschaft.<br />
Wann immer es zu epochalen, gesellschaftlichen<br />
Veränderungen kommt, drückt sich dies unweigerlich<br />
in Kunst und Kultur aus. Eine der berühmtesten<br />
Kulturepochen ist wohl die Renaissance<br />
als Übergang zwischen Mittelalter und<br />
Neuzeit. Das Bedürfnis nach geistiger Neuorientierung<br />
findet hier verstärkt Ausdruck in Protest-<br />
und Mahnhaltungen durch Kunst und<br />
Literatur. Ein Korrektiv, das zumeist als Reaktion<br />
auf zu starke Machtkonzentration und<br />
Missstände sowie im Sinne der Aufklärung –<br />
entsprechend der geistigen und wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse – von Mäzenen gefördert<br />
wurde. Vor einem halben Jahrtausend etwa war<br />
es Michelangelos David, der zum Symbol der<br />
freien Bürger von Florenz wurde. Leonardo da<br />
Vincis Abendmahl legt Zeugnis ab von der Abkehr<br />
kanonischer Apodiktik. Der Mensch selbst rückte<br />
fortan in den Fokus. Der humanistische Gedanke<br />
wurde damit zum Wegbereiter dieser<br />
Epoche als Gegenreaktion auf eine machtgeprägte<br />
Haltung von Fürsten und Kirche.<br />
Das Prinzip hat sich auch über Jahrhunderte nicht<br />
verändert. Rund ein halbes Jahrtausend später,<br />
am 24.06.1995, war die Verhüllung des Deutschen<br />
Reichstages durch das Künstlerehepaar Christo<br />
und Jeanne-Claude abgeschlossen. Anders als<br />
500 Jahre zuvor war es nun ein Parlament, der<br />
Deutsche Bundestag, der über die Realisierung<br />
des Projektes debattierte und sie schlussendlich<br />
beschied. Doch auch hier ging es um die Erschaffung<br />
eines Mahnsymbols gegen einen mehr als<br />
vier Jahrzehnte bestehenden Unrechts- und<br />
Überwachungsstaat.<br />
In der florentinischen Renaissance war es das<br />
Mäzenatentum, das die Entwicklung der Kunst<br />
ermöglichte und beförderte. Mit Fug und Recht<br />
kann man wohl sagen, dass vor allen Dingen die<br />
Medici ein politisches Interesse an der Förderung<br />
von Kunst und Architektur hatten. Dabei ging<br />
es ihnen nicht nur um die Zurschaustellung ihres<br />
Reichtums, sondern auch um die intellektuelle<br />
Deutungshoheit. Beides zusammen mündet<br />
in politischer Macht. Man muss nicht lange<br />
nachdenken, um zu der Erkenntnis zu kommen,<br />
dass dies zu Missbrauch und Verklärung führt.<br />
500 Jahre später gibt es das Mäzenatentum<br />
immer noch, doch gleichzeitig sind es öffentliche<br />
Förderungen, die Kunst und Kultur erst ermöglichen,<br />
um freie Künste auf den Weg zu bringen.<br />
Die Verbindung zwischen Kunst und Wirtschaft<br />
besteht fortan, auch in enger Korrelation. Nur<br />
die Paradigmen dabei haben sich geändert. Was<br />
entstanden ist, ist ein Zusammen- und Auseinanderwachsen<br />
gleichzeitig. Zwei scheinbar<br />
vollkommen unterschiedliche Bereiche haben<br />
ihre Komplementärhaftigkeit längst erkannt und<br />
sich doch selbst mit einer Gewaltenteilung versehen.<br />
Auch jetzt noch muss Kunst zugänglich