Wirtschafts-News II 2021 Mainz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
31<br />
den Finger in die Wunden und zeigt, dass<br />
sich eine wunderbare Idee und die harte<br />
Realität noch ziemlich schulterzuckend gegenüberstehen.<br />
Dem, der hinsehen will, legt<br />
genau das schamlos offen, warum eine „Neue<br />
Art des Arbeitens“ einfach nicht so richtig<br />
in die Gänge kommen will.<br />
Tja, da sagen Sie was, Frau Maasland. Lassen<br />
Sie uns doch mal eintauchen in das Orchester<br />
der Buzzwords, Notwendigkeiten, Dringlichkeiten,<br />
Gitarren und Geigen und einen Tanz<br />
wagen auf dem Parkett zwischen Macht und<br />
Eitelkeit? Hab ich damit eigentlich recht, Frau<br />
Maasland? Also, Sie wissen es, wann immer<br />
es darum geht, Dinge in aller Tiefe hoch und<br />
runter mit Innen- und Außenwirkung zu durchdenken,<br />
frage ich Sie. Im Moment frage ich<br />
mich, was wohl Otto von Bismarck gedacht<br />
haben mag, als er die Sozialgesetzgebung auf<br />
den Weg gebracht hat? Bitte, Frau Maasland,<br />
ich höre Sie schon jetzt laut und deutlich. Das<br />
war kein Buzzword, sondern ne Sozialreform.<br />
Der war damals sowas Ähnliches, wie Johannes<br />
Rau hundert Jahre später in Nordrhein-<br />
Westfalen mit seiner Strukturreform, nur mit<br />
anderen Vorzeichen. Ach, da fällt mir ein, kommen<br />
Sie nicht daher? Anyway, Bismarcks Trigger<br />
war, den Sozialisten, wie er sie nannte,<br />
den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dass<br />
er Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft<br />
war, hat er nicht gewusst und noch weniger<br />
gewollt. Ich frage mich demnach, ob nicht alles<br />
mit Buzzwords mal anfängt? Also ja, irgendwann<br />
kommen die Leute und finden, dass<br />
es ohne Inhalte langweilig wird. Aber das kennen<br />
wir ja schon von dem Digitalisierungs-<br />
Blablabla. Und dennoch, steht vor dem fertigen<br />
Gedanken, dem Konzept, nicht erstmal ein<br />
großes Wort? Eines, das Emotionen auslöst.<br />
Sie sagen das doch auch immer zu mir, ich<br />
solle mehr darauf hören und achten. Schauen<br />
Sie auf Berlin in der jüngsten Geschichte. Da<br />
stand erst John F. Kennedy und sagte, er sei<br />
ein Berliner und dann Ronald Reagan mit seinem<br />
eindringlichen Appell an Gorbatschow, er<br />
möge die Mauer einreißen. Zwischen Solidaritätsbekundung<br />
und Aufforderung lagen Jahrzehnte.<br />
Und noch ein paar Jahre Unrechtsstaat<br />
zwischen Aufforderung und Wiedervereinigung.<br />
Gerade erst hab ich mir bei Ihnen – vollkommen<br />
zurecht – ein blaues Auge abgeholt, weil ich<br />
Marketing und Kommunikation in einen Topf<br />
geschmissen habe. Also was sollten wir machen,<br />
Frau Maasland, wenn wir wissen, dass<br />
es disruptiv und in der Folge Strukturwandel<br />
bedürftig ist, wie sollten wir die Zeit zwischen<br />
Buzzwords und echten Ideen und Konzepten<br />
ausfüllen? Gehen wir am Rhein ein Bier trinken?<br />
Ich lad Sie ein.<br />
Ha, dieses Bier am Rhein haben Sie mir schon<br />
vor 2 Jahren versprochen. Ist das damit auch<br />
so ein Buzzword oder gar eine Buzzphrase?<br />
Wie dem auch sei: Natürlich haben Sie recht<br />
- alles Gute fängt mit dem Willen dazu und<br />
dessen Bekundung an. Dann folgen die ersten<br />
Schritte auf dem Weg. Doch ist der Weg<br />
sachlich geplant oder entsteht er schlicht<br />
beim Gehen? Und warum orientiert sich wer<br />
in welche Richtung? Wer oder was motiviert<br />
die Laufgeschwindigkeit? Es ist tatsächlich<br />
die Frage nach Notwendigkeit und Dringlichkeit,<br />
die hier den Ausschlag gibt. Wie<br />
immer im Leben. Solange der Druck zur Veränderung<br />
nicht groß genug ist, bleibt die<br />
Bewegung aus oder zumindest lahm. So ist<br />
es eben: „Das Gehirn ist eine faule Sau“, wie<br />
es der Hirnforscher Hans-Georg Häusel so<br />
plakativ wie treffend formuliert. Und unter<br />
anderem deshalb wage ich die These, dass<br />
die Zeit zwar reif für neue Konzepte, die ja<br />
schon existieren, ist, es jedoch an der Umsetzung<br />
weiter scheitert. Und zwar nicht,<br />
weil die Konzepte schlecht sind, sondern weil<br />
sich immer noch zu viele Menschen vor echtem<br />
Wandel scheuen. Die atemraubende<br />
Angst vor dem Verlust von materiellem<br />
Wohlstand und Status ruft stimmgewaltige<br />
Bewahrer auf den Plan, die fordern, das bestehende<br />
Profitable zu stärken und als notwendig<br />
erkannte Innovationen zähneknirschend