Wirtschafts-News II 2021 Mainz
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Ist man von dieser ökomischen Grundlage überzeugt,<br />
sind solche Fragen aus meiner Sicht politisch<br />
nicht regulierbar. Es würden der Unternehmenssteuerung<br />
wichtige Stellschrauben und<br />
Entscheidungsfelder nicht mehr zur Verfügung<br />
stehen und die Handlungsfähigkeit ganzer Geschäftsleitungen<br />
einschränken. Was für einen<br />
Konzern sinnvoll sein kann, kann für ein KMU<br />
den Weg in die Zukunft unmöglich machen.<br />
<strong>Wirtschafts</strong>-<strong>News</strong>: Als Betriebswirtin und Unternehmensberaterin<br />
richtet sich Ihr Blick vor<br />
allen Dingen auf Prozesse und Strukturen innerhalb<br />
von Unternehmen. Gleichwohl ist eine<br />
Umfeldbetrachtung für eine strategische Beratung<br />
unabdingbar. Wie sich die volkswirtschaftliche<br />
Gesamtlage entwickelt und welche<br />
Lenkwirkung von der Politik kommt, ist von<br />
entscheidender Bedeutung. Durch die Pandemie<br />
sind die Belastungen für Staat und Unternehmen<br />
gleichermaßen gewaltig gestiegen. Nie<br />
waren in Deutschland die Sozialkosten höher<br />
als jetzt, die Schuldenbremse ist bis auf Weiteres<br />
ausgesetzt. Johannes Rau wurde in seiner<br />
Zeit als Ministerpräsident von Nordrhein-<br />
Westfalen dafür kritisiert, dass der<br />
Strukturwandel zu lange gedauert habe, dafür<br />
gelobt, dass er ihn sozialverträglich gestaltet<br />
habe. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation<br />
und welche Zeichen würden Sie von der Politik<br />
erwarten?<br />
Sandra Happel: Das ist eine sehr komplexe<br />
Frage. Grundsätzlich bin ich der Auffassung,<br />
dass Unternehmen als eigene Systeme so weit<br />
wie möglich autark funktionieren müssen. Aus<br />
meiner Sicht ist es Aufgabe und Verantwortung<br />
unseres politischen Systems, die Rahmenbedingungen<br />
für ein gesellschaftskonformes Wirtschaften<br />
schaffen. Viele politische Diskussionen<br />
werden aktuell mikroökomisch geführt: Home-<br />
office ja oder nein? Subventionen für ein E-Bike?<br />
Dabei wären die zu regelnden Fragen aus meiner<br />
Sicht etwa: Wie verhindert die Politik ausbeuterische<br />
Arbeitsmodelle und schafft einen<br />
Rahmen für eine gesunde und de<br />
wertschöpfen-<br />
Arbeitspolitik?<br />
„bereichernde Wissenstransfer-<br />
Schnittstellen organisieren”<br />
Je heterogener die unternehmerische Struktur<br />
eines Landes ist, desto schwieriger wird die<br />
Umsetzung einheitlicher Regelungen. Darin liegt<br />
die größte Diskrepanz zwischen dem gesellschaftlichen<br />
Bedürfnis nach politischer Regulierung<br />
und der unternehmerischen Forderung<br />
nach Selbstbestimmtheit. Konzerne funktionieren<br />
nach anderen Regeln und Interessen als<br />
KMUs – auf welcher Basis sollen also die Entscheidungen<br />
getroffen werden, für welches<br />
Unternehmen passen und wem langfristig<br />
nutzen?<br />
Im Rahmen der parteipolitischen Positionierungsziele<br />
vermisse ich oft die Klarheit über<br />
die eigentliche Verantwortung unserer Regierung.<br />
Meine Forderung: Sich den Grenzen der Einflussnahme<br />
bewusst zu werden und dennoch<br />
bereichernde Wissenstransfer-Schnittstellen<br />
zu allen gesellschaftlichen Bereichen organisieren.<br />
Nur dann lässt sich beantworten, was<br />
eine Regierung in Ausnahme- und Krisensituationen<br />
tun muss, um das Land zu unterstützen<br />
und zu stärken.<br />
BWN<br />
Fotos: Sergio Sandretto