Wirtschafts-News II 2021 Mainz

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04.08.2021 Aufrufe

24 Nicht nur das „Was“ diskutieren, sondern nach dem „Warum“ fragen. Sandra Happel, Interview Unternehmen stehen dieser Tage vor gewaltigen Herausforderungen. Dabei geht es um einen Strukturwandel, der längst im Gange ist. Die Pandemie, das ist längst bekannt, legte dabei nur den Finger in die Wunde und wirkte wir ein Beschleuniger. Wie lange der Strukturwandel bereits andauert, dokumentieren hierzulande zwei prominente Beispiele. Das eine ist die Politik von Johannes Rau in seiner Rolle als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, das andere Gerhard Schröders Agenda 2010. Vergleicht man die Paradigmen beider Programme, wird man feststellen, dass sich hier Angebots- und Nachfragepolitik gegenüberstehen. Während es in Raus Strukturwandel vor allen Dingen darum ging, soziale Härten abzufedern, ging es bei der Agenda 2010 darum, Lohnstückkosten zu senken und das Investitionsvolumen im Land anzukurbeln. Ein weiterer Unterschied ist ebenso klar: Das eine war eine Strukturreform und das andere – die Agenda 2010 – eine Sozialreform als politische Reaktion auf sich ändernde Märkte, Berufe und Arbeitsverhältnisse. Beispiele, auch großer Unternehmen, die die Transformationsphase der Nullerjahre nicht überstanden haben, gibt es zuhauf. Auch nun ändern sich Märkte, Arbeitsverhältnisse und mithin Geschäftsmodelle – nur viel, viel schneller. Wie können Unternehmen sich auf diese Zeit einstellen? Was sollten sie beachten, um die Übergangsphase gut zu überstehen? Ein Gespräch mit der Mainzer Unternehmensberaterin Sandra Happel. Wirtschafts-News: Frau Happel, Sie beraten nationale und internationale Unternehmen. Ihre Beratungsleistung dabei ist eine Mischung aus klassischer Strategieberatung einerseits und Coachingelementen andererseits. Auch so genannte „Soft Skills“ sind Teil Ihrer Beratung. Was ist in dieser Zeit besonders gefragt von Ihren Kunden, was von Ihnen mehr anempfohlen? In welcher Gewichtung zwischen Persönlichkeitsberatung und Controlling treten Sie an Ihre Kunden heran? Sandra Happel: Wir arbeiten primär mit KMU, also Unternehmen, die im privaten Besitz sind oder noch vom Inhaber geführt werden. Die Persönlichkeit, Werte und Historie der Inhaber spielt in solchen Unternehmenskulturen immer eine entscheidende Rolle. Gerade bei Unternehmen, in denen der Inhaber auch Geschäftsführer ist und damit das Unternehmen mit seinen Werten repräsentiert, wird eine Führungs- und Transformationsstrategie nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn sie von dem Inhaber konsequent geführt und authentisch gelebt wird. Deswegen muss die Persönlichkeitsberatung mit in die strategische Unternehmensentwicklung einbezogen werden. Das Bewusstsein des Unternehmers über diesen „Abstrahleffekt“ und die Wahrnehmung der Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder ist der erste relevante Knowing Point für eine stabile und zukunftssichere Unternehmenssteuerung. Eine umfassende Analyse der Softskills des Führungsteams erweitert die strategischen Stellschrauben der Unternehmensführung um wichtige Erkenntnisse und schafft durch die richtige Evaluation und Ableitung von Maßnahmen eine effektive Vorgehensweise.

W N SPEZIAL Zukunft der Arbeit 25 Wir starten mit unseren Kunden stets mit einem zielorientierten und effizienten Status Quo- Prozess, in dem sowohl die relevanten Unternehmensparameter als auch die Persönlichkeiten, Kompetenzen und Werte identifiziert und analysiert werden. Zu welchen Anteilen wir dann in der weiterführenden Beratung Schwerpunkte legen, entscheiden wir in Hinblick auf den Unternehmensbedarf individuell. Wirtschafts-News: In der nahen Zukunft ist damit zu rechnen, dass Unternehmen in Havarie geraten werden. Entweder, weil sie sich durch einen Transformationsprozess zwängen müssen oder weil sie ihr Geschäftsmodell gar vollkommen ändern müssen. In beiden Fällen ist enorme Liquidität erforderlich. Worauf sollten Geschäftsführer solcher Unternehmen am ehesten achten? Auf die Marktveränderungen? Auf die Margen bei Aufträgen, um die Liquidität im Auge zu behalten? Welchen Rat geben Sie Unternehmen in solchen Situationen? Sandra Happel: Die europäische Wirtschaft steckt gedanklich teilweise noch in den 80er Jahren. Während China und andere Märkte zwar wahrgenommen werden, werden die massiven Innovationspotenziale und Produktionskapazitäten ignoriert. Investoren folgen den globalen Trends kurzfristig, sodass sich oft schleichend eine Abwärtsspirale in Gang setzt, die den Zugang zu Kapital erschwert, sobald man Anschluss verloren hat. Allein darin liegt bereits eine nicht zu unterschätzende Gefahr. „Zeit ist zu einem immensem Druckfaktor geworden.” Sandra Happel: Bereits unter gewöhnlichen Umständen scheitern etwa 79% der notwendigen Transformationsprozesse aufgrund der komplexen Anforderungen an das Management. Markt und Ressourcen müssen neu bewertet, Mitarbeiter überzeugt und motiviert, Kundenbedürfnisse maßgeblich einbezogen und die Transformation klar und konsequent vorangetrieben werden. Das ist ohne externe Expertise kaum zu bewältigen. Durch die Pandemie sind zudem viele Unternehmen plötzlich gezwungen, schnell neue Geschäftsmodelle und Absatzmöglichkeiten zu realisieren. Nach der langen Krisenzeit sind die Ressourcen knapp, die Unsicherheit ist hingegen im Führungsteam, bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Stakeholdern besonders hoch. Zeit ist dadurch zu einem immensen Druckfaktor geworden, der es den meisten Unternehmern unmöglich macht, besonnen die drängende Transformation umzusetzen. Gerade jetzt ist es unerlässlich, nicht auf Hoffnung und Vertrauen zu setzen, sondern sich rasch eine realistische Kenntnis über alle Einflussfaktoren und Engpässe zu verschaffen. Wirtschafts-News: Ein Teil Ihrer Beratung befasst sich mit Persönlichkeitsanalyse. Man kann wohl vermuten, dass eben dies jetzt mehr denn je gefragt ist, da sich Dinge in ihrer Grundsätzlichkeit und mit enormer Geschwindigkeit verändern. Auf welche Fähigkeiten und Eigenschaf- ten kommt es bei Führungspersönlichkeiten in dieser Zeit besonders an? Sandra Happel: Eines vorweg: Es gibt generell in der Persönlichkeits- und Kompetenzarbeit kein „besser“ oder „schlechter“. Unser Arbeitsansatz bezieht die Kenntnis der Persönlichkeits-, Kompetenz- und Wertestrukturen als strategischen Trans- formationspara- Unternehmensberaterin Sandra Happel

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Nicht nur das „Was“ diskutieren,<br />

sondern nach dem „Warum“ fragen.<br />

Sandra Happel, Interview<br />

Unternehmen stehen dieser Tage vor gewaltigen<br />

Herausforderungen. Dabei geht es um<br />

einen Strukturwandel, der längst im Gange ist.<br />

Die Pandemie, das ist längst bekannt, legte<br />

dabei nur den Finger in die Wunde und wirkte<br />

wir ein Beschleuniger. Wie lange der Strukturwandel<br />

bereits andauert, dokumentieren hierzulande<br />

zwei prominente Beispiele. Das eine<br />

ist die Politik von Johannes Rau in seiner Rolle<br />

als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen,<br />

das andere Gerhard Schröders Agenda<br />

2010. Vergleicht man die Paradigmen beider<br />

Programme, wird man feststellen, dass sich hier<br />

Angebots- und Nachfragepolitik gegenüberstehen.<br />

Während es in Raus Strukturwandel vor<br />

allen Dingen darum ging, soziale Härten abzufedern,<br />

ging es bei der Agenda 2010 darum,<br />

Lohnstückkosten zu senken und das Investitionsvolumen<br />

im Land anzukurbeln. Ein weiterer<br />

Unterschied ist ebenso klar: Das eine war<br />

eine Strukturreform und das andere – die Agenda<br />

2010 – eine Sozialreform als politische Reaktion<br />

auf sich ändernde Märkte, Berufe und<br />

Arbeitsverhältnisse. Beispiele, auch großer<br />

Unternehmen, die die Transformationsphase<br />

der Nullerjahre nicht überstanden haben, gibt<br />

es zuhauf. Auch nun ändern sich Märkte, Arbeitsverhältnisse<br />

und mithin Geschäftsmodelle<br />

– nur viel, viel schneller. Wie können Unternehmen<br />

sich auf diese Zeit einstellen? Was<br />

sollten sie beachten, um die Übergangsphase<br />

gut zu überstehen? Ein Gespräch mit der <strong>Mainz</strong>er<br />

Unternehmensberaterin Sandra Happel.<br />

<strong>Wirtschafts</strong>-<strong>News</strong>: Frau Happel, Sie beraten<br />

nationale und internationale Unternehmen. Ihre<br />

Beratungsleistung dabei ist eine Mischung aus<br />

klassischer Strategieberatung einerseits und<br />

Coachingelementen andererseits. Auch so genannte<br />

„Soft Skills“ sind Teil Ihrer Beratung.<br />

Was ist in dieser Zeit besonders gefragt von<br />

Ihren Kunden, was von Ihnen mehr anempfohlen?<br />

In welcher Gewichtung zwischen Persönlichkeitsberatung<br />

und Controlling treten Sie an<br />

Ihre Kunden heran?<br />

Sandra Happel: Wir arbeiten primär mit KMU,<br />

also Unternehmen, die im privaten Besitz sind<br />

oder noch vom Inhaber geführt werden. Die<br />

Persönlichkeit, Werte und Historie der Inhaber<br />

spielt in solchen Unternehmenskulturen immer<br />

eine entscheidende Rolle. Gerade bei Unternehmen,<br />

in denen der Inhaber auch Geschäftsführer<br />

ist und damit das Unternehmen mit seinen<br />

Werten repräsentiert, wird eine Führungs- und<br />

Transformationsstrategie nur dann erfolgreich<br />

umgesetzt, wenn sie von dem Inhaber konsequent<br />

geführt und authentisch gelebt wird.<br />

Deswegen muss die Persönlichkeitsberatung<br />

mit in die strategische Unternehmensentwicklung<br />

einbezogen werden.<br />

Das Bewusstsein des Unternehmers über diesen<br />

„Abstrahleffekt“ und die Wahrnehmung der<br />

Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder ist der<br />

erste relevante Knowing Point für eine stabile<br />

und zukunftssichere Unternehmenssteuerung.<br />

Eine umfassende Analyse der Softskills des<br />

Führungsteams erweitert die strategischen<br />

Stellschrauben der Unternehmensführung um<br />

wichtige Erkenntnisse und schafft durch die<br />

richtige Evaluation und Ableitung von Maßnahmen<br />

eine effektive Vorgehensweise.

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