Wirtschafts-News II 2021 Mainz
14 in der Vergangenheit nicht umsetzbar waren, da Teilbereiche unterbudgetiert, unterbesetzt oder ihrer Betrachtung mit unzureichender Gedankenflexibilität bedacht wurden. Darunter rangieren die großen Themen der Zukunft, etwa Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie, föderale Strukturen, Gesundheit und Pflege und eben Arbeit und Wirtschaft. Letzteres nimmt unter der Bezeichnung „Arbeit 4.0“ oder „New Work“ besondere Bedeutung ein. Wie nehmen Sie als Politiker und Jurist mit Schwerpunkt Arbeitsrecht den aktuellen Diskurs im Hinblick auf die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wahr? Wo muss die Demarkationslinie verlaufen, die sicherstellt, dass Arbeitgeber Investitionsanreize haben und gleichzeitig Arbeitnehmer ihre gesamten Ressourcen ausschöpfen können und wollen? Christian Baldauf: Die Pandemie hat große Teile unserer Wirtschaft in der Tat in eine existenzgefährdende Krise gestürzt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Rheinland-Pfalz schon lange vor Corona in eine Rezession geraten ist. Im Jahr 2019 lag Rheinland-Pfalz beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes mit einem Minus von 1,3% auf dem letzten Platz unter allen Bundesländern. Dass das entgegen der Behauptung der Landesregierung nicht auf einen Einmaleffekt zurückzuführen ist, zeigen die tatsächlichen Zahlen: Kein einziges Mal konnte Rheinland-Pfalz in den zurückliegenden fünf Jahren stärker wachsen als der deutsche Vergleichswert. Hier zeigt sich, dass die Wirtschaftspolitik der Landesregierung zu wenig eigene Impulse setzt hat. ge- Es sind doch die Visionen und die Tatkraft unserer Unternehmerinnen und Unternehmer, die gemeinsam mit dem Engagement der Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer die Kraft unserer Wirtschaft ausmachen. Unternehmerische Selbstverantwortung ist hier ein entscheidendes Stichwort – auch beim Umgang mit dem Thema Arbeitsrecht. Die Unternehmen haben doch ein absolutes Eigeninteresse daran, dass ihre Beschäftigten gesund und motiviert sind. Und in fast allen Fällen können die Betriebe vor Ort – zusammen mit einer starken Mitbestimmung durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – am besten entscheiden, wie sie die Zusammenarbeit gestalten wollen. Deshalb treten wir als Union den immer weiter um sich greifenden Regulierungstendenzen von Rot und Grün entgegen. Wir sollten keine zusätzlichen Ziegelsteine draufpacken, sondern müssen entlasten. Hierzu gibt es verschiedene Schlagworte. Bürokratieabbau und Arbeitsrecht sind untrennbar miteinander verbunden. Jetzt wird immer wieder von einem Bürokratiemoratorium gesprochen. Doch das hilft herzlich wenig, wenn sich die Politik nicht auch daran hält. Das Recht auf Homeoffice sei hier als Beispiel genannt. Es ist doch vollkommen sinnfrei, wenn wir Milliarden in die Hand nehmen, um unsere Betriebe zu stützen und ihnen im nächsten Moment Knüppel zwischen die Beine werfen. Wir werden es nur aus dieser Krise schaffen, wenn wir auf mehr Eigenverantwortung und Selbstverantwortung in den Betrieben setzen. Wirtschafts-News: Zentraler Punkt der aktuellen Debatte ist Homeoffice. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Ihnen im Rahmen der Veranstaltung MIT-Veranstaltung „Beschleunigt Corona die Digitalisierung?“ im Mainzer Hyatt Regency Hotel am 17.11.2020. Dort fragte ich Sie, ob der Gesetzgeber involviert sein sollte oder dies zwischen den handelnden Parteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, geklärt werden solle. Damals antworteten Sie mit Ihrer klaren Haltung, dies sei eine Sache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Gesetzgeber sei hier nicht gefragt. Nun geht die aktuelle Christian Baldauf, Fraktionsvorsitzenden der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag
15 Debatte in eine andere Richtung. Wie bewerten Sie diese Tendenz? Christian Baldauf: Ich bleibe bei meiner Position. Wir sollten auf die Tarifpartnerschaft vertrauen. In vielen Unternehmen gibt es bereits heute solche Regelungen und täglich kommen neue hinzu. Die Menschen vor Ort wissen besser, welche Vereinbarungen sinnvoll sind und brauchen keinen Staat, der sie belehrt. Das sehen übrigens viele Gewerkschaften genauso! Dazu muss man immer auch sagen, dass es viele Berufe gibt, bei denen schlicht kein Homeoffice möglich ist. Die Menschen in der Pflege, Handwerker oder Industriearbeiter schauen zu Recht mit einer gewissen Skepsis auf diese Debatte. Sie dürfen wir dabei nicht Außen vor lassen. Wirtschafts-News: Die Debatte um die Ruhetage zu Ostern hat gezeigt, wie stark die Eingriffe unter anderem ins Arbeitsrecht bei der Frage um Homeoffice sind. Glauben Sie, dass womöglich doch eine gesetzliche Regelung für Bereiche wie Homeoffice notwendig sein wird? Christian Baldauf: Nein, die Politik sollte nichts regeln, was in den allermeisten Betrieben bereits gut funktioniert. Wirtschafts-News: Bei der Benennung als „Arbeit 4.0“ oder historisch betrachtet „Industrie 4.0“ indiziert die Zahl an sich die sozioökonomische Bedeutung. Wie schon zuvor ist auch nun davon auszugehen, dass Arbeitsplätze und Berufe wegfallen oder ganz aussterben, dafür neue hinzukommen. Welche Steuerungselemente sind notwendig, um für eine positive Bilanz zu sorgen? Christian Baldauf: Nach der Pandemie wird nicht alles anders sein, doch wir werden neuen Mut und neuen Tatendrang brauchen. Die soziale Marktwirtschaft hat uns gezeigt, dass wir die Kräfte des Marktes zum Gemeinwohl aller nutzen können. Es ist die Verbindung von wirtschaftlicher Stärke und sozialer Sicherheit, die die soziale Marktwirtschaft ausmacht. Und ich möchte es immer wieder betonen: Nur wer wirtschaftlich stark ist, kann sich um die Schwächsten in der Gesellschaft kümmern. Das ist Verpflichtung und Aufgabe zugleich. Wir werden in dieser Legislaturperiode deshalb immer wieder die Perspektive jener Menschen einbringen, die die Wertschöpfung in unserem Land sicherstellen. Und das bedeutet nicht Politik für die Reichen. Sondern es bedeutet Politik für die Menschen, die früh aufstehen und als Facharbeiter arbeiten. Jene Menschen, die sich mehr und mehr im Stich gelassen fühlen. Alle Ideen einer Gesellschaft ohne Wachstum hören sich aus der wohlsituierten 4-Zimmer-Altbauwohnung gut an. Doch für die Menschen, die für sich und ihre Familien ein besseres Morgen schaffen wollen, ist es schlicht Hochmut. Fakt ist, infolge von Corona und des Strukturwandels werden auch Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Umso wichtiger sind der Erhalt und die Unterstützung der wirtschaftlichen Dynamik. Wir müssen der Wirtschaft und den Menschen eine neue Perspektive bieten. Hier sage ich noch einmal: Dazu braucht es mehr Mut zu Selbstverantwortung in den Betrieben und weniger staatliche Regulierung. Dazu kommt, dass wir Forschung und Entwicklung stärken und besser mit der Wirtschaft verzahnen müssen. Wir müssen Zukunftsbranchen wie z.B. die künstliche Intelligenz oder die Biotechnologie konsequent fördern. Wirtschafts-News: Genau, wie bei der Frage nach der Demarkationslinie im Diskurs zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wird es auch gesamtgesellschaftlich um die Linie der Umverteilung gehen. Unbestritten ist wohl, dass
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in der Vergangenheit nicht umsetzbar waren,<br />
da Teilbereiche unterbudgetiert, unterbesetzt<br />
oder ihrer Betrachtung mit unzureichender<br />
Gedankenflexibilität bedacht wurden. Darunter<br />
rangieren die großen Themen der Zukunft, etwa<br />
Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie, föderale<br />
Strukturen, Gesundheit und Pflege und<br />
eben Arbeit und Wirtschaft. Letzteres nimmt<br />
unter der Bezeichnung „Arbeit 4.0“ oder „New<br />
Work“ besondere Bedeutung ein. Wie nehmen<br />
Sie als Politiker und Jurist mit Schwerpunkt<br />
Arbeitsrecht den aktuellen Diskurs im Hinblick<br />
auf die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />
wahr? Wo muss die Demarkationslinie<br />
verlaufen, die sicherstellt, dass Arbeitgeber<br />
Investitionsanreize haben und<br />
gleichzeitig Arbeitnehmer ihre gesamten Ressourcen<br />
ausschöpfen können und wollen?<br />
Christian Baldauf: Die Pandemie hat große Teile<br />
unserer Wirtschaft in der Tat in eine existenzgefährdende<br />
Krise gestürzt. Zur Wahrheit gehört<br />
aber auch, dass Rheinland-Pfalz schon lange<br />
vor Corona in eine Rezession geraten ist. Im Jahr<br />
2019 lag Rheinland-Pfalz beim Wachstum des<br />
Bruttoinlandsproduktes mit einem Minus von<br />
1,3% auf dem letzten Platz unter allen Bundesländern.<br />
Dass das entgegen der Behauptung der<br />
Landesregierung nicht auf einen Einmaleffekt<br />
zurückzuführen ist, zeigen die tatsächlichen<br />
Zahlen: Kein einziges Mal konnte Rheinland-Pfalz<br />
in den zurückliegenden fünf Jahren stärker wachsen<br />
als der deutsche Vergleichswert. Hier zeigt<br />
sich, dass die <strong>Wirtschafts</strong>politik<br />
der Landesregierung zu<br />
wenig eigene Impulse setzt hat.<br />
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Es sind doch die Visionen<br />
und die Tatkraft unserer<br />
Unternehmerinnen und<br />
Unternehmer, die gemeinsam<br />
mit dem Engagement<br />
der Arbeitnehmerin-<br />
nen und Arbeitnehmer die Kraft unserer Wirtschaft<br />
ausmachen. Unternehmerische Selbstverantwortung<br />
ist hier ein entscheidendes Stichwort<br />
– auch beim Umgang mit dem Thema Arbeitsrecht.<br />
Die Unternehmen haben doch ein absolutes<br />
Eigeninteresse daran, dass ihre Beschäftigten<br />
gesund und motiviert sind. Und in fast allen<br />
Fällen können die Betriebe vor Ort – zusammen<br />
mit einer starken Mitbestimmung durch die Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer – am besten<br />
entscheiden, wie sie die Zusammenarbeit<br />
gestalten wollen. Deshalb treten wir als Union<br />
den immer weiter um sich greifenden Regulierungstendenzen<br />
von Rot und Grün entgegen.<br />
Wir sollten keine zusätzlichen Ziegelsteine draufpacken,<br />
sondern müssen entlasten.<br />
Hierzu gibt es verschiedene Schlagworte. Bürokratieabbau<br />
und Arbeitsrecht sind untrennbar<br />
miteinander verbunden. Jetzt wird immer wieder<br />
von einem Bürokratiemoratorium gesprochen.<br />
Doch das hilft herzlich wenig, wenn sich die Politik<br />
nicht auch daran hält. Das Recht auf Homeoffice<br />
sei hier als Beispiel genannt. Es ist doch<br />
vollkommen sinnfrei, wenn wir Milliarden in die<br />
Hand nehmen, um unsere Betriebe zu stützen<br />
und ihnen im nächsten Moment Knüppel zwischen<br />
die Beine werfen. Wir werden es nur aus<br />
dieser Krise schaffen, wenn wir auf mehr Eigenverantwortung<br />
und Selbstverantwortung in den<br />
Betrieben setzen.<br />
<strong>Wirtschafts</strong>-<strong>News</strong>: Zentraler Punkt der aktuellen<br />
Debatte ist Homeoffice. Ich erinnere mich<br />
an ein Gespräch mit Ihnen im Rahmen der Veranstaltung<br />
MIT-Veranstaltung „Beschleunigt<br />
Corona die Digitalisierung?“ im <strong>Mainz</strong>er Hyatt<br />
Regency Hotel am 17.11.2020. Dort fragte ich<br />
Sie, ob der Gesetzgeber involviert sein sollte<br />
oder dies zwischen den handelnden Parteien,<br />
also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, geklärt<br />
werden solle. Damals antworteten Sie mit Ihrer<br />
klaren Haltung, dies sei eine Sache zwischen<br />
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Gesetzgeber<br />
sei hier nicht gefragt. Nun geht die aktuelle<br />
Christian Baldauf, Fraktionsvorsitzenden der CDU<br />
im rheinland-pfälzischen Landtag