BÖB JOURNAL Fachinformationen für das Rechnungswesen Ausgabe Juni 2021
Wissenswertes und wertvolle Tipps für das Rechnungswesen zum Nachlesen. Die Beiträge stammen aus der Feder von Top-Experten, die in ihrer täglichen Praxis die "graue Theorie" umsetzen und gerne Ihren Schatz an Wissen und Erfahrung mit Ihnen teilen.
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CONTROLLING
Credit Management (CM) Teil 2
Wie relevant ist es überhaupt?
Thomas Bravo
Vorstandsmitglied BvCM
Österreich, Leiter Finanzund
Rechnungswesen, I.K.
Hofmann GmbH
thomas.bravo@bvcm.at
Credit Manager und Mitarbeiter des Finanz- und Rechnungswesens sollen die
überlebensnotwendige Sicherung der Liquidität gewährleisten, bewegen sich
aber in einem derzeit schwer zu überblickenden Umfeld. Das Thema Liquiditätssicherung
(=Existenzsicherung) in Krisenzeiten ist wichtiger und aktueller denn je.
Relevanz des CM
Wenn man branchenübergreifend Unternehmer
oder Geschäftsführer von KMU´s befragt, ob sie
CM im Unternehmen verankert haben, winken
die meisten ab und meinen, dass dies für ihre
Unternehmen nicht relevant wäre. Viele bringen
Credit Management mit Bankkreditvergabe in
Verbindung und sehen diesen Bereich daher bei
den Banken angesiedelt.
Sehr gerne wird aber vergessen, dass jede auf Ziel
erbrachte Lieferung oder Leistung eine Kreditvergabe
des Lieferanten an seinen Kunden
darstellt und somit der Lieferant eine Finanzierungsfunktion
für den Kunden übernimmt, daher
auch zum Kreditgeber wird. Verschiedenste
Studien zeigen, dass der Lieferantenkredit einer
der wichtigsten Finanzierungsformen überhaupt
ist. Dieser den Unternehmen eingeräumte Lieferantenkredit
steht in Österreich mit einem
Volumen von rund 44 Milliarden Euro (Quelle:
OeNB) kurzfristigen Bankkrediten in seiner Bedeutung
als Finanzierungsquelle um nichts nach.
Kreditnehmer, in diesem Kontext gemeint Kunden,
sollten daher im Vorfeld genau von ihren
Lieferanten überprüft und auf Basis einer ersten
Risikoeinschätzung das Zahlungsziel bestimmt
werden. Banken prüfen bei jeder Kreditvergabe
die Bonität, viele Lieferanten tun dies bei ihren
Kunden nicht, der Schaden bei einem Zahlungsausfall
ist jedoch derselbe.
Bei Bestandskunden reicht grundsätzlich eine
einmalige Bonitätsprüfung mit einem laufenden
Monitoring aus, welches bei Veränderung bonitätsrelevanter
Kriterien benachrichtigt. Weiters
sorgen Banken nach dem Vorsichtsprinzip mit
Rückstellungen für etwaige Kreditausfälle vor,
für manche Unternehmen können diese aber
existenzbedrohend werden. Forderungsausfälle
sind einer der häufigsten Insolvenzgründe neben
Preisdruck, sinkenden Margen und kfm. Fehlern
der Geschäftsführung.
Nicht selten spielt die Definition von Zahlungskonditionen
in Unternehmen eine untergeordnete
Rolle, wird von Vertriebsmitarbeitern bestimmt
und entsprechend den Kundenwünschen
angelegt.
Die Zahlungsziele der eigenen Kunden sind
oft erheblich länger als die Zahlungsziele beim
eigenen Lieferanten. Ein Liquiditätsengpass
wird verursacht, ohne dass Debitorenzahlungen
verspätet oder gar nicht eintreffen. Meist wird
diese „künstlich“ produzierte Liquiditätslücke
teuer durch Fremdfinanzierung (Kontokorrentkredit)
geschlossen, anstatt die Gestaltung der
Zahlungskonditionen zu optimieren oder die
Außenstandsdauer der Forderungen aus Lieferungen
und Leistungen zu verkürzen. In Österreich
wird die Überziehung innerhalb des
genehmigten Rahmens des Betriebsmittelkontos
als Selbstverständlichkeit angesehen, dass dafür
erheblich Kosten anfallen und es sich dabei
um eine Fremdfinanzierung handelt, welche den
Betrieb einschränken und das Unternehmen von
der Bank abhängig machen kann, ist vielen gar
nicht bewusst.
„Margenschwache Branchen“ erzielen teilweise
nur 2 % Umsatzrendite, gehen mit hohen Beträgen
in Vorleistung – sprich finanzieren vor. Gerade
hier können Forderungsausfälle relativ rasch
die eigene Existenz gefährden. An folgendem
Rechenbeispiel kann dies besser nachvollzogen
werden.
52 BÖB Journal 86 | 21