BÖB JOURNAL Fachinformationen für das Rechnungswesen Ausgabe Juni 2021
Wissenswertes und wertvolle Tipps für das Rechnungswesen zum Nachlesen. Die Beiträge stammen aus der Feder von Top-Experten, die in ihrer täglichen Praxis die "graue Theorie" umsetzen und gerne Ihren Schatz an Wissen und Erfahrung mit Ihnen teilen.
Wissenswertes und wertvolle Tipps für das Rechnungswesen zum Nachlesen. Die Beiträge stammen aus der Feder von Top-Experten, die in ihrer täglichen Praxis die "graue Theorie" umsetzen und gerne Ihren Schatz an Wissen und Erfahrung mit Ihnen teilen.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Lieferschwellen überschritten
und nicht gemeldet - Was nun?
In Vorbereitung auf die einheitliche
EU-OSS-Registrierung stellt sich
derzeit angeblich in vielen Unternehmen
heraus, dass die bis 30.6.2021
geltenden Lieferschwellen in verschiedenen
EU-Mitgliedstaaten – mitunter
erheblich bzw. bereits vor längerer Zeit
- überschritten wurden. In diesem Fall
könnten einem folgende „Optionen“
in den Sinn kommen:
ÐÐ
ÐÐ
ÐÐ
Zuwarten und das Beste hoffen?
Die bereits erbrachten Umsätze
einfach nachmelden, sobald die
EU-OSS-Registrierung erfolgt ist?
Umsatzsteuerliche Registrierungen
in den betroffenen EU-Mitgliedstaaten
beantragen, die Umsätze
nachmelden und sodann auf EU-
OSS umsteigen?
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass
die EU-OSS-Registrierung ab 1. Juli
2021 grundsätzlich NICHT zur „Vergangenheitsbewältigung“
geeignet
erscheint. Zwar sollen dem Grunde
nach rückwirkende Meldungen von
Umsätzen möglich sein, jedoch nur für
solche Umsätze bzw. Zeiträume, für
die bereits eine gültige EU-OSS-Registrierung
bestand.
Der eine oder andere Unternehmer
wird vielleicht zunächst abwägen, wie
denn die Kosten für gebotene Korrekturen
der Vergangenheit im Verhältnis
zu den potenziellen Sanktionen stehen.
Dies insbesondere dann, wenn das Entdeckungsrisiko
als gering erachtet wird.
Die Variante „Abwarten und Tee trinken“
dürfte aber grundsätzlich mit
einem (zu) hohen Risiko verbunden
sein. Denn in diesem Fall ist mit negativen
verwaltungsbehördlichen bzw.
ggf. sogar mit finanzgerichtlichen
Konsequenzen zu rechnen, wenn seitens
der Finanzbehörden nachträglich
aufgedeckt wird, dass Meldungen unterlassen
und damit zusammenhängende
Umsatzsteuerbeträge nicht korrekt
gemeldet und bezahlt wurden. In
Österreich ist diesfalls mit einem Verspätungszuschlag
für nicht fristgerecht
abgegebene Meldungen zu rechnen
(Ermessensentscheidung von bis zu
10% des Steuerbetrages, gemäß § 135
BAO) sowie mit Säumniszuschlägen
iHv 2% des Steuerbetrages (gemäß
§ 217 BAO). Bei grob fahrlässiger oder
vorsätzlicher Abgabenhinterziehung
droht zudem ein Finanzstrafverfahren,
wobei Vorsatzdelikte von über 100.000
EUR sogar mit gerichtlicher Strafe
bedroht sind (gemäß § 33 FinStrG
ist hierfür eine Geldstrafe vom Zweifachen
des verkürzten Steuerbetrages
bzw. auch eine Freiheitsstrafe bis zu
vier Jahren möglich).
Neustart mit Selbstanzeige?
Spätestens dann, wenn die im bisherigen
Regime verabsäumten Meldeverpflichtungen
auch finanzstrafrechtliche
Relevanz haben, ist es jedenfalls
ratsam, eine vollumfängliche Offenlegung
vorzunehmen. Die einzig rechtsrichtige
Lösungsmöglichkeit wäre in
diesem Fall folgende Vorgangsweise:
ÐÐ
Umsatzsteuerliche Registrierung
im betreffenden Mitgliedstaat,
ÐÐ
ÐÐ
ÐÐ
Erstattung einer (strafbefreienden)
Selbstanzeige sowie
Nachzahlung der bis dato nicht gemeldeten
Umsatzsteuer und
Nachmeldung der betroffenen Umsätze.
Parallel dazu kann auch bereits die
EU-OSS-Registrierung durchgeführt
werden, um künftige Meldungen auf
einen EU-Mitgliedstaat zu beschränken.
Sollte die umsatzsteuerliche
Registrierung in einzelnen Mitgliedstaaten
hingegen nur für Nachmeldezwecke
erfolgen, kann im Anschluss
an die erfolgte Sanierung der Vergangenheit
sogleich auch wieder eine Löschung
beantragt werden.
Werden verabsäumte Meldungen
jedoch erst im Zuge einer Betriebsprüfung
oder in Zusammenhang
mit der Registrierung zum neuen
EU-OSS-Verfahren seitens der Finanzbehörden
entdeckt, ist es in aller
Regel für eine Selbstanzeige und deren
strafbefreiende Wirkung bereits zu
spät. Prüfen Sie daher ehestmöglich,
inwieweit seitens Ihres Unternehmens
proaktive und zeitgerechte Nachmeldungen
erfolgen sollten und überlegen
Sie, ob eine solcherart korrekte Bereinigung
der Vergangenheit nicht einen
höheren Nutzen bringt bzw. die Kosten
hierfür geringer sind als das Risiko,
welches durch ein „Stillhalten“ in Kauf
genommen würde.
Fazit
Das neue EU-OSS-Verfahren (EU
One-Stop-Shop) bietet Versandhändlern
eine gute Möglichkeit, ihre
EU-weiten B2C-Umsätze ab 1.7.2021
mit einem überschaubaren Verwaltungsaufwand
korrekt zu melden.
Sofern aufgrund von schon zuvor
überschrittenen Lieferschwellen ein
Sanierungsbedarf für die Vergangenheit
betreffend bereits durchgeführte
B2C-Umsätze besteht, müssen diese
Umsätze grundsätzlich einer Nachmeldung
unterzogen werden. Auch
wenn solcherart rückwirkende Korrekturen
aufwändig und wohl auch
mit entsprechenden Kosten verbunden
sind, ist dies die einzige Möglichkeit,
negative Säumnisfolgen zu vermeiden
bzw. ggf. auch das Risiko eines
Finanzstrafverfahrens hintanzuhalten.
Letzteres kann insbesondere durch eine
hinreichende Offenlegung bzw. ggf.
auch mittels Selbstanzeige vermieden
werden, die jedoch nur bei genauer Beachtung
der diesbezüglichen zeitlichen
und inhaltlichen Voraussetzungen die
gewünschte strafbefreiende Wirkung
entfalten kann.
Für Rückfragen und Unterstützung
stehen Ihnen die Verfasser sowie auch
die übrigen Ansprechpartner der Service
Lines „Indirect Tax & Customs“
bzw. „Tax Controversy“ (betreffend
Finanzstrafrecht und Selbstanzeigen)
gerne zur Verfügung.
86 | 21 BÖB Journal 23