BÖB JOURNAL Fachinformationen für das Rechnungswesen Ausgabe Juni 2021
Wissenswertes und wertvolle Tipps für das Rechnungswesen zum Nachlesen. Die Beiträge stammen aus der Feder von Top-Experten, die in ihrer täglichen Praxis die "graue Theorie" umsetzen und gerne Ihren Schatz an Wissen und Erfahrung mit Ihnen teilen.
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Umsatzsteuerschuld kraft
Rechnungslegung
BFG vom 19.1.2021, RV/5100905/2017
Sachverhalt
In einer anonymen Anzeige wurde ein angestellter
Tischler beschuldigt, in seinem Wohnhaus eine
Tischlereiwerkstatt zu betreiben. Auf Grund
dieser Anzeige erfolgte durch die Finanzpolizei
im Jahr 2016 eine Einvernahme am Wohnort
des Tischlers, worüber eine Niederschrift aufgenommen
wurde. Darin gab der Tischler an, sich
die Werkstatt im Jahr 2010 eingerichtet zu haben
und diverse Möbelstücke für den Eigenbedarf, für
Verwandte und Freunde anzufertigen. Aufzeichnungen
über Einnahmen und Ausgaben werden
nicht geführt, aber im Jahr würden € 5.000,– „übrig
bleiben“.
Da trotz Aufforderung des Finanzamtes keine Abgabenerklärungen
(Einkommensteuer, Umsatzsteuer)
abgegeben wurden, setzte das Finanzamt
im Wege der Schätzung die Einkommensteuer für
das Jahr 2015 unter Ansatz eines Gewinnes von
€ 8.000,– fest. Die Umsatzsteuer wurde für das
Jahr 2015 auf Basis eines Umsatzes von € 15.000,–
mit einer Umsatzsteuer von € 3.000,– festgesetzt.
Diese Festsetzung der Umsatzsteuer erfolgte trotz
befreiter Umsätze gem. § 6 Abs. 1 Z 27 UStG
(Kleinunternehmer) offensichtlich unter der Annahme,
dass für die Umsätze die Umsatzsteuerschuld
kraft Rechnungslegung gem. § 11 Abs. 12
UStG entstanden ist. Nach dieser Gesetzesstelle
schuldet ein Unternehmer die in einer Rechnung
gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge,
solange er die Rechnung nicht gegenüber dem
Abnehmer der Leistung entsprechend berichtigt.
Die Steuerschuld kraft Rechnungslegung gilt
auch für Kleinunternehmer.
Gegen die Bescheide wurde Beschwerde eingebracht.
Begründet wurde diese sinngemäß damit,
dass der Bf von der Finanzpolizei fälschlicherweise
als „zur Auskunft verpflichtete Person“ gemäß
§ 143 BAO einvernommen worden sei, obwohl
er bei richtiger rechtlicher Beurteilung bereits
als Beschuldigter (Verdächtigter) iSd Verwaltungsstrafrechts
behandelt hätte werden müssen.
Die Aussage sei daher unter Verstoß gegen das
(verwaltungsstrafrechtliche) Verbot des Zwangs
zur Selbstbezichtigung erlangt worden und diese
dürfe folglich nicht einer behördlichen Erledigung
zugrunde gelegt werden. Der Wiederaufnahmebescheid
sei auch ersatzlos aufzuheben,
weil es das Finanzamt unterlassen habe, anzuführen,
aufgrund welchen konkreten Sachverhalts der
gesetzliche Wiederaufnahmetatbestand erfüllt sei
(verwiesen wurde im Bescheid lediglich auf die
Niederschrift der Finanzpolizei). Dagegen wurde
ein Vorlageantrag beim BFG eingebracht.
Zusammengefasst die
Erledigung des BFG
Unter Begründung der Zulässigkeit der Schätzung,
Wiederaufnahme des Verfahrens und der
Zulässigkeit der Verwertung der Angaben aus der
Niederschrift (eine Unzulässigkeit ergibt sich nur
im Verwaltungsstrafverfahren) erfolgte hinsichtlich
der Höhe des Gewinnes und Sicherheitszuschlages
teilweise Stattgabe. Es ergäbe sich keine
Grundlage für die Annahme eines höheren Gewinnes
und Anwendung eines Sicherheitszuschlages
als den in der Niederschrift mit € 5.000,– angegebenen
„Gewinn“.
Hinsichtlich der Steuerschuld kraft Rechnungslegung
erfolgte volle Stattgabe: Gemäß § 6 Abs. 1
Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer
steuerfrei. Stellt der Kleinunternehmer
aber Rechnungen aus, in denen er Umsatzsteuer
gesondert ausweist, so schuldet er diese Steuer gemäß
§ 11 Abs. 12 UStG auf Grund der Rechnung.
Die Umsätze des Jahres 2015 wurden vom Finanzamt
mit € 15.000,– geschätzt und diese aufgrund
des Unterschreitens der Kleinunternehmergrenze
als gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 unecht von
Mag. Karl-Heinz Spanring
Fachexperte Spezial (Prüfer)
bei Finanzamt für Großbetriebe
(FAG, Standort Graz).
Vortragender an der Bundesfinanzakademie
im Bereich
Buchhaltung, Bilanzierung
und Ertragssteuerrecht.
Lehrbeauftragter für das
WIFI Steiermark in der Bilanzbuchhalterausbildung
(Bilanzierung) und im Unternehmertraining
(Gewinnermittlung
und Steuerrecht).
Autorentätigkeit im Bereich
Bilanzierung und
Steuerrecht.
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