BÖB JOURNAL Fachinformationen für das Rechnungswesen Ausgabe Juni 2021
Wissenswertes und wertvolle Tipps für das Rechnungswesen zum Nachlesen. Die Beiträge stammen aus der Feder von Top-Experten, die in ihrer täglichen Praxis die "graue Theorie" umsetzen und gerne Ihren Schatz an Wissen und Erfahrung mit Ihnen teilen.
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Auf diese Problematik reagierte die
britische Finanzbehörde HMRC bereits
mit zwei Schreiben in den Jahren
2019 und 2020; dies mit der Intention,
die korrekte Abwicklung aufzuzeigen
bzw. auf häufige Fehler hinzuweisen.
Trotz gut gemeinter Absichten
führten diese Schreiben jedoch zu
erheblichen Unsicherheiten, da - laut
HMRC - anstatt der Verfügungsmacht
über die Gegenstände bei der
Zollanmeldung plötzlich die formale
Eigentümerstellung ausschlaggebend
sein sollte. Grundsätzlich ist es zwar
zutreffend, dass der Eigentümer zum
Zeitpunkt der Einfuhr über die Gegenstände
verfügungsberechtigt ist,
allerdings gibt es in der Praxis hierzu
auch Ausnahmen. Außerdem kann es
vorkommen, dass die umsatzsteuerliche
Verfügungsmacht und das zivilrechtliche
Eigentum nicht zeitgleich
auf den Abnehmer übergehen.
Diese Schreiben des HMRC sorgten
demnach nicht für die erhofften
Klarstellungen, sondern führten vielmehr
zu erheblichen Unsicherheiten
bei Lieferungen nach Großbritannien.
Vor allem bei Liefergeschäften auf Basis
der Lieferklausel „DAP“ (Delivered
at Place – „Geliefert benannter Ort“,
d.h. der Verkäufer ist für die Lieferung
der Ware inkl. Transportkosten bis
zum benannten Bestimmungsort beim
Käufer zuständig, NICHT jedoch für
die Durchführung der erforderlichen
Einfuhrformalitäten) sowie bei Lieferungen
unter Eigentumsvorbehalt war
unklar, wer aus Sicht der britischen
Behörde vorsteuerabzugsberechtigt
ist. Es wurde gar befürchtet, dass bei
strenger Auslegung dieser Sichtweise
die Verwendung des Incoterms DAP
zu einer verpflichtenden umsatzsteuerlichen
Registrierung für den ausländischen
Lieferanten in Großbritannien
führen könnte.
Im „Internal Manual“ kam es seitens
des HMRC nunmehr zu einer erfreulichen
Klarstellung: HMRC fordert
formal zwar nach wie vor die Eigentümerstellung,
ergänzt dazu jedoch,
dass diese umsatzsteuerlich zu verstehen
sei, wobei der Abnehmer in
weiterer Folge die Verfügungsmacht
über die Gegenstände erhalten muss.
Für gewöhnliche Liefergeschäfte bedeutet
diese Klarstellung, dass der
Abnehmer auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer
ist, wenn er für die
Einfuhrformalitäten zuständig ist, und
zugleich das Recht auf Vorsteuerabzug
hat, wenn sämtliche Voraussetzungen
erfüllt sind (Hinweis: Problematisch
bleiben jene Liefergeschäfte, bei denen
eine umsatzsteuerliche Lieferung
angenommen wird, allerdings kein Eigentumsübergang
erfolgt).
Zur Geltendmachung des Rechts auf
Vorsteuerabzug der entrichteten britischen
Einfuhrumsatzsteuer wird ein
auf das Unternehmen ausgestellter
C79-Bescheid benötigt. Im Zusammenhang
mit dem Austritt Großbritanniens
aus der EU sowie aus der
Zollunion wurde in Großbritannien
ergänzend dazu auch die Möglichkeit
des sog. „postponed import VAT
accounting“ als Erleichterung bei der
Durchführung von Importen in Großbritannien
geschaffen.
Neues Verfahren: „postponed
import VAT accounting“
Die Abwicklung von Importen mittels
„postponed import VAT accounting“
ist freiwillig und kann im Rahmen der
Zollanmeldung ausgewählt werden (die
Anwendung ist nur in gewissen Fällen
für in Großbritannien ansässige Unternehmen
verpflichtend). Es handelt sich
dabei um eine Art unbares EUSt-Verfahren,
wonach die Einfuhrumsatzsteuer
bei der Durchführung von Importen
in Großbritannien nicht an die
Zollbehörde abgeführt werden muss.
Stattdessen erfolgt die Meldung der
entsprechenden Einfuhrumsatzsteuer
in der britischen Umsatzsteuererklärung
als geschuldete Umsatzsteuer, wobei
gleichzeitig in derselben Höhe der
Vorsteuerabzug geltend gemacht wird.
Dieses Verfahren, welches in Großbritannien
zur Umsatzsteuer registrierte
Unternehmen anwenden können,
bietet somit einen Liquiditätsvorteil,
zumal die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer
nicht effektiv abgeführt werden
muss (d.h. keine Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer
mit anschließender
- zeitlich verzögerter - Beantragung
einer Rückerstattung).
Die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer
sowie auch der Vorsteuerabzug müssen
in der britischen Umsatzsteuererklärung
jenes Zeitraums erfasst werden,
in welchem die Importe durchgeführt
wurden. Als Grundlage zur Meldung
in der entsprechenden britischen
Umsatzsteuererklärung dient das sog.
„postponed import VAT statement“,
welches seitens der britischen Behörde
HMRC monatlich bis zum 6. Werktag
des Folgemonates bereitgestellt wird.
Es handelt sich hierbei um eine monatliche
Übersicht, welche den Gesamtbetrag
der britischen Einfuhrumsatzsteuer
des jeweiligen Monats
ausweist. Das genannte Statement
wird online als PDF-Datei durch die
Behörde zur Verfügung gestellt (Achtung:
Dieses Statement wird durch
HMRC nur für einen Zeitraum von
6 Monaten bereitgestellt, sodass ein
rechtzeitiger Download einschließlich
Sicherung unbedingt notwendig ist).
Bei Inanspruchnahme des neuen Verfahrens
ist sicherzustellen, dass dieses
Statement entsprechend in die Buchhaltung
aufgenommen wird, damit eine
ordnungsgemäße Meldung erfolgen
kann und der Vorsteuerabzug nicht
gefährdet wird. Um dieses Statement
online abrufen zu können, wird eine
„Government Gateway ID“ (Zugangsdaten
für das HMRC-Online-Portal)
benötigt und ist es laut Auskunft der
britischen Behörde zudem nötig, den
Zugang zum „Customs Declaration
Service“ (britisches Zoll-Serviceportal)
zu beantragen.
Zollabwicklung -
Präferenznachweise
Das Handels- und Kooperationsabkommen
der EU mit Großbritannien
(„Trade and Cooperation
Agreement“), welches seit 1.1.2021
(vorläufig) anwendbar ist, gewährt eine
Zollfreiheit für Ursprungserzeugnisse
aus der EU und Großbritannien.
Wie bereits in unserem NL-Beitrag
„BREXIT | Auswirkungen des Handelsabkommens
auf Umsatzsteuer und
Zoll“ vom 27.1.2021 ausgeführt, sind
jene Waren von Einfuhrzöllen befreit,
die ihren präferenziellen Ursprung im
jeweils anderen Gebiet haben. Dementsprechend
gilt die Zollbefreiung
nicht uneingeschränkt und ohne jegli-
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