MinD-Mag 143
Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa. Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.
August 2021 MAGAZIN 143 Villa Wertvoll in Magdeburg Mitmachen in der Partei- Politik Engage ment Verein für gerechte Bildung Ersthelferin bei psychischen Problemen Aktiv in der katholischen Kirche
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August 2021<br />
MAGAZIN <strong>143</strong><br />
Villa<br />
Wertvoll<br />
in<br />
<strong>Mag</strong>deburg<br />
Mitmachen<br />
in der<br />
Partei-<br />
Politik<br />
Engage<br />
ment<br />
Verein<br />
für<br />
gerechte<br />
Bildung<br />
Ersthelferin<br />
bei<br />
psychischen<br />
Problemen<br />
Aktiv<br />
in der<br />
katholischen<br />
Kirche
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EDITORIAL<br />
ULRIKE DÜRNFELD<br />
Solidarität als Kleber<br />
Gerade die vergangenen Monate haben gezeigt, wie wichtig gemeinschaftliches<br />
Engagement ist.<br />
D<br />
as Titelblatt verrät es schon, in der vorliegenden<br />
Ausgabe dreht sich viel um Engagement.<br />
Spätestens im vergangenen Jahr konnte<br />
man sehen, wie sehr sich bisher unbekannte<br />
Menschen gegenseitig helfen. Sei es in der<br />
selbst organisierten Nachbarschaftshilfe, beim<br />
Homeschooling, in der Konflikthotline und Telefonseelsorge.<br />
Gerade die vergangenen Monate haben gezeigt,<br />
wie wichtig gemeinschaftliches Engagement<br />
ist. Ohne all die Menschen, die sich in ihrer<br />
Freizeit ehrenamtlich engagieren, würde<br />
ein Großteil der Gesellschaft schlichtweg nicht<br />
funktionieren. Solidarität als Kleber für Zusammenhalt.<br />
Es ist schön und erfüllend, wenn man mit seinen<br />
Fähigkeiten einen spürbaren Unterschied<br />
im Leben anderer Menschen machen kann. So<br />
lesen wir vom „Verein HerausForderung“, der<br />
mit dem Gewinn des Deutschen IQ-Preises<br />
2020 Aufmerksamkeit erhalten hat, wodurch<br />
richtig was ins Rollen gekommen ist. Mehr<br />
über seine Mission von „Inklusion und Bildungsgerechtigkeit<br />
für alle“ ab Seite 54.<br />
Andere möchten etwas zurückgeben von<br />
dem Glück, welches sie in ihrem Leben hatten,<br />
und zum Wohle der Menschheit beitragen. Die<br />
„Villa Wertvoll“ ist so entstanden, in der Kinder<br />
und Jugendliche aus sozial benachteiligten<br />
Verhältnissen betreut werden.<br />
Besonders wer selbst einmal in seinem Leben<br />
eine schwere Zeit durchgestanden hat, versteht,<br />
wie man auch mit kleinen Dingen andere<br />
Menschen unterstützen und ihnen helfen<br />
kann. Manchmal hilft da schon „einfach nur<br />
Zuhören“.<br />
Mensa als Verein vertritt keine politische<br />
Meinung – unsere Vereinsmitglieder selbst<br />
aber schon. Rechtzeitig zur Bundestagswahl<br />
haben wir acht Ms aufgetan, die über ihre Arbeit<br />
in den jeweiligen Parteien erzählen. Zu<br />
Mensa gehört auch, dass wir miteinander in<br />
Kontakt treten, unsere Meinung ausdrücken<br />
und andere wiederum respektieren (wenngleich<br />
wir sie nicht teilen müssen). Meinungsaustausch<br />
als Demokratieförderung.<br />
Auch wir im Redaktionsteam diskutieren<br />
permanent miteinander über Inhalte, Textlängen,<br />
Bilder, Layouts et cetera – am Ende arbeiten<br />
wir nämlich alle auf ein Ziel hin: Die nächste<br />
<strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong>-Ausgabe zu produzieren, ehrenamtlich<br />
natürlich. Wir bringen uns ein mit<br />
unseren verschiedenen Stärken; wenn alle gemeinsam<br />
anpacken, liegt alle zwei Monate ein<br />
schickes Heft in euren Briefkästen.<br />
Mensa lebt vom ehrenamtlichen Engagement<br />
der Mitglieder. Wer Lust hat, sich in irgendeiner<br />
Art und Weise einzubringen, der oder die<br />
findet in der Ehrenamtsbörse (link.mensa.de/<br />
ehrenamtsboerse) sicher eine Aufgabe.<br />
Von Grafikexpertinnen über Organisationstalente<br />
oder Camp-Betreuer bis hin zu Textern,<br />
Software-Expertinnen, Testleitern – es ist alles<br />
dabei. Ohne die derzeit über 700 ehrenamtlich<br />
arbeitenden Ms hätten wir kein Vereinsleben.<br />
Daher an dieser Stelle ein<br />
großes Dankeschön an das gesamte<br />
Mensa-Kollegium!<br />
Gemeinsam sind wir stark!<br />
Floreat Mensa!<br />
Ulrike ist Redakteurin beim <strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong> und außerdem<br />
verantwortlich für die Mitgliederbetreuung.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 3
INHALT<br />
MAGAZIN <strong>143</strong><br />
Editorial<br />
Solidarität als Kleber<br />
Über gemeinschaftliches Engagement 3<br />
Schwarzes Brett<br />
Realitäten am Schwarzen Meer 5<br />
Terminkalender 5<br />
Mittellandtreffen abgesagt 6<br />
Land unter: Ms helfen Ms7<br />
Die M von nebenan<br />
Die Intelligenz-Expertin<br />
Marianna Rusche: Eine Forscherin,<br />
die ihre Kraft aus dem Glauben schöpft 8<br />
Mitgliedsausweis<br />
Kreativität auf Scheckkartenformat<br />
Wir suchen das Motiv für 2022 14<br />
Unterwegs<br />
Das Fern-Wandern ist des Ms Lust<br />
Seit sieben Jahren Richtung Spanien 16<br />
Nordwärts gegen den Wind<br />
Zwei Ms auf dem Weser-Radweg 19<br />
Blick über den Tellerrand<br />
Vermarktungsstark und gesellig<br />
Die ungarische Mensa ist dank ihrer Hauptstadtzentrale<br />
eine tolle Anlaufstelle20<br />
Prismenfernglas<br />
„O, du relativ vitaler Udo!“<br />
Spielereien mit Namen22<br />
Politik? Ja, bitte!<br />
Ms engagieren sich in Parteien ‒ und geben<br />
Wahlempfehlungen<br />
Von AfD bis Linke: Wir gestalten mit24<br />
Aus den SIGs<br />
„Stellt euch vor, man teilt sich<br />
zwei Minderheiten …“<br />
Vor 15 Jahren wurde die KlapSIG gegründet33<br />
MHN<br />
Mind-Hochschul-Netzwerk wieder analog<br />
Vorbereitung auf die Mind-Akademie36<br />
Villa Wertvoll<br />
Begabung braucht (Selbst-)Vertrauen!<br />
Eine Villa für Kinder in <strong>Mag</strong>deburg38<br />
Rat & Hilfe<br />
Psychologische Erste Hilfe<br />
Über das MHFA Ersthelfer-Programm40<br />
Fotografie<br />
Mensa Fotowettbewerb „Balance“:<br />
Diese Bilder stehen zur Wahl!42<br />
Börse & Spekulation<br />
Spekulation mit IQ –<br />
Trugschlüsse und falsche Rechnungen<br />
Folge 2: Die Thesen der Börsianer44<br />
Filmkunst<br />
In gestrecktem Galopp auf die Leinwand<br />
Die Kino-Kolumne mit Extra-Fakten48<br />
Schule & Unterricht<br />
Mehr als nur verstaubte Klostermauern<br />
Die Landesschule Pforta – aus Schüler-Sicht50<br />
Anpacken für Bildungsgerechtigkeit<br />
Über den Verein HerausForderung e. V.54<br />
Rätsel<br />
Monoblock<br />
Frisch erfunden für die Deutsche<br />
Rätselmeisterschaft 202157<br />
Information58<br />
Vorstand, Impressum60<br />
Scheer Ware<br />
Vielleicht doch mal das Horoskop bemühen?<br />
Oder: Wozu eine Tageszeitung alles gut ist62<br />
4 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021<br />
Titelfotos: Dirk Mahler, Mel Jäger, HerausForderung e.V., privat
Terminkalender<br />
Schwarzes Brett<br />
Realitäten am Schwarzen Meer<br />
„The HorseLady“ von Sieg-<br />
M<br />
ensa kann IT – logisch.<br />
Mensa kann<br />
Psycho – versteht sich.<br />
Kann Mensa auch Kunst?<br />
Yep! Das haben die beiden<br />
Ms Siegfried Bank und<br />
Frank Markowski vom 5.<br />
bis 20. Juni in der Galerie<br />
„Am Schwarzen Meer“ in<br />
Bremen gezeigt. 16 Bilder<br />
in Acryl und Mischtechnik<br />
fried Bank. <br />
von Siegfried und sieben<br />
Keramik-Objekte von Frank stellten<br />
die Frage „What Reality?“. Wie vielschichtig<br />
ist die Wirklichkeit? Und<br />
gibt es nur die eine?<br />
„In meinen Arbeiten“, sagt Siegfried,<br />
„greife ich Motive auf zu dem,<br />
was wir als Realität wahrnehmen,<br />
was bei näherem Hinsehen oder im<br />
Verhältnis zu anderen<br />
Bildern aber mehrschichtig<br />
und irritierend<br />
wirken kann.“<br />
Auch Frank thematisiert<br />
dies in seinen<br />
Objekten. „Meine Figuren<br />
sind eine Einheit<br />
aus Gestalt und<br />
Sprache. In diesem<br />
Verbund schaffen sie<br />
„Zur Nacht | Wenn Träume sich<br />
senken, der Schlaf erwacht.“ von<br />
Frank Markowski. Foto: Markowski<br />
sich eine eigene, losgelöste<br />
Wirklichkeit. Sie laden<br />
ein zum Betrachten, Träumen<br />
und Berühren.“<br />
Siegfried kommt aus<br />
Bremen (mit Verbindungen<br />
nach Berlin), Frank<br />
aus Berlin (mit Bezug zu<br />
Bremen). Kennengelernt<br />
haben sie sich durch Mensa.<br />
„Ich habe einen Künstler<br />
unter den Ms gesucht,<br />
Foto: Bank<br />
der ähnlich tickt wie ich“, erzählt<br />
Siegfried. Nach kurzer Recherche ist<br />
er auf Frank gestoßen. Mail hin, Mail<br />
zurück, Anruf, Whats-Apps, Treffen,<br />
Ideen und schließlich die erste gemeinsame<br />
Ausstellung. Weitere werden<br />
folgen.<br />
Bei dieser Keimzelle der M-Kunst<br />
muss es nicht bleiben.<br />
Vielleicht haben andere<br />
Künstler-Ms Lust, sich<br />
auszutauschen oder sogar<br />
gemeinsame Aktionen<br />
zu planen. Einfach<br />
Kontakt aufnehmen!<br />
info@siegfriedbank.art<br />
post@keramik-objektkunst.de<br />
Aus der<br />
Redaktion<br />
Wer viel produziert,<br />
macht Fehler. Mit die<br />
peinlichsten sind falsch<br />
geschriebene Namen.<br />
Carsten Kaftan, der in<br />
der Ausgabe 142 seine<br />
Montagsmeetings beschrieb,<br />
heißt natürlich<br />
Carsten Kaftan (und<br />
nicht Caftan). Sorry für<br />
den Dreckpfuhler.<br />
Die nächste Ausgabe<br />
wird eine besondere.<br />
Neben dem <strong>Mag</strong> wird es<br />
als Zugabe eine Beilage<br />
zum 75. Jubiläum von<br />
Mensa geben. Mit wirklich<br />
spannendem Lesestoff<br />
unter anderem<br />
über die Anfänge unseres<br />
Vereins. Und weil<br />
das alles refinanziert<br />
werden muss: Wer als<br />
Anzeigenkunde in diesem<br />
Special dabei sein<br />
will, sollte sich mit Bastian<br />
Nowak von KURT<br />
Media in Verbindung setzen.<br />
Kontaktdaten siehe<br />
Impressum.<br />
Und dann ist da noch<br />
Reinhard Walprecht,<br />
Blasmusiker aus Leidenschaft,<br />
der auf der<br />
Suche nach gleichgesinnten<br />
Ms ist. Er möchte<br />
fachsimpeln, Trips<br />
zu Festivals organisieren,<br />
eine Mensa-Combo<br />
gründen, und „beim<br />
Jahrestreffen etwas mucken“.<br />
Wer muckt mit?<br />
Mail: walle@htp-tel.de<br />
Datum Uhrzeit Titel Ort Veranstalter<br />
18.08.2021 11:30 bis 12:00 M3 ONLINE (Mittwochs-Morgen-MENSchen) online Ronald Bieber<br />
19.08.2021 8:00 bis 19:00 Hop On Hop Off Fahrrad Tour<br />
entlang der Donau<br />
Donaueschingen<br />
Rüdiger Klings<br />
26.08.2021 19:00 bis 23:30 Spieleturnier Nordwest online Lothar Becks<br />
04.09.2021 18:00 bis 23:00 Winzer Straßenfest Weinböhla Weinböhla Dieter Bernd Lamberty<br />
17.09.2021 bis 19.09.2021 Mittelland 2021 FÄLLT AUS! Erfurt Linda Solcher<br />
15.10.2021 bis 19.10.2021 Mensa Juniors Herbstseminar Bautzen Sven Häse
Schwarzes Brett<br />
Meldung in letzter Minute:<br />
Mittellandtreffen in Erfurt ABGESAGT<br />
Nachdem diese Seite eigentlich<br />
fertig und draußen war, kam die<br />
Absage.<br />
Das Mittellandtreffen, für das<br />
wir an dieser Stelle werben wollten,<br />
wurde abgesagt. Nicht wegen<br />
Corona, sondern aus organisatorischen<br />
Gründen. Dabei war<br />
das Programm schon reduziert,<br />
nur die Abendveranstaltungen<br />
wie der Eisbrecher (selbstverständlich<br />
mit dem legendären<br />
Pubquiz), die lange Nacht der<br />
Mitte am Samstagabend und der<br />
Sonntagsbrunch waren fest geplant<br />
und organisiert. Alle anderen<br />
Events hätten von den insgesamt<br />
150 Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern selbst umgesetzt<br />
werden sollen. Das ist nun alles<br />
hinfällig.<br />
Das Orga-Team des Mittellandtreffens<br />
schreibt:<br />
Liebe Ms, mit großem Bedauern<br />
müssen wir mitteilen, dass<br />
wir das Mittellandtreffen 2021<br />
in Erfurt absagen müssen. Nach<br />
der Absage einer schon zugesagten<br />
Lokalität ist uns bis heute<br />
nicht gelungen, einen bezahlbaren<br />
Ort für die Hauptveranstaltung<br />
„Die Lange Nacht der Mitte“<br />
zu finden. Leider lassen sich viele<br />
Wirte entweder durch die Planungsunsicherheit<br />
wegen Corona<br />
nicht auf Reservierungen<br />
ein oder sind auf Monate schon<br />
durch nachzuholende Feiern<br />
ausgebucht.<br />
Zusätzlich verschärft die diesjährig<br />
in Erfurt stattfindende<br />
BuGa das Problem. Lasst euch<br />
nicht davon abhalten, Erfurt<br />
trotzdem zu besuchen. Erfurt ist<br />
eine wunderschöne Stadt und<br />
die BuGa sehenswert. Bei Bedarf<br />
meldet euch bei uns, und vielleicht<br />
sehen wir uns dieses Jahr<br />
in kleiner Runde.<br />
Für 2022 ist dann in größerer<br />
Runde wieder ein Mittellandtreffen<br />
(so Gott & Corona wollen) in<br />
der Klassikerstadt Weimar geplant.<br />
Wir werden euch zu gegebener<br />
Zeit informieren.<br />
Euer Orga-Team Saskia,<br />
Mike & Silke<br />
M sucht M – neue Kontaktwünsche<br />
Dornröschen möchte endlich<br />
wachgeküßt werden - von einem<br />
Mann (ca. 50-65J., frei für einen<br />
Neubeginn), der sich durch Dornen<br />
nicht abschrecken läßt! Altruismus,<br />
Tierliebe und (mindestens) ein Studium<br />
(oder sonstwie ausgeprägte<br />
Bildung) sowie Interesse am<br />
Landleben (PLZ 21...) für die praktische<br />
Dornenbeseitigung wären<br />
von Vorteil, weitere Details verrät<br />
58j. Ärztin gern auf Anfrage;-)) Ziel:<br />
gemeinsam noch etwas für diese<br />
Welt zu bewegen!<br />
argo_akunita@yahoo.de<br />
Schlaue Frau aus Süddeutschland,<br />
Anfang 40, fröhlich, kommunikativ,<br />
positiv, sucht den einen<br />
Mann fürs Leben. Er sollte herzlich,<br />
verlässlich, interessiert sein und<br />
möglichst keine zwei linke Hände<br />
haben. Alles andere findet sich.<br />
1mannfuerslebengesucht@web.de<br />
Wer auch dabei sein will: Mail<br />
an chefredakteur@mensa.de<br />
genügt. Maximale Textlänge:<br />
350 Zeichen. Keep it short and<br />
simple.<br />
Macht Platz im Kleider- und<br />
Geschirrschrank, denn unser<br />
Vereinsshop „BoutIQue“ hat am<br />
30. Juli seine virtuellen Pforten<br />
für euch geöffnet!<br />
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findet ihr Shirts für Nerds und<br />
vieles mehr!<br />
Bleibt auf dem Laufenden in der<br />
SIG BoutIQue: btiq.de/sig<br />
Alle Infos zum Shop im<br />
nächsten <strong>Mag</strong>.
Land unter<br />
Ms helfen den Betroffenen der Flutkatastrophe.<br />
S<br />
icher habt Ihr die Berichte<br />
und Filme über<br />
die Flutkatastrophe im Ahrtal,<br />
im Rheinland und in den<br />
anderen betroffenen Regionen<br />
gesehen. Die Lage<br />
ist schlimmer als es diese<br />
Berichte erahnen lassen.<br />
Martin Schulze, LoCo in Koblenz<br />
und als privater Helfer im<br />
Ahrtal im Einsatz, schreibt:<br />
„Die Bewohnerinnen und<br />
Bewohner des Ahrtals sind<br />
Hochwasser gewohnt. Man<br />
räumt sein Grundstück,<br />
schützt sich mit Sandsäcken,<br />
und wenn die Keller vollaufen,<br />
pumpt man ab, räumt den<br />
Dreck weg und kehrt in die<br />
Normalität zurück.<br />
Mitte Juli kam es ganz anders.<br />
Dauerhafter Starkregen<br />
durch ein festsitzendes Tiefdruckgebiet<br />
hat Wassermassen<br />
abgeladen, deren Auswirkungen<br />
nicht erwartbar waren.<br />
Die Ahr und weitere Bäche<br />
und Flüsse wurden zu<br />
reißenden Flutwellen. Das<br />
Wasser ist bis in den ersten<br />
oder zweiten Stock gestiegen.<br />
Orte, die als hochwassersicher<br />
galten, wurden überflutet. Betonbrücken<br />
wurden weggerissen,<br />
Autobahnen und Bundesstraßen<br />
zerstört, Bahnlinien<br />
sind weg. Viele Menschen<br />
wurden im Schlaf überrascht<br />
und sind in ihren Häusern ertrunken<br />
– alleine im Ahrtal ist<br />
eine dreistellige Anzahl von<br />
Toten zu beklagen und viele<br />
werden noch vermisst.<br />
Rettungsdienste und Nachbarn<br />
mussten miterleben, wie<br />
vor ihren Augen Menschen<br />
weggespült wurden, ohne<br />
helfen zu können. Die Infrastruktur<br />
in einigen Gebieten<br />
ist vernichtet. Die Einwohnerinnen<br />
und Einwohner werfen<br />
ihr gesamtes Hab und Gut<br />
aus den Häusern. Sie reißen<br />
Böden, Wände, Decken, Dämmungen<br />
– einfach alles – heraus<br />
und versetzen ihre Häuser<br />
in den Rohbauzustand zurück.<br />
Schimmel macht sich breit, Öl<br />
aus den Tanks schwimmt herum,<br />
es besteht Seuchengefahr.<br />
Tausende Helfer der Hilfsorganisationen<br />
und Behörden<br />
sind im Einsatz. Die Bilder erinnern<br />
an Kriegsgebiete, viele<br />
sagen, es sei schlimmer.<br />
Die Welle der Hilfsbereitschaft<br />
ist riesengroß, aber<br />
nicht immer zielführend.<br />
Sammelstellen versinken in<br />
Bergen von Kartons und Tüten<br />
mit unsortierten Spenden. In<br />
manchen Ortschaften werden<br />
Helferinnen und Helfern im<br />
Viertelstundentakt Getränke<br />
und Verpflegung angeboten,<br />
andere Orte sind weiterhin<br />
nur per Quad oder aus der<br />
Luft erreichbar. Tausende von<br />
Helfern fahren mit Shuttlebussen<br />
und auf eigene Faust<br />
in die Orte.<br />
Jede Hilfe ist willkommen<br />
und die Einwohner sind für<br />
jeden Handgriff dankbar, der<br />
ihnen abgenommen wird.<br />
Aber die freiwilligen Helfer<br />
verstopfen auch die Straßen,<br />
so dass die Hilfsdienste nicht<br />
mehr durchkommen. Häufig<br />
werden die Hilfen geleistet,<br />
die nicht dringend notwendig<br />
sind, weil eine Koordination<br />
noch nicht funktioniert.<br />
Soweit die Einschätzung aus<br />
meinem persönlichen Blickwinkel,<br />
und ich hoffe, ich<br />
habe die Fakten in der Kürze<br />
der Zeit korrekt wiedergegeben.<br />
Mensa-Mitglieder sind<br />
in unterschiedlichem Maß betroffen.<br />
Ob es auch existenzbedrohende<br />
Fälle im Verein<br />
gibt, wissen wir noch nicht.“<br />
Martin (loco-koblenz@<br />
mensa.de) bietet Vermittlung<br />
an, falls von der Flut betroffene<br />
Ms (und andere) unmittelbare<br />
Hilfe benötigen. Wenn<br />
dieses <strong>Mag</strong> erscheint, werden<br />
die Folgen der Katastrophen-<br />
Nacht noch lange nicht bewältigt<br />
sein, auch wenn das Medieninteresse<br />
naturgemäß abnehmen<br />
wird.<br />
Martin wird Anfragen weiterleiten<br />
und Kontakte herstellen.<br />
Wer nicht direkt helfen<br />
kann, findet Hinweise auf<br />
Spendenmöglichkeiten bei<br />
den Funk- und Printmedien<br />
und bei lokalen Initiativen.<br />
Spendet allgemein an die „Aktion<br />
Deutschland hilft“. Oder<br />
sucht jemanden, zu dem Ihr<br />
regionalen oder thematischen<br />
Bezug habt. Die Menschen<br />
sind weiter in Not, also helft<br />
bitte, soweit es Euch möglich<br />
ist.
DIE M VON NEBENAN<br />
MARIANNA RUSCHE<br />
Die Intelligenz-Expertin<br />
Eine leidenschaftliche Forscherin,<br />
die ihre Kraft aus dem Glauben schöpft.<br />
Die dreißigjährige Marianna<br />
Rusche ist Psychologin und Neurowissenschaftlerin<br />
und beschäftigt<br />
sich schwerpunktmäßig mit<br />
menschlicher und künstlicher Intelligenz.<br />
Auch wenn sie eine Verfechterin<br />
von Wissenschaftlichkeit<br />
ist, geben ihr Religion und Glaube<br />
großen Halt. Sie ist ein Beweis dafür,<br />
dass Glaube und Intellekt kein<br />
unversöhnlicher Widerspruch<br />
sind. Im Interview gewährt sie<br />
uns einen Einblick in beide Welten.<br />
Liebe Marianna, auf deiner<br />
Homepage stellst du dich als<br />
Expertin für Intelligenz vor.<br />
Wie ist das zu verstehen?<br />
Die Themen Intelligenz und<br />
Hochbegabung faszinieren<br />
mich schon sehr lange. Ich habe<br />
Psychologie und kognitive Neurowissenschaften<br />
studiert und<br />
beschäftige mich derzeit im<br />
Rahmen meiner Promotion intensiv<br />
mit der Intelligenzforschung.<br />
Mein Umfeld bei Mensa<br />
hat mir da natürlich immer<br />
gut als Referenz gedient (lacht).<br />
Ich mag mich aber gar nicht so<br />
sehr einschränken und gehe das<br />
Thema auf vielen Ebenen an. Ich<br />
biete zum Beispiel ein spezielles<br />
Coaching für Hochbegabte an<br />
und bin im Bundestag als Fraktionsreferentin<br />
für künstliche<br />
Intelligenz tätig.<br />
Wie spannend! Hast du dich<br />
als Coach ausschließlich auf<br />
Hochbegabte spezialisiert?<br />
Ja, genau. Ich habe beim European<br />
Council for High Ability<br />
eine einjährige Ausbildung absolviert,<br />
die vom Internationalen<br />
Centrum für Begabungsforschung<br />
in Münster angeboten<br />
wird. Mir war es wichtig, neben<br />
meiner persönlichen Erfahrung<br />
auch eine theoretische, wissenschaftliche<br />
Grundlage bieten<br />
zu können. Gerade in Deutschland<br />
ist es zudem immer noch<br />
sehr wichtig, dass man einen Titel<br />
oder ein Zertifikat vorweisen<br />
kann.<br />
Gibt es bestimmte Themen,<br />
bei denen du deine<br />
Klienten unterstützt?<br />
Generell geht es mir darum, die<br />
positiven Aspekte der Hochbegabung<br />
zu stärken. Im Schwerpunkt<br />
kann man hier zwei Inhalte<br />
unterscheiden: Zum einen<br />
berate ich rund um den Bereich<br />
Talente und Interessen, aber<br />
auch zur Fokussierung. In diesem<br />
Zusammenhang finde ich<br />
es wichtig, die Balance der eigenen<br />
Tätigkeiten im Auge zu haben,<br />
denn sie ist ein wichtiger<br />
Baustein für das innere Erfülltsein.<br />
Hochbegabte arbeiten in<br />
ihrem Berufsleben oft sehr kopflastig<br />
und vernachlässigen dann<br />
manchmal ihre ausgleichende,<br />
kreative Seite.<br />
Ich zum Beispiel liebe Musik<br />
und singe im Chor, seit ich<br />
drei Jahre alt bin. Es gibt bei mir<br />
aber immer mal wieder Phasen,<br />
in denen ich überhaupt nicht<br />
zum Musizieren komme. Wenn<br />
ich dann endlich mal wieder am<br />
Klavier sitze, merke ich erst, wie<br />
sehr es mir gefehlt hat.<br />
Zum anderen unterstütze ich<br />
Hochbegabte, deren Proble-<br />
8 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
DIE M VON NEBENAN<br />
Marianna engagiert sich sehr stark<br />
in der katholischen Kirche<br />
und arbeitet ehrenamtlich in einer<br />
päpstlichen Stiftung. Das Foto<br />
entstand bei der jährlichen Konferenz<br />
in den vatikanischen Gärten.<br />
Foto: privat<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 9
DIE M VON NEBENAN<br />
me mit mangelndem Selbstbewusstsein<br />
in Zusammenhang<br />
stehen. Manche haben das Gefühl,<br />
in ihrem Leben nicht viel<br />
erreicht zu haben, weil sie als<br />
Kinder und Jugendliche im Gegensatz<br />
zu Gleichaltrigen zahlreiche<br />
kognitive Hürden mühelos<br />
überwinden konnten.<br />
Da einige Hochbegabte bis zu<br />
einem gewissen Alter wenige<br />
echte Herausforderungen meistern<br />
mussten, fehlt ihnen das<br />
Gefühl, Dinge geschafft zu haben.<br />
Diese positiven Erfahrungen<br />
sind aber zur Entwicklung<br />
eines gesunden Selbstbewusstseins<br />
wichtig.<br />
Macht es für das<br />
Selbstbewusstsein einen<br />
Unterschied, ob man von seiner<br />
Hochbegabung weiß oder nicht?<br />
Auf jeden Fall. Und es hängt<br />
auch stark vom Umfeld ab, in<br />
dem man aufwächst. Ich hatte<br />
das Glück, dass ich schon<br />
mit vierzehn Jahren erfahren<br />
habe, dass ich hochbegabt bin.<br />
In meiner Schulzeit hat mir das<br />
sehr geholfen, so wusste ich<br />
bei Diskussionen mit Lehrern,<br />
dass nicht ich diejenige bin, die<br />
falsch liegt.<br />
Die Gedankengänge eines<br />
hochbegabten Menschen sind<br />
einfach anders und viel schneller;<br />
im Austausch mit den Mitmenschen<br />
denkt man oft „aneinander<br />
vorbei“ und weit voraus.<br />
Als junger Mensch denkt man<br />
da schnell: „In meinem Kopf<br />
ist das logisch, warum versteht<br />
mich keiner? Bin ich blöd?“<br />
Das Wissen um die eigene<br />
hohe Intelligenz kann einem<br />
deshalb helfen, Situationen<br />
richtig einzuordnen. Hochbegabten<br />
wird ja oft Arroganz vorgeworfen.<br />
Ich würde hingegen<br />
behaupten, dass eine gewisse<br />
Arroganz bezüglich der eigenen<br />
kognitiven Fähigkeiten in manchen<br />
Situationen zum Selbstschutz<br />
sogar nötig ist (lacht).<br />
Neben dem Thema Hochbegabung<br />
hast du dich auch mit dem<br />
Thema Hochsensibilität<br />
auseinandergesetzt. Gibt es<br />
denn unter den Hochbegabten<br />
überdurchschnittlich viele<br />
hochsensible Menschen?<br />
Dieses Thema ist in meiner Forschung<br />
ein wenig in den Hintergrund<br />
getreten, aber es interessiert<br />
mich weiterhin sehr. Mich<br />
nervt an der ganzen Diskussion<br />
die Unwissenschaftlichkeit.<br />
Oftmals werden die Begriffe<br />
Hochbegabung und Hochsensibilität<br />
in der Populärwissenschaft<br />
auch einfach vermischt,<br />
wodurch seriöse Forschung zu<br />
den Schnittmengen dieser beiden<br />
Konstrukte behindert wird.<br />
In meiner Bachelorarbeit habe<br />
ich mich intensiv mit Dabrowskis<br />
Theorie zur „overexcitability“,<br />
also der gesteigerten Reizsensitivität,<br />
beschäftigt.<br />
Dabrowski ging davon aus,<br />
dass es fünf verschiedene Ausprägungen<br />
von gesteigerter<br />
Reizintensivität gibt und Hochbegabung,<br />
also die kognitive<br />
oder intellektuelle Sensitivität,<br />
eine dieser Untergruppen<br />
ist. An der Theorie gibt es einige<br />
Kritikpunkte, aber dennoch<br />
kann ich jedem Interessierten<br />
Bei allem, was ich tue<br />
ist es mir sehr wichtig,<br />
dass es auf einer soliden<br />
wissenschaftlichen<br />
Basis steht.<br />
empfehlen, sich da etwas reinzulesen.<br />
Passend zu diesem<br />
Thema gibt es ja auch die wissenschaftliche<br />
Hypothese, dass<br />
Menschen mit hoher Intelligenz<br />
eine höhere Wahrscheinlichkeit<br />
für Allergien haben.<br />
Du hast erwähnt, dass du im<br />
Bundestag als Fraktionsreferentin<br />
im Bereich Künstliche Intelligenz<br />
(KI) arbeitest. Wie kam es dazu?<br />
Auf die Referentenstelle habe<br />
ich mich beworben, weil ich einen<br />
Teilzeitjob neben der Promotion<br />
gesucht habe. Ich war<br />
nicht sicher, ob ich die Stelle<br />
ohne berufliche Vorerfahrung<br />
mit KI bekomme. Aber immerhin<br />
setzt sich die Neurowissenschaft<br />
mit dem „Urtyp“ der neuronalen<br />
Netze auseinander, und<br />
ich konnte auch zeigen, dass ich<br />
mir in meiner Freizeit viel Fachwissen<br />
über KI angeeignet hatte.<br />
Was ist deine Aufgabe als<br />
Fraktionsreferentin?<br />
Ich unterstütze und berate Bundestagsabgeordnete<br />
oder andere<br />
Fraktionsmitarbeiter bei allen<br />
Fragen rund um KI. Dazu gehört<br />
auch, dass ich mit Kollegen Anträge<br />
und Positionspapiere zu KI<br />
schreibe. Bis Oktober vergangenen<br />
Jahres habe ich hauptsächlich<br />
die Arbeit in der Enquete-<br />
Kommission für KI unterstützt.<br />
Kürzlich haben wir eine „KI-<br />
Brain-Drain“-Veranstaltung organisiert<br />
rund um die Frage, wie<br />
man das Abwandern von KI-Talenten<br />
aus Deutschland verhindern<br />
kann. Viele gute Leute gehen<br />
ins Ausland, zum Beispiel<br />
ins Silicon Valley, weil es für sie<br />
in Deutschland keine gute Perspektive<br />
gibt. Ganz langsam ändert<br />
sich das, zum Beispiel mit<br />
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DIE M VON NEBENAN<br />
Projekten wie dem Cyber Valley<br />
in Tübingen.<br />
Insgesamt spielen in meinem<br />
Arbeitsalltag insbesondere die<br />
rechtlichen und damit verbunden<br />
auch die ethischen Fragen<br />
eine Rolle. Es ist eine riesige Herausforderung,<br />
sich auf nationaler<br />
und europäischer Ebene über<br />
eine KI-Gesetzgebung zu einigen,<br />
die für alle kompatibel ist.<br />
Auf europäischer Ebene fliegen<br />
hinter den Kulissen auch<br />
mal die Fetzen. Das ist schon<br />
sehr komplex, aber auch total<br />
spannend.<br />
Könntest du dir vorstellen, länger<br />
in der Politik zu bleiben?<br />
Um ehrlich zu sein, hat mich die<br />
Tätigkeit als Fraktionsreferentin<br />
etwas ernüchtert. Ich habe zwar<br />
sehr viel gelernt und bekomme<br />
einen faszinierenden Einblick in<br />
die politischen Abläufe, es kann<br />
aber auch ganz schön frustrierend<br />
sein.<br />
Wenn du einen schönen Antrag<br />
schreibst und danach zehn<br />
Abgeordnete daran herumstreichen,<br />
bleibt am Ende manchmal<br />
nicht viel von deiner eigentlichen<br />
Idee übrig. Manchmal<br />
kommt man als Referentin auch<br />
„Jedes Mal fühle<br />
ich mich wie vom Blitz<br />
getroffen.“ Marianna<br />
Rusche bei einer Audienz<br />
mit Papst Franziskus.<br />
Foto: Servizio<br />
Fotografico Vaticano<br />
Man kann sich eben nicht<br />
immer nur von Sorgen<br />
und Bedenken lähmen<br />
lassen, sonst kommt kein<br />
Fortschritt zustande.<br />
nicht voran, bis sich verschiedene<br />
Abgeordnete geeinigt haben.<br />
Das habe ich beim Thema Datenschutz<br />
erlebt, der ja eine entscheidende<br />
Rolle bei der KI-Gesetzgebung<br />
spielt. Hier hat sich<br />
auch meine Einstellung zur<br />
Ethik ein wenig verändert, denn<br />
in der Enquete-Kommission<br />
habe ich die Ethiker wirklich als<br />
Bremse erlebt.<br />
Bislang hatte ich eine große<br />
Wertschätzung für Fragen der<br />
Wirtschafts- und Sozialethik,<br />
vor allem durch meine christliche<br />
Prägung; ich denke auch<br />
nach wie vor, dass man ethische<br />
Fragen einbeziehen muss.<br />
Aber man kann sich eben nicht<br />
immer nur von Sorgen und Bedenken<br />
lähmen lassen, sonst<br />
kommt kein Fortschritt zustande.<br />
In der Enquete-Kommission<br />
haben mich die Ethiker verzweifeln<br />
lassen. Die Einwände und<br />
Bedenken der Wirtschaftsvertreter<br />
haben hier meiner Meinung<br />
nach zu wenig Gewicht.<br />
Meine Schwester hat einmal<br />
darüber gelacht, dass ich<br />
mir ausgerechnet eine Stelle<br />
im Deutschen Bundestag ausgesucht<br />
habe, denn mit starren<br />
Strukturen und Hierarchien haben<br />
Hochbegabte ja ab und an<br />
mal ihre Probleme.<br />
Das ist in der Tat interessant,<br />
insbesondere weil du dich noch<br />
in einer anderen Organisation<br />
stark engagierst, die ebenfalls für<br />
ihre starren Strukturen bekannt<br />
ist: in der katholischen Kirche!<br />
Stimmt, das scheint wirklich<br />
ein Muster zu sein (lacht). Wobei<br />
man dazu sagen muss: Meine<br />
Mutter ist Italienierin und<br />
meine Familie ist teilweise sehr<br />
aktiv in der katholischen Kirche.<br />
Für mich waren Religion und<br />
Kirche von Kindheit an demnach<br />
sehr präsent. Ich war aber<br />
immer schon besonders interessiert<br />
an Religion und dem Glauben,<br />
und was aus theologischer<br />
Sicht dahintersteckt.<br />
Was motiviert denn eine<br />
hochgebildete, aufgeschlossene,<br />
junge Frau, sich ausgerechnet<br />
in der katholischen Kirche<br />
zu engagieren!?<br />
Da sage ich: Genau deshalb! Ich<br />
bin die Letzte, die sagt, in der<br />
katholischen Kirche wäre alles<br />
richtig und gut. Im Gegenteil, es<br />
gibt sehr viel zu tun. Aber gerade<br />
darum finde ich es wichtig,<br />
dass sich auch junge Menschen<br />
einbringen und ihre Ansichten<br />
mit in die Organisation tragen.<br />
Meine persönliche Erfahrung<br />
ist auch, dass die Kirche wirklich<br />
bemüht ist, die jungen Leute<br />
anzuhören. Es stimmt auch<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 11
DIE M VON NEBENAN<br />
nicht, dass Frauen in der katholischen<br />
Kirche per se nicht<br />
ernst genommen werden, einige<br />
wichtige Posten sind ja mit<br />
Frauen besetzt, das steht nur<br />
nicht so im Zentrum der öffentlichen<br />
Wahrnehmung. Die Vorsitzende<br />
der hochbedeutenden<br />
päpstlichen Stiftung, für die ich<br />
ehrenamtlich tätig bin, ist zum<br />
Beispiel eine Frau!<br />
Ich finde es einfach schade,<br />
wenn der Fokus immer nur auf<br />
den Dingen liegt, die nicht gut<br />
funktionieren, denn die positiven<br />
Seiten gehen dabei total unter.<br />
Deswegen gehe ich mit meinem<br />
Glauben und meiner Tätigkeit<br />
für die Kirche auch sehr<br />
offensiv um und poste zum Beispiel<br />
sehr viel bei Social Media,<br />
wenn ich mal wieder im Vatikan<br />
bin.<br />
Du gehst im Vatikan ein und aus?<br />
So kann man es nicht sagen<br />
(lacht). Ich bin Mitglied einer<br />
päpstlichen Stiftung, der Fondazione<br />
Centesimus Annus Pro<br />
Pontifice (CAPP), und die Jahresversammlung<br />
findet – wenn<br />
nicht gerade eine Pandemie<br />
herrscht – jährlich in Rom statt.<br />
Im Vatikan zu sein ist für mich<br />
jedes Mal aufs Neue überwältigend.<br />
Wenn man dann so durch<br />
die vatikanischen Gärten läuft,<br />
ist das schon ein sehr besonderes<br />
Gefühl, da kommt man unter<br />
normalen Umständen ja überhaupt<br />
nicht hin.<br />
Es findet dann auch immer<br />
eine Audienz mit dem Papst<br />
statt, das ist das große Highlight.<br />
Und jedes Mal fühle ich<br />
mich, positiv interpretiert, wie<br />
vom Blitz getroffen. Das ist für<br />
mich alles andere als selbstverständlich<br />
und ich empfinde tiefe<br />
Dankbarkeit und Demut, dass<br />
ich diese Möglichkeit habe.<br />
Was macht diese Stiftung?<br />
Die Stiftung wurde 1991 von Johannes<br />
Paul II. gegründet und<br />
widmet sich im Schwerpunkt<br />
den Themen rund um die christliche<br />
Sozialethik. Das Geld, das<br />
wir einsammeln, versickert<br />
auch nicht irgendwo in den<br />
Menschen mit<br />
Hochbegabung werden<br />
vom Umfeld oft in Frage<br />
gestellt. Das Wissen um<br />
die eigene Intelligenz hilft,<br />
das Ganze in die richtige<br />
Perspektive zu rücken.<br />
Selbstportrait im<br />
Bundestags-Fahrstuhl.<br />
Foto: privat<br />
Mühlen des Vatikans, sondern<br />
geht direkt in die Geldbörse des<br />
Papstes, wie wir scherzhaft sagen.<br />
Die Mitglieder haben ein<br />
Vorschlagsrecht, in welche Projekte<br />
das Geld fließen soll, die<br />
Entscheidung liegt aber letztendlich<br />
beim Papst.<br />
Vor ein paar Jahren haben wir<br />
in der Stiftung das Young International<br />
Network (YIN of CAPP)<br />
gegründet, in dem sich weltweit<br />
die Mitglieder bis fünfunddreißig<br />
Jahren organisieren. Wir<br />
wollen frischen Wind in die Organisation<br />
bringen, haben zusätzliche<br />
eigene Events und stellen<br />
dann auf der Jahreskonferenz<br />
in Rom unsere Projekte vor.<br />
YIN of CAPP leite und koordiniere<br />
ich gemeinsam mit zwei<br />
12 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
anderen Mitgliedern aus Italien<br />
und den Niederlanden.<br />
Gerade wir jungen Mitglieder<br />
sehen unsere Aufgabe aber auch<br />
darin, die christliche Soziallehre<br />
und Sozialethik nach außen zu<br />
tragen. Diese Tätigkeiten für die<br />
Stiftung entsprechen auch meinem<br />
Naturell, ich bin ein sehr<br />
offener Mensch, kann Leute gut<br />
zusammenbringen und motivieren.<br />
Was bedeutet konkret<br />
die Kirche für dich?<br />
Zuallererst ist Kirche natürlich<br />
meine Verbindung zu Gott. Aber<br />
sie ist für mich auch ein Ort des<br />
Austauschs, insbesondere mit<br />
Gleichaltrigen, die gläubig sind,<br />
denn das findet man im „normalen“<br />
Umfeld nicht wirklich.<br />
Insbesondere nicht in Berlin!<br />
(lacht)<br />
In unseren WhatsApp-Gruppen<br />
geht es teilweise sehr politisch<br />
zu, dort wird dann hitzig<br />
über die aktuellen Themen<br />
und Herausforderungen diskutiert,<br />
zum Beispiel die Sicht der<br />
Kirche auf Homosexualität oder<br />
die Rolle der Frauen.<br />
Die Kirche bietet mir zudem<br />
den Raum, Gleichgesinnte aus<br />
aller Herren Länder zu treffen,<br />
die man dann auch mal besuchen<br />
kann, ein bisschen wie<br />
Mensa, nur in katholisch.<br />
Das ist eine schöne<br />
Überleitung. Was schätzt du<br />
an Mensa am meisten?<br />
Auch bei Mensa liebe ich die internationalen<br />
Events ganz besonders.<br />
Wer in ein anderes<br />
Land reist, hat größeren Aufwand<br />
betrieben und hat deshalb<br />
richtig Lust. Man trifft dort immer<br />
super tolle Leute, die viel<br />
Spaß daran haben, miteinander<br />
zu reden und sich auszutauschen.<br />
Da kannst du gerade am<br />
anderen Ende der Welt sein und<br />
trotzdem hast du sofort eine<br />
Verbindung und ein Gesprächsthema,<br />
als würde man sich<br />
schon ewig kennen. Am liebsten<br />
quatsche ich immer Mensaner<br />
an, die ich noch nie gesehen<br />
habe!<br />
DIE M VON NEBENAN<br />
Hast du denn schon Pläne für<br />
die Zeit nach der Promotion?<br />
Meine Herausforderung ist,<br />
dass ich viel Spaß am Forschen<br />
habe, aber nicht in der akademischen<br />
Berufswelt bleiben möchte.<br />
Zudem ist mir meine Tätigkeit<br />
als Coach zwar sehr wichtig,<br />
aber sie soll bewusst nur gewissen<br />
Raum einnehmen. Ich werde<br />
bis zum Ende der Legislaturperiode<br />
noch in Berlin bleiben<br />
und anschließend ins Ausland<br />
gehen, weil sich das während<br />
des Studiums nie ergeben hat.<br />
Ich möchte in eine Großstadt<br />
mit viel Kultur, deshalb habe<br />
ich mich für London entschieden.<br />
Aktuell bewerbe ich mich<br />
für verschiedene Positionen bei<br />
Tech-Unternehmen in London –<br />
zum Beispiel als Research Scientist.<br />
Da drücke ich fest die Daumen!<br />
Vielen Dank für das spannende<br />
Gespräch, liebe Marianna!<br />
Die Fragen stellte<br />
Natalie Lehmann.<br />
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MITGLIEDSAUSWEIS 2022<br />
Kreativität auf<br />
Scheckkartenformat<br />
Wir suchen das Motiv für<br />
den Mitgliedsausweis 2022.<br />
S<br />
eit 2003 erhält jedes ordentliche<br />
Mitglied von Mensa in<br />
Deutschland (<strong>MinD</strong>), also jedes<br />
Mitglied, das seinen Mitgliedsbeitrag<br />
für das laufende Jahr bezahlt<br />
hat, einen Mitgliedsausweis.<br />
Auch für nächstes Jahr suchen<br />
wir ein neues Motiv für diesen Ausweis: Das Ausweismotiv<br />
wird von Mensa-Mitgliedern entworfen,<br />
online hochgeladen und ab dem 16. September<br />
2021 per Abstimmung von allen Mitgliedern<br />
ausgewählt.<br />
Für das Ausweismotiv 2022 freuen wir uns<br />
auf deine einfallsreichen Ideen. Es soll etwas<br />
mit Mensa oder den Zielen von <strong>MinD</strong> zu tun haben,<br />
alles andere bleibt dir und deiner Kreativität<br />
überlassen. Bis zum 15. September 2021, 23:59<br />
Uhr, hast du Zeit, deinen Entwurf online hochzuladen<br />
1 . Im Oktober werden dann alle Mitglieder<br />
zur elektronischen Abstimmung ihres Lieblingsentwurfs<br />
aufgerufen. In der Dezember-Ausgabe<br />
des <strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong>azins wird das Gewinner-Motiv bekannt<br />
gegeben und vorgestellt.<br />
Einige eingereichte Motive der vergangenen<br />
Jahre sind auf unserer Seite zu finden – vielleicht<br />
dienen sie euch zur Inspiration?<br />
Auch dieses Jahr können Minderjährige ihre<br />
kreativen Ideen einreichen. Eure Erziehungsberechtigten<br />
müssen eine Einverständniserklärung<br />
abgeben („Formblatt Minderjährige Teilnehmende<br />
des Ausweiswettbewerbs“) und bestätigen,<br />
dass ihr und sie mit eurer Teilnahme<br />
einverstanden sind. Beispielsweise<br />
geht es darum, dass euer<br />
Name im Falle eines Gewinnes<br />
veröffentlicht wird. Das ausgefüllte<br />
und unterschriebene Formblatt<br />
2 kann kommentarlos an<br />
m-ausweis@mensa.de geschickt werden; ob vor<br />
oder nach der Einreichung, ist dabei egal.<br />
Nun aber los: Die letzten Jahre haben gezeigt,<br />
dass Kreativität und Fantasie der eingereichten<br />
Entwürfe sehr vielfältig sind. Wir freuen uns auf<br />
eure Ideen!<br />
Die wichtigsten Punkte<br />
des Kleingedruckten noch<br />
einmal zusammengefasst:<br />
Die gesamten AGBs und das Formblatt zum diesjährigen<br />
Ausweis-Wettbewerb findest du nach<br />
dem Login auf der <strong>MinD</strong>-Seite 3 .<br />
• Der Ausweis besitzt Scheckkartenformat<br />
(90 x 58 Millimeter einschließlich 2 Millimeter<br />
Anschnitt an jeder Seite). Das Motiv muss daher<br />
Querformat haben, mit einem Seitenverhältnis<br />
zwischen 1,4:1 und 1,7:1.<br />
• Jedes M darf maximal zwei Entwürfe einsenden.<br />
• Mitglieder des Ausweis-Teams verzichten auf<br />
Einsendungen.<br />
• Als Einsendeschluss gilt der 15. September<br />
14 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
2021, 23.59 Uhr<br />
(Eingang beim<br />
Ausweisteam).<br />
• Das Motiv ist von dem einsendenden M<br />
selbst erstellt. Herunterladen und Verwenden<br />
von im Internet vorhandenen Motiven<br />
(ganz oder teilweise) ist kein Eigenentwurf.<br />
Es darf kein Copyright verletzt werden.<br />
• Das M–blem wird für das Motiv nicht verwendet.<br />
• Das Motiv soll bereits den Schriftzug „Mensa<br />
in Deutschland e. V.“ und die Jahreszahl<br />
2022 in der Schriftart Arial oder einer vergleichbaren<br />
Alternative und Schriftgröße 12<br />
Punkt enthalten.<br />
• Damit diese Schriften beim Sieger-Motiv<br />
eventuell noch einmal überarbeitet werden<br />
können, sollten Teilnehmende bei sich eine<br />
hoch aufgelöste Kopie des Entwurfs ohne<br />
Schriftzüge bereithalten.<br />
• Die Einsendenden sind grundsätzlich damit<br />
einverstanden, dass ihr Motiv auf Nachfrage<br />
im Mensabereich für andere Objekte verwendet<br />
wird (beispielsweise Tassen, T–Shirts,<br />
Webseiten für M-Angebote und so weiter).<br />
• Teilnehmende unter 18 Jahren senden bitte<br />
das ausgefüllte und unterschriebene<br />
Formblatt zur Bestätigung durch die gesetzlichen<br />
Vertretenden per E-Mail an<br />
m-ausweis@mensa.de.<br />
• Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Links:<br />
1 https://ausweis.mensa.de<br />
2 https://mind-mag.de/link/ausweis2022-<br />
formblatt<br />
3 https://mind-mag.de/link/ausweis2022<br />
Meine Kernkompetenz und Antwort auf den Null-Zins: Der gut gemanagte<br />
Investmentfonds zum langfristigen Vermögensaufbau, zur Altersvorsorge<br />
und als Entnahmemodell als Alternative zur Rentenversicherung. Als<br />
Mensaner erhaltet Ihr 20 % Rabatt auf alle Fonds-Dienstleistungen.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/august 2021 | 15<br />
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Lindenstr. 14 · 50674 Köln
UNTERWEGS<br />
JANA SCHLESKE<br />
Das Fern-Wandern<br />
ist des Ms Lust<br />
Seit sieben Jahren Richtung Santiago de Compostela.<br />
Meine Leidenschaft für das Fernwandern entdeckte ich, als ich vor einigen Jahren den<br />
Eindruck hatte, mich im Leben mal wieder so richtig verlaufen zu haben. Ich wusste nicht<br />
mehr, wohin mit mir. Ein guter Freund schlug vor: Wir gehen wandern. Den Rennsteig in<br />
Thüringen. Der hat einen Anfang und ein Ende, wir sind an der frischen Luft und haben Zeit,<br />
unterwegs Probleme zu wälzen.<br />
I<br />
ch steckte zu diesem Zeitpunkt<br />
regelrecht fest in meinem<br />
Drama und hätte zu allem<br />
Ja gesagt. So zogen wir los. Völlig<br />
ungeübt. Mit elf Kilo Gepäck<br />
auf dem Rücken transformierte<br />
ich in sechs Tagen und 180 Kilometern<br />
seelischen Schmerz in<br />
körperlichen.<br />
Erschöpft, aber glücklich erreichten<br />
wir unser Ziel und waren<br />
uns einig: Wandern macht<br />
Spaß, sortiert den Kopf und<br />
hat unsere langjährige Freundschaft<br />
nochmals vertieft.<br />
Auf dem Rennsteig war mir<br />
mehrfach die Markierung einer<br />
gelben Muschel auf blauem<br />
Grund begegnet. Am Tag nach<br />
unserer Rückkehr suchte ich in<br />
der Buchhandlung nach einem<br />
Buch über den klassischen Jakobsweg<br />
und kaufte eines über<br />
den in Brandenburg. Bis dahin<br />
hatte ich gedacht, der Jakobsweg<br />
führe nur durch Spanien.<br />
Aber natürlich sind die Pilgersleute<br />
früher direkt vor ihrer<br />
Haustür aufgebrochen, und<br />
so erstreckt sich ein Netz von<br />
Jakobswegen durch ganz Europa,<br />
die sich letztendlich in dem<br />
einen vereinigen, der die Pilgernden<br />
aus aller Herren Länder<br />
nach Santiago de Compostela<br />
bringt. Ich wollte das auch.<br />
Vom Rennsteig<br />
zum Jakobsweg<br />
Wenig später lief ich wieder<br />
los. Mein Vorhaben fand seinen<br />
Gut gelaunt unterwegs<br />
Richtung Spanien.<br />
Ausgangspunkt an der deutschpolnischen<br />
Grenze in Frankfurt/<br />
Oder. Das ganze Land sollten<br />
meine Füße vermessen. Da ich<br />
in Berlin wohne, war es mir so<br />
möglich, auf kleinen Tagestouren<br />
sicher Ausdauer und Orientierung<br />
zu trainieren. Ich plante<br />
meine Strecken so, dass ich mit<br />
den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
an- und abreisen konnte.<br />
Nach und nach lernte ich, die<br />
Strecken logistisch sorgfältig<br />
vorzubereiten. Dazu gehören<br />
Übernachtungsmöglichkeiten,<br />
regelmäßige Aufnahme von<br />
Proviant und Wasser, eine Exitstrategie<br />
an jedem Punkt der<br />
Tour sowie eine günstige Planung<br />
der Ruhetage im Idealfall<br />
mit Kulturprogramm.<br />
Seit nunmehr sieben Jahren<br />
laufe ich drei bis fünf Wochen<br />
im Jahr Richtung Santiago de<br />
Compostela und beginne jedes<br />
Mal nahtlos dort, wo ich im letzten<br />
Jahr aufgehört habe. Inzwi-<br />
16 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
JAKOBSWEG<br />
schen habe ich ganz Deutschland<br />
und auch Frankreich zu<br />
Fuß durchquert.<br />
Gleich dem Lebensweg gehe<br />
ich einen Teil der Strecke allein,<br />
auf manchen Abschnitten<br />
begleiten mich Freunde, die<br />
dazu an- und nach einigen Tagen<br />
Wanderung wieder abreisen.<br />
Gespräche entwickeln sich<br />
auf einer Wanderung anders als<br />
im heimischen Sessel. Das gleiche<br />
Ziel schafft Verbindung zueinander,<br />
und die gemeinsam<br />
zurückgelegten Schritte verbinden<br />
lückenlos den Raum zwischen<br />
Beginn und Ende der<br />
Wanderung.<br />
Während ich so durch die Natur<br />
schreite, empfinde ich meinen<br />
Körper als Verbindung zwischen<br />
Himmel und Erde und<br />
Wandern im Zauberwald.<br />
„Ich nehme die Natur und<br />
die Umgebung um mich<br />
herum intensiv wahr und<br />
werde ein Teil von ihr.“<br />
Alle Fotos: Jana Schleske<br />
habe das Gefühl, mit den Füßen<br />
die Erde unter mir zu bewegen<br />
und mit dem Geist den Himmel.<br />
Wie die Gedanken,<br />
so die Schritte<br />
Neue Orte und Erlebnisse öffnen<br />
unseren Blick und unseren<br />
Geist für neue Ideen. In unserem<br />
leistungsorientierten Alltag<br />
fällt es uns oft schwer, abzuschalten,<br />
uns zu erholen, einfach<br />
mal nichts zu tun, um den<br />
Gedanken freien Lauf zu lassen.<br />
Wandern kommt der Untätigkeit<br />
am nächsten und entwirrt<br />
dabei auf angenehme Art die<br />
Gedanken.<br />
Zu Beginn einer Tour laufe<br />
ich sehr schnell. Ich fliehe regelrecht<br />
vor dem Alltag und<br />
wie meine Füße über den Boden,<br />
so rasen meine Gedanken<br />
durch mein Hirn. Das Wandern<br />
zwingt mich körperlich ins Hier<br />
und Jetzt. Täglich mache ich die<br />
Erfahrung, mir selbst genug zu<br />
sein. Egal, welche Widrigkeiten<br />
mir unterwegs begegnen,<br />
ich bin in der Lage, sie mit eigenem<br />
Körper und Geist zu beherrschen.<br />
Nach wenigen Tagen beruhigen<br />
sich meine Schritte in gleichem<br />
Maße wie meine Gedanken.<br />
Der Kopf wird durch den<br />
Körper geerdet. Nach meinem<br />
Körper kommt nun auch mein<br />
Geist auf dem Weg an, und ich<br />
nehme die Natur und die Umgebung<br />
um mich herum intensiv<br />
wahr und werde ein Teil von ihr.<br />
Meine Tage sind ab sofort eingerahmt<br />
in zwei Termine: Sonnenaufgang<br />
und Sonnenuntergang.<br />
Dazwischen ein Weg, ein<br />
Plan – der am frühen Nachmittag<br />
oft verworfen werden muss –<br />
ein neuer Plan und jeden Abend<br />
bei Ankunft ein Erfolg.<br />
Auch wenn ich im Alltag eher<br />
eine Nachteule bin, hier komme<br />
ich bereits nach wenigen Tagen<br />
in diesen natürlichen Rhythmus.<br />
Kurz vor Sonnenaufgang<br />
wache ich auf und baue mein<br />
Zelt ab. Wenn ich früh genug<br />
aufbreche, liegt über den Wiesen<br />
noch Nebel. Das Wandern<br />
bringt uns nicht nur in die Natur,<br />
es führt uns auch zurück in<br />
unsere ganz eigene.<br />
Das Wort ‚wandern‘ ist eine<br />
Iterativbildung zu althochdeutsch<br />
‚wantōn‘ und bedeutet<br />
‚sich immer wieder winden‘.<br />
Auch das Wort ‚Wunder‘ ist eng<br />
verwandt. Und tatsächlich habe<br />
ich auf dem Weg das Gefühl,<br />
mich mit den Füßen ‚durch die<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 17
UNTERWEGS<br />
Landschaft zu winden‘, während<br />
mein Geist in den tiefsten<br />
Windungen meines Hirns längst<br />
vergessengeglaubte Erinnerungen<br />
findet, neu in Szene setzt<br />
und verarbeitet.<br />
Auch in dem Wort ‚Vergangenheit‘<br />
finden wir diese Metapher,<br />
die uns gleichzeitig vom Gehen<br />
auf das Wissen verweist. Wenn<br />
wir ein Thema aufmerksam<br />
durchgegangen sind, erkennen<br />
und wissen wir.<br />
Ultralight, aber immer<br />
mit Notration<br />
18 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021<br />
Das Zeichen des<br />
Jakobsweges.<br />
Nach und nach habe ich meine<br />
Ausrüstung auf ultra light<br />
optimiert. In Vorbereitung auf<br />
meine Tour wiege ich jedes Teil<br />
ab und liste sein Gewicht in einer<br />
Exceltabelle auf, die mir<br />
gnadenlos das Gesamtgewicht<br />
vor Augen führt. Inzwischen<br />
bin ich bei 9,6 Kilo inklusive<br />
Zeltausrüstung angekommen.<br />
Jeden Abend, nachdem ich<br />
mein Nachtlager aufgeschlagen<br />
habe, wasche ich meine<br />
Kleidung und plane den nächsten<br />
Tag konkret. Strecke und Tagesziel<br />
müssen aufmerksam betrachtet<br />
werden, um nicht unnötig<br />
viel Proviant oder Wasser<br />
zu tragen. Es empfiehlt sich<br />
auch, für den Notfall stets eine<br />
eiserne Ration Nahrungsmittel<br />
mit möglichst hoher Kaloriendichte<br />
dabei zu haben.<br />
Ebenso will der Wasserverbrauch<br />
gut geplant sein. Besonders<br />
in dünn besiedelten Gebieten<br />
fiel es mir trotz Sichtung<br />
absurd vieler Hydranten oft<br />
schwer, an Trinkwasser zu kommen.<br />
Glücklicherweise hat jeder<br />
noch so kleine Ort einen Friedhof,<br />
der einen vor dem Verdursten<br />
rettet.<br />
Spätestens am frühen Nachmittag<br />
beginne ich, mich nach<br />
einem Schlafplatz umzusehen.<br />
Ich liebe es, wann immer<br />
es möglich ist, draußen zu<br />
schlafen. Pilgerherbergen bieten<br />
oft die Möglichkeit, auf ihrem<br />
Grundstück ein Zelt aufzustellen.<br />
Dafür nehmen sie in der<br />
Regel nicht mehr als 5 Euro und<br />
erlauben aber die Nutzung der<br />
Dusche, und wenn man möchte,<br />
gegen Aufpreis ein Abendessen<br />
in Gemeinschaft.<br />
Natürlich muss es nicht unbedingt<br />
der Jakobsweg sein, wenn<br />
man wandern möchte. Mir sind<br />
Fernwandernde begegnet, die<br />
aus unterschiedlichsten Motiven<br />
unterwegs waren. Schulfreunde,<br />
die vor 20 Jahren auf<br />
ihrer Abschlussfeier beschlossen<br />
hatten, jedes Jahr eine Woche<br />
zu wandern, um nach weiteren<br />
20 Jahren auf diese Art in<br />
Ulan Bator anzukommen. Oder<br />
Moritz, der einsame Wanderer<br />
aus Norddeutschland, der nach<br />
einer Lebenskrise einen persönlichen<br />
und beruflichen Neustart<br />
in Bayern wagen wollte.<br />
Der Jakobsweg bietet mit seiner<br />
in großen Teilen erschlossenen<br />
Infrastruktur aber viele<br />
Vorteile. Wenn der Weg keine<br />
Herbergen bereithält und auch<br />
keine Pensionen oder Hotels zu<br />
finden sind, kann man in der<br />
Kirche oder im Gemeindehaus<br />
um Unterschlupf bitten. Die Gemeinden<br />
am Weg sind Pilgernde<br />
gewöhnt und helfen gern.<br />
Die rund um den Weg entstandene<br />
Gemeinschaft steht als solche<br />
stets bereit.<br />
Wer Gesellschaft sucht, findet<br />
sie auf dem Weg. Wem die nicht<br />
gefällt, der oder die macht einen<br />
Tag Pause und trifft am nächsten<br />
Tag auf andere Mitwandernde.<br />
Tipps und Tricks auf und<br />
rund um den Weg finden sich in<br />
zahlreichen Facebook- oder Instagramgruppen.<br />
Egal, welcher<br />
Weg es nun sein soll, mein unbedingter<br />
Rat ist:<br />
Nehmt euch Zeit. Plant, ob<br />
ihr drei oder fünf Wochen laufen<br />
wollt, aber macht eure zeitlichen<br />
Pläne nicht an einem Zielort<br />
fest. Sonst verwandelt sich<br />
euer wundersames Abenteuer<br />
von einem fernen Sehnsuchtsort<br />
in leistungsorientierten Alltag.<br />
Körper und Geist, Begegnungen<br />
und Kultur – brauchen<br />
vor allem Zeit.<br />
Und was die Pilgersleute im<br />
Mittelalter anging, sie liefen<br />
auch zurück. Wenn das gut ging,<br />
kamen sie nicht nur wohlbehalten<br />
und mit vielen Geschichten<br />
zu Hause an, sondern auch ganz<br />
bei sich selbst.<br />
Wandern bedeutet ‚sich<br />
immer wieder winden‘.
In Bremen vor<br />
dem Roland.<br />
Fotos: Jürgen Staab<br />
Rast am Zusammenfluss<br />
von Fulda und Werra.<br />
JÜRGEN STAAB<br />
Nordwärts gegen den Wind<br />
Zwei Ms auf dem Weser-Radweg.<br />
K<br />
urz entschlossen sind wir,<br />
Sabine und Jürgen, nach<br />
dem Ende des Beherbergungsverbots,<br />
in Hann. Münden<br />
trotz widriger Wetterprognose<br />
auf den Weserradweg Richtung<br />
Cuxhaven gestartet. Mit<br />
ein paar Corona-Kilos und nach<br />
trainingsarmer Winterzeit gingen<br />
wir die gut 500 Kilometer<br />
optimistisch an. Die schönen<br />
Eindrücke der Fluss- und Auenlandschaft<br />
(Sabine) und die vielfältigen<br />
Windräder (Jürgen) haben<br />
uns trotz widriger Wetterverhältnisse,<br />
Muskelkrämpfen,<br />
bissiger Bulldoggen und zahlreicher<br />
Corona-Schnelltests in allen<br />
verfügbaren Varianten ausdauernd<br />
weiter radeln lassen.<br />
Wir besichtigten Sehenswürdigkeiten<br />
wie den Bremer Roland,<br />
die Stadtmusikanten, viele alte<br />
Windmühlen und überquerten<br />
mit kleinen und großen Fähren<br />
zahlreiche Flüsse. Auch Störche,<br />
Enten, Gänse, Hasen, Rehe,<br />
Fasane, schwarzköpfige Deichschafe,<br />
Möwen, Raubvögel und<br />
sogar Auerhühner konnten wir<br />
beobachten. Schnecken und Regenwürmer<br />
kreuzten den oft<br />
feuchten Weg. Viele Schutzhütten<br />
entlang der gut ausgebauten<br />
und ausgeschilderten Route<br />
sorgten für angenehme Picknickpausen.<br />
Nach sechs Tagen<br />
erkundeten wir Bremerhaven.<br />
Und schließlich erreichten wir<br />
nach der letzten Übernachtung<br />
in Wremen unser Ziel Cuxhaven.<br />
Von dort ging es mit der<br />
Bahn bei zeitweiligem Sonnenschein<br />
und ein paar Kilo leichter<br />
zurück nach Hann. Münden.<br />
Nach dem ereignisarmen<br />
Corona-Jahr haben wir die Natur-<br />
und Kultur-Eindrücke und<br />
manches Fischbrötchen sehr genossen.<br />
Meist waren wir auf der verkehrsarmen<br />
Hauptroute unterwegs.<br />
Von Achim nach Bremen<br />
und dann entlang der Wümme<br />
haben wir architektonisch und<br />
landschaftlich besonders schöne<br />
Nebenstrecken gewählt, auf<br />
den letzten Kilometern vor Cuxhaven<br />
auch mal die Strecke vor<br />
dem Deich mit Meerblick. Im<br />
Laufe der Tour haben wir immer<br />
bessere Touren-Beschreibungen<br />
und Unterkunftslisten gesammelt,<br />
die wir gerne als Paket an<br />
die nächsten radelnden Ms weitergeben.<br />
Unbedingt auf die Packliste<br />
sollten:<br />
• Zinksalbe für „Sattel-Schwielen“<br />
• <strong>Mag</strong>nesium in allen Varianten<br />
gegen Muskelkrämpfe<br />
• Wind- und Regenschutz<br />
• Kettenöl und Luftpumpe<br />
• Kamera für die vielen pittoresken<br />
Ansichten<br />
Außerdem wichtig:<br />
Immer genug (Rest-)Kraft in den<br />
Waden, um im Spontansprint<br />
zähnefletschenden Bulldoggen<br />
zu entkommen.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 19
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND<br />
TINA ZEJEWSKI<br />
Vermarktungsstark<br />
und gesellig<br />
Die ungarische Mensa ist dank ihrer<br />
Hauptstadtzentrale eine tolle Anlaufstelle.<br />
Sommer 2020, seit ein paar Tagen ist beschränktes Reisen<br />
wieder möglich. Budapest ist bekanntlich immer eine<br />
Reise wert, aber wo wird man die dortigen Mensanerinnen<br />
und Mensaner in größerer Runde treffen können? In<br />
der vereinseigenen Zentrale mitten in der Budapester<br />
Innenstadt.<br />
D<br />
ie etwa zweitausendköpfige<br />
Mensagemeinde in<br />
der Donaumetropole ist tatsächlich<br />
so aktiv, dass der ungarische<br />
Vorstand vor einiger<br />
Zeit entschied, dass es günstiger<br />
ist, permanent einen eigenen<br />
Aufenthalts-, Gemeinschafts-<br />
und Vortragsraum zentral<br />
in Budapest zu betreiben,<br />
als zwei- bis dreimal pro Monat<br />
einen externen Raum anzumieten.<br />
Neben regelmäßigen Vortragsveranstaltungen,<br />
bei denen<br />
in der Regel renommierte<br />
nicht-mensanische Gäste zu bestimmten<br />
Themen sprechen,<br />
gibt es in der<br />
Zentrale mindestens<br />
alle zwei Wochen<br />
einen Spieleabend<br />
der Brettspiele-SIG.<br />
Auch beim mindestens<br />
wöchentlichen Treffen im Restaurant<br />
„Blue Rose“ wird meistens<br />
irgendein Spiel ausgepackt,<br />
denn vermutlich sind die ungarischen<br />
Ms noch brettspielebegeisterter<br />
als die deutschen.<br />
Mensa<br />
Társasjátékverseny<br />
Neben den beiden Riesenmensas<br />
in den USA und Deutschland<br />
hat nur die verhältnismäßig<br />
kleine Mensa HungarIQa<br />
mit dem Mensa Társasjátékverseny<br />
ihren eigenen<br />
Spielepreis, der in der<br />
Spielewelt beträchtliches<br />
Ansehen genießt.<br />
Tatsächlich<br />
gehen Spieleverlage<br />
mittlerweile proaktiv auf Mensa<br />
HungarIQa zu, schicken ihre<br />
Neuheiten gratis an die Zentrale,<br />
sodass es auch in den riesigen<br />
Regalen in der Bajnok utca 13<br />
bald eng werden könnte (aktuell<br />
befinden sich über 300 Spiele<br />
im Eigentum der ungarischen<br />
Brettspiele-SIG).<br />
Schaut man auf die Historie<br />
des Mensa Társasjátékverseny,<br />
finden sich natürlich viele Überlappungen<br />
zum deutschen Geschmack:<br />
Auch hier war 2016<br />
das beliebte „Codenames“, zu<br />
Ungarisch „Fedőnevek“, unter<br />
den Siegern.<br />
(Gaumen-)Kultur<br />
und Mensa Youth<br />
Aber auch die sonstige Kultur<br />
kommt bei exklusiven und offenen<br />
Führungen nicht zu kurz.<br />
Außerdem trifft sich die Gastro-<br />
SIG zum Restauranttesten. Eine<br />
besondere Reihe widmet sich<br />
dabei Restaurants, in denen das<br />
Essen nach bestimmten Weltanschauungen<br />
oder religiösen<br />
20 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
UNGARN<br />
Die Spielesammlung<br />
der ungarischen Mensa.<br />
Foto: Zejewski<br />
Vorschriften zubereitet wird. Zu<br />
all diesen offensichtlich durch<br />
und durch erwachsenen Aktivitäten<br />
trifft sich die HY-SIG (Hungarian<br />
Youth Special Interest<br />
Group) wöchentlich in einer Bar<br />
und monatlich zum Bowling.<br />
Eine aktive SIG-Kultur gibt es<br />
in Ungarn auf jeden Fall: Auch<br />
andere SIGs wie die Poker-SIG,<br />
Regenbogen-SIG, der Buchclub<br />
und die Harry-Potter-Fans treffen<br />
sich mehrmals im Monat.<br />
Und natürlich finden sich immer<br />
einige Mensanerinnen und<br />
Mensaner, um gemeinsam ein<br />
Konzert zu besuchen, ins Museum<br />
zu gehen, Kanu zu fahren<br />
oder einfach aus einem Mensafreien<br />
Abend in der Bar doch<br />
noch einen mit Ms zu machen.<br />
Abseits der<br />
Hauptstadt<br />
Und abseits der Hauptstadt?<br />
Rund zweitausend Ms verteilen<br />
sich über Ungarns ländlichen<br />
Raum und die Großstädte neben<br />
Budapest, weshalb sich ein<br />
Großteil der Arbeit des jeweiligen<br />
Vorstands auf die Vernetzung<br />
der Mitglieder im ländlichen<br />
Raum konzentriert. Größere<br />
Städte mit genügend<br />
Mitgliedern können einen Lokalvorstand<br />
bilden, der sich im<br />
Gegensatz zum deutschen Loc-<br />
Sec-Modell aus jeweils drei Mitgliedern<br />
zusammensetzt, um<br />
eine Große Lokalgruppe zu werden.<br />
Solche Lokalvorstände gibt<br />
es aktuell in Debrecen, Szeged,<br />
Miskolc, Pécs, Sopron und Székesfehérvár.<br />
Alle sechs Städte<br />
sind auch Hauptstadt ihres jeweiligen<br />
Komitats, von denen es<br />
neunzehn in Ungarn gibt. Große<br />
Lokalgruppen erhalten wie<br />
ein LocSec-Gebiet ein eigenes<br />
Budget zur freien Verfügung zugeteilt,<br />
das sich aus Mitgliedsbeiträgen<br />
und Testeinnahmen<br />
zusammensetzt, und organisieren<br />
mindestens ein monatliches<br />
Treffen.<br />
Kleinere aktive Lokalgruppen<br />
ohne Lokalvorstand und Budgetzuteilung<br />
gibt es in Eger, Kecskemét,<br />
Győr, Veszprém and Zalaegerszeg.<br />
Dem Vorstand liegt<br />
die Kontaktpflege in die Lokalgruppen<br />
sehr am Herzen. In<br />
der Regel versuchen die Amtierenden,<br />
jede Lokalgruppe mindestens<br />
einmal in ihrer Amtszeit<br />
zu besuchen, damit diese<br />
nicht vom vielfältigen Vereinsleben<br />
in der Hauptstadt abgehängt<br />
wird.<br />
Marketing mit Enten<br />
und Entspannung<br />
Als überregionale Veranstaltung<br />
finden jährlich drei HY-<br />
Camps sowie ein „erwachsenes“<br />
Sommercamp statt, bei dem<br />
sich die ungarischen Ms bisher<br />
meistens am Plattensee trafen.<br />
2021 findet es im west-ungarischen<br />
Kurort Bük in einem der<br />
größten ungarischen Spas, Bükfürdő,<br />
statt.<br />
Mensa HungarIQa weiß sich<br />
auf jeden Fall attraktiv zu verkaufen.<br />
Nicht nur der umfangreiche<br />
Souvenirshop mit T-<br />
Shirts, Hoodies und Quietscheentchen<br />
und die trendige Internetpräsenz<br />
lassen einen vor<br />
Neid und Ehrfurcht erblassen,<br />
sondern auch clevere Ideen, wie<br />
die Vorzüge der Gemeinnützigkeit<br />
aktiv zu bewerben: Ein großer<br />
Hinweis auf „1 %“ springt<br />
der Homepagebesucherin direkt<br />
in die Augen. Dabei geht<br />
es aber keinesfalls um den Anteil<br />
von Ms unter den Hochbegabten<br />
der Bevölkerung, sondern<br />
um den Anteil der Einkommenssteuer,<br />
den man in Ungarn<br />
an eine gemeinnützige Organisation<br />
wie Mensa HungarIQa<br />
spenden kann.<br />
Die Internetseite von Mensa<br />
HungarIQa erreicht ihr unter<br />
https://mensa.hu/.<br />
Der Dank der Autorin gilt<br />
Amanda Bella, Eszter Chrobacsinszky<br />
und Sára Hanna Juhász.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 21
PRISMENFERNGLAS<br />
HARTMUT BLESSING<br />
„O, du relativ vitaler Udo!“<br />
Spielereien mit Namen.<br />
„In Nagold legen Hähne Geld“,<br />
log Anni. Dieser merkwürdige<br />
Satz ist ein Palindrom, also von<br />
vorne und hinten gelesen gleich.<br />
Gerade mit Vornamen kann<br />
man ungewöhnliche Palindrome<br />
bilden. Weitere Beispiele:<br />
„Nie sieb' mit Otto T. Im Beisein.“<br />
„Mit Tabelle! bat Tim.“ „Frodo-Dorf“<br />
(ein Ort für Fans des<br />
Schriftstellers Tolkien). „Adam,<br />
ramm' Armada!“ „Red', Osiris,<br />
oder …“ „Es eilt, Liese!“ „O, du<br />
relativ vitaler Udo!“ „Der fette<br />
Fred“. Besonders produktiv bei<br />
solchen Palindromen war Hansgeorg<br />
Stengel, der sein Buch<br />
gleich „Annasusanna“ nannte,<br />
„Ein Pendelbuch für Linksund<br />
Rechtsleser.“ Darin finden<br />
sich der „NATO-Wotan“, die<br />
„Anni-Minna“, der „Roger-Gregor“<br />
und der „Tunke-Knut“. Als<br />
Überschrift für unsere Spielereien<br />
hier kann Stengels „Klubulk“<br />
dienen.<br />
Mehrzahlen, Wortfrauen,<br />
Wortmänner<br />
In einem Schülerkalender las<br />
ich einst lustige Pluralformen,<br />
die „Mehrzahlen“ genannt werden,<br />
etwa „der Schrank – die<br />
Schranke“ oder „die List – die<br />
Liste“. Auch hier geht einiges<br />
mit Namen: „Der Klaus – die<br />
Klause“, „der Frank – die Franken“,<br />
„der Adel – die Adele“.<br />
Eine nette Spielerei sind<br />
die „Wortfrauen“: „Schizo-Vreni“,<br />
„Kan-Ute“, „Hosi-Anna“,<br />
„Scheinf-Irma“, „Ka-Lotte“, „Philo-Sophie“,<br />
„Se-Pia“, „Bagat-Ellen“<br />
und „Best-Imme“. „Schizo-<br />
Vreni“ gefällt mir so sehr, dass<br />
ich mir schon überlegt habe,<br />
man könnte Geschichten mit ihren<br />
Abenteuern schreiben. Man<br />
kann auch am Wortanfang suchen<br />
und „Wortmänner“ finden:<br />
„Robin-ie“, „Ben-achteiligt“,<br />
„Finn-land“, „Julian-fang“, „Timmendorf“,<br />
„Theo-dolit“, „Malte-ser“<br />
oder „Nick-el“. Oder mitten<br />
im Wort: „Strand-KURT-axe“,<br />
„L-OTTO-schein“, „C-HORST-immen“,<br />
„St-ERNST-stunde“. Einige<br />
dieser Beispiele bringt Eugen<br />
Oker im Buch „Wort-Spielereien“.<br />
Schüttelreime und Anagramme<br />
Auch Schüttelreime bieten sich<br />
bei Namen an. Siegfried Bassler<br />
dichtete: „Du stehst nie an der<br />
Mauer, Dieter, du bist des Glückes<br />
Dauermieter.“ „Die schönen<br />
Namen Sören, Hagen, kennt<br />
mancher nur vom Hörensagen.“<br />
Oder ganz kurz: „Lutz scheute<br />
Schutzleute.“<br />
Einen Mensaner namens „Roland“,<br />
dessen Namen ich mir zuerst<br />
nicht merken konnte, fragte<br />
ich mal, ob er „Arnold“ hieße.<br />
Da meinte er: „Fast. Ronald ginge<br />
auch.“ Gerade bei berühmten<br />
Namen sind solche Anagramme<br />
gerne gewählt worden. Aus<br />
„Martin Luther“ wird da „lehrt<br />
in Armut“ und André Breton<br />
machte aus dem Namen seines<br />
Freundes, des Malers „Salvador<br />
Dali“, das Anagramm „avida dollars“<br />
(„ich liebe Dollars“), in Anspielung<br />
auf dessen Geschäftstüchtigkeit.<br />
Sehr beliebt sind die „Visitenkarten-Rätsel“<br />
genannten Anagramme:<br />
ALINE FORKIN, REGI-<br />
NE TANNI, LARS NIETAU – wohin<br />
fahren sie in die Ferien?<br />
Lösungen: Kalifornien, Argentinien,<br />
Australien. HORST PI-<br />
ZIKES, VERL – MARIA TEICH-<br />
LE, BONN – welche Berufe üben<br />
sie aus? Lösungen: Verkehrspolizist,<br />
Chemielaborantin.<br />
PRISMENFERNGLAS<br />
Warum Prismenfernglas?<br />
Prismenfernglas steht für die<br />
Buntheit des Lebens, vor allem der<br />
Sprache — das Fernglas steht für den<br />
Blick über den Tellerrand.<br />
Unter dieser Rubrik erscheinen<br />
regelmäßig Beiträge zu Sprachspielen<br />
und Etymologie.<br />
22 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
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Die Gastgeberin:<br />
Natascha Hoffner<br />
Initiatorin der herCAREER
PARTEI-POLITIK<br />
Politik? Ja, bitte!<br />
Ms engagieren sich in<br />
Parteien ‒ und geben<br />
Wahlempfehlungen<br />
Von AfD bis Linke: Wir gestalten mit.<br />
„Mensa holds no opinion“ ist einer<br />
der zentralen und meistdiskutierten<br />
Sätze des mensanischen<br />
Selbstverständnisses. Vor<br />
allem gilt dieser Satz für politische<br />
und religiöse Fragen: Mensa<br />
gibt kein Bekenntnis oder<br />
Statement ab, äußert sich offiziell<br />
nicht zu Klimawandel, Geschlechtergerechtigkeit,<br />
Migration<br />
und ähnlichen Menschheitsthemen.<br />
Das heißt umgekehrt<br />
nicht, dass Ms ebenfalls<br />
keine Meinung haben. Ganz im<br />
Gegenteil, es gehört zum Wesen<br />
von Mensa, dass gestritten wird<br />
und die Ansichten der anderen<br />
toleriert werden (siehe dazu<br />
auch das Vorstands-Vorwort).<br />
Gerade auch in der Politik mischen<br />
sich Ms ein. Sie engagieren<br />
sich in allen Parteien von<br />
AfD bis Linke, sitzen im Bundestag,<br />
in Land- und Kreistagen,<br />
in Stadtparlamenten, sind auf<br />
kommunaler Ebene oder in ihren<br />
jeweiligen Partei-Organisationen<br />
aktiv. Und wann gibt es<br />
einen besseren Zeitpunkt, einige<br />
von ihnen vorzustellen, als<br />
kurz vor einer Bundestagswahl?<br />
Wir suchten Mitglieder aus<br />
den in den Bundestag gewählten<br />
Parteien: CDU, SPD, AfD,<br />
FDP, Grüne, Linke, CSU. Als erste<br />
meldete sich allerdings eine<br />
Vertreterin der Freien Wähler.<br />
Die sind auf lokaler Ebene stark<br />
und regieren in Bayern sogar<br />
mit. Deswegen: Acht statt sieben<br />
Vertreterinnen und Vertreter.<br />
Acht Köpfe, acht Parteien, acht<br />
unterschiedliche Politik-Karrieren.<br />
Fünf identische Fragen, um<br />
besser vergleichen und Wahlempfehlungen<br />
einschätzen zu<br />
können. Denn am Ende geht es<br />
auch darum, wo M am 26. September<br />
seine zwei Kreuzchen<br />
macht.<br />
Und es geht um Mitmachen<br />
und Mitgestalten. Oder, wie<br />
CSU-Mitglied Philipp Götz es etwas<br />
pathetisch, aber sehr treffend<br />
ausdrückt: „Grundrechte<br />
und -freiheiten werden schnell<br />
für selbstverständlich erachtet<br />
und damit nicht genug geschätzt<br />
– doch sie zu bewahren<br />
und zu fördern ist eine für mich<br />
unumgängliche Pflicht.“<br />
„Zum Wohle der Menschheit<br />
zu wirken“ ist ein weiteres zentrales<br />
Mensa-Anliegen. Das<br />
kann auch und gerade in Parteien<br />
umgesetzt werden. Oder<br />
in NGOs, in Bürgerinitiativen,<br />
Nachbarschaftshilfen, ehrenamtlichen<br />
Tätigkeiten. Sich einmischen,<br />
mitreden, überzeugen,<br />
auch durchsetzen wollen,<br />
das macht Demokratie wirklich<br />
aus. Und nachgewiesen intelligente<br />
Leute sind vielleicht nicht<br />
die schlechtesten Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer am öffentlichen<br />
Diskurs – auch wenn neben<br />
Intelligenz noch ein paar<br />
weitere Eigenschaften wünschenswert<br />
sind.<br />
Die Reihenfolge der nachfolgenden<br />
Ms ist strikt alphabetisch<br />
– alles andere hätte zu Vermutungen<br />
und Spekulationen<br />
geführt.<br />
Lasst euch inspirieren!<br />
24 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Daniel Blödorn<br />
(CDU)<br />
Wohnort: Erfurt<br />
Alter: 30 Jahre<br />
Parteimitglied seit:<br />
Oktober 2020<br />
Funktion/Amt:<br />
Stellv. Vorsitzender der JU<br />
Erfurt (seit Januar 2020)<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Mitglied in der CDU bin ich seit<br />
dem 3. Oktober 2020, dem dreißigsten<br />
Jahrestag der deutschen<br />
Einheit. Mein Eintritt war Ergebnis<br />
eines Annäherungsprozesses<br />
und lange überlegt. Nach<br />
mehreren Wahlkämpfen hat<br />
mich neben den Inhalten auch<br />
das in der Union gelebte Miteinander<br />
überzeugt.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Kommunal trete ich für eine<br />
familienfreundliche Stadtentwicklungspolitik<br />
ein. Ansonsten<br />
setze ich mich sehr mit wirtschaftlichen<br />
und infrastrukturellen<br />
Themen und den mit ihnen<br />
verbundenen sozialen und<br />
geopolitischen Folgen auseinander.<br />
Wieviel Zeit wendest du pro<br />
Woche für die Parteiarbeit<br />
etwa auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
Steht gerade keine Wahl an,<br />
dann schätze ich den reinen<br />
Arbeitsaufwand auf etwa fünf<br />
Stunden. Dazu gehören zum<br />
Beispiel Vorstandssitzungen,<br />
Klausurtagungen, die bundesweite<br />
Vernetzung, aber auch die<br />
fachliche Arbeit<br />
in diversen Arbeitskreisen.<br />
Im<br />
Wahlkampf können<br />
es dann schnell mehr als<br />
20 Stunden werden. Wie fast<br />
alle Mitglieder arbeite ich ausschließlich<br />
ehrenamtlich.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Ja, als wir 2017 nach sehr viel Arbeit<br />
unser Bundestags-Direktmandat<br />
in Erfurt verteidigen<br />
konnten. Direkt gewählte Kandidaten<br />
können im Parlament<br />
immer etwas freier aufspielen<br />
als über Listen eingezogene.<br />
Deshalb bin ich auch dafür, dass<br />
bei einer Wahlrechtsreform unbedingt<br />
das Direktmandat gestärkt<br />
werden sollte.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
Erstens steht die CDU zu unserer<br />
mittelständisch geprägten Wirtschaft.<br />
Wir haben stets im Blick,<br />
dass ein ergiebiges Steueraufkommen<br />
von fähigen Unternehmern<br />
und fleißigen Angestellten<br />
erst erarbeitet werden muss.<br />
Außerdem sehen wir unternehmerische<br />
Kreativität als entscheidende<br />
Triebfeder des Fortschritts,<br />
siehe BioNTech. Ich bin<br />
deshalb ein großer Fan unserer<br />
sozialen Marktwirtschaft.<br />
Zweitens ist die CDU die Familienpartei.<br />
Wir begreifen starke<br />
Familien als das Fundament<br />
unserer freien Gesellschaft. Das<br />
neue Baukindergeld, das erhöhte<br />
Bafög und der erhöhte Freibetrag<br />
für Alleinerziehende sind<br />
daher ein Zeichen unserer Anerkennung<br />
dafür,<br />
dass in den Familien<br />
dieses Landes<br />
unsere Zukunft<br />
liegt.<br />
Und drittens ist die CDU besonnen<br />
im Umgang mit Krisen<br />
und Umwälzungen. Als Volkspartei<br />
agiert sie in Notsituationen<br />
ausgleichend und lässt niemanden<br />
zurück. Ja, schnelle<br />
Veränderungen sind nicht unsere<br />
Stärke. Wir verfolgen lieber<br />
eine Strategie der kontinuierlichen,<br />
evolutionären Verbesserung<br />
des Landes. Der Erfolg<br />
zeigt sich dann zwar meist<br />
nicht sofort, doch dafür ist er<br />
nachhaltig. Das haben wir in der<br />
Impfkampagne bewiesen.<br />
Links:<br />
www.cdu.de/<br />
PARTEI-POLITIK<br />
Das Wahlprogramm:<br />
ein-guter-plan-fuer-deutschland.de/<br />
Kurzportrait der Jungen Union:<br />
www.junge-union.de/ueberuns/<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 25
PARTEI-POLITIK<br />
Helge Böttcher<br />
(Grüne)<br />
Wohnort: Braunschweig<br />
Alter: 31 Jahre<br />
seit 2013 Parteimitglied,<br />
seit 2016 im Rat der Stadt<br />
Braunschweig und Bezirksrat<br />
Innenstadt für die Grünen,<br />
stellv. Fraktionsvorsitzender,<br />
Spitzenkandidat für die Kommunalwahl<br />
2021<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Ich wurde 2013 Mitglied bei den<br />
Grünen, um ein Zeichen gegen<br />
die schwarz-gelbe Bundesregierung<br />
zu setzen. Außerdem waren<br />
sie die einzigen, die glaubhaft<br />
gegen den Klimawandel<br />
vorgingen. In Braunschweig waren<br />
die Grünen zudem die einzige<br />
Partei, die sich sachlich und<br />
konstruktiv mit konkreten Projekten<br />
beschäftigte, ohne alles<br />
gleich ideologisch zu verteufeln<br />
oder zu beschönigen wie<br />
manchmal in anderen Parteien.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Als Mitglied im Stadtrat möchte<br />
ich vor Ort gestalten. Dazu gehört<br />
für mich, eine Stadt so zu<br />
gestalten, dass Menschen dort<br />
gerne leben. Mit Grünflächen,<br />
KiTas, Spielplätzen, sicheren<br />
Radwegen und einem funktionierenden<br />
ÖPNV. Mein persönlicher<br />
Schwerpunkt liegt dabei<br />
im Finanzbereich, wo ich unter<br />
anderem über den städtischen<br />
Haushalt dafür sorgen kann,<br />
dass für entsprechende Projekte<br />
ausreichend Mittel bereitgestellt<br />
werden.<br />
Wieviel Zeit wendest<br />
du pro Woche für die<br />
Parteiarbeit etwa<br />
auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
In normalen Zeiten<br />
ohne Wahlen sind es grob geschätzt<br />
20 Stunden pro Woche.<br />
Aktuell sind es wahrscheinlich<br />
20 + X Stunden, wobei X bis zu<br />
den Wahlen im September wöchentlich<br />
größer wird.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Auch wenn der Anlass grundsätzlich<br />
ein trauriger ist, freue<br />
ich mich, dass der Klimawandel<br />
seit einigen Jahren, insbesondere<br />
durch viele junge demonstrierende<br />
Menschen, zu einem<br />
zentralen Thema geworden ist.<br />
Das unterstreicht zum einen die<br />
Dringlichkeit, endlich konkrete<br />
Maßnahmen zu ergreifen, und<br />
zum anderen, dass es auf politischer<br />
Ebene kein „weiter so“<br />
mehr geben darf.<br />
Auf kommunaler Ebene bin<br />
ich schon etwas stolz darauf,<br />
dass auf meine Initiative ein<br />
Förderprogramm zum Kauf von<br />
Lastenrädern eingeführt wurde.<br />
Damit wird der Kauf von Lastenrädern<br />
finanziell gefördert, und<br />
insbesondere motorisierte Lieferverkehre<br />
in der Stadt nehmen<br />
ab.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
1. Die Grünen sind die Einzigen,<br />
die es mit dem Umwelt- und Klimaschutz<br />
wirklich ernst meinen!<br />
Eine echte (!) Verkehrswende,<br />
den Ausstieg aus der<br />
Atomenergie und<br />
vollständigen Einstieg<br />
in erneuerbare<br />
Energien gibt es<br />
nur mit uns.<br />
2. Wir brauchen<br />
mehr soziale Gerechtigkeit.<br />
Wohnraum muss<br />
bezahlbar bleiben und Hartz IV<br />
reformiert werden.<br />
3. Grüne wollen eine zukunftsfähige<br />
Wirtschaft, die die Chancen<br />
der Digitalisierung nutzt<br />
und klimaneutralen Wohlstand<br />
schafft. Viele Unternehmen haben<br />
längst erkannt, dass Klimaschutz<br />
das stabilste Wachstumsmodell<br />
ist. Diese wollen wir bei<br />
den nötigen Investitionen in<br />
den ökologischen Umbau unterstützen.<br />
Links:<br />
persönliche Seiten:<br />
Facebook:<br />
@helgeboettcherpolitik<br />
Insta:<br />
@HelgeBoettcher<br />
Allgemein:<br />
https://www.gruene.de/<br />
26 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Katharina Geuking<br />
(Linke)<br />
Wohnort: Münster<br />
Alter: 33 Jahre<br />
Parteimitglied seit: 2014<br />
Funktionen:<br />
Kreisvorsitzende seit 2016,<br />
Mitglied im Rat der Stadt<br />
Münster seit 2020<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Ich war viele Jahre lang in der<br />
Umweltbewegung aktiv, habe<br />
gegen AKWs und Kohlekraftwerke<br />
demonstriert und mich<br />
unter anderem für die Reduzierung<br />
des Fleischkonsums<br />
und eine nachhaltige Produktion<br />
von beispielsweise Kleidung<br />
eingesetzt. Mir wurde während<br />
dieser Zeit aber immer wieder<br />
vor Augen geführt, dass dies ein<br />
Kampf gegen Windmühlen ist<br />
und unser Planet letztlich nur<br />
gerettet werden kann, wenn wir<br />
unser Wirtschaftssystem umbauen.<br />
Wir brauchen ein Wirtschaftssystem,<br />
das nicht nur auf Profitmaximierung<br />
ausgerichtet ist.<br />
Weil DIE LINKE nicht nur das<br />
weitestgehende Umwelt- und<br />
Klimaschutzprogramm hat, sondern<br />
im Gegensatz zu den Grünen<br />
dabei auch die soziale Frage<br />
mitdenkt, war die Wahl der Partei<br />
für mich schnell klar.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Meine Schwerpunktthemen<br />
sind Umwelt- und Sozialpolitik.<br />
Ich erlebe seit vielen Jahren die<br />
schlechten Arbeitsbedingungen<br />
in der Pflege,<br />
die Folgen der Kürzungspolitik<br />
in der Daseinsvorsorge und<br />
drastisch steigende Mieten. Und<br />
anstatt diese Probleme oder den<br />
drohenden Klimakollaps und<br />
das Artensterben anzugehen,<br />
werden Großunternehmen mit<br />
vielen Milliarden unterstützt,<br />
damit diese weiterhin einen absurden<br />
Reichtum in den Händen<br />
einiger weniger Menschen<br />
anhäufen können.<br />
Ich sehe mich aber nicht als<br />
Stellvertreter für meine Wähler<br />
und Wählerinnen. Ich möchte<br />
Menschen dazu ermutigen,<br />
sich zu emanzipieren und selbst<br />
für ihre sozialen und demokratischen<br />
Rechte und für die Rettung<br />
des Klimas und der Umwelt<br />
zu kämpfen.<br />
Wieviel Zeit wendest du pro<br />
Woche für die Parteiarbeit<br />
etwa auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
Wöchentlich bin ich ungefähr<br />
20 Stunden für die Partei unterwegs.<br />
Ich organisiere dann zum<br />
PARTEI-POLITIK<br />
Beispiel Proteste gegen die AfD<br />
oder unterstütze Pflegekräfte<br />
beim Kampf für bessere Arbeitsbedingungen.<br />
Viele unserer Aktionen<br />
planen wir zusammen<br />
mit vielen Aktiven im wöchentlich<br />
stattfindenden Aktiventreffen.<br />
Daneben sitze ich im Rat der<br />
Stadt Münster. Ich arbeite größtenteils<br />
ehrenamtlich und bekomme<br />
nur eine Aufwandsentschädigung<br />
für die Ratstätigkeit.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Mit dem wöchentlichen<br />
Aktiventreffen<br />
ist unser<br />
münsteraner Kreisverband einer<br />
der aktivsten Kreisverbände<br />
in Deutschland. Wir sind immer<br />
wieder Vorbild für viele andere<br />
Städte. Wir haben es in den vergangenen<br />
Jahren immer wieder<br />
geschafft, die öffentlichen Diskussionen<br />
in der Stadt zu prägen.<br />
Wir haben nicht nur den Anstoß<br />
für eine autofreie Innenstadt<br />
und günstige Bustickets<br />
gegeben, sondern mit Hilfe vieler<br />
gesellschaftlicher Gruppen<br />
dafür gesorgt, dass die AfD bei<br />
uns nicht Fuß fassen konnte.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
Echter Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit<br />
und konsequente<br />
Friedenspolitik.<br />
Links:<br />
https://die-linke-muenster.de/<br />
Instagram: dielinke_muenster<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 27
PARTEI-POLITIK<br />
Philipp Götz<br />
(CSU)<br />
Wohnort: Reichling<br />
Alter: 24 Jahre<br />
Parteimitglied der CSU und JU<br />
seit 19.11.2018<br />
Ämter seit Mitte 2019:<br />
Vorsitzender Junge Union Ortsverband<br />
Landsberg am Lech,<br />
stellvertretender Vorsitzender<br />
Junge Union Kreisverband<br />
Landsberg am Lech,<br />
Schriftführer CSU Reichling.<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Als Sohn zweier Journalisten<br />
hatte ich schon immer viel mit<br />
Politik zu tun, hatte aber lange<br />
Zeit kein großes Interesse an<br />
aktiver Mitgestaltung. Ich war<br />
trotz politischer Tendenz in diese<br />
Richtung zu wenig überzeugt<br />
von der CSU, um den Eintritt<br />
rechtfertigen zu können.<br />
Die letztendliche Entscheidung<br />
kam unerwartet: Bei einer<br />
Veranstaltung im Landtag<br />
konnte ich mit einigen Funktionären<br />
der Parteispitze sprechen.<br />
Ich warf meinen Eintrittsantrag<br />
noch dort ein, aber nicht, weil<br />
ich von den Gesprächen überzeugt<br />
wurde. Ich hatte den Eindruck,<br />
dass die Partei zu stromlinienförmig<br />
geworden war, um<br />
in politisch turbulenten Zeiten<br />
ihren Status als Volkspartei zu<br />
behalten.<br />
2002 machte Edmund Stoiber<br />
noch mit dem Slogan „Kantig.<br />
Echt. Erfolgreich.“ Wahlkampf<br />
– und genau das brauchen die<br />
Partei und das Land nach mittlerweile<br />
fast 16 Jahren unter Angela<br />
Merkel wieder.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Mein wichtigstes Anliegen in<br />
der Partei ist eines, das in jeder<br />
Demokratie selbstverständlich<br />
sein sollte, ich aber zunehmend<br />
in Gefahr sehe: die Verteidigung<br />
der Freiheit der Bürger. Grundrechte<br />
und -freiheiten werden<br />
schnell für selbstverständlich<br />
erachtet und damit nicht genug<br />
geschätzt – doch sie zu bewahren<br />
und zu fördern ist eine für<br />
mich unumgängliche Pflicht.<br />
Auch die Union weitet zu oft<br />
die staatliche Kontrolle aus, und<br />
dagegen setze ich mich innerparteilich<br />
ein. Die größere Gefahr<br />
sehe ich allerdings bei Politikern,<br />
die zur Durchsetzung<br />
regressiver Ideologien unsere<br />
Grundfreiheiten im Kern angreifen.<br />
Wieviel Zeit wendest du pro<br />
Woche für die Parteiarbeit<br />
etwa auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
Für die JU arbeite ich unbezahlt<br />
gut zwei Stunden pro Woche.<br />
Ich kümmere mich meist<br />
um Veröffentlichungen meiner<br />
Verbände, also Posts in sozialen<br />
Medien und Pressemitteilungen.<br />
Als Schatzmeister verwalte ich<br />
auch die Kasse.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Die Wahl in Vorstände ist natürlich<br />
immer schön, aber wichtiger<br />
war für mich die kritische<br />
Auseinandersetzung mit der Urheberrechtsreform,<br />
nachdem<br />
ich mich in öffentlicher Runde<br />
gegen unseren MdB gestellt hatte.<br />
Daraus ging ein<br />
produktiver Dialog<br />
mit Experten,<br />
der CSU und JU hervor, bei<br />
dem man sich ein reflektiertes<br />
Bild der eigenen Politik machen<br />
konnte.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
Die Union weiß, dass ideologiegesteuerte<br />
Politik durch ihre<br />
spaltende Wirkung keine Zukunft<br />
haben kann. Mit geringerer<br />
Steuerbelastung wird unmittelbar<br />
der Durchschnittsbürger<br />
gefördert – ohne Umverteilung.<br />
Durch Anreize statt<br />
Verbote werden Fortschritt und<br />
Wachstum vereint. Der Grundsatz<br />
„Wohlstand für alle“ gilt so<br />
noch immer.<br />
Links:<br />
www.facebook.com/<br />
JUKVLandsberg<br />
instagram.com/ju_kv_ll<br />
28 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Kira Hauser<br />
(Freie Wähler)<br />
Wohnort: Bad Wildungen<br />
(Hessen)<br />
Alter: 45 Jahre<br />
Mitglied der Freien Wähler seit<br />
2017<br />
Vorsitzende Freie Wähler<br />
Bad Wildungen,<br />
Stadtverordnete,<br />
Kreistagsabgeordnete,<br />
Vorstandsmitglied<br />
Freie Wähler Frauen<br />
Was hat dich zu Deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Ich habe mich schon immer im<br />
engeren oder weiteren Sinne politisch<br />
engagiert und auch meine<br />
berufliche Tätigkeit war politisch<br />
geprägt.<br />
Als ich nach vielen Jahren im<br />
Ausland nach Deutschland zurückging,<br />
hatte ich einfach das<br />
Gefühl, nun sei der richtige Moment,<br />
mich mit meinen Erfahrungen<br />
einzubringen. Es macht<br />
auch Spaß, mit Gleichgesinnten<br />
für ein Ziel zu kämpfen.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Mehrere Themen bewegen<br />
mich: Zum Einen versuche ich<br />
immer wieder, Menschen dazu<br />
zu bewegen, sich aktiv für gesellschaftliche<br />
Themen einzusetzen.<br />
Wir brauchen Vielfalt,<br />
besonders in der Politik. Sobald<br />
es über das Ehrenamt Elternbeirat<br />
hinaus geht, sind die Gremien<br />
meist sehr männlich dominiert.<br />
Durch aktive Ansprache konnte<br />
ich schon viele Frauen gewinnen,<br />
und diese bringen oft<br />
eine andere<br />
Sichtweise<br />
in Themen.<br />
Dann gibt<br />
es natürlich Sachthemen, die<br />
mich beschäftigen. Intensiv beschäftige<br />
ich mich mit den Möglichkeiten<br />
des Wasserstoffs und<br />
was er zu einer nachhaltigen<br />
Energiewende beitragen kann.<br />
Und natürlich ist Bildung für<br />
mich ein Thema mit zentraler<br />
Bedeutung für die Entwicklung<br />
des ganzen Landes.<br />
Wieviel Zeit wendest du pro<br />
Woche für die Parteiarbeit<br />
etwa auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
Im Moment ist der Zeitaufwand<br />
recht hoch, da ich auch für den<br />
Bundestag kandidiere und nun<br />
schon im Wahlkampf stecke.<br />
Jenseits von Wahlkämpfen bin<br />
ich im Durchschnitt etwa fünf<br />
Stunden pro Woche mit Parteiarbeit<br />
beschäftigt. Allerdings<br />
schwankt dies stark und hängt<br />
natürlich davon ab, welche Themen<br />
und Termine grade anstehen.<br />
Bezahlt ist diese Tätigkeit<br />
nicht.<br />
PARTEI-POLITIK<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Natürlich erstreitet oder verhandelt<br />
man auf den verschiedenen<br />
Ebenen mal mit mehr,<br />
mal mit weniger Erfolg die Ergebnisse<br />
und hat dadurch Erfolgserlebnisse.<br />
Für mich ist es<br />
aber besonders positiv, wenn<br />
neue Mitglieder in unsere Gruppe<br />
kommen, und auch, wenn<br />
man vom Wähler (wieder-)gewählt<br />
wird.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei der<br />
Bundestagswahl<br />
deine Partei<br />
wählen sollte?<br />
Die Freien Wähler<br />
sind basisdemokratisch, ideologiefrei<br />
und nah am Bürger.<br />
Wenn du eine Partei wählen<br />
willst, die Politik von der Basis<br />
macht und in der nicht die politischen<br />
Entscheidungen von<br />
oben nach unten durchgegeben<br />
werden, dann musst du das<br />
Kreuz bei den Freien Wählern<br />
machen.<br />
Links:<br />
www.kirahauser.de<br />
www.freiewaehler.eu<br />
Facebook:<br />
www.facebook.com/<br />
kirahauserfw<br />
Instagram:<br />
@kirahsr<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 29
PARTEI-POLITIK<br />
Benjamin Kurtz<br />
(FDP)<br />
Wohnort: Tübingen<br />
Alter: 21 Jahre<br />
FDP-Mitglied seit Juni 2018,<br />
Kreisschatzmeister seit<br />
November 2018<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Nachdem ich die ganze Schulzeit<br />
über am politischen Geschehen<br />
interessiert war, habe<br />
ich mir vor der Bundestagswahl<br />
2017 dann gesagt: Nicht nur zuschauen,<br />
sondern aktiv mitgestalten!<br />
Damals wie heute sagte<br />
mir Jamaika zu, also habe ich<br />
CDU, Grüne und eben die FDP<br />
angesehen – und bin so zu den<br />
Jungen Liberalen (Jugendorganisation<br />
der FDP) gekommen.<br />
Nach dem 18. Geburtstag bin<br />
ich zusätzlich auch den Freien<br />
Demokraten beigetreten.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Mein Hauptanliegen sind die<br />
Bürgerrechte und Freiheitsrechte,<br />
die uns die Verfassung garantiert.<br />
Mir ist wichtig, dass<br />
sich jeder Mensch frei entfalten<br />
kann, ohne dass sich der Staat in<br />
sein Privatleben einmischt – seien<br />
es Daten, Religionszugehörigkeit<br />
oder die Wohnung.<br />
Dass Einmischung nicht immer<br />
vermeidbar ist, sieht man<br />
beispielsweise an der Corona-<br />
Pandemie – auch beim Infektionsschutz<br />
gilt allerdings, Bürger-<br />
und Freiheitsrechte nicht<br />
aus den Augen zu verlieren,<br />
sondern ebenso wie die Gesundheit<br />
bestmöglich zu schützen.<br />
Wieviel Zeit<br />
wendest du pro<br />
Woche für die<br />
Parteiarbeit<br />
etwa auf und<br />
was machst du dann? Bezahlt?<br />
Zu viel! (lacht) Spaß beiseite: Bei<br />
den Freien Demokraten bringe<br />
ich mich als Kreisschatzmeister<br />
ein, da bin ich für die Kontrolle<br />
und Verbuchung aller Einnahmen<br />
und Ausgaben des Kreisverbands<br />
zuständig, das sind<br />
in normalen Zeiten etwa fünf<br />
Stunden pro Woche.<br />
Zusätzlich darf ich bei den<br />
Jungen Liberalen als Vorsitzender<br />
den Kreisverband Tübingen<br />
leiten; für dieses Ehrenamt<br />
kann man normalerweise<br />
auch fünf Stunden die Woche<br />
veranschlagen. Durch die Planung<br />
und Vorbereitung für die<br />
Bundestagswahl im September<br />
kommt da aktuell noch ein guter<br />
Batzen Arbeit dazu.<br />
Und wenn es dann im Sommer<br />
daran geht, Plakate aufzuhängen,<br />
an Infoständen das Gespräch<br />
zu suchen und Flyer zu<br />
verteilen, dann wird das liberale<br />
Engagement noch mehr Zeit<br />
verschlingen.<br />
All diese politische Arbeit leiste<br />
ich ebenso wie meine Vorstandskollegen<br />
unentgeltlich<br />
– es handelt sich um ein politisches<br />
Ehrenamt.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Bei der Schatzmeisterei im Ehrenamt<br />
ist das rar gesät, allerdings<br />
bringt allgemein die politische<br />
Arbeit auch Erfolge mit<br />
sich. Wenn der Antrag, an dem<br />
man gemeinsam mit anderen<br />
gearbeitet hat, auf dem Parteitag<br />
endlich mit überwältigender<br />
Mehrheit angenommen<br />
wird, das ist ein<br />
sehr erfreuliches Erfolgserlebnis.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
1. Für einen Staat, der Freiheit<br />
schützt. Wir lehnen den Einsatz<br />
von Staatstrojanern ebenso wie<br />
Eingriffe in die Unverletzbarkeit<br />
der Wohnung ab.<br />
2. Für eine Gesellschaft, die Innovationen<br />
ermöglicht. Wir setzen<br />
uns ein für Technologieoffenheit<br />
und den Wettbewerb<br />
um die beste Antriebstechnologie<br />
und eine innovationsfreundliche<br />
Start-Up Politik.<br />
3. Für eine Politik, die rechnen<br />
kann. Wir stehen ganz klar zur<br />
Schwarzen Null und zu einer geordneten<br />
Marktwirtschaft als<br />
Garanten von Arbeit und Wohlstand.<br />
Links:<br />
https://www.julis.de/<br />
benjamin.kurtz@fdptuebingen.de<br />
30 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Martin Sichert<br />
(AfD)<br />
Wohnort: Nürnberg<br />
Alter: 41 Jahre<br />
AfD-Mitglied seit März 2013,<br />
Bundestagsabgeordneter seit<br />
2017,<br />
Mitglied im Ausschuss für Arbeit<br />
und Soziales sowie den<br />
Parlamentariergruppen USA,<br />
Schweiz, arabische Staaten sowie<br />
eSports&Gaming,<br />
für die Bundestagswahl 2021<br />
wieder auf dem sicheren Listenplatz<br />
5 in Bayern<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen?<br />
Gab es ein bestimmtes<br />
Ereignis oder Erlebnis?<br />
Ich war auf der Suche nach einer<br />
freiheitlichen Partei, die den<br />
Bürgern möglichst viel Mitspracherecht<br />
und individuelle Freiheit<br />
gewährt und die sich dafür<br />
einsetzt, die Interessen der Bürger<br />
des eigenen Landes auf internationaler<br />
Ebene zu vertreten.<br />
Mit der AfD habe ich diese<br />
Partei gefunden.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Der Einsatz für alle, die keine<br />
Lobby haben, die einfachen Arbeitnehmer,<br />
Rentner, Obdachlose,<br />
Frauen aus patriarchalen Parallelgesellschaften.<br />
Ich arbeite<br />
aktiv dafür, all diesen Menschen<br />
eine Stimme zu geben<br />
und die Lobbyisten zurückzudrängen<br />
und ihnen Einfluss und<br />
Macht zu nehmen. Denn der<br />
Staat muss den Menschen dienen,<br />
er darf kein Selbstbedienungsladen<br />
für Lobbyisten und<br />
Politiker sein.<br />
Wieviel Zeit<br />
wendest du pro<br />
Woche für die<br />
Parteiarbeit<br />
etwa auf und<br />
was machst du dann? Bezahlt?<br />
Als Bundestagsabgeordneter beschäftige<br />
ich mich ständig mit<br />
Politik, selbst in den kuriosesten<br />
Situationen. Bei der Geburt meiner<br />
Tochter zum Beispiel hatte<br />
ich während der zwölf Stunden<br />
der Geburt politische Gespräche,<br />
während parallel unsere Tochter<br />
zur Welt kam.<br />
Der Arzt fand es schlicht wie<br />
viele Bürger auch spannend, einen<br />
Bundestagsabgeordneten<br />
vor sich zu haben. Gerade mit<br />
meiner Frau, die anerkannte<br />
Asylbewerberin mit drei Staatsangehörigkeiten<br />
ist, gab es<br />
schon viele spannende Gespräche.<br />
Denn viele haben ein völlig<br />
falsches Bild von der AfD. Dabei<br />
ist meine Frau wie viele Migranten<br />
sehr AfD-affin, weil sie<br />
erlebt, dass durch unbegrenzte<br />
Zuwanderung Millionen der<br />
Verfolger ihrer Familie und Kultur<br />
nach Deutschland gekommen<br />
sind.<br />
PARTEI-POLITIK<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Ja, viele. Zum Beispiel als das<br />
Bundesgesundheitsministerium<br />
diesen Mai als Konsequenz<br />
auf meine Anfrage hin veröffentlicht<br />
hat, dass die Wahrscheinlichkeit,<br />
für Infizierte als<br />
Coronatote zu sterben, um über<br />
das Doppelte höher liegt, wenn<br />
diese gegen Corona geimpft<br />
sind. Neben solch großen Erfolgen<br />
gibt es unzählige kleine.<br />
Denn jeder Bürger, der sich dafür<br />
bedankt, dass man sich um<br />
seine Anliegen gekümmert hat<br />
oder seine Positionen vertreten<br />
hat, gibt Kraft für<br />
die weitere Arbeit.<br />
Kannst du genau<br />
drei Gründe nennen, warum<br />
ich bei der Bundestagswahl<br />
deine Partei wählen sollte?<br />
Weil wir die einzige Partei sind,<br />
die dir mehr Macht durch direkte<br />
Demokratie nach Schweizer<br />
Vorbild geben möchte. Weil wir<br />
uns auch in Krisenzeiten dafür<br />
einsetzen, dass der Staat nicht<br />
allmächtig wird, sondern die<br />
Grundrechte erhalten bleiben.<br />
Weil wir dir möglichst viel Freiheit<br />
geben möchten, indem wir<br />
Bürokratie abbauen, Steuern<br />
und Abgaben senken, Strompreise<br />
halbieren und individuelle<br />
Mobilität bezahlbar erhalten.<br />
Links<br />
Wofür die AfD steht:<br />
https://www.afd.de/wahlprogramm/<br />
Was ich so mache:<br />
https://www.facebook.com/sichertmartin/<br />
Öffentlich mit mir diskutieren:<br />
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/martin-sichert<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 31
PARTEI-POLITIK<br />
Marion Sollbach<br />
(SPD)<br />
Wohnort: Köln<br />
Alter: 53 Jahre<br />
Parteimitglied seit 1986<br />
Funktion/Amt (seit):<br />
• 03/2017 Beisitzerin im<br />
Vorstand KölnSPD<br />
• 03/2017 Vorsitzende der SPD<br />
Frauen Köln (ASF)<br />
• 09/2020 Vorsitzende des<br />
Umweltforums der KölnSPD<br />
• 03/2021 Bundestagskandidatin<br />
im Wahlkreis Köln<br />
II/094<br />
Was hat dich zu deinem<br />
Parteieintritt bewogen? Gab es<br />
ein bestimmtes Ereignis/Erlebnis?<br />
1986 bin ich wegen des Reaktorunfalls<br />
in Tschernobyl in die<br />
SPD eingetreten.<br />
Was ist dein Hauptanliegen oder<br />
Hauptthema innerhalb der Partei?<br />
Ich kämpfe für Chancengerechtigkeit,<br />
Nachhaltigkeit, die<br />
Gleichstellung von Männern<br />
und Frauen und eine Gesellschaft<br />
ohne Antisemitismus<br />
und Rassismus.<br />
Wieviel Zeit wendest du pro<br />
Woche für die Parteiarbeit<br />
etwa auf und was machst<br />
du dann? Bezahlt?<br />
Ich habe in den vergangenen<br />
35 Jahren ausschließlich unbezahlt<br />
und ehrenamtlich Parteiarbeit<br />
gemacht. Aktuell im<br />
Bundestagswahlkampf sind es<br />
etwa 60 bis 70 Stunden; selbstverständlich<br />
unbezahlt. Auch<br />
vorher habe ich in der Regel 20<br />
bis 30 Stunden pro Woche Parteiarbeit<br />
gemacht. Ich organisiere<br />
Parteiveranstaltungen, arbeite<br />
an Positionspapieren,<br />
kommuniziere<br />
über die Arbeit und<br />
vernetze mich mit<br />
gleichgesinnten Organisationen.<br />
Gab es persönliche<br />
Erfolgserlebnisse?<br />
Ich habe die Gleichstellung in<br />
der KölnSPD vorangebracht:<br />
Mit einem Gleichstellungsbericht,<br />
einem Gleichstellungsplan,<br />
einer Anlaufstelle gegen<br />
Diskriminierung und der paritätischen<br />
Besetzung der Kölner<br />
Bundestagswahlkreise.<br />
Kannst du genau drei Gründe<br />
nennen, warum ich bei<br />
der Bundestagswahl deine<br />
Partei wählen sollte?<br />
Wir wollen es – wir können es –<br />
wir machen es auf sozial gerechte<br />
Art!<br />
Seit 158 Jahren kämpft die SPD<br />
für eine bessere und gerechtere<br />
Welt, für die Rechte von Arbeitnehmern<br />
und Arbeitnehmerinnen,<br />
von Minderheiten und<br />
für die internationale Solidarität.<br />
Die SPD ist die Partei, die<br />
das Frauenwahlrecht erkämpft,<br />
den Gleichheitsgrundsatz ins<br />
Grundgesetz eingebracht und<br />
das erste Umweltgesetz in<br />
Deutschland durchgesetzt hat.<br />
Ohne uns gäbe es keinen Atomausstieg,<br />
keinen Kohleausstieg,<br />
kein Klimaschutzgesetz und<br />
kein Erneuerbare-Energien-<br />
Gesetz. Und wir wollen jetzt<br />
vor allem ein klimaneutrales<br />
Deutschland bis spätestens 2045<br />
schaffen, ein modernes Mobilitätssystem<br />
gestalten, die Digitalisierung<br />
voranbringen und das<br />
Gesundheitssystem verbessern.<br />
Es ist eine große Stärke<br />
der SPD, alle relevanten<br />
Akteure und<br />
Akteurinnen an einen<br />
Tisch zu holen: Industrie,<br />
Gewerkschaften,<br />
Verwaltung, Verbände,<br />
Bürgerinitiativen<br />
und viele mehr. Und mit<br />
diesen einen für alle tragbaren<br />
Kompromiss zu erarbeiten. Wir<br />
finanzieren das sozial gerecht.<br />
Die starken Schultern müssen<br />
auch mehr tragen!<br />
Links:<br />
Zukunftsprogramm der SPD:<br />
www.spd.de/zukunftsprogramm<br />
Kandidatinnenseite:<br />
www.marion-sollbach.spd.de<br />
32 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
AUS DEN SIGS<br />
„Stellt euch vor, man teilt sich<br />
zwei Minderheiten …“<br />
Vor 15 Jahren wurde die KlapSIG<br />
gegründet. Ein Rückblick.<br />
Anfang Januar 2006 liefen die ersten E-Mails über die Liste der KlapSIG. Heute, 15 Jahre<br />
später, hat die SIG rund 280 Teilnehmende und organisiert mehrmals im Jahr Treffen und<br />
Veranstaltungen (sofern keine Pandemie dazwischenkommt). Zwei Mitglieder schreiben<br />
darüber, wie die KlapSIG ihr Leben beeinflusst hat.<br />
Leute, die so ticken<br />
wie man selbst<br />
Von Arwen Quellmalz<br />
M<br />
ein Mann (der zweite)<br />
scherzt immer: „Wenn du<br />
von Mensa redest, meinst du eigentlich<br />
die KlapSIG.“ Das sind<br />
die Leute, bei denen ich mich<br />
zu Hause fühle, zu denen ich im<br />
Lockdown Kontakt halte, die ich<br />
Freunde nenne und für die ich<br />
zum Beispiel als Ansprechpartnerin<br />
im eMVZ aktiv bin. O.k.,<br />
und Testleiterin bin ich auch<br />
noch. Ohne Mensa gäbe es auch<br />
die SIG nicht.<br />
Den Anfang meiner Geschichte<br />
kennen vermutlich viele hier:<br />
Gerade dreißig, der Job ist irgendwie<br />
nichts, die erste Ehe<br />
auch nicht und überhaupt:<br />
„Das soll es gewesen<br />
sein?“<br />
Die Konsequenz ist<br />
nur logisch (und Logik<br />
mögen wir doch): Berufliche<br />
Neuorientierung, Scheidung<br />
und, um zu verstehen,<br />
eine Therapie. Schon ziemlich<br />
am Anfang sagte meine Therapeutin:<br />
„Liebe Frau Quellmalz,<br />
ich habe da so einen Verdacht.<br />
Es gibt da einen Verein, der<br />
führt IQ-Tests durch, wollen sie<br />
nicht mal einen machen?“<br />
Gesagt, getan, und siehe da,<br />
es kam ein großer Umschlag<br />
von Mensa. (Ich muss gestehen,<br />
bei aller Emanzipation<br />
bin ich da eine typische Frau:<br />
Ich schlau?<br />
Das kann<br />
nicht sein!) Auf einmal fielen<br />
ganz viele Puzzleteilchen an ihren<br />
Platz, und ich erinnere mich<br />
noch gut an das „Die-sind-jawie-ich!“-Gefühl<br />
bei meinem<br />
ersten Stammtisch und Witze,<br />
über die ich wirklich lachen<br />
konnte und nicht einfach mitgelacht<br />
habe, weil ich komisch<br />
angeguckt werde, wenn ich es<br />
nicht tue.<br />
All das war sehr befreiend, ich<br />
habe viel über mich gelernt, mir<br />
viel aus der Vergangenheit verziehen<br />
und für die Zukunft geändert.<br />
Allerdings musste ich<br />
mir auch eingestehen, dass das<br />
Puzzle nicht komplett war.<br />
Ich habe in die Vollen gegriffen,<br />
was die Minderheiten anging,<br />
und musste mir eingestehen,<br />
dass es da noch mehr in<br />
meinem Leben gab, dass „nicht<br />
rund“ war. Nachdem es sich<br />
so gut angefühlt hat,<br />
auf den Stammtischen<br />
„unter Gleichen“ zu sein<br />
und mir auch niemand die<br />
Die Torte zum zehnten<br />
Geburtstag der KlapSIG 2016.<br />
Foto: Babette Mairoth-Voigtmann<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 33
AUS DEN SIGS<br />
Freundschaft wegen des Hochbegabten-Outings<br />
gekündigt<br />
hat, habe ich mir Mut angetrunken<br />
(zumindest stilvoll mit gutem<br />
Rotwein) und mich bei der<br />
„Sklavenzentrale“ (einem einschlägigen<br />
Datingportal für<br />
BDSMler) angemeldet.<br />
Kurze Zeit später kam besagter<br />
großer Umschlag mit dem Hinweis,<br />
dass Mensa in vielseitigen<br />
SIGs organisiert sei und man da<br />
doch einfach mal stöbern sollte.<br />
Gehofft hatte ich da auf eine<br />
SIG für Triathleten oder Alleinerziehende.<br />
Und was fand ich?<br />
Eine SIG mit dem bedeutungsschwangeren<br />
Namen KlapSIG.<br />
Ich traute meinen Augen<br />
nicht: Eine SIG für BDSMler. Da<br />
ich ja mittlerweile ein alter Hase<br />
im mutigen Outing war, habe<br />
ich direkt die Verschwiegenheitserklärung<br />
unterschrieben<br />
und mich angemeldet. Das war<br />
im Juni.<br />
Im September bin ich dann<br />
todesmutig nach Bonn zu meinem<br />
ersten BDSM-Stammtisch<br />
alias KlapSIG-Westfraktions-<br />
Treffen gefahren – ganz spießig<br />
im Restaurant und alle sahen<br />
so normal aus. Das war ei-<br />
Von Lazarus Pi*<br />
N<br />
ner der schönsten Abende, die ach<br />
ich damals seit langem hatte,<br />
auch wenn wir den ganzen<br />
Abend nicht ein einziges Mal<br />
über BDSM geredet haben.<br />
Ihr alle kennt doch bestimmt<br />
das Gefühl, wie schön es ist, mit<br />
Leuten zusammen zu sein, die<br />
so ticken wie man selbst? Nun<br />
stellt euch vor, man teilt sich<br />
nicht nur eine, sondern zwei<br />
Minderheiten.<br />
Meinen ersten Kontakt mit der<br />
ganzen SIG hatte ich dann im<br />
darauffolgenden Mai. Da hat die<br />
KlapSIG ihren 10. Geburtstag an<br />
„Ihr alle kennt doch<br />
bestimmt das Gefühl, wie<br />
schön es ist, mit Leuten<br />
zusammen zu sein, die so<br />
ticken wie man selbst?“<br />
einem langen, grandiosen Wochenende<br />
in einer einschlägigen<br />
Location gefeiert. Viele<br />
„erste Male“, durch die man als<br />
frisch geouteter BDSMler durch<br />
muss, verdanke ich der Klap-<br />
SIG. Ohne sie wäre mein „Werden-wer-ich-bin“-Weg<br />
um einiges<br />
steiniger gewesen und vermutlich<br />
noch nicht so weit fortgeschritten.<br />
Danke lieber Max, für die mutige<br />
Gründung dieser SIG und 15<br />
Jahre unermüdlicher Führung<br />
dieses Chaos-Haufens, der mein<br />
Leben bereichert wie sonst nur<br />
wenig.<br />
Was ist mir die<br />
KlapSIG?<br />
„Fifty Shades of Grey“<br />
sollte man meinen, dass<br />
nun wirklich kein Hahn mehr<br />
danach kräht, ob jemand Fesselspiele<br />
gut findet oder nicht.<br />
Aber erstens ist das leider bei<br />
näherem Hinsehen gar nicht<br />
der Fall, wie man auch anhand<br />
von Publikationen der letzten<br />
sechs oder sieben Jahre nachweisen<br />
kann, und zweitens bin<br />
ich wie viele andere in einer Zeit<br />
groß geworden, da derlei Abweichungen<br />
vom Lehrbuch-Sex<br />
noch mehr als nur schief angesehen<br />
wurden.<br />
Nicht alle hatten Gelegenheit,<br />
sich trotz dieser gesellschaftlichen<br />
Verurteilung unbeschwert<br />
und frei (oder eben unbeschwert<br />
und gebunden) zu entwickeln.<br />
Für beide Missstände – und<br />
noch für einiges mehr – gibt es<br />
die KlapSIG.<br />
Das Schöne daran ist: Egal ob<br />
ich nun eine Selbsthilfegruppe<br />
suche, um endlich meinen Frieden<br />
mit meinen eigenen Vorlieben<br />
zu machen, oder ob ich das<br />
längst hinter mir habe und einfach<br />
ein paar Gleichgesinnte<br />
um mich haben möchte (also im<br />
Grunde das, was Ms grundsätzlich<br />
in diesen Verein treibt, nur<br />
auf anderer Ebene) – in der Klap-<br />
SIG kann man mit all diesen Bedarfen<br />
landen.<br />
Es mag Zufall sein, aber ich<br />
habe auf der KlapSIG-Mailingliste<br />
noch nie eine verbale Eskalation<br />
erlebt, wie sie auf anderen<br />
Listen innerhalb und außerhalb<br />
des Vereins gang und gäbe<br />
ist. Akzeptanz ist die Basis. Ja,<br />
vielleicht sind wir ein bisschen<br />
verrückt, aber wenn dem so ist,<br />
dann ist es eine Verrücktheit,<br />
die die Welt nicht zum Schlechteren<br />
verändert.<br />
Auf die nächsten fünfzehn<br />
Jahre!<br />
* Der Autor möchte aus den im<br />
Text genannten Gründen seinen<br />
Namen nicht nennen.<br />
Links:<br />
Kontakt zu den SigSecs:<br />
sigsec.klapsig@mensa.de<br />
Kontakt für Interessierte:<br />
interessiert@klapsig.de<br />
KlapSIG auf:<br />
confluence.mensa.de<br />
unter SIGS<br />
34 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Anzeige<br />
Einzel-Coaching und Seminare für Hochbegabte<br />
Coaching geht wieder in<br />
Präsenz, wer möchte bleibt<br />
natürlich gerne bei der<br />
virtuellen Version.<br />
Haltet<br />
durch und<br />
bleibt<br />
gesund!!!<br />
Das beliebte Wochenend-Seminar „Wie ich werde, was ich bin“ ist<br />
vom 03. – 05. Dezember 2021 wieder als Präsenzveranstaltung<br />
geplant. www.coaching-fuer-hochbegabte.de<br />
Unsere Buchhandlung hat natürlich<br />
auch Lese-Tipps für Hochbegabte!<br />
Besucht unseren Shop im Netz:<br />
www.buchhandlungsattler.de<br />
Der Pessimist klagt über den Wind, der Optimist hofft, dass er dreht und der Realist<br />
richtet die Segel aus!<br />
Sir William Ward
MHN<br />
TINA ZEJEWSKI<br />
Mind-Hochschul-Netzwerk<br />
endlich wieder analog<br />
Vorbereitung auf die Mind-Akademie im September.<br />
Nachdem das MHN-Aktivenseminar 2021 ebenso wie die <strong>MinD</strong>-MV noch online stattfinden<br />
musste, wird die Mitgliederversammlung des MHN wieder analog in der bewährten<br />
Mannheimer Jugendherberge tagen. Die Anmeldung zur Mind-Akademie, die vom 23. bis<br />
26. September stattfindet, läuft bereits und ist allen Interessierten unter mind-hochschulnetzwerk.de<br />
möglich.<br />
W<br />
as dem <strong>MinD</strong> e.V. sein<br />
Jahrestreffen, ist dem<br />
MHN die Mind-Akademie, bei<br />
der jedes Jahr etwa 250 engagierte<br />
und interessierte Menschen<br />
mit Interesse an interdisziplinärem<br />
wissenschaftlichem<br />
Austausch zusammenkommen.<br />
Im Gegensatz zum Mensa-Jahrestreffen<br />
und den Mensa-Youth-Camps<br />
liegt der Fokus<br />
des Programms bei der Mind-<br />
Akademie jedoch auf den über<br />
fünfzig verschiedenen Vorträgen<br />
aus allen akademischen<br />
und manchmal auch unakademischen<br />
Disziplinen. Das Erkunden<br />
der Umgebung im Rahmenprogramm<br />
spielt eine untergeordnete<br />
Rolle. Zeit zum<br />
persönlichen Austausch gibt<br />
es zwischen den Vortragsslots,<br />
beim Essen und in den Abendstunden,<br />
die viele gerne in der<br />
Lounge und im Spielezimmer<br />
verbringen.<br />
Sichere<br />
Gemütlichkeit<br />
Gemütlichkeit wird es auch<br />
2021 geben. Beim Vorbereitungswochenende,<br />
das im Mai<br />
bereits wieder analog stattfand,<br />
haben das Akademieleitungstriumdiversirat<br />
und einige Helferinnen<br />
und Helfer alle Eventualitäten<br />
mit der Jugendherbergsleitung<br />
abgeklopft.<br />
„Wir müssen das Rad nicht<br />
neu erfinden: Wir sind den Beschränkungen<br />
des Deutschen<br />
Jugendherbergswerks und des<br />
Landes Baden-Württemberg unterworfen,<br />
und vor allem die Jugendherbergen<br />
haben hervorragende<br />
Konzepte für sichere Tagungen<br />
entwickelt“, berichtet<br />
Co-Akademieleiter Max Voigtmann.<br />
Als darüber hinausgehende<br />
Maßnahme hat das Team<br />
vom Vorbereitungswochenende<br />
entschieden, dass es einen Vortragsslot<br />
mehr als üblich geben<br />
soll, um flexibel mit Abstandsauflagen<br />
umgehen zu können:<br />
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
werden also vier Tage<br />
lang die Wahl zwischen fünf parallel<br />
liegenden Vorträgen und<br />
Workshops haben.<br />
Qual der Wahl beim<br />
Vortragsprogramm<br />
Und die Wahl wird sicher<br />
schwer. Unter den Referentinnen<br />
und Referenten befinden<br />
sich Hochkaräter wie Professor<br />
Dr. Rolf-Dieter Heuer, der<br />
ehemalige Generaldirektor des<br />
CERN, Professor Dr. Markus<br />
Rex, Expeditionsleiter der Arktis-Mission<br />
MOSAiC, und Professorin<br />
Dr. Kathrin Altwegg,<br />
die wieder Hintergrundberichte<br />
und Bilder zur Weltraumsonde<br />
Rosetta liefern wird, die zur<br />
Erforschung von Kometen dient.<br />
Die weiteren Vortragsthemen<br />
zum Überthema „Wandel“ können<br />
unter mind-akademie.de/<br />
programm nachgelesen werden.<br />
36 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
MHN<br />
MHN-Vorständin Vanessa Vieth<br />
erklärt beim Vorbereitungstreffen<br />
in Mannheim die neuen<br />
IT-Strukturen des MHN.<br />
Foto: Zejewski<br />
Ob Elektromobilität, Genmigration,<br />
Jugendkultur, künstliche<br />
Intelligenz, Schokoladenpapier<br />
oder Schafzucht, um nur ein<br />
paar Appetithäppchen zu nennen<br />
– für jeden ist etwas dabei.<br />
Neue Online-<br />
Plattform für das MHN<br />
Auch wenn beim Vorbereitungswochenende<br />
die Organisation<br />
der Mind-Akademie im Vordergrund<br />
stand, fand MHN-Vorständin<br />
Vanessa Vieth Zeit, dem<br />
Akademieteam die neuen Online-Strukturen<br />
des MHN zu erklären.<br />
In monatelanger Arbeit<br />
hatten Vanessa und das MHN-<br />
IT-Team aus Henrik Gebauer,<br />
Tobias Harms, Joshua Kreuder,<br />
Meinert Leiningen, Lucas<br />
Nahrgang und Lukas Thorwald<br />
Hey die in der zwanzigjährigen<br />
MHN-Geschichte entstandenen<br />
digitalen Werkzeuge und Austauschplattformen<br />
des MHN behutsam<br />
in eine Moodle-Plattform<br />
überführt, die die Wartung<br />
und Aktualisierung und<br />
das Mitgestalten für alle künftig<br />
noch einfacher macht.<br />
In „Kursen“ können sich<br />
MHN-Mitglieder nun über Medizin,<br />
Spiele, Philosophie, Bücher<br />
und weitere Themen austauschen.<br />
Und wem ein Thema<br />
fehlt, der kann müheloser als<br />
zuvor einen neuen Diskussionsfaden<br />
anlegen. Denn auch online<br />
gilt wie grundsätzlich im<br />
MHN: Wenn ein Angebot fehlt,<br />
einfach selbst anbieten.<br />
Aktiv sein im<br />
MHN – warum?<br />
Genau nach diesem Prinzip<br />
verfährt auch Eva Börgens:<br />
„Mich begeistert am MHN vor allem,<br />
wie viele Kontakte ich außerhalb<br />
meines eigenen kleinen<br />
Forschungsfeldes schließe“, sagt<br />
die promovierte Geodätin. „Alle<br />
kommen aus unterschiedlichen<br />
Fachrichtungen, aber wir teilen<br />
die Freude am lebenslangen<br />
Lernen und Wissensaustausch.<br />
Ich bin nun im sechsten Jahr im<br />
Programmteam der Mind-Akademie<br />
aktiv, das dritte Jahr als<br />
Programmteamleitung. Nicht<br />
nur fachübergreifend habe ich<br />
dabei meinen Horizont erweitert,<br />
sondern auch extrem viel<br />
über Projektmanagement, die<br />
Führung von Ehrenamtlichen<br />
und „Mitarbeiter“-Motivation<br />
gelernt.<br />
Das Tollste an der Arbeit im<br />
Programmteam ist aber, dass<br />
ich mitentscheiden kann, welche<br />
Vorträge ich im Herbst auf<br />
der Akademie genießen und<br />
welche spannenden Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler<br />
ich kennenlernen darf.<br />
Eines meiner bisherigen Akademie-Highlights<br />
war der Besuch<br />
von Armin Maiwald, dem<br />
Erfinder der „Sendung mit der<br />
Maus“: Ich hatte mir bei der Einladung<br />
an den WDR kaum Hoffnung<br />
gemacht – und sechs Monate<br />
später kam dann eine ganz<br />
knappe Zusage à la „Klar, da<br />
komm ich vorbei!“<br />
MHN-Camp in<br />
Langenneufnach<br />
Eva organisiert auch das MHN-<br />
Camp mit, das vom 21. bis 29.<br />
August 2021 mit Zelten, Spielen,<br />
Selberkochen, Workshops, Vorträgen,<br />
Diskussionen, Rätseln,<br />
Sport, Abenteuer, Gitarren und<br />
Gesang in Langenneufnach (bei<br />
Augsburg in Bayern) stattfindet.<br />
Für das Camp, eine kleinere Veranstaltung<br />
mit etwa 35 Plätzen,<br />
gibt es bei Redaktionsschluss<br />
noch Restplätze.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 37
VILLA WERTVOLL<br />
ALEXANDER HEINRICH<br />
Begabung braucht<br />
(Selbst-)Vertrauen!<br />
Eine Villa für Kinder in <strong>Mag</strong>deburg.<br />
Villa Wertvoll in der <strong>Mag</strong>deburger Neustadt: Projekte für Kinder aus belasteten Familien.<br />
Fotos: Julia Kissmann, Marie Fröhlich<br />
Kinder brauchen Raum, um ihre kreativen Fähigkeiten zu<br />
entdecken und zu entfalten. So werden das Selbstwertgefühl<br />
und die Selbstkompetenzen von Kindern gestärkt. Vor nicht<br />
ganz drei Jahren haben wir daher die Villa Wertvoll in<br />
<strong>Mag</strong>deburg gegründet. Hier können Kinder und Jugendliche<br />
kostenlos Kurse in Musik, Tanz und Theater besuchen.<br />
G<br />
erade Kinder und Jugendliche<br />
aus sozial benachteiligten<br />
Familien erleben hier, wie<br />
ihr Potenzial entdeckt und gefördert<br />
wird, und lernen ihre eigenen<br />
Stärken kennen.<br />
Meine eigene Geschichte und<br />
das, was ich in der Vergangenheit<br />
erlebt habe, bestärken mich<br />
immer wieder, mich für die Förderung<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
einzusetzen. Auch<br />
vermute ich, dass einige von<br />
euch sich in einigen Aspekten<br />
wiederfinden werden.<br />
Prägende<br />
Erfahrungen<br />
Als Kind habe ich mich in<br />
der Schule häufig gelangweilt.<br />
Da es in meiner ostdeutschen<br />
Kleinstadt damals keine besonderen<br />
Fördermöglichkeiten gab,<br />
änderte sich daran auch nichts.<br />
Als ich in der fünften Schulklasse<br />
war, gab es als einziges Zusatzangebot<br />
in meinem Gymnasium<br />
eine Mathe-AG. Für ganze<br />
drei Monate und danach nicht<br />
mehr.<br />
Mit der Pubertät schlug die<br />
Langeweile dann in Frust um<br />
und ich habe offen mit Lehrern<br />
und Lehrerinnen gestritten, gestört,<br />
geschwänzt. Einmal habe<br />
ich ein Brett aus der Wandverkleidung<br />
gerissen und unter die<br />
Türklinke geklemmt, um den<br />
Lateinlehrer auszuschließen.<br />
Einen meiner Schulverweise<br />
habe ich dafür bekommen. Alles<br />
nur, weil ich so dermaßen<br />
keinen Bock auf Unterricht hat-<br />
38 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
Das Team der Villa Wertvoll<br />
in Aktion. Foto: Dirk Mahler<br />
te. Dass durch Aktionen wie<br />
diese meine (Hoch-)Begabung<br />
nicht erkannt wurde, ist nachvollziehbar.<br />
Doch ich hatte Glück. Außerhalb<br />
der Schule waren meine<br />
Familie und später die Kirche, in<br />
der mein Vater Pastor war, meine<br />
Rückzugsorte. Hier erhielt<br />
ich Ermutigung, wurde positiv<br />
herausgefordert und konnte<br />
meine Fähigkeiten erkennen<br />
und vertiefen. Ich begann, Instrumente<br />
zu lernen und Veranstaltungen<br />
zu organisieren.<br />
Mir wurde vieles zugetraut und<br />
manches anvertraut.<br />
So entwickelte ich schließlich<br />
auch Selbstvertrauen und<br />
Selbstkompetenzen, die dazu<br />
führten, dass ich das Abitur und<br />
später mein Studium sehr gut<br />
abschließen konnte.<br />
Dieses Glück, so wie ich einen<br />
solchen Rückhalt zu haben, erleben<br />
viele Kinder und Jugendliche<br />
nicht. Laut Bertelsmann-<br />
Stiftung wachsen 37,6 Prozent<br />
der unter Dreijährigen in <strong>Mag</strong>deburg<br />
in Armut auf. Besonders<br />
groß ist der Anteil der Kinder,<br />
die in Armut oder in psychosozial<br />
belasteten Familien<br />
aufwachsen, im <strong>Mag</strong>deburger<br />
Stadtteil Neue Neustadt.<br />
Miteinander<br />
wachsen<br />
Gerade hier war für mich der<br />
Bedarf groß, einen Ort zu schaffen,<br />
an dem Kinder ihre Talente<br />
entfalten können, an dem sie<br />
ermutigt und gefordert werden,<br />
an dem sie erleben, dass sie bedingungslos<br />
wertvoll sind – unabhängig<br />
von ihren schulischen<br />
Leistungen oder den Herausforderungen<br />
zuhause.<br />
Alle Kurse in Musik, Tanz und<br />
Theater sind partizipativ. Die<br />
Kinder und Jugendlichen entwickeln<br />
in den Workshops pro<br />
Spielzeit ein selbst erdachtes,<br />
gemeinsames Bühnenstück.<br />
Im Theaterkurs wird das Drehbuch<br />
geschrieben, zu dem die<br />
Musiker und Musikerinnen Lieder<br />
schreiben und im eigenen<br />
Tonstudio aufnehmen. Auf die<br />
Beats aus der Tonstudiogruppe<br />
denken sich die Tänzer und<br />
Tänzerinnen Choreographien<br />
aus, sodass zusammen ein tolles<br />
Bühnenstück entsteht.<br />
Diese Herangehensweise hat<br />
einen wichtigen Effekt: Die Kinder<br />
und Jugendlichen sind verbindlich<br />
für mindestens ein<br />
halbes Jahr dabei, meistens jedoch<br />
über mehrere Spielzeiten.<br />
So können längerfristige Beziehungen<br />
wachsen – zwischen<br />
den Teilnehmenden, aber auch<br />
mit den Mitarbeitenden.<br />
Seit Beginn der Kursangebote<br />
im Frühjahr 2019 haben schon<br />
über 2.000 Kinder und Jugendliche<br />
Angebote in der Villa Wertvoll<br />
besucht, bis ein Jahr später<br />
wegen der Pandemie vorerst alle<br />
Präsenzkurse ausfallen mussten.<br />
Da gerade in Pandemiezeiten<br />
die Unterstützung von Kindern<br />
und Jugendlichen besonders<br />
wichtig ist, entstanden viele digitale<br />
Programme, die auf unserem<br />
YouTube-Kanal zu finden<br />
sind. Am wichtigsten ist für uns,<br />
dass wir damit ein kostenloses<br />
Beratungsangebot für Jugendliche<br />
geschaffen haben. Psychologen<br />
und Psychologinnen stehen<br />
ihnen für alle Themen zur Verfügung.<br />
Einsamkeit, Frust oder<br />
Zukunftsängste beispielsweise<br />
tauchen dabei aktuell deutlich<br />
häufiger auf als zuvor.<br />
Wir werden uns weiterhin mit<br />
Hingabe und Begeisterung dafür<br />
stark machen, dass Kinder<br />
und Jugendliche die wichtige<br />
Botschaft mit auf den Weg bekommen:<br />
Du bist brillant!<br />
Unterstützen<br />
Die Villa Wertvoll finanziert<br />
sich zu etwa 60 Prozent über<br />
Förderungen und ist zu 40 Prozent<br />
auf Spenden angewiesen.<br />
Wer unterstützen möchte, kann<br />
für zehn Euro monatlich dem<br />
Förderverein der Villa Wertvoll<br />
beitreten oder direkt spenden.<br />
(Kontakt über die Redaktion)<br />
Link:<br />
www.villa-wertvoll.de<br />
VILLA WERTVOLL<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 39
RAT & HILFE<br />
SOFIE WISSMANN<br />
Psychologische<br />
Erste Hilfe<br />
Ein Erfahrungsbericht über das<br />
MHFA Ersthelfer-Programm.<br />
Ende Mai stieß ich bei Zeit<br />
Online auf einen Artikel<br />
über ein Kursprogramm zur<br />
Ersten Hilfe bei psychischen<br />
Problemen, analog zur<br />
Ersten Hilfe bei körperlichen<br />
Problemen, genannt MHFA<br />
Ersthelfer (MHFA = Mental<br />
Health First Aid).<br />
V<br />
on etwas Derartigem hatte<br />
ich – leider – noch nie gehört,<br />
dabei erfüllen in Deutschland<br />
laut einer Studie von 2014<br />
knapp 28 Prozent der Bevölkerung<br />
im Laufe eines Jahres die<br />
Kriterien einer psychischen Störung<br />
(Nikotinabhängigkeit ausgenommen).<br />
Unter den Frauen<br />
ist es sogar ein Drittel, unter den<br />
Männern hingegen weniger als<br />
ein Viertel. Ich war sehr neugierig,<br />
was sich hinter diesen Kursen<br />
verbergen würde. Also meldete<br />
ich mich kurzerhand für<br />
den nächsten zwölfstündigen<br />
Onlinekurs an.<br />
MHFA Ersthelfer befindet sich<br />
in der Trägerschaft des Zentralinstituts<br />
für Seelische Gesundheit<br />
Mannheim. Es ist der deutsche<br />
Ableger von MHFA International<br />
und wird seit 2020 in<br />
Deutschland etabliert. MHFA<br />
selbst hat seinen Ursprung<br />
schon im Jahr 2000 in Australien.<br />
Damals wollten die Krankenschwester,<br />
Gesundheitspädagogin<br />
und Betroffene Betty Kitchener<br />
und der zu psychischer Gesundheit<br />
forschende Professor<br />
Tony Jorms die körperliche Erste<br />
Hilfe auf psychische Problemlagen<br />
übertragen. Sie entwickelten<br />
einen Kurs, der evidenzbasiert<br />
ist, also auf wissenschaftlichen<br />
Kenntnissen beruht.<br />
Inzwischen haben laut Homepage<br />
mehr als vier Millionen<br />
Menschen in 24 Ländern an einem<br />
MHFA-Kurs teilgenommen.<br />
In meinem Kurs waren etwa<br />
zwanzig Personen aus ganz<br />
„Es ist wesentlich<br />
wahrscheinlicher, dass<br />
ihr jemandem mit einem<br />
psychischen Problem<br />
begegnet, als dass ihr<br />
an der Autobahn eine<br />
Herzdruckmassage<br />
durchführen müsst.“<br />
Deutschland, die etwas über<br />
psychische Probleme und Hilfsmöglichkeiten<br />
lernen wollten.<br />
Unsere sehr engagierte Dozentin<br />
führte uns frühabends durch<br />
sechs Sitzungen à zwei Stunden,<br />
die sich jeweils einem bestimmten<br />
Thema widmeten.<br />
Richtiges Zuhören<br />
statt unpassender<br />
Ratschläge<br />
In der ersten Sitzung erfolgte<br />
der Einstieg ins Thema. Unsere<br />
Dozentin stellte dessen Relevanz<br />
in einem Satz sehr prägnant dar:<br />
„Es ist wesentlich wahrscheinlicher,<br />
dass ihr jemandem mit einem<br />
psychischen Problem begegnet,<br />
als dass ihr an der Autobahn<br />
eine Herzdruckmassage<br />
durchführen müsst.“<br />
Außerdem lernten wir einen<br />
allgemeinen Handlungsleitfaden<br />
für den Umgang mit Personen,<br />
die psychische Probleme<br />
zeigen. Ein Bestandteil ist richtiges<br />
Zuhören anstelle von unpassenden<br />
Ratschlägen oder abwertenden<br />
Kommentaren. Das<br />
halte ich für besonders wichtig,<br />
habe ich doch den Eindruck,<br />
40 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
dass zwar einige Menschen angesichts<br />
berichteter psychischer<br />
Probleme intuitiv passend<br />
reagieren, andere hingegen<br />
mit gut gemeinten, aber<br />
schlecht gemachten Ratschlägen<br />
à la „immer positiv denken“<br />
oder schlecht gemeinten und<br />
schlecht gemachten Ratschlägen<br />
à la „reiß dich zusammen“<br />
aufwarten.<br />
In den weiteren Sitzungen befassten<br />
wir uns mit Depressionen,<br />
Suizidalität, Angststörungen,<br />
Psychosen und problematischem<br />
Substanzkonsum.<br />
Unsere Dozentin erzählte uns<br />
etwas über die einzelnen Störungsbilder<br />
und Handlungsmöglichkeiten,<br />
wir sollten den<br />
Leitfaden in kleineren Aufgaben<br />
anwenden oder bekamen<br />
ihn durch kurze Filme vermittelt.<br />
Ergänzend bekamen wir<br />
ein Workbook mit Fallbeispielen,<br />
ein mehr als zweihundert<br />
Seiten starkes Handbuch zu verschiedenen<br />
Krankheitsbildern<br />
und Leitfäden für diverse Krisen<br />
sowie Lösungsblätter für wichtige<br />
Aufgaben.<br />
Wer später einen Test absolviert,<br />
bekommt auch ein Zertifikat<br />
und kann sich offiziell Ersthelfer<br />
beziehungsweise Ersthelferin<br />
nennen.<br />
Männer sind<br />
unterrepräsentiert<br />
Der Kurs ist absolut voraussetzungslos.<br />
Auf der einen Seite ist<br />
er damit gut für Menschen geeignet,<br />
die sich noch nie mit psychischen<br />
Problemen befasst haben.<br />
Leider dürften gerade diese<br />
Menschen oft nicht zum Kurs<br />
finden, wie auch meine Gruppe<br />
zeigte, in der die meisten Teilnehmenden<br />
beruflich oder privat<br />
Berührungspunkte zu psychischen<br />
Problemen hatten.<br />
Auf der anderen Seite kann<br />
der Kurs manchmal etwas langsam<br />
und oberflächlich anmuten,<br />
wenn man sich schon mit psychischen<br />
Problemen befasst hat<br />
(und etwas schneller im Kopf<br />
ist).<br />
Insgesamt halte ich das MHFA<br />
Ersthelfer-Programm aber für<br />
eine sinnvolle Sache, um Menschen<br />
ein Grundverständnis<br />
psychischer Probleme und den<br />
Umgang mit Menschen, die unter<br />
diesen Problemen leiden<br />
(könnten), beizubringen. Angesichts<br />
der Fülle an Inhalten und<br />
Materialien halte ich auch den<br />
Preis von etwa 200 Euro für angemessen.<br />
Ich würde mir wünschen, dass<br />
mehr Menschen einen solchen<br />
RAT & HILFE<br />
Kurs absolvieren. Dabei möchte<br />
ich besonders an die Männer<br />
appellieren – wie erwartet<br />
waren in meinem Kurs fast nur<br />
Frauen. Meines Erachtens könnten<br />
die MHFA-Erste-Hilfe-Kurse<br />
auch für Mensa interessant sein,<br />
gibt es in unserem Verein doch<br />
sicher auch die knapp 28 Prozent<br />
Menschen, die psychische<br />
Krankheiten haben.<br />
Gerade für Aktive, die Veranstaltungen<br />
organisieren, stelle<br />
ich mir die Teilnahme an einem<br />
solchen Kurs sinnvoll vor.<br />
MHFA Ersthelfer bietet laut<br />
Homepage auch maßgeschneiderte<br />
Programme für Organisationen<br />
an.<br />
Quellen und Links<br />
Jacobi, F./Höfler, M. u. a. (2014):<br />
Psychische Störungen in der<br />
Allgemeinbevölkerung. Studie<br />
zur Gesundheit Erwachsener<br />
in Deutschland und ihr Zusatzmodul<br />
Psychische Gesundheit<br />
(DEGS1-MH).<br />
Lubahn, B. (2021): Erste Hilfe<br />
für die Psyche. ZEIT Online am<br />
19.05.2021.<br />
MHFA Ersthelfer. Kurse für psychische<br />
Gesundheit. Abrufbar<br />
unter:<br />
www.mhfa-ersthelfer.de<br />
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FOTOGRAFIE<br />
Mensa Fotowettbewerb „Balance“: Diese Bilder stehen zur Wahl<br />
Zum diesjährigen Mensa-Fotowettbewerb<br />
wurden 51 Bilder<br />
eingeschickt, nun sind die Sieger<br />
zu wählen. Alle Bilder sind<br />
numeriert auf http://blog.wolfsfotos.de/mind-mind2021/<br />
zu sehen;<br />
bis zum 31. August kann im<br />
eMVz abgestimmt werden.<br />
Im Anschluss geben wir „unsere“<br />
Siegerinnen und Sieger<br />
dann schnellstmöglich bekannt<br />
und leiten sie zum internationalen<br />
Wettbewerb weiter. Eine Expertenjury<br />
wird dann die internationalen<br />
Siegerbilder ermitteln.<br />
So geht die Wahl:<br />
Jedes Mitglied hat drei Stimmen.<br />
Macht Eure Häkchen in der Liste<br />
(im eMVZ unter „Abstimmung“)<br />
und klickt auf Abstimmen<br />
– und schon seid Ihr dabei!<br />
Wolf-Dieter Roth<br />
42 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
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Folge 2: Die Thesen der Börsianer.<br />
Geld verdienen durch<br />
Börsenspekulation und<br />
schlaues Anlegen, das ist<br />
auch für Ms ein spannendes<br />
Thema. Und wer sollte das<br />
ganz sichere System<br />
finden, wenn nicht jemand<br />
von uns.<br />
U<br />
m die Thesen der Börsianer,<br />
und das sind vor allem<br />
die Fondsmanager, Anlageberater<br />
und Bankberater, zu verstehen,<br />
muss man sich vorab über<br />
deren Interesse im Klaren sein,<br />
dass ein Anleger sein Geld bei<br />
ihnen abliefert, auf dass sie es<br />
gewinnbringend anlegen. Und<br />
das heißt, sie verdienen vor allem<br />
daran, dass wir unser Geld<br />
in Aktien anlegen, unabhängig<br />
davon, wie hoch die Kurse zur<br />
Zeit sind. Wir sollen unser Geld<br />
also vor allem gewinnbringend<br />
für diese Klientel einsetzen. Dabei<br />
sind die Banken zusätzlich<br />
daran interessiert, dass wir öfter<br />
mal was kaufen oder verkaufen,<br />
denn daran verdienen<br />
sie mehr als an den bloßen Depotgebühren.<br />
Sie sparen daher<br />
nicht mit guten Ratschlägen dafür,<br />
was wir gerade kaufen oder<br />
verkaufen sollten, um unser Depot<br />
(und ihren eigenen Geldbeutel)<br />
zu optimieren. Wie also lauten<br />
deren Thesen?<br />
These 1: Aktien sind langfristig<br />
gesehen, und vor allem<br />
in Zeiten fallender Zinsen,<br />
die beste Geldanlage.<br />
D<br />
ann zeigt man uns den Verlauf<br />
des Dax seit 1964.(Siehe<br />
Abbildung nächste Seite).<br />
Im Jahr 1980 lagen wir da bei<br />
etwa 500 (rückgerechnet), Anfang<br />
2021 hat der Dax schon<br />
mal die Marke 14.000 erreicht.<br />
Das ist eine Steigerung um das<br />
28-fache. Na also, alles klar.<br />
Nur mit Raketen geht es noch<br />
schneller nach oben. Kleiner<br />
Wermutstropfen: Das ist der<br />
Performance-Index. Das gilt<br />
also nur, wenn wir in den letzten<br />
40 Jahren keinen einzigen<br />
Cent abgehoben haben, sondern<br />
alles brav für's Alter angespart<br />
haben und natürlich nicht beim<br />
Corona-Einbruch im letzten Jahr<br />
die Nerven verloren und Kasse<br />
gemacht haben.<br />
Das funktioniert aber in der<br />
Praxis trotzdem nicht, weil die<br />
Fondsmanager, Anlagenberater,<br />
Banken & Co ja auch ihren<br />
Anteil vom Kuchen einfordern.<br />
Und sie fressen (den größten<br />
Teil) unserer Dividenden<br />
auf. Den Rest spendieren wir für<br />
eine gewisse (gewollte) Inflation.<br />
Wenn wir zudem etwas genauer<br />
hinschauen, fällt auf, dass es<br />
in den 20 Jahren von 1980 bis<br />
2000 beim Dax etwa um den<br />
Faktor 10 nach oben ging und<br />
zwar von 500 auf 5.000 (die<br />
Dotcom-Blase habe ich auf<br />
5.000 herunterkorrigiert beziehungsweise<br />
geglättet). Und<br />
ab 2000 bis 2020 war es dann<br />
weniger als der Faktor 3 (5.000<br />
bis 14.000). Ab 2018 geht es<br />
dann praktisch nur noch seitwärts,<br />
also Wachstum fast Null<br />
(Schwankungen um die 13.000).<br />
Wie verkauft man das also<br />
dem deutschen Michel, dass er<br />
trotzdem jetzt noch in Aktien<br />
investieren sollte? Nun, man<br />
44 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
BÖRSE & SPEKULATION<br />
Grafik: Redaktion<br />
schönt die Statistik einfach dadurch,<br />
dass man den steilen Anstieg<br />
vor dem Jahr 2000 mit einrechnet,<br />
dann kann man beweisen,<br />
dass es im Mittel (!) der letzten<br />
40 Jahre doch steil bergauf<br />
ging.<br />
Und dann gibt es noch eine<br />
weitere Möglichkeit, um den<br />
Kursanstieg „deutlicher“ zu gestalten:<br />
Man beginnt mit der Koordinate<br />
nicht bei Null, sondern<br />
beim Kurs, ab dem die Kursrallye<br />
demonstriert werden soll<br />
(also beispielsweise im Jahr<br />
2009 bei 5.000) und dann möglichst<br />
auch beim Tiefpunkt eines<br />
Crashs. Dann geht es gleich sehr<br />
viel steiler nach oben. Wenn wir<br />
beim Höchststand einer Blase<br />
beginnen und bei einem Crash<br />
(etwa im Rahmen der Corona-<br />
Krise) enden, sieht die Sache<br />
gleich weniger positiv aus.<br />
Dann geht man davon aus,<br />
dass das natürlich in Zukunft<br />
weiter so nach oben gehen wird.<br />
Die Philosophen nennen das<br />
den induktiven Trugschluss<br />
Und der geht so: Weil meine<br />
Frau in den letzten zehn Jahren<br />
zehn Kinder zur Welt gebracht<br />
hat, gehe ich davon aus, dass in<br />
den nächsten 20 Jahren weitere<br />
20 Kinder dazukommen, oder<br />
weil mein Sohn in den letzten<br />
zehn Jahren um einen Meter gewachsen<br />
ist, erwarte ich, dass er<br />
in den nächsten 20 Jahren nochmals<br />
um zwei Meter wachsen<br />
wird. Jetzt erkennen wir, dass<br />
wir bei solchen Schlussfolgerungen<br />
erst mal hinterfragen<br />
müssen, was denn die Voraussetzungen<br />
beziehungsweise Bedingungen<br />
für das Wachstum<br />
waren und ob diese auch in Zukunft<br />
noch gelten werden. Eine<br />
Triebfeder für das Kursfeuerwerk<br />
waren die fallenden Zinsen,<br />
wie ich in Folge 1 gezeigt<br />
habe. Und nachdem die Zinsen<br />
für unsere Spareinlagen jetzt<br />
faktisch bei Null liegen, frage<br />
ich mal vorsichtig an, wieviel<br />
Spielraum es nach unten noch<br />
gibt.<br />
Wenn mir die Bank Negativzinsen<br />
berechnet, hebe ich mein<br />
Geld ab und lege es unters Kopfkissen<br />
oder in die Wäschetruhe.<br />
Böse Zungen behaupten, dass<br />
böse Buben deshalb das Bargeld<br />
abschaffen wollen. Dann<br />
gibt’s Geld nur noch auf dem<br />
Stick und kann auch dann negativ<br />
verzinst werden, wenn ich<br />
mir den Stick unters Kopfkissen<br />
lege.<br />
Es gibt aber auch Spekulationen<br />
und Gründe (die ich hier<br />
im Einzelnen nicht diskutieren<br />
möchte) dafür, dass die Zinsen<br />
vielleicht sogar wieder etwas<br />
anziehen könnten, allerdings sicher<br />
nicht zu sehr (sonst drohen<br />
Staatspleiten). Das könnte den<br />
Dax dann auch wieder auf Talfahrt<br />
schicken. Was also sollen<br />
wir tun? Fragen wir also einfach<br />
unsere Experten, die müssen es<br />
ja wissen.<br />
These 2: Expertenwissen<br />
ist (meist nicht) gut,<br />
aber sicher teuer<br />
W<br />
enn<br />
der Laie nicht weiter<br />
weiß, geht er zum Bank-,<br />
Vermögens- oder Anlageberater.<br />
Das klingt erst mal vernünftig.<br />
Nun hat man aber in verschiedenen<br />
Experimenten festgestellt,<br />
dass diese Experten mit<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 45
BÖRSE & SPEKULATION<br />
ihren Prognosen zur Entwicklung<br />
von Aktienkursen meist<br />
schlechter liegen als wenn wir<br />
unsere Aktienkäufe nach dem<br />
Zufallsprinzip tätigen oder unsere<br />
Oma um ihren Rat fragen.<br />
Warum ist das so? Ich habe dafür<br />
eine simple Erklärung: Wir<br />
müssen hierbei berücksichtigen,<br />
dass die Börsenkurse ja das<br />
widerspiegeln, was die Großinvestoren<br />
(und ich unterstelle<br />
mal, dass das Fachleute sind) erwarten,<br />
und zwar an Unternehmenswachstum<br />
und -Dividenden.<br />
Wenn ich also wissen will,<br />
was die Experten prophezeien,<br />
schaue ich mir einfach die Kurse<br />
der Aktien an, denn die zeigen<br />
mir ja die Erwartungen dieser<br />
Leute auf.<br />
Die Kurse werden also steigen,<br />
wenn die Experten die Lage zu<br />
pessimistisch gesehen haben,<br />
und sie werden sinken, wenn<br />
die Fachleute zu optimistisch<br />
waren. Wenn sie wirkliche Fachleute<br />
sind, ist die Wahrscheinlichkeit<br />
für beide Alternativen<br />
etwa gleich groß. Ich kann also<br />
meine Entscheidung für eine<br />
Aktie auch auswürfeln. Das mache<br />
ich natürlich nicht, denn<br />
ich hinterfrage, wie die Fachleute<br />
zu ihrer Einschätzung kommen,<br />
und nutze für mich deren<br />
Schwächen aus.<br />
These 3: Man ist am besten mit<br />
Fonds, ETFs & Co beraten, wenn<br />
man von Aktien nichts versteht<br />
D<br />
ie Argumente, die uns hier<br />
von Anlageberatern aufgetischt<br />
werden, klingen erst mal<br />
plausibel. Diese Argumente lauten<br />
so: Man sollte das Geschäft<br />
von Leuten erledigen lassen,<br />
die was von der Sache verstehen.<br />
Warum ich das anders sehe,<br />
habe ich bereits dargelegt. Plausibler<br />
klingt da schon das Argument,<br />
dass (Publikum-)Fonds<br />
das angelegte Geld streuen, also<br />
in viele unterschiedliche Werte<br />
beziehungsweise Aktien investieren.<br />
Wenn dann mal eine Wirecard<br />
den Bach runtergeht, betrifft<br />
uns das nur teilweise. Immer<br />
besser, als wenn man alles<br />
auf diese Karte gesetzt hat.<br />
Klingt erst mal einleuchtend,<br />
aber da zeigt sich, dass Fonds,<br />
die sich einfach an einem Index<br />
orientieren und diesen in<br />
ihrem Depot abbilden, meist<br />
am besten abschneiden. Zumindest<br />
schneiden die meisten<br />
Fonds schlechter ab als der Dax<br />
(Performance-Index). Und jetzt<br />
kommen wieder meine erwarteten<br />
Wermutstropfen, die in der<br />
Empfehlung gipfeln: Hände weg<br />
von Fonds!<br />
Die Gründe sind folgende:<br />
Da sollten wir uns erst mal<br />
die Fondsgebühren anschauen.<br />
Üblich ist ein Ausgabeaufschlag<br />
von fünf Prozent (zur<br />
Abdeckung von Werbekosten<br />
des Fonds, Provisionen et cetera).<br />
Dazu kommen Kosten für<br />
das Fondsmanagement von im<br />
Mittel circa 1,5 Prozent pro Jahr.<br />
Wenn der Fonds gut läuft (relativ<br />
zu anderen Fonds und nicht<br />
zum Index), kommt gegebenenfalls<br />
noch eine Zusatzvergütung<br />
als Erfolgsprämie für das Fondsmanagement<br />
dazu.<br />
Alles zusammen bedeutet,<br />
dass in rund vier Jahren schon<br />
mal zehn Prozent von unserem<br />
Investment in der Tasche<br />
des Fondsmanagements gelandet<br />
sind. Nach zehn Jahren sind<br />
mindestens 20 Prozent von unserer<br />
Anlage „dahingeschmolzen“,<br />
das sind circa zwei Prozent<br />
pro Jahr. Und das ist nicht viel<br />
weniger als das, was die Dax-Unternehmen<br />
als Dividendenrendite<br />
im Mittel ausschütten.<br />
Das heißt, die Dividenden unserer<br />
Aktien landen in der Tasche<br />
der Fondsmanager und der<br />
Bank, die unser Depot verwaltet.<br />
Was uns bleibt, ist das, was der<br />
Kursindex widerspiegelt, und<br />
das war in den letzten Jahren<br />
nicht berauschend, und es ist<br />
unwahrscheinlich, dass das besser<br />
wird. Und weil von den Dividendenausschüttungen<br />
nichts<br />
für den Anleger übrigbleibt,<br />
sind das oft sogenannte thesaurierende<br />
Fonds, wo die Ausschüttungen<br />
reinvestiert und<br />
nicht ausbezahlt werden. Dann<br />
fällt nicht auf, wie wenig (wenn<br />
überhaupt) tatsächlich reinvestiert<br />
wird.<br />
Da zeigt sich gleich noch ein<br />
weiteres Problem: Wenn man<br />
einen Fonds kauft, verliert man<br />
an Flexibilität, weil wegen des<br />
hohen Ausgabeaufschlags ein<br />
kurzfristiger Wiederverkauf mit<br />
hohen Kosten und damit Verlusten<br />
verbunden ist. Wenn ich<br />
fünf bis zehn verschiedene Aktien<br />
erwerbe, habe ich auch<br />
schon eine ausreichende Streuung,<br />
denn nach den Gesetzen<br />
der Statistik nimmt das Risiko<br />
nicht mehr merklich ab, wenn<br />
ich an Stelle von fünf Aktien 50<br />
oder gar 500 verschiedene Aktien<br />
erwerbe.<br />
Besser bin ich da schon dran,<br />
wenn ich mich in unterschiedlichen<br />
Anlageformen engagiere.<br />
Allerdings muss hier erwähnt<br />
werden, dass man natürlich<br />
auch Fonds erwerben kann,<br />
die das Geld in Renten, Rohstoffen<br />
und anderem anlegen. Und<br />
dann wird bei dieser Argumen-<br />
46 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
BÖRSE & SPEKULATION<br />
tation meist noch ein wichtiger<br />
Punkt vergessen: Wenn bei<br />
einem Kursrutsch am Aktienmarkt<br />
(wie zuletzt bei Corona)<br />
die Anleger die Nerven verlieren<br />
und indexorientierte Fonds<br />
verkaufen, müssen (von diesen<br />
Fonds) auch Aktien verkauft<br />
werden, die von der aktuellen<br />
Situation überhaupt nicht<br />
betroffen sind. Es gehen dann<br />
alle Aktien auf Talfahrt und<br />
eine breite Streuung bietet wenig<br />
Schutz.<br />
So sind beispielsweise beim<br />
Corona-Einbruch auch die Aktien<br />
der Deutschen Post im Kurs<br />
gefallen, obwohl die Post vom<br />
verstärkt einsetzenden Versandhandel<br />
profitierte. Da mir dieser<br />
Zusammenhang klar war, habe<br />
ich meine Chance genutzt und<br />
bin in diesem Moment bei der<br />
Deutschen Post eingestiegen.<br />
Und es hat sich ausgezahlt und<br />
ich habe meine Brötchen mit<br />
den Verlusten der Fondsfanatiker<br />
verdient!<br />
Ach ja, und um die Kosten von<br />
Fonds zu drücken, empfiehlt<br />
man uns jetzt ETFs (Exchange<br />
Traded Funds). Das sind börsengehandelte<br />
Indexfonds, die die<br />
Wertentwicklung irgendwelcher<br />
Marktindizes abbilden. Man<br />
kann dann mit einem Wertpapier<br />
in einen ganzen Markt investieren<br />
und weiß, welche Papiere<br />
man hat.<br />
ETFs sind kostengünstig, diversifiziert,<br />
flexibel und liquide<br />
und die angelegten Gelder<br />
sind als Sondervermögen bei<br />
einer Depotbank verwahrt und<br />
bei einem Konkurs der Fondgesellschaft<br />
geschützt. ETFs werden<br />
wie Aktien an der Börse gehandelt<br />
und können wie Aktien<br />
jederzeit gekauft und verkauft<br />
werden, wobei nur die üblichen<br />
Ordergebühren anfallen. Da<br />
Fondsmanager und Bankberater<br />
daran nichts verdienen (keine<br />
Provision), werden sie von<br />
solchen Beratern allenfalls beiläufig<br />
erwähnt.<br />
Das ist aber eine Alternative<br />
für Anfänger und Fortgeschrittene,<br />
die es nach dem Kriterium<br />
„less risk, less fun“ angehen lassen<br />
und ihr Erspartes nicht bei<br />
Fondsmanagern abliefern wollen.<br />
These 4: Man kann jederzeit<br />
in Aktien einsteigen, denn<br />
langfristig gesehen spielt<br />
der Einstiegspreis nur<br />
eine geringe Rolle<br />
D<br />
ie Milchmädchenrechnung,<br />
die man uns dann präsentiert,<br />
geht wie folgt: Wenn wir<br />
1980 bei circa 500 beim Dax eingestiegen<br />
sind, haben wir bis<br />
heute beim Kurs 13.500 insgesamt<br />
13.000 dazu verdient. Sind<br />
wir 1987 beim Kurs 1.000 eingestiegen,<br />
liegt der Zugewinn<br />
bei 12.500. Das sind 3,85 Prozent<br />
weniger. Na also, der Unterschied<br />
ist minimal, also war es<br />
letztlich egal, bei welchem Kurs<br />
wir eingestiegen sind (vorausgesetzt,<br />
es hat eine ausreichende<br />
Kursrallye stattgefunden).<br />
Ich rechne anders: Wenn ich<br />
bei 500 eingestiegen bin, habe<br />
ich einen Zugewinn um den Faktor<br />
27 erzielt. Bin ich bei 1.000<br />
eingestiegen, ist das nur der<br />
Faktor 13,5. Ich habe dann also<br />
prozentual nur halb so viel dazugewonnen.<br />
Die Schlaumeier<br />
werden jetzt darauf hinweisen,<br />
dass ich, wenn ich 1.000 Euro<br />
investiert habe beim Kurs von<br />
500, ich zusätzlich auch noch<br />
doppelt so viele Aktien für mein<br />
Geld bekommen habe. Stimmt,<br />
aber das hat deshalb nicht automatisch<br />
meinen Gewinn (absolut<br />
betrachtet) zusätzlich noch<br />
einmal verdoppelt.<br />
These 5: Bei Aktien erwerbe ich<br />
konkrete Werte. Spareinlagen<br />
sind dagegen bloß Papier, das<br />
bei einer Inflation wertlos wird<br />
M<br />
it Aktien werde ich also<br />
zu einem Miteigentümer<br />
eines Unternehmens. Dieses Argument<br />
hat etwas Richtiges an<br />
sich, aber Vorsicht. Das Kurs-<br />
Buch-Verhältnis KBV der Dax-<br />
Unternehmen liegt zwischen<br />
1 und 5 (von Ausreißern nach<br />
oben und unten abgesehen).<br />
Das heißt, dass der Kurs einer<br />
Aktie in der Regel bis zu einem<br />
Faktor von 5 höher liegt als das<br />
in der Bilanz ausgewiesene zugehörige<br />
Eigenkapital.<br />
Wir erwerben also nicht nur<br />
konkretes Eigenkapital, sondern<br />
auch noch zusätzlich „heiße<br />
Luft“, die die Erwartungen an<br />
Kursgewinne und Dividenden<br />
widerspiegelt. Und trüben sich<br />
diese Erwartungen ein, können<br />
die Kurse fallen, auch wenn das<br />
Eigenkapital erhalten bleibt.<br />
In der dritten und letzten Folge<br />
werden weitere Berater-Thesen beleuchtet<br />
und persönliche Grundsätze<br />
zur Geldanlage vorgestellt.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 47
FILMKUNST<br />
KARIN POLZ<br />
In gestrecktem Galopp<br />
auf die Leinwand<br />
Die Kino-Kolumne mit Extra-Fakten für Besserwisser<br />
Pferdeliebende Cineasten<br />
scharren wahrscheinlich<br />
schon mit den Hufen, denn<br />
die Kinos haben nach der<br />
Zwangspause zahlreiche<br />
Pferdefilme am Start. Ganz<br />
nach dem Motto „Das<br />
Leben ist doch ein Ponyhof “<br />
scheint die heile Pferdewelt<br />
in allen Altersschichten gut<br />
anzukommen.<br />
Pferde sind 2021 mit Abstand<br />
die beliebtesten Tiere in Kinofilmen.<br />
Es reicht ein kurzer Blick<br />
auf die Spielpläne des Sommers,<br />
um ein halbes Dutzend<br />
Filmstarts zu entdecken, in denen<br />
die Reittiere die Hauptrolle<br />
spielen. Ob sie nun Poly („Mein<br />
Freund Poly“), Ostwind („Ostwind<br />
– Der große Orkan“, siehe<br />
<strong>MinD</strong> <strong>Mag</strong>azin 140) oder Kleiner<br />
Donner („Yakari“) heißen –<br />
bei vielen Kindern und Jugendlichen<br />
sind die Filmpferde echte<br />
Stars. Und vielleicht bringt einer<br />
dieser Film sogar einen neuen<br />
Pferde-Promi hervor, der dem<br />
bisher berühmtesten Filmpferd<br />
Black Beauty den Rang abläuft.<br />
Spirit – frei und<br />
ungezähmt<br />
(Filmstart geplant für 22. Juli)<br />
S<br />
tatt deutscher Pferdehof-<br />
Idylle wartet dieser Animationsfilm<br />
mit amerikanischer<br />
Kulisse, Cowboy-Feeling<br />
und wilden Mustangs auf. Alles<br />
ist eine Nummer größer, alles<br />
ein bisschen übertrieben –<br />
der Fantasie haben die Filmemacher<br />
in einem neuen Teil<br />
der Franchise-Zeichentrick-Reihe<br />
freien Lauf gelassen. Ohne<br />
Reiterfahrung und ohne Sattel<br />
prescht Hauptdarstellerin Lucky<br />
auf dem Rücken eines ungezähmten<br />
Mustangs durch die<br />
Prärie und springt über Klippen<br />
– bitte nicht nachmachen!<br />
Auch sonst wird kaum ein Klischee<br />
ausgelassen: Die zwölfjährige<br />
Lucky ist Halbwaise und<br />
auf der Suche nach ihrer Identität,<br />
nach Selbstständigkeit und<br />
Anerkennung. Sie freundet sich<br />
mit Pru und Abigail, zwei Reitermädchen,<br />
an und lernt das<br />
Wildpferd Spirit kennen, das in<br />
einem Stall in der Nähe gefangen<br />
gehalten wird. Fasziniert<br />
von dessen Freiheitsdrang, baut<br />
Lucky eine Beziehung zu Spirit<br />
auf.<br />
Aber natürlich muss es einen<br />
Haken geben an der Pferde-Idylle:<br />
Als eine Gruppe von Banditen<br />
plant, Spirit und seine Herde<br />
zu verkaufen, will Lucky das<br />
verhindern. Natürlich geht alles<br />
gut aus, sonst wäre der Film<br />
nicht ohne Altersbeschränkung<br />
freigegeben.<br />
Immenhof – Das<br />
große Versprechen<br />
(Filmstart geplant<br />
für 26. August)<br />
I<br />
mmenhof ist seit den 1950er<br />
Jahren der Inbegriff eines Ponyhofs<br />
– unzählige Mädchen<br />
48 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
FILMKUNST<br />
(und sicher auch einige Jungs)<br />
sind mit den Bildern des idyllischen<br />
Gutshofs und den Geschichten<br />
um Pferde, Freundschaft,<br />
Familie und Vertrauen<br />
aufgewachsen. 2019 belebte Regisseurin<br />
Sharon von Wietersheim<br />
die Reihe mit „Immenhof<br />
– Das Abenteuer eines Sommers“<br />
neu. Ganz ohne Fünfziger-Jahre-<br />
Heimatkitsch und mehr in der<br />
Stilistik der „Ostwind“-Filme.<br />
Mit „Immenhof – Das große<br />
Versprechen“ geht die Geschichte<br />
um die Schwestern Charly,<br />
Lou und Emmie zeitgemäß weiter.<br />
Damit es nicht zu idyllisch<br />
wird, bekommen die Immenhof-<br />
Mädchen im neuen Film jede<br />
Menge kontroverser Charaktere<br />
an die Seite gestellt: ihre Cousine<br />
und Großstadtpflanze Josy<br />
zum Beispiel sowie Heiner Lauterbach<br />
als Jochen Mallinckroth,<br />
den hartherzigen Besitzer des<br />
Nachbargestüts, den man schon<br />
aus dem Film von 2019 kennt.<br />
Gerade für die kleineren Zuschauer<br />
und Zuschauerinnen<br />
dürfte der wichtigste Darsteller<br />
aber das Rennpferd Cagliostro<br />
sein, das sich in großer Gefahr<br />
befindet. Zudem spielen 22<br />
Islandponys eine wichtige Rolle.<br />
P<br />
ferdefilme<br />
Dream Horse<br />
(Filmstart geplant<br />
für 12. August)<br />
gibt es auch für<br />
Erwachsene – man denke<br />
an „Der Pferdeflüsterer“.<br />
Allerdings kommt der Film<br />
„Dream Horse“ stilistisch aus einer<br />
ganz anderen Ecke: Die Komödie<br />
spielt in Wales und setzt<br />
die Tradition gelungener britischer<br />
Komödien wie „Ganz oder<br />
gar nicht“ oder „Lang lebe Ned<br />
Devine!“ fort, in denen Menschen<br />
aus der Arbeiterklasse<br />
oder eine typische Dorfgemeinschaft<br />
die Hauptrolle spielen.<br />
In diesem Fall ist es Jan, die<br />
tagsüber an der Supermarktkasse<br />
sitzt und abends im Dorfpub<br />
aushilft. Ein unspektakuläres<br />
Leben also, bis Jan beschließt,<br />
ihren Traum wahr zu<br />
machen und ein eigenes Rennpferd<br />
zu züchten. Obwohl sie<br />
weder finanzielle Mittel noch<br />
Erfahrung mitbringt, gelingt es<br />
ihr, eine skurrile Truppe zusammenzutrommeln,<br />
die ihre Hoffnung<br />
in das Fohlen „Dream Alliance“<br />
setzt. Wer jetzt meint, das<br />
höre sich ziemlich unglaubwürdig<br />
an: Der Film basiert auf einer<br />
wahren Geschichte.<br />
Nicht nur das macht den<br />
Charme der warmherzigen Underdog-Komödie<br />
aus, sie profitiert<br />
vor allem von Hauptdarstellerin<br />
Toni Collette. Schließlich<br />
ist die australische Schauspielerin<br />
darauf spezialisiert,<br />
auch den unglamourösesten<br />
Film-Charakteren Liebenswürdigkeit<br />
und Ernsthaftigkeit zu<br />
verleihen.<br />
S<br />
chon<br />
Extra-Fakten:<br />
Filmfestivals für<br />
Pferdefans<br />
mal was von der Equinale<br />
gehört? Die Equinale<br />
ist seit 2016 ein internationales<br />
Filmfestival für Pferdefilme<br />
und Filme mit Pferden. Ob<br />
Dokumentation, Werbe-, Lehr-,<br />
Kurz- oder Spielfilm – Hauptsache,<br />
ein Pferd kommt vor. Dass<br />
man von der Equinale so wenig<br />
hört, liegt vielleicht am abgelegenen<br />
Schauplatz des Festivals:<br />
Schloss Neuhoff in Mecklenburg.<br />
Die nächste Equinale findet<br />
von 1. bis 3. Oktober 2021<br />
statt. Kurz danach, von 12. bis<br />
21. November, steht übrigens<br />
das nächste Pferdefilm-Festival<br />
an: das Equus Film & Arts Fest<br />
in New York.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 49
SCHULE & UNTERRICHT<br />
COSMIN PLOSCARIU<br />
Mehr als nur verstaubte<br />
Klostermauern<br />
Die Landesschule Pforta – aus Schüler-Sicht.<br />
N<br />
aumburg ist eine kleine<br />
Stadt ganz im Süden von<br />
Sachsen-Anhalt. Abseits des<br />
Trubels der Stadt liegt das Kloster<br />
Pforta – gegründet 1137 und<br />
seit 1543 ein staatliches begabtenförderndes<br />
Internatsgymnasium.<br />
Dabei reichen die Klassenstufen<br />
von der Klasse neun<br />
bis zur Klasse zwölf, wobei hier<br />
dann in der zwölften Klasse<br />
auch das Abitur geschrieben<br />
wird.<br />
Im Laufe der Zeit waren verschiedene<br />
berühmte Persönlichkeiten<br />
in „Pforte“, so beispielsweise<br />
Friedrich Nietzsche<br />
(1844 – 1900), Johann Gottlieb<br />
Fichte (1762 – 1814) oder Friedrich<br />
Gottlieb Klopstock (1724 –<br />
1803). Auch heute ist die Schule<br />
noch sehr bekannt und zieht<br />
viele Touristinnen und Touristen,<br />
Schüler und Schülerinnen<br />
an, die diesen Ort besuchen<br />
möchten.<br />
Seit diesem Schuljahr bin ich,<br />
Cosmin Ploscariu, auch Teil der<br />
Gemeinschaft in „Pforte“ und<br />
gehe in die Klasse 9s, die Sprachenklasse.<br />
An der Landesschule<br />
Pforta muss man einen von<br />
drei möglichen Zweigen – Sprachen,<br />
Naturwissenschaften, Musik<br />
– belegen. Jeder Zweig erhält<br />
eine besondere Förderung<br />
– durch eigene zusätzliche Fächer<br />
oder außerschulische Aktivitäten.<br />
So erlerne ich neben meinen<br />
obligatorischen ersten und<br />
zweiten Fremdsprachen auch<br />
noch Spanisch und Latein und<br />
nehme zudem an verschiedenen<br />
Sprachwettbewerben teil. Neben<br />
den regulären Unterrichtsangeboten<br />
haben die Sprachenzweigschülerinnen<br />
und -schüler<br />
auch die Möglichkeit, am Austausch<br />
mit Partnerschulen teilzunehmen,<br />
um sich sprachlich,<br />
aber auch menschlich und kulturell<br />
weiterzuentwickeln. Besonders<br />
beliebt ist dabei der<br />
Austausch mit der Partnerschule<br />
in Ecuador.<br />
Ebenfalls geschätzt werden<br />
die Sprachen-AGs, die von Schülerinnen<br />
und Schülern geleitet<br />
werden und jedes Schuljahr<br />
viele neue Mitglieder anziehen.<br />
Aber auch die N- und M-Schülerinnen<br />
und -Schüler haben diverse<br />
Zweigangebote. So gibt es<br />
beispielsweise für den N-Zweig<br />
plus-MINT und einen Chor für<br />
den M-Zweig.<br />
Da ich als Neuntklässler erst<br />
seit einigen Monaten an der<br />
50 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
SCHULE & UNTERRICHT<br />
Sehr romantisch:<br />
Der Eingang der<br />
Landesschule Pforta.<br />
Alle Fotos: Cosmin Ploscariu<br />
Landesschule Pforta bin, habe<br />
ich viele Ereignisse noch nicht<br />
miterlebt und habe zudem als<br />
Schüler weniger Einblick und<br />
Erfahrung als eine Lehrkraft.<br />
Deshalb hat sich meine Klassenlehrerin,<br />
Frau Vivien Lange,<br />
freundlicherweise dazu bereit<br />
erklärt, mir ein Interview zu<br />
geben. Sie leitet als sogenannte<br />
Hausmutter eines von sechs Internaten,<br />
wobei ihr Haus mit 60<br />
Schülern das größte ist und traditionell<br />
als „Klausur“ bezeichnet<br />
wird.<br />
Die Landesschule Pforta hat<br />
eine sehr lange Tradition.<br />
Inwiefern prägt sie noch<br />
heute den Schulalltag?<br />
Vivien Lange: Auch heute noch<br />
lässt sie sich im Schulalltag erkennen.<br />
Beispielsweise die lange<br />
Mittagspause oder allein<br />
schon der Begriff Silentium<br />
(verpflichtende Hausaufgaben-<br />
Zeit für alle Schülerinnen und<br />
Schüler am späten Nachmittag)<br />
sind Teil der Schultradition.<br />
Von großer Bedeutung sind die<br />
Immatrikulation und die Exmatrikulation:<br />
Zeremonien zu Beginn<br />
und am Ende der Schulzeit<br />
in Schulpforte, in denen sich die<br />
Schülerinnen und Schüler in ein<br />
großes Buch ein- und austragen.<br />
Bestimmte Festlichkeiten wie<br />
das Ecce-Fest, das Gedenken<br />
Verstorbener, oder das Martini-<br />
Gänseessen finden schon seit<br />
vielen, vielen Jahren statt und<br />
sind fester Bestandteil von Pforte.<br />
Was Tradition pur ist, sind<br />
die ganzen Veranstaltungen, die<br />
in der Kirche stattfinden. Die<br />
Kirche ist ein zentraler Punkt<br />
der Schule, in der schon seit langer<br />
Zeit bedeutende Traditionen<br />
wie die Immatrikulation oder<br />
Exmatrikulation stattfinden.<br />
Wie sieht das Schulkonzept<br />
der Landesschule Pforta<br />
eigentlich aus?<br />
Wir versuchen, vor allem Schülerinnen<br />
und Schüler zu fördern,<br />
die lernen wollen und gefördert<br />
werden möchten. Durch<br />
die Kombination aus Begabtenförderung<br />
und Internatsgymnasium<br />
wird den Schülerinnen<br />
und Schülern beigebracht, mit<br />
Verantwortung umzugehen und<br />
selbstbestimmt zu handeln.<br />
Dabei orientieren wir uns<br />
stark an dem Leitspruch der<br />
Schule, den Nietzsche, ein ehemaliger<br />
Schüler der Landesschule<br />
Pforte, gesagt hat: „Erkenne<br />
dich selbst – werde, der<br />
du bist!“ Wir wollen aus den<br />
Schülerinnen und Schülern ihr<br />
ganzes Potenzial herausholen,<br />
egal aus welcher Gesellschaftsschicht<br />
sie kommen. Deshalb<br />
schaut die Schule nur nach den<br />
schulischen Leistungen der<br />
Schülerinnen und Schülern und<br />
verlangt lediglich Geld für die<br />
Unterkunft (250 beziehungsweise<br />
350 Euro).<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 51
SCHULE & UNTERRICHT<br />
Wer kann sich bewerben?<br />
Theoretisch können sich alle<br />
bewerben! Normalerweise findet<br />
die Bewerbung für die achte<br />
Klasse statt, jedoch können sich<br />
auch für die neunte und zehnte<br />
Klasse Quereinsteigerinnen<br />
und Quereinsteiger bewerben.<br />
Um sich bewerben zu können,<br />
braucht man in den profilrelevanten<br />
Fächern mindestens eine<br />
2. Im Frühjahr gibt es eine Aufnahmeprüfung,<br />
und wer diese<br />
erfolgreich besteht, wird dann<br />
einen Monat später benachrichtigt.<br />
Was schätzen Sie an dieser<br />
Schule besonders?<br />
Ich schätze insbesondere die<br />
Schülerinnen und Schüler und<br />
das Internat. Sie sind ein Grund,<br />
weshalb ich hergekommen bin.<br />
Natürlich tragen auch die positive<br />
Lernumgebung, die an vielen<br />
anderen Schulen nicht in<br />
diesem Maße gegeben ist, und<br />
der Umgang miteinander dazu<br />
bei, dass man sich sehr wohlfühlt.<br />
Die Schülerinnen und<br />
Schüler unterstützen sich, wann<br />
immer es geht, gegenseitig und<br />
sind füreinander da. Und nicht<br />
zuletzt schätze ich auch diesen<br />
wundervollen Ort.<br />
Was unterscheidet die<br />
Landesschule Pforta von<br />
anderen Schulen?<br />
Zum einen ist da das Internatsleben,<br />
das es an den meisten<br />
Schulen nicht gibt. Wo wohnst<br />
du schon Wand an Wand mit<br />
deinen Mitschülerinnen und<br />
Mitschülern? Alleine die Unterteilung<br />
in Zweige unterscheidet<br />
uns von anderen Schulen,<br />
und darüber hinaus gibt es auch<br />
Die Kirche von Pforta ist ein zentraler Punkt<br />
im Schulleben.<br />
Profilfächer für den jeweiligen<br />
Zweig.<br />
Wir sind eine Ganztagsschule,<br />
das heißt, dass ihr die Möglichkeit<br />
habt, auch nach dem Unterricht<br />
noch hier zu lernen und<br />
Zeit mit euren Klassenkameradinnen<br />
und Klassenkameraden<br />
sowie Schülerinnen und Schülern<br />
aus anderen Jahrgängen<br />
zu verbringen. Es finden immer<br />
wieder fächerübergreifende<br />
Veranstaltungen statt, wodurch<br />
Lehrinhalte verknüpft werden<br />
können. Außerdem herrscht<br />
unabhängig vom Unterricht ein<br />
familiärer und herzlicher Umgang,<br />
den man an einer normalen<br />
Schule vermutlich nicht hat.<br />
Welche Eigenschaften sollte<br />
eine zukünftige Pfortenserin<br />
oder ein zukünftiger<br />
Pfortenser mitbringen?<br />
Auf jeden Fall soll die Bereitschaft<br />
da sein zu lernen und<br />
sich der Verantwortung zu stellen.<br />
Insbesondere Solidarität,<br />
Selbstständigkeit und Motivation<br />
sind Eigenschaften, die von<br />
einer Pfortenserin oder einem<br />
Pfortenser erwartet werden. Zudem<br />
braucht er oder sie ein gewisses<br />
Maß an Kreativität und<br />
Bescheidenheit und sollte belastungsfähig<br />
sein. Was hier auch<br />
großgeschrieben wird, sind Offenheit<br />
und Ehrlichkeit. Diese<br />
Dinge sind der Schlüssel zum<br />
Erfolg.<br />
Was macht die Schulgemeinschaft<br />
in Schulpforte aus?<br />
Die Schulgemeinschaft macht<br />
eindeutig das Miteinander aus.<br />
Hier sind die einzelnen Jahrgänge<br />
nicht getrennt voneinander,<br />
sondern leben miteinander. Das<br />
wird vor allem in den Internaten<br />
deutlich, in denen alle Jahrgangsstufen<br />
wohnen und leben.<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
sind also eine große Gemeinschaft.<br />
Abgesehen davon lebt<br />
die Schulgemeinschaft auch<br />
von außerschulischen Aktivitäten<br />
und Veranstaltungen.<br />
So sind die Projektwoche, das<br />
Schulfest, die Wandertage, das<br />
Martini-Gänseessen und vieles<br />
mehr Ereignisse, die die Gemeinschaft<br />
stärken und die Bindung<br />
zwischen den Schülerinnen<br />
und Schülern verstärken.<br />
Auch der Kontakt mit den<br />
Lehrkräften ist fester Bestandteil<br />
davon und macht die Gemeinschaft<br />
aus. Die AGs, die<br />
von Schülerinnen und Schülen<br />
geleitet werden, fördern die<br />
Selbstständigkeit und unterstützen<br />
den Kontakt zwischen<br />
den Schülerinnen und Schülern.<br />
Vielen Dank für Ihre Zeit!<br />
Aktuell sind Veranstaltungen<br />
und außerschulische Aktivitäten<br />
aber noch ein ganzes Stück<br />
entfernt. Aufgrund der Corona-<br />
52 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
SCHULE & UNTERRICHT<br />
Pandemie ist nämlich nur teilweise<br />
Präsenzunterricht möglich.<br />
Neben den Zwölftklässlerinnen<br />
und Zwölftklässlern,<br />
die die ganze Zeit in Pforte sind,<br />
um ihr Abitur erfolgreich zu absolvieren,<br />
darf jeweils nur eine<br />
Klassenstufe anreisen.<br />
Deshalb sind wir die meiste<br />
Zeit noch zu Hause. Es finden<br />
viele Videokonferenzen statt,<br />
in denen unterrichtet wird oder<br />
man über das aktuelle Fachthema<br />
spricht. Vorträge, die normalerweise<br />
in der Schule gehalten<br />
worden wären, werden<br />
nun online vorgetragen, und bei<br />
Gruppenarbeiten werden wir<br />
einfach in digitale Gruppenräume<br />
geschickt.<br />
Nach dem Unterricht sind<br />
Verabredungen und Treffen der<br />
Schülerinnen und Schüler in<br />
der Schule fester Bestandteil<br />
des Zusammenlebens. Aus diesem<br />
Grund fanden in meiner<br />
Klasse schon mehrmals Online-<br />
Klassenabende statt, die für alle<br />
eine willkommene Abwechslung<br />
zum „Schulalltag“ darstellten<br />
und die sozialen Kompetenzen<br />
auffrischten.<br />
Aber auch Tests und Klassenarbeiten<br />
gehören zum Schulleben.<br />
Zu einer bestimmten Zeit<br />
erhalten wir gelegentlich einen<br />
Test und müssen ihn innerhalb<br />
eines Zeitfensters zurückschicken.<br />
Eine andere Möglichkeit<br />
sind auch Klassenarbeitsersatzleistungen,<br />
die wir über einen<br />
längeren Zeitraum ausarbeiten<br />
sollen.<br />
So geht der Schulrhythmus<br />
nicht verloren! Dieser wird<br />
umso wichtiger, wenn wir wieder<br />
anreisen dürfen. Und obwohl<br />
in allen Gebäuden Maskenpflicht<br />
und Abstandsregeln<br />
Der Kreuzgang: Hier gingen schon Nietzsche,<br />
Fichte und Klopstock lang.<br />
gelten, die vorbildlich eingehalten<br />
werden, war es doch etwas<br />
ganz Besonderes, mal wieder<br />
etwas „Pforte-Luft“ zu schnuppern<br />
und die ganzen Klassenkameradinnen<br />
und Klassenkameraden<br />
zu sehen.<br />
Dreimal die Woche besteht<br />
die Möglichkeit, sich auf das Corona-Virus<br />
testen zu lassen, die<br />
in der Regel von allen Schülerinnen<br />
und Schülern auch angenommen<br />
wird. Der Unterricht<br />
findet dann in großen Räumen<br />
statt, sodass die Klasse nicht geteilt<br />
werden muss und der Abstand<br />
eingehalten werden kann.<br />
Nichtsdestotrotz profitiert die<br />
gesamte Klasse von dem Präsenzunterricht,<br />
da zum einen<br />
der direkte Austausch zwischen<br />
Schülerinnen, Schülern und<br />
Lehrkräften stattfinden kann<br />
und zum anderen Lehrinhalte<br />
ganz anders aufgearbeitet werden<br />
können.<br />
Auch das Lernklima fand ich<br />
deutlich angenehmer als zu<br />
Hause, wodurch die Motivation<br />
stieg. Was jedoch am meisten<br />
leidet, ist das Internatsleben,<br />
das vor allem auf den Austausch<br />
und das Zusammenleben<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
aufbaut.<br />
Dies ist jedoch momentan<br />
nicht möglich, da jeweils nur<br />
zwei Jahrgangsstufen vor Ort<br />
sind und der Kontakt aufgrund<br />
der „Kohorten-Regelung“ begrenzt<br />
ist. Besuche in anderen<br />
Internatszimmern sind daher<br />
nicht möglich, wenn auch<br />
Treffen im Park stattfinden dürfen<br />
und viele Schülerinnen<br />
und Schüler diese Gelegenheit<br />
nutzen. In den Internatshäusern,<br />
außer im eigenen Zimmer,<br />
herrscht außerdem Maskenpflicht,<br />
und auch sonst gelten<br />
strenge Regeln.<br />
Für alle ist es aber wieder eine<br />
große Freude, im Internat zu<br />
sein und sich mit Freundinnen<br />
und Freunden austauschen zu<br />
können. Die Zeit wird in vollen<br />
Zügen genossen und ist für uns<br />
etwas ganz Besonderes.<br />
Deshalb sind wir umso dankbarer,<br />
dass uns trotz der aktuellen<br />
Lage die Möglichkeit gegeben<br />
wird, nach Pforte zu<br />
kommen und „Pforte-Luft“ zu<br />
schnuppern. „Pforte-Luft“ kann<br />
einem nicht mal die Corona-<br />
Pandemie nehmen!<br />
Momentan bin ich wieder zu<br />
Hause und nehme am Distanzunterricht<br />
teil. Wir alle freuen<br />
uns aber schon riesig, wieder<br />
nach Pforte zu kommen und zusammen<br />
innerhalb der Klostermauern<br />
zu lernen, zu erleben<br />
und zu leben.<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 53
SCHULE & UNTERRICHT<br />
DANIELA KASCHE, STEFANIE MARZIAN<br />
Anpacken für<br />
Bildungsgerechtigkeit<br />
Der IQ-Preis 2020 bringt den Verein<br />
HerausForderung e. V. ins Rollen.<br />
A<br />
ngefangen hat alles 2018<br />
mit der Gründung der<br />
Neuen Schule Dorsten, einer<br />
Sekundarschule an Rande des<br />
Ruhrgebiets, an der wir beide<br />
arbeiten (Dani: Daniela Kasche,<br />
stellvertretende Schulleitung,<br />
und Steffi: Dr. Stefanie Marzian,<br />
Naturwissenschaftlerin). Unser<br />
Schulkonzept ist auf Inklusion<br />
ausgerichtet – auf Akzeptanz<br />
von Verschiedenheit – und damit<br />
ist klar, dass wir ein Begabtenförderprogramm<br />
brauchen.<br />
Schaut man sich das Bildungssystem<br />
genauer an, sieht<br />
man ziemlich schnell, dass der<br />
gymnasiale Bildungsgang auf<br />
Schüler ausgelegt ist, die kognitiv<br />
normalbegabt (im oberen<br />
Durchschnitt) sind. Für Schüler<br />
mit kognitiv deutlich überdurchschnittlicher<br />
Begabung<br />
oder Hochbegabung gibt es keinen<br />
eigenen Bildungsgang, also<br />
keine spezielle Didaktik und<br />
Methodik, keinen Begabtenpädagogen<br />
im Schulteam, und das<br />
Thema spielt in der Lehrerausbildung<br />
kaum eine Rolle.<br />
Inklusion sieht anders aus<br />
– mit den bekannten Folgen:<br />
Daniela Kasche (links) und Stefanie Marzian<br />
sind die Gründerinnen von HerausForderung<br />
e.V.<br />
Fotos: HerausForderung e.V.<br />
Kinder fallen durch das Raster,<br />
wenn sie auf Unterforderung<br />
nicht mit Anpassung, sondern<br />
mit Verweigerung, Aggression<br />
oder Träumerei reagieren.<br />
Außerdem haben wir live gesehen,<br />
was eigentlich auch klar<br />
ist: Längst nicht alle hochbegabten<br />
Kinder stammen aus gut<br />
situierten Elternhäusern, ihre<br />
persönliche Entwicklung verläuft<br />
nicht automatisch positiv<br />
und sie schaffen es auch nicht<br />
immer von ganz alleine, ihre kognitive<br />
Begabung in schulische<br />
Leistung umzusetzen. Schwierig<br />
wird es, wenn noch Besonderheiten<br />
dazukommen, die<br />
begabtenpädagogisches Fachwissen<br />
erfordern (zum Beispiel<br />
Hochsensibilität).<br />
Selbst zur<br />
Anlaufstelle werden<br />
Das Bildungssystem ist eh<br />
schon ungerecht – Kinder und<br />
Jugendliche, die aus sozio-ökonomisch<br />
benachteiligten Familien<br />
stammen oder denen wegen<br />
negativer Zuschreibungen<br />
aufgrund ethnischer Merkmale<br />
oder kultureller Besonderheiten<br />
weniger zugetraut wird, sind<br />
im Nachteil.<br />
Für hochbegabte Kinder aus<br />
diesen Familien kommen alle<br />
Nachteile zusammen – wenn in<br />
der Schule niemand auf sie vorbereitet<br />
ist und ihre Eltern nicht<br />
selbst auf die Idee kommen,<br />
dass eine Hochbegabung vorliegen<br />
könnte, recherchieren, sich<br />
um Diagnostik und Beratung<br />
kümmern und sie bezahlen kön-<br />
54 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
SCHULE & UNTERRICHT<br />
nen, findet eben keine Diagnostik<br />
und Beratung<br />
statt. Selbst wenn eine Diagnostik<br />
vorliegt, weiß in<br />
der Schule wiederum häufig<br />
niemand etwas damit<br />
anzufangen, weil niemand<br />
dafür ausgebildet wurde.<br />
Intelligenz hängt nicht<br />
am Know-how und dem<br />
sozio-ökonomischen Status der<br />
Eltern – die Identifikation und<br />
Förderung der Kinder und Jugendlichen<br />
jedoch schon.<br />
Wir standen in unserer Schule<br />
vor ratlosen Lehrkräften, überforderten<br />
Eltern und frustrierten<br />
Kindern – und wir hatten<br />
keine Anlaufstelle, die für unsere<br />
Schülerinnen und Schüler erreichbar<br />
und bezahlbar ist. Also<br />
haben wir beschlossen, selbst zu<br />
dieser Anlaufstelle zu werden.<br />
Mit unserem Team an der<br />
Neuen Schule Dorsten haben<br />
wir das Begabtenförderprogramm<br />
HerausForderung aufgebaut<br />
und uns in Begabtenpädagogik,<br />
Psychologie und Neurowissenschaften<br />
eingearbeitet,<br />
um ein wirkungsvolles Konzept<br />
aufzubauen.<br />
Viele besondere<br />
Momente<br />
Das ist gar nicht so einfach,<br />
weil es in der Schule den Fachbereich<br />
Begabtenpädagogik<br />
nicht gibt – und damit gibt es<br />
auch weder Ressourcen noch<br />
vorgefertigte Strukturen. Wir<br />
stoßen immer wieder an die<br />
Grenzen des Systems.<br />
Aber wir lieben unsere Arbeit!<br />
Die schönsten Rückmeldungen<br />
auf die Frage „Was habt ihr<br />
im letzten Jahr gelernt?“ an die<br />
Kinder des Begabtenförderprogramms<br />
in Klasse 6 waren: „Ich<br />
habe gelernt, dass es noch andere<br />
Kinder gibt, die so sind wie<br />
ich.“ und „Ich hab gedacht, dass<br />
ich gar nichts richtig gut kann<br />
und hab gelernt, dass ich doch<br />
was kann, wenn ich es versuche.“<br />
Viele besondere Momente erleben<br />
wir auch auf den Infoabenden<br />
in der Schule, wenn wir<br />
das Begabtenförderprogramm<br />
vorstellen und Eltern mit Tränen<br />
in den Augen sagen „Endlich<br />
versteht jemand, dass mein<br />
Kind nicht falsch ist oder wir es<br />
falsch erziehen, sondern dass es<br />
einfach ein bisschen anders ist<br />
und wir als Eltern unser Bestes<br />
geben, aber auch oft ratlos sind.“<br />
Hochbegabte Kinder und Jugendliche<br />
bekommen in unserem<br />
Begabtenförderprogramm<br />
keine Sonderrechte, sondern<br />
das Gleiche wie alle anderen<br />
auch: Ein durchgängiges, systematisches<br />
Bildungsangebot und<br />
eine pädagogische Begleitung<br />
durch geschultes Fachpersonal.<br />
Dafür haben wir den Deutschen<br />
IQ-Preis 2020 gewonnen –<br />
und das hat richtig was ins Rollen<br />
gebracht!<br />
Plötzlich wurden wir bekannter!<br />
Weit über unsere Schule hinaus<br />
haben Familien um Beratung<br />
und Schulen und Lehrkräfte<br />
um Fortbildung gebeten. Wir<br />
rennen offene Türen ein. Das ist<br />
großartig – aber nicht<br />
mehr „nebenher“ zu<br />
schaffen. Und jetzt?<br />
Wie können wir über<br />
unsere Schule hinaus<br />
Fortbildungen und Begleitung<br />
in der Schulentwicklung<br />
realisieren?<br />
Wie kriegen wir Beratung<br />
für Familien gerecht<br />
hin – sodass auch Kinder<br />
und Jugendliche aus benachteiligten<br />
Familien eine Chance haben?<br />
Und wie bringen wir die<br />
Zeit dafür auf, das alles umzusetzen?<br />
Gründungsphase<br />
ist geschafft<br />
Ganz nach dem Mensa-Motto<br />
haben wir unsere Intelligenz genutzt,<br />
um eine Lösung auf den<br />
Weg zu bringen: Wir haben die<br />
passende Rechtsform gefunden,<br />
den Papierkram erledigt, so den<br />
gemeinnützigen Verein Heraus-<br />
Forderung e. V. gegründet, das<br />
Fundraising erfolgreich gestartet,<br />
einen ersten Unterstützerkreis<br />
aufgebaut und die Homepage<br />
erstellt.<br />
Es ist eine wahnsinnig spannende<br />
Zeit mit immer neuen<br />
Herausforderungen! Wir haben<br />
Unterstützung vom Verein<br />
„Dorsten dankt dir“, Unternehmen<br />
und privaten Unterstützenden<br />
bekommen und können<br />
damit die Gründungsphase<br />
I finanzieren – denn schon da<br />
kommt einiges zusammen: Notarkosten,<br />
Kosten für die ersten<br />
Flyer, Vereinslaptop, Diensthandy<br />
…<br />
Jetzt haben wir die Volksbank<br />
vor Ort als Kooperationspartner<br />
gewonnen und damit Unmind<br />
magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 55
SCHULE & UNTERRICHT<br />
terstützung bei der Organisation<br />
der ersten Informationsvorträge<br />
– bei denen dann hoffentlich<br />
wieder Spenden zusammen<br />
kommen. Gründungsphase I ist<br />
geschafft.<br />
In den Sommerferien starten<br />
wir Gründungsphase II. Wir erstellen<br />
eine erste Jahresplanung<br />
– wann können wir wo Informationsvorträge<br />
halten? Wann<br />
möchten die Schulen, die uns<br />
bereits angefragt haben, pädagogische<br />
Ganztage von uns bekommen?<br />
Wann bieten wir Seminare<br />
und Workshops für<br />
Lehrkräfte von verschiedenen<br />
Schulen als externe Fortbildung<br />
an? Wie machen wir dafür Werbung<br />
und was muss formal beachtet<br />
werden? Wie organisieren<br />
wir Elternberatung zeitlich<br />
am besten? An welchen Aktionen<br />
beteiligen wir uns? Wie<br />
können wir uns dauerhaft finanzieren?<br />
Finanzierung: Für Fortbildungen<br />
und Schulentwicklung werden<br />
wir Honorare nehmen, da<br />
sie aus dem Fortbildungsetat<br />
der jeweiligen Bildungseinrichtung<br />
bezahlt werden können.<br />
Jetzt richtig<br />
durchstarten<br />
Wir brauchen für die nächsten<br />
drei großen Schritte in den<br />
kommenden Monaten finanzielle<br />
Unterstützung, um über die<br />
Gründungsphase II hinaus richtig<br />
durchstarten zu können:<br />
1. Viele Familien haben kein<br />
Auto und wohnen beengt – wir<br />
schaffen einen Beratungsvan an,<br />
um diese Familien zu erreichen.<br />
Wir nutzen den Van effizient als<br />
mobiles Büro.<br />
Feste Räumlichkeiten können<br />
wir uns nicht vorstellen, denn<br />
wir wollen nicht an eine Praxis<br />
erinnern. Die Kinder und Jugendlichen,<br />
die wir unterstützen,<br />
sind nicht krank – sie sind<br />
anders. Ein Neufahrzeug mit<br />
entsprechender Zulassung als<br />
Büromobil kostet 54.900 Euro.<br />
Ein gebrauchtes Fahrzeug können<br />
wir für 35.000 Euro kaufen.<br />
Der Beratungsvan bekommt<br />
eine knallige Lackierung und<br />
wird auffällig mit Folien gestaltet.<br />
Das Thema Hochbegabung<br />
soll in der Öffentlichkeit wahrgenommen<br />
werden!<br />
2. Wir brauchen zeitliche Ressourcen<br />
und schaffen eine Teilzeitstelle<br />
für Steffi im Verein<br />
– nur „nebenher“ werden wir<br />
nicht alles bewältigen können.<br />
Dazu benötigen wir für 2022<br />
rund 20.000 Euro. Steffi wagt<br />
es und investiert ihre Arbeitskraft<br />
jetzt schon in den Verein,<br />
statt in der Schule aufzustocken<br />
– langfristig geht das nur mit einer<br />
Teilzeitstelle.<br />
3. Wir möchten uns weiter<br />
professionalisieren – in der<br />
Schweiz gibt es den Studiengang<br />
Integrative Begabungsund<br />
Begabtenpädagogik, und<br />
wir sind für den Master-Studiengang<br />
zugelassen! Die Studienleitung<br />
vor Ort hat sich mit<br />
großem Engagement für unsere<br />
Studienplätze eingesetzt – im<br />
September 2021 geht es los!<br />
Die Studiengebühren werden<br />
bis Ende 2022 bei rund 8.500<br />
Euro liegen. Wir freuen uns riesig<br />
über diese Chance!<br />
Herausforderungen packt<br />
man am besten gemeinsam an:<br />
Wir haben bei vielen kleinen<br />
und auch bei den ersten großen<br />
Stiftungen Fördermittel beantragt.<br />
Aktuell zählt jeder Euro.<br />
Wir freuen uns riesig, wenn ihr<br />
auf unserer Homepage vorbeischaut,<br />
unsere Arbeit mit einer<br />
Spende unterstützt und/oder<br />
uns bekannter macht.<br />
Unsere Vision<br />
UN Kinderrechtskonvention,<br />
Auszug aus Artikel 29: „Die<br />
Vertragsstaaten stimmen darin<br />
überein, dass die Bildung<br />
des Kindes darauf gerichtet sein<br />
muss, a) die Persönlichkeit, die<br />
Begabung und die geistigen<br />
und körperlichen Fähigkeiten<br />
des Kindes voll zur Entfaltung<br />
zu bringen.“<br />
Es ist normal, verschieden zu<br />
sein – und manche Menschen<br />
sind besonders intelligent. Wir<br />
setzen uns dafür ein, dass diese<br />
Menschen zu ihrer Begabung<br />
stehen, ihre Potenziale entdecken<br />
und entfalten und sie<br />
mit ihren Besonderheiten und<br />
Schwierigkeiten akzeptiert und<br />
berücksichtigt werden.<br />
Für Schülerinnen und Schüler<br />
mit überdurchschnittlicher<br />
kognitiver Begabung steht ein<br />
durchgängiges, systematisches<br />
Bildungsangebot in Form eines<br />
eigenen Bildungsgangs zur Verfügung.<br />
Begabtenpädagogischer<br />
Förderbedarf von Schülerinnen<br />
und Schülern wird selbstverständlich<br />
anerkannt, und<br />
sie werden durch qualifiziertes<br />
Fachpersonal (Begabtenpädagoginnen<br />
und -pädagogen) begleitet<br />
und unterstützt.<br />
Das Ziel kurz und knapp: Inklusion<br />
und Bildungsgerechtigkeit<br />
– für alle.<br />
Link:<br />
www.herausforderung.online<br />
56 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
RÄTSEL<br />
Die Hochhausrätselvariante<br />
Monoblock wurde<br />
ganz frisch erfunden<br />
von Jürgen Blume-Nienhaus<br />
für die<br />
Deutsche Rätselmeisterschaft<br />
2021, die diesmal<br />
online stattfand. Seine<br />
Runde war eine Instructionless-Runde<br />
und ist<br />
höchst lösenswert. Da<br />
die Meisterschaft inzwischen<br />
frei zugänglich<br />
ist, finden Interessierte<br />
Monoblock<br />
sie unter: https://logicmasters.de/LM/2021/<br />
cont_round2.php<br />
Anleitung:<br />
Trage bei einem Rätsel<br />
der Größe n x n in<br />
jede Zeile und Spalte<br />
ein Schwarzfeld und die<br />
Zahlen von 1 bis n-1 ein.<br />
Die Zahlen am Rand geben<br />
jeweils an, wie viele<br />
Häuser in der entsprechenden<br />
Zeile oder<br />
Spalte aus der entsprechenden<br />
Richtung gesehen<br />
werden können,<br />
wenn man auf dem<br />
Schwarzfeld steht; niedrigere<br />
Hochhäuser werden<br />
dabei von höheren<br />
verdeckt. Silke Berendes<br />
Auflösungen<br />
Ausgabe 142<br />
Auflösungen im nächsten Heft<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 57
ORGANISATION<br />
Wer weiß mehr?<br />
Organisatoren lokaler Treffen.<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
01… Dresden / SAMIR KÖCKRITZ / 01520 – 7 070 090<br />
04… Leipzig / MARIO STOLL / 0341 – 3 038 020<br />
06… Halle / MARCUS HILLMANN / 0162 – 4 968 254<br />
07… Jena / WOLFGANG KLINGHAMMER / 0176 - 39 649 614<br />
Chemnitz / STEFANIE WEBER / 01525 – 3 442 810<br />
09…<br />
Annaberg / ALMUT NITZSCHE / 03733 – 289 418<br />
10…<br />
Berlin / MATTHIAS KRIBBEN / 0172 – 5 656 004<br />
Brandenburg / PETER OEHLKE / 030 – 41 999 861<br />
19… Schwerin/Mecklenburg-Vorpommern /<br />
KARSTA LINKE / 03883 – 723 338<br />
20… Hamburg / HENNING SCHRAMM / 0171 – 3 411 543<br />
Hamburg-Harburg / HEIKE HARNACK /<br />
21… 0162-4 291 482<br />
Lüneburg / JÜRGEN REIMERS / 04131 – 37 887<br />
22…<br />
Ahrensburg / HERBERT ZUR NEDDEN /<br />
0152 – 51 364 568<br />
23… Lübeck / MARISA HAUFE / 0173 – 6 019 490<br />
Kiel / SIGRID UND UDO SCHULTZ / 0431 – 521 269<br />
Flensburg / GERD BORCHERS / 0461 – 79 501 322<br />
24…<br />
Bad Bramstedt / ULRIKE SANDER-HOYER /<br />
0170 – 6 053 874<br />
Pinneberg / ANDREA BAHRENFUSS / 04123 – 929 934<br />
25…<br />
Heide/Husum / LARS MEYER / 0162 – 5 273 363<br />
26… Oldenburg / DIRK BOSHOVEN / 0151 – 15 311 785<br />
27… Bremerhaven / KLAUS GEBHARDT / 0172 – 4 524 773<br />
28… Bremen / NICOLE RETAT / 0176 – 56 799 944<br />
30… Hannover / RAINER NEUSÜSS / 05108 – 9 217 686<br />
32… Minden / CHRISTOPHER KRAUS / 0571 – 3 851 868<br />
Paderborn / DANIEL KEYHANI / 0173 – 6 955 510<br />
33… Ostwestfalen/Lippe / ANNETTE FRANZ /<br />
0521 – 42 826 586<br />
34… Kassel / NORBERT FAULSTICH / 0160 – 4 281 179<br />
Marburg / BETTINA BAGUNK / 06421 – 51 403<br />
35… Gießen / FRANK BRANDT / 0 64 03 – 926 543<br />
Wetzlar / MARKUS MATTZICK / 06441 – 446 970<br />
36… Fulda / KARSTEN ASSMANN / 0661 – 9 600 083<br />
37… Göttingen / NORBERT FAULSTICH / 0160 – 4 281 179<br />
Braunschweig / TIMO WEIL / 0177 – 4 131 826<br />
38… Clausthal-Zellerfeld / GUNNAR KAESTLE /<br />
05323 – 997 724<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
39… <strong>Mag</strong>deburg / GUNNAR HENDRICH / 01 76 – 42 095 828<br />
40… Düsseldorf / MARC-ANDRÉ KAISER / 0211 – 2 393 676<br />
41… Mönchengladbach / BODO SCHNELL / 02433 – 525505<br />
42… Wuppertal / ACHIM WAGENKNECHT / 0179 – 4 517 387<br />
44…<br />
45…<br />
Dortmund / ANNA ASLANIDOU / 0163 – 5 604 546<br />
Dortmund / PIA PHILIE LEHMANN / 0151 – 56 041 525<br />
Bochum / SOPHIA FALKE / 0176 – 24 293 954<br />
Essen / SANDRA BAUMANN-TRAMPE / 0201 – 782 983<br />
Mülheim/Ruhr / JENS HELLBING / 01575 – 5 786 932<br />
Marl / ROBERT KLOSE / 0173 – 7 144 636<br />
46… Wesel / BURKHARD HOCHSTRASS / 0163 - 90 69 570<br />
47…<br />
48…<br />
Duisburg / INA PAULS / 0203 – 593 214<br />
Kevelaer / ROLF EGGING / 02832 – 4 557<br />
Kleve / HANS-GERD THEUNISSEN / 0 28 21 – 29 404<br />
Münster / MELANIE JÄGER / 0171 – 2 190 967<br />
Münster / SIMON SIEBERS / 0151 – 22 602 621<br />
49… Osnabrück / BIRGIT WIPPERMANN / 01 77 – 2 608 004<br />
Köln / KLAUS BAUMHAUER / 0157 – 73 808 128<br />
50…<br />
Köln / FRAUKE RIEKEN / 0221 – 8 231 808<br />
52… Aachen / LUKAS FISCHER-WULF / 0241 – 18 991 357<br />
53… Bonn / SVETLA KNÖSCHKE / 0160-7082153<br />
55… Mainz / KAI GEHRETH / 01577 – 3 969 315<br />
56… Koblenz / MARTIN SCHULZE / 0261 – 309 382<br />
57… Siegen / SABINE SCHIRM-SPRINGOB / 02761 – 7 039 911<br />
58… Hagen / ANDREA SCHÖNEBERG / 0172 – 9 367 921<br />
59… Soest / DIETER PIPER / 02381 – 948 666<br />
60… Frankfurt / ANDREAS THURM / 0151 – 41 467 503<br />
61… Bad Homburg / JESSICA JOHN<br />
63… Aschaffenburg / JAN ZBIKOWSKI / 06021 – 5 822 646<br />
64… Darmstadt / BEHROUZ CHAGHERI / 0173 – 3 103 633<br />
65… Wiesbaden / SILKE HANSEN / 069 – 1 553 676<br />
66… Saarbrücken / PETER MOOG / 0171 – 3 787 722<br />
67…<br />
68…<br />
69…<br />
Kaiserslautern und Pfalz / CRISTINA KRAUSS / 0162 –<br />
2 701 102 / MARC HILLER / 0176 – 81 687 948<br />
Mannheim / KATJA WALDORF UND MARTIN VITEK /<br />
06221 – 3016 66<br />
Heidelberg / KATJA WALDORF UND MARTIN VITEK /<br />
06221 – 3016 66<br />
70… Stuttgart / MARTIN JÄKLE / 0176 – 32 509 161<br />
58 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
ORGANISATION<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
72… Tübingen / JÜRGEN SCHAICH / 0176 – 96 358 274<br />
75… Pforzheim / GABRIELE WALTER / 0176 – 61 048 332<br />
76…<br />
77…<br />
Karlsruhe / SVEN MANIAS / 0721 – 699 556<br />
Karlsruhe / JULIANE SCHNEIDER / 07243 – 728 774<br />
Pfalz / CRISTINA KRAUSS / 0162 – 2 701 102<br />
Pfalz / MARC HILLER / 06731 – 9 079 640<br />
Lahr/Schwarzwald / MARTIN KATZNER /<br />
07821 – 37 679<br />
78… Bodensee / MARTIN ROSCHER / 07541 – 836 739<br />
79…<br />
80…<br />
81…<br />
Freiburg im Breisgau / HENDRIK FREYTAG /<br />
0177 – 7 607 919<br />
München / BRIGITTE BRECHT / 089 – 8 644 939<br />
München / THOMAS DOUBRAWA / 089 – 95 422 002<br />
München-Pasing / MAX VOIGTMANN /<br />
089 – 30 004 913<br />
83… Holzkirchen / HEIKE WEBER / 08024 – 476 626<br />
84…<br />
85…<br />
Altötting (Südost/Oberbayern) / BIRGIT SCHOLZ /<br />
08671 – 85 591<br />
Landshut-Freising / WERNER KELNHOFER /<br />
08762 – 2 189<br />
Ingolstadt / BRIGITTE MAIER / 0841 – 97 052 179<br />
Alpenland/Region / HANS GEORG MICHNA /<br />
0179 – 3 217 777<br />
86… Augsburg / THOMAS KRAUSS / 08232 – 77 782<br />
87… Memmingen / TINA ACHAM / 08331 – 8 339 744<br />
88… Wangen im Allgäu / BRIGITTE GÖSER / 07561 – 7 715<br />
89… Ulm/Neu Ulm / INGRID RENZ / 0174 – 3 337 549<br />
89… Heidenheim / HEIKE VOGLER / 01577 – 3 237 078<br />
90… Nürnberg / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
91… Erlangen / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
93… Regensburg / LUDWIG KOLB / 0941 – 5 987 095<br />
94…<br />
Passau / KARIN POLZ / 08502 – 915 840<br />
Philippsreut / CHRISTIAN KOCH / 08557 – 729<br />
95… Bayreuth / STEFAN WLADARSCH / 0921 – 5 167 420<br />
96… Bamberg / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
96… Coburg / FRANK EISENWIENER / 09561 – 6 209 400<br />
97… Würzburg / ANNETTE KUNZ / 0931 – 980 880<br />
99… Erfurt / LINDA SOLCHER / 0162 - 4162631<br />
Termine<br />
& Treffen<br />
Eine Übersicht mit aktuellen<br />
Treffen und Terminen gibt<br />
es im Internet unter:<br />
ř db.mensa.de/events<br />
Die E-Mailadressen der<br />
lokalen Ansprechpersonen<br />
findet ihr unter:<br />
ř db.mensa.de/kontakt.htm<br />
Adressänderungen<br />
Da Postvertriebsstücke von der<br />
Post nicht nachgesandt werden,<br />
kommen <strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong>azine<br />
trotz Nachsendeauftrag als unzustellbar<br />
an die Geschäftsstelle<br />
zurück. Änderungen von Adressen<br />
oder Daten bitte an die<br />
Geschäftsstelle oder selbst im<br />
eMVZ unter „Meine Daten“ eingeben!<br />
ř office@mensa.de<br />
Änderungswünsche an<br />
der Tabelle bitte an:<br />
ř mindmag@mensa.de<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 59
INFORMATION<br />
Internet<br />
Ì www.mensa.de<br />
Ì www.mensa.de/social-media<br />
eMVZ<br />
Ì https://db.mensa.de<br />
Schlichter<br />
Christiane Schmetzer<br />
¼ 07822 / 780 027<br />
ì schmetzer@kabelbw.de<br />
Michael Robert Biber<br />
¼ 0175 / 1 649 242<br />
ì biber@newdirection.de<br />
Monika Maria Sommer<br />
ì monika@msommer.de<br />
Kinder- und Jugendbereich<br />
Susanne Severin<br />
Annette Schlüter<br />
¼ 0179 / 6 758 335<br />
ì kiju-koordinator@mensa.de<br />
Spenden an Mensa<br />
<strong>MinD</strong>-Stiftung gGmbH<br />
IBAN:<br />
DE26 5109 0000 0071 4576 05<br />
BIC: WIBADE5W<br />
SIGHT<br />
Couchsurfen und mehr im smarten<br />
Umfeld. Deutsche SIGHT-Co:<br />
Andrea Schwelm<br />
ì sight@mensa.de<br />
Präventionsbeauftragte<br />
Harro Eder<br />
¼ 0178 / 8 121 595<br />
ì praevention@mensa.de<br />
Sozialfonds<br />
Birgit Scholz<br />
Georgenstraße 6, 84503 Altötting<br />
¼ 08671 / 85 591<br />
(nur abends und Wochenende)<br />
ì mind_sozialfonds@web.de<br />
IBAN:<br />
DE49 4306 0967 1074 9648 00<br />
BIC: GENODEM1GLS<br />
Sozialprojekt zum JT<br />
Jörg Büttner<br />
Sebastianstraße 21 a<br />
10179 Berlin<br />
¼ 030 / 33 878 731<br />
ì mann-le@web.de<br />
IBAN:<br />
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60 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
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Registergericht: Köln, VR 8190<br />
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mit Quellenangabe. Die Redaktion<br />
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Redaktionsschluss<br />
Ausgabe 144: 15. August 2021<br />
Ausgabe 145: 15. Oktober 2021<br />
Ausgabe 146: 15. Dezember 2021<br />
mind magazin <strong>143</strong>/August 2021 | 61
SCHEER WARE<br />
HEINZ-DETLEF SCHEER<br />
Vielleicht doch mal das<br />
Horoskop bemühen?<br />
Oder: Wozu eine Tageszeitung alles gut ist.<br />
M<br />
eine Bekannte Marianne<br />
machte mich am Sonntag<br />
darauf aufmerksam, dass<br />
ihr das Horoskop – egal, was die<br />
Leute davon hielten – immer<br />
mal wieder bei alltäglichen Entscheidungen<br />
helfe. Horoskope<br />
waren zwar noch nie mein Ding,<br />
aber die Überzeugung von Marianne<br />
– einer ganz nüchternen<br />
Hochbegabten – saß ganz offenbar<br />
so tief, dass ich mir vornahm,<br />
das Horoskop in unserer<br />
Tageszeitung ernster zu nehmen.<br />
Oder zumindest darauf<br />
zu checken, ob es mir im Alltag<br />
hilfreich sein könnte.<br />
Da ich im Moment grundsätzlich<br />
darüber nachdenke, wofür<br />
ich eigentlich bewusst Geld<br />
ausgebe, hatte ich auch schon<br />
ein Thema. Ich hatte einige Anschaffungen<br />
vor und musste<br />
Prioritäten setzen. Ich war also<br />
dankbar für jede Unterstützung.<br />
Am Montag fuhr ich direkt in<br />
meinen Lieblings-Supermarkt,<br />
und kaufte mir im Angebot eine<br />
Flasche Ouzo, das hatte ich lange<br />
schon nicht mehr gemacht.<br />
Und 7,55 Euro war ein echtes<br />
Angebot. Die langandauernde<br />
Freude an diesem Schnäppchen<br />
würde ich haben. Wie im Horoskop<br />
vorausgesagt.<br />
In Corona-Zeiten trinkt man ja<br />
eher allein.<br />
Ich schaute weiter im Horoskop<br />
immer die Kategorie „Geld“<br />
an: Der Ouzo korrespondierte<br />
auch wunderbar mit dem Horoskop<br />
vom Dienstag, in dem mir<br />
attestiert wurde, dass ich in Sachen<br />
Geldanlage ein sicheres<br />
Händchen hätte.<br />
Mittwoch las ich, dass die Zeit<br />
gekommen sei, meine chaotischen<br />
Finanzen endlich in Ordnung<br />
zu bringen, und ich köpfte<br />
unser Sparschwein für Wechselgeld<br />
und stellte fest, dass wir<br />
über ein Kleingeld-Kapital von<br />
über 50,00 Euro verfügten. Minus<br />
Kosten für das Sparschwein<br />
(es war ein Sonderangebot gewesen)<br />
blieben rund 47,00 Euro.<br />
Ich beschloss, sie klug und sicher<br />
zu investieren. Ich kaufte<br />
mir – natürlich mit Maske und<br />
gebührendem Abstand zum<br />
nächsten Kunden – Postwertzeichen<br />
im Wert von 20 Euro. Dazu<br />
einige vorfrankierte Blanco-<br />
Postkarten auf Vorrat, drei Ansichtskarten<br />
meiner Stadt, zwei<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Diplom-Psychologe Heinz-Detlef<br />
Scheer arbeitet als Trainer, Coach,<br />
Autor und Konzeptentwickler<br />
Trauer- und drei weitere Themenkarten<br />
und eine Hochzeitskarte<br />
von der luxuriösen Sorte.<br />
Dazu eine Packung Tinte für<br />
meinen besten Füllfederhalter,<br />
und auf dem Weg nach Hause<br />
genoss ich den Gedanken, unabhängig<br />
von der Technik noch<br />
lange auf zwar ungewöhnliche,<br />
aber auffällige Art mit meinem<br />
Netzwerk Kontakt halten zu<br />
können.<br />
Donnerstag, als mir das Horoskop<br />
verriet, dass ich in Sachen<br />
Geld einen idealen Sparkurs<br />
eingeschlagen hätte, fühlte ich<br />
mich bestätigt und trank bei einer<br />
virtuellen Doppelkopfrunde<br />
den Ouzo aus, den ich bis dahin<br />
geschont hatte.<br />
Ich bekam am Freitagmorgen<br />
die Quittung: „Ziehen Sie unbedingt<br />
die Notbremse. Sie geben<br />
zu viel Geld aus!“ Ich nahm erst<br />
einmal eine Kopfschmerztablette.<br />
Heute früh hat meine Frau das<br />
Horoskop aus der Zeitung ausgeschnitten,<br />
bevor ich sie zu lesen<br />
bekam. Sie meint, wir sollten<br />
am Wochenende ein paar<br />
grundsätzliche Fragen besprechen.<br />
Wenn ich jetzt ein Horoskop<br />
hätte, könnte ich nachschauen,<br />
was sie von mir will.<br />
Mist!<br />
62 | mind magazin <strong>143</strong>/August 2021
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