Ratgeber PSP 2021 - Prof. Dr. Stefan Lorenzl
Die erstenKrankheitszeichenDie Symptome der PSPsind vielgestaltig, und fürviele Patienten stellenscheinbar nebensächlicheSymptome im Alltag einewesentliche Belastungdar. Die ersten Krankheitszeichensind oft wenigspezifisch und weisennoch nicht auf die Diagnosehin.Viele Patienten berichtenanfangs über einandauerndes Schwindelgefühl,Gleichgewichtsstörungen,Gangunsicherheitoder plötzliche Stürze, amhäufigsten nach hinten.Auch Schwierigkeiten beimLesen, Treppensteigen undAutofahren können als ersteSymptome auftreten. InsbesondereSchwierigkeitenbeim Abstandeinschätzenund damit verbundeneSchrammen im Auto oderSchwierigkeiten beimRadfahren sollten die Aufmerksamkeitauf eine PSPlenken. Sie entstehen durchdie Störung der willkürlichenAugenbewegungenund die damit verbundenenSchwierigkeiten, Abständeabzuschätzen. Die Angehörigender Patientenbemerken aber oft bereitsJahre vor dem Auftretender ersten Bewegungsstörungeneine Persönlichkeitsveränderungmitvermehrter Reizbarkeit undAggressivität, Lustlosigkeitund Zurückgezogenheit,eine Verlangsamung beiAlltagsaktivitäten undOrientierungsstörungen.Das Haupterkrankungsalterliegt zwischen 50 und 70Jahren. Sehr selten gibt esPatienten, die davor erkranken,wenige erkrankenspäter. Bei Patienten, dievor dem 50. Lebensjahrerkranken, sollten unbedingtandere Erkrankungenwie die Wilson-Erkrankung(Störung im Kupferstoffwechsel)oder eineNiemann-Pick-Erkrankung(Niemann-Pick Typ C, NP-C)ausgeschlossen werden.Männer und Frauensollen etwa gleichhäufig betroffen sein, wobeiaus den Daten unsererAmbulanz hervorgeht, dassMänner etwas häufigerbetroffen sind.Gestörte Augenbewegungenals Hauptsymptomder ErkrankungDie Ausführung von Augenbewegungenwird vomStammhirn koordiniert.Unsere Augenbewegungenerfolgen sehr schnell– ca. 400 mal pro Sekunde– man nennt diese Augen-8bewegungen Sakkaden.Sakkaden ermöglichen esuns, den Blick auf ein Zielauszurichten.Man unterscheidet zweiArten von Sakkaden:willkürliche Sakkaden sindwillentliche Augenbewegungenwie man sie z.B.ausführt, wenn man dieZeitung liest. Die andereSakkadenart nennt manReflex-Sakkaden. DieseSakkaden sind unwillkürlichund erfolgen z.B., wenn inunserem Gesichtsfeld plötz-
lich ein Objekt erscheintund man automatischhinsieht. Alle Sakkadenwerden durch das Gehirnganz zielgerichtet kontrolliertund häufig korrigiert.Bei der progressivensupranukleären Blickparesekann man meistschon im Frühstadium derErkrankung eine Verlangsamungder Sakkadenfeststellen, die auch diagnostischgewertet werdenkann. Im Extremfall kannes zu einer komplettenLähmung der willkürlichenSakkaden kommen. Diezunehmende Lähmungdieser Sakkaden entstehtdurch Veränderungen imHirnstamm, man nennt sie„supranukleär“. „Progressiv“wird die Blickparese genannt,da sie im Verlauf derErkrankung fortschreitet.Nicht oder nur in spätenKrankheitsstadienbetroffen sind die reflexartigen(nukleären) Augenbewegungen,wie sie u.a.zu beobachten sind, wennman den Kopf bewegt unddabei einen Gegenstand„im Auge behält“.Die Betroffenen bemerkendie eingeschränktenAugenbewegungenund klagen häufig übereine Sehschwäche. AuchDoppelbilder könnenauftreten. Beim Lesen fälltihnen das Bewegen der Augenüber die Zeile und dasFinden der nächsten Zeileschwer. Aus diesem Grundwird häufig zu Beginn derErkrankung ein Augenarztaufgesucht, um eine Brilleanzupassen. Die Sehstörungender PSP kann mandurch eine Brille manchmalverbessern (Prismenfolieoder Prismengläser), abervöllig korrigieren kann mansie nicht.Durch die erschwerteKontrolle der Augenbewegungenwird das Sehvermögenimmer schlechter,obwohl der Sehnerv durchdie PSP nicht geschädigtwird. Viele Patienten habenan sich sogar ein rechtgutes Sehvermögen (Visus),sie können aber trotzdemweder Objekte in der Fernenoch in der Nähe deutlicherkennen. Dies ist auchdarauf zurückzuführen, dassjene Muskeln, die für dieUmstellung von Fern- aufNahsicht zuständig sind,nicht oder nur verlangsamtfunktionieren.Aufgrund der Augenbewegungsstörungistder Patient fahruntauglich,d.h., dass es ihm nicht erlaubtist, ein Kraftfahrzeugzu fahren. Viele Patientenverzichten daher freiwilligbereits frühzeitig auf dasAutofahren.Auch die Bewegung derAugenlider ist häufigverändert. Die Blinzelrateder Lider kann bei PSP-Patientenauf 3-4 pro Minutereduziert sein (Norm: 15-25pro Minute), so dass dieAugen austrocknen könnenund durch die Reizung derHornhaut ein vermehrterTränenfluss entsteht.Bei manchen Patienten9
- Seite 1 und 2: PSPDie progressive supranukleäre B
- Seite 3 und 4: INHALTVorwort 5Die ersten Krankheit
- Seite 5 und 6: VORWORTFür diese Neuauflage habe i
- Seite 7: PSPPatienten mit PSP gibt essicherl
- Seite 11 und 12: SchlafstörungenUnruheSchlafstörun
- Seite 13 und 14: PSPDauerhafte Verkrampfungender Mus
- Seite 15 und 16: PSPsein. Ein spitzfindigerAngehöri
- Seite 17 und 18: PSPte ansprechen, die zurBehandlung
- Seite 19 und 20: PSPDiese Patienten zeigenoft eine E
- Seite 21 und 22: Untersuchungen des Blutesund Hirnwa
- Seite 23 und 24: Therapie mit anderenMedikamenten un
- Seite 25 und 26: WeitereBehandlungsmöglichkeitenNat
- Seite 27 und 28: PSPund auch Medikamentekönnen leic
- Seite 29 und 30: PSPDie schriftlicheFestlegung desPa
- Seite 31 und 32: PSPeine 24-Stunden-Tätigkeit,die m
- Seite 33 und 34: Glossarnützlicher BegriffeUm sich
- Seite 35 und 36: Glossarnützlicher BegriffeUm sich
Die ersten
Krankheitszeichen
Die Symptome der PSP
sind vielgestaltig, und für
viele Patienten stellen
scheinbar nebensächliche
Symptome im Alltag eine
wesentliche Belastung
dar. Die ersten Krankheitszeichen
sind oft wenig
spezifisch und weisen
noch nicht auf die Diagnose
hin.
Viele Patienten berichten
anfangs über ein
andauerndes Schwindelgefühl,
Gleichgewichtsstörungen,
Gangunsicherheit
oder plötzliche Stürze, am
häufigsten nach hinten.
Auch Schwierigkeiten beim
Lesen, Treppensteigen und
Autofahren können als erste
Symptome auftreten. Insbesondere
Schwierigkeiten
beim Abstandeinschätzen
und damit verbundene
Schrammen im Auto oder
Schwierigkeiten beim
Radfahren sollten die Aufmerksamkeit
auf eine PSP
lenken. Sie entstehen durch
die Störung der willkürlichen
Augenbewegungen
und die damit verbundenen
Schwierigkeiten, Abstände
abzuschätzen. Die Angehörigen
der Patienten
bemerken aber oft bereits
Jahre vor dem Auftreten
der ersten Bewegungsstörungen
eine Persönlichkeitsveränderung
mit
vermehrter Reizbarkeit und
Aggressivität, Lustlosigkeit
und Zurückgezogenheit,
eine Verlangsamung bei
Alltagsaktivitäten und
Orientierungsstörungen.
Das Haupterkrankungsalter
liegt zwischen 50 und 70
Jahren. Sehr selten gibt es
Patienten, die davor erkranken,
wenige erkranken
später. Bei Patienten, die
vor dem 50. Lebensjahr
erkranken, sollten unbedingt
andere Erkrankungen
wie die Wilson-Erkrankung
(Störung im Kupferstoffwechsel)
oder eine
Niemann-Pick-Erkrankung
(Niemann-Pick Typ C, NP-C)
ausgeschlossen werden.
Männer und Frauen
sollen etwa gleich
häufig betroffen sein, wobei
aus den Daten unserer
Ambulanz hervorgeht, dass
Männer etwas häufiger
betroffen sind.
Gestörte Augenbewegungen
als Hauptsymptom
der Erkrankung
Die Ausführung von Augenbewegungen
wird vom
Stammhirn koordiniert.
Unsere Augenbewegungen
erfolgen sehr schnell
– ca. 400 mal pro Sekunde
– man nennt diese Augen-
8
bewegungen Sakkaden.
Sakkaden ermöglichen es
uns, den Blick auf ein Ziel
auszurichten.
Man unterscheidet zwei
Arten von Sakkaden:
willkürliche Sakkaden sind
willentliche Augenbewegungen
wie man sie z.B.
ausführt, wenn man die
Zeitung liest. Die andere
Sakkadenart nennt man
Reflex-Sakkaden. Diese
Sakkaden sind unwillkürlich
und erfolgen z.B., wenn in
unserem Gesichtsfeld plötz-