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DEUTSCHLAND<br />
AUGUST / SEPTEMBER <strong>2021</strong><br />
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ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN<br />
ER<br />
MACHT<br />
MESSI<br />
BEINE<br />
Wie Hip-Hop-<br />
Weltmeister<br />
Majid Kessab<br />
den Fußballgott<br />
das Tanzen lehrte<br />
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E D I T O R I A L<br />
WILLKOMMEN<br />
AUF DEM<br />
DANCEFLOOR<br />
IMMER IM BILD<br />
Hier sehen wir US-Fotograf<br />
Keith Ladzinski,<br />
dem wir eine abenteuerliche<br />
Bildstrecke verdanken,<br />
bei der Arbeit.<br />
Und zwar in einer Wand<br />
im Zion- Nationalpark<br />
im Bundes staat Utah.<br />
Seine Bilder ab Seite 22.<br />
Ganz im Rhythmus der Musik aufgehen, das Leben<br />
wieder fühlen, zu unseren Lieblingssongs mit anderen<br />
Menschen feiern: Wenig haben wir in den letzten<br />
Monaten dermaßen vermisst<br />
wie unsere Rückkehr auf die<br />
Tanz fläche. Von der Magie des<br />
Tanzens kann kaum jemand<br />
besser er zählen als unser Cover-<br />
Held Majid Kessab, 28. Als schüchternes<br />
Kind stärkten die Tanz-<br />
Auftritte sein Selbstvertrauen.<br />
Mittlerweile ist der Krefelder mit<br />
irakischen Wurzeln zweifacher<br />
Hip-Hop-Weltmeister, Tanzschullehrer<br />
und angehender Schauspieler. Ab Seite 42<br />
erfährst du, wie Majid seinen Beat im Leben fand und<br />
dass er sogar Lionel Messi Unterricht gab. Eine Geschichte,<br />
die Lust macht, uns diesen Sommer endlich<br />
wieder die Seele aus dem Leib zu tanzen.<br />
Gute Unterhaltung<br />
mit der neuen Ausgabe<br />
von The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
Die <strong>Red</strong>aktion<br />
TONY HAWKS<br />
ERSTES BRETT<br />
Er hat Skaten in den Achtzigern<br />
neu erfunden und posiert hier<br />
mit einem aktuellen Modell.<br />
Hawks allererstes Skateboard<br />
zeigen wir auf Seite 16.<br />
WENN HERZEN<br />
KREISEN …<br />
… treibt es unser Gehirn<br />
bunt. Jochen Schievinks<br />
Illustrationen (u. a.<br />
„Zeit“, „Süddeutsche“)<br />
zieren unsere Gehirn-<br />
Story: ab Seite 76.<br />
JEDE MENGE<br />
TAKTGEFÜHL<br />
Autorin Anne Waak<br />
(u. a. „Die Welt“) traf<br />
Hip-Hop‐Weltmeister<br />
Majid Kessab in seiner<br />
Heimatstadt Krefeld.<br />
Ihr Porträt ab Seite 42.<br />
KEITH LADZINSKI (COVER), ATIBA JEFFERSON, CHRISTIAN WERNER JOCHEN SCHIEVINK<br />
4 THE RED BULLETIN
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Marleen Scholten @postbeforelost<br />
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INHALT<br />
The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
im <strong>Aug</strong>ust / September <strong>2021</strong><br />
COVERSTORY<br />
42 FINDE DEINEN BEAT<br />
Vom Einwandererkind zum<br />
Hip-Hop-Weltmeister: der<br />
unglaubliche Weg des Krefelder<br />
Tänzers Majid Kessab.<br />
MODE<br />
60 TRIUMPHZUG<br />
EINER KREATIVEN<br />
Die österreichische Designerin<br />
Marina Hoermanseder begeistert<br />
mit ihren Entwürfen<br />
nicht nur Lady Gaga.<br />
42<br />
MIT TAKTGEFÜHL Hip-Hop-Weltmeister Majid<br />
Kessab brachte Fußballgott Messi Tanzen bei.<br />
PORTFOLIO<br />
22 STEILE WELTREISE<br />
Fotograf Keith Ladzinski zeigt<br />
seine besten Kletter-Motive<br />
rund um den Planeten.<br />
WAKEBOARDEN<br />
36 AN DER STRIPPE<br />
Warum Athlet Felix Georgii<br />
seine kreative Ader wichtiger<br />
ist als das Gewinnen.<br />
ARCHÄOLOGIE<br />
38 RETTERIN DER INKA<br />
Wie Forscherin und Model<br />
Terry Madenholm antike<br />
Stätten für morgen bewahrt.<br />
WINDSURFEN<br />
40 DER TRAUMTÄNZER<br />
Warum sich Legende Robby<br />
Naish keine Ziele setzt,<br />
sondern Träume verwirklicht.<br />
STREETBALL<br />
52 KÖNIGE DER STRASSE<br />
West 4th Street ist New Yorks<br />
legendärster Basketballplatz –<br />
zu Besuch im „Käfig“.<br />
WELLENREITEN<br />
66 SURFIN’ AFRICA<br />
Warum die Zukunft des Sports<br />
in Afrika liegt.<br />
GEHIRNFORSCHUNG<br />
76 BUNTE VORSTELLUNG<br />
Zwei Forscher verwandeln<br />
Hirnströme in Kunst und erklären,<br />
wie das Gehirn arbeitet.<br />
GUIDE<br />
Tipps für ein Leben<br />
abseits des Alltäglichen<br />
83 REISEN. Auf Boulder-Tour im<br />
Schweizer Tessin mit Kletter-Profi<br />
Maestro Giuliano Cameroni.<br />
88 LESESTOFF. Es geht noch böser –<br />
Märchen neu erzählt.<br />
90 TIPPS & TRENDS. Vom Skate-<br />
Trolley zum weltgrößten Games-<br />
Event – unsere aktuellen Favoriten.<br />
92 BOULEVARD DER HELDEN. Als<br />
Schwimmer Mark Spitz im Sommer<br />
1972 zum Teenie-Schwarm wurde.<br />
40<br />
MIT DER STRÖMUNG Windsurf-Legende<br />
Robby Naish sucht die längste Welle der Welt.<br />
52<br />
CHRISTOPH VOY, CRAIG KOLESKY/RED BULL CONTENT POOL, ANTHONY GEATHERS, ALAN VAN GYSEN<br />
8 GALLERY<br />
14 ZAHLEN, BITTE!<br />
16 FUNDSTÜCK<br />
18 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW<br />
20 MEIN ERSTES MAL<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 CARTOON<br />
MIT LEIDENSCHAFT Zu Besuch auf New Yorks<br />
legendärstem Streetball-Platz<br />
6 THE RED BULLETIN
66<br />
MIT PIONIERGEIST<br />
South-African-Open-<br />
Champion Joshe Faulkner<br />
(o.) und die neue Welle<br />
afrikanischer Top-Surfer<br />
THE RED BULLETIN 7
RAUNHEIM, DEUTSCHLAND<br />
Robert geht<br />
ein Licht auf<br />
An dieser Location an der A3 südwestlich von<br />
Frankfurt ist Fotograf Robert Garo gut tausend<br />
Mal vorbeigedüst, ohne sie zu bemerken. Erst<br />
ein Stau änderte das. Und zum Glück kam Garo<br />
nachts wieder, um das Bauwerk näher in <strong>Aug</strong>enschein<br />
zu nehmen. Erst da bemerkte er, dass<br />
das Ding sogar beleuchtet war. Genau die richtige<br />
Kulisse, um Skateboarder Milan Hruska in Szene<br />
zu setzen. Und um bei <strong>Red</strong> Bull Illume, dem<br />
größten Action- und Adventure-Fotowettbewerb<br />
der Welt, eine gute Figur zu machen.<br />
Mehr meisterhafte Fotos: robertgaro.net<br />
ROBERT GARO/RED BULL ILLUME
9
10
WINDHOEK, NAMIBIA<br />
Schau mir<br />
in die <strong>Aug</strong>en<br />
Diese Aufnahme sieht wie ein Schnappschuss<br />
aus, die Sache war aber deutlich komplizierter:<br />
Zuerst mussten mehrere Nashörner (die in<br />
einem Reservat leben, Anm.) wochenlang an die<br />
Rampe und an die Bewegungen des namibischen<br />
BMX-Könners Eric Garbers gewöhnt werden.<br />
Da die Tiere ziemlich schlecht sehen, aber umso<br />
besser hören, versuchte Garbers vom Bike aus<br />
beruhigend auf sie einzureden. Fotograf Shawn<br />
van Eeden hingegen musste gaaaanz leise sein.<br />
Und dann entstand dieser magische Schuss,<br />
auf dem Nashorn Mattanu und der Biker einander<br />
direkt in die <strong>Aug</strong>en sehen.<br />
Shawn van Eeden unterstützt das Rhino Momma<br />
Project zum Schutz der Tiere: creativelab.com.na<br />
SHAWN VAN EEDEN/RED BULL ILLUME
ÖTZTAL, ÖSTERREICH<br />
Höchste<br />
Eisenbahn!<br />
Die ungewohnte Perspektive, die grafische<br />
Strenge des Bildausschnitts, die fast beiläufige<br />
Integration der Wakeboarderin Anne Eaton<br />
an diesem See im Freizeitpark „Area 47“<br />
(rechts im Bild): Es hat Gründe, warum es dieses<br />
Foto des Münchner Fotografen Lorenz Holder<br />
ins Finale von <strong>Red</strong> Bull Illume 2019, Kategorie<br />
„Innovation“, geschafft hat. Falls du jetzt<br />
das Gefühl hast, das kann ich auch, dann ist<br />
Eile geboten: Anmeldeschluss für den aktuellen<br />
Fotowettbewerb ist der 31. Juli.<br />
Schnellster Weg an den Start:<br />
QR‐Code links scannen.<br />
Alle Infos: redbullillume.com
LORENZ HOLDER/RED BULL ILLUME<br />
13
Z A H L E N , B I T T E !<br />
INDIANA JONES<br />
Mit Peitschen und Trompeten<br />
Vierzig Jahre nach Teil eins, „Jäger des verlorenen Schatzes“, starten diesen Sommer<br />
die Dreharbeiten zu „Indiana Jones V“. Hier die Fakten zum berühmtesten Archäologen<br />
der Kinogeschichte: von der 5000-Schlangen-Szene bis zum Hasenhaar-Filzhut.<br />
150<br />
Dollar pro Woche verdiente Harrison<br />
Ford, heute 78, zu Beginn seiner<br />
Filmkarriere 1966. 2008 kassierte<br />
er für „Der Tempel des Kristallschädels“<br />
65 Millionen Dollar.<br />
5000<br />
Schlangen wurden für die Höhlenszene<br />
in „Jäger des verlorenen<br />
Schatzes“ aus Holland nach<br />
Tunesien eingeflogen.<br />
929<br />
Teile umfasst „Der Tempel des<br />
Kristallschädels“, das größte von<br />
19 Indiana-Jones-Lego-Sets.<br />
3129<br />
Meter lang war der Filmstreifen,<br />
der „Jäger des verlorenen Schatzes“<br />
1981 auf die Leinwand zauberte.<br />
73<br />
Drehtage brauchte Regisseur<br />
Steven Spielberg für den<br />
ersten Teil – 14 Tage weniger<br />
als vom Studio vorgegeben.<br />
4<br />
Trompeten des London Symphony<br />
Orchestra spielen den „Raiders<br />
March“, das „Indiana Jones“-Thema<br />
des Komponisten John Williams.<br />
1170<br />
Dollar kostet eine der 10 Fuß<br />
langen „No. 455“-Peitschen der<br />
Firma David Morgan heute. Bei<br />
den ersten drei „Indiana Jones“-<br />
Produktionen waren mehr als<br />
30 von ihnen im Einsatz.<br />
58<br />
ist die Hutgröße von Harrison<br />
Fords ikonischem Fedora,<br />
einem Modell aus Hasenhaarfilz<br />
namens „The Poet“ von der<br />
Herbert Johnson Hat Company<br />
in der City von London.<br />
37<br />
1.961.339.569<br />
Jahre alt war die Figur des Indiana<br />
Jones im ersten Teil. Darsteller<br />
Harrison Ford (78) war beim Kinostart<br />
1981 zwei Jahre älter. Dollar spielten die vier Indy-Filme weltweit an den<br />
Kinokassen ein – die Gesamt-Produktionskosten<br />
betrugen 281 Millionen Dollar.<br />
40<br />
Jahre nach dem ersten<br />
Abenteuer erscheint im<br />
Sommer <strong>2021</strong> eine Sammelbox<br />
mit Remasters aller<br />
vier Filme in 4K Ultra-HD.<br />
43,5<br />
ist Harrison Fords Schuhgröße.<br />
Als Indiana Jones verlässt er sich<br />
auf rahmengenähte Arbeitsschuhe<br />
der Marke Alden, Modell<br />
405 mit Trubalance-Leisten.<br />
GETTY IMAGES (3), PICTUREDESK.COM CLAUDIA MEITERT<br />
14 THE RED BULLETIN
DER VOLLELEKTRISCHE<br />
FORD MUSTANG MACH-E.<br />
BIS ZU 610 KM REICHWEITE. 1<br />
Verbrauchswerte nach § 2 Nrn. 5, 6, 6 a Pkw-EnVKV in der jeweils geltenden Fassung: n. v.*<br />
Verbrauchswerte nach WLTP: Stromverbrauch 19,5–16,5 kWh/100 km (kombiniert); CO 2<br />
-Emissionen im<br />
Fahr betrieb: 0 g/km (kombiniert).<br />
* n. v. = Daten nicht verfügbar. Der Gesetzgeber arbeitet an einer Novellierung der Pkw-EnVKV und empfiehlt in der Zwischenzeit für Fahrzeuge, die nicht mehr auf Grundlage<br />
des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) homologiert werden können, die Angabe der realitätsnäheren WLTP-Werte. Diese sind in der nachfolgenden Zeile zu finden.<br />
1<br />
Gemäß Worldwide Harmonised Light Vehicles Test Procedure (WLTP) können bis zu 610 km Reichweite bei voll aufgeladener Batterie erreicht werden – je nach vorhandener<br />
Konfi guration. Die tatsächliche Reichweite kann aufgrund unterschiedlicher Faktoren (Wetterbedingungen, Fahrverhalten, Fahrzeugzustand, Alter der Lithium-Ionen-<br />
Batterie) variieren.
F U N D S T Ü C K<br />
Der Gottvater der<br />
Skateboarder: Der<br />
Kalifornier Tony<br />
Hawk, 53, machte<br />
eine Gegenkultur<br />
weltweit populär.<br />
TONY HAWK<br />
Am Anfang<br />
war das Brett<br />
Das erste Board der lebenden Skater-Legende, Smithsonian National Museum of American History, 1977<br />
Tony Hawk, heute 53, war gerade einmal neun Jahre alt, als er 1977 das abgelegte Skateboard seines älteren<br />
Bruders Steve bekam: ein Brett der Marke Bahne, Baujahr 1975. Es sollte sein Leben und die Welt verändern:<br />
Mit 14 wurde Tony Profi, in den 80ern kreierte er über hundert Tricks und erfand damit das Skateboarden neu.<br />
In diesem Jahrtausend wurde sein Name über ein Videospiel weltweit zum Begriff. Und er hatte maßgeblichen<br />
Einfluss darauf, dass Skateboarden jetzt kein öffentliches Ärgernis mehr, sondern olympisch ist.<br />
MIKE BLABAC, ATTIBA JEFFERSON<br />
16 THE RED BULLETIN
D A S F I K T I V E P H I L O S O P H E N - I N T E R V I E W<br />
SCHOPENHAUER SAGT:<br />
„Selbstverwirklichung<br />
ist Blödsinn“<br />
Wer wirklich zu sich selbst finden will, muss sich zuerst<br />
selbst vergessen. Denn prinzipiell steht unserem Glück<br />
nur eines im Weg: Wir wollen zu viel. Das behauptet der<br />
deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer in unserem<br />
fiktiven Interview mit Christoph Quarch.<br />
the red bulletin: „Du musst dein wahres<br />
Selbst finden!“ – „Du musst dich selbst<br />
verwirklichen!“ – „Du musst dein<br />
Potenzial entfalten!“ So oder ähnlich<br />
bekommen wir es ständig gepredigt.<br />
Was halten Sie davon?<br />
Arthur schopenhauer: Nichts<br />
halte ich davon, rein gar nichts.<br />
Das ist in meinen <strong>Aug</strong>en Küchenpsychologie,<br />
die vielleicht für bunte<br />
Wochenend-Illustrierte taugt, aber<br />
nicht fürs wirkliche Leben.<br />
Das heißt: Wir sind nichts anderes<br />
als das, was wir zu sein glauben.<br />
Kein Selbst, keine Seele, kein<br />
Wesenskern oder so etwas? Und<br />
alle Bemühungen, das wahre<br />
Selbst zu finden, sind Quatsch?<br />
Sagen wir mal so: Da ist schon<br />
etwas im Hintergrund Ihres Ichs,<br />
dessen Sie sich nicht bewusst sind<br />
und was Sie unaufhaltsam vor sich<br />
hertreibt. Psychologen nennen es<br />
„das Unbewusste“. Ich nenne es „den Willen“. Und ich<br />
verstehe darunter eine schwer greifbare Dynamik, die<br />
überall in der Welt zugange ist: Evolution, Fortschritt,<br />
Entwicklung, Geschichte, Ihre Biografie – das alles<br />
wird unermüdlich vom Willen angetrieben. Wenn es<br />
irgendetwas wie Ihr wahres Wesen gibt, dann ist das<br />
dieser in Ihnen wabernde Wille.<br />
Aber ist das nicht nur ein anderes Wort für die Seele<br />
oder das Selbst, das zu entdecken uns die von Ihnen<br />
so wenig geschätzten Psychologen nahelegen?<br />
Nein, der Wille, von dem ich rede, ist unpersönlich.<br />
Er ist die treibende Kraft, die nichts und niemanden<br />
je zur Ruhe kommen lässt. Dieser elende Wille macht<br />
uns fertig. Ihn als „Potenzial zu entfalten“ wäre das<br />
Dümmste, was Sie tun können. Das führt zu nichts als<br />
Stress. Wollen, wollen – immer mehr, immer Neues.<br />
Mein Gott! Das mag zwar gut fürs Business sein, aber<br />
Sie, mein Freund, gehen in diesem Hamsterrad vor<br />
die Hunde. Was glauben Sie, weshalb so viele Leute<br />
„Ich warne Sie<br />
eindringlich:<br />
Von dem, was in<br />
Ihnen steckt,<br />
lassen Sie besser<br />
die Finger.“<br />
an Burnout leiden? Weil sie zu viel wollen. Deshalb<br />
warne ich Sie eindringlich: Von dem, was da in Ihnen<br />
steckt, lassen Sie besser die Finger.<br />
Sich selbst zu verwirklichen, halten Sie für kontraproduktiv?<br />
Damit stehen Sie ziemlich alleine da.<br />
Ist mir doch egal, solange es der Wahrheit<br />
entspricht. Und das tut es: erstens, weil es<br />
dieses ach so tolle Selbst gar nicht gibt;<br />
zweitens, weil uns das Wollen auf<br />
Dauer versklavt. Ist doch furchtbar,<br />
ewig ein Sklave des Willens zu sein<br />
– ewig irgendetwas sein zu wollen,<br />
was es in Wahrheit gar nicht gibt.<br />
Okay, aber was gibt’s dann<br />
eigentlich noch für uns zu tun?<br />
Gar nichts zu wollen und gar nichts<br />
zu sein klingt irgendwie trostlos.<br />
Bingo, genau so ist es: trostlos. Das<br />
Leben ist eine ziemlich trostlose<br />
Angelegenheit – oder sagen wir so:<br />
Es wäre komplett trostlos, wenn es da<br />
nicht etwas gäbe, was uns von dem<br />
ganzen Elend des Wollens befreit.<br />
Da machen Sie mich jetzt aber<br />
neugierig. Was denn?<br />
Resignation! Na, na, nun schauen<br />
Sie nicht so bedröppelt. Ich meine<br />
das zwar ernst, habe aber noch mehr zu bieten. Das<br />
Beste, was Sie tun können, wenn Sie glücklich werden<br />
wollen, ist, dieses ganze Rumgestochere in sich selbst<br />
aufzugeben und sich etwas hinzugeben, bei dem Sie<br />
sich komplett selbst vergessen. Kunst oder Musik zum<br />
Beispiel. Das schaltet den Willen aus, da kommen Sie<br />
zur Ruhe – und vielleicht ja auch zur Wahrheit, die<br />
dort beginnt, wo der Wille aufhört. Fußballgucken ist<br />
übrigens auch gut. Werde gleich einmal schauen, was<br />
die Eintracht macht …<br />
ARTHUR SCHOPENHAUER (1788–1860) ist der wohl einflussreichste<br />
Philosoph Europas. Seine vollständig erhaltenen Dialoge<br />
verraten nicht nur eine beachtliche literarische Begabung,<br />
sondern auch die Fähigkeit, die Weisheit der griechischen Antike<br />
in einer Philosophie zusammenzufassen.<br />
CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer<br />
der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor<br />
zahlreicher philosophischer Bücher. Zuletzt erschienen:<br />
„Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten<br />
auf alltäg liche Fragen“.<br />
DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />
18 THE RED BULLETIN
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MARTIN GRUBINGER:<br />
„In Japan hab ich gemerkt:<br />
Schlagzeug ist mein Ding!“<br />
Der Salzburger zählt heute zu den besten klassischen Perkussionisten der Welt.<br />
Hier erzählt er von seinem Erweckungserlebnis als Jugendlicher:<br />
einer Reise zu einem Musikwettbewerb, bei dem er eigentlich verlieren wollte.<br />
Viele kennen ihn als Kolumnisten der „Kronen Zeitung“,<br />
andere als Fernsehmoderator beim Bayerischen Rundfunk.<br />
Die Musikwelt feiert den 38-jährigen Salzburger<br />
als schnellsten Trommler von allen (40 Schläge pro<br />
Sekunde), als musikalischen Ausdauersportler<br />
(Konzerte können<br />
bis zu sieben Stunden dauern)<br />
und als Allrounder, der klassisches<br />
Schlagzeug, Marimba und<br />
andere Percussion-Instrumente<br />
auf Weltklasse-Niveau spielt.<br />
Prestigereiche Konzertsäle –<br />
vom Wiener Musikverein bis zur<br />
Carnegie Hall in New York – füllt<br />
er bis auf den letzten Platz.<br />
Hier erzählt Grubinger von<br />
der Zeit vor seinen großen Gigs.<br />
„1999 war ich ein junger Student,<br />
ich hatte schon zwei Jahre in Linz<br />
am Bruckner-Konservatorium<br />
hinter mir. Dass ich gut war am<br />
Schlagzeug, das wusste ich. Aber<br />
es gab noch kein YouTube, kein<br />
Internet. Ich hatte also keine<br />
Ahnung, wie die Kids in Amerika<br />
oder in Japan drauf waren. Dann<br />
erzählte mir mein Lehrer von<br />
der World Marimba Competition<br />
in Okaya, Japan. Das ist so etwas<br />
wie die Kitzbüheler Streif für<br />
Marimba-Spieler und Schlagzeuger.<br />
‚Da könntest du mitmachen‘,<br />
meinte er. Einfach mitmachen,<br />
olympischer Gedanke,<br />
dabei sein ist alles. Die anderen Teilnehmer waren alle<br />
älter und erfahrener, zwischen 22 und 30 Jahre alt.<br />
Meine Idee: Ich scheide in der ersten Runde aus, dann<br />
höre ich den anderen zu, lerne und knüpfe Kontakte.<br />
Das Ganze ist schrecklich losgegangen: Mein Vater<br />
hätte mich begleiten sollen, aber am Salzburger Flughafen<br />
hat er festgestellt, dass sein Pass abgelaufen war.<br />
Ich sitz also allein im Flieger nach Japan. Dann vom<br />
Tokioter Flughafen direkt nach Shinjuku, einen der<br />
größten Bahnhöfe der Welt. Ich – ein echtes österreichisches<br />
Landei – war völlig geflasht. Und als ich<br />
0:00–45:40<br />
Martin Grubinger<br />
Mein erstes Mal – der Podcast<br />
„Ich war allein in Okaya,<br />
nervös und völlig naiv.<br />
So konnte ich total<br />
unbeschwert loslegen.“<br />
Martin Grubinger, 38,<br />
über sein Aha-Erlebnis als Musiker<br />
dort ankomme, treffe ich hundert andere Schlagzeuger<br />
aus der ganzen Welt, die alle monatelang auf<br />
diesen Wettbewerb hintrainiert haben. Da war schon<br />
eine ziem liche Grundnervosität da. Ich war aber<br />
gleichzeitig völlig naiv. Und das<br />
war gut so. Denn das hat es mir<br />
ermöglicht, völlig unbeschwert<br />
loszulegen. Ich übersteh also die<br />
erste Runde. Die zweite Runde.<br />
Die dritte. Halbfinale. Und plötzlich<br />
steh ich im Finale!<br />
Am Abend davor saß ich im<br />
Hotelzimmer und hab noch einmal<br />
die Töne gelernt, weil ich<br />
das Programm für die späteren<br />
Runden schon wochenlang nicht<br />
mehr geübt hatte. Ich hatte<br />
nicht damit gerechnet, so weit<br />
zu kommen. Für die besten drei<br />
hat es am Ende nicht gereicht,<br />
aber ich hab zum ersten Mal<br />
gemerkt: Hey, da kann ich mithalten!<br />
In dem Moment habe ich<br />
zum ersten Mal gespürt: Schlagzeug<br />
ist mein Ding. Ich habe<br />
dort so viel Selbstvertrauen mitgenommen,<br />
dass ich mit einem<br />
Schlag gleich noch viel besser<br />
war – ohne dass ich irgendetwas<br />
ver ändert hätte. Beflügelt von<br />
diesem Erlebnis, habe ich daraufhin<br />
noch härter trainiert. Zum<br />
Teil zwölf Stunden nonstop. Weil<br />
dieser Trip mir vor <strong>Aug</strong>en geführt<br />
hatte, dass man mit harter Arbeit sogar als Salzburger<br />
Landei mit den Besten der Welt mithalten kann.“<br />
„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE,<br />
in der Helden über ihre Anfänge sprechen. Die aktuelle Folge<br />
mit Martin Grubinger, in der er auch<br />
verrät, warum er bald in Pension gehen<br />
will, gibt’s im Podcast-Kanal von<br />
The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>.<br />
Zu finden auf allen<br />
gängigen Platt formen<br />
wie Spotify und auf<br />
redbulletin.com/podcast<br />
SIMON PAULY<br />
20 THE RED BULLETIN
DEN MYTHOS ZUM<br />
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ein Fragment aus dem original Amboss von 1896, für die Ewigkeit konserviert in einer Zeitkapsel.<br />
*ABT RS6 Johann Abt Signature Edition – 589 kW (800 PS), 980 Nm · Verbrauchswerte in l/100 km (die angegebenen Verbrauchswerte beziehen sich<br />
auf das Serienfahrzeug): innerorts 16,1 – 16,2; außerorts 8,9 – 8,8; kombiniert 11,6 – 11,5. CO 2<br />
-Emissionen kombiniert: 265 – 263 g/km. Abbildungen<br />
zeigen Individualisierungsmaßnahmen nach den Regelungen der StVZO für Änderungen an in Verkehr befindlichen Fahrzeugen. Stand 30.4.<strong>2021</strong><br />
WWW.ABT-SPORTSLINE.DE/JOHANN-ABT-EDITION<br />
ABT Sportsline GmbH · Johann-Abt-Straße 2 · D-87437 Kempten
P O R T F O L I O<br />
Wände<br />
hoch!<br />
In zehn Abenteuern um die Welt:<br />
US-Fotograf Keith Ladzinski<br />
begleitet die besten Kletterer<br />
überallhin. Hier erzählt er die<br />
Geschichten hinter seinen Bildern<br />
– vom Eisberg in Grönland bis<br />
zum „Super Mario“-Felsen in China.<br />
Protokoll DAVID MAYER<br />
Hier kommt Alex<br />
Alex Honnold, Kalymnos,<br />
Griechenland<br />
„Einmalige Kalkfelsformationen,<br />
über wältigende Ausblicke, jede Menge<br />
Sonne – die kleine Insel Kalymnos vor<br />
der türkischen Südwestküste ist ein<br />
absolutes Kletterparadies. Diesen Spot<br />
entdeckten Alex und ich, als wir die<br />
Gegend mit Rollern erkundeten.“<br />
22 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 23
P O R T F O L I O<br />
24 THE RED BULLETIN
Wüste Route<br />
Mike Brumbaugh,<br />
Großes Becken,<br />
Nevada, USA<br />
„Die Wüste in Nevada<br />
ist eine Schatztruhe<br />
voller Sandstein-<br />
Kletter routen, die<br />
noch kein Mensch<br />
bezwungen hat. Hier<br />
versucht sich Mike an<br />
einer Erstbesteigung<br />
eines ebenso steilen<br />
wie makellosen<br />
Felsen.“<br />
THE RED BULLETIN 25
P O R T F O L I O<br />
Alles im Griff<br />
Dave Graham,<br />
Grampians National Park, Australien<br />
„In der Great Dividing Range im Südosten Australiens,<br />
dem größten Gebirgszug des Kontinents, liegt eine<br />
der schwierigsten Boulder-Passagen der Welt, genannt<br />
‚The Wheel of Life‘. Über 60 Handgriffe brauchen<br />
Kletterer, um sie zu bezwingen. Mich faszinierte,<br />
wie leicht Dave diesen Kampf aussehen ließ.“<br />
26 THE RED BULLETIN
Sie will nur spielen<br />
Tara Brouwer, Yellowstone Lake,<br />
Wyoming, USA<br />
„Die meisten Menschen sehen hier ein traumhaftes<br />
Panorama im Yellowstone-Nationalpark, Tara hin gegen<br />
sieht einen Spielplatz. Als wir hier ankamen, legte sie<br />
spontan einen einhändigen Radschlag hin. Das Foto<br />
beweist: Selbst die außergewöhnlichsten Orte der Welt<br />
können wir mit unserer Fantasie noch bereichern.“<br />
THE RED BULLETIN 27
P O R T F O L I O<br />
28 THE RED BULLETIN
Am Mondberg<br />
Emily Harrington,<br />
Yangshuo, China<br />
„Vor etwa 500 Millionen<br />
Jahren entstanden im<br />
Süden Chinas diese fast<br />
unwirklichen Karst landschaften<br />
aus Kalkstein –<br />
mich erinnern sie an die<br />
asiatisch angehauchten<br />
Naturwelten der ‚Super<br />
Mario‘-Spiele. Hier sehen<br />
wir Emily bei einer kurzen<br />
Pause am Moon Hill,<br />
bevor sie die kühne Route<br />
weiterklettert.“<br />
THE RED BULLETIN 29
P O R T F O L I O<br />
Hängepartie<br />
Joe Kinder, Mojave Desert, Utah<br />
„In der Kletterfotografie geht es darum, Schlüsselmomente<br />
einzufangen. Hier meistert Joe eine besonders<br />
kni≠lige und damit entscheidende Stelle der<br />
steilen Route Visitor Q hoch über der Mojave-Wüste<br />
im Südwesten Utahs. Er besteigt sie hier zum allerersten<br />
Mal und scheint förmlich am Fels zu kleben.“<br />
Es werde Licht<br />
Jonathan Siegrist, Estes Park, Colorado, USA<br />
Bild rechts: „Manchmal reicht ein Lichtstrahl, um einer<br />
Kletterroute völlig neuen Glanz zu ver leihen. An diesem Tag<br />
traf die Sonne im Estes Park in Colorado zufällig exakt<br />
die ‚Grand Ol’ Opry‘, als Jonathan auf den Felsen kletterte.<br />
Die Route führt über unebenen, leicht überhängenden<br />
Granit – ein echter Kraftakt.“<br />
30 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 31
P O R T F O L I O<br />
Das gibt ihnen Berge<br />
Mike Libecki und Ethan Pringle,<br />
Grönland, Dänemark<br />
„Seekrank wurden Mike und Ethan nicht auf unserer<br />
elf Tage langen Bootsreise durch die unberührten<br />
Weiten Grönlands. Doch als wir einige Zeit vergeblich<br />
nach besteigbaren Eisbergen gesucht hatten, befiel<br />
sie heftiges Kletterfieber. Wir verschafften ihnen<br />
mit einem Stopp an diesem Eisberg Linderung.“<br />
32 THE RED BULLETIN
Abstecher ins Blaue<br />
Erik Leidecker, Südisland<br />
„Du stellst dir Island als lebendige und etwas<br />
verwunschene Insel vor? Genauso ist es auch.<br />
Profi‐Kletterer, die einen richtigen Nervenkitzel suchen,<br />
steigen hier in Eishöhlen ab. Hier macht sich Erik<br />
zu einem Tagesausflug in die tiefblauen Welten auf.“<br />
THE RED BULLETIN 33
P O R T F O L I O<br />
34 THE RED BULLETIN
DER FOTOGRAF<br />
„Für ein großartiges<br />
Foto musst du zwei<br />
Dinge gleichzeitig<br />
einfangen: einen<br />
Schlüsselmoment und<br />
das richtige Licht“,<br />
erklärt US-Fotograf Keith Ladzinski, 45,<br />
sein Handwerk. Es ist nicht übertrieben,<br />
zu sagen, dass er die Übung perfektioniert<br />
hat. Vor allem der Einsatz mitgebrachten<br />
Lichts und das Vertrauen auf sein gutes<br />
<strong>Aug</strong>e zeichnen die Bildsprache des<br />
New Yorkers aus, der in Colorado aufgewachsen<br />
ist. Renommierte Auftraggeber<br />
wie „National Geographic“, die<br />
„New York Times“ oder Apple schicken<br />
ihn für seine Missionen zu Themen wie<br />
Natur, Klimawandel oder Extremsport<br />
inzwischen rund um die Welt. Dabei ist<br />
er von Anfang an seinen beiden Leidenschaften<br />
treu geblieben: Skateboarden<br />
und Klettern. „85 Prozent des Aufwands<br />
gehen für die Location-Suche drauf“, sagt<br />
Ladzinski. „Oft waren wir über 30 Tage<br />
unterwegs, bevor jemand zum ersten<br />
Mal geklettert ist. Das ist Wahnsinn!“<br />
Mit Keith um den Globus: ladzinski.com<br />
Das ist die Härte!<br />
Arjan de Kock,<br />
Waterval Boven, Südafrika<br />
„Viel schwieriger als hier im Nordosten<br />
Südafrikas wird es für Kletterer nicht.<br />
Das gilt sowohl für die oft überhängenden<br />
Routen als auch für das Gestein an sich.<br />
Es handelt sich um extrem harten Quarzit,<br />
der Arjan – und vor allem seinen Schultern<br />
– alles abverlangt.“<br />
THE RED BULLETIN 35
Wakeboarden<br />
Felix Georgii<br />
lässt seiner Kreativität beim Wakeboarden freien Lauf:<br />
mit einer tragbaren Seilwinde und Tricks aus dem Zirkus.<br />
Das findet mitunter sogar die Polizei spannend.<br />
Interview JOHANNES MITTERER<br />
Foto MARCO FREUDENREICH<br />
Felix Georgii, 28, ist Profi-Wakeboarder<br />
und wird von Kollegen als<br />
„König des Winchens“ bezeichnet.<br />
Winchen bedeutet, dass er mit<br />
seinem Board und einer mobilen<br />
Seilwinde, der Winch, in Bächen,<br />
Wehren oder Kanälen unterwegs ist.<br />
Bei den X Games gewann der Allgäuer<br />
Gold, sein Markenzeichen sind<br />
seine kreativen Videos. Im Interview<br />
erklärt er, warum ihn Kreativität<br />
noch mehr anspornt als Medaillen.<br />
the red bulletin: Wie reagieren<br />
die Leute, wenn du mit der mobilen<br />
Seilwinde und dem Wakeboard<br />
in der Stadt unterwegs bist?<br />
felix georgii: Es kann sein, dass<br />
500 Leute drum herum stehen und<br />
alle klatschen und schreien. Es kann<br />
aber auch sein, dass ein böser alter<br />
Mann da ist – oder eine böse alte<br />
Frau –, die sagen: „Das ist verboten!<br />
Ihr seid schlechte Vorbilder!“<br />
Und dann rufen sie die Polizei?<br />
Kommt vor. In Amsterdam waren<br />
wir mal in einem Kanal zugange,<br />
nach drei Stunden war die Polizei<br />
da. Die Beamten sagten: „Ihr fahrt<br />
hier schneller als die erlaubten<br />
6 km/h.“ Das respektieren wir<br />
dann auch.<br />
Du erfindest oft neue Stunts, zuletzt<br />
den Sprung durch einen Reifen.<br />
Woher nimmst du die Ideen?<br />
Vom Snowboarden und Skaten her<br />
reizt es mich, meine Tricks aus dem<br />
Park an einem Street-Spot zu testen.<br />
Und dann will ich einfach den Sport<br />
immer weiter denken. Die Reifen-<br />
Idee kommt aus dem Zirkus. Wir<br />
haben sogar kurz überlegt, ob der<br />
Reifen nicht brennen sollte. Das hat<br />
dann aber nicht ins Konzept gepasst.<br />
Wie wichtig sind dir Wettkämpfe?<br />
Seine krassesten Skills auf Knopfdruck<br />
abzurufen und in einem Run<br />
zusammenzupacken – wie der perfekte<br />
Athlet –, das ist ein Hammergefühl.<br />
Gleichzeitig ist aber immer<br />
jemand anderer enttäuscht, und damit<br />
konnte ich nie umgehen. Daher<br />
hatte ich nie diesen Ansatz, zu sagen:<br />
„Ich muss jetzt hier gewinnen.“<br />
Heute gibt es wegen Social Media<br />
auch beim Wakeboarden einen<br />
Wettbewerb in Kreativität. Ist das<br />
dann nicht das Gleiche?<br />
Beim Contest bist du auf dich allein<br />
gestellt. Machst du einen Fehler,<br />
dann ist es dein Fehler. Winchen<br />
und davon Videos machen ist hingegen<br />
Teamwork: Die einen bedienen<br />
die Winde, andere filmen, und wenn<br />
das am Ende geil aussieht, ist das<br />
nicht nur mein Verdienst. Da ist die<br />
Belohnung größer. Und über die<br />
Videos werden auch Außenstehende<br />
aufs Wakeboarden aufmerksam.<br />
Ich werde noch zu oft gefragt, was<br />
Wakeboarden überhaupt ist. Eine<br />
Stadt oder eine Wehr sind den Leuten<br />
näher als ein weißes Plastik-Hindernis<br />
in einem Wake-Park.<br />
Im <strong>Aug</strong>ust findet „<strong>Red</strong> Bull Wake<br />
Capital“ in Hamburg statt, direkt<br />
unterhalb der Elbphilharmonie<br />
in der Speicherstadt. Es ist eine<br />
Mischung aus beiden Welten: ein<br />
klassischer Contest, aber mitten in<br />
der Stadt und mit einem kreativen<br />
Parcours, den du mitentwickelst.<br />
Wie sieht deine Mitarbeit aus?<br />
Ich war beim ersten Location-Check<br />
dabei und habe mit meinem Verständnis<br />
vom Winchen versucht, den<br />
Contest in die Stadt zu integrieren.<br />
Für den Hamburg-Vibe verwenden<br />
wir als Obstacles zum Beispiel auch<br />
sogenannte Spülschuten – Pontonschiffe,<br />
die sonst für Bauarbeiten benutzt<br />
werden. Diese Schuten füllen<br />
wir mit Wasser, sodass erhöhte Pools<br />
entstehen und wir mit verschiedenen<br />
Wasserebenen spielen können.<br />
Du startest auch selbst. Hast du<br />
Elemente eingebaut, die dir besser<br />
liegen als der Konkurrenz?<br />
Es wird auf jeden Fall so ein paar<br />
Sachen … ähm … na ja, eigentlich<br />
nicht! Aber es wird so einen Bagger<br />
geben, den man in einem Wake-Park<br />
eher nicht findet. Das ist etwas ganz<br />
Neues. Da bin ich selber aufgeregt.<br />
Ring frei: Felix Georgii beim Dreh<br />
des Videos „We’re Open“ in Duisburg<br />
Erlebe den<br />
fliegenden Felix<br />
Am 7. <strong>Aug</strong>ust steigt „<strong>Red</strong> Bull<br />
Wake Capital” in Hamburg.<br />
Einzigartige Hindernisse, 16 internationale<br />
Spitzenfahrer, und das alles<br />
mitten in der Speicherstadt: So es die<br />
dann aktuellen Vorschriften erlauben,<br />
kannst du das spektakulärste Wakeboard-Event<br />
des Jahres hautnah erleben.<br />
Alle Infos und Tickets unter: redbull.com<br />
STEFFEN VOLLERT/RED BULL CONTENT POOL<br />
36 THE RED BULLETIN
„Du zeigst deinen<br />
Wakeboard-Trick<br />
mitten in der<br />
Stadt. 500 Leute<br />
stehen da und<br />
schreien.“<br />
Felix Georgii (28) über die Motivation<br />
für seine Video-Extratouren<br />
THE RED BULLETIN 37
Archäologie<br />
Terry Madenholm<br />
hat zwei interessante Jobs: Sie ist Archäologin und nebenbei<br />
gefragtes Model. Hier erklärt die 31-Jährige, wie sie antike<br />
Inka-Siedlungen mittels Drohnentechnik retten will.<br />
Text RACHAEL SIGEE<br />
Foto CHRIS SAUNDERS<br />
Wir erreichen Terry Madenholm<br />
in ihrer Pariser Wohnung. Sie steckt<br />
gerade mitten in den Vorbereitungen<br />
für eine Rettungsaktion: Es geht um<br />
die Ausgrabung einer über 500 Jahre<br />
alten Inka-Siedlung in der Provinz<br />
Cotopaxi in Ecuador, die von Klimawandel,<br />
Bebauungsplänen und – besonders<br />
unberechenbar – einem seit<br />
2015 aktiven Vulkan bedroht ist. Die<br />
31-Jährige gehört zu einem Team,<br />
das diesen Kulturschatz mittels<br />
modernster Drohnentechnologie<br />
und digitaler 3D-Rekonstruktion im<br />
allerletzten Moment für die Nachwelt<br />
bewahren will.<br />
Madenholm, in Stockholm geboren<br />
und in Polen aufgewachsen,<br />
hat in Paris aber noch andere Sachen<br />
zu tun: Sie stand bereits für Werbekampagnen<br />
so schillernder Marken<br />
wie L’Oréal, Clarins oder L’Occitane<br />
als Model vor der Kamera. Ursprünglich<br />
dienten ihr solche Jobs nur<br />
zur Finanzierung des Archäologiestudiums.<br />
Doch die Modelkarriere<br />
nahm derart schnell Fahrt auf, dass<br />
sie ihre Zeit heute zu gleichen Teilen<br />
zwischen Ausgrabungen und Fotoshootings<br />
aufteilt. „Ich sehe mich<br />
als Archäologin, die zufällig auch<br />
modelt“, sagt Madenholm. „Immer,<br />
wenn ich bei Ausgrabungen etwas<br />
finde, erscheint es mir wie eine<br />
Reise in die Vergangenheit. Indem<br />
ich verschwitzt und voll Schlamm<br />
meine Hände in die Erde stecke,<br />
starte ich eine Zeitmaschine.“<br />
the red bulletin: Wie fühlt<br />
es sich an, bei Ausgrabungen<br />
mitzumachen?<br />
terry madenholm: Es ist eine<br />
intensive Erfahrung und erfordert<br />
viel Durchhaltevermögen und Demut,<br />
weil man seine Ziele nicht immer erreicht.<br />
Manchmal sucht man monateoder<br />
sogar jahrelang nach etwas,<br />
das dann nicht so ergiebig ist wie erhofft.<br />
Abgesehen davon sind die Ausgrabungen<br />
sehr anstrengend. Man<br />
kämpft ständig mit sich selbst und<br />
geht an seine Grenzen. Aber genau<br />
das mag ich an der Archäologie:<br />
Man spürt so richtig, dass man lebt.<br />
Wie kartieren und bewahren Sie<br />
antike Stätten?<br />
Mit Tools wie LiDAR, das steht für<br />
Light Detection and Ranging. Es<br />
funktioniert im Grunde ganz einfach:<br />
Ein Laser tastet die Erdoberfläche<br />
ab und erzeugt ein 3D-Bild<br />
dessen, was darunter versteckt liegt.<br />
Diese Werkzeuge sind in der Archäologie<br />
ziemlich neu, aber sie bringen<br />
uns schneller voran. Die Drohnen<br />
verschaffen uns einen besseren Überblick<br />
über die Ausgrabungsstätte,<br />
sodass wir mit unseren Aufzeichnungen<br />
schneller fertig sind.<br />
Was bedeutet diese Technologie<br />
für die Zukunft der Archäologie?<br />
Sie kann neue Perspektiven eröffnen.<br />
Wir können plötzlich größere, mutigere<br />
Fragen stellen. Ich glaube, die<br />
Geschichte der alten Kulturen wird<br />
neu zu schreiben sein. Monumente<br />
und Artefakte können mittels 3D-<br />
Nachbildungen originalgetreu für die<br />
Nachwelt bewahrt und für Publikum<br />
zugänglich gemacht werden. So wird<br />
die Archäologie auch demokratisiert:<br />
Jeder kann sich die Stätten ansehen,<br />
ohne selbst hinzufahren.<br />
Was war für Sie der bisherige<br />
Höhepunkt Ihrer Karriere als<br />
Archäologin?<br />
Die Entdeckung eines zweitausend<br />
Jahre alten Rings an der Küste von<br />
Tel Aviv. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten<br />
Monate an einem Projekt und<br />
träumen die ganze Zeit nur davon,<br />
etwas Großartiges zu finden. Dann,<br />
im letzten Moment, kurz bevor das<br />
Projekt in die Winterpause geht, finden<br />
Sie plötzlich diesen Ring unter<br />
der Erde! Es fühlte sich irgendwie an,<br />
als hätte jemand den Ring vor zweitausend<br />
Jahren fallen lassen, damit<br />
ich ihn finde. Wenn man so ein persönliches<br />
Stück findet, dann spinnt<br />
man sofort eine Geschichte darüber,<br />
wer ihn gefertigt, wer ihn getragen<br />
hat. In meinem Kopf entstand das<br />
Bild eines dicken Kaufmanns, denn<br />
der Ring war riesig, und ich konnte<br />
ihn leicht über zwei Finger ziehen.<br />
Was erhoffen Sie sich in Zukunft<br />
für Ihre Arbeit?<br />
Überraschungen – die sind das Beste<br />
an der Archäologie. Denken Sie nur<br />
an die Ausgrabungen von Pompeji<br />
in Italien. Die Historiker waren ursprünglich<br />
überzeugt, dass der Vesuv<br />
am 24. <strong>Aug</strong>ust 79 n. Chr. ausgebrochen<br />
sei. Dann wurde 2018 eine alte<br />
Inschrift in Kohle entdeckt, aus der<br />
hervorging, dass der Ausbruch zwei<br />
Monate später statt gefunden hatte.<br />
Daran sieht man, dass Archäologen<br />
und Historiker manchmal falschliegen.<br />
Diese Geschichte spricht mich<br />
sehr an. Ich will einfach Überraschungen<br />
erleben. Ich will von meinen<br />
Funden so richtig umgehauen<br />
werden!<br />
Terry Madenholm ist Projektpartnerin von<br />
Drone Archaeology: dronearchaeology.com<br />
38 THE RED BULLETIN
„Was ich an der<br />
Archäologie<br />
mag? Man<br />
spürt so richtig,<br />
dass man lebt.“<br />
Terry Madenholm, hier an der<br />
Aus grabungsstätte La Cave aux Fées<br />
in Brueil-en-Vexin bei Paris, über<br />
die Faszination ihres Hauptberufs<br />
THE RED BULLETIN 39
Surfen<br />
Robby Naish<br />
hat sich nie Ziele gesetzt, sondern immer nur Träume<br />
verwirklicht. Das hält die Windsurf-Ikone bis heute so.<br />
Text JÜRGEN SCHMIEDER<br />
1976, mit dreizehn (!), holte Robby<br />
Naish den ersten von 24 WM-Titeln,<br />
er trieb Innovationen wie kürzere<br />
Boards und Fußschlaufen voran,<br />
sein Abbild schmückte bis in die<br />
90er-Jahre als Poster Kinderzimmer<br />
rund um den Globus. Kurz: Naish<br />
hat Windsurfen zum Welterfolg gemacht<br />
und erfindet den Sport bis<br />
heute immer wieder neu (so war er<br />
auch am Aufstieg von Kitesurfen<br />
und Stand-up-Paddling beteiligt).<br />
Nun erscheint eine Doku über sein<br />
Leben nach der Titeljagd – höchste<br />
Zeit für ein Gespräch über die<br />
wahren Gründe für seinen Erfolg.<br />
the red bulletin: Mister Naish …<br />
robby naish: Bitte „Robby“.<br />
Okay. Jetzt einmal ehrlich, Robby:<br />
Wo befindet sich dieser Jungbrunnen<br />
auf Hawaii, in den du<br />
gefallen bist? Oder gibt es gar ein<br />
geheimes Fitnessprogramm?<br />
Im Gegenteil: Ich mache kein Yoga,<br />
ich dehne nicht einmal. Ich will, dass<br />
die Muskeln hart und kräftig sind.<br />
Sollten ein Fitnesstrainer und ein<br />
Psychologe herkommen, würden sie<br />
denken, sie hätten es mit einer Laune<br />
der Natur zu tun. Ich mache so<br />
ziemlich alles falsch, was man falsch<br />
machen kann. Ich mache das, was<br />
ich auch mit zwanzig gemacht habe.<br />
Klingt ziemlich old school …<br />
Ich versuche, fast täglich ins Wasser<br />
zu gehen. Man verletzt sich dort<br />
nicht so schnell: Man plumpst rein,<br />
und das war es meistens. Ich bin bis<br />
auf einen Beckenbruch vor einigen<br />
Jahren von größeren Verletzungen<br />
verschont geblieben.<br />
Bereust du etwas im Leben?<br />
Ich habe das Leben nie so betrachtet,<br />
weil einen so was fertigmacht. Sehr<br />
oft sind die Leute, die viel haben,<br />
diejenigen, die am unglücklichsten<br />
sind – weil sie immer mehr wollen<br />
und sagen: „Oh, ich habe so viel geopfert,<br />
ich sollte noch mehr haben!“<br />
So will ich nicht sein. Ich bin nicht<br />
perfekt – aber ich bin unfassbar<br />
glücklich, der zu sein, der ich bin.<br />
Du hast leicht reden: Du bist<br />
immerhin 24-facher Weltmeister!<br />
Aber der letzte Titel liegt Jahrzehnte<br />
zurück. Ich bin keiner, der von der<br />
guten alten Zeit schwärmt. Ich will<br />
auch nicht zu viel an die Zukunft<br />
denken. Ich nehme jeden Tag, wie<br />
er kommt. Ich feile noch immer an<br />
meiner Technik oder entwickle eine<br />
neue Disziplin.<br />
In der TV-Doku „The Longest<br />
Wave“ reist du um die Welt, um<br />
möglichst lange Wellen auf einem<br />
Stand-up-Paddle-Board zu surfen.<br />
War das dein Ziel, eine neue<br />
Sportart populär zu machen?<br />
Ich habe mir nie ein Ziel gesetzt, sondern<br />
eher Träume verwirklicht. Ich<br />
wollte nie etwas erreichen. Ich liebe,<br />
was ich tue – und ich bin ein Glückspilz,<br />
weil ich tun darf, was ich mag.<br />
Wer mit Zielen durchs Leben läuft,<br />
fragt sich irgendwann: Und nun?<br />
Die Surf-Kultur hat sich durch<br />
die sozialen Medien gewaltig<br />
verändert. Was meinst du dazu?<br />
Die positive Seite: Jeder kann sein<br />
Können präsentieren. Er braucht<br />
keinen Manager oder Magazin- Fotografen<br />
mehr, um berühmt zu werden.<br />
Jeder hat die gleiche Chance.<br />
Das klingt doch gut …<br />
Aber auch die Liste der negativen<br />
Aspekte ist lang. Die sozialen Medien<br />
verändern, wie gerade junge Leute<br />
die Welt sehen. Es geht nicht mehr<br />
darum, gut in etwas zu werden –<br />
sondern berühmt. Daraus entsteht<br />
ein Wettbewerb: Du bist nur so viel<br />
wert wie dein letztes Posting.<br />
Du machst aber auch mit.<br />
Ich passe mich an. Für junge Leute<br />
ist das jedoch gefährlich, weil sie<br />
glauben, dass sie berühmt werden,<br />
ohne dafür arbeiten zu müssen.<br />
Doch auf den einen, der berühmt<br />
wird, kommen Tausende, die es<br />
nicht schaffen. Ich wünsche mir,<br />
dass die Leute einfach die Reise<br />
genießen, statt dem nächsten Foto<br />
nachzujagen. Das Leben ist kein<br />
Beliebtheitswettbewerb. Es geht<br />
darum, Glück in dem zu finden, was<br />
man tut. Das Ziel sollte sein, die<br />
Fahrt zu genießen und das Gefühl,<br />
etwas erreicht zu haben.<br />
Robby jagt<br />
die längste Welle<br />
Eine neue Doku zeigt das jüngste<br />
Abenteuer des Altmeisters.<br />
Von Namibia über Peru bis Costa Rica:<br />
Drei Jahre reiste Robby Naish immer<br />
wieder um die Welt, um mit seinem Standup-Paddle-Board<br />
die längsten Wellen<br />
der Welt zu reiten. Begleitet vom oscarnominierten<br />
Filmemacher Joe Berlinger,<br />
entdeckt der Surfer dabei nicht nur eine<br />
neue Sportart, sondern auch ein wenig<br />
sich selbst. Die daraus entstandene Doku<br />
„The Longest Wave“ zeigt das wohl aufwühlendste<br />
Abenteuer in Naishs Karriere.<br />
Aktuell in der ZDFmediathek, ab 10. <strong>Aug</strong>ust<br />
auch auf <strong>Red</strong> Bull TV; Infos: redbull.com<br />
CRAIG KOLESKY / RED BULL CONTENT POOL<br />
40 THE RED BULLETIN
„Ich bin ein<br />
Glückspilz,<br />
weil ich tun<br />
darf, was<br />
ich mag.“<br />
Robby Naish, 58, über<br />
seine Lebenseinstellung<br />
THE RED BULLETIN 41
Dance<br />
Messis Tanzlehrer<br />
MAJID KESSAB kam als Kleinkind aus dem Irak nach<br />
Deutschland. Jetzt ist er 28, Hip-Hop-Weltmeister<br />
und Tanzschulbesitzer. Und er hat Fußballgott<br />
Lionel Messi elegante Moves beigebracht.<br />
Das alles reicht ihm allerdings noch nicht.<br />
Text ANNE WAAK<br />
Fotos CHRISTOPH VOY<br />
AUF GROSSEM FUSS<br />
Majids Bewegungen sind<br />
einzigartig. Im Tanz hat<br />
der Krefelder, hier in seiner<br />
Heimatstadt, seine Ausdrucksform<br />
entdeckt.<br />
42
43
AUGENBLICK!<br />
Majid beim Porträt-<br />
Shooting für<br />
The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> in<br />
Krefeld. In der TV-<br />
Show „Got to Dance“<br />
begeisterte er<br />
Millionen Fans.
Dance<br />
Sein Stil wirkt,<br />
als tanze er<br />
unter Wasser.<br />
Seine<br />
Bewegungen<br />
sind unglaublich<br />
fließend.<br />
Ein Schrottplatz mitten in<br />
Krefeld. Der knallblaue<br />
Himmel kontrastiert das<br />
Rostrot der riesenhaften<br />
Rohre, auf denen Majid<br />
Kessab posiert. Er balanciert<br />
auf einem Bein, biegt<br />
den Kopf nach hinten,<br />
ein Arm hinterm Rücken.<br />
Er hält die Pose mühelos,<br />
bis das Bild im Kasten ist.<br />
Jemand hat mal über<br />
seinen Stil gesagt: Es sei, als würde er<br />
unter Wasser tanzen. Und es stimmt:<br />
Egal was er macht – ob Moves, die aus<br />
dem Freestyle stammen, oder welche,<br />
die eher an die eckigen Verrenkungen<br />
eines Roboters erinnern –, Majids Bewegungen<br />
sind unglaublich fließend und<br />
geschmeidig. In Sachen Körperbeherrschung<br />
ist der 28-Jährige einzigartig.<br />
Nicht nur das: Als zweimaliger Hip-<br />
Hop-Weltmeister ist er einer der besten<br />
Tänzer der Welt. Im Dezember wird er<br />
beim globalen Finale von <strong>Red</strong> Bull Dance<br />
Your Style in Südafrika antreten – ein<br />
Contest, der vor allem die Improvisationsgabe<br />
der Tänzer fordert. Majids Ziel<br />
dafür ist klar: gewinnen, was sonst?<br />
Majid ist Erfolg gewohnt. Tatsächlich<br />
scheint es, als würde ihm alles, was er<br />
anfängt, gelingen. Dabei ist es längst nicht<br />
nur das Tanzen, was ihn interessiert. Seine<br />
Ambitionen gehen weiter, viel weiter. Er<br />
wurde 1993 als jüngstes von vier Kindern<br />
im nordirakischen Zakho geboren, seine<br />
kurdischen Eltern – der Vater Ölunternehmer,<br />
die Mutter Lehrerin – flohen<br />
nach Deutschland, als Majid drei Jahre<br />
alt war. Die Familie landete in Krefeld,<br />
in dem Teil Nordrhein-West falens, der<br />
an die Niederlande grenzt. Der Vater eröffnete<br />
einen Kiosk, die Mutter kümmerte<br />
sich um die Kinder.<br />
Es war keinesfalls von Anfang an klar,<br />
dass er einmal Tänzer werden würde.<br />
Zwar war sein Vater immer ein begnadeter<br />
Folklore-Tänzer, der seine Künste auf<br />
Familienfeiern vorführte, aber Majids<br />
Ding war der Fußball. Es war seine<br />
Schwester, die den damals Achtjährigen<br />
drängte, es doch mit dem Tanzen zu<br />
versuchen. „Ich glaube, das war eigentlich<br />
eher ihr Wunsch, aber sie hat sich<br />
geschämt“, sagt Majid. „Also habe ich<br />
das für sie ausgelebt.“<br />
Damals fehlte es ihm an Selbstbewusstsein,<br />
und wenn er sprach, dann<br />
nuschelte er so stark, dass man ihn kaum<br />
verstand. Das Tanzen änderte das. „Es<br />
war mein Sprachrohr, mit dem ich meine<br />
Emotionen ausdrücken konnte, und ein<br />
Ventil für meine Energie“, sagt er. Bald<br />
sah er erste Erfolge und gewann Wettbewerbe.<br />
„Das hat mich gestärkt und mir<br />
Selbstsicherheit gegeben.“<br />
MIT MESSI BEIM DREH<br />
Majid mit seinem berühmtesten<br />
Schüler 2013 in Barcelona:<br />
Für einen Werbeclip entwarf er<br />
eine Choreografie und zeigte<br />
Lionel Messi die Schritte.<br />
THE RED BULLETIN 45
Dance<br />
Doch das Tanzen veränderte sein<br />
Leben auch in anderer Hinsicht,<br />
denn es hatte Einfluss auf seinen<br />
Freundeskreis. Die, mit denen er<br />
rumhing, bevor er mit dem Tanzen<br />
in Berührung kam, sind alle<br />
irgendwann mit dem Gesetz kollidiert.<br />
Majid hat wenig Zweifel daran, dass es<br />
ihm genauso ergangen wäre.<br />
Aber gleich seine erste Straftat – eine<br />
dumme Geschichte um ein geklautes<br />
BMX-Bike – führte ihn an einen Ort, der<br />
wie kein anderer sein Leben prägen sollte<br />
und bis heute prägt. Er bekam Sozialstunden<br />
verordnet, abzuleisten in einem<br />
kirchlichen Krefelder Jugendzentrum.<br />
Der Ort sollte sich als besonders einflussreich<br />
für sein Leben erweisen. „Das<br />
Jugendzentrum war alles für mich, ich<br />
habe da so viel gelernt“, sagt er. Auch<br />
nach seinen Sozialstunden ging er weiter<br />
hin, weil dort Platz zum Tanzen war und<br />
er andere traf, die seine Leidenschaft<br />
teilten. Damit er noch mehr Zeit im<br />
Jugendzentrum verbringen konnte,<br />
absolvierte er auch noch das Praktikum<br />
im Rahmen seines Fachabiturs dort.<br />
Jugendzentren wie jenes in Krefeld<br />
entstanden ab Ende der 1960er-Jahre<br />
oft auf Initiative von Gymnasiasten, die<br />
für sich Räume einforderten, in denen<br />
ihnen weder der Staat noch die Stadt<br />
rein redeten. Gedacht waren sie als Orte,<br />
an denen jungen Menschen Demokratie<br />
und Werte vermittelt werden, um schließlich<br />
eine bessere Welt zu schaffen. Heute<br />
geht es in diesen Einrichtungen weniger<br />
um politische Bildung als darum, Jugendlichen<br />
ein kostenloses Freizeitangebot<br />
zu bieten, einen Treffpunkt abseits von<br />
Fußgängerzonen und Einkaufszentren,<br />
einen Fokus, der nicht das eigene Handy<br />
ist. In Majids Fall war es einer der wenigen<br />
Plätze, an denen er mit anderen Tänzern<br />
sein Wissen austauschen und seine Fähigkeiten<br />
ausbauen konnte. YouTube gab es<br />
vor zehn, zwölf Jahren zwar bereits, es<br />
war aber noch nicht die Plattform, auf<br />
FREEZE!<br />
Bei dieser Pose<br />
stoppt Majid abrupt<br />
seine flüssigen<br />
Bewegungen und<br />
„friert“ sie ein.<br />
Als Kind<br />
nuschelte Majid<br />
so stark, dass<br />
man ihn kaum<br />
verstand. Heute<br />
spielt er in<br />
Kinofilmen mit.<br />
46
DIE NÄCHSTEN<br />
SCHRITTE<br />
Majid in der Nähe seiner<br />
Tanzschule in Krefeld,<br />
mit der er bald umzieht.<br />
Viele seiner Schüler<br />
wohnen in Siedlungen<br />
wie dieser hier im<br />
Hintergrund.
Dance<br />
Er will den Kids<br />
mehr beibringen<br />
als Tanzen:<br />
stark sein,<br />
an sich glauben,<br />
sich selbst<br />
fordern.<br />
der man Tutorials zu jedem erdenklichen<br />
Nischenhobby hätte finden können. Tanzschulen<br />
waren noch nicht eingerichtet<br />
auf Kurse für seine Art des Tanzens, jedenfalls<br />
nicht auf solche, die mehr als die<br />
Grundlagen vermittelten.<br />
Daneben spielte Majids ältester Bruder<br />
eine wichtige Rolle für seine tänzerische<br />
Entwicklung. Er war es, der ihn und seine<br />
Freunde tagelang mit dem Auto durch<br />
halb Europa fuhr, zu Tanzcamps und auf<br />
Battles nach Tschechien, Österreich und<br />
in die Schweiz.<br />
Die Schule machte Majid nebenbei,<br />
ohne auch nur einmal sitzenzubleiben.<br />
Eine gute Ausbildung war<br />
seinen Eltern immer wichtig;<br />
seine Geschwister arbeiten heute<br />
als Apothekerin, Ingenieur und<br />
Mechatroniker. Nach der Schule etwas<br />
ratlos, wie es weitergehen sollte, studierte<br />
Majid Elektrotechnik – nur um nach ein<br />
paar Wochen abzubrechen. Auch das<br />
Architekturstudium schmiss er nach zwei<br />
– eigentlich erfolgreichen – Semestern.<br />
In der Zwischenzeit war er nämlich<br />
mit dem Tanzen so erfolgreich geworden,<br />
dass sich die Frage, wohin es ihn in<br />
Zukunft ziehen würde, gar nicht mehr<br />
stellte. 2014 sollte sein bis dahin bestes<br />
Jahr werden: Er nahm am Juste Debout<br />
teil, dem internationalen Gipfeltreffen<br />
in Sachen urbaner Tanz in Frankreich.<br />
Im Vorfeld behauptete er auf Facebook<br />
öffentlich, er werde das Ding gewinnen.<br />
Damit legte er sich die Latte ziemlich<br />
hoch – wer will nach so einer Ansage<br />
schon scheitern? Aber er sollte recht<br />
behalten: Er gewann den Wettbewerb<br />
und war damit Hip-Hop-Weltmeister.<br />
Seither steht für ihn fest: Erfolg ist allein<br />
eine Frage der Einstellung, des Mindsets.<br />
„Wenn ich an mir zweifle, dann verliere<br />
ich.“ Wenn er jedoch an sich glaubt, kann<br />
ihn nichts und niemand aufhalten. Bis<br />
jetzt hat das jedenfalls immer gestimmt.<br />
Dank des Tanzens ist der Majid von heute<br />
das genaue Gegenteil des unsicheren<br />
Jungen von einst.<br />
Ebenfalls 2014 eröffnete er gemeinsam<br />
mit einem Freund in einem kleinen Raum<br />
des Krefelder Bahnhofsgebäudes seine<br />
Tanzschule AREA UDC und nahm an der<br />
ProSieben-Castingshow „Got to Dance“<br />
teil, die ihn auch außerhalb der Tanz-<br />
Community bekannt machte. Majid sagt,<br />
er sei kein Fan von solchen Shows, denen<br />
es vor allem um die Schauwerte und<br />
Einschaltquoten geht und nicht um die<br />
Kultur hinter dem Tanz. Aber als die<br />
Produktionsfirma ihn kontaktierte und<br />
einlud mitzumachen, sah er die Möglichkeit,<br />
in der Sendung mit einem Aufdruck<br />
auf seinem Sweatshirt für seine Schule<br />
zu werben. Als ihm bewusst wurde, wie<br />
hoch die Einschaltquoten der ersten Folge<br />
waren, nahm er die Show ernst. Und was<br />
Majid ernst nimmt, will er auch gewinnen.<br />
Die Jury liebte ihn von Anfang an,<br />
besonders die britische Tänzerin und<br />
Choreografin Nikeata Thompson war<br />
gleich nach seinem ersten Tanz vollends<br />
begeistert von ihm. Der Rest war ein<br />
Durchmarsch, im Finale setzte er sich<br />
gegen neun andere Tänzer, Duos und<br />
Crews durch. Er gewann 100.000 Euro –<br />
die er als Anzahlung für ein Haus für<br />
seine Eltern verwendete. Er verdankt<br />
dem Tanzen viel, aber seiner Mutter und<br />
seinem Vater alles. Der Sperrbildschirm<br />
seines Handys zeigt ein aktuelles Bild<br />
der beiden.<br />
49
GANZ BEI SICH<br />
Für unser Shooting<br />
improvisiert Majid,<br />
wie er es beim Tanzen<br />
oft tut. Hier in einer<br />
riesigen Metallröhre.
Dance<br />
2022 will<br />
Majid als<br />
erster Tänzer<br />
zum dritten Mal<br />
Weltmeister<br />
werden.<br />
TOMISLAV MOZE/RED BULL CONTENT POOL<br />
Seither kennt Majids Karriere nur<br />
eine Richtung: bergauf. Vor drei<br />
Jahren zog er mit der Tanzschule<br />
in größere Räume, sie belegt jetzt<br />
fast 300 Quadratmeter in einem<br />
Industriekasten unweit des Bahnhofs.<br />
Ein Dutzend Leute arbeiten hier für<br />
ihn, sie alle sind Freunde, die er noch aus<br />
dem Jugendzentrum kennt. Vor Corona<br />
trainierten sie 300 Schülerinnen und<br />
Schüler, und er hat keine Zweifel, dass es<br />
nach der Pandemie mindestens genauso<br />
viele sein werden. Der nächste Umzug<br />
in noch größere Räume steht bald an.<br />
Dennoch ist es ihm wichtig, dass die<br />
Tanzschule den Charakter des Jugendzentrums<br />
behält, in dem er damals so viel<br />
Freundschaft und Unterstützung fand.<br />
„Die Leute können uns immer privat<br />
schreiben, wenn sie allein trainieren oder<br />
ein eigenes Projekt verfolgen wollen.“<br />
Für die Jugend in Krefeld sind sie auch<br />
Sozialarbeiter, die den Kids mehr beibringen<br />
als Tanzen: nämlich Selbstbewusstsein,<br />
Charakterstärke, Persönlichkeit.<br />
Und sich selbst zu fordern.<br />
Längst ist Majids Talent auch außerhalb<br />
der Dance-Community gefragt. Vor<br />
ein paar Jahren choreografierte und trainierte<br />
er mit Fußballgott Lionel Messi<br />
eine Tanzszene in einem Werbespot für<br />
Qatar Airways, es folgte sein Schauspieldebüt<br />
in der Serie „Crews & Gangs“ des<br />
deutschen Streaming-Anbieters Joyn.<br />
Sein jüngstes Schauspielprojekt ist „Fly“,<br />
ein Film der deutschen Regisseurin<br />
Katja von Garnier, der im Herbst ins Kino<br />
kommen soll. In beiden Filmen spielt er<br />
Kleinkriminelle mit Migrationshintergrund<br />
– eher keine Sympathieträger. Er<br />
ist stolz auf die Rolle, auch wenn es ihn<br />
ein wenig nervt, dass sie gängigen Klischees<br />
über Menschen entspricht, deren<br />
Eltern oder Großeltern nicht in Deutschland<br />
geboren wurden. Aber Majid sagt,<br />
dann dreht er eben einfach selbst einen<br />
Film, der mit diesen Vorurteilen bricht.<br />
„Fly“ soll sein Einstieg in die Schauspielerei<br />
sein, aber sie ist nur eines von<br />
vielen Zielen. „Ich habe in den letzten<br />
Jahren geschäftlich so viel erreicht“, sagt<br />
Majid. „Aber es ging mir nie um Geld<br />
oder Bekanntheit. Ich will die Möglichkeiten,<br />
die ich bekommen habe, an<br />
andere weitergeben.“ In den Tagen vor<br />
dem Gespräch hat er im Stadtbad Krefeld<br />
einen Film mit Tänzern der Schule abgedreht,<br />
ein paar Tage später wird er<br />
in Bochum ein Battle mit 200 Tänzern<br />
unter freiem Himmel veranstalten.<br />
2022 will er der Erste sein, der bei<br />
Juste Debout zum dritten Mal Weltmeister<br />
wird. Er plant ein Tanzprojekt<br />
mit einem Kinderheim im Irak. Und denkt<br />
über die Eröffnung einer zweiten Tanzschule<br />
nach. Es besteht wenig Zweifel<br />
daran, dass er all das schaffen wird.<br />
Majid heißt immerhin: der Tüchtige.<br />
Mehr Majid in allen Lagen auf Instagram: @majidk<br />
Deutschlands beste<br />
Tänzer live erleben!<br />
Ende <strong>Aug</strong>ust startet wieder<br />
<strong>Red</strong> Bull Dance Your Style.<br />
Ein Floor, zwei Kontrahenten, deine<br />
Stimme: Hier zeigen die Tanzenden<br />
Moves zu Musik aus allen Genres, die<br />
Zuschauer entscheiden, wer gewinnt<br />
und zum Weltfinale in Südafrika fährt.<br />
Qualifier: 28. 8. München, 29. 8. Frankfurt,<br />
4. 9. Berlin, 5. 9. Köln; nationales<br />
Finale: 11. 9. Hamburg; Infos: redbull.com<br />
THE RED BULLETIN 51
Basketballspiel im<br />
Käfig an der West 4th<br />
Street in New York:<br />
Die Enge des Kult-<br />
Platzes sorgt für<br />
intensive Stimmung.<br />
52<br />
EIN KÄFIG
Streetball<br />
West 4th Street<br />
ist New Yorks<br />
legendärster<br />
Basketballplatz.<br />
Stars wie Denzel<br />
Washington pilgern<br />
an seine Zäune,<br />
Spieler aller Ethnien<br />
kämpfen in hitzigen<br />
Partien um Respekt.<br />
Zu Besuch an einem<br />
Ort, der für viel mehr<br />
steht als Sport.<br />
Text DAVE HOWARD<br />
Fotos ANTHONY GEATHERS<br />
VOLLER HELDEN
D<br />
er Platz ist klein<br />
Das ist das Offensichtliche, wenn man<br />
den West 4th Street Park in New York City<br />
betritt. Würde man die Drei-Punkte-Linie<br />
auf NBA-Distanz setzen – als Zugeständnis<br />
für die Profis, die hier manchmal<br />
trainieren –, läge sie fast schon am Mittelkreis.<br />
Schaut man sich eines der großen<br />
Summer-Leagues-Matches im Cage an,<br />
dem „Käfig“, wie dieser sagenumwobene<br />
Platz genannt wird, kommt es einem vor,<br />
als hätten Riesen einen Kinderspielplatz<br />
überrannt.<br />
Versucht man herauszufinden, inwieweit<br />
die Maße des Platzes tatsächlich<br />
von den regulären abweichen, wird es<br />
interessant. Google wirft unterschiedlichste<br />
Schätzungen aus, von „ein bisschen<br />
kleiner als die Norm“ (das steht auf<br />
Basketball-Cracks beim Einlauf zu einem Summer-Leagues-Playoff-Match 2016:<br />
Das Spiel im Käfig „körperbetont“ zu nennen ist eine krasse Untertreibung.<br />
Hier darfst du keine Schwäche<br />
zeigen, sagen die Locals. Sonst<br />
machen dich die Gegner platt.<br />
der offiziellen Homepage des New Yorker<br />
Parks) bis hin zur „Hälfte des Standards<br />
von 94 Fuß“ (28,65 Meter). Auch die<br />
Legenden des Käfigs äußern sich ausweichend:<br />
Die Spiele können sich schon<br />
eng anfühlen, hört man da, sogar ein bisschen<br />
klaustrophobisch. Kenny Graham,<br />
Gründer der „Summer Leagues“, die den<br />
West 4th zu einem Streetball-Hotspot<br />
und einem weltbekannten Geheimtipp<br />
für Touristen gemacht haben, zuckt nur<br />
mit den Schultern und antwortet, dem<br />
grünen Rechteck seien schon „viele<br />
Größen nachgesagt“ worden. „Das lieben<br />
die Leute ja so an diesem Platz.“ Warum<br />
mit dem Maßband den ganzen Spaß<br />
verderben, scheint er sagen zu wollen.<br />
Die ungewöhnlichen Abmessungen<br />
tragen zur Aura des Ortes bei, aber nicht<br />
nur: Sie verändern tatsächlich das Spiel.<br />
Wer auf Geschwindigkeit und Wendigkeit<br />
setzt, hat ein Problem, denn alle sind so<br />
eng zusammengepfercht, dass es sich anfühlt,<br />
als wären doppelt so viele Spieler<br />
auf dem Feld wie sonst. Der Zaun, der<br />
das Spielfeld umschließt, verstärkt den<br />
Eindruck der Enge noch. Der Käfig belohnt<br />
diejenigen, die ohne viel Platz gute<br />
Würfe oder Rebounds zustande bringen<br />
oder die, besser noch, sich selbst Platz<br />
verschaffen können in jener Zone, die die<br />
Veteranen einst „Death Valley“ nannten.<br />
Das Spiel hier „körperbetont“ zu nennen<br />
ist eine gewaltige Untertreibung.<br />
Und da das hier New York ist, sind<br />
einige der Zuschauer, die sich von außen<br />
an den Zaun drücken, Zwischenrufer,<br />
und sie lassen es dich wissen, wenn du<br />
Mist baust. Jason Curry ist der Gründer<br />
und Präsident von Big Apple Basketball.<br />
Als er klein war, schaute er seinem Vater<br />
zu, der hier an spontanen Freundschaftsmatches<br />
teilnahm, sogenannten Pickup<br />
Games. Später spielte Curry selbst und<br />
trainierte Spitzenspieler im West 4th.<br />
Nach einem Fehler, den er hier machte,<br />
dachte er: „Der wäre mir besser an jedem<br />
anderen Ort passiert.“ Viele Leute täten<br />
sich schwer im West 4th, weil der Platz<br />
so eng ist, erklärt er. „Es ist fast wie das<br />
Gesetz des Dschungels. Man darf in keiner<br />
Hinsicht eine Schwäche zeigen, sonst<br />
machen sie dich platt.“<br />
Der Platz ist eine große Bühne<br />
Als Kenny Graham 1976 auf diesen Ort<br />
stieß und bei Spontan-Matches mitspielte,<br />
spürte er sofort, dass der Platz anders<br />
war. Er war als Lebensmittellieferant<br />
viel unter wegs. Im Gegensatz zu den<br />
typischen Basketballplätzen in New York,<br />
54 THE RED BULLETIN
Streetball<br />
Spielszenen aus<br />
dem Käfig: Hier<br />
zählen Können,<br />
Härte und Respekt.<br />
Im letzten Viertel<br />
dieses knappen Spiels<br />
ist die Spannung auf<br />
dem Platz und daneben<br />
förmlich zu greifen.<br />
THE RED BULLETIN 55
Angriff gestoppt:<br />
Das wilde Spiel im<br />
New Yorker Käfig<br />
brachte zahlreiche<br />
lokale Stars hervor.<br />
Hip-Hop-Größen schauen regelmäßig<br />
vorbei. EA Sports baute den Court<br />
für ein Computerspiel nach.<br />
56 THE RED BULLETIN
Streetball<br />
„Es ist fast so, als würdest du<br />
mitten am Broadway spielen – alle<br />
<strong>Aug</strong>en sind auf dich gerichtet.“<br />
auf denen nur Leute aus dem Viertel anzutreffen<br />
waren, kamen hier Spieler aus<br />
allen Teilen der Stadt zusammen – und<br />
das heißt: Spieler aus der ganzen Welt.<br />
„Du triffst hier auch heute noch Juden,<br />
Italiener, Iren, Schwarze, Native Americans,<br />
alles Mögliche“, sagt Graham. „In<br />
keinem anderen Park im ganzen Land<br />
hast du so eine Diversität.“<br />
Die besondere Lage spielt natürlich<br />
auch eine Rolle. Die meisten Outdoor-<br />
Basketballplätze New Yorks verstecken<br />
sich in entlegenen Winkeln der Stadt,<br />
aber der West 4th liegt in Greenwich<br />
Village, an der 6th Avenue, einer der<br />
großen Verkehrsadern Manhattans.<br />
Die U-Bahn-Station West 4th Street ist<br />
ein Knotenpunkt für das öffentliche Verkehrsnetz<br />
– ein Ausgang befindet sich<br />
gleich neben dem Platz. „Es ist fast, als<br />
würdest du mitten am Broadway spielen“,<br />
meint Jason Curry. „Alle <strong>Aug</strong>en sind auf<br />
dich gerichtet.“<br />
Die Spiele hier ziehen schon lange<br />
Passanten an. Irgendwann in den Sechzigern<br />
gab es schon mal eine Liga, die<br />
aber nur ein paar Jahre überlebte. Als<br />
einige Trainer entschieden, die West 4th<br />
League neu zu organisieren, erkannte<br />
Kenny Graham das Potenzial für etwas<br />
Großes. Er heuerte bei der Liga an und<br />
stieg innerhalb von zwei Jahren zu ihrem<br />
Co-Commissioner und Direktor auf.<br />
In diesen Funktionen zeigte sich<br />
Grahams Händchen für den Aufbau<br />
einer Marke. Er schuf „Kenny Graham’s<br />
West 4th Street Pro-Classic“ mit eigenem<br />
Logo und Merchandising. In den frühen<br />
Achtzigern zogen die Summer Leagues<br />
immer größere Namen aus der College-<br />
Liga, selbst aus dem Profi-Lager an. Die<br />
Sache schaukelte sich hoch: Je höher das<br />
Niveau, desto mehr Publikum kam, und<br />
so wurden die Namen noch größer. Sogar<br />
Julius Erving alias Dr. J, in den Siebzigern<br />
einer der Überflieger der NBA, stopfte<br />
damals ein paar Körbe im Käfig.<br />
Schon bald beehrten nicht mehr nur<br />
New Yorker Spieler den winzigen Platz.<br />
Jason Curry erinnert sich, wie einmal<br />
vor etwa zehn Jahren plötzlich Dwight<br />
Howard auftauchte – es war zu jener Zeit,<br />
als er als aufregendster Spieler der Welt<br />
gefeiert wurde –, nur um sich ein Match<br />
anzuschauen.<br />
Die Popkultur folgte. Die Hollywood-<br />
Stars Denzel Washington und Spike Lee<br />
waren da. Hip-Hop-Größen schauen<br />
vor bei, und Werbespots für nationale<br />
Kam pagnen werden hier gedreht. Wer es<br />
persönlich nicht auf den West 4th schafft,<br />
kann sich dort virtuell austoben: im Videospiel<br />
„NBA Street V3“ von EA Sports.<br />
Die Pandemie zwang den Summer<br />
Leagues eine einjährige Pause auf.<br />
Wenn die Stadt wieder voller Leben ist,<br />
werden sich auch wieder Touristen zu<br />
den Stamm-Zuschauern am Käfig gesellen.<br />
Graham wird Kappen und Trikots<br />
verkaufen an Menschen aus Südkorea,<br />
Norwegen und Brasilien und ihnen das<br />
Gefühl geben, genau hier im Zentrum<br />
der Basketballwelt zu sein.<br />
Der Platz ist ein Fluchtort<br />
Jack Ryan wuchs als Basketball-Wilder in<br />
Brooklyn auf. Als er zwölf Jahre alt war,<br />
konnte ihm kein Gleichaltriger mehr das<br />
Wasser reichen, sein vier Jahre älterer<br />
Bruder ließ ihn bei seinen Freunden<br />
mitspielen. Als er auch die an die Wand<br />
spielte, fand Ryan, dass es an der Zeit<br />
sei, sich in Manhattan zu messen. „Ich<br />
sagte mir, okay, mal sehen, wie gut ich<br />
wirklich bin“, erinnert er sich. Wo er<br />
hingehen musste, war klar: in den Park<br />
an der West 4th Street.<br />
So nahm die Legende von „Black<br />
Jack“ Ryan in den Achtzigern ihren Anfang.<br />
Ryan wurde auch dafür berühmt,<br />
dass er Angebote von Colleges und aus<br />
der NBA in den Wind schlug – seine<br />
Unreife und eine schwierige Kindheit<br />
trugen sicherlich viel dazu bei. Der<br />
Kose name seines Vaters für ihn war ein<br />
F-Wort, sein eigentliches Zuhause war<br />
der West 4th. Black Jack und der Platz<br />
waren wie füreinander geschaffen.<br />
Einmal flog er wegen zu viel Show aus<br />
einem College-Team, aber Streetball<br />
funktioniert anders: Im Käfig war sein<br />
aufreizendes Spiel eine Waffe.<br />
Gegen Phil Sellers, einen ehemaligen<br />
Profi der Detroit Pistons, machte Ryan<br />
einmal 44 Punkte. Als ihn ein Freund<br />
darauf ansprach, antwortete er: „Wer<br />
ist Phil Sellers?“ Von dem Hall-of-Fame-<br />
Mitglied Chris Mullin, auch eine New<br />
Yorker Basketball-Legende, ist das Statement<br />
überliefert, Black Jack sei der<br />
beste Werfer, den er außerhalb der NBA<br />
je gesehen habe. Hier im West 4th umgab<br />
Ryan eine Familie, das spürte er.<br />
Zuseher am Zaun an der West 4th Street: Beleidigungen gehören hier zum guten Ton.<br />
THE RED BULLETIN 57
Streetball<br />
Hier war Beständigkeit: Dass der Punktezähler<br />
Omar vor den Spielen immer<br />
viel zu viel billiges Bier trank und sich<br />
prompt verzählte, sodass Graham ihn<br />
korrigieren musste, änderte nichts daran,<br />
dass Omar weiterhin für die Punkte verantwortlich<br />
blieb. Ryan gefiel das. Die<br />
Sticheleien des Sprechers, der ballettgleiche<br />
Wettkampf, Kenny Grahams<br />
strenge Regeln gegen Gewalt – das alles<br />
sorgte für Stabilität in einer sonst völlig<br />
instabilen Welt.<br />
Jack Ryan war MVP („most valuable<br />
player“ – der wertvollste Spieler) in<br />
einer der Ligen, auf seiner Wade prangt<br />
ein Tattoo des West-4th-Logos. Und er<br />
trifft sich immer noch mit Leo, Sherm,<br />
Doc – all den Männern, mit denen er<br />
Freundschaft geschlossen hat in seinen<br />
fast vierzig Jahren auf dem Platz. „Jetzt,<br />
da ich älter bin, ist das meine Familie“,<br />
sagt Ryan. „West 4th Street ist mein<br />
zweites Zuhause. Mein Hinterhof.“<br />
Der Platz ist eine Gemeinschaft<br />
Das mag seltsam klingen, denn das Spiel<br />
ist so körperbetont, dass es sich an der<br />
Grenze zu offener Feindseligkeit bewegt.<br />
Nach einigen Schlägereien hat Kenny<br />
Graham Nulltoleranzregeln aufgestellt.<br />
Wer gegen sie verstößt, kann des Platzes<br />
verwiesen werden.<br />
Aber es gibt eine große Wertschätzung<br />
zwischen den Spielern. Alle mühsam<br />
erarbeiteten, liebevoll gehegten Animositäten<br />
verpuffen in dem Moment, in dem<br />
sich alle zur nächsten Runde, zum nächsten<br />
Match versammeln.<br />
„Bei aller Härte herrscht ein unglaublicher<br />
Kameradschaftsgeist“, sagt Jason<br />
Curry. „Jedem, der auf den Platz geht,<br />
wird Respekt entgegengebracht.“ Die<br />
Leute passen aufeinander auf.<br />
Die Spiele im Käfig sind für viele ein<br />
wichtiger Teil ihres Lebens. 70 Teams<br />
treten hier in Ligen gegeneinander an: je<br />
20 für Männer und High-School-Schüler,<br />
16 für Frauen, 14 für Nachwuchsteams.<br />
Graham, heute 69, zeigt keine Ermüdungserscheinungen,<br />
obwohl er erklärt,<br />
im Ruhestand zu sein. Im West 4th, so<br />
sagt er, „sieht man die Früchte meiner<br />
Arbeit“. Im Moment versucht er die<br />
Magie dieses Ortes, die multikulturelle<br />
Mischung des Käfigs in die Welt hinauszutragen.<br />
Er arbeitet mit Offiziellen<br />
aus der Dominikanischen Republik an<br />
einem Austauschprogramm.<br />
Für ihn war das während der Pandemie<br />
vielleicht auch ein guter Zeitvertreib.<br />
Bald jedoch wird alles wieder<br />
so sein wie früher: Die Spieler werden<br />
auftauchen, so verlässlich, dass man<br />
die Uhr nach ihnen stellen könnte. Die<br />
Fans, die während der Summer Leagues<br />
Abend für Abend denselben Platz am<br />
Zaun besetzen, werden ihre Posten wieder<br />
einnehmen. Den Käfig gibt es jetzt<br />
schon so lange, dass er Teil von Familiengeschichten<br />
geworden ist: Generationen<br />
kommen gemeinsam. Eltern reichen die<br />
Erfahrung des Spielens oder Zuschauens<br />
im West 4th wie ein Erbstück feierlich<br />
an ihre Kinder weiter. Der Platz ist also<br />
noch etwas: eine Zeitkapsel.<br />
Mit den Jahrzehnten verändert sich<br />
Manhattan, es verwandelt sich immer<br />
wieder, nimmt ständig neue Formen an.<br />
Gebäude werden abgerissen und gebaut,<br />
Restaurants wechseln den Besitzer und<br />
die Identität, Parks verwahrlosen und<br />
werden wiedergeboren.<br />
Aber dieses kleine Rechteck, das da<br />
irgendwie in Greenwich Village hineingequetscht<br />
wurde? Dieser Käfig, so scheint<br />
es, ist für die Ewigkeit.<br />
Gleich geht’s los: Zwei Spieler der New Yorker Männerliga sind bereit für das Spiel.<br />
Alle Animositäten verpuffen in<br />
dem Moment, in dem sich alle zum<br />
nächsten Match versammeln.<br />
Streetball vom Feinsten<br />
Am 18. Juli steigt in Berlin das<br />
Finale von <strong>Red</strong> Bull Half Court.<br />
Sechs Spieler, ein Korb und jede Menge<br />
Action: Sei dabei, wenn in Berlin Deutschlands<br />
beste 3-gegen-3-Streetball-Teams<br />
zur nationalen Ednrunde antreten. Die<br />
Gewinner reisen zum Weltfinale nach<br />
Russland und treffen auf die Sieger aus<br />
über 20 weiteren Nationen.<br />
Detaillierte Infos über das Turnier:<br />
redbull.com<br />
58 THE RED BULLETIN
Hier teilen sich zwei<br />
Schüler mannschaften<br />
den Platz, der viel<br />
kleiner ist als ein normales<br />
Basketballfeld.<br />
Fast jedes Match<br />
ist intensiv, aber der<br />
Höhepunkt sind die<br />
All-Star-Games, wie<br />
hier im Bild: Da spielen<br />
die Besten der Saison<br />
gegeneinander.<br />
THE RED BULLETIN 59
Designerin Marina Hoermanseder (35)<br />
in ihrem Atelier in Berlin.<br />
Ihr Markenzeichen stammt in diesem Fall<br />
aus einem orthopädischen Korsett.
Mode<br />
„Die Schnalle<br />
war mein<br />
größtes Glück“<br />
Die Schnalle ist das Markenzeichen<br />
der österreichischen Designerin<br />
MARINA HOERMANSEDER.<br />
Am Anfang ihrer Karriere fällt sie auf,<br />
weil Lady Gaga ihre Sachen trägt.<br />
Inzwischen hat sie Briefträgern Coolness<br />
verliehen, Uhren entworfen und<br />
tritt mit Heidi Klum im Fernsehen auf.<br />
Porträt einer Frau, die weiß,<br />
wie man Aufmerksamkeit erregt.<br />
Text WOLFGANG WIESER<br />
Fotos DAVID FISCHER<br />
THE RED BULLETIN 61
Mode<br />
Ein paar Zentimeter über<br />
ihrem linken Handgelenk<br />
hat Marina Hoermanseder<br />
eine kleine Tätowierung.<br />
Es ist nicht die einzige, da<br />
ist auch noch ein Kreuzchen<br />
knapp unterhalb des Ellbogens,<br />
ein gefräßiger Pac-Man und ein zartes<br />
Porträt einer Löwin auf dem rechten<br />
Unterarm.<br />
Aber nur diese drei blassen Großbuchstaben<br />
über dem rosa Uhrband, das sich<br />
zweimal um ihr Handgelenk schlingt,<br />
irritieren den Betrachter – auch auf den<br />
zweiten Blick.<br />
Da steht: GUT.<br />
Erster Gedanke: Was, bitte, ist GUT?<br />
Zweiter Gedanke? Meint Marina Hoermanseder<br />
damit sich selbst?<br />
Ganz so einfach ist es – wie so oft –<br />
nicht. Tatsächlich werden sich diese drei<br />
Buchstaben als Statement entpuppen –<br />
allerdings ganz anders als gedacht. Aber<br />
davon später.<br />
Marina Hoermanseder, gerade 35<br />
geworden, hat in den vergangenen acht<br />
Jahren eine beneidenswerte Karriere<br />
hingelegt – von null auf hundert in Nullkommanichts<br />
könnte man sagen. Zuerst<br />
schafft sie das Kunststück, dass Lady<br />
Gaga einen ihrer Entwürfe trägt. Drei<br />
Jahre später feiert sie die Modebibel<br />
„Vogue“ als „neue Modestimme“ Berlins,<br />
wo sich inzwischen ihr Hauptquartier<br />
befindet. Und heute gilt sie außerdem als<br />
Königin der Kooperationen, eine Frau von<br />
„entschieden ungewöhnlicher Substanz“,<br />
wie es in einem Statement der Schweizer<br />
Uhrenmarke Rado heißt, die sich von<br />
Hoermanseder eben eine Uhr hat entwerfen<br />
lassen.<br />
„Ich sehe mich als fleißige, kreative<br />
Unternehmerin, das beschreibt mich<br />
am besten“, sagt Marina Hoermanseder,<br />
„mein Leben ist auf Werte gebaut, die mir<br />
stets gegenwärtig sind.“<br />
the red bulletin: Und die wären?<br />
marina hoermanseder: Fleiß,<br />
Anstand, Dankbarkeit und Loyalität –<br />
auf mich kann man sich verlassen.<br />
Du hast ja geradezu rasant Karriere<br />
gemacht.<br />
Das habe ich damals gar nicht so erlebt,<br />
nicht so wahrgenommen. Ich habe die<br />
Firma gegründet, weil Lady Gaga meine<br />
erste Kollektion bestellt hat. Man kann<br />
sagen: Ich habe einfach auf den Zuspruch<br />
reagiert, den ich bekommen habe.<br />
Marina Hoermanseder in Berlin<br />
bei der Arbeit, erste Skizzen vor sich<br />
„Ich habe meine<br />
Lookbooks in die<br />
Briefkästen der zehn<br />
Top-Stylisten in L. A.<br />
werfen lassen.“<br />
Lady Gaga in der Buckle-Jeans<br />
von Marina Hoermanseder, getragen<br />
2015 bei New Yorks Pride Parade<br />
US-Sängerin Janelle Monáe in Hoermanseder<br />
auf dem „Variety“-Cover<br />
Wie bist du damit umgegangen?<br />
Es war wie ein Wirbelwind, bei dem<br />
ich in der Mitte war. Aber im Zentrum<br />
eines Sturms ist es immer am ruhigsten.<br />
Ich habe einfach in Ruhe gemacht und<br />
gemacht und gemacht.<br />
Erzähl doch bitte, wie Lady Gaga<br />
auf dich gekommen ist.<br />
Ich gehe mit offenen <strong>Aug</strong>en durchs<br />
Leben, ich interessiere mich für Erfolgsgeschichten.<br />
Und überlege mir, was ich<br />
daraus lernen kann. Ich hatte gelesen,<br />
dass Ed Hardy (US-Tattookünstler, Anfang<br />
des neuen Jahrtausends für kurze<br />
Zeit als Designer extrem populär; Anm.)<br />
seine T-Shirts und Kappen vor Hotelzimmern<br />
deponierte, in denen Stars<br />
übernachteten. Und seine Sachen hat<br />
dann immerhin Madonna getragen. Also<br />
habe ich 2013 eine Liste mit den zehn<br />
wichtigsten Stylisten in L. A. gemacht<br />
und eine Freundin gebeten, meine Lookbooks<br />
in deren Briefkästen zu werfen.<br />
Und das hat tatsächlich funktioniert.<br />
Der Mann, der sich für Hoermanseders<br />
Entwürfe interessiert, heißt Nicola Formichetti.<br />
Er ist zu dieser Zeit auch für die<br />
Outfits von Popstar Lady Gaga verantwortlich<br />
– er ist es etwa, der der Sängerin<br />
das berühmt gewordene „Fleisch-Kleid“<br />
verpasst. Und er erkennt das Potenzial<br />
von Marina Hoermanseder.<br />
Lady Gaga schlüpft schließlich 2015 bei<br />
der Pride Parade in New York in die Buckle-<br />
Jeans der Österreicherin – Jeans, die an der<br />
Vorderseite mit Schnallen in Regenbogenfarben<br />
geschmückt sind. Stars wie Kylie<br />
Jenner, Kourtney Kardashian und Jennifer<br />
Lopez kopieren den Trend. Und Marina ist<br />
praktisch über Nacht berühmt. Ein Kinderspiel,<br />
könnte man glauben. Tatsächlich<br />
hat sie all das akribisch vorbereitet.<br />
Marina Hoermanseder absolviert<br />
ein Wirtschaftsstudium, das Vater Wilhelm,<br />
langjähriger Vorstandschef des<br />
österreichischen Industrieunternehmens<br />
Mayr-Melnhof Karton, ihr abgerungen<br />
hat. 2010 liefert sie ihre Diplomarbeit ab,<br />
belegt parallel Kurse am Central Saint<br />
Martins College of Art and Design in London<br />
und wechselt schließlich nach Berlin<br />
an die Mode-Uni ESMOD. 2012 macht sie<br />
ein Praktikum im Unternehmen des 2010<br />
verstorbenen britischen Star-Designers<br />
Alexander McQueen, das heute von<br />
Kreativ direktorin Sarah Burton geführt<br />
wird. Als sie für ihre Abschlusskollektion<br />
recherchiert, entdeckt sie orthopädische<br />
DDP IMAGES<br />
62 THE RED BULLETIN
Im Atelier von Marina Hoermanseder<br />
in Berlin. Das Schild hielt ein Model<br />
in der Herbst/Winter-2020/21-<br />
Runway-Show, die ein Strapskirt<br />
aus veganem „Ananas-Leder“ trug:<br />
„Mein Rock ist aus Ananas.“
Die Erleuchtung: Zwischen<br />
ihren Schuhen im Atelier<br />
schnappt sich Marina<br />
Hoermanseder spontan eine<br />
Neon röhre als Accessoire<br />
für das letzte Bild.
Mode<br />
PICTUREDESK.COM, MAKE-UP: SHIRIN KÜRSCHNER/NINA KLEIN<br />
Korsetts. Deren morbider Charme und das<br />
für ihre Anfertigung nötige handwerkliche<br />
Können faszinieren sie. Daraus entsteht<br />
Marina Hoermanseders Markenzeichen:<br />
der Strapskirt, ein enger Rock aus kreuz<br />
und quer übereinandergelegten Lederstreifen,<br />
die mit Schnallen verziert sind.<br />
„Mein größtes Glück ist, dass ich die<br />
Schnalle gefunden habe – daran man<br />
erkennt sofort, dass es ein Stück von mir<br />
ist. Und ich sitze nie vor einem weißen<br />
Blatt Papier. Ich arbeite immer um die<br />
Schnalle herum.“<br />
Hattest du so etwas wie einen Businessplan,<br />
also zum Beispiel: zuerst<br />
Aufsehen erregen und dann souverän<br />
den Mainstream erobern?<br />
Ich habe Wirtschaft studiert. Viele<br />
meiner Kollegen sitzen heute in den<br />
Marketingabteilungen großer Unternehmen.<br />
Und natürlich weiß ich, dass<br />
das Allerwichtigste die Ökonomie der<br />
Aufmerksamkeit ist. Andere würden<br />
sagen, ich bin der Lobbyist der Truppe.<br />
Ich bin einfach von Natur aus Netzwerkerin,<br />
aber ich gebe meinem Netzwerk<br />
auch immer etwas zurück.<br />
Warum ist das wichtig?<br />
Weil Dankbarkeit zählt. Tatsächlich habe<br />
ich einige Jobs nur bekommen, weil ich<br />
immer die Einzige bin, die sich bedankt.<br />
Man darf nicht nur verlangen – jeder,<br />
der Hilfe braucht, bekommt sie von mir<br />
auch. Ich hatte nie Berührungsängste –<br />
vielleicht, weil ich eine halbe Französin<br />
bin (ihre Mutter stammt aus Frankreich;<br />
Anm.) –, ich bin weltoffen, und es geht<br />
mir außerdem darum, Kräfte zu bündeln.<br />
Du bist für deine vielen Kooperationen<br />
bekannt – du hast etwa die Mitarbeiter<br />
von Österreichs Post neu eingekleidet.<br />
Wenn ich Kooperationen mache, stehe<br />
ich auch wirklich dahinter. Ich suche mir<br />
meine Partner ganz genau aus. Ich muss<br />
hinter dem Produkt stehen. Und ich<br />
möchte nicht das Zugpferd sein. Mein<br />
Anspruch ist es, mit jeder Kooperation<br />
meine Bekanntheit zu steigern.<br />
Deine Uhr für die Schweizer Marke<br />
Rado ist unverkennbar Marina Hoermanseder.<br />
Ich wollte schon immer eine Uhr machen,<br />
wo das Uhrband eine Schnalle ist. Dieses<br />
„Captain Cook“-Modell, das eigentlich<br />
gar nicht so feminin wirkt, ist ein echtes<br />
Statement Piece. So etwas hat es noch<br />
Hoermanseder mit Angestellten der<br />
Österreichischen Post, denen sie<br />
neuen Chic verpasst hat.<br />
Ihr jüngster Coup: eine Uhr<br />
für Rado. Rechts darüber ist die<br />
GUT‐Tätowierung zu erkennen.<br />
„Die Reaktionen auf<br />
die Hasskommentare<br />
haben gezeigt, wie<br />
sehr meine Community<br />
hinter mir steht.“<br />
Id molutet volupta turemquuntis<br />
aute none nonesto il ipiduciet quunda<br />
idis sequae. Ex el imet at.<br />
Führung durchs Atelier in Berlin:<br />
Marina trägt ihre Kreationen.<br />
nicht gegeben – und wer genau hinsieht,<br />
erkennt auch das eingravierte Strapmuster<br />
auf dem Zifferblatt.<br />
Die Uhr wird auf Marinas Instagram-<br />
Account vom Publikum übrigens<br />
begeistert aufgenommen. Auszug aus<br />
den Kommentaren: „Sieht mega aus“,<br />
„so sexy“, „… ist der Hammer“.<br />
An gleicher Stelle ist beispielsweise<br />
auch dokumentiert, wie ein Vasenkleid<br />
für Hip-Hop-Superstar Nicki Minay entsteht:<br />
Es wird gehämmert, geschliffen und<br />
gebohrt. Und wir sehen Marina erst hochschwanger<br />
und gut gelaunt im knappen<br />
Bikini durchs Bild hüpfen und später mit<br />
blankem Busen Baby Lotti stillen. Nicht<br />
immer aber ist alles eitel Wonne.<br />
Nach deinem Auftritt bei Heidi Klums<br />
TV-Show „Germany’s Next Topmodel“<br />
hast du einen heftigen Shitstorm geerntet,<br />
weil du eine der Teilnehmerinnen<br />
kritisiert hattest.<br />
Die Reaktionen auf die Hasskommentare<br />
böser Trolls (die sich unter anderem über<br />
das Stillen des Babys lustig machten;<br />
Anm.) nach dem Auftritt bei „GNTM“ haben<br />
gezeigt, wie sehr meine Community<br />
hinter mir steht. Mein Vater hat immer<br />
gesagt: „Ruhm und Ruhe sind selten<br />
Freunde.“ Man muss halt lernen, sich wie<br />
ein nasser Hund abzuschütteln.<br />
Würdest du’s wieder machen?<br />
Solche Shows machen mir die größte<br />
Freude! Natürlich würde ich wieder<br />
mitmachen und wieder den Designer<br />
raushängen lassen. Das ist ein Unterhaltungsformat<br />
– wer das nicht versteht,<br />
hat in der Branche nichts zu suchen.<br />
Letzte Frage, Marina: Warum hast du<br />
GUT auf deinem Unterarm tätowiert?<br />
(Lacht.) Da hast du nicht alles gesehen:<br />
Eine Silbe fehlt auf dem Foto. Bei einem<br />
unserer Events war auch ein Tätowierer,<br />
und ich habe meine Mitarbeiterinnen<br />
nach einem Wort gefragt, das ich immer<br />
sage – eines, das sie mit mir verbinden.<br />
„Urgut“, haben sie gesagt. Und das steht<br />
da jetzt auch, in Großbuchstaben.<br />
Urgut, das ist die in diesem Fall bessere<br />
Version von Gut. Ein Gut mit <strong>Aug</strong>enzwinkern.<br />
Und Selbstironie ist nur eine Eigenschaft,<br />
die Marina vergessen hat, in ihrer<br />
Persönlichkeitsbeschreibung zu erwähnen.<br />
Mehr Marina: @marinahoermanseder<br />
THE RED BULLETIN 65
Die Zukunft<br />
des Surfens<br />
ist afrikanisch<br />
Über den blauen <strong>Aug</strong>en blonder Wellenreiterstars vergaß die Welt,<br />
dass dunkelhäutige Menschen in Polynesien diesen Sport erfunden<br />
hatten. Dann kamen die Brasilianer und verärgerten die Beach-Eliten<br />
mit ihrer leidenschaftlichen Exzellenz. Jetzt zieht der „African Storm“<br />
auf und erfindet das Surfen neu – mit Krügen voller Ozeanwasser<br />
im Wohnzimmer und dem Zauber, der aus der Schönheit<br />
des Nichtbesserwissens erblüht.<br />
Text FLORIAN OBKIRCHER<br />
TATE DRUCKER, NICOLE SWEET
Surfen<br />
Zwei Helden aus dem Buch<br />
„Afrosurf“, das Afrikas neue<br />
Surfszene vorstellt: Sung<br />
Min Cho (linke Seite) ist<br />
drauf und dran, Mosambiks<br />
erster Profisurfer zu werden.<br />
Diese Seite: Der Senegalese<br />
Cherif Fall ist der erste<br />
schwarze Surfer,<br />
der die West Africa Tour<br />
zweimal gewonnen hat.<br />
67
Surfen<br />
Es<br />
gibt da in der legendären Surfer-Doku<br />
„The Endless Summer“ aus dem Jahr<br />
1966 eine ziemlich bezeichnende Szene:<br />
Die Helden des Films, die US-Surfer<br />
Mike Hynson und Robert <strong>Aug</strong>ust, unternehmen<br />
eine Weltreise auf der Suche<br />
nach der perfekten Welle. Auf ihrem Weg<br />
durch Afrika machen sie in Ghana Sta tion.<br />
Am Labadi Beach holen sie die Surfbretter<br />
raus und ziehen vor scheinbar<br />
verblüfften Einheimischen eine Show ab,<br />
dass denen die Kinnlade runterfällt.<br />
So suggeriert der Film, dass die Ghanaer<br />
so etwas noch nie zuvor gesehen<br />
hätten. Aber wer genau hinschaut, erkennt<br />
bei der Ankunft von Hynson und<br />
<strong>Aug</strong>ust am Strand im Hintergrund ein<br />
paar Burschen, die auf Schwemmholz<br />
die Wellen reiten – was in der Doku<br />
jedoch niemals angesprochen wird.<br />
Eine Beobachtung, die Teil eines<br />
größeren Problems ist: Die Surfkultur<br />
wurde praktisch von Anfang an über<br />
Bilder von blonden Menschen mit blauen<br />
<strong>Aug</strong>en definiert. Das Anfang des Jahres<br />
erschienene Buch „Afrosurf“ will dieses<br />
Narrativ nun korrigieren – Herausgeber<br />
sind unter anderen Selema Masekela, 49,<br />
US-amerikanischer TV-Moderator und<br />
Surfer mit südafrikanischen Wurzeln<br />
(Selema ist Sohn der südafrikanischen<br />
Jazz-Legende Hugh Masekela), sowie<br />
das Team der afrikanischen Surfmarke<br />
Mami Wata. Zum ersten Mal wird darin<br />
die Surfbewegung Afrikas umfassend<br />
dokumentiert – von Marokko bis Somalia,<br />
vom Senegal über Mosambik bis<br />
Südafrika.<br />
Mit über 200 Fotos, 25 Porträts der<br />
besten afrikanischen Surfer und 14 kulturwissenschaftlichen<br />
Texten stellt das<br />
Buch die üblichen Surfklischees infrage.<br />
Nur ein Beispiel unter vielen: Entgegen<br />
einer weit verbreiteten Meinung war<br />
es nicht ein Botaniker in Diensten des<br />
Dass es so etwas wie<br />
eine afrikanische Surfszene<br />
gibt, zeigte erstmals<br />
die Doku „Sliding<br />
Liberia“ (2007). Sie<br />
beschäftigte sich mit<br />
dem lokalen Pionier<br />
Alfred Lomax (hier auf<br />
der Welle) und begeisterte<br />
mit Bildern von<br />
unberührten Stränden.<br />
68 THE RED BULLETIN
„Es war doch immer so:<br />
Um als Surfer ernst genommen<br />
zu werden, musstest du blonde<br />
Haare und blaue <strong>Aug</strong>en haben.“<br />
ARTHUR BOURBON<br />
THE RED BULLETIN 69
Der südafrikanische<br />
Big-Wave-Surfer<br />
Grant „Twiggy“ Baker<br />
in seinem Element. Er<br />
meint: „In 20 Jahren<br />
gibt es mindestens<br />
so viele schwarze<br />
Weltklasse-Surfer wie<br />
jetzt brasilianische.“
Surfen<br />
MARTIN CAPRILE<br />
Weltumseglers Captain James Cook,<br />
der 1767 in Tahiti zum ersten Mal in der<br />
Geschichte einen Surfer beobachtete;<br />
tatsächlich stammt die erste erhaltene<br />
Aufzeichnung aus den 1640ern aus jenem<br />
Gebiet, auf dem sich heute Ghana<br />
befindet. Im Interview erklärt Selema<br />
Masekela, wie es zum Erblühen des<br />
Surfens in Afrika kam und warum es<br />
nur eine Frage der Zeit ist, bis Afrikaner<br />
die weltweite Szene aufmischen.<br />
the red bulletin: Herr Masekela,<br />
was hat Sie zu Ihrem Buch „Afrosurf“<br />
über Afrikas Surfkultur inspiriert?<br />
selema masekela: Mein Vater hat sich<br />
auf dem Totenbett gewünscht, dass ich<br />
seine Arbeit fortsetze – die Beziehung<br />
der Leute zum afrikanischen Kontinent<br />
zu fördern und ihren Eifer, ihn zu entdecken.<br />
Nach seinem Tod 2018 dachte<br />
ich darüber nach, wie ich dieses Vermächtnis<br />
einlösen würde. Ich wollte die<br />
Sache über das Surfen anlegen. Wir begannen<br />
zu diskutieren, wie Surfen als<br />
ein Brennglas einsetzbar wäre, um die<br />
Schönheit Afrikas zu zeigen: Bilder, die<br />
noch niemand gesehen hatte, und Geschichten,<br />
die noch nie erzählt wurden.<br />
Warum hat die Welt dieses Buch<br />
gebraucht?<br />
Seit ich denken kann, zeigen 99,9 Prozent<br />
der gängigen Surfbilder Menschen, die<br />
keine große Ähnlichkeit mit mir hatten.<br />
Es war doch immer so: Um als Surfer<br />
ernst genommen zu werden, musstest du<br />
blonde Haare und blaue <strong>Aug</strong>en haben.<br />
Das ist das sichtbare Erkennungszeichen<br />
von Surfern – ungeachtet der Tatsache,<br />
dass das Surfen von Süd-Polynesiern<br />
erfunden wurde …<br />
… und von Afrikanern auf dem Gebiet<br />
des heutigen Ghana, wie wir im Buch<br />
lernen. Wie konnte dieser wichtige<br />
„Wir wollten<br />
das Surfen als<br />
Brennglas einsetzen,<br />
um die Schönheit<br />
Afrikas zu zeigen.“<br />
Der US-amerikanische TV-Moderator Selema Masekela ist einer der Herausgeber des<br />
Buchs „Afrosurf“, das erstmals die gesamte Wellenreiterszene Afrikas dokumentiert.<br />
Es ist das Ergebnis eines Versprechens, das er seinem Vater auf dem Totenbett gab.<br />
Aspekt so lange ignoriert werden,<br />
sogar innerhalb der Szene?<br />
Da gibt es all diese merkwürdigen Methoden,<br />
mit denen die Geschichte weißgewaschen<br />
und so verändert wird, damit<br />
es so aussieht, als ob ein bestimmter Teil<br />
der Menschheit die Dinge erfunden hat,<br />
weil er großartiger, talentierter und von<br />
Gott gesegnet ist. Lauter Dinge, von denen<br />
wir überzeugt worden sind, richtig?<br />
Das hat zu einer Menge Missverständnissen<br />
geführt: Ich sehe immer wieder die<br />
Reaktionen von Menschen auf Bilder, die<br />
Afrikaner beim Surfen auf hohem Niveau<br />
zeigen. Ungefähr so: „Hä?“ Als ich seinerzeit<br />
surfen lernte, fragten mich die Leute:<br />
„Wie kann es sein, dass du surfen lernst,<br />
wenn Menschen wie du doch nicht einmal<br />
schwimmen können?“ Wenn du dir<br />
Surfvideos anschaust: Die Mehrzahl von<br />
ihnen wurzelt in der Idee, dass weiße<br />
Menschen exotische Gegenden aufsuchen<br />
und unglaubliche Wellen reiten,<br />
während die Einheimischen am Strand<br />
stehen und ihnen ungläubig zuschauen.<br />
Der Film „The Endless Summer“ ist das<br />
klassische Beispiel dafür.<br />
Hatten Sie vor, die Praxis des Weißwaschens<br />
in der Geschichte des Surfens<br />
aufzudecken?<br />
Unsere Absicht war es nicht, zu sagen:<br />
„Hey, alles, was sie dir bis jetzt übers<br />
Surfen erzählt haben, ist eine Lüge.“<br />
Wir wollen nur den Blickwinkel dafür<br />
erweitern, wie wir den Surfsport wahrnehmen,<br />
und darüber hinaus einen<br />
Einblick in den Reichtum Afrikas bieten.<br />
Dieses Buch ist eigentlich nur ein kleiner<br />
Kratzer an der Oberfläche.<br />
THE RED BULLETIN 71
Surfen<br />
Mitglieder des 2012 ins Leben gerufenen Bureh Beach Surf Club in Sierra Leone. „Nur<br />
wenige wussten damals, was Surfen ist“, sagt Mitgründer Jahbez Benga (nicht im Bild).<br />
Der südafrikanische Surfprofi Grant<br />
„Twiggy“ Baker meint, dass das Surfen<br />
in Afri ka soeben im Begriff ist, zu<br />
explodieren – so wie die brasilianische<br />
Szene vor zehn Jahren. Sehen Sie das<br />
auch so?<br />
Total. Der „Brazilian Storm“ war etwas,<br />
was das Mainstream-Surfen nicht kommen<br />
gesehen hat. Die Brasilianer wurden<br />
immer als Belästigung gesehen, weil sie<br />
kulturell anders waren. Das Maß ihrer<br />
Leidenschaft fürs Surfen war anders, und<br />
die Leute verstanden nicht, wie sie plötzlich<br />
auf der Weltbühne auftauchten. Als<br />
der Sturm 2011 ankam, drehte er alles.<br />
Es war sehr schierig für die Surf-Community,<br />
das zu verdauen und die Dominanz<br />
und das Leistungsniveau zu akzeptieren,<br />
das die Brasilianer brachten – bis zu<br />
dem Punkt, an dem sie sich für ihren Stil<br />
entschuldigen sollten. Ich hätte damals<br />
nicht gedacht, dass brasilianische Surfer<br />
je Teil der globalen Teams der größten<br />
Marken der Welt sein würden, aber heute<br />
beherrschen sie die World Surf League<br />
Championship Tour … Ich glaube, der<br />
„African Storm“ entwickelt sich gerade.<br />
Afrika hat die jüngste Bevölkerung und<br />
ist ein riesiger Kontinent. Es ist nicht die<br />
Frage, ob der afrikanische Profisurfer-<br />
Sturm kommt, sondern nur, wann.<br />
Warum passiert das erst heute und<br />
nicht schon vor zehn Jahren?<br />
„Wenn ich früher<br />
mit einem Board in<br />
die Hotellobby kam,<br />
erstarrten alle.“<br />
Das ist die 15-jährige Senegalesin Aita Diop.<br />
Ihre Fähigkeiten auf dem Board brachten ihr ein<br />
Stipendium der International Surfing Association.<br />
Für talentierten Nachwuchs in der beständig<br />
wachsenden Szene ist jedenfalls gesorgt.<br />
Weil es heute Vorbilder gibt. 2018 war<br />
der Südafrikaner Mikey February der<br />
erste nicht weiße Surfer auf der World<br />
Tour. Das öffnete die Tür sowohl für afrikanische<br />
Kids überall auf dem Kontinent<br />
als auch für schwarze Surfer auf der ganzen<br />
Welt. Vor Mikey wussten sie nicht,<br />
dass es überhaupt möglich war, so auszusehen<br />
und das zu machen. In ganz<br />
Afrika wurde Surfen historisch als ein<br />
Sport für Weiße gesehen.<br />
Warum denn das?<br />
In Südafrika zum Beispiel wurde Surfen<br />
durch die Apartheid eindeutig geregelt.<br />
Ich erinnere mich noch daran, dass ich<br />
1991 am North Beach von Durban verhaftet<br />
werden sollte. Das war nach der<br />
Aufhebung des Segregationsgesetzes<br />
(das den verschiedenen Rassen zwischen<br />
1951 und 1991 unterschiedliche Wohngebiete<br />
zuwies), also rein technisch war<br />
meine Anwesenheit dort erlaubt. Aber<br />
der Umstand, dass ich dort war und mir<br />
nichts, dir nichts „ihr Ding“ machte, hat<br />
die Cops dermaßen aufgeregt, dass sie<br />
mich drei Tage lang beobachtet haben,<br />
bevor sie irgendeinen lächerlichen<br />
Grund fanden, um mich festzunehmen.<br />
So war das damals. Ich erinnere mich<br />
noch daran, wie ich mit einem Surfboard<br />
aus dem Aufzug in die Hotellobby kam<br />
und alle in der Sekunde erstarrten. Sie<br />
glotzten mich an und bewegten sich<br />
nicht mehr. Es war ein Anblick, den sie<br />
nie im Leben erwartet hatten.<br />
Und das ist nur dreißig Jahre her …<br />
Sogar im Südafrika von heute gibt es<br />
noch eine Menge Leute, die an eine<br />
Wohltätigkeitssache glauben, wenn sie<br />
schwarze Kids surfen sehen – eine Aktion<br />
des guten Willens. Es ist, als würden sie<br />
eine Tür aufhalten, um sie hereinzulassen<br />
– dabei gehört das Surfen genauso gut<br />
uns wie ihnen.<br />
Im Buch sagen viele Surfer, dass ein<br />
besonderes Kennzeichen der afrikanischen<br />
Surfkultur darin besteht, dass<br />
es keine gibt. Dass sie sie erfinden,<br />
während sie surfen.<br />
Das ist richtig. Die Abwesenheit von Magazinen<br />
oder einer Gehirnwäsche über<br />
Generationen – in der Art von „Du musst<br />
das so und so machen, sonst machst<br />
MAGNUS ENDAL, DJIBRIL DRAME<br />
72 THE RED BULLETIN
South-African-Open-<br />
Champion Joshe<br />
Faulkner zeigt, was er<br />
kann. „Ein schwarzer<br />
Surfer zu sein be deu tet<br />
mir eine Menge“,<br />
sagt er, „gerade weil<br />
es ein von Weißen<br />
dominierter Sport ist.“<br />
„Es ist nicht die Frage, ob der<br />
afrikanische Profisurfer-Sturm kommt,<br />
sondern nur, wann.“<br />
MARTIN CAPRILE ,DJIBRIL DRAME, ALAN VAN GYSEN<br />
Auf 30.500 Kilometern<br />
Küste gibt es natürlich<br />
auch den einen oder<br />
anderen Geheimtipp:<br />
hier ein nahezu jungfräulicher<br />
Traumstrand<br />
im Süden Angolas mit<br />
drei Kilometern Wellen.<br />
THE RED BULLETIN 73
Surfen<br />
Der Südafrikaner<br />
Mikey February, 28,<br />
scha≠te es 2018<br />
als erster Schwarzer,<br />
sich für die World Surf<br />
League Champion ship<br />
Tour zu qualifizieren.<br />
Er ist der Held von<br />
Legionen afrikanischer<br />
Jugendlicher.
„Der Zauber beginnt, wenn dir niemand<br />
diktiert, was richtig oder falsch ist.“<br />
In einem Essay schreibt der südafrikanische<br />
Surfstar Mikey February:<br />
„Ich habe das Gefühl, dass die afridu<br />
es nicht richtig“ erlaubt einen völlig<br />
anderen Zugang. Die Schönheit des<br />
Nichtbesserwissens ist genau der Punkt,<br />
wo der Zauber passiert. In der Kunst, in<br />
der Musik und überhaupt im Leben ist es<br />
ja dasselbe: Keine Instanz zu haben, die<br />
dir diktiert, was richtig oder falsch ist,<br />
war immer schon der Schlüssel, um kulturverändernde<br />
Momente zu schaffen.<br />
ALAN VAN GYSEN, YORIYAS YASSINE ALAOUI ISMAILI<br />
Wenn man sich die Porträts der<br />
afrikanischen Surfhelden anschaut,<br />
scheint es einen roten Faden zu geben:<br />
die spirituelle Verbindung zum Meer.<br />
Diese Idee des Surfens als sexy Freizeitvergnügen<br />
existiert in der afrikanischen<br />
Kultur nicht; stattdessen gibt es eine<br />
starke Verehrung für den Ozean. Als<br />
mein Vater jung war und damit anfing,<br />
Konzertreihen in den südafrikanischen<br />
Townships zu spielen, hat ihn meine<br />
Oma gebeten, Krüge mit Ozeanwasser<br />
aus bestimmten Regionen mitzubringen,<br />
das war ihr einziger Wunsch. Sie hat<br />
diese Krüge auf einem Regal im Wohnzimmer<br />
aufgehoben. Mein Vater hat auch<br />
einen Song mit dem Titel „Mami Wata“<br />
geschrieben – eine Ode an die spirituelle<br />
Energie des Ozeans.<br />
Hat dieser spirituelle Aspekt irgendeine<br />
Auswirkung auf den Zugang der<br />
Leute zum Surfen?<br />
Die Gemeinschaft und die Nähe in indigenen<br />
Kulturen sind einzigartig. Im Fall<br />
Südafrikas besteht etwa die Ubuntu-<br />
Philosophie darin, dass das Teilen alle<br />
Menschen miteinander verbindet. Wenn<br />
du das auf die Einstellung zum Surfen<br />
überträgst, kommst du zu völlig anderen<br />
Ergebnissen als die Surfer anderswo.<br />
Glauben Sie, dass Sie dieser Sinn<br />
für Gemeinschaft zu einem besseren<br />
Surfer gemacht hat?<br />
Wenn du dir die weltbesten Surfer – ganz<br />
egal, welcher Hautfarbe und Kultur – anschaust,<br />
dann hatten viele von ihnen mit<br />
Widrigkeiten zu kämpfen. Sie mussten<br />
Hindernisse überwinden, um gut zu<br />
werden. Kelly Slater hatte ein kaputtes<br />
Elternhaus, mit Alkoholismus in seiner<br />
Familie, also wurde das Surfen zu seiner<br />
Oase. Oder schau dir die Geschichten<br />
dieser brasilianischen Surfer an: Viele<br />
von ihnen kommen aus den sehr starken<br />
Ramzi Boukhiam vertritt Marokko bei den Spielen in Tokio. „Wir sind eine Surfnation“,<br />
sagt er. „Wir haben 3000 Kilometer Küste mit Weltklassewellen.“<br />
Gemeinschaften ihrer Favelas, nicht? Sie<br />
haben es alle geschafft, wirtschaftliche<br />
Krisen zu überwinden. Wenn wir lernen,<br />
unsere Kultur mit unserem Talent, harter<br />
Arbeit und Chancen zu verbinden, dann<br />
werden wir aufsteigen.<br />
Wie sehen Sie die Zukunft der<br />
afri kanischen Surfkultur?<br />
Das wird davon abhängen, wie die Surf-<br />
Communitys quer über den ganzen Kontinent<br />
ihre eigene Definition von Surfkultur<br />
hinkriegen – von der Gründung<br />
von Marken, die Menschen weltweit<br />
ansprechen, bis zur Neuausrichtung des<br />
Surftourismus. Im <strong>Aug</strong>enblick wird die<br />
Szene noch von Amerikanern und Australiern<br />
dominiert, die nach Afrika gehen<br />
und dort Einheimische engagieren – sie<br />
bestimmen, wie die Geschäfte laufen.<br />
Doch was wäre, wenn das Business<br />
von Afrikanern geführt werden würde –<br />
anstatt dass Ausländer diese Wir-obenihr-unten-Situation<br />
schaffen? Das wäre<br />
eine riesige Chance für Einheimische,<br />
ihre eigene Version solcher Betriebe<br />
aufzubauen und zu gestalten.<br />
kanischen Surf-Communitys in Zukunft<br />
viele Menschen auf der ganzen<br />
Welt beeinflussen werden.“ Stimmen<br />
Sie dem zu?<br />
Ja. Mikey sagt, dass die afrikanische Art,<br />
Dinge auszudrücken, sehr roh und ehrlich<br />
ist. Da gibt es keine hohlen Phrasen,<br />
und niemand versucht, andere zu beeindrucken.<br />
Das ist ganz wichtig, denn all<br />
deine Erfahrungen an Land prägen dich,<br />
wenn du auf dem Board stehst. Das ist<br />
es, was du ausstrahlst – das Essen, die<br />
Musik, das Tanzen. Kultur und Tradition.<br />
All diese Dinge, die für deine Kultur<br />
einzigartig sind, prägen dich auch beim<br />
Surfen. Das ist auch der Grund für die<br />
Ausstrahlung der Brasilianer und dass<br />
die Menschen in Tahiti tanzen, wie sie<br />
tanzen. Im Wesentlichen ist es das, was<br />
dem Surfen seinen Reichtum verleiht,<br />
seine Tiefe und seine Vielfalt. Das ist es,<br />
was Surfen so cool macht.<br />
„Afrosurf“,<br />
320 Seiten,<br />
Ten Speed Press,<br />
z. B. bei Amazon<br />
um ca. 33 Euro.<br />
mamiwatasurf.com/<br />
pages/afrosurf<br />
THE RED BULLETIN 75
Gehirnforschung<br />
Liebe<br />
ist stärker<br />
als Kokain<br />
Das Gehirn hat den Menschen<br />
zum intelligentesten Lebewesen<br />
der Erde gemacht. Aber nicht klug genug,<br />
um die Funktionsweise dieses Organs<br />
vollständig zu verstehen. Die deutsche<br />
Therapeutin Anja Hussong und der<br />
Schweizer Wissenschaftler Philipp<br />
Stämpfli arbeiten in unter schiedlichen<br />
Fachrichtungen mit dem Gehirn:<br />
Hier erklären sie, warum wir beim<br />
Duschen Lösungen finden, uns Laufen<br />
beim Erinnern hilft und Liebe stärker<br />
wirkt als jede Droge.<br />
Text WOLFGANG WIESER<br />
Illustrationen JOCHEN SCHIEVINK<br />
76 THE RED BULLETIN
KUNSTWERK IM KOPF<br />
Mittels Magnetresonanz lässt sich das Netzwerk<br />
der Nervenfasern im Gehirn darstellen.<br />
Neben ihrer wissenschaft lichen und therapeutischen<br />
Arbeit erschaffen die beiden<br />
Forscher Anja Hussong und Philipp Stämpfli<br />
aus solchen Aufnahmen bunte Gehirn-<br />
Kunstwerke wie dieses Exemplar.<br />
BRAINPICS GMBH<br />
THE RED BULLETIN 77
So arbeitet<br />
unser Gehirn<br />
2<br />
Wie Gehirntraining<br />
dabei hilft, vernünftig<br />
mit Geld umzugehen<br />
... oder warum wir Lotto spielen,<br />
obwohl wir statistisch betrachtet<br />
450.000 Jahre spielen müssten,<br />
um eine 95-prozentige Chance<br />
auf einen Jackpot zu haben.<br />
FORSCHER & THERAPEUTIN<br />
MIT GEMEINSAMER MISSION<br />
Philipp Stämpfli und Anja Hussong<br />
machen die Schönheit des Gehirns<br />
sichtbar. Mit Wissenschaft und Kunst.<br />
Die Mission von Anja<br />
Hussong und Philipp<br />
Stämpfli ist es, „die Schönheit<br />
und Einzigartigkeit<br />
des menschlichen Gehirns<br />
in die Welt zu tragen“.<br />
Hussong ist Neurofeedback-Therapeutin,<br />
Stämpfli<br />
ist Informatikingenieur<br />
und leitet das Zentrum<br />
für Magnet resonanz-<br />
Bildgebung an der<br />
Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich,<br />
zudem ist er Hypnosetherapeut. Gemeinsam<br />
haben sie die Firma BrainPics gegründet.<br />
Das Ziel des Unternehmens ist,<br />
mit Hilfe eines komplexen Verfahrens,<br />
der sogenannten diffusionsgewichteten<br />
Bildgebung, die Schönheit der Struktur<br />
der Nervenfaserverbindungen sichtbar<br />
zu machen – gern auch vom Gehirn<br />
der Kunden. Diese Netzwerke steuern<br />
unsere Denkleistung, Konzentration und<br />
Gefühle. Was dabei so abgeht? Hier sind<br />
neun Beispiele aus der Hirnforschung.<br />
1<br />
Warum wir<br />
unter der<br />
Dusche<br />
oft die<br />
besten<br />
Ideen haben<br />
Die Erklärung: Duschen ist wie ins Kaminfeuer<br />
starren – man erreicht einen<br />
fast hypnotischen Zustand. Das Unterbewusstsein<br />
liefert Antworten, die<br />
rational (noch) nicht greifbar wären.<br />
Im Detail: Warmes Wasser umhüllt<br />
den Körper. Die Muskeln entspannen<br />
sich. Der Duft der Seife bahnt sich<br />
durch die Nase den Weg in den<br />
Mandelkern (Amygdala) im Zentralgehirn.<br />
Er wandelt Wahrnehmungen<br />
in Gefühle um und weckt Erinnerungen.<br />
Das Gehirn produziert vermehrt<br />
beruhigende Alpha-Theta-Wellen.<br />
Schließen wir jetzt noch die <strong>Aug</strong>en,<br />
aktiviert sich das „Default Mode“-<br />
Netzwerk (Ruhenetzwerk). Die Ablenkung<br />
von außen wird verringert,<br />
der Geist findet Zugang zum Unterbewusstsein<br />
– plötzlich tauchen Antworten<br />
auf Fragen oder Lösungen<br />
auf, die vorher nicht greifbar waren.<br />
Die Erklärung: Mittels Neurofeedback<br />
lässt sich der Frontalkortex (Stirnhirnlappen)<br />
trainieren, er ist für die Impulskontrolle<br />
zuständig. Weil wir Menschen<br />
aber grundsätzlich Opti misten<br />
sind, probieren wir das Lottospielen<br />
ent gegen besserem Wissen trotzdem<br />
immer wieder – die Verlockung<br />
des schnellen Gewinns ist zu groß.<br />
Im Detail: Es gibt Untersuchungen, die<br />
zeigen, dass die meisten Menschen<br />
eher davon ausgehen, zu denen zu<br />
gehören, denen etwas Gutes widerfährt<br />
– etwa ein Lottogewinn. Gleichzeitig<br />
wird die Möglichkeit, dass<br />
einem etwas Schlimmes passiert, als<br />
eher unwahrscheinlich eingeschätzt.<br />
Dabei spielt der Frontalkortex eine<br />
große Rolle. Er ist sozusagen die<br />
letzte Instanz in der Netzwerkreihe<br />
des Gehirns und entscheidet, ob<br />
eine Handlung ausgeführt wird oder<br />
nicht. Eine Unteraktivierung des<br />
Frontalkortex kann dazu führen, dass<br />
jemand spielt, obwohl es kein logisches<br />
Argument dafür gibt. Ein gezieltes<br />
Neurofeedback-Training zur<br />
verstärkten Aktivierung des Frontalkortex<br />
kann helfen, den Impuls zum<br />
Spielen zu kontrollieren. Besse re<br />
Impulskontrolle hilft übrigens bei<br />
allen Süchten. Vorteil: Der Frontalkortex<br />
ist sehr lernfreudig – weil wir<br />
dabei Lust empfinden.<br />
BRAINPICS GMBH<br />
78 THE RED BULLETIN
Gehirnforschung<br />
3<br />
Warum uns<br />
zu viele<br />
Drinks<br />
geschwätzig<br />
machen<br />
Die Erklärung: Alkohol bringt vor<br />
allem zwei Botenstoffe im Gehirn<br />
ins Ungleichgewicht – und das<br />
lockert unsere Zunge.<br />
Im Detail: Alkohol aktiviert den Botenstoff<br />
GABA (Gamma-Aminobuttersäure).<br />
Wir fühlen uns entspannter.<br />
Gleichzeitig wird der Botenstoff<br />
Glutamat, der für das „schnelle<br />
Denken“ zuständig ist, blockiert.<br />
Enthemmt und denkfaul – schon ist’s<br />
passiert: Wir plaudern ein Geheimnis<br />
aus, das sonst niemals über unsere<br />
Lippen gekommen wäre.<br />
Wir können unser<br />
Hirn mit Dauerläufen<br />
trainieren. Körperliche<br />
Anstrengung<br />
lässt die Zellen<br />
im Hippocampus<br />
wach sen. Das<br />
steigert Kurz- und<br />
Langzeit gedächtnis.<br />
4Wie ein<br />
übereifriges Gehirn<br />
Ehen gefährden kann<br />
Die Erklärung: Das zum limbischen<br />
System gehörende Cingulum (Teil<br />
des Frontalhirns) steuert das Sozialverhalten.<br />
Ist es zu aktiv, werden<br />
wir nachtragend, unkooperativ und<br />
grantig. Und das hat noch keiner<br />
Beziehung gutgetan.<br />
Im Detail: Das Cingulum ist verantwortlich<br />
für die kognitive Flexibilität<br />
und die soziale Anpassung an den<br />
Alltag, entscheidet über die Kooperationsbereitschaft<br />
und die Fähigkeit,<br />
Chancen zu erkennen und zu ergreifen.<br />
Ist dieser Bereich über- oder<br />
unteraktiviert, kann es zu Problemen<br />
im täglichen Miteinander kommen.<br />
Diese Menschen neigen dazu, sich<br />
ständig zu sorgen, sind nachtragend,<br />
unflexibel und zwanghaft – Eigenschaften,<br />
die zu Problemen in Beziehungen<br />
führen können. Ein<br />
Ansatz zur Abhilfe kann Neurofeedback<br />
sein. Wichtige Voraussetzung:<br />
der Wille, wirklich etwas zu ändern.<br />
5<br />
Warum Laufen<br />
Erinnerungen bewahrt<br />
Die Erklärung: Eine Studie hat gezeigt,<br />
dass der Hippocampus, die zentrale<br />
Schaltstelle des limbischen Systems,<br />
mit Dauerläufen trainiert werden<br />
kann. Gut in Form, macht er höhere<br />
Denkleistungen möglich und hat ein<br />
stärkeres Erinnerungsvermögen.<br />
Im Detail: Der Hippocampus ist das<br />
Zentrum für Erinnerungen aus dem<br />
Kurz- und Langzeitgedächtnis. In<br />
ihm wird bei Erwachsenen auch das<br />
Protein BDNF (Brain-Derived Neurotrophic<br />
Factor) gebildet. Eine Studie<br />
zeigte, dass ein niedriger BDNF-<br />
Spiegel mit einem kleineren Hippocampus<br />
verbunden sein kann. Dies<br />
lässt den Rückschluss zu, dass ein<br />
kleinerer Hippocampus mit schlechteren<br />
Gedächtnisleistungen einhergeht.<br />
Die Bildung des BDNF wird unter<br />
anderem angeregt, wenn Muskeln<br />
sich zusammenziehen. Das heißt:<br />
Körperliche Anstrengung lässt die<br />
Gehirnzellen im Hippocampus wieder<br />
wachsen und optimiert so seine<br />
Leistung im Kurz- und im<br />
Langzeit gedächtnis.<br />
THE RED BULLETIN 79
Gehirnforschung<br />
6<br />
Wie wir<br />
uns zum<br />
Traumjob<br />
denken<br />
Die Erklärung: Glaube kann Berge<br />
versetzen – das stimmt tatsächlich.<br />
Eine präzise Vorstellung wird vom<br />
Gehirn als wahr betrachtet und führt<br />
dazu, dass zum Beispiel der Traumjob<br />
Wirklichkeit wird.<br />
Im Detail: Jeder Gedanke, der intensiv<br />
genug ist, löst im Gehirn die Ausschüttung<br />
von Nervenbotenstoffen<br />
(Neurotransmittern) aus. Bei negativen<br />
Gedanken erzeugen sie Stress,<br />
bei positiven machen sie uns zu erfolgreichen<br />
Menschen. Aus diesem<br />
Grund gilt: „Achte auf deine Gedanken<br />
– sie erzeugen deine Welt!“<br />
Für die Ausschüttung der Botenstoffe<br />
spielt es erstaunlicherweise keine<br />
Rolle, ob wir uns eine Situation nur<br />
vorstellen oder sie echt erleben, denn<br />
das Unterbewusstsein kann nicht zwischen<br />
Fiktion und Fakten, zwischen<br />
Traum und Wirklichkeit unterscheiden.<br />
Eine im Unterbewusstsein verankerte<br />
Vorstellung wird auf die Art<br />
zur „persönlichen Wahrheit“. Jeder<br />
Gedanke hinterlässt im Gehirn eine<br />
Gedächtnisspur – ein Muster, das abgerufen<br />
und verfestigt wird, je öfter<br />
wir diese Spur benutzen. Denken wir<br />
uns also nur oft genug in unseren<br />
Traumjob (und tun natürlich auch<br />
etwas dafür, dass wir dort gebraucht<br />
werden), steigert das die Chancen,<br />
diese Stelle tatsächlich zu bekommen.<br />
Genau so verwurzeln sich auch andere<br />
Glaubenssätze, positive wie – aufgepasst!<br />
– negative: Die Sätze „Du<br />
taugst nichts“, „Das schaffst du nie“,<br />
„Du bist zu dick“ können so zur fixen<br />
Idee und in der Folge wahr werden.<br />
7Warum Multitasking<br />
Blödsinn ist (und<br />
trotzdem ans Ziel<br />
führen kann)<br />
Die Erklärung: Multitasking funktioniert<br />
nicht, sagt die Hirnforschung.<br />
Wer trotzdem alles gleichzeitig macht,<br />
wünscht sich vermutlich unbewusst<br />
eine Änderung seines Lebens.<br />
Im Detail: Wer mehrere Dinge zur<br />
gleichen Zeit macht, schenkt keiner<br />
von ihnen die nötige Aufmerksamkeit.<br />
Das führt zu Schlampereien und<br />
Fehlern. Im Wiederholungsfall wird<br />
womög lich der Chef reagieren – etwa<br />
mit Versetzung oder Kündigung<br />
– und so für die unbewusst herbeigesehnte<br />
Veränderung sorgen.<br />
8Warum Verliebtsein<br />
stärker (und gesünder)<br />
als jede Droge ist<br />
Die Erklärung: In der Verliebtheitsphase<br />
werden vom Gehirn die gleichen<br />
Neurotransmitter ausgeschüttet<br />
wie beim Kokainkonsum. Die Folge:<br />
das gleiche Hochgefühl, aber ohne<br />
die gesundheitlichen Risiken.<br />
Im Detail: Die ersten Auswirkungen<br />
von Sich-Hals-über-Kopf-Verlieben<br />
und dem Konsum von Kokain sind<br />
recht ähnlich. Man spürt unfassbare<br />
Euphorie, mitunter Appetitlosigkeit<br />
und überbordende Motivation –<br />
das ist bei Liebe und Droge gleich.<br />
Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter)<br />
lassen sich also durch einen<br />
anderen Menschen oder mit Chemie<br />
beeinflussen. Die Liebe schädigt<br />
allerdings nachweislich weder die<br />
Herzwände noch die Organe, und<br />
irgendwann stabilisiert sich auch<br />
der Schlaf rhythmus wieder.<br />
Ein verliebtes Gehirn schüttet<br />
die gleichen Neurotransmitter<br />
aus wie beim Drogenkonsum.<br />
Aber ohne Risiko für die Gesundheit.<br />
80 THE RED BULLETIN
9<br />
Wie wir<br />
der Angst<br />
die Kraft<br />
nehmen<br />
Die Erklärung: Angstzustände werden<br />
oft durch eine falsche „Programmierung“<br />
im Unterbewusstsein verursacht<br />
– und sind durchaus behandelbar.<br />
Im Detail: Das Unterbewusstsein ist<br />
leider – im Gegensatz zum Bewusstsein<br />
– nicht rational und analytisch,<br />
sondern stellt oft Verknüpfungen her,<br />
die nicht logisch sind. Solche „Fehlprogrammierungen“<br />
können Ängste,<br />
aber auch Blockaden, Suchtverhalten,<br />
Allergien oder andere körperliche<br />
Symptome auslösen, deren Ursache<br />
analytisch nicht zu ergründen ist.<br />
Durch moderne Hypnosetherapie<br />
kann jedoch der Ursprung des Angstgefühls<br />
aufgedeckt und neutralisiert<br />
werden. Das Ergebnis der Veränderung<br />
ist messbar, indem man beispielsweise<br />
die Hirnleistung in einem<br />
bestimmten Netzwerk in gewissen<br />
Situationen vor und nach einer<br />
Therapie misst. Ein Trauma kann<br />
innerhalb weniger Millisekunden<br />
entstehen – aber mit einer Therapie<br />
auch ebenso schnell aufgelöst<br />
werden.<br />
BRAINPICS GMBH<br />
GEHIRNE ABSTRAKT<br />
Zwei weitere Magnetresonanz-Kunstwerke<br />
von Hussong und Stämpfli. Wer sein eigenes<br />
Gehirn als Bild an die Wand hängen will,<br />
kann eine Sitzung hier buchen: brainpics.ch<br />
THE RED BULLETIN 81
A N Z E I G E<br />
must-haves<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 JUNGE LIEBE<br />
Tim Thoelke, Stadionsprecher von RB Leipzig, interviewt<br />
44 Fans: Egal ob Lokführer, Lehrerin, Professor<br />
oder Boxerin – sie erzählen von den schönsten<br />
Momenten der jungen Vereinsgeschichte. Fotograf<br />
Enrico Meyer porträtiert die Fans für diesen einzigartigen<br />
Text-Bild-Band, der zeigt, dass Fußball ein<br />
Sport ist, der ohne Fans nur halb so großartig wäre!<br />
pantauro.com<br />
4 PERFECT MATCH<br />
Was kommt dir in den Sinn, wenn du an das perfekte<br />
Mountainbike denkst? Richtig, das brandneue<br />
SCOTT Spark. Warum? Tja, abgesehen davon, dass<br />
es schnell, leicht und für verschiedenstes Terrain<br />
geeignet ist, sieht es auch verdammt gut aus. Sportliches<br />
Trail Bike? Downcountry Rig? Race Maschine?<br />
Es bleibt ganz dir überlassen, wie du es nennst.<br />
scott-sports.com<br />
5<br />
2 SPECIAL EDITION<br />
In Zusammenarbeit zwischen CASIO EDIFICE und<br />
dem F1-Rennstall AlphaTauri ist ein neuer Connected<br />
Chronograph entstanden: Die EQB-1000AT-1AER<br />
verkörpert gekonnt sportliche Leistungskraft und<br />
einen lässigen Lifestyle. Markante Stilelemente aus<br />
der Welt des Motorsports spiegeln sich im Design<br />
wider, das Gehäuse ist aus massivem Edelstahl.<br />
edifice.de<br />
5 DIE SPORTBRILLE FÜR ALLES<br />
Egal ob zum Biken, Wandern oder Laufen: Die federleichte<br />
Sportbrille The HAWK von NAKED Optics<br />
wird allen Anforderungen gerecht. Der stylishe Allrounder<br />
ist sehr flexibel und durch das magnetische<br />
Schweißband und das Brillenband angenehm zu<br />
tragen. Für die beste Sicht bei allen Bedingungen<br />
sorgen insgesamt 6 Wechselgläser.<br />
nakedoptics.net<br />
6<br />
3 WILDES DING<br />
Die Brixton Felsberg 125 XC verwandelt jedes noch<br />
so schwierige Gelände in ein Paradies. Gebaut nach<br />
dem Vorbild einer klassischen Enduro, wurde dieses<br />
Motorrad entwickelt, um immer wieder schmutzig<br />
gemacht zu werden. Mit seinem hohen Vorderradkotflügel<br />
und dem starken Unterbodenschutz ist<br />
die Felsberg 125 XC für jedes Abenteuer gerüstet.<br />
brixton-motorcycles.com<br />
6 EASY TO LOVE<br />
Skandinavisches Design gepaart mit Premium-<br />
Qualität: Die leichte und schlanke Suunto 9 Peak<br />
überzeugt bei Tag und Nacht mit viel Leistung und<br />
höchstem Komfort. Mit bis zu 170 Stunden GPS-<br />
Akkulaufzeit, über 80 Sportarten, Barometer,<br />
Herzfrequenz- und Blutsauerstoffmessung ist<br />
sie ein stylisher Begleiter für alle Abenteurer.<br />
suunto.com
GUIDE<br />
Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />
FELS IM GRIFF<br />
Die Schweiz mediterran:<br />
auf Boulder-Tour<br />
im Tessin mit Maestro<br />
Giuliano Cameroni<br />
STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL SIMON SCHREYER<br />
83
GUIDE<br />
Reisen<br />
„Im Tessin gibt es eine<br />
höhere Konzentration<br />
an kniffligen Felsproblemen<br />
als überall<br />
sonst in Europa.“<br />
Boulder-Profi Giuliano<br />
Cameroni, 24, erzählt uns<br />
von seiner Kletter-Heimat<br />
I<br />
ch war noch nicht einmal geboren,<br />
da war ich schon auf den Felsblöcken<br />
des Tessins unterwegs. Meine Mutter<br />
ließ es sich nämlich nicht nehmen, sogar<br />
während der Schwangerschaft zu<br />
bouldern (also in Absprung höhe zu klettern,<br />
Anm.). Auch mein jüngerer Bruder<br />
Diego und mein Vater Claudio (der ganz<br />
besonders!) sind in meiner Heimat als<br />
Boul derer bekannt. Mein Vater hat sogar<br />
vier beliebte Guides über das Tessin<br />
verfasst. Klettern ist bei uns also eine<br />
echte Familienangelegenheit. Und die<br />
Boulder-Felder der Umgebung waren<br />
bereits meine Spielwiese, als ich erst<br />
vier Jahre alt war.<br />
Im Tessin befinden sich vier wichtige<br />
Boulder- Gebiete: Cresciano, Chironico,<br />
Brione und den Gotthardpass. Sie alle<br />
zeichnen sich durch hohe Felsqualität<br />
aus. Die Granit- und Gneisblöcke verfügen<br />
über kompakte Strukturen – gerade genug<br />
für Griffe und Leisten. Es kommt so<br />
gut wie nie vor, dass ein Griff ausbricht.<br />
Außerdem ist der Fels so gestaltet,<br />
dass sich die Bewegungen ganz von<br />
selbst ergeben. Es ist beinahe so, als<br />
hätte die Schöpfung für uns mitgedacht.<br />
Hier spricht der Fels zu den Kletterern.<br />
Steiniges Zuhause: Boulder-Profi Giuliano Cameroni auf einem Felsblock im Tessin<br />
Der klare Bergbach<br />
im Tessiner Verzascatal<br />
erzeugt natürliche<br />
Whirlpools. Hier findet<br />
man nach dem Bouldern<br />
herrliche Abkühlung.<br />
84 THE RED BULLETIN
Anreise<br />
Mit dem Auto: Von Zürich<br />
aus erreicht man den<br />
Gotthardtunnel in etwa<br />
eineinhalb Stunden (keine<br />
Maut!). Eine Autobahn-<br />
Vignette für 10 Tage kostet<br />
€ 9,40 / CHF 10.29. Am<br />
besten gleich einen<br />
Zwischenstopp einlegen,<br />
denn der Gotthardpass ist<br />
für sich schon ein Boulder-<br />
Traumziel. Fährt man doch<br />
durch den Tunnel, so erreicht<br />
man ungefähr eine<br />
Stunde nach der Tunnelausfahrt<br />
Bellinzona. Von dort<br />
sind es nur noch wenige<br />
Minuten bis Cresciano.<br />
Bern<br />
Mit der Bahn: Die Fahrzeit<br />
von Zürich nach Bellinzona<br />
beträgt etwa 2 Stunden.<br />
(Ticket: € 71,– / CHF 77.80).<br />
Schweiz<br />
KANTON TESSIN<br />
Cresciano<br />
Lugano<br />
Zürich<br />
Der Ort Lavertezzo in der Valle Verzasca: Hier können Besucher bouldern und wildbaden.<br />
STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL, EVOLUTIONCENTER.CH,<br />
GETTY IMAGES (2) SIMON SCHREYER<br />
Im Tessin gibt es so eine höhere Konzentration<br />
an kniffligen Felsproblemen<br />
als überall sonst in Europa – genau das<br />
begeistert den ambitionierten Boulderer.<br />
Und meine Erfahrung ist: Jeder Felsen<br />
hat seine ganz eigene Energie.<br />
Ob Anfänger oder Experten:<br />
Hier können alle klettern<br />
Drei der Boulder-Probleme möchte ich<br />
hier genauer vorstellen. Sie befinden sich<br />
in meinem Lieblingsgebiet – in Cresci ano.<br />
Fangen wir mit dem schwierigsten an (in<br />
der Klammer steht jeweils der Boulder-<br />
Schwierigkeitsgrad aus der Skala bis<br />
9a): Dreamtime (8b+/8c), 7 Meter lang,<br />
3 Me ter hoch, ist ein Klassiker mit<br />
Für Regentage: Kletterhalle Evolution in Taverne<br />
Gut zu wissen<br />
Unterkunft: Barbara und Cornelia<br />
betreiben das Ostello Cresciano, das<br />
sich unter Kletterern zunehmender<br />
Beliebtheit erfreut. Dort ist das<br />
Frühstück inkludiert, das Wi-Fi gratis<br />
und die Lounge gemütlich. Als Alternative<br />
bieten sich Airbnb an oder drei<br />
Campingplätze (Al Censo, Bellinzona<br />
oder Agri turismo La Finca), wenn ihr<br />
mit dem Van anreist.<br />
An Regentagen bieten sich zwei<br />
Indoor-Anlagen zum Klettern an:<br />
Alphaboulder in Giubiasco und<br />
die Sportkletterhalle Evolution<br />
(Bild links) in Taverne.<br />
Infos: ostello-cresciano.online<br />
THE RED BULLETIN 85
GUIDE<br />
Reisen<br />
Die Ponte dei Salti im Verzascatal lädt Wagemutige zum Sprung ins Wasser.<br />
20 Zügen und einem Dyno (Sprung) am<br />
Ausstieg. Die Route führt durch einen<br />
45-Grad-Überhang, steigt von rechts<br />
nach links und führt dann mittig nach<br />
oben. Was ich hier mag, ist der geschmeidige<br />
Bewegungsfluss.<br />
La grotte des soupirs (7c), 4 Meter<br />
lang, 2 Meter hoch, ist ein höhlenartiges<br />
Dach mit weiten Griff abständen.<br />
Sie bietet einen nicht zu schwierigen,<br />
aber kräftezehrenden Ablauf. Anstrengung<br />
und Akustik haben Erstbegeher<br />
Fred Nicole zu dem Namen inspiriert:<br />
die Höhle der Seufzer.<br />
Il Cerchio Celtico (6a+), 4 Meter<br />
lang, 2 Meter hoch, wohl ein ehemaliger<br />
keltischer Kultplatz, befindet sich<br />
auf einem Hügel mit unglaublichem<br />
Panorama. Auf den Boulder führen<br />
fünf Routen, die sich zum Aufwärmen<br />
für Könner oder als Startpunkt für Anfängerinnen<br />
und Anfänger eignen.<br />
Die meisten Boulder stehen tief<br />
in der wilden Landschaft versteckt,<br />
weitab jeder Zivilisation. Ein weiterer<br />
„Im Tessin spricht<br />
der Fels zu<br />
den Kletterern.“<br />
Giuliano Cameroni, 24, Boulder-Profi<br />
Pluspunkt der Gegend: Im Tessin lässt<br />
sich das ganze Jahr über klettern. Und:<br />
Es scheint extrem oft die Sonne!<br />
Zur Abkühlung in der<br />
Verzasca baden<br />
Dazu kommt noch, dass die Gegend<br />
eine besonders friedvolle Ausstrahlung<br />
hat. Falls in Cresciano einmal viel<br />
los sein sollte (was aber selten vorkommt),<br />
kann man immer noch nach<br />
Chironico in Leventina ausweichen.<br />
Zur Abkühlung baden meine Freunde<br />
und ich gern in der Verzasca. Der<br />
klare Bergbach in dem idyllischen Tal<br />
erzeugt natürliche Whirlpools mit sanfter<br />
Strömung. Attraktive Alter native<br />
dazu: Ponte Brolla im nahe ge legenen<br />
Maggiatal. Dort kann man aus mehreren<br />
Metern Höhe ins Wasser springen<br />
und manchmal auch professionellen<br />
Cliff-Divern zuschauen.<br />
Mehr über Giuliano Cameroni:<br />
Instagram: @giuliano_cameroni,<br />
redbull.com<br />
GETTY IMAGES, STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL SIMON SCHREYER<br />
86 THE RED BULLETIN
Spitz<br />
die Ohren<br />
The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> gibt’s nun auch zum<br />
Anhören: inspirierende Interviews, scharfe<br />
Porträts, abenteuerliche Reportagen.<br />
Jeden Mittwoch –<br />
überall, wo es Podcasts gibt.<br />
Jetzt reinhören<br />
und gleich abonnieren.<br />
Plus:<br />
MICHAEL KÖHLMEIERS<br />
Kolumne<br />
Boulevard der Helden<br />
als Podcast-Serie
GUIDE<br />
Lesestoff<br />
KLASSIKER, NEU ERZÄHLT<br />
Märchenhaft böse<br />
„Alice im Wunderland“ und andere Geschichten auf die harte Tour: US-Bestsellerautorin<br />
Christina Henry interpretiert weltberühmte Kinderbuch-Klassiker für Erwachsene neu.<br />
Text JAKOB HÜBNER<br />
Lewis Carroll war nicht<br />
nur Schriftsteller, Fotograf<br />
und Theologe – er<br />
war auch studierter Mathematiker.<br />
Und als solcher<br />
mit den Grundsätzen der<br />
Logik bestens vertraut. Der<br />
Brite wusste also ganz genau,<br />
wo er den surrealen Hebel<br />
ansetzen musste, als er 1865<br />
sein weltberühmtes Nonsens-<br />
Märchen „Alice im Wunderland“<br />
zu Papier brachte. Das<br />
schmale Büchlein entfaltete<br />
breite Wirkung. Die Abenteuer<br />
der kleinen Alice, die via Kaninchenbau<br />
in ein absurdes<br />
Fantasiereich plumpst, sind<br />
ein verlässlicher Kandidat<br />
in sämtlichen Ranglisten mit<br />
der Überschrift „Klassiker<br />
der Weltliteratur“. Außerdem<br />
schaute Alice in den vergangenen<br />
150 Jahren einer Reihe<br />
von namhaften Künstlern<br />
– von Salvador Dalí bis John<br />
Lennon – konspirativ über die<br />
Schulter. Und ganz nebenbei<br />
wurde die Geschichte und<br />
ihre Fortsetzung „Alice hinter<br />
den Spiegeln“ bis heute rund<br />
50 Mal verfilmt.<br />
Nicht schlecht für ein<br />
Kinderbuch.<br />
Noch tiefer aus dieser<br />
sprudelnden Inspirationsquelle<br />
schöpft die US-amerikanische<br />
Autorin Christina<br />
Henry. Anstatt lediglich ein<br />
paar Rosinen aus dem Wunderland<br />
zu picken, schnappt<br />
sie sich gleich den ganzen<br />
Kuchen. Ihre dunklen „Chroniken<br />
von Alice“ sind so etwas<br />
wie eine literarische Coverversion<br />
des Märchens für Erwachsene.<br />
Der Ordnung halber<br />
muss man an dieser Stelle<br />
sagen, dass sie nicht die Erste<br />
ist, die eine Neu interpretation<br />
dieses Kinderklassikers wagt<br />
(siehe Tipps rechts), allerdings<br />
ist sie die bisher Erfolgreichste<br />
– und die bei weitem<br />
Böseste.<br />
Henry verankert ihre<br />
„Alice“-Adaption in zwei Bereichen.<br />
Erstens: Alle tragenden<br />
Figuren stammen aus<br />
dem Original. Zweitens: Das<br />
Absurde kommt auch bei<br />
ihr mit der entwaffnenden<br />
Selbstverständlichkeit eines<br />
VINZ SCHWARZBAUER<br />
88 THE RED BULLETIN
Erster Absatz aus<br />
„Finsternis im Wunderland“<br />
Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, sich bis ganz nach<br />
oben streckte, die Wange an die Wand legte und den Kopf nach<br />
links drehte, konnte sie durch die Gitterstäbe gerade so den<br />
Rand des Monds sehen. Eine Scheibe Käse, eine Scheibe Kuchen,<br />
eine Tasse Tee, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Einmal<br />
hatte ihr jemand eine Tasse Tee angeboten, jemand mit blaugrünen<br />
<strong>Aug</strong>en und langen Ohren. Komisch, dass sie sich nicht<br />
an sein Gesicht erinnern konnte. Dieser Teil ihrer Erinnerung<br />
war nebelig, wie in Rauch gehüllt, abgesehen von den <strong>Aug</strong>en<br />
und den Ohren. Und die Ohren waren lang und pelzig gewesen.<br />
LESETIPPS<br />
Es war einmal …<br />
Noch mehr Märchen<br />
für Erwachsene<br />
Traums daher – diesfalls jedoch<br />
mit der eines Albtraums.<br />
Alice, missbraucht und von<br />
ihrer Familie verstoßen, sitzt<br />
seit rund zehn Jahren in der<br />
gut gepolsterten Zelle einer<br />
düsteren Irrenanstalt, deren<br />
therapeutische Fähigkeiten<br />
sich auf zwei Dinge reduzieren:<br />
sedieren und wegsperren.<br />
Abgesehen von den sadistischen<br />
Pflegern hat sie – durch<br />
ein von einer Maus gegrabenes<br />
Loch – nur zu einem Menschen<br />
sozialen Kontakt: ihrem<br />
Zellennachbarn Hatcher. Der<br />
ist ein Axtmörder mit einer bipolaren<br />
Störung – sonst aber<br />
ein liebenswerter Mensch und<br />
ein virtuoser Kämpfer.<br />
Als in der Anstalt Feuer<br />
ausbricht, können Alice und<br />
Hatcher gemeinsam fliehen.<br />
Beide sinnen auf blutige Rache.<br />
Auf ihrer Liste: der Grinser,<br />
die Raupe, das Walross,<br />
das Kaninchen, der Jabberwock<br />
und die weiße Königin.<br />
Während Hatcher den Weg<br />
mit recht rustikalen Methoden<br />
freihackt, dämmert Alice<br />
allmählich, dass ihr Wahnsinn<br />
einen gewissen Zauber in<br />
sich birgt …<br />
Obwohl man die 1974 geborene<br />
Christina Henry nicht als<br />
Newcomerin bezeichnen kann<br />
– ihre „Black Wings“-Serie<br />
sammelt bereits seit Jahren<br />
eifrig Sternchen –, kam der<br />
Hype um Alice doch ein wenig<br />
überraschend. Der erste Band<br />
„Finsternis im Wunderland“<br />
enterte vom Stand weg die internationalen<br />
Bestsellerlisten<br />
und wurde in „Amazon’s Best<br />
Books of the Year“ gewählt.<br />
Begleitet wurde der kommerzielle<br />
Erfolg von wohlwollenden<br />
Worten aus Feuilletons,<br />
die derartige „U-Literatur“<br />
normalerweise bestenfalls<br />
vom Wegsehen kennen. Was<br />
vermutlich nicht nur an der<br />
berühmten Vorlage, sondern<br />
auch an Henrys zutiefst eigenwilligem,<br />
kindlich-brutalem<br />
Erzählstil liegt, dessen Ambivalenz<br />
eine ganz seltsame<br />
Stimmung erzeugt. Streckenweise<br />
fühlt man sich, als lausche<br />
man dem düsteren Betthupferl<br />
am Lagerfeuer eines<br />
Jungscharcamps, aber dann<br />
haut Henry auch immer wieder<br />
Sätze raus, die man sich<br />
am liebsten einrahmen und an<br />
die Wand hängen würde.<br />
Und da kommt noch mehr:<br />
Die dunklen Chroniken von<br />
„Peter Pan“ sind für 21. Juni<br />
angekündigt, und auch jene<br />
von „Meerjungfrau“ und „Rotkäppchen“<br />
sind bereits in der<br />
Übersetzung. Mit dem Spruch<br />
„Erzähl mir keine Märchen!“<br />
braucht man Christina Henry<br />
also nicht zu kommen …<br />
CHRISTINA HENRY<br />
„Finsternis im Wunderland.<br />
Die Chroniken von Alice“<br />
Deutsch von Sigrun Zühlke<br />
Penhaligon, 352 Seiten<br />
FRANK BEDDOR<br />
Frank Beddor, der mit dem<br />
US-Ski-Team zweimal die<br />
Freestyle-Weltmeisterschaft<br />
holte, stürzt sich in seiner<br />
Interpretation von „Alice<br />
im Wunderland“ ohne Rücksicht<br />
auf Verluste in einen<br />
Fantasy-Thriller voller Action,<br />
in dem aber auch der Humor<br />
nicht zu kurz kommt.<br />
Im Vorwort verspricht der<br />
Autor eine Geschichte<br />
„voll Blut vergießen, Mord,<br />
Rache und Krieg“.<br />
Und er hält Wort.<br />
„Das Spiegellabyrinth“<br />
(dtv)<br />
NICOLE BÖHM<br />
Für ihre Jugendbuchserie<br />
„Die Chroniken der Seelenwächter“<br />
wurde Nicole Böhm<br />
bereits zweimal mit dem<br />
Deutschen Phantastik Preis<br />
ausgezeichnet. Das gelang<br />
ihr auch mit dem – deutlich<br />
düsterer angelegten – Roman<br />
„Wer hat Angst vorm bösen<br />
Wolf?“, der gemeinsam mit<br />
„Spieglein, Spieglein an der<br />
Wand“ eine märchenhafte<br />
Dilogie bildet, in der<br />
neben Spannung auch<br />
die Romantik knistert.<br />
„Das Vermächtnis<br />
der Grimms“<br />
(Drachenmond Verlag)<br />
WALTER MOERS<br />
Walter Moers (bzw. sein Alter<br />
Ego Hildegunst von Mythenmetz)<br />
ist vermutlich der<br />
genialste Märchenonkel der<br />
Gegenwartsliteratur. In „Ensel<br />
und Krete“ versetzt er das<br />
berühmte Geschwisterpaar<br />
der Brüder Grimm in sein<br />
legendäres Zauberreich<br />
Zamonien, in dem sich –<br />
vom gemeingefährlichen<br />
Laubwolf bis zum doppelköpfigen<br />
Wollhühnchen –<br />
allerhand absonderliche<br />
Geschöpfe tummeln.<br />
„Ensel und Krete“<br />
(Penguin Verlag)<br />
NELSON MANDELA<br />
In dieser 2004 erschienenen,<br />
prächtig illustrierten Anthologie<br />
versammelt der Freiheitskämpfer,<br />
Friedensnobelpreisträger<br />
und erste<br />
schwarze Präsident Südafrikas<br />
die schönsten Märchen<br />
seines Kontinents.<br />
Das Buch ist eine wahre<br />
Schatztruhe voll poetischer<br />
Juwele, die vor Witz und<br />
Weisheit nur so funkeln und<br />
deren exotischer Zauber Kinder<br />
ebenso in seinen Bann<br />
zieht wie Erwachsene.<br />
„Meine afrikanischen<br />
Lieblingsmärchen“<br />
(dtv)<br />
THE RED BULLETIN 89
GUIDE<br />
Tipps & Trends<br />
ZUG UM ZUG BESSER WERDEN<br />
CHESSUP: SCHLAUER SCHACH SPIELEN LERNEN<br />
Die Idee: Schachspielen lernen beziehungsweise sein<br />
Schachspiel ver bessern – per Interaktion mit dem Brett,<br />
einer schlauen Software und echtem Know-how von Großmeister<br />
Levon Aronian. Für Weihnachten notieren – das<br />
Gerät soll im November marktreif sein. indiegogo.com<br />
DIE WOLLEN<br />
NUR SPIELEN<br />
GAMESCOM <strong>2021</strong><br />
Brandneue Games, innovative<br />
Technik und jede Menge Unterhaltung:<br />
Ende <strong>Aug</strong>ust (25. – 27.)<br />
steigt das größte Games-Event<br />
des Planeten nochmals rein<br />
digital. Los geht’s mit der Show<br />
„gamescom: Opening Night<br />
Live“. gamescom.de<br />
STARKES<br />
LEICHTGEWICHT<br />
Wiegt 4 Kilo, fasst<br />
41 Liter und<br />
ist kabinentauglich.<br />
EINFACH BLAU MACHEN<br />
FLOYD CABIN<br />
Ein Koffer, der so viel Schwung bringt wie die Skateboarder<br />
in den 1970er-Jahren. Deshalb auch die knallroten Rollen<br />
– als Verweis auf die Inspiration durch die frühen Asphalthelden.<br />
Die schöne Farbe heißt „Miami Blue“, innen gibt’s<br />
zwei große verschließbare Fächer. floyd.one<br />
KOELNMESSE/GAMESCOM/OLIVER WACHENFELD, STEFAN VOITL/RED BULL CONTENT POOL<br />
90 THE RED BULLETIN
BOOTS FÜR ABENTEURER<br />
BALLY NOKOR<br />
Ein Schuh, der auch Professor Indiana „Indy“ Jones<br />
ge fallen würde – feinstes Leder, trittfeste Sohle, bestens<br />
geeignet für aufregende Höhlenabenteuer inklusive<br />
weniger erfreulicher Schlangen-Begegnung. bally.eu<br />
BOCK AUF STIL<br />
Das feine Leder<br />
aus Italien wurde<br />
pflanzlich gegerbt.<br />
Richtig gutes Zeug<br />
Ein schlaues Brett, eine tiefschwarze Uhr und ein Skater-<br />
Trolley – unsere besten Empfehlungen. Text WOLFGANG WIESER<br />
CHAMPIONS AUF PUMP<br />
RED BULL UCI PUMP TRACK WORLD CHAMPIONSHIPS<br />
Rasantes Tempo, steile Kurven, pures Spektakel: In der<br />
Disziplin Pump Track beschleunigen die Biker (rechts im<br />
Bild: Martin Söderström) mittels Hochdrücken des Körpers<br />
aus der Tiefe („Pumpen“). Am 28. <strong>Aug</strong>ust gastiert die<br />
Weltmeisterschaft im Mellowpark in Berlin. redbull.com<br />
SCHWARZE<br />
SCHÖNHEIT<br />
TUDOR BLACK BAY CERAMIC<br />
Diese Uhr macht ihrem Namen<br />
alle Ehre: Selbst ihr Werk ist tiefschwarz.<br />
Es ist der erste Master<br />
Chronometer der Marke, heißt:<br />
Bei Präzision, Magnetfeldresistenz<br />
und Gangreserve werden<br />
höchste Standards erfüllt – per<br />
Test bestätigt. tudorwatch.com<br />
THE RED BULLETIN 91
B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
MARK SPITZ<br />
VERLIEBT IN SUPERMAN<br />
Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />
inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />
Folge 5: Teenie-Schwärmerei für einen Meisterschwimmer im Sommer 1972.<br />
Das ist eine alte Geschichte, an die<br />
manchmal gern, manchmal ungern<br />
erinnert wird. Sie trug sich im<br />
Sommer 1972 zu. Die Olympischen<br />
Spiele fanden in München statt.<br />
Wir alle, die damals so viel Freude am<br />
Sport hatten, denken gern daran – mein<br />
Onkel Hans war Schiedsrichter beim Hochsprung<br />
der Damen; und wir denken nicht<br />
gern daran, denn ein großes Verbrechen<br />
war geschehen: Palästinensische Terroristen<br />
überfielen das Camp der israelischen<br />
olympischen Mannschaft und ermordeten<br />
zwei Sportler. Insgesamt starben siebzehn<br />
Menschen.<br />
So viel Freiheit war in meinem Leben<br />
damals. Ich war Student, in den Semesterferien wollte<br />
ich arbeiten, um wenigstens einen Teil meines Studiums<br />
selbst zu verdienen. Genauso mein Freund. Es gab die<br />
Möglichkeit, in der Schweiz auf den Feldern Bohnen<br />
zu ernten, da konnte man gut Geld machen und eine<br />
interessante sonnenbraune Haut bekommen, aber die<br />
Arbeit war beschwerlich – und: Wir wären nicht dazugekommen<br />
fernzusehen, wir hätten die meisten Wettbewerbe<br />
verpasst. Das allein war unser Antrieb, dem<br />
ORF ein Hörspiel anzubieten, das erste, wir hatten<br />
keine Erfahrung. Aber der ORF nahm an, und wir<br />
verdienten etwa genauso viel wie auf den Schweizer<br />
Bohnenfeldern. Und wir konnten uns im Fernsehen<br />
die Olympischen Spiele ansehen.<br />
Das war Glück.<br />
Meine Familie hatte damals noch keinen Fernseher.<br />
Aber die Familie meines Freundes hatte einen. Er<br />
studierte auch, fast das Gleiche wie ich, er hatte eine<br />
sehr liebe kleine Schwester, sie war erst vierzehn und<br />
interessierte sich überhaupt nicht für Sport. Sie mochte<br />
ihren Bruder gern, und mich mochte sie auch, ich darf<br />
MICHAEL KÖHLMEIER<br />
Der Vorarlberger<br />
Bestsellerautor gilt<br />
als bester Erzähler<br />
deutscher Zunge.<br />
Zuletzt erschienen:<br />
„Die Märchen“,<br />
816 Seiten, Verlag<br />
Carl Hanser.<br />
mir sogar einbilden, sie mochte mich besonders<br />
gern, und deshalb setzte sie sich zu uns<br />
und schaute sich gemeinsam mit uns an,<br />
was da alles in München geschah. Und dann<br />
verliebte sie sich. Und sie verliebte sich so<br />
heftig, so bedingungslos, voll Hingabe und<br />
Verzweiflung – nie in meinem Leben bin ich<br />
einem solchen Überschwang begegnet.<br />
Sie verliebte sich in Mark Spitz.<br />
Und das war ja auch ganz leicht. Mark<br />
Spitz war Schwimmer, er trat für die USA<br />
an. Er war ein schöner Mann – das erstens.<br />
Zweitens war er am Ende der Spiele der<br />
erfolgreichste olympische Sportler aller<br />
Zeiten. Sieben Goldmedaillen hat er gewonnen!<br />
Außerdem sieben Mal Weltrekord!<br />
Und das innerhalb einer Woche! Zu groß, um es nur zu<br />
erwähnen; ich will, ich muss aufzählen: Am 28. <strong>Aug</strong>ust<br />
200 Meter Schmetterling und 4 × 100 Meter Freistil,<br />
am 29. <strong>Aug</strong>ust 200 Meter Freistil, am 31. <strong>Aug</strong>ust<br />
100 Meter Schmetterling und 4 × 200 Meter Freistil,<br />
am 3. September 100 Meter Freistil, am 4. September<br />
4 × 100 Meter Lagen. Während sich seine Konkurrenten<br />
alle Haare vom Körper rasieren ließen, um<br />
dadurch vielleicht um ein paar Hundertstel schneller<br />
zu sein, trat Mark Spitz mit fast schulterlangen braunen<br />
Locken auf und mit einem attraktiven Schnurrbart.<br />
Hundertstelsekunden spielten bei ihm keine<br />
Rolle, wo er doch alle anderen manchmal sogar um<br />
einige Längen hinter sich ließ.<br />
Die Schwester meines Freundes versäumte keinen<br />
Start. Sie fieberte. Sie fieberte nicht, weil sie sich<br />
um einen Sieg ihres Idols sorgte. Nein. Jeder<br />
wusste, Mark Spitz würde in allen Disziplinen, in denen<br />
er antrat, gewinnen. Sie fieberte, weil sie fürchtete,<br />
er könnte schon vergeben sein. Sie war vierzehn<br />
MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES<br />
92 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 93
B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
Jahre alt, aber doch nicht so naiv, dass sie dachte,<br />
sie könne diesen Prinzen des Wassers erobern. Nicht<br />
in der Wirklichkeit jedenfalls. Aber in ihren Träumen.<br />
Nur Verrückten gelingt es, ihre Träume ganz und gar<br />
von der Wirklichkeit zu lösen – ich kann mir nicht<br />
einbilden, ein Wolf zu sein, aber ich kann mir einbilden,<br />
einen dressierten Wolf zu besitzen. Ich will<br />
der Schwester meines Freundes einen Namen geben,<br />
einen falschen Namen, ich hoffe, das wird mir niemand<br />
nachtragen. Ich nenne sie Marianne. Mariannes<br />
Traum wäre zerstört worden, hätte sie erfahren, Mark<br />
Spitz sei verheiratet oder verlobt oder sonst wie gebunden.<br />
Sie stutzte ihre Träume zurecht. Wenigstens<br />
die Hand wollte sie ihm geben. Wenigstens ein paar<br />
Worte wollte sie mit ihm wechseln. Vielleicht ihm das<br />
Handtuch reichen, wenn er aus dem Bassin steigt.<br />
Und dann war sie weg. Es war am 4. September,<br />
Marianne war verschwunden.<br />
Ohne einen Brief. Ohne jemandem etwas zu sagen.<br />
Ihr Bruder berichtete, er sei früher als sonst aufgewacht,<br />
er wollte Marianne wecken, sie war nicht<br />
mehr da. Als sie bis zum Abend nichts von ihr hörten,<br />
verständigten die Eltern die Polizei.<br />
Ach, es ist eine merkwürdige Geschichte! Meine<br />
Familie hatte damals nicht nur keinen Fernseher,<br />
wir hatten auch kein Telefon. Wenn ich telefonieren<br />
wollte, ging ich in den Gemischtwarenladen<br />
in unserer Straße. Jeder in unserer Straße kannte die<br />
Nummer dieses Ladens. Marianne auch. Am Morgen<br />
des 5. September klingelte es an unserer Haustür,<br />
die Angestellte des Ladens stand draußen und sagte,<br />
ich werde am Telefon verlangt. Es war Marianne. Sie<br />
rief aus München an, von einer Telefonzelle. Sie habe<br />
leider nur wenige Münzen sagte sie, sie sprach schnell<br />
und mit hoher, aufgeregter Stimme. Ich solle bitte<br />
ihren Eltern ausrichten, es gehe ihr gut, sie sei sehr,<br />
sehr glücklich. Mich bat sie, ich solle sie in München<br />
abholen, sie habe kein Geld mehr für die Rückreise.<br />
Ich fragte, wo ich sie denn treffen könne. Sie rief in den<br />
Hörer: „Bei Mark …“ Dann brach die Verbindung ab.<br />
Ich mochte Marianne von Herzen gern, also fuhr<br />
ich nach München. Aber wo ist „bei Mark“? Dass sie<br />
Mark Spitz gemeint hatte, das war klar. In diesen<br />
Tagen war dieser Mann der größte Star der Welt. Den<br />
kann man nicht einfach treffen. Zugleich aber dachte<br />
ich, wenn es jemand kann, dann Marianne. Was wird<br />
sie tun? Mit dem unbedingten Zutrauen eines vierzehnjährigen<br />
verliebten Mädchens wird sie sich durch die<br />
„Mark Spitz habe ihr<br />
einen Kuss gegeben.<br />
Auf den Mund.<br />
Hundertprozentig.“<br />
Stadt zum olympischen Dorf fragen und dort zu den<br />
amerikanischen Sportlern und dort zu Mark Spitz.<br />
Also, dachte ich, mache ich es genauso. Und ich traf<br />
sie. Sie saß, an die Wand einer Baracke gelehnt,<br />
im amerikanischen Bezirk und lachte mir entgegen.<br />
Sie habe, rief sie mir schon weitem zu, Mark Spitz<br />
getroffen. Er habe sie auf eine Jause eingeladen und<br />
ihr eine Limonade spendiert. Und dann habe er ihr<br />
einen Kuss gegeben. Auf den Mund. Hundertprozentig.<br />
„Gott, ich lüge nicht!“<br />
Was soll ich sagen: Ich glaubte ihr.<br />
„Glaubst du mir?“, fragte sie.<br />
„Ich glaube dir“, sagte ich.<br />
„Hundertprozentig?“<br />
„Hundertprozentig.“<br />
Sie war glücklich. Wir gingen den weiten Weg<br />
in die Stadt, und dort lud ich sie auf ein Eis ein, nicht<br />
irgendein Eis, sondern ein sechsstöckiges, das nur zur<br />
Hälfte abgeschleckt werden konnte, der Rest tropfte<br />
ihr über die Hand und den Ärmel hinunter auf die<br />
Beine und die Schuhe, es war ein sehr heißer Tag.<br />
Sie lachte darüber. Sie war glücklich. Über und über.<br />
„Also erzähl“, sagte ich. „Wie ist er?“<br />
Sie wollte gerade beginnen – ich schwöre –, da war<br />
um uns herum plötzlich ein Tumult – Polizeisirenen<br />
heulten, Menschen schrien, Durchsagen ertönten.<br />
Was war geschehen? Terroristen hatten das Haus des<br />
israelischen Olympiateams gestürmt, zwei Männer<br />
erschossen und die anderen als Geiseln genommen.<br />
Einer neben uns sagte, sie hätten auch Mark Spitz in<br />
ihrer Gewalt, er sei zwar Amerikaner, aber Jude, und<br />
die Terroristen wollten alle Juden töten.<br />
Marianne brach zusammen und weinte und weinte<br />
weiter, noch als wir erfuhren, dass Mark Spitz in Sicherheit<br />
sei. Er sei unter einer Decke in einem Auto aus<br />
dem olympischen Dorf gebracht und nach London<br />
ausgeflogen worden.<br />
Dreißig Jahre später war Marianne in Amerika. Sie<br />
besuchte ihren Bruder, meinen Freund, er war<br />
inzwischen ein ziemlich berühmter Rockmusiker.<br />
Sie erkundigte sich nach Mark Spitz, fand heraus, wo<br />
er lebte, mietete sich einen Pontiac Firebird, fuhr nach<br />
Modesto in Kalifornien und klingelte an seiner Tür.<br />
Und Mark Spitz himself öffnete.<br />
Und Mark Spitz himself lud sie zu sich in sein Haus<br />
ein, er selbst ließ ihr einen Kaffee aus der Espressomaschine<br />
rinnen, er selbst holte einen Kranz Eiskuchen<br />
aus dem Tiefkühlschrank. Er sah immer noch gut aus,<br />
die Haare waren inzwischen grau geworden, auch der<br />
Oberlippenbart – Marianne vermutete, er färbe ihn<br />
den Haaren nach, was sie als geschmackvoll wertete.<br />
Sie verbrachten einen netten Nachmittag miteinander.<br />
Marianne erzählte ihm, dass sie vor dreißig<br />
Jahren einen sehr, sehr guten Freund angelogen habe,<br />
dass sie diesem Freund erzählt habe, sie habe ihn,<br />
Mark, in München während der Olympischen Spiele getroffen,<br />
ihn persönlich, im olympischen Dorf, sie habe<br />
94 THE RED BULLETIN
„Sie habe kein Glück<br />
mit Männern, sagte sie.<br />
Sie habe sich mit vierzehn<br />
in Superman verliebt,<br />
das sei ihr Verhängnis.“<br />
ihm, Mark, die Hand gegeben und er, Mark, habe sie<br />
auf die Wange geküsst. Sie habe den langen Weg nach<br />
Modesto zurückgelegt, um diese Lüge auszulöschen.<br />
Ob er, Mark, sie, bitte, auf die Wange küssen wolle.<br />
Das tat er.<br />
Weitere zehn Jahre später traf ich Marianne<br />
in Wien. Wir hatten uns in all den Jahren<br />
aus den <strong>Aug</strong>en verloren. Aber das bedeutete<br />
nichts. Sie hatte geheiratet, sich scheiden lassen,<br />
wieder geheiratet, sich wieder scheiden lassen. Sie<br />
sagte zu mir, ich sei der beste Freund in ihrer Jugend<br />
gewesen. Sie sagte, ich solle mich nicht wundern, aber<br />
sie wolle mir das Geld zurückgeben, das ich damals<br />
für ihre Rückfahrt aus München ausgelegt habe. Sie<br />
habe kein Glück mit Männern, sagte sie. Sie habe sich<br />
als Vierzehnjährige in Superman verliebt, das sei ihr<br />
Ver hängnis gewesen. Und dann erzählte sie mir von<br />
ihrem Nachmittag im Haus von Mark Spitz in Modesto<br />
in Kalifornien.<br />
Und was soll ich sagen: Ich glaubte ihr.<br />
„Glaubst du mir?“, fragte sie.<br />
„Ich glaube dir“, sagte ich.<br />
„Hundertprozentig?“<br />
„Hundertprozentig.“<br />
Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören<br />
im Podcast-Kanal von The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf allen<br />
gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast<br />
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Art Direction<br />
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Grafik<br />
Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit,<br />
Kevin Goll<br />
Fotoredaktion<br />
Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.),<br />
Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör<br />
Digitalredaktion<br />
Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot,<br />
Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez<br />
Angelina, Benjamin Sullivan<br />
Head of Audio<br />
Florian Obkircher<br />
Special Projects<br />
Arek Piatek<br />
Chefin vom Dienst<br />
Marion Lukas-Wildmann<br />
Managing Editor<br />
Ulrich Corazza<br />
Publishing Management<br />
Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek<br />
Managing Director<br />
Stefan Ebner<br />
Head of Media Sales & Partnerships<br />
Lukas Scharmbacher<br />
Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger<br />
Projektmanagement Co-Publishing,<br />
B2B-Marketing & Communication<br />
Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz,<br />
Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B),<br />
Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner<br />
(Communication), Jennifer Silberschneider<br />
Creative Services<br />
Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka,<br />
Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart<br />
Commercial Management Co-Publishing<br />
Alexandra Ita<br />
Editorial Co-Publishing<br />
Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann,<br />
Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser<br />
Executive Creative Director Markus Kietreiber<br />
Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz<br />
Art Direction Commercial & Co-Publishing<br />
Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Simone Fischer,<br />
Martina Maier, Andreea Parvu, Alexandra Schendl,<br />
Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie<br />
Weidinger, Stephan Zenz<br />
Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm,<br />
Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar<br />
Anzeigenservice<br />
Manuela Brandstätter, Monika Spitaler<br />
Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.),<br />
Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig<br />
Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis,<br />
Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher<br />
Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger<br />
MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler<br />
Operations Melanie Grasserbauer,<br />
Alexander Peham, Yvonne Tremmel<br />
Projekt Management<br />
Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer<br />
Assistant to General Management Sandra Artacker<br />
Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer<br />
Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien<br />
Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809<br />
Web redbulletin.com<br />
Medieninhaber, Verlag & Herausgeber<br />
<strong>Red</strong> Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-<br />
Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i,<br />
Landesgericht Salzburg, ATU63611700<br />
Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz,<br />
Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber<br />
THE RED BULLETIN<br />
Deutschland, ISSN 2079-4258<br />
Länderredaktion<br />
David Mayer<br />
Lektorat<br />
Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert,<br />
Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-<br />
Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham,<br />
Vera Pink<br />
Country Project Management<br />
Nina Hahn<br />
Media Sales & Partnerships<br />
Thomas Hutterer (Markenlead),<br />
Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />
Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />
Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />
Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />
Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />
Jennifer Sabejew, Johannes<br />
Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />
Sochor, Ute Wolker, Christian<br />
Wörndle, Sabine Zölß<br />
Abo<br />
Abopreis: 21,90 EUR,<br />
10 Ausgaben/Jahr,<br />
getredbulletin.com,<br />
abo@de.redbulletin.com<br />
Druck<br />
Quad/Graphics Europe Sp. z o. o.,<br />
Pułtuska 120, 07-200 Wyszków,<br />
Polen<br />
THE RED BULLETIN<br />
Frankreich, ISSN 2225-4722<br />
Länderredaktion<br />
Pierre-Henri Camy<br />
Country Coordinator<br />
Christine Vitel<br />
Country Project Management<br />
Alexis Bulteau<br />
THE RED BULLETIN<br />
Großbritannien, ISSN 2308-5894<br />
Länderredaktion<br />
Tom Guise (Ltg.),<br />
Lou Boyd<br />
Lektorat<br />
Davydd Chong (Ltg.),<br />
Nick Mee<br />
Publishing Management<br />
Ollie Stretton<br />
Media Sales<br />
Mark Bishop,<br />
mark.bishop@redbull.com<br />
Fabienne Peters,<br />
fabienne.peters@redbull.com<br />
THE RED BULLETIN<br />
Österreich, ISSN 1995-8838<br />
Länderredaktion<br />
Wolfgang Wieser<br />
Lektorat<br />
siehe entsprechenden Eintrag<br />
bei Deutschland<br />
Publishing Management<br />
Bernhard Schmied<br />
Media Sales & Partnerships<br />
Thomas Hutterer (Markenlead),<br />
Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />
Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />
Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />
Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />
Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />
Jennifer Sabejew, Johannes<br />
Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />
Sochor, Ute Wolker, Christian<br />
Wörndle, Sabine Zölß<br />
Sales Operations & Development<br />
Anna Schönauer (Ltg.),<br />
David Mühlbacher<br />
THE RED BULLETIN<br />
Schweiz, ISSN 2308-5886<br />
Länderredaktion<br />
Stefania Telesca<br />
Lektorat<br />
siehe entsprechenden Eintrag<br />
bei Deutschland<br />
Country Project Management<br />
Meike Koch<br />
Media Sales & Brand Partnerships<br />
Stefan Brütsch (Team Lead),<br />
stefan.bruetsch@redbull.com<br />
Marcel Bannwart,<br />
marcel.bannwart@redbull.com<br />
Christian Bürgi,<br />
christian.buergi@redbull.com<br />
Jessica Pünchera,<br />
jessica.puenchera@redbull.com<br />
Goldbach Publishing<br />
Marco Nicoli,<br />
marco.nicoli@goldbach.com<br />
THE RED BULLETIN USA<br />
ISSN 2308-586X<br />
Länderredaktion<br />
Peter Flax (Ltg.),<br />
Nora O’Donnell<br />
Lektorat<br />
David Caplan<br />
Publishing Management<br />
Branden Peters<br />
Media Network Communications<br />
& Marketing Manager<br />
Brandon Peters<br />
Media Sales<br />
Todd Peters,<br />
todd.peters@redbull.com<br />
Dave Szych,<br />
dave.szych@redbull.com<br />
Tanya Foster,<br />
tanya.foster@redbull.com<br />
96 THE RED BULLETIN
NICHT NUR IN TERMINEN<br />
SCHWIMMEN?
N I C O L A S M A H L E R S<br />
S P I T Z F E D E R L I C H E S C H A R A K T E R - K A B I N E T T<br />
Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 14. September <strong>2021</strong>.<br />
NICOLAS MAHLER<br />
98 THE RED BULLETIN
3 TIPPS<br />
VON JEDEM GAST<br />
FÜR DEINEN ALLTAG<br />
Pioniere unserer Zeit sprechen über<br />
die innovativen Rezepte hinter ihrem Erfolg.<br />
Jeden Montag – überall, wo es Podcasts gibt.<br />
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ZEITNEHMER OLYMPISCHER TRÄUME SEIT 1932<br />
Alle Athleten haben einen Traum. Er lebt in ihren Herzen<br />
und lässt sie nach dem Sieg greifen. An den Olympischen<br />
Spielen in Tokio wird diesen Träumen eine Bühne gegeben.<br />
Es ist der Moment, an dem Inspiration auf Leistungskraft<br />
trifft, Ehrgeiz auf Präzision, und an dem der Offizielle<br />
Zeitnehmer OMEGA dies alles festhält.