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Pirouette No. 06/2021 Juli + August

Tamara Moskvina Fragt man die Grande Dame des Paarlaufs nach ihrem Alter, scherzt sie gern: „Ich bin 20, 20 vor 100.“ Moskvina ist jung geblieben, das Wort Ruhestand gehört nicht zum umfangreichen Wortschatz der weltbekannten Trainerin. Die Olympiasaison steht vor der Tür, und sie trainiert mit Anastasia Mishina/Alexander Galliamov und Alexandra Boikova/Dmitrii Kozlovskii gleich zwei Duos, die Anspruch auf eine Medaille in Peking erheben. … Topthemen: · Tamara Moskvinas 80. Geburtstag · Juni-Training in Berlin & Oberstdorf · Wettbewerbsliste 2021 - 22 Weiteres aus dem Inhalt: · Geburtstag: Tamara Moskvina wurde 80 · Interview: Dmitri Aliev · Interview: Kristina Isaev · Interview: Loena Hendrickx · Aljona Savchenkos neuer Partner. Start für die USA? · Nebelhorn Trophy Vorschau · Wer startet wo beim Grand Prix? Die aktuelle ISU-Liste · Wettbewerbe der kommenden Saisons. Die Liste 2021 bis 2024 · Juni-Training in Berlin · Juni-Training in Oberstdorf · Sommertraining: Neues aus Russland. Rachmaninov für Sinitsina/Katsalapov, Stepanova/Bukin wollen überraschen, Danielian plant Comeback, Pavliuchenko/Khodykin und der „Black Swan“, Neuer Schwung für Europameister Dmitri Aliev · Neues aus Japan: Yuma Kagiyama ist „Eisläufer des Jahres“, Kochen mit Marin Honda · Pride - Eisläufer outen sich · Beschlüsse des ISU-Kongresses · Buchrezension: Guillaume Cizeron - Ma plus belle victoire · Eislaufgeschichte: Heinz Lindner, Ein Meistertrainer von sporthistorischer Dimension · Neues aus aller Welt Titelbild: Tamara Moskvina mit Anastasia Mishina & Alexander Galliamov: Die weltbekannte Trainerin feierte im Juni 80. Geburtstag, aber das Wort Ruhestand gehört nicht zu Moskvinas umfangreichem Wortschatz. Die Olympiasaison steht vor der Tür, und sie trainiert mit den aktuellen Weltmeistern Anastasia Mishina/Alexander Galliamov. Foto: Tatjana Flade

Tamara Moskvina

Fragt man die Grande Dame des Paarlaufs nach ihrem Alter, scherzt sie gern: „Ich bin 20, 20 vor 100.“ Moskvina ist jung geblieben, das Wort Ruhestand gehört nicht zum umfangreichen Wortschatz der weltbekannten Trainerin. Die Olympiasaison steht vor der Tür, und sie trainiert mit Anastasia Mishina/Alexander Galliamov und Alexandra Boikova/Dmitrii Kozlovskii gleich zwei Duos, die Anspruch auf eine Medaille in Peking erheben. …

Topthemen:
· Tamara Moskvinas 80. Geburtstag
· Juni-Training in Berlin & Oberstdorf
· Wettbewerbsliste 2021 - 22

Weiteres aus dem Inhalt:
· Geburtstag: Tamara Moskvina wurde 80
· Interview: Dmitri Aliev
· Interview: Kristina Isaev
· Interview: Loena Hendrickx
· Aljona Savchenkos neuer Partner. Start für die USA?
· Nebelhorn Trophy Vorschau
· Wer startet wo beim Grand Prix? Die aktuelle ISU-Liste
· Wettbewerbe der kommenden Saisons. Die Liste 2021 bis 2024
· Juni-Training in Berlin
· Juni-Training in Oberstdorf
· Sommertraining: Neues aus Russland. Rachmaninov für Sinitsina/Katsalapov, Stepanova/Bukin wollen überraschen, Danielian plant Comeback, Pavliuchenko/Khodykin und der „Black Swan“, Neuer Schwung für Europameister Dmitri Aliev
· Neues aus Japan: Yuma Kagiyama ist „Eisläufer des Jahres“, Kochen mit Marin Honda
· Pride - Eisläufer outen sich
· Beschlüsse des ISU-Kongresses
· Buchrezension: Guillaume Cizeron - Ma plus belle victoire
· Eislaufgeschichte: Heinz Lindner, Ein Meistertrainer von sporthistorischer Dimension
· Neues aus aller Welt

Titelbild:
Tamara Moskvina mit Anastasia Mishina & Alexander Galliamov:
Die weltbekannte Trainerin feierte im Juni 80. Geburtstag, aber das Wort Ruhestand gehört nicht zu Moskvinas umfangreichem Wortschatz. Die Olympiasaison steht vor der Tür, und sie trainiert mit den aktuellen Weltmeistern Anastasia Mishina/Alexander Galliamov.

Foto: Tatjana Flade

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2<br />

Tamara Moskvina<br />

Geburtstag<br />

Tamara Moskvina, hier mit<br />

Anastasia Mishina beim Training<br />

Foto: Flade<br />

Das Glück der<br />

Tamara Moskvina<br />

Eine legendäre Trainerin feierte ihren 80. Geburtstag<br />

Tamara Moskvina ist eigentlich ständig in Bewegung. Ob sie nun auf dem Eis mit<br />

ihren Paaren arbeitet, irgendwohin unterwegs ist oder einen Gastchoreographen,<br />

ein Interview, eine Reise oder sonst etwas organisiert – die weltbekannte Trainerin<br />

hat viel zu tun. Am 26. Juni feierte sie ihren 80. Geburtstag, aber das Wort Ruhestand<br />

gehört nicht zu Moskvinas umfangreichem Wortschatz. Die Olympiasaison steht vor<br />

der Tür und sie trainiert mit den aktuellen Weltmeistern Anastasia Mishina/Alexander<br />

Galliamov und den WM-Dritten Alexandra Boikova/Dmitrii Kozlovskii gleich zwei<br />

Duos, die Anspruch auf eine Medaille in Peking erheben. Wie soll da ein geruhsames<br />

Rentnerleben möglich sein? Fragt man die Grande Dame des Paarlaufs nach ihrem<br />

Alter, scherzt sie gern: „Ich bin 20, 20 vor 100.“ Wie ihr früherer Paarlaufpartner<br />

Alexei Mishin, der im März ebenfalls 80 wurde, ist Moskvina jung geblieben.<br />

Vier Tage bevor Tamara Bratus 1941 im damaligen<br />

Leningrad geboren wurde, hatte das nationalsozialistische<br />

Deutschland die Sowjetunion<br />

überfallen und den Zweiten Weltkrieg in das<br />

Land getragen. Als sie zehn Jahre alt war,<br />

schenkte ihr Vater ihr Schlittschuhe ohne zu<br />

ahnen, was für eine einmalige Karriere daraus<br />

werden sollte. Die Tochter hatte nicht sofort Erfolg.<br />

Aber als sie 16 Jahre alt war, wurde sie<br />

Schülerin des aufstrebenden Trainers Igor Moskvin,<br />

der sie 1962 zu ihrem ersten sowjetischen<br />

Meistertitel führte. Insgesamt fünfmal wurde<br />

sie Landesmeisterin, ihr bestes Resultat bei der<br />

EM war Rang 14 im Jahr 1965. Was wenige<br />

wissen – sie hat als erste die Biellmann-<strong>Pirouette</strong><br />

in Wettbewerben gezeigt, noch bevor die<br />

Schweizer Namensgeberin Denise Biellmann, die<br />

dieses Element später perfektionierte, überhaupt<br />

auf Schlittschuhen stand. „Mein ganzes Leben<br />

lang habe ich mich für mittelmäßig gehalten<br />

und für nicht besonders fähig. Ich brauchte lange,<br />

um etwas zu lernen, und deswegen habe ich<br />

versucht das auszugleichen, in dem ich mehr<br />

trainierte, mehr wiederholt habe, mehr von anderen<br />

gelernt habe. Als ich (erstmals) auf dem<br />

Podium ganz oben stand, war das für mich unerwartet“,<br />

sagt sie. Sie heiratete ihren Trainer<br />

im Jahr 1964 und er hatte die Idee, dass sie<br />

Paarläuferin werden sollte. 1965 ging sie mit<br />

Alexander Gavrilov an den Start und gewann<br />

nicht nur in Einzel-, sondern auch im Paarlauf –<br />

allerdings fehlten bei der sowjetischen Meisterschaft<br />

die damaligen Spitzenpaare. Moskvin<br />

hatte trotz des Erfolges einen anderen Partner<br />

im Blick, den er für besser hielt: Alexei Mishin.<br />

Damit landete der Coach einen Treffer, denn das<br />

Duo Moskvina/Mishin war seiner Zeit technisch<br />

voraus. Beide waren gute Einzelläufer und beherrschten<br />

schwierigere Elemente als die Konkurrenz,<br />

wurden aber auch eben dafür kritisiert.<br />

Moskvina/Mishin gewannen EM-Silber und<br />

Bronze sowie WM-Silber 1968 und 1969. Bei<br />

den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble belegten<br />

sie den fünften Rang.<br />

Moskvina beendete ihre Karriere 1969 und begann<br />

wie ihr Eispartner ihren langen Berufsweg,<br />

der sie zu der erfolgreichsten Paarlauftrainerin<br />

der Welt werden ließ. „Jeden Tag in der Trainerkarriere<br />

gibt es gute und schlechte Momente“,<br />

kommentiert Moskvina. „Wichtig ist es, sich<br />

Übungen auszudenken oder den richtigen Zugang<br />

zu einem bestimmten Sportler zu finden.<br />

Daher misst sich der Erfolg des Trainers nicht an<br />

der Anzahl der Medaillen und Titel, die die<br />

Schüler gewinnen, sondern daran, wie du dich<br />

als Trainer entwickelst, Erfahrung sammelst und<br />

Probleme löst.“ Die Zahl der Medaillen sollte jedoch<br />

nicht unterschlagen werden – Moskvinas<br />

Paare haben inzwischen 69 Medaillen bei EM,<br />

WM und Olympischen Spielen angesammelt. Sie<br />

betont, dass sie alle Grundlagen von ihrem im<br />

vergangenen <strong>No</strong>vember im Alter von 91 Jahren<br />

verstorbenen Ehemann erhalten habe. Zu diesem<br />

Wissen kamen ihr Enthusiasmus und ihr Innovationsgeist.<br />

Weniger als zehn Jahre nach<br />

Beginn ihrer Trainerlaufbahn und trotz kurzer<br />

Babypausen nach den Geburten der Töchter<br />

Anna und Olga führte Moskvina das Paar Irina<br />

Vorobieva/Alexander Vlasov 1976 und 1977 zu<br />

Medaillen bei EM und WM, 1981 Vorobieva und<br />

ihren neuen Partner Igor Lisovski zum WM-Titel.<br />

Danach ging es Schlag auf Schlag: 1984 wurde<br />

Moskvinas Paar Elena Valova/Oleg Vasiliev<br />

Olympiasieger und 1988 Zweite. 1992 in Albertville<br />

standen mit Natalia Mishkutenok/Artur<br />

Dmitriev und Elena Bechke/Denis Petrov sogar<br />

zwei Moskvina-Paare auf den obersten Stufen<br />

des Podests. 1998 wiederholte die Trainerin diesen<br />

Erfolg mit Oksana Kazakova/Artur Dmitriev<br />

und Elena Berezhnaia/Anton Sikharulidze.<br />

„Glück ist, wenn bei den Olympischen Spielen<br />

1992 und 1998 zwei meiner Paare den ersten<br />

und zweiten Platz belegen“, sagt Moskvina.<br />

2002 holten Berezhnaia/Sikharulidze olympisches<br />

Gold in Salt Lake City. Sie waren 1999 die<br />

letzten Weltmeister aus Moskvinas Schule, bis<br />

Mishina/Galliamov in Stockholm siegten. Dazwischen<br />

waren die zweimaligen Europameister<br />

Yuko Kawaguti/Alexander Smirnov das erfolgreichste<br />

Paar der Startrainerin.<br />

Die Arbeit mit zwei Top-Paaren wie aktuell ist<br />

nichts Neues für Moskvina. „Ich teile mein Gehirn<br />

in zwei Hälften – auf der einen Seite habe<br />

ich das eine, auf der anderen das zweite Paar –<br />

und es ist so, also ob die eine Hälfte nicht wisse,<br />

was die andere tut“, verrät die Trainerin. „Im<br />

Wettkampf hebe ich die Barriere auf und sie<br />

zeigen, was wir mit ihnen erarbeitet haben.“<br />

Die Atmosphäre im Training sei freundschaftlich<br />

und es gebe keine Eifersucht. „Einem alleine<br />

ist es doch langweilig. Und im Wettkampf<br />

entscheide nicht ich, welches Paar vorne ist.<br />

Das hängt von den Preisrichtern, von der Leistung,<br />

von so vielen Faktoren ab.“<br />

Obwohl Mosvkina, diese „kleine große Frau“ wie<br />

einst eine russische Journalistin sie treffend beschrieb,<br />

so energiegeladen wie eh und je ist, will<br />

sie nach der Olympiasaison kein Paar mehr verantwortlich<br />

betreuen. Dann soll ihr Assistent<br />

Artur Minchuk komplett übernehmen. Aber von<br />

Ruhestand ist keine Rede. „Ich werde vielleicht<br />

noch Sportler beraten, ein Buch schreiben oder<br />

etwas für die Gesellschaft tun. Es gibt viele Optionen.<br />

Aber jetzt konzentriere ich mich auf ein<br />

Ziel – ich bereite meine Paare auf den wichtigsten<br />

Wettkampf ihrer Karriere vor“, sagt sie.<br />

Was ist Glück für eine Frau wie Tamara<br />

Moskvina, die nicht nur ihren geliebten Sport<br />

weiterentwickelt, sondern auch viele junge<br />

Menschen für das Leben ausgebildet hat? „Das<br />

Leben ist Glück für mich, denn es bringt unterschiedliche<br />

Emotionen, Aktivitäten und Begegnungen<br />

mit sich.<br />

Alles das ermöglicht es mir, erfolgreich durch<br />

das Labyrinth des Lebens zu gehen und immer<br />

einen glücklichen Ausweg zu finden. Wenn ich<br />

in eine Sackgasse gerate, klage ich nicht, sondern<br />

versuche, diese Ecke ruhig zu umgehen,<br />

und setze meinen Weg gut gelaunt fort.“<br />

<br />

Tatjana Flade<br />

Tamara Moskvina im Internet:<br />

Dokumentation auf youtube (auf Russisch):<br />

https://youtu.be/KxReZiqGIYM

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