WOLL Magazin 2021.2 Sommer I Meschede, Bestwig, Olsberg
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Schäferkarren zählen zu den ältesten Fahrzeugen<br />
der Menschheit. Sie wurden gebaut, damit die<br />
Hirten auch in der Nacht in der Nähe ihrer Herde<br />
bleiben konnten. In Bachum hat Stefan Kemper einen<br />
Schäferwagen nachgebaut. Ohne Planskizze, aber mit viel<br />
Herzblut. Sein Urgroßvater Heinerich war Schäfer. Da<br />
fließt wohl immer noch Schäferblut durch seine Adern...<br />
Im Garten von Stefan Kemper steht ein Schäferkarren. Ein<br />
schmuckes Teil. Der Einachser hat das typische Rundbogendach.<br />
Über ein Zwei-Stufen-Treppchen gelangt man ins Innere.<br />
Und das ist genauso gemütlich, wie es das Äußere verspricht.<br />
Zwei Seitenbänke, eine Querbank,<br />
überall kuschelige Schaffelle. Ein kleiner,<br />
schwarzer Gussofen sorgt auch im Winter<br />
für angenehme Wärme. „Man muss<br />
die Temperatur natürlich immer wieder<br />
regulieren und stochern, sonst wird es<br />
zu warm im Schäferkarren“, erzählt<br />
Stefan Kemper, der das letzte Silvesterfest<br />
hier mit seiner Familie und den<br />
Ex-Nachbarn verbracht hat. Stilechter<br />
kann man als Urenkel eines Schäfers<br />
kaum feiern.<br />
Ja, Stefan Kemper‘s Urgroßvater war<br />
Schäfer. Zunächst auf dem Hof Ebel<br />
in Vosswinkel. Später errichtete er<br />
das Haus, das seit 1848 auf der gegenüberliegenden<br />
Straßenseite liegt. Er kaufte nach und nach<br />
Land und Tiere hinzu - Kühe und Schweine – und aus der<br />
Schäferei wurde ein Bauernhof. Auf diesem Bauernhof wurde<br />
Stefan Kemper mit seinen Geschwistern groß.<br />
Aus Langeweile erwächst Kreativität<br />
Heute ist der 60-Jährige, der zwölf Jahre lang Schützenoberst<br />
der St. Isidor-Schützenbruderschaft war, Maschinenbau-<br />
Schlosser. Einer, der eigentlich immer gut beschäftigt ist, aber<br />
im letzten Winter – wie viele andere auch – sehr viel Zeit hatte.<br />
Zu viel Zeit – wie er fand, deshalb wurde ihm langweilig.<br />
Dann kam ein Gedanke wieder in ihm hoch, den er schon<br />
länger in sich trug: „ So ein Schäferwagen ist ja auch etwas<br />
Schönes. Man könnte sich oben am Wald hinstellen und dann<br />
einen Rundgang machen, mal ein Bier trinken...“<br />
Gedacht, getan. Schließlich hat Stefan Kemper ausreichend<br />
Platz in seiner Scheune, eine gutausgestattete Werkstatt ebenfalls.<br />
Ein altes Fahrgestell hatte er geerbt.<br />
„Und dann habe ich mir überlegt, wie mache ich das denn am<br />
besten.“ Und so ging er ans Werk: „Zunächst mit U-Eisen,<br />
ein Rahmen wurde untendrunter geschraubt und dann kamen<br />
die Bretter für den Fußboden.“ Eine Zeichnung für den<br />
Bau gab es nicht: „Ich hatte alles nur Kopf.“ Und der ließ ihm<br />
meist nur noch wenig Ruhe: „Kurz vor dem Einschlafen habe<br />
ich dann immer überlegt: Wie mache ich es denn am besten?“<br />
Schäferkarren<br />
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren<br />
Schäferkarren (Schlupfkarren) so niedrig,<br />
dass sie nur auf Knien begangen werden<br />
konnten. Erst ab dem 19. Jahrhundert<br />
konnte man darin auch stehen. Aus den<br />
Schäferwagen entstanden die Wagen der<br />
Schausteller und Zirkusleute.<br />
<strong>WOLL</strong> <strong>Sommer</strong> 2021 - 91