WOLL Magazin 2021.2 Sommer I Meschede, Bestwig, Olsberg
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langsam (…), dann der vierte Gang<br />
mit Vollgas. Bis an den Klemmpunkt.<br />
Hier hörte man ein Klingeln. Motor<br />
abstellen, fünf Minuten warten und<br />
das Gleiche noch einmal, bis der Motor<br />
frei lief. Verpasste man den Klemmpunkt,<br />
blockierte der Motor und ein<br />
Sturz über die Lenkung war sicher - ich<br />
habe genug Stürze hinter mir! Bis dahin<br />
war die Maschine in der Federung<br />
noch kno chenhart. Jetzt ging es auf<br />
der Langen Wende durch die tiefsten<br />
Schlaglöcher. Immer wieder auf den<br />
Rasten stehend, bis die Federung weich<br />
wurde.“ Nach dieser Prozedur kam die<br />
Maschine in den Verpackungsraum,<br />
wurde geputzt und verpackt, danach<br />
per Hand zum Bahnhof geschoben.<br />
Manchmal aber auch - heimlich - gefahren,<br />
„mit Verpackung, so schnell<br />
wurde der Auspuff auch nicht heiß.“<br />
Angekommen sind wohl doch alle Motorräder<br />
- bis nach Mexiko und Uruguay<br />
wurde in der Blütezeit exportiert.<br />
Zurück zu den Anfängen<br />
Nachdem RMW Ende der 20er Jahre<br />
eigene Motoren baute und sich mit<br />
einfachen, aber robusten Maschinen<br />
zum günstigen Preis am Markt präsentieren<br />
wollte, musste preiswert in Serie<br />
produziert werden. Die riesigen Räumlichkeiten<br />
(ca. 3.000 qm Nutzfläche)<br />
an der Langen Wende wurden konsequent<br />
umgebaut, ein Lastenaufzug bis<br />
unters Dach und sogar ein Montageband<br />
eingebaut.<br />
Die Motorradproduktion stieg in<br />
den 20er Jahren in Deutschland<br />
explosions artig an, aus dem Luxusobjekt,<br />
das das Motorrad vor dem 1.<br />
Weltkrieg gewesen war, wurde langsam<br />
ein Gebrauchsgegenstand, für viele<br />
Menschen bezahlbar.<br />
Eine neues Label<br />
Die Weltwirtschaftskrise machte dann<br />
auch vor der Motorradproduktion<br />
in Deutschland nicht halt. Nach ca.<br />
195.000 produzierten Motorrädern im<br />
Jahr 1929 wurden im Jahr 1932 noch<br />
ganze 36.262 gebaut. Die RMW verkauften<br />
ihre Motorräder inzwischen<br />
unter einem neuen Label: “Phönix“.<br />
Nach der Machtübernahme durch die<br />
Nationalsozialisten werden Organisationen<br />
wie etwa das Nationalsozialistische<br />
Kraftfahrer-Korps (NSSK)<br />
geschaffen, die Rahmenbedingungen<br />
für die Produktion in Neheim ändern<br />
sich, wenn auch unter dunklen<br />
Vorzeichen, zunächst positiv.<br />
Ein weiterer Gebäudekomplex an<br />
der Langen Wende wird als „Werk<br />
II“ in die Firma eingebunden, und<br />
1936/1937 wird schließlich die insgesamt<br />
10.000te Maschine gefertigt<br />
- im Vergleich zu Marktführern wie<br />
Zündapp (200.000 Maschinen von<br />
1921 - 1938) waren die Sauerländer allerdings<br />
doch eher bescheidene „Player“<br />
auf dem Motorrad-Markt. Die<br />
Motorräder wurden teilweise direkt ab<br />
dem Neheimer Werk vertrieben, ansonsten<br />
setzt man auf Fachhändler. Aus<br />
heutiger Sicht sicher ungewöhnlich:<br />
Die Händler organisierten selbstständig<br />
Werbefahrten und nahmen sogar<br />
an Touren und Rennen teil, schalteten<br />
Anzeigen und klebten Plakate, um den<br />
Vertreib anzukurbeln. Vertriebspartner<br />
gab es unter anderem in Bielefeld,<br />
Siegen, Dortmund, Münster, Bremen,<br />
Mannheim und Dresden.<br />
<strong>WOLL</strong> <strong>Sommer</strong> 2021 - 39