WOLL Magazin 2021.2 Sommer I Meschede, Bestwig, Olsberg
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Georg Jakobys Herz schlägt für schöne Oldtimer!<br />
In diesem kleinen Heimwerker-Paradies versetzt Georg Jakoby<br />
seinen F125 wieder in perfekten Zustand.<br />
Der Kleinschnittger wurde ähnlich<br />
einem Handrasenmäher mit einem<br />
Seilzug gestartet. Er war sehr einfach<br />
in der Wartung und besaß günstige<br />
Ersatzteilpreise. Bei einem defekten<br />
Gummiring konnte man zur Not auf<br />
einen Gummiring vom Weck-Glas<br />
ausweichen. Alles sollte erschwinglich<br />
sein und trotzdem den Komfort eines<br />
Autos bieten.<br />
Kleinschnittger erregte mit seinen<br />
Plänen sofort mediale Aufmerksamkeit,<br />
aber es blieb ein weiter Weg vom<br />
ersten Prototyp bis zur Serienreife.<br />
Auch der TÜV musste erst überzeugt<br />
werden.<br />
Ein „Volkswagen aus<br />
dem Sauerland“?<br />
In seiner Überlegung, wo das Autowerk<br />
entstehen sollte, kam Kleinschnittger<br />
auf seine Heimat zurück, da<br />
hier bereits viele Automobilzulieferer<br />
ansässig waren. In Arnsberg bot man<br />
ihm dann die Gelegenheit, ein Werk zu<br />
errichten, in dem rund 50 Mitarbeiter<br />
mit viel Handarbeit ab 1950 die ersten<br />
Automobile bauten. Ein Geldgeber<br />
war jedoch vonnöten, um dies Projekt<br />
zu stemmen. Die Presse jubelte<br />
ob des „Volkswagens aus dem Sauerland“,<br />
aber es wurde sehr schwer, sich<br />
auf dem Markt durchzusetzen. Die<br />
Ansprüche der Menschen wuchsen in<br />
der Wirtschaftswunderzeit rasant und<br />
Konkurrenten wie Isetta, Goggomobil<br />
und Lloyd setzten frühzeitig auf mehr<br />
Komfort bei nahezu gleichem Preis.<br />
Ein Visionär und Sauerländer<br />
Kleinschnittger war ein Visionär mit<br />
großem Können, aber auch ein echter<br />
Sauerländer Dickschädel, der<br />
nicht unbedingt auf wohlgemeinte<br />
Kritik hörte. Als sein Geldgeber ausstieg<br />
und auch die Hausbank ihr Geld<br />
zurück verlangte, wurde es sehr eng<br />
für das junge Unternehmen. Nach<br />
rund 2.000 produzierten Wagen verschiedener<br />
Modelle musste Kleinschnittger<br />
1957 Insolvenz anmelden.<br />
Da er zumindest noch Ersatzteile<br />
aus der Konkursmasse kaufen konnte,<br />
gelang es ihm, sich noch zehn Jahre<br />
mit Ersatzteilgeschäften über Wasser<br />
zu halten.<br />
Paul Kleinschnittger starb 1989 in<br />
Bontkirchen, nur wenige Kilometer<br />
entfernt von seinem Geburtsort. Auf<br />
seinem Grabstein war ein stilisiertes<br />
Kleinschnittger-Mobil, das an sein<br />
Lebenswerk erinnern sollte.<br />
Einige Exemplare gibt<br />
es heute noch<br />
Viele Menschen hat sein Kleinstwagen<br />
begeistert, nicht nur in den 1950er<br />
Jahren. Einige liebevoll gepflegte Exemplare<br />
existieren heute noch. So<br />
bin ich mit Rudi Heppe (61) aus<br />
Radlinghausen zu seinem Oldtimerfreund<br />
Georg Jakoby (65) direkt über<br />
die Kreisgrenze nach Bad Wünnenberg-Fürstenberg<br />
gefahren. Dort steht<br />
ein originaler Kleinschnittger F125,<br />
den Jakoby kürzlich erstanden hat und<br />
der nun mit größter Sorgfalt wieder<br />
hergerichtet wird.<br />
Die Augen der Männer strahlen, wenn<br />
sie gemeinsam über das Auto fachsimpeln<br />
und das eine oder andere Anekdötchen<br />
erzählen von diesem kleinen<br />
Floh. „Ausfahrten machen wir nur<br />
kleine, gemütliche,“ verrät mit Jakoby.<br />
„Er kommt dann so auf Tempo<br />
50, es sein denn, man hat Gegenwind,<br />
fährt bergauf oder hat einen Passagier<br />
an Bord.“ „Die Menschen schauen<br />
begeistert hinter dem Wagen her“,<br />
schwärmt Heppe. „weicht er doch so<br />
stark in Form und Größe von dem ab,<br />
was aktuell gebaut wird!“ ■<br />
36 - <strong>WOLL</strong> <strong>Sommer</strong> 2021