WOLL Magazin 2021.2 Sommer I Meschede, Bestwig, Olsberg

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05.07.2021 Aufrufe

Die Anfänge der Mobilität im Sauerland Christel Zidi Kreisarchiv des Hochsauerlandkreises & Sammlung Bernd Schulte Vor der alten Post in Fredeburg Auto, Bus und Bahn – lau ter Selbstverständ lichkeiten im 21. Jahrhundert. Aber wie sah es vor diesen Erfindungen aus? Wie kamen die Menschen von A nach B? Und wann zog die Mobilität, so wie wir sie kennen, ins Sauerland ein? Susi Frank arbeitet als Historikerin im Archiv des Hochsauerlandkreises und hat sich für uns auf die Suche nach den Anfängen der Mobilität gemacht. Sie hat in alten Büchern geblättert und in Urkunden gestöbert und dabei so einige Schätze ausgegraben. WOLL: Ein ausreichendes Wegeund Straßennetz, eine gute Infrastruktur wie wir es heute nennen, gab vor dreihundert Jahren im Sauer land noch nicht… Susi Frank: Aber ein Wegesystem fernab der großen Straßen gab es schon immer. Das waren hauptsächlich größere oder kleine Trampelpfade, die schon seit Jahrhunderten benutzt wurden. Häufig führten die Pfade auf kürzestem Wege zum Ziel und waren daher beschwer lich, weil sie über steile Bergkuppen führten. Oft waren diese Wege nur zu Fuß und in den trockenen Sommermonaten passierbar. Zudem war das Reisen gefährlich. Im dichten Wald des Sauerlandes lauerten viele Gefahren – Räuber, Wildtiere, steile Pfade - oder man wurde vom schlechten Wetter überrascht. Außerdem war Reisen teuer. Es gab noch keine Banken oder Supermärkte. Die Menschen mussten genau planen, wie lange sie unterwegs sein würden. Bei zehn Tagen Wanderung brauchte man ca. fünf Laib Brot oder genügend Münzen. WOLL: Auch vor mehr als 300 Jahren mussten Waren transpor- Chaussee bei Nordenau 24 - WOLL Sommer 2021 Wandernder Mausfallenverkäufer in Meschede

tiert werden. Wie haben das die Sauerländer früher bewerkstelligt? Susi Frank: In einem Korb auf dem Rücken oder am Arm. Ab und zu konnte man auch noch Lastentiere einsetzen, aber die waren für weite Strecken ungeeignet oder zu wertvoll. Falls sie auf einen Räuber treffen, sind sie nicht nur den Korb los, sondern auch den wertvollen Esel. Es gab auch Wanderhändler, die Kiepenkerle, die in der Nebensaison durch die Lande zogen und bei den Bauernfamilien Ware kauften und verkauften. WOLL: Aus der Not heraus erfand der gebürtige Karlsruher Karl Drais 1817 die „Draisine“, auch Laufmaschine genannt und Ur- Form des heutigen Fahrrads. Waren solche Gefährte auch im Sauerland unterwegs? Susi Frank: Draisine oder auch Laufmaschinen ge nannt, waren im Sauerland nicht sehr weit verbreitet. Auf Postkarten aus Arnsberg um 1900 sieht man vereinzelt ei nen Laufmaschinenfahrer. Aber im Großen und Ganzen waren die Städte zu bergig. Auf dem Lande fand das Fahrrad auch erst Verbreitung, als das Wegenetz verbessert wurde, also ca. um 1950. Wer einmal über grobes Kopfsteinpflaster gefahren ist, kann sich gut ein Bild machen. WOLL: Wann und wo fuhren die ersten Postkutschen? Susi Frank: Hier müssen wir etwas unterscheiden. Die erste Botenlinie wurde schon 1601 urkundlich erwähnt. Ernst von Bayern war Kurfürst von Köln und Fürstbischof von Hildesheim. Beide Gebiete verband er mit einem Botensystem von Köln – Arnsberg – Lippe – Hildesheim. Arnsberg wurde als „Botenposten mit Wechselstation“ betrieben. Auf dieser Linie wurden allerdings nur Briefe ausgetauscht. Abseits dieser Linien hatten die Herrscher wenig Interesse die Strecken und Wege auszubauen. Man dachte damals sehr praktisch: Schlechte Wege halten den Feind länger auf. 1742 erhielt Arnsberg dann ein offizielles Postamt, dem die Aufsicht über die Posthaltereien in Meschede, Stock um, Werl und über den Brieftransport von Meschede und Brilon übertragen wurde. Es wurden zwar immer wieder Unternehmungen einer Postkutschenlinie unternommen, das Postkutschennetz auszubauen, aber das schwierige Terrain machte jede Bemühung zunichte. Nach 1816 übernahmen die Preußen die Gebiete des Herzogtums Westfalen und richteten ein preußisches Postnetz ein. Dazu bauten sie die Wege und Straßen aus, sodass auch endlich ein Postkutschenverkehr einsetzen konnte. Aber dann war Rei sen immer noch sehr schwierig, weil die Postkutschen nicht aufeinander getaktet waren. So mussten die Menschen beim Umsteigen manchmal tagelang auf den Anschluss warten. Die Post besaß bis 1838 das Monopol zum Personen- und Gütertransport. Danach wurde der Wettbewerb auch für die Eisenbahn geöffnet. WOLL: Wann fuhr die erste Lokomotive im Sauerland? Susi Frank: Der erste Bau einer Eisenbahnverbindung begann 1859 mit der Ruhr-Sieg-Strecke (Hagen – Siegen). Dadurch wurde das westliche Sauerland mit dem heutigen Märkischen Kreis und Kreis Olpe erschlossen. Davon zweigten verschiedene Linien ab. Das Hochsauerland wurde durch die Obere Ruhrtalbahn (Schwerte – Warburg) ab 1870 an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Winterberg wurde über die Gasthof Anton Lukas, Endorf,1900. Der Schlossbergtunnel bei Anrsberg WOLL Sommer 2021 - 25

Die Anfänge der Mobilität im Sauerland<br />

Christel Zidi<br />

Kreisarchiv des Hochsauerlandkreises & Sammlung Bernd Schulte<br />

Vor der alten Post in Fredeburg<br />

Auto, Bus und Bahn – lau ter<br />

Selbstverständ lichkeiten<br />

im 21. Jahrhundert. Aber<br />

wie sah es vor diesen Erfindungen<br />

aus? Wie kamen die Menschen von<br />

A nach B? Und wann zog die Mobilität,<br />

so wie wir sie kennen, ins<br />

Sauerland ein?<br />

Susi Frank arbeitet als Historikerin<br />

im Archiv des Hochsauerlandkreises<br />

und hat sich für uns<br />

auf die Suche nach den Anfängen<br />

der Mobilität gemacht. Sie hat in<br />

alten Büchern geblättert und in<br />

Urkunden gestöbert und dabei so<br />

einige Schätze ausgegraben.<br />

<strong>WOLL</strong>: Ein ausreichendes Wegeund<br />

Straßennetz, eine gute Infrastruktur<br />

wie wir es heute nennen,<br />

gab vor dreihundert Jahren im<br />

Sauer land noch nicht…<br />

Susi Frank: Aber ein Wegesystem<br />

fernab der großen Straßen gab es<br />

schon immer. Das waren hauptsächlich<br />

größere oder kleine Trampelpfade,<br />

die schon seit Jahrhunderten<br />

benutzt wurden. Häufig führten die<br />

Pfade auf kürzestem Wege zum Ziel<br />

und waren daher beschwer lich, weil<br />

sie über steile Bergkuppen führten.<br />

Oft waren diese Wege nur zu Fuß<br />

und in den trockenen <strong>Sommer</strong>monaten<br />

passierbar. Zudem war das Reisen<br />

gefährlich. Im dichten Wald des<br />

Sauerlandes lauerten viele Gefahren<br />

– Räuber, Wildtiere, steile Pfade -<br />

oder man wurde vom schlechten<br />

Wetter überrascht.<br />

Außerdem war Reisen teuer. Es<br />

gab noch keine Banken oder Supermärkte.<br />

Die Menschen mussten<br />

genau planen, wie lange sie unterwegs<br />

sein würden. Bei zehn Tagen<br />

Wanderung brauchte man ca. fünf<br />

Laib Brot oder genügend Münzen.<br />

<strong>WOLL</strong>: Auch vor mehr als 300<br />

Jahren mussten Waren transpor-<br />

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