1 Kurt Rüdiger Maatz Richter am BGH a.D., Karlsruhe Vorsitzender ...

1 Kurt Rüdiger Maatz Richter am BGH a.D., Karlsruhe Vorsitzender ... 1 Kurt Rüdiger Maatz Richter am BGH a.D., Karlsruhe Vorsitzender ...

23.12.2012 Aufrufe

1 Kurt Rüdiger Maatz Richter am BGH a.D., Karlsruhe Vorsitzender der Landessektion Nordbaden des B.A.D.S. Wissenschaftliches Symposium des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr e.V. „0,0 Promille am Steuer“ Leipzig, 8. Juni 2012 Für ein „absolutes Alkoholverbot am Steuer“ „Der Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (B.A.D.S.) hat seine langjährige Forderung nach einem absoluten Alkoholverbot im Straßenverkehr bekräftigt. Trotz jahrzehntelanger Aufklärung über die Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr sei immer noch ein erschreckend hoher Anteil an durch alkoholisierte Kraftfahrer verursachten Verkehrsunfällen mit zum Teil schweren Folgen zu verzeichnen, sagte der Präsident des B.A.D.S., Dr. Peter Gerhardt, am Rande einer Tagung der Organisation am Wochenende im bayerischen Bamberg. „Auf Grund der positiven Erfahrungen mit dem seit Jahren bestehenden Alkoholverbot für Fahranfänger erscheint es uns im Interesse der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer nunmehr geboten, das Verbot zukünftig generell für alle Kraftfahrer vorzuschreiben“, so Gerhardt weiter. Die derzeitige Rechtslage mit einem abgestuften Sanktionskatalog bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist für den einzelnen Bürger kaum noch verständlich. Zudem verleiten die bisherigen Gefahrengrenzwerte (0,3/0,5/1,1 Promille) allzu sehr dazu, sich an diese Grenzwerte heranzutrinken. Das vom B.A.D.S. deshalb geforderte generelle Alkoholverbot am Steuer schränkt den Einzelnen nicht unzumutbar ein. ´Es geht nicht darum, den Alkoholgenuss zu ächten, vielmehr ist die Forderung nach einem generellen Alkoholverbot am Steuer das notwendige und eindeutige Signal, dass Alkohol und Fahren nicht miteinander zu vereinbaren sind`, sagte der Präsident. Der B.A.D.S. verweist in diesem Zusammenhang auf die vor Jahren geführte Diskussion über die sanktionsbewehrte Regelung der Anschnallpflicht. Die auch damals als Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen scharf kritisierte Vorschrift ist inzwischen voll akzeptiert und hat zu einem deutlichen Rückgang von Toten und Verletzten im Straßenverkehr geführt.

1<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Rüdiger</strong> <strong>Maatz</strong><br />

<strong>Richter</strong> <strong>am</strong> <strong>BGH</strong> a.D., <strong>Karlsruhe</strong><br />

<strong>Vorsitzender</strong> der Landessektion Nordbaden des B.A.D.S.<br />

Wissenschaftliches Symposium des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr e.V.<br />

„0,0 Promille <strong>am</strong> Steuer“<br />

Leipzig, 8. Juni 2012<br />

Für ein „absolutes Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“<br />

„Der Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (B.A.D.S.) hat seine<br />

langjährige Forderung nach einem absoluten Alkoholverbot im Straßenverkehr<br />

bekräftigt.<br />

Trotz jahrzehntelanger Aufklärung über die Gefahren von Alkohol im<br />

Straßenverkehr sei immer noch ein erschreckend hoher Anteil an durch<br />

alkoholisierte Kraftfahrer verursachten Verkehrsunfällen mit zum Teil schweren<br />

Folgen zu verzeichnen, sagte der Präsident des B.A.D.S., Dr. Peter Gerhardt, <strong>am</strong><br />

Rande einer Tagung der Organisation <strong>am</strong> Wochenende im bayerischen<br />

B<strong>am</strong>berg. „Auf Grund der positiven Erfahrungen mit dem seit Jahren<br />

bestehenden Alkoholverbot für Fahranfänger erscheint es uns im Interesse der<br />

Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer nunmehr geboten, das Verbot zukünftig<br />

generell für alle Kraftfahrer vorzuschreiben“, so Gerhardt weiter.<br />

Die derzeitige Rechtslage mit einem abgestuften Sanktionskatalog bei Straftaten<br />

und Ordnungswidrigkeiten ist für den einzelnen Bürger kaum noch verständlich.<br />

Zudem verleiten die bisherigen Gefahrengrenzwerte (0,3/0,5/1,1 Promille) allzu<br />

sehr dazu, sich an diese Grenzwerte heranzutrinken.<br />

Das vom B.A.D.S. deshalb geforderte generelle Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer<br />

schränkt den Einzelnen nicht unzumutbar ein. ´Es geht nicht darum, den<br />

Alkoholgenuss zu ächten, vielmehr ist die Forderung nach einem generellen<br />

Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer das notwendige und eindeutige Signal, dass Alkohol<br />

und Fahren nicht miteinander zu vereinbaren sind`, sagte der Präsident. Der<br />

B.A.D.S. verweist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang auf die vor Jahren geführte<br />

Diskussion über die sanktionsbewehrte Regelung der Anschnallpflicht. Die auch<br />

d<strong>am</strong>als als Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen<br />

scharf kritisierte Vorschrift ist inzwischen voll akzeptiert und hat zu einem<br />

deutlichen Rückgang von Toten und Verletzten im Straßenverkehr geführt.


2<br />

Der Präsident des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr verwies<br />

darauf, dass schon jetzt Umfragen zeigten, dass man sich in Deutschland mit<br />

deutlicher Mehrheit für ein generelles Verbot von Alkohol <strong>am</strong> Steuer ausspreche.<br />

Nachdem mildere Maßnahmen bislang nicht ausreichende Wirkung gezeigt<br />

hätten, sei nunmehr der Gesetzgeber gefordert.“<br />

So positionierte sich der BADS zuletzt in einer Presseerklärung vom April 2011.<br />

Gleichermaßen forderte auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) durch<br />

Vorstandsbeschluss im Oktober 2011 die Einführung eines „absoluten Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“ 1 .<br />

Schon zuvor hatte auch die Deutsche Verkehrswacht sich diese Forderung zu eigen gemacht. Und<br />

auch im politischen Raum ist diese Forderung – mit einem Antrag der GRÜNEN im Bundestag 2 -<br />

bereits angekommen. Sind dies alles „Experten“, die „Deutschland trockenlegen (wollen)“ und<br />

bloß „Gutmeinende“ 3 ? Wohl kaum! Worum geht es?<br />

„Vision Zero“<br />

oder<br />

„Wer fährt, trinkt nicht, und wer trinkt, fährt nicht!“<br />

Der – moderne, motorisierte – Straßenverkehr ist ein hoch komplexes System, das einerseits dem<br />

Mobilitätsbedürfnis des Menschen dient, andererseits aber – wie die Unfallstatistik auf<br />

beklemmende Weise ausweist – ein erhebliches Gefahrenpotential in sich birgt. Gewährleistung<br />

der Mobilität einerseits und Beschränkung der (systemimmanenten) Gefahren andererseits sind<br />

gegeneinander abzuwägen und im Sinne praktischer Konkordanz miteinander in Einklang zu<br />

bringen. Denn jedermann will für sich die Freiheit der Ortswahl und Ortsveränderung, die ihm<br />

Mobilität verspricht, jedermann möchte aber auch sicher sein Ziel erreichen, ohne Schaden an<br />

Leib, Leben oder auch „nur“ an Sachwerten, ganz nach dem Motto: „Jeder kommt an, keiner<br />

kommt um“. Diese Abwägung zwischen Mobilität und Sicherheit muss die Gesellschaft – und für<br />

1 Abgedruckt in BLUTALKOHOL 2012, S. 25 f.<br />

2 Masterplan Straßenverkehrssicherheit BTDRs 17/7466<br />

3 Nehm in Spiegel-online vom 29. 11.2011: „Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr, Experten wollen<br />

Deutschland trocken legen“


3<br />

sie: die Politik – immerwährend neu vornehmen und sie tut es auch, indem sie durch ein ganzes<br />

Bündel verschiedener Maßnahmen das „System Straßenverkehr“ sicherer macht und d<strong>am</strong>it auch<br />

der Schutzpflicht des Staates Rechnung trägt, ohne dabei die Mobilität „abzuwürgen“. Kaum ein<br />

anderer Bereich des öffentlichen Lebens ist vor diesem Hintergrund im Sicherheitsinteresse so<br />

„durchgeregelt“ wie der Straßenverkehr; und zwar völlig zu recht. Denn es kann nicht dem<br />

Belieben des Einzelnen überlassen bleiben zu entscheiden, wie er von der Freiheit der Mobilität bei<br />

Teilnahme <strong>am</strong> Straßenverkehr Gebrauch macht – bzw. konkret: wie er sich im Straßenverkehr<br />

bewegt –, weil er d<strong>am</strong>it zwangsläufig in Konflikt mit allen anderen Verkehrsteilnehmern geriete,<br />

die für sich das gleiche Recht in Anspruch nehmen, er m.a.W. mit den anderen<br />

Verkehrsteilnehmern im wahrsten Sinne des Wortes kollidieren würde. Nicht immer, aber doch<br />

gewöhnlich nehmen wir alle es deshalb auch hin, dass uns eine schier unendliche Flut von Ge- und<br />

Verboten allgemein – n<strong>am</strong>entlich im StVG und insbesondere in der StVO – oder konkret vor Ort –<br />

in Form von Verkehrszeichen – vorschreibt, wie wir uns zu verhalten haben. Diese Einschränkung<br />

unserer allgemeinen Handlungsfreiheit ist der – allgemein akzeptierte – Preis, ohne den sicherer<br />

Straßenverkehr für jedermann nicht möglich ist.<br />

Diese Einschränkung unserer allgemeinen Handlungsfreiheit betrifft – um auf das heutige Thema<br />

zu kommen – auch unseren Umgang mit Alkohol und „anderen berauschenden Mitteln“, wenn wir<br />

<strong>am</strong> Straßenverkehr teilnehmen (wollen). Dass Alkohol und Drogen mit ihrer substanztypischen<br />

Wirkung ein erhebliches Gefahrenpotential in sich tragen und sich deshalb mit der Forderung nach<br />

Sicherheit im Straßenverkehr nicht vertragen, ist so allgemeinkundig, dass es keiner weiteren<br />

Ausführung dazu bedarf.<br />

Der gesetzgeberische Weg zu einem generellen „Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“<br />

Wenn es nunmehr um die Forderung nach einem generellen Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer geht,<br />

braucht der Gesetzgeber „lediglich“ das konsequent weiter zu verfolgen, was er spätestens seit<br />

1973 im Straßenverkehrsrecht zur Bekämpfung der „Gefahr Alkohol“ unternommen hat:<br />

Erst spät, nämlich 1973, hat der Gesetzgeber mit der Einführung des sog. „0,8 Promille Gesetzes“ in<br />

§ 24 a Abs. 1 StVG der Alkoholisierung von Kraftfahrern definitive Grenzen gesetzt. Angesichts der<br />

jedoch weiterhin unverändert hohen Zahl der Alkoholunfälle, zu denen mit steigender Tendenz


4<br />

auch Unfälle mit Drogenbeeinflussung hinzuk<strong>am</strong>en (und immer noch hinzu kommen), sah sich der<br />

Gesetzgeber 1998 veranlasst, – dabei einer Forderung des Verkehrsgerichtstages 1993 folgend –<br />

mit § 24 a Abs. 2 StVG ein bußgeldbewehrtes „absolutes Drogenverbot“ einzuführen, das allein an<br />

das Führen eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung“ der in der Anlage aufgeführten<br />

zentralwirks<strong>am</strong>en Substanzen anknüpft. Daneben senkte der Gesetzgeber in Absatz 1 der<br />

Vorschrift den Alkoholgrenzwert – 1998 zunächst neben 0,8 ‰ und sodann im Jahr 2001 allein –<br />

auf 0,5 ‰ ab.<br />

Letzterer Gesetzesänderung von 2001 lag i.W. die folgende Erwägung zu Grunde 4 :<br />

- „Ziel der Änderung des § 24 a StVG ist es, die gestaffelte Grenzwertregelung in § 24 a Abs.<br />

1 StVG zu vereinheitlichen, …“<br />

- „Indem das bisherige Nebeneinander von verschiedenen Grenzwerten [erg. 0,8 ‰ und 0,5<br />

‰] in § 24 a Abs. 1 StVG beseitigt und eine klare und für den Normadressaten<br />

verständliche Regelung eingeführt wird, trägt die Änderung zur Vereinfachung und<br />

Rechtsklarheit bei. Auch aus diesem Grunde sind von der Änderung eine Erhöhung der<br />

Akzeptanz der Promilleregelung in der Bevölkerung und positive Auswirkungen auf die<br />

Verkehrssicherheit insges<strong>am</strong>t zu erwarten.“<br />

Bekanntlich bestehen nach ihrer <strong>am</strong>tlichen Begründung im Interesse eines optimalen Schutzes der<br />

Verkehrssicherheit seit jeher verkehrsrechtliche bereichsspezifische absolute Alkoholverbote für<br />

Berufskraftfahrer, und zwar für den Gefahrguttransport, die gewerbliche Personenbeförderung,<br />

und im gewerblichen Schienenverkehr, ebenso wie (international) für Piloten und Co-Piloten in der<br />

Luftfahrt. Tatbestandlich angelehnt an das bußgeldbewehrte „absolute Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“<br />

im Personenbeförderungsverkehr nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BOKraft 5 führte der Gesetzgeber schließlich<br />

auch im StVG durch Gesetz vom 19. Juli 2007 mit § 24 c ein bußgeldbewehrtes „absolutes<br />

Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ ein, wenn auch beschränkt auf Fahranfänger: „Ordnungswidrig handelt,<br />

wer in der Probezeit nach § 2a oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres als Führer eines<br />

4 aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BTDrs. 14/4304 S. 8 u. 9<br />

5<br />

§ 8 BOKraft Verhalten im Fahrdienst, (3) „Im Obusverkehr sowie im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ist<br />

dem im Fahrdienst eingesetzten Betriebspersonal untersagt, 1. während des Dienstes und der<br />

Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich<br />

zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl es unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel steht, 2 …“;<br />

vgl. dazu Bidinger/Bidinger BOKraft 5. Aufl. § 8 AmtlBegr. u. Anm. 7. u. 8; Hole BOKraft 16. Aufl. § 8 Anm. 3 u. 7;<br />

Sellmann/Zuck Personenbeförderungsrecht 3. Aufl. BOKraft § 8 Rdn. 4 u. 11


5<br />

Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt,<br />

obwohl er unter der Wirkung eines solchen Getränks steht.“<br />

Soweit im heutigen Zus<strong>am</strong>menhang von Bedeutung, heißt es dazu in der Begründung des<br />

Regierungsentwurfs BTDrs. 16/5047 6 :<br />

• „Fahranfänger und Fahranfängerinnen brauchen das klare und verständliche Signal, dass<br />

Fahren und Trinken nicht zu vereinbaren sind.“<br />

• „Dabei besteht bereits bei niedrigen Alkoholkonzentrationen unter 0,3 ‰ ein erhöhtes<br />

Unfallrisiko.“<br />

• „In etlichen Staaten der EU existieren bereits für alle Kraftfahrer Null-Promille-Regelungen<br />

… oder Promillegrenzen unter 0,5 ‰, so dass für gesonderte Bestimmungen für<br />

Fahranfänger kein Raum bleibt.“<br />

• „Wird eine Atem- oder Blutprobe vom Betroffenen genommen, ist von einer ´Wirkung` i.S.<br />

dieser Vorschrift nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand erst ab einem Wert<br />

von 0,2 ‰ Alkohol im Blut oder 0,1 mg/ Alkohol in der Atemluft auszugehen, um<br />

Messwertunsicherheiten und endogenen Alkohol auszuschließen.“<br />

Nicht ohne Interesse im Zus<strong>am</strong>menhang mit dem heutigen Thema ist auch die Gegenäußerung der<br />

Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf; darin heißt es u.a.:<br />

6 dort. S. 7/8<br />

„Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anknüpfung allein an das Tatbestandsmerkmal<br />

„Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von Alkohol“ würde die von dem<br />

Alkoholverbot … ausgehende Signalwirkung erheblich beeinträchtigen. Schon wegen<br />

etwaiger Messunsicherheiten kann eine Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals<br />

erst angenommen werden, wenn bei einer Blutentnahme oder einem Atemalkoholtest<br />

mindesten 0,2 ‰ Alkohol im Blut oder 0,1 mg/l Alkohol in der Atemluft nachgewiesen<br />

werden. Bei alleinigem Abstellen auf das „Führen eines Kraftfahrzeugs unter der<br />

Wirkung von Alkohol“ würde vermittelt, ein ´Herantrinken` an einen Grenzwert sei<br />

weiterhin möglich. Die klare Botschaft eines absoluten Verbots …, alkoholisiert ein<br />

Fahrzeug zu führen, würde d<strong>am</strong>it aufgeweicht.“ 7<br />

7 BT-Drs. aaO S. 14


6<br />

Die bisher mit dem absoluten Alkoholverbot für Fahranfänger gemachten Erfahrungen sind<br />

überaus positiv. Bereits im ersten Jahr nach Einführung des § 21 c StVG ist die Zahl der<br />

einschlägigen Alkoholverstöße der 18- bis 21-Jährigen um 17 Prozent zurückgegangen, während –<br />

zum Vergleich – der Rückgang bei den über 21-Jährigen nur 2,5 Prozent betrug. 8 Es spricht nichts<br />

dagegen, im Gegenteil vieles oder gar alles dafür, diese positive Wirkung eines allgemeinen<br />

„Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“ auch bei Kraftfahrern aller Altersgruppen zu erwarten. Auch nach<br />

Auffassung des EU-Parl<strong>am</strong>ents verspricht die Einführung eines „Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“ einen<br />

deutlichen Rückgang der Zahl der Verkehrsunfälle (Empfehlung C48/2002). Jedenfalls wird die<br />

Diskussion über das Thema auch europaweit konstruktiv vorangetrieben.<br />

Die (verfassungs)rechtlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung<br />

eines generellen „Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“<br />

Wie ein „generelles Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ gesetzestechnisch umzusetzen wäre, bedarf sicher<br />

noch weiterer Überlegungen. Entscheidend kann zunächst nur sein, dass die Zielrichtung klar ist.<br />

Dafür bedarf es m.E. nicht der Festlegung einer „0,0-Promille“-Grenze im StVG, wie sie in einem<br />

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag in der 13. Wahlperiode<br />

gefordert worden war 9 und wie sie in einigen vor allem osteuropäischen Staaten 10 Gesetz ist. Eine<br />

solche Festlegung wäre möglicherweise schon wissenschaftlich, etwa aus messtechnischen<br />

Gründen, aber auch rechtlich nicht haltbar. Es spricht aber nichts dagegen, im Gegenteil vieles oder<br />

gar alles dafür, für ein „generelles Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ an die bereits eingeführten<br />

„absoluten Verbote“ für Drogen und Alkohol <strong>am</strong> Steuer nach § 24 a Abs. 2 und § 24 c StVG<br />

anzuknüpfen und n<strong>am</strong>entlich die für das für Fahranfänger geltende „Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ des<br />

§ 21 c StVG maßgebenden Erwägungen des Gesetzgebers entsprechend heranzuziehen. Ich sehe<br />

nämlich ein „generelles Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ auch dann verwirklicht, wenn – wie es nicht nur<br />

der B.A.D.S., sondern auch der Vorstand des DVR in Übereinstimmung mit dem DVW empfehlen –<br />

jedes Führen eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung alkoholischer Getränke“ sanktioniert<br />

würde. Einer solchen Regelung stünden entgegen mancherlei Einwänden im Ergebnis keine<br />

8 Vgl. u.a. Presseerklärung des DVR vom 25. Oktober 2011<br />

9 BTDrs 13/8982; vgl. dazu BA2006, 481<br />

10 Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn


7<br />

durchgreifenden (verfassungs)rechtlichen Bedenken entgegen. Dabei dürfte über die<br />

verfassungsrechtlichen Grundlagen Einigkeit bestehen 11 :<br />

� Ein generelles Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer greift – allerdings im Grundsatz nicht anders als<br />

jede andere verkehrsregelnde Maßnahme – in das verfassungsrechtlich verbürgte Recht<br />

auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art.2 Abs.1 GG) ein.<br />

� Dieses Grundrecht wird indes nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet seine<br />

Schranken nach Art. 2 Abs. 1 2. Halbs. GG – soweit hier von Interesse – insbesondere in den<br />

Rechten anderer.<br />

� Im Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Einzelnen und denen der<br />

Gemeinschaft hat – nach der Rechtsprechung des BVerfG 12 - grundsätzlich das<br />

Gemeinschaftsinteresse Vorrang.<br />

� Maßstab für die Zulässigkeit der Beschränkung der individuellen Handlungsfreiheit ist der<br />

Grad der Schutzwürdigkeit der dagegen abzuwägenden Interessen der anderen: Soweit es<br />

um die Gefahren des motorisierten Verkehrs geht, sind dies nach der Grundentscheidung<br />

des GG v.a. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG)<br />

und das Recht auf Eigentum (Art. 14. Abs. 1 Satz 1 GG).<br />

� Die Beschränkung der individuellen Handlungsfreiheit muss zur Erreichung des d<strong>am</strong>it<br />

verfolgten Ziels geeignet sein und<br />

� Die Maßnahme darf den Einzelnen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht<br />

mehr als erforderlich und unzumutbar belasten. 13<br />

Nach diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht hat in seiner (K<strong>am</strong>mer)Entscheidung<br />

vom 21. Dezember 2004 14 auch das „absolute Drogenverbot“ des § 24 a Abs. 2 StVG geprüft und<br />

dabei vorgegeben, wie und mit welchen – verfassungsrechtlichen – Implikationen ein solches<br />

Verbot Bestand hat.<br />

Wichtig ist vor allem:<br />

11 Vgl. zur legitimen Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch den Gesetzgeber die einschlägige<br />

Kommentierung zu Art. 2 GG, u.a. Schmidt-Bleibtreu/Klein 11. Aufl. Rdn. 3 f., 8, 11 f., 23; Jarass/Pieroth 9. Aufl.<br />

Rdn. 3 ff , 18 ff, 31 f.<br />

12 BVerfG 4, 7, 15 f.<br />

13 BVerfG 7, 198, 200; 17, 306, 317<br />

14 BVerfG, 2. K<strong>am</strong>mer des 1. Senats, 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349


8<br />

� Die Vorschrift genügt dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG; daran ändert nichts,<br />

dass das Tatbestandsmerkmal „Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung<br />

alkoholischer Getränke“ der – wie es in der Entscheidung heißt – „richterlichen Deutung“<br />

bedarf.<br />

� Die Vorschrift genügt auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.<br />

� Schließlich ist die Vorschrift auch mit der Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit aus<br />

Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar; der mit dem „absoluten Drogenverbot“ bewirkte Eingriff in<br />

dieses Grundrecht ist deshalb verfassungsrechtlich gerechtfertigt:<br />

Zu letzterem hat das BVerfG ausgeführt:<br />

� Eignung: „Die Regelung ist zur Erreichung des [gesetzgeberischen] Ziels [nämlich<br />

Einführung eines abstrakten Gefährdungsdelikts, ´das dazu beitragen soll, die<br />

Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, (und) d<strong>am</strong>it dem Schutz wichtiger<br />

Rechtsgüter wie insbesondere Leben, Gesundheit und Eigentum der<br />

Verkehrsteilnehmer (dient)`] geeignet, weil mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg<br />

gefördert werden kann.“<br />

� Erforderlichkeit: „Ein anderes, gleich wirks<strong>am</strong>es und die Handlungsfreiheit der<br />

Betroffenen weniger einschränkendes Mittel ist … nicht ersichtlich. Da die Grenze<br />

zwischen ungefährlichen und gefährlichen Wirkstoffmengen nach dem<br />

gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand noch nicht mit der<br />

erforderlichen Genauigkeit gezogen werden kann, stehen dem Gesetzgeber derzeit<br />

exaktere und d<strong>am</strong>it mildere Wege der Tatbestandsfixierung nicht zur Verfügung.“<br />

sowie<br />

� Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne: „… der Erhöhung der Sicherheit im<br />

Straßenverkehr und d<strong>am</strong>it dem Schutz insbesondere von Leib, Leben und Eigentum<br />

… steht auf Seiten der von der Sanktionsnorm Betroffenen ´nur` die allgemeine<br />

Handlungsfreiheit … gegenüber. (…) Die mit § 24 a StVG verbundene Belastung ist<br />

mit Rücksicht darauf grundsätzlich angemessen und für den, der sich<br />

ordnungswidrig verhält, zumutbar.“<br />

Im Einzelnen folgt daraus für die Einführung eines generellen Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer :


9<br />

� Legitimierender Anknüpfungspunkt für ein generelles „Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ ist die<br />

durch die Erkenntnisse der Rechts- und Verkehrsmedizin gestützte Gefahr jeglicher<br />

Alkoholisierung für die Verkehrssicherheit. Heifer, einer der renommiertesten und<br />

einflussreichsten Forscher auf dem Gebiet der Alkoholauswirkungen auf die<br />

Verkehrstüchtigkeit, hat einst in einem Gutachten unmissverständlich klargemacht, es<br />

„dürfte wohl über dem Nüchternwert keine Blutalkoholkonzentration geben, die für die<br />

erforderliche Verkehrssicherheit als unerheblich anzusehen ist“, und angefügt, „dem<br />

könnte [ich ergänze: eigentlich] nur durch eine rigorose 0,0 ‰-Grenze Rechnung getragen<br />

werden“. 15 Auch für Gerchow, wie Heifer unangefochtene Autorität auf dem Gebiet der<br />

Alkoholforschung, liegt „eine für die Leistungsfähigkeit unerhebliche BAK – sofern es ein<br />

solche überhaupt gebe – jedenfalls unter 0,3 ‰“. 16 Diese Aussagen finden sich letztlich<br />

wieder in den Erwägungen im Regierungsentwurf zu § 24 c StVG Rechnung tragen, soweit<br />

darin – für das „absolute Alkoholverbot für Fahranfänger“ – als Begründung auch angeführt<br />

wird, dass „bereits bei niedrigen Alkoholkonzentrationen unter 0,3 ‰ (!) ein erhöhtes<br />

Unfallrisiko“ besteht 17 . Diese – zutreffende – Aussage gilt aber allgemein und lässt schon<br />

deshalb auch Raum für den Gesetzgeber, im Rahmen seiner<br />

Gefahreneinschätzungsprärogative den für alle geltenden „Gefahrengrenzwert“ von<br />

gegenwärtig 0,5 ‰ weiter abzusenken. Zur Wirkung von Alkohol hat der <strong>BGH</strong> bereits 1959<br />

die (d<strong>am</strong>aligen) medizinischen Forschungsergebnisse dahin wiedergegeben, dass „schon<br />

bei einem Blutalkoholgehalt von 0,3 ‰ außer den seelischen Enthemmungen Störungen<br />

des Raumsehens und Verlängerung der Reaktionszeit beginnen“. 18 Deshalb beginnt auch<br />

nach immer noch aktueller Rechtsprechung selbst der Bereich möglicher – nach § 316 StGB<br />

strafbarer (!) – sog. „relativer“ Fahrunsicherheit bereits bei einer solchen BAK. 19 Ist das<br />

aber der Fall, so gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass der gegenwärtige<br />

15 Heifer, unveröffentlichtes Gutachten vor Einführung der „1,1‰-Grenze“ durch <strong>BGH</strong>St 37, 89 im Jahre 1990<br />

16 Gerchow, zitiert bei Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl., Rdn. 183<br />

17 BTDrs. 16/5047 S. 7, Hervorh. durch mich<br />

18 <strong>BGH</strong>St 13, 83, 91<br />

19 Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. StGB § 316 Rdn. 15 m.N.


10<br />

Gefahrengrenzwert von 0,5 ‰ im Ordnungswidrigkeitenrecht die bei Teilnahme <strong>am</strong><br />

motorisierten Straßenverkehr von der Alkoholisierung ausgehende Gefahr nicht (mehr)<br />

adäquat erfasst und deshalb der Gesetzgeber in der in erster Linie ihm obliegenden<br />

Gefahreneinschätzung eben auch nicht willkürlich handelte, wenn er die Gefahrengrenze<br />

weiter absenkte. Dem kann nicht mit dem Hinweis begegnet werden, „die meisten Unfälle,<br />

bei denen Alkohol im Spiel war, (seien) auf eine Alkoholkonzentration von mehr als 1,1<br />

Promille zurückzuführen“ 20 . Wäre dies der Maßstab, müsste konsequenterweise das „0,8-<br />

Promille-Gesetz“ des § 24 a Abs. 1 StVG, schon gar aber die Absenkung des<br />

Gefahrengrenzwerts auf – nur noch – 0,5 Promille in Frage gestellt werden. Vor allem aber<br />

besagt dieser Einwand nicht das Geringste über die tatsächliche Prävalenz von Fahrten<br />

unter – sicherheitsgefährdendem – verkehrsrelevantem Alkoholeinfluss, wird doch die<br />

Dunkelziffer mit zwischen 50:1 und 600:1, vorsichtig jedenfalls mit 250:1 geschätzt 21 . Der<br />

Gesetzgeber geht – wie erwähnt – selbst davon aus, dass schon unter 0,3 ‰ (!) ein<br />

erhöhtes Unfallrisiko bestehen kann. Anderenfalls, d.h. wenn nicht grundsätzlich jede<br />

Alkoholisierung im Kraftfahrzeugverkehr zumindest abstrakt gefährlich wäre und die<br />

allgemeine Verkehrssicherheit beeinträchtigen würde, wäre auch das bereichsspezifische<br />

„absolute“ Alkoholverbot für Berufskraftfahrer sowie – wie zuletzt in § 24 c StVG – für<br />

Fahranfänger schwerlich gerechtfertigt; denn auch diese Verbote schränken die allgemeine<br />

Handlungsfreiheit der davon Betroffenen ein und bedürfen deshalb der<br />

verfassungsrechtlichen Legitimation.<br />

� Der Gesetzgeber ist, will er den Erkenntnissen der Rechts- und Verkehrsmedizin Rechnung<br />

tragen und im Interesse der Verkehrssicherheit der Alkoholisierung von Kraftfahrern weiter<br />

gehende Grenzen setzen, nicht darauf verwiesen, einen gegenüber § 24 a Abs. 1 StVG<br />

neuen niedrigeren Gefahrengrenzwerts – etwa wie in Europa gegenwärtig in Estland, aber,<br />

wie zu betonen ist, auch in Norwegen und Schweden (!), von 0,2 ‰ – gesetzlich zu<br />

bestimmen. Vielmehr kann – und wie ich meine: sollte – der Gesetzgeber gerade wegen<br />

der nach unten offenen Frage, bei welcher – niedrigsten – Alkoholbelastung auch bei Nicht-<br />

Fahranfängern noch verkehrssicherheitsrelevante Auffälligkeiten möglich sind, statt den<br />

Weg über einen „fixierten“ niedrigeren neuen Grenzwert zu gehen, an das allgemeine<br />

Verbot anknüpfen, Kraftfahrzeuge „unter der Wirkung“ von Alkohol zu führen.<br />

20 Nehm in Spiegel-online vom 29. 11.2011: „Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr, Experten wollen<br />

Deutschland trocken legen“<br />

21 Haffner/Dettling in Haffner/Skopp/Graw Begutachtung im Verkehrsrecht, Springer Verlag, 2012, S. 10


11<br />

� Einem solchermaßen auf das Führen eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung alkoholischer<br />

22 BVerfG aaO<br />

Getränke“ – bzw. noch weiter gefasst: „unter der Wirkung von Alkohol“ – abstellenden<br />

Tatbestand steht bzw. stünde das Gebot der Konkretheit der Norm des Art. 103 Abs. 2 GG<br />

nicht entgegen. Insbesondere würde eine solche Fassung in der forensischen Praxis nicht<br />

etwa den konkreten Nachweis der „Wirkung“ im Einzelfall erforderlich machen. Wie der<br />

Begriff der „Wirkung“ auszulegen ist, ist bereits im geltenden Recht im Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />

§§ 24 a Abs. 2, 24 c StVG Sache der Rechtsprechung. Unter Zugrundelegung der zitierten<br />

Entscheidung des BVerfG 22 zu § 24 a Abs. 2 StVG ist das dort geregelte „absolute<br />

Drogenverbot“ bekanntlich mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar, sofern eine Beeinträchtigung<br />

der Fahrsicherheit durch den Konsum als möglich erscheint. Dies entscheidet sich generell-<br />

abstrakt. Besteht bei Alkohol, wie ausgeführt, eine – mögliche – verkehrsrelevante<br />

„Wirkung“ jedenfalls ab 0,3 ‰ 23 , könnte dies den Gesetzgeber allerdings unter Umständen<br />

hindern, eine „Nullwert-Grenze“ festzulegen 24 , die mir auch wissenschaftlich schon wegen<br />

des köpereigenen, endogenen Alkohols, aber auch aus messtechnischen Gründen, im<br />

Übrigen wegen der Wirkung des Verzehrs alkoholhaltiger Lebensmittel nicht problemfrei<br />

erschiene 25 . Doch darf der Gesetzgeber bei seiner Gefahreneinschätzung berücksichtigen,<br />

dass die Grenzen alkoholtoxischer verkehrsrelevanter Beeinflussung fließend sind.<br />

Deshalb würde ein auf das Führen eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung“ alkoholischer<br />

Getränke resp. „von Alkohol“ abstellender Bußgeldtatbestand zwar im Ergebnis nach<br />

gegenwärtiger Erkenntnis erst ab einer BAK von ≥ 0,2 ‰ greifen, wie es der Gesetzgeber<br />

für den Begriff der „Wirkung“ in § 24 c Abs. 1 2. Alt. StVG ausdrücklich annimmt 26 . Das<br />

hinderte den Gesetzgeber aber nicht, statt der Einführung eines neuen, weiteren<br />

Alkoholgrenzwerts bei dem Tatbestand an die „alkoholische Wirkung“ anzuknüpfen. Der<br />

Gesetzgeber überlässt es auch sonst der Rechtsprechung, unbestimmte Rechtsbegriffe wie<br />

etwa den der Fahrunsicherheit (§ 316 StGB) oder den der „nicht geringen Menge“ im BtM-<br />

23 vgl. m.w.N. Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl., 2006, Rdn. 183<br />

24 Nehm in Spiegel-online vom 29. 11.2011: „Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr, Experten wollen<br />

Deutschland trocken legen“<br />

25 Dazu näher Haffner/Dettling in Haffner/Skopp/Graw Begutachtung im Verkehrsrecht, Springer Verlag, 2012,<br />

S. 38 f.<br />

26 BTDrs. 16/5047 S. 9; so anerkannt jetzt auch in der Rspr., AG Langenfeld Urt. v. 4.April 2011, BA 2012 S. 115


12<br />

Strafrecht – notfalls durch verfassungskonforme Auslegung – zu konkretisieren und hat<br />

dies zuletzt ja auch mit der Verwendung des Begriffs der alkoholischen „Wirkung“ bei der<br />

Fassung von § 24 c StVG wieder getan.<br />

� An dieser Stelle ist vielleicht die Erinnerung an die Entstehung der Fassung des §<br />

316 StGB hilfreich: Nachdem die Bundesregierung bereits in der 1. Wahlperiode die<br />

Einführung einer neuen Strafvorschrift vorgesehen hatte, die das Führen von<br />

Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss ohne Rücksicht auf die Herbeiführung einer<br />

Verkehrsgefahr anstelle des Übertretungstatbestandes des § 2 StVZO a.F. als<br />

Vergehen unter Strafe stellen sollte, gelang dies mit § 316 StGB tatsächlich erst 1964<br />

in der 4. Wahlperiode mit der Verabschiedung des 2. Gesetzes zur Sicherung des<br />

Straßenverkehrs, dies allerdings auch erst wieder nach Überwindung weiterer<br />

Schwierigkeiten. 27 Hintergrund dessen war, dass zwar das 2. Teilgutachten des<br />

Bundesgesundheits<strong>am</strong>ts (BGA) vorlag, demzufolge eine „absolute“ Fahrunsicherheit<br />

schon bei einer BAK von 1,0 ‰ vorliegen und deshalb der Grenzwert einschließlich<br />

eines Sicherheitszuschlages von 0,15‰ auf 1,2 ‰ festzusetzen sein sollte, aber das 3.<br />

Teilgutachten des BGA, das die Differenz zwischen tatsächlicher und gemessener BAK<br />

und d<strong>am</strong>it die Größenordnung des Sicherheitszuschlags bestätigen sollte, noch<br />

ausstand. 28 Letztlich sah sich der Gesetzgeber dann aber „angesichts der ungeheuren<br />

Zahl von Trunkenheitsdelikten <strong>am</strong> Steuer“ zum Handeln gezwungen. Gemeins<strong>am</strong><br />

sprachen sich der Rechts- und der Verkehrsausschuss des Bundestages dafür aus,<br />

„die Festlegung einer bestimmten Promillegrenze bis zur Vorlage des<br />

Ges<strong>am</strong>tgutachtens zurück(zu)stell(en)“, aber „eine weitere Zurückstellung der<br />

Umwandlung des Alkohol-Übertretungs-Tatbestandes in ein Vergehen nicht<br />

verantworten zu können“. 29 D<strong>am</strong>it war der Weg für § 316 StGB in der immer noch<br />

geltenden Fassung frei. Mir geht es hier nur darum, daran zu erinnern, dass der<br />

Gesetzgeber d<strong>am</strong>it sehenden Auges auf die von ihm selbst erwogene gesetzliche<br />

Festlegung eines strafbegründenden „als Gefahrengrenzwert verstandenen<br />

Blutalkoholwerts“ 30 verzichtet und d<strong>am</strong>it diese Aufgabe notgedrungen der<br />

Rechtsprechung überlassen hat.<br />

Die Rechtsprechung des <strong>BGH</strong> zur Grenzwertfestsetzung „absoluter“ Fahrunsicherheit hat das<br />

Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin gegen den Einwand, die<br />

richterrechtliche Festsetzung der Grenzwerte „absoluter“ Fahrunsicherheit ermangele einer<br />

27 Vgl. BTDrucks. IV/651 S. 4<br />

28 Vgl. zu diesem Hintergrund der Entwicklung der Grenzwertfrage die Kommentierung von Schwarz/Dreher in der 27. Aufl. (1965; der<br />

ersten Aufl. nach Inkrafttreten des 2. Straßenverkehrssicherungsgesetzes) des Standardkommentars zum StGB (des Vorläufers des<br />

heutigen Fischer), § 316 Anm. 4 B<br />

29 zu BTDrucks. IV/2161 S. 5<br />

30 zu BTDrucks. IV/2161 S. 1/2


13<br />

gesetzgeberischen Legitimation, ausdrücklich – als verfassungsgemäß – bestätigt 31 . Zwar hat<br />

das BVerfG nicht darüber entschieden, ob der vom <strong>BGH</strong> angenommene Erfahrungssatz<br />

„zutreffend ermittelt worden“ ist, insbesondere ob er „eine hinreichend zuverlässige<br />

Grundlage in den wissenschaftlichen Erkenntnissen“ hat. Jedenfalls dürfte d<strong>am</strong>it klar sein,<br />

dass die Festlegung der für § 316 StGB maßgebenden Alkohol-Grenzwerte durch die<br />

Rechtsprechung (des <strong>BGH</strong>) ein Akt legitimer richterrechtlicher Rechtsfortbildung ist 32 , so<br />

wie umgekehrt die Strafvorschrift des § 316 StGB mit dem „offenen Begriff“ der<br />

Fahrunsicherheit danach nicht etwa deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem<br />

Gesichtspunkt des Konkretheitsgebots begegnet, weil der Gesetzgeber davon abgesehen<br />

hat, den strafbegründenden Grenzwert in das Gesetz aufzunehmen, obwohl die<br />

Grundlagen hierfür – in den Gutachten des BGA – vorlagen.<br />

� Davon ausgehend, ist deshalb auch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber von<br />

Verfassungs wegen gezwungen wäre, ein „absolutes Alkoholverbot“ im<br />

Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht an einen ausdrücklich genannten<br />

tatbestandsbegründenden Grenzwert etwa von 0,2 zu knüpfen statt – wie vorgeschlagen –<br />

an den „offenen“, d.h. der Auslegung durch die Rechtsprechung überlassenen Begriff der –<br />

verkehrsrelevanten, toxischen – „Wirkung“. Hat das BVerfG ein solches Vorgehen des<br />

Gesetzgebers schon bei der Fassung des Straftatbestandes des § 316 StGB nicht<br />

beanstandet, ist erst recht nicht ersichtlich, dass dies im Zus<strong>am</strong>menhang mit einem bloß<br />

bußgeldbewehrten Verbot, wie es hier vorgeschlagen wird, anders sein sollte.<br />

� Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass das BVerfG in der zitierten sog. „1<br />

ng-Entscheidung“ von Dezember 2004 zur Verhältnismäßigkeit des „absoluten<br />

Drogenverbots“ in der Fassung des § 24 a Abs. 2 StVG - unter Hinweis auf einen Beitrag von<br />

Bönke - darauf verwiesen hat, „da die Grenze zwischen ungefährlichen und gefährlichen<br />

Wirkstoffmengen nach dem gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand noch<br />

nicht mit der erforderlichen Genauigkeit gezogen werden kann, st(ünd)en dem<br />

Gesetzgeber derzeit exaktere und d<strong>am</strong>it mildere Wege der Tatbestandsfixierung nicht zur<br />

Verfügung.“ 33 Die Entscheidung des BVerfG zeigt selbst, dass der Begriff der „Wirkung“ in §<br />

31 BVerfG NJW 1990, 3140; 1995, 125, 126<br />

32 Hierzu unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG näher <strong>Maatz</strong> BA 2001 Suppl. S. 40, 44<br />

33 BVerfG NJW 2005 aaO S. 350 mit Verweis auf Bönke NZV 1998, 393, 394


14<br />

24 a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG durch Übernahme der von der Grenzwertkommission für die<br />

einzelnen Drogensubstanzen empfohlenen analytischen Grenzwerte 34 konkretisiert werden<br />

könnte. Eine solche „Fixierung“ auf einen gesetzlich festgelegten Grenzwert hätte aber zur<br />

Folge, dass d<strong>am</strong>it für die Rechtsprechung kein Raum bliebe, weiter gehende Erkenntnisse<br />

der beteiligten Wissenschaften zu berücksichtigen, wonach im Einzelfall auch bereits bei<br />

geringeren Werten der abstrakte Gefährdungstatbestand als erfüllt anzusehen sein kann.<br />

Letzteres ist aber – zu Recht – zu § 24 a Abs. 2 StVG unbeschadet der „1ng-Enscheidung“<br />

des BVerfG auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. 35 D<strong>am</strong>it bliebe ein auf<br />

einen Grenzwert „fixierter“ Tatbestand hinter den gesetzgeberischen Intentionen zurück.<br />

Eine derartige Beschränkung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums ist von der<br />

Verfassung nicht vorgegeben, und zwar weder vom Konkretheitsgebot noch vom<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Norm.<br />

� Mit einem generellen „Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“, das auf das Führen eines Kraftfahrzeugs<br />

„unter der Wirkung“ von Alkohol abstellt, anstatt einen – neuerlich abgesenkten –<br />

Grenzwert im Gesetz festzulegen, würde auch der Gefahr entgegen gewirkt, sich an<br />

Grenzwerte „heranzutrinken“. Eine solche Gefahr sieht der Gesetzgeber selbst. Er hat eben<br />

deshalb beim „absoluten Alkoholverbot für Fahranfänger“ bewusst davon abgesehen,<br />

einen bestimmten Gefahrengrenzwert zu normieren, und stattdessen bei der Fassung von<br />

§ 24 c Abs. 1 2. Alt. StVG auf den Begriff der „Wirkung“ abgestellt, ausdrücklich um bei den<br />

Normadressaten den Eindruck zu vermeiden, „ein ´Herantrinken` an einen Grenzwert sei<br />

weiterhin möglich“ 36 . Weshalb dieser Gesichtspunkt aber nur gegenüber Fahranfängern<br />

tragfähig sein und nicht auch für ein generelles, an den Wirkungsbegriff anknüpfendes<br />

Alkoholverbot streiten sollte, erschließt sich nicht. Es geht bei diesem Gesichtspunkt<br />

insbesondere nicht darum, um einer Minderheit willen, die der Gefahr erliegen, sich an<br />

Grenzwerte „heranzutrinken“, die Mehrheit durch ein allgemeines Alkoholverbot <strong>am</strong><br />

Steuer „zum Objekt eingreifender Maßnahmen der Gefahrenabwehr“ zu machen 37 . Dieser<br />

aus anderweitiger Rechtsprechung des BVerfG hergeleitete Einwand könnte überhaupt nur<br />

34 weiter ausführlich zu den einzelnen Substanzen Haase/Sachs NZV 2008, 221 ff.;<br />

35 OLG München v. 13. März 2006, BA 2006, 239, 241; Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr<br />

(Heidelberg, 2007) Rdn. 525, 529 ff.; <strong>Maatz</strong> BA 2006, 451, 455 f.<br />

36 BTDrs 16/5047 S. 9, 14<br />

37 So aber Nehm in Spiegel-online aaO


15<br />

greifen, wenn der Gesetzgeber angesichts einer solchen „Gefahr des Herantrinkens“ die<br />

Einführung eines „generellen Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“ allein oder in erster Linie mit dem<br />

„Schutz vor sich selbst“ begründen würde. Der Einwand greift aber nicht, wenn lediglich<br />

bei der gesetzestechnischen Umsetzung eines im Verkehrssicherheitsinteresse<br />

begründeten „generellen Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer“ durch eine Fassung der Vorschrift<br />

(des geänderten § 24 a Abs. 1 StVG), die auf die alkoholische „Wirkung“ anstatt auf einen –<br />

neuerlich abgesenkten – Grenzwert abstellt, sozusagen als positiver Nebeneffekt auch<br />

einer mitunter zu beobachtenden Tendenz entgegen gewirkt würde, das Trennungsgebot<br />

von Alkoholkonsum und Fahren durch ein „Herantrinken“ zu unterlaufen.<br />

� Ein generelles „absolutes Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ wäre auch kein Akt von bloßer<br />

„Symbolgesetzgebung“. Eine solche Regelung würde das strikte Trennungsgebot von<br />

Alkoholkonsum und Fahren nachhaltig unterstreichen. Gerade die Bußgeldbewehrung<br />

eines „absoluten Alkoholverbots“ dürfte in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür<br />

schärfen, dass „jedes Glas Bier vor Fahrtantritt ´eins zuviel`“ sein kann. Auf eben ein<br />

solches „klares und verständliches Signal, dass Fahren und Trinken nicht miteinander zu<br />

vereinbaren sind“, hat der Gesetzgeber ausdrücklich – wie erwähnt – beim „absoluten<br />

Alkoholverbot für Fahranfänger“ gesetzt. 38 Wie dort, wäre aber auch ein entsprechendes,<br />

unterschiedslos für alle Kraftfahrer geltendes Signal ein Beitrag zu mehr<br />

Verkehrssicherheit. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil ein generelles „Alkoholverbot <strong>am</strong><br />

Steuer“ gegenüber der gegenwärtigen differenzierten Rechtslage mit ihren diversen<br />

„zulässigen Promillegrenzen“ („0,0“; 0,3; 0,5; 1,1), über die selbst bei Autofahrern<br />

mitunter eine erschreckende Unkenntnis besteht 39 , eine „klare und für den<br />

Normadressaten verständliche Regelung“ bedeuten würde. Diese trüge – nicht anders als<br />

die Beseitigung des Nebeneinanders von verschiedenen Alkohol-Grenzwerten in Absatz 1<br />

des § 24 a StVG durch die Änderung von 2001 – „zur Vereinfachung und Rechtsklarheit“<br />

bei 40 ; sie könnte auch – wie dort und wie die bisherigen Umfrageergebnisse zum<br />

„absoluten Alkoholverbot“ mit Deutlichkeit zeigen – auf eine „Erhöhung der Akzeptanz in<br />

der Bevölkerung“ zählen und ließe darüber hinaus „positive Auswirkungen auf die<br />

38 BTDrs 16/5047 S. 7<br />

39 Ergebnis einer Umfrage eines Autoversicherers, BA 2001, 117<br />

40 BTDrs 14/4304 S. 9


16<br />

Verkehrssicherheit insges<strong>am</strong>t erwarten“ 41 . Ob demgegenüber, wie eingewandt wird, erst<br />

oder sogar besonders ein „absolutes Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“ „die Dunkelziffer ins<br />

Unermessliche“ steigen ließe, erscheint schon von daher zweifelhaft. Jedenfalls lässt sich<br />

daraus kein tragfähiges Argument gegen ein striktes Trennungsgebot von Alkoholkonsum<br />

und Fahren herleiten. Dass die Kontrolldichte zu wünschen übrig lässt, ist dem<br />

Straßenverkehrsrecht allgemein nicht fremd und hindert auch sonst den Gesetzgeber nicht<br />

an dem Erlass – begründeter und verfassungsrechtlich zulässiger – bußgeldbewehrter<br />

Regelungen (Beispiele: die Gurtanlegepflicht [§§ 21a Abs.1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 20a StVO]<br />

und das sog. „Handyverbot“ [§§ 23 Abs.1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO]). Davon unabhängig,<br />

würde vor dem Hintergrund der durch die Änderung von § 36 Abs. 5 Satz 1 StVO eröffneten<br />

Befugnis zur sog. anlasslosen Verkehrskontrolle 42 die eindeutige und klare Regelung eines<br />

„absoluten Alkoholverbots“ aber auch die Kontrolle und Erfassung von Alkoholfahrten<br />

erleichtern 43 . Das könnte nicht nur das Dunkelfeld erhellen, sondern könnte auch präventiv<br />

wirken.<br />

� Die Forderung nach einem sogenannten und in dem aufgezeigten Sinne „absoluten<br />

41 BTDrs aaO<br />

Alkoholverbot“ steht auch nicht in Widerspruch zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.<br />

Das, was das BVerfG hierzu in der „1ng-Entscheidung“ zum „absoluten Drogenverbot“<br />

ausgeführt hat 44 , kann uneingeschränkt auch auf ein „absolutes Alkoholverbot“ übertragen<br />

werden. Bei den über die Bußgeldbewehrung als solche hinaus vorzusehenden weiteren<br />

Sanktionsfolgen könnte eine Abstufung erwogen werden, die etwa ein Fahrverbot erst –<br />

wie nach geltendem Recht, und zwar allgemein, d.h. auch bei Fahranfängern im Sinne von<br />

42 ÄndVO vom 19. März 1992, VBl 1992, 187; § 36 Abs. 5 Satz 1 StVO: „Polizeibe<strong>am</strong>te dürfen<br />

Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit … anhalten.“<br />

Dazu die erg. Begr. des BR: „Die Änderung soll klarstellen, dass die Polizei berechtigt ist, auch ohne konkreten<br />

Anlass eine Verkehrskontrolle zu dem Zweck durchzuführen, die Fahrtüchtigkeit von Fahrzeugführern<br />

festzustellen.“<br />

43 So auch die mit der Einführung des Alkoholverbots für Fahranfänger verbundene Erwartung; vgl.<br />

Stellungnahme des BR BTDrs 16/5047 S. 12 li.Sp.<br />

44 BVerfG, Beschl. v. 21. Dezember 2004, aaO: „Der Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr und d<strong>am</strong>it<br />

dem Schutz insbesondere von Leib, Leben und Eigentum … steht auf Seiten der von der Sanktionsnorm<br />

Betroffenen ´nur` die allgemeine Handlungsfreiheit … gegenüber. (…) Die mit § 24 a StVG verbundene<br />

Belastung ist mit Rücksicht darauf grundsätzlich angemessen und für den, der sich ordnungswidrig verhält,<br />

zumutbar.“


17<br />

§ 24 c StVG 45 – bei BAKen ab 0,5‰ vorsieht. Jedenfalls mit einer solchen Abstufung dürfte<br />

auch Einwänden mangelnder Verhältnismäßigkeit begegnet werden. Insoweit mag daran<br />

erinnert werden, dass eine vergleichbare, auf das Übermaßverbot gestützte Abstufung<br />

einen Vorläufer seinerzeit 1998 bei der Einführung der 0,5‰-Grenze in § 24 a Abs. 1 Nr. 2<br />

StVG hatte, indem dort die Sanktion hierfür gegenüber der d<strong>am</strong>als noch aufrecht<br />

erhaltenen 0,8‰-Grenze reduziert, und zwar der Bußgeldrahmen gesenkt und – hier von<br />

Interesse – ausdrücklich aus Gründen der Angemessenheit - von einem Fahrverbot<br />

abgesehen wurde 46 .<br />

� Ein „generelles Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“, das als tatbestandsmäßiges Verhalten das<br />

Führen eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung alkoholischer Getränke“ resp. „unter der<br />

Wirkung von Alkohol“ erfasst, führte schließlich im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht<br />

auch zu einer weiter gehenden Gleichbehandlung von Alkohol und den vom „absoluten<br />

Drogenverbot“ des § 24 a Abs. 2 StVG erfassten Substanzen, wie dies im geltenden Recht<br />

bei der strafbewehrten Fahrunsicherheit mit der Gleichsetzung von Alkohol und anderen<br />

berauschenden Mitteln der Fall ist (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 316 StGB). Dem lässt sich<br />

nicht mit dem Einwand begegnen, der Gesetzgeber habe bei der Regelung des „absoluten<br />

Drogenverbots“ durch die Fassung des § 24 a Abs. 2 StVG abweichend von der<br />

entsprechenden Regelung für Alkoholfahrten in Absatz 1 der Vorschrift – wie in der<br />

Entscheidung des BVerfG wiedergegeben – „auf exakte Grenzwerte verzichtet, weil bei den<br />

einzelnen Drogen im Vergleich zum Alkohol noch nicht die Möglichkeit einer<br />

Quantifizierung der Dosiswirkungsbeziehung bestehe.“ Denn dies ist zwar ein Grund dafür,<br />

dass der Gesetzgeber beim „Drogenverbot <strong>am</strong> Steuer“ mit der Fassung des § 24 a Abs. 2<br />

StVG nicht willkürlich gehandelt hat, schließt aber umgekehrt nicht aus, dass der<br />

Gesetzgeber im Rahmen des ihm vom BVerfG ausdrücklich eingeräumten „weiten<br />

Einschätzungsspielraums“ nunmehr die für den Umgang mit Drogen eingeführten<br />

Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit auch auf den Umgang mit Alkohol <strong>am</strong><br />

Steuer überträgt bzw. erstreckt.<br />

45 Dazu BTDrs 16/5047 S. 9: „Ein Fahrverbot ist [bei einem Verstoß gegen das „absolute Alkoholverbot“ für<br />

Fahranfänger] nicht vorgesehen. D<strong>am</strong>it bleibt die Sanktion im untersten sanktionsrechtlichen Bereich.“<br />

46 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrs 13/8917 S. 7


18<br />

� Soweit im Übrigen eingewandt wird, die Forderung nach einem „absoluten Alkoholverbot<br />

<strong>am</strong> Steuer“ vertrage sich nicht mit der Notwendigkeit einer europaweiten Harmonisierung<br />

des Verkehrsrechts, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil sich auch und gerade<br />

Deutschland immer wieder auf nationalstaatlich eigene Regelungen und<br />

(Sicherheits)Standards besinnt, wo es politisch opportun erscheint. Der von der<br />

Bundesregierung im Alleingang beschlossene Ausstieg aus der Atomkraft ist dafür nur das<br />

letzte und augenfälligste Beispiel. Das gilt aber in gleicher Weise auch für das<br />

Verkehrsrecht, wo sich Deutschland nicht nur gegen alle europäischen Partner, sondern<br />

sogar „gegen den Rest der Welt“ stellt, indem es sich beharrlich – wider alle Bekenntnisse<br />

und Appelle zu mehr Sicherheit auf den Straßen – einer allgemeinen<br />

Geschwindigkeitsbegrenzung widersetzt.<br />

Ausblick<br />

Stephane Hessel, der „zornige alte Mann“ aus Frankreich („Empört Euch“; „Engagiert Euch“)<br />

äußerte einmal in einem ZEIT-Interview sinngemäß:<br />

„Wer eine Vision hat, will etwas erreichen.<br />

Wer etwas verhindern will, sucht dafür Gründe.“<br />

Ich halte es in diesem Sinne mit der Vision: „Wer trinkt, fährt nicht“ und „Wer fährt, trinkt nicht“.<br />

„Hauptursachen von Straßenverkehrsunfällen sind nach wie vor unangepasste<br />

Geschwindigkeiten und das Fahren unter Alkoholeinfluss. Beide Ursachen sind dadurch<br />

gekennzeichnet, dass sie besonders häufig mit schweren Folgen verbunden sind. Die<br />

Einführung von Tempolimits, die konsequentere Kontrolle und Ahndung von<br />

Regelverstößen sowie die Einführung eines allgemeinen Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer<br />

könnten dies verhindern.“ 47<br />

Dieser – eher vorsichtig formulierten – Aussage („könnten verhindern“) aus dem<br />

Verkehrssicherheitsprogr<strong>am</strong>m aus der Mitte des Bundestages wird man sich völlig unabhängig von<br />

der eigenen politischen Ausrichtung wohl kaum ernsthaft verschließen können. Ich gehe dabei<br />

nicht so weit zu behaupten, der Gesetzgeber müsste entsprechende Maßnahmen ergreifen. Ein<br />

solcher Zwang ergibt sich auch nicht etwa aus der allgemeinen Schutzpflicht des Staates für Leben,<br />

47 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen u.a., Masterplan Straßenverkehrssicherheit, BTDrs. 17/7466 S. 5


19<br />

Gesundheit und Eigentum. Ob der Gesetzgeber einer solchen Anregung folgt, ist eine<br />

(gesellschafts)politisch zu entscheidende Frage. Jedenfalls wäre der Gesetzgeber von Verfassungs<br />

wegen nicht gehindert, der Anregung zu folgen und ein „allgemeines Alkoholverbot <strong>am</strong> Steuer“<br />

einzuführen – und er sollte dies im Verkehrssicherheitsinteresse auch tun:<br />

Die Einführung eines bußgeldbewehrten „absoluten“ Alkoholverbots <strong>am</strong> Steuer, das das Führen<br />

eines Kraftfahrzeugs „unter der Wirkung alkoholischer Getränke“ sanktioniert, unterstreicht das<br />

strikte Trennungsgebot von Fahren und Trinken; es ist eine geeignete Maßnahme, um der<br />

Unfallursache Alkohol zu begegnen, und dient d<strong>am</strong>it der Sicherheit des Straßenverkehrs;<br />

angesichts der weiterhin hohen Zahl von Unfällen mit Alkoholbeteiligung liegt ein solches<br />

„Alkoholverbot“ auch im Rahmen des dem Gesetzgeber eröffneten Handlungsspielraums; es<br />

schränkt die Handlungsfreiheit des Einzelnen nicht unverhältnismäßig ein, sondern belässt<br />

jedermann die Freiheit zu entscheiden, ob er im Einzelfall dem Fahren oder dem Alkoholgenuss<br />

Vorrang einräumt.

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