Rotkreuzler 2/2021

IT-NEWS
DIGITALES MISSTRAUEN
IST GEFRAGT
Die Geschichte des Computernutzers Max Sorglos
Da kriegt Max eine E-Mail eines Bekannten mit
dem Text „Schau dir das an“ und einem Internet-
Link darin. Reflexartig klickt Max auf den Link und
merkt gar nicht, wie im Hintergrund Schadsoftware zu
laufen beginnt, die alle erdenklichen Dateien, die auf
seinem PC liegen und im Netzwerk erreichbar sind,
verschlüsselt. Erst dann zeigt diese Software Max die
Meldung, dass der Zugriff auf seine Dateien erst wieder
entschlüsselt wird, wenn er eine bestimmte Menge
Bitcoins überweist.
Was ist geschehen? Die E-Mail war nur scheinbar von
seinem Bekannten, Max hat auf den Namen des Absenders
vertraut, ein Textfeld, das jeder fälschen kann.
Aber auch wenn die E-Mail tatsächlich von der E-Mail-
Adresse des Bekannten gekommen wäre, könnte ja
dessen E-Mailkonto oder Endgerät gehackt worden
sein. Wir unterstellen hier mal, dass der Bekannte von
Max diese E-Mail mit dem Link zur Schadsoftware unserem
Max nicht willentlich zugesendet hat :)
Max ist Opfer einer Schadsoftware geworden und
musste nun darauf vertrauen, dass der illegale Hersteller
ihm nach seiner Bitcoin-Zahlung auch tatsächlich
wieder Zugriff auf seine benötigten Dateien gibt.
Und auch dieser Umstand ist keinesfalls gesichert.
Max arbeitet auf seinem Computer mit Administrator-
Berechtigung, sodass die Schadsoftware (hier s.g.
Ransomware) sich ungehindert ausweiten kann und
außerdem E-Mails in seinem Namen von seinem E-
Mail-Programm aus an alle gespeicherten Kontakte
versenden kann. Besonders listige Ransomware nutzt
sogar die Antworten-Funktion auf eingegange E-
Mails, was den Empfängern dann besonders vertrauenswürdig
erscheint. Diese Empfänger werden daher
vermutlich auch davon überzeugt sein, dass die E-
Mails tatsächlich von Max Sorglos sind und vielleicht
ebenso auf den in der E-Mail enthaltenen Internet-
Link klicken. Mit diesem Verhalten wird die enge Verwandtschaft
von Ransomware mit Viren klar: System
infizieren und maximal weiterverbreiten.
Mit diesem Beispiel darf ich nur aufzeigen, wie sehr die
meisten von uns ihr Verhalten in der digitalen Welt schon
an jenes in der natürlichen Welt angepasst haben.
Wir vertrauen allen Zusendungen, die uns auf irgendeinem
digitalen Kanal erreichen schon aufgrund des
Anscheins der Richtigkeit und Integrität.
Und gerade an diesem Vertrauen gilt es zu arbeiten,
damit wir in der Welt der digitalen Kommunikation
nicht wie Max „unter die Räder kommen“.
Seien Sie also misstrauisch, liebe Leserin und lieber
Leser. Bei der Fülle an Informationen und Nachrichten,
die täglich auf vielen Wegen auf Sie einprasseln,
gilt es zu allererst misstrauisch zu bleiben und sich
stets die Fragen zu stellen:
Ist das wirklich der Absender für den ich ihn halte oder
als der er sich ausgibt?
Soll ich den Aufforderungen im Inhalt wirklich folgen?
Darf ich dem Informationsgehalt der Nachricht überhaupt
Glauben schenken?
Zwei Wochen später bekommt unser Max eine SMS
von einer ihm nicht bekannten Handynummer auf sein
Smartphone, wo ein weltweit tätiger Paketdienstleister
ihm eine Paketzustellung ankündigt. In der SMS ist
ein Internet-Link enthalten, über den die Sendungsverfolgung
möglich ist. Max überlegt schon, um welches
der Versandpakete, die er unlängst bestellt hatte,
es sich da wohl handelt. Kurz bevor sein Finger auf
den Internet-Link in der SMS klickt, fällt ihm aber zum
Glück ein, dass er da unlängst einen Artikel über digitales
Misstrauen gelesen hatte ... und Max löscht die SMS.
(thomas dragosits)
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