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Society 379

The latest issue of SOCIETY features Portugal as a focus country. It also has interviews with the new Ambassadors of Afghanistan, Ireland and Kazakhstan. Other topics are the countries of the Western Balkans, EU and culture.

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SOCIETY<br />

Ein Stuhl mit<br />

Schwung<br />

Kein Möbelstück ist so eng mit der Wiener Kaffeehauskultur<br />

verwoben, wie Thonets „Stuhl<br />

Nr.14“ – dieser prägt heute noch den Charakter<br />

der klassischen Wiener Etablissements.<br />

Entwickelt wurde der Sessel 1859 vom<br />

deutschen Tischlermeister Michael<br />

Thonet, den Fürst Metternich mit<br />

seiner Familie 1842 nach Wien geholt<br />

hatte. Sieben Jahre später gründete er<br />

seine eigene Werkstätte in Gumpendorf,<br />

die er 1853 in Gebrüder Thonet<br />

umbenannte. „Ohne Wien wäre Thonet<br />

heute nicht das, was es ist. Die Weitsicht,<br />

Innovationskultur und überregionale<br />

Vernetzung der damaligen Zeit<br />

haben es Michael Thonet ermöglicht,<br />

seine technologischen Konzepte und<br />

unternehmerischen Ideen umzusetzen<br />

und zum Erfolg zu führen“, betont<br />

Norbert Ruf, Creative Director und Geschäftsführer<br />

von Thonet im SOCIETY-<br />

Interview.<br />

Der erste große Auftrag für Thonet<br />

kam vom Café Daum, das er im Jahr<br />

1850 mit dem Stuhl Nr. 4., der heute<br />

ebenfalls als Ikone gilt, ausstattete.<br />

„Auf seinen Entwürfen kamen die Menschen<br />

früher wie heute zusammen,<br />

tauschten sich aus und nach wie vor<br />

definieren sie das Bild der Wiener Gastronomie“,<br />

so Ruf. Zwei Jahre nach der<br />

großen Bestellung des Cafés Daum<br />

eröffnete Thonet die erste Verkaufsniederlassung<br />

im Palais Montenuovo<br />

in der Strauchgasse.<br />

Das Unternehmen wuchs stetig weiter,<br />

es wurden Wälder gekauft und Fabriken<br />

gebaut, darunter auch in Frankenberg<br />

in Hessen, wo sich heute der<br />

Firmensitz von Thonet befindet. Mit<br />

dem Entwurf des Stuhls Nr. 14 (heute<br />

214) – dem „Wiener Kaffeehausstuhl“ –<br />

erlangte Thonet schließlich – nicht nur<br />

aufgrund des einzigartigen Designs<br />

sondern auch, weil der Stuhl durch die<br />

neuartige Technologie des Biegens<br />

von massivem Buchenholz beinahe<br />

industriell hergestellt werden konnte<br />

– endgültig internationale Bekanntheit.<br />

Bei der Weltausstellung in Paris<br />

im Jahr 1867 erhielt er dafür sogar die<br />

Goldmedaille. Auch in adligen Kreisen<br />

genoss der Tischlermeister hohes Ansehen.<br />

Kaiser Franz Joseph I. zeichnete<br />

ihn seinerzeit mit dem „Goldenen Verdienstkreuz<br />

mit der Krone“ sowie mit<br />

dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens<br />

aus. Als Michael Thonet im Alter<br />

von 75 Jahren an den Folgen einer<br />

Erkältung verstarb, unterhielt die Firma<br />

Gebrüder Thonet bereits weltweit<br />

eine Vielzahl an Verkaufsstellen – von<br />

Barcelona über London, bis nach New<br />

York und St. Petersburg. Die Qualität<br />

und zeitlose Formensprache hatten<br />

Thonet zum Vorreiter und Pionier der<br />

Möbelbranche gemacht.<br />

70 Jahre nach dem revolutionären<br />

Entwurf des Stuhls Nr. 14 sorgte Marcel<br />

Breuer mit seinen ersten Möbelmodellen<br />

aus Stahlrohr für Aufsehen. Thonet<br />

übernahm 1929 die von ihm mitgegründete<br />

Firma Standard-Möbel Lengyel<br />

& Co. und sicherte sich so die Produktionsrechte<br />

von Breuers neuartigen<br />

Designs. „So entstanden die heutigen<br />

Stahlrohr-Klassiker S 32 und S 64, bis<br />

heute wichtige Bindeglieder zwischen<br />

der traditionellen Bugholztechnik und<br />

modernem Stahlrohrbiegen“, fügt Ruf<br />

hinzu.<br />

Heute wird in enger Zusammenarbeit<br />

mit bekannten zeitgenössischen<br />

DesignerInnen an neuen Entwürfen<br />

gearbeitet. Der traditionellen Herstellungsweise<br />

der Bugholz- und Stahlrohrklassiker<br />

ist Thonet aber in großen<br />

Teilen treu geblieben, auch wenn nur<br />

einige wenige MitarbeiterInnen über<br />

die nötige Expertise verfügen. „Vor<br />

allem das Bugholzbiegen ist auch<br />

heute noch ein fast alchimistisch<br />

anmutender Prozess, der im Prinzip<br />

noch genauso funktioniert wie im 19.<br />

Jahrhundert“, so Ruf. Auch Thonets<br />

klassische Designs haben nichts an<br />

Aktualität verloren: „Der Wiener Kaffeehausstuhl<br />

in all seinen Varianten sowie<br />

die Stahlrohrfreischwinger werden<br />

immer gefragt sein. Dabei liegt es an<br />

uns, sie lebendig zu halten, zum Beispiel<br />

indem wir neue Materialien oder<br />

Farben einsetzen.“ Thonet steht jedenfalls<br />

für Beständigkeit, das beweist das<br />

über 200-jährige Bestehen des Unternehmens:<br />

„Möbel von Thonet gehören<br />

heute wie damals zum alltäglichen<br />

Leben vieler Menschen auf der ganzen<br />

Welt“, so Ruf. „Mit diesen Werten in<br />

Kombination mit höchstem Anspruch<br />

an Gestaltung und Qualität entstehen<br />

Designklassiker, die für Langlebigkeit,<br />

Kultur und Stil stehen“, resümiert der<br />

Geschäftsführer.<br />

Fotos: Thonet<br />

AUSTRIAN BUSINESS<br />

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