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Society 379

The latest issue of SOCIETY features Portugal as a focus country. It also has interviews with the new Ambassadors of Afghanistan, Ireland and Kazakhstan. Other topics are the countries of the Western Balkans, EU and culture.

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SOCIETY<br />

Historische Aufnahme des Hafens von Lissabon, wo Gerhard Schiesser damals<br />

an Land ging<br />

Der Unternehmer Gerhard Schiesser, umgeben von seinen Kindern und<br />

Enkelkindern<br />

Eine Kopie des Personalausweises von Gerhard Schiesser aus der Zeit seines<br />

Aufenthaltes in Portugal<br />

wusch sie mit Seife und Wasser. Sie<br />

können sich vorstellen, wie sie nachher<br />

aussah. Aber man ging mit mir zu<br />

einem Schneider und ich bekam dann<br />

wirklich schöne Kleidung. Mein Pflegevater<br />

schenkte mir auch einen kleinen,<br />

hauchdünnen, goldenen Siegelring mit<br />

meinen Initialen, den ich mit Stolz und<br />

Freude trug. Die sprachliche Umstellung<br />

war anfangs schwer, ich konnte<br />

ja nur Deutsch und ein paar Worte<br />

Englisch sprechen. Aber ich lernte<br />

nach und nach die Sprache und fuhr<br />

dann mit sehr guten Portugiesischkenntnissen<br />

wieder nach Wien. Mein<br />

Pflegevater behielt auch sehr viele<br />

deutsche Worte.<br />

Welche Lehren zogen Sie aus jener<br />

Zeit für sich persönlich?<br />

Lehren zog ich insofern, als dass ich<br />

lernte, dass man auch als reiche Person<br />

nicht auf seinem Reichtum sitzen<br />

bleiben, sondern für andere Leute das<br />

Allermöglichste tun soll. Mein Pflegevater<br />

investierte sein ganzes Geld in<br />

Santa Maria de la Lamas. Das fing<br />

damit an, dass er Straßen bauen ließ.<br />

Die Korkindustrie ist sehr staubig und<br />

in diesem Ort gab es viele Tuberkulosekranke.<br />

Mein Pflegevater erbaute ein<br />

Spital für sie, ebenso errichtete er ein<br />

Altersheim und Schulen. Sein Leitspruch<br />

war: „Ich würde am liebsten mit<br />

einem Escudo in der Tasche sterben.“<br />

Sie waren als Kind insgesamt viermal<br />

bei Familie Amorim in Portugal:<br />

1948, 1949, 1951 und 1956. Wie ging es<br />

danach weiter?<br />

Dann machte ich in Wien Matura und<br />

begann, Welthandel zu studieren. Mittlerweile<br />

hatte ich mit Herrn Amorim<br />

schriftlich Kontakt. Eines Tages trafen<br />

wir uns und er fragte: „Wie wär’s, willst<br />

du nicht für uns arbeiten?“ Sicher war<br />

das reizvoll für mich, ich hatte allerdings<br />

kurz vorher geheiratet. Dann<br />

kam 1963 ein Telegramm: „Komm zu<br />

uns, um die näheren Konditionen zu<br />

verhandeln.“ Ich flog nach Portugal –<br />

das war mein allererster Flug – und wir<br />

verhandelten die Bedingungen. Meine<br />

Frau und ich fuhren mit zehn Kisten<br />

und Kartons nach Portugal und lebten<br />

südlich von Porto, in Espinho. Unser<br />

Sohn wurde 1963 dort geboren. Bis 67<br />

waren wir in Portugal, dann gab es eine<br />

Situation, die ich wieder als reinen Zufall<br />

bezeichne. Portugal hatte zu dieser<br />

Zeit noch Kolonien, was damals von<br />

der kommunistischen Seite kritisiert<br />

wurde, sodass man einen Handelsboykott<br />

gegen das Land errichtete. Die bei<br />

uns umliegenden, damals kommunistischen<br />

Länder wie Ungarn, die Tschechoslowakei,<br />

Rumänien, Bulgarien und<br />

die Sowjetunion waren weinproduzierende<br />

Länder und brauchten Kork. Wir<br />

kamen dann auf die Idee, diesen Ländern<br />

keinen portugiesischen, sondern<br />

österreichischen Kork zu verkaufen. Ich<br />

fuhr nach Wien, gründete 1967 meine<br />

eigene Firma und betreute und bereiste<br />

dann von Wien aus die gesamte osteuropäische<br />

Region aber auch China<br />

und Indien und einige Länder in Afrika.<br />

Und meines Erachtens war alles reiner<br />

Zufall. Hätte es den Handelsboykott<br />

nicht gegeben, wäre ich wahrscheinlich<br />

in Portugal geblieben.<br />

PORTUGAL 035

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