Die Restrukturierung des Arbeitsmarktes im Übergang zur ...

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- 62 - Tausch innerhalb eines Rational Choice Ansatzes adäquat zu berücksichtigen, mangeln bislang daher i. d. R. daran, dass das für die Tauschbeziehung konstituierende Element der Zeit nicht hinreichend berücksichtigt wird. Die künstliche Unterscheidung zwischen ökonomischem und sozialem Tausch (vgl. bspw. COLEMAN 1991: 153ff; WILLER 1992: 53ff; vgl. dazu auch Abschnitt 1.1.2) verstellt den Blick darauf, dass die formale Gestaltung des Tausches entscheidend durch die (geplante) Dauer der Austauschbeziehung mitbestimmt wird. Die tendenziell mit der mutmaßlichen Dauer zunehmenden Informationsmängel lassen die Transaktionspartner nach der effizientesten Gestaltung der Austauschbeziehung suchen. Daher spielt nicht nur die subjektive Definition der Situation, die Wahl eines adäquaten Informationsverarbeitungsmodus und die Interaktion mit der (passiven oder aktiven) Umwelt, sondern in besonderem Maße auch die Zeit eine entscheidende Rolle bei der Erklärung individuellen Handelns sowie gesellschaftlicher Veränderungen. „Any macro-micro framework must recognize that time matters in this relationship. It must identify the particular historical structures and processes which dominate the changes occuring in a given population and it has to spezify the causal mechanisms that allow us to trace the encounters of intentionally acting individuals with the flow of history as a series of choice process“ (BLOSSFELD 1996: 198). Die Erweiterung des RREEMM zum RREEEMM durch die Einführung des Reziprozitätsprizips ermahnt uns demnach, sowohl die Machtverhältnisse innerhalb einer Beziehung als auch die Zeit als wichtige erklä- rende Faktoren in einem soziologischen Erklärungsmodell adäquat zu berücksichtigen. Damit sind die theoretischen Grundannahmen und wesentlichen Begriffe einer sozialwissenschaftlichen (oder anders ausgedrückt: interdisziplinären), handlungsorientierten Mikrotheorie des Arbeitsmarktes dargestellt, die sich mit ESSER (1984: 690) folgendermaßen zusammenfassen lassen: „Personen handeln in ihrem Interdependenzgefüge nach der jeweils gebotenen Logik der Situation [...], schaffen dadurch für sich und andere Akteure unabhängig von den individuellen Absichten bestimmte Konsequenzen, die sich erneut in der Struktur des Interdependenzgefüges niederschlagen und dann zu einem erneuten Handeln gemäß einer – nunmehr u. U. ungeplant veränderten – Situationslogik zwingen [...]. Das gesetzmäßige Handeln individueller (nicht: isolierter!) Personen ist der allgemeine Grundmechanismus, der innerhalb spezieller (historischer) Verflechtungsbedin-

- 63 - gungen eine Dynamik erzwingt, die nur unter den Bedingungen der Art der jeweiligen Verflechtung und der individuellen Merkmale zu diesem Ergebnis führt“. 15 Nun gilt es, diese allgemeinen theoretischen Überlegungen in ein konkretes Arbeitsmarktschema zu transferieren, um die Beziehungen zwischen Arbeitsanbieter und Arbeitsnachfrager genau darstellen zu können. Erst mit Hilfe einer präzisen Beschreibung ist später die Formulierung und empirische Überprüfung von Hypothesen möglich. Ausgangspunkt des am Ende dieses Kapitels vorzustellenden Arbeitsmarktschemas ist zunächst der Arbeitsvertrag als institutionalisierte bilaterale Übereinkunft über die Tauschmodalitäten zwischen Arbeitsanbieter und -nachfrager. 1.3 Der Arbeitsvertrag Die i. d. R. auf gewisse Dauer angelegte Austauschbeziehung zwischen Arbeitsanbieter und Arbeitsnachfrager ist durch Unsicherheit und Unkenntnis bedroht, so dass die Transaktionspartner versuchen, die Risiken der Informationsmängel durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren. Eine wesentliche Möglichkeit liegt dabei im Abschluss eines Arbeitsvertrages, der Leistung und Gegenleistung für die Vertragspartner möglichst verbindlich machen soll. Daher kommt bei einer Analyse des Arbeitsmarktes der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages als Bindeglied zwischen den beiden Marktseiten die entscheidende Schlüsselrolle zu. Das Instrument des Arbeitsvertrages hat sich jedoch erst im Laufe der Geschichte entwickelt und ist dabei mit der Entstehung des abendländischen Kapitalismus eng verknüpft. 1.3.1 Ideengeschichtliche und sozialhistorische Voraussetzungen des Arbeitsvertrages Eine auf Spezialisierung beruhende arbeitsteilige Produktion ist kennzeichnend für jede Tauschwirtschaft und somit kein Phänomen moderner Gesellschaften 15 Der durch Elias entwickelte und häufig als „Figurationssoziologie“ bezeichnete Ansatz einerseits und Grundannahmen des methodologischen Individualismus sowie der begrenzten Rationalität andererseits schließen sich keineswegs aus, sondern können – im Gegenteil – gemeinsam durchaus „ein brauchbares Fundament einer künftigen theoretisch und methodologisch befriedigenden Soziologie“ (ESSER 1984: 696) bilden. Allerdings wird eine solche Parallele nicht zuletzt durch Elias selbst abgelehnt, was sich bspw. in seinen kritischen Äußerungen zur Wissenschaftstheorie Poppers widerspiegelt (ELIAS 1985a, 1985b; vgl. dazu auch ESSER 1985; ALBERT 1985; zur Abgrenzung der „Figurationssoziologie“ vom methodologischen Individualismus und Rational Choice Ansatz vgl. auch KORTE 1988: 158f; SCHEFF 1992).

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gungen eine Dynamik erzwingt, die nur unter den Bedingungen der Art der jeweiligen<br />

Verflechtung und der individuellen Merkmale zu diesem Ergebnis<br />

führt“. 15 Nun gilt es, diese allgemeinen theoretischen Überlegungen in ein konkretes<br />

Arbeitsmarktschema zu transferieren, um die Beziehungen zwischen Arbeitsanbieter<br />

und Arbeitsnachfrager genau darstellen zu können. Erst mit Hilfe<br />

einer präzisen Beschreibung ist später die Formulierung und empirische Überprüfung<br />

von Hypothesen möglich. Ausgangspunkt <strong>des</strong> am Ende dieses Kapitels<br />

vorzustellenden Arbeitsmarktschemas ist zunächst der Arbeitsvertrag als institutionalisierte<br />

bilaterale Übereinkunft über die Tauschmodalitäten zwischen Arbeitsanbieter<br />

und -nachfrager.<br />

1.3 Der Arbeitsvertrag<br />

<strong>Die</strong> i. d. R. auf gewisse Dauer angelegte Austauschbeziehung zwischen Arbeitsanbieter<br />

und Arbeitsnachfrager ist durch Unsicherheit und Unkenntnis bedroht, so<br />

dass die Transaktionspartner versuchen, die Risiken der Informationsmängel<br />

durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren. Eine wesentliche Möglichkeit liegt<br />

dabei <strong>im</strong> Abschluss eines Arbeitsvertrages, der Leistung und Gegenleistung für<br />

die Vertragspartner möglichst verbindlich machen soll. Daher kommt bei einer<br />

Analyse <strong>des</strong> <strong>Arbeitsmarktes</strong> der Ausgestaltung <strong>des</strong> Arbeitsvertrages als Bindeglied<br />

zwischen den beiden Marktseiten die entscheidende Schlüsselrolle zu. Das<br />

Instrument <strong>des</strong> Arbeitsvertrages hat sich jedoch erst <strong>im</strong> Laufe der Geschichte<br />

entwickelt und ist dabei mit der Entstehung <strong>des</strong> abendländischen Kapitalismus<br />

eng verknüpft.<br />

1.3.1 Ideengeschichtliche und sozialhistorische Voraussetzungen <strong>des</strong> Arbeitsvertrages<br />

Eine auf Spezialisierung beruhende arbeitsteilige Produktion ist kennzeichnend<br />

für jede Tauschwirtschaft und somit kein Phänomen moderner Gesellschaften<br />

15 Der durch Elias entwickelte und häufig als „Figurationssoziologie“ bezeichnete Ansatz einerseits<br />

und Grundannahmen <strong>des</strong> methodologischen Individualismus sowie der begrenzten Rationalität<br />

andererseits schließen sich keineswegs aus, sondern können – <strong>im</strong> Gegenteil – gemeinsam<br />

durchaus „ein brauchbares Fundament einer künftigen theoretisch und methodologisch befriedigenden<br />

Soziologie“ (ESSER 1984: 696) bilden. Allerdings wird eine solche Parallele nicht<br />

zuletzt durch Elias selbst abgelehnt, was sich bspw. in seinen kritischen Äußerungen <strong>zur</strong> Wissenschaftstheorie<br />

Poppers widerspiegelt (ELIAS 1985a, 1985b; vgl. dazu auch ESSER 1985;<br />

ALBERT 1985; <strong>zur</strong> Abgrenzung der „Figurationssoziologie“ vom methodologischen Individualismus<br />

und Rational Choice Ansatz vgl. auch KORTE 1988: 158f; SCHEFF 1992).

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