Die Restrukturierung des Arbeitsmarktes im Übergang zur ...

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- 58 - abhängige Entscheidung. „What is new in the discrimination model [...] is first and foremost the situational salience of goals. [...] Where ‚tastes‘ in economics are assumed as given in any situation and where ‚values‘ are assumed as the product of socialisation in the past, instrumental goals are rationally connected to higher level goals given the constraints of situation. In technical terms: Utility functions turn into social production functions [...]“ (LINDENBERG 1989: 190). In diesem Sinne macht das Grundmodell soziologischer Erklärung deutlich, wie eine objektiv unendlich komplexe soziale Situation subjektiv interpretiert wird, diese Interpretation eingebettet in soziale Rahmenbedingungen und ausgerichtet an der Nutzenproduktion erfolgt, sich an dieser Interpretation das Handeln ausrichtet und die Handlungsentscheidungen der Akteure dann gemeinsam zu gesellschaftlichen Veränderungen führen. Allerdings sollte dabei weder das Auftreten von Transaktionskosten noch die fundamentale Bedeutung der Zeit vernachlässigt werden. Unglücklicherweise wird jedoch häufig nicht explizit danach gefragt, wie indirekte bzw. primäre Zwischengüter produziert werden, d. h., ob der Akteur zu diesem Zweck mit unbelebter Natur, Tieren oder aber ebenfalls rational und zielgerichtet handelnden anderen Akteuren interagiert bzw. interagieren muss. Betrachten wir bspw. einen Landwirt, der vor der Entscheidung steht, sein Feld zu ernten. Eingebettet in Rahmenbedingungen (bspw. der Kornpreis vor Beginn der Ernte) wählt der Landwirt ein subjektiv rationales Entscheidungsmodell und den entsprechenden Informationsbearbeitungsmodus. Letztlich wird sich das Handeln an den Erwartungen über die unsichere Zukunft (bspw. die Wetterentwicklung in den nächsten Tagen) orientieren. Dabei kann es durchaus sein, dass sich die Entscheidung des Landwirts später als unangebracht herausstellt. Vielleicht hat er bei seiner Entscheidung den ‚falschen‘ Informationsverarbeitungsmodus gewählt und hat – anstatt sich um einen fundierten Wetterbericht zu bemühen – auf seine Erfahrung vertraut, dadurch das Feld nicht abgeerntet, am Ende jedoch Frostschäden in Kauf nehmen müssen. Wahrscheinlich wird er nach dieser Erfahrung sein Entscheidungsmodell und/oder den Informationsverarbeitungsmodus – und damit auch sein Verhalten – ändern, um in Zukunft Witterungsschäden zu vermeiden (sprich: zukünftig eher der professionellen Wettervorhersage anstatt seiner Erfahrung zu vertrauen).

- 59 - Der Entscheidungsprozess eines Arbeitgebers, ob er einen Arbeitnehmer weiter beschäftigen möchte, würde gemäß des oben erläuterten Grundmodells der soziologischen Erklärung ganz ähnlich ablaufen. Der Arbeitgeber interpretiert seine soziale Situation, wählt ein Modell und einen Modus aus und entscheidet sich bspw. für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, da er einen Auftrag erwartet, der von dem in Frage stehenden Mitarbeiter erledigt werden kann. Auch hier können sich die Erwartungen bzw. das gewählte Modell bzw. der gewählte Modus als inadäquat herausstellen. Bspw. kommt der Auftrag nicht oder aber der Mitarbeiter ist der Aufgabe doch nicht gewachsen. Als Folge wird der Arbeitgeber sein Verhalten in Zukunft entsprechend anpassen. Aber wie lässt sich folgender Fall erklären: der Arbeitgeber entscheidet sich für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, der Auftrag kommt und der Mitarbeiter ist in der Lage, die Aufgaben zu bewältigen – aber: der Mitarbeiter kündigt. Offenbar hat auch der Arbeitnehmer seine eigene soziale Situation interpretiert, hat ein Handlungsmodell und einen Informationsverarbeitungsmodus gewählt und sein Handeln (hier: die Kündigung) daran ausgerichtet. Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier geht es nicht darum, zu entscheiden, ob die Akteure (objektiv oder subjektiv) ‚Fehler‘ gemacht haben, ob also bspw. die Definition ihrer sozialen Situation angemessen gewesen ist. Vielmehr geht es um die Darstellung des Unterschieds zwischen einer Inter- aktion mit unbelebter Materie und einer Interaktion mit einem anderen, ebenfalls rational handelnden, nutzenmaximierenden Akteur. Nach ELSTER (1986: 7) kann im ersten Fall von einer „parametrischen Entscheidung“ und im zweiten Fall von einer „strategischen Entscheidung“ gesprochen werden: „In a parametric decision the agent faces external constraints that are in some sense given or parametric. First he estimates them as well as he can, and then he decides what to do. A strategic situation is characterized by interdependence of decisions. Before making up his mind, each agent has to anticipate what others are likely to do [...]“. Um dies an unserem Beispiel zu verdeutlichen: Die Handlung des Arbeitgebers richtete sich (a) nach seinen Erwartungen (bspw. dem zu erwartenden Auftrag; der Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters), (b) nach exogenen Einflüssen außerhalb der Transaktion (bspw. Verhalten des Auftraggebers; konjunkturelle Lage) und (c) nach endogenen Einflüssen innerhalb der Transaktion (bspw. das Verhalten des Arbeitnehmers). Mit Bezug auf das Postulat der Reziprozität menschlicher Beziehungen haben Interaktionen zwischen zwei (oder mehr) Akteuren immer ein

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Der Entscheidungsprozess eines Arbeitgebers, ob er einen Arbeitnehmer weiter<br />

beschäftigen möchte, würde gemäß <strong>des</strong> oben erläuterten Grundmodells der soziologischen<br />

Erklärung ganz ähnlich ablaufen. Der Arbeitgeber interpretiert seine<br />

soziale Situation, wählt ein Modell und einen Modus aus und entscheidet sich<br />

bspw. für eine Fortsetzung <strong>des</strong> Arbeitsverhältnisses, da er einen Auftrag erwartet,<br />

der von dem in Frage stehenden Mitarbeiter erledigt werden kann. Auch hier<br />

können sich die Erwartungen bzw. das gewählte Modell bzw. der gewählte Modus<br />

als inadäquat herausstellen. Bspw. kommt der Auftrag nicht oder aber der Mitarbeiter<br />

ist der Aufgabe doch nicht gewachsen. Als Folge wird der Arbeitgeber sein<br />

Verhalten in Zukunft entsprechend anpassen. Aber wie lässt sich folgender Fall<br />

erklären: der Arbeitgeber entscheidet sich für eine Fortsetzung <strong>des</strong> Arbeitsverhältnisses,<br />

der Auftrag kommt und der Mitarbeiter ist in der Lage, die Aufgaben zu<br />

bewältigen – aber: der Mitarbeiter kündigt. Offenbar hat auch der Arbeitnehmer<br />

seine eigene soziale Situation interpretiert, hat ein Handlungsmodell und einen<br />

Informationsverarbeitungsmodus gewählt und sein Handeln (hier: die Kündigung)<br />

daran ausgerichtet. Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier geht es nicht darum,<br />

zu entscheiden, ob die Akteure (objektiv oder subjektiv) ‚Fehler‘ gemacht<br />

haben, ob also bspw. die Definition ihrer sozialen Situation angemessen gewesen<br />

ist. Vielmehr geht es um die Darstellung <strong>des</strong> Unterschieds zwischen einer Inter-<br />

aktion mit unbelebter Materie und einer Interaktion mit einem anderen, ebenfalls<br />

rational handelnden, nutzenmax<strong>im</strong>ierenden Akteur. Nach ELSTER (1986: 7) kann<br />

<strong>im</strong> ersten Fall von einer „parametrischen Entscheidung“ und <strong>im</strong> zweiten Fall von<br />

einer „strategischen Entscheidung“ gesprochen werden: „In a parametric decision<br />

the agent faces external constraints that are in some sense given or parametric.<br />

First he est<strong>im</strong>ates them as well as he can, and then he deci<strong>des</strong> what to do. A strategic<br />

situation is characterized by interdependence of decisions. Before making up<br />

his mind, each agent has to anticipate what others are likely to do [...]“. Um dies<br />

an unserem Beispiel zu verdeutlichen: <strong>Die</strong> Handlung <strong>des</strong> Arbeitgebers richtete<br />

sich (a) nach seinen Erwartungen (bspw. dem zu erwartenden Auftrag; der Leistungsfähigkeit<br />

<strong>des</strong> Mitarbeiters), (b) nach exogenen Einflüssen außerhalb der<br />

Transaktion (bspw. Verhalten <strong>des</strong> Auftraggebers; konjunkturelle Lage) und (c)<br />

nach endogenen Einflüssen innerhalb der Transaktion (bspw. das Verhalten <strong>des</strong><br />

Arbeitnehmers). Mit Bezug auf das Postulat der Reziprozität menschlicher Beziehungen<br />

haben Interaktionen zwischen zwei (oder mehr) Akteuren <strong>im</strong>mer ein

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