Die Restrukturierung des Arbeitsmarktes im Übergang zur ...

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- 322 - die zunehmende „Verhärtung“ von Arbeitslosigkeit diesen Schluss zunächst durchaus plausibel erscheinen lassen. Diese Skepsis stützt sich auf eine ganze Reihe der vorgenommenen Analysen. So widersprechen die vorgelegten Befunde z. B. der Auffassung, es sei „eine ökonomische Binsenweisheit, wird der Austritt aus dem Markt erschwert, wird auch der Zutritt zum Markt schwieriger. [...] Bei einem schnelleren strukturellen Wandel behindert ein strengerer Bestandsschutz vor allem den Aufbau neuer Arbeitsplätze, die Beschäftigung wird negativ beeinflusst“ (BERTHOLD 2001a: 9). Eine solche „Binsenweisheit“ behält jedoch nur dann ihre Gültigkeit, wenn die sowohl in vertikaler als auch horizontaler Perspektive differenzierten Flexibilitätsmöglichkeiten des betrieblichen Arbeitskräfteeinsatzes unberücksichtigt bleiben, bspw. indem außer Acht gelassen wird, dass auch mit betriebsinternen Flexibilisierungsstrategien einem Strukturwandel adäquat begegnet werden kann. So zeigen die empirischen Ergebnisse, dass sich bspw. im Bereich der unternehmensnahen bzw. der personenbezogenen Dienstleistungen sowie der klein- und kleinstbetrieblichen Beschäftigung ein beachtliches Beschäf- tigungswachstum auf der einen und gleichzeitig rückläufige Fluktuationsraten und stabilisierte Betriebsbindungen auf der anderen Seite nicht ausschließen. Des Weiteren wird die These, dass die angeblich (zu) geringe Arbeitsmarktdynamik in Deutschland vor allem auf zu starre nationalspezifische Regulierungen („institutionelle Verflechtungsfalle“; BERTHOLD 2001a) zurückzuführen sei, in einem weiteren Punkt in Frage gestellt. Trotz fundamentaler ökonomischer, rechtlicher und institutioneller Unterschiede deutet eine Reihe von internationalen Untersuchungen darauf hin, dass sich im Verlauf der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Bindungen in vielen industrialisierten Länden stabilisiert haben – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau (vgl. z. B. für Großbritannien BURGESS/REES 1998; DOOGAN 2001, für die USA DIEBOLD et al. 1996; NEUMARK et al. 1999; GOTTSCHALK/MOFFITT 1999; für Japan CHUMA 1998; internationale Vergleiche bieten: ILO 1996; OECD 1997; AUER/CAZES 2000). Folglich können die Stabilisierungstendenzen in Deutschland nicht ohne weiteres auf die angeblich zu starke Regulierung des hiesigen Arbeitsmarktes zurückgeführt werden. Im Zusammenhang mit diesen Befunden verlieren die periodisch immer wiederkehrend vorgetragenen Argumente für einen Abbau der angeblich zu restriktiven Kündigungsschutzregelungen mit ihrer angeblich beschäftigungshemmenden Wirkung zu einem großen Teil ihre Wirkung. Es ist bemerkenswert,

- 323 - dass – ungeachtet etwaiger Stabilisierungstendenzen – Mitte der 1990er Jahre die Hälfte aller neu begonnenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland binnen eines Jahres schon wieder beendet worden sind. Dies ist wohl kaum ein Kennzeichen für einen sklerotischen Arbeitsmarkt mit zu starrem Kündigungsschutz. Hinzu kommt das Phänomen, dass nach der Schaffung vereinfachter Befristungsmöglichkeiten durch das Beschäftigungsförderungsgesetz Mitte der 1980er Jahre tatsächlich keine generelle Destabilisierung stattgefunden hat. Somit sind die vom Gesetzgeber geschaffenen Flexibilisierungsmöglichkeiten von den Betrieben gar nicht ausgeschöpft worden – zumindest wenn es wirklich um eine tatsächliche Erhöhung der extern numerischen Flexibilität und nicht um eine Verlängerung von Probezeiten und eine Erhöhung betriebsinterner Disziplinierungsmacht geht, die dann wohl eher zur Umsetzung betriebsinterner Flexibilisierungsstrategien genutzt werden kann und wohl auch genutzt worden ist. Resultat der Analyse ist folglich nicht, dass es keine Veränderungen im Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft gegeben hätte. Kapitel 2 hat an verschiedenen Punkten gezeigt, wie sich die Rahmenbedingungen des westdeut- schen Arbeitsmarktes und damit die Flexibilitätsanforderungen an Betriebe ebenso wie an private Haushalte (und dadurch an die Arbeitsmarktakteure) verändert haben. Allerdings gibt es offensichtlich verschiedene Wege, wie auf gestiegenen bzw. veränderten Anpassungsdruck reagiert werden kann. Sowohl die theoreti- schen Ausführungen in Kapitel 1 als auch die empirischen Befunde in Kapitel 3 und 4 haben deutlich gemacht, dass in der soziologischen „Mainstream-Debatte“ um die Beschäftigungsstabilität die Komplexität von Flexibilisierungsanforderun- gen, Flexibilisierungsmöglichkeiten und Flexibilisierungsinterdependenzen vernachlässigt wird. Dadurch wird erklärbar, dass der als Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft umschriebene gesellschaftliche Wandel eben nicht zu einer Entstrukturierung und Beschleunigung, sondern zu einer Restrukturierung mit alten und neuen Polarisierungen und parallel stattfindenden Angleichungen in anderen Bereichen geführt hat. 5.1.3 Ansätze einer Erklärung des Restrukturierungsprozesses Bei der vereinfachten Darstellung der vergangenen und gegenwärtigen Arbeitsmarktentwicklung als entweder vor allem „beschleunigt-entstrukturiert“ oder aber

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dass – ungeachtet etwaiger Stabilisierungstendenzen – Mitte der 1990er Jahre die<br />

Hälfte aller neu begonnenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse<br />

in Deutschland binnen eines Jahres schon wieder beendet worden sind.<br />

<strong>Die</strong>s ist wohl kaum ein Kennzeichen für einen sklerotischen Arbeitsmarkt mit zu<br />

starrem Kündigungsschutz. Hinzu kommt das Phänomen, dass nach der Schaffung<br />

vereinfachter Befristungsmöglichkeiten durch das Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

Mitte der 1980er Jahre tatsächlich keine generelle Destabilisierung stattgefunden<br />

hat. Somit sind die vom Gesetzgeber geschaffenen Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />

von den Betrieben gar nicht ausgeschöpft worden – zumin<strong>des</strong>t wenn es<br />

wirklich um eine tatsächliche Erhöhung der extern numerischen Flexibilität und<br />

nicht um eine Verlängerung von Probezeiten und eine Erhöhung betriebsinterner<br />

Disziplinierungsmacht geht, die dann wohl eher <strong>zur</strong> Umsetzung betriebsinterner<br />

Flexibilisierungsstrategien genutzt werden kann und wohl auch genutzt worden<br />

ist.<br />

Resultat der Analyse ist folglich nicht, dass es keine Veränderungen <strong>im</strong> <strong>Übergang</strong><br />

von der Industrie- <strong>zur</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft gegeben hätte. Kapitel 2 hat an<br />

verschiedenen Punkten gezeigt, wie sich die Rahmenbedingungen <strong>des</strong> westdeut-<br />

schen <strong>Arbeitsmarktes</strong> und damit die Flexibilitätsanforderungen an Betriebe ebenso<br />

wie an private Haushalte (und dadurch an die Arbeitsmarktakteure) verändert<br />

haben. Allerdings gibt es offensichtlich verschiedene Wege, wie auf gestiegenen<br />

bzw. veränderten Anpassungsdruck reagiert werden kann. Sowohl die theoreti-<br />

schen Ausführungen in Kapitel 1 als auch die empirischen Befunde in Kapitel 3<br />

und 4 haben deutlich gemacht, dass in der soziologischen „Mainstream-Debatte“<br />

um die Beschäftigungsstabilität die Komplexität von Flexibilisierungsanforderun-<br />

gen, Flexibilisierungsmöglichkeiten und Flexibilisierungsinterdependenzen vernachlässigt<br />

wird. Dadurch wird erklärbar, dass der als <strong>Übergang</strong> <strong>zur</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft<br />

umschriebene gesellschaftliche Wandel eben nicht zu einer<br />

Entstrukturierung und Beschleunigung, sondern zu einer <strong>Restrukturierung</strong> mit<br />

alten und neuen Polarisierungen und parallel stattfindenden Angleichungen in<br />

anderen Bereichen geführt hat.<br />

5.1.3 Ansätze einer Erklärung <strong>des</strong> <strong>Restrukturierung</strong>sprozesses<br />

Bei der vereinfachten Darstellung der vergangenen und gegenwärtigen Arbeitsmarktentwicklung<br />

als entweder vor allem „beschleunigt-entstrukturiert“ oder aber

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