Die Restrukturierung des Arbeitsmarktes im Übergang zur ...
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- 150 - In Deutschland hat ein vorgezogener Ruhestand mit dem Ziel des Abbaus eines zu großen Arbeitsangebotes bei gleichzeitiger Verbesserung der Erwerbschancen jüngerer Beschäftigter eine lange Tradition, die bis in die 1920er Jahre zurückreicht (KNUTH 1999). So ist kaum verwunderlich, dass auch in der bundesrepublikanischen Sozialrechtsgeschichte die Flexibilisierung der Altersgrenze vor allem arbeitsmarktpolitisch motiviert gewesen ist. Prinzipiell sollten die Arbeitsmarktchancen junger Erwerbstätiger durch ein sozial „abgefedertes“, vorzeitiges Ausscheiden älterer Erwerbstätiger erhöht werden. Unter dem Eindruck wachsender Arbeitslosenzahlen wurden die diesbezüglichen bereits seit den 1950er Jahren bestehenden sozialrechtlichen Möglichkeiten insbesondere seit Mitte der 1970er Jahre verstärkt von den Arbeitsmarktakteuren genutzt, wobei die Option eines frühzeitigen Renteneintritts vor allem in Kombination mit anderen sozialrechtlichen Regelung ihre besondere Arbeitsmarktwirkung entfaltete. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines Rentenbezugs ab dem 60. Lebensjahr, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – der Arbeitnehmer zuvor mehr als 12 Monate arbeitslos gewesen ist. Dadurch wurde Betrieben die Chance eröffnet, Arbeitnehmer ab dem 59. Lebensjahr ausscheiden zu lassen, indem „das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch arbeitnehmerseitige Kündigung gelöst [wird]. Der Arbeitgeber gleicht – im günstigsten Fall – die Einkommensverluste während der Zeit der Arbeitslosigkeit und Renteneinbußen durch die Zahlung von Abfindungen aus“, wodurch auch die Anreize für die betroffenen Arbeitnehmer erhöht wurden, diesem „sozialverträglichen“ Beschäftigungsabbau mit Hilfe sogenannter „59er-Regelungen“ zuzustimmen (BANGEL 1993: 35). Nicht nur die finanzielle Abfederung des Rentenübergangs durch die Gewährung von Arbeitslo- sengeld erhöhte hierbei die Akzeptanz solcher Regelungen bei den älteren Beschäftigten. Vor allem die Tatsache, dass – solange keine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit vorlag – der Weg in den Ruhestand ab 60 ausschließlich über eine vorgelagerte Phase von Langzeitarbeitslosigkeit erreichbar war, ließ diesen Weg für eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern besonders attraktiv erscheinen. Darüber hinaus ist auch zu bedenken: Das deutsche Arbeitsrecht erlaubt zwar prinzipiell die Entlassung von Arbeitnehmern, jedoch sind bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Kriterien zu berücksichtigen. Dadurch wird de facto die Kündigung mit zunehmendem Lebensalter und zunehmender Betriebszugehörigkeitsdauer erschwert. Aus diesem Grund erhöhte sich
- 151 - die Attraktivität der 59er-Regelung für die Arbeitgeber, indem mutmaßlich minderproduktive ältere Arbeitnehmer unter Umgehung von Kündigungsschutzbestimmungen relativ problemlos und mit geringem Kostenaufwand freigesetzt werden konnten (KNUTH 1999: 121). Diese „‘zweckentfremdete‘ Nutzung der rentenversicherungsrechtlichen Regelung ‚Arbeitslosenruhegeld‘ durch die Betriebe“ wurde nicht nur „staatlicherseits stillschweigend geduldet“ (BANGEL 1993: 36) 48 , sondern sogar ab 1986 mittels der Ablösung einer einheitlichen Regelung durch eine Altersstaffelung der maximalen Bezugszeit von Arbeitslosengeld weiter forciert. Bis dahin galt die Regelung, dass Arbeitslosengeld maximal für einen Zeitraum von 12 Monaten gezahlt wird und daran der sowohl bedürftigkeitsgeprüfte als auch in seiner Höhe gegenüber dem Arbeitslosengeld geminderte Bezug von Arbeitslosenhilfe anschließt. Ab 1986 blieb der maximale Leistungsbezug von 12 Monaten nunmehr beschränkt auf Personen bis zum Alter von 43 Jahren. Die maximale Bezugszeit für ältere Arbeitnehmer staffelte sich im geänderten Arbeitsförderungsgesetz (AFG) demgegenüber in mehreren Stufen, so dass für Arbeitnehmer ab dem 54. Lebensjahr nun eine maximale Arbeitslosengeldbezugszeit von zwei Jahren möglich geworden war; bereits ein Jahr später wurde die Höchstdauer für den Arbeitslosengeldbezug erneut ausgeweitet, so dass nun ab dem 54. Lebensjahr eine Bezugszeit von ma- ximal 32 Monaten möglich wurde (vgl. zu der genauen Altersstaffelung STEFFEN 1996: 8f). Dadurch wurde die Möglichkeit eines „sozialverträglichen“ Beschäfti- gungsabbaus auf Arbeitnehmer ab einem Alter von 57 Jahren und vier Monaten ausgedehnt und die zuvor praktizierte „59er-Regelung“ faktisch zur „57er- Regelung“ ausgedehnt. 49 Die „Sogwirkung“ (KNUTH 1999) dieser Altersüber- gangskonstruktion wurde durch die kurz zuvor erfolgte Verschärfung der Zu- 48 Durch die Einführung bzw. Änderung des § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Jahr 1982 bzw. 1984 war zwar eine betriebliche Rückerstattungspflicht für die Kosten vorgesehen, die der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund der Nutzung sogenannter „59er-Regelungen“ entstehen; gleichwohl hat diese gesetzliche Rückerstattungspflicht aus unterschiedlichen Gründen niemals richtig funktioniert (vgl. dazu BANGEL 1993: 36; GATTER/HARTMANN 1995: 414). 49 „Nahm man die niedrigere und von Bedürftigkeit abhängige Arbeitslosenhilfe mit in diesen Kauf, so bot sich ein früherer Ausstieg z. B. schon mit 55 an. [...] Die von der Bundesanstalt für Arbeit subventionierte Vorruhestandspassage läßt sich noch um bis zu zwei Jahre verlängern, wenn man dem ganzen Ablauf eine Phase strukturbedingter Kurzarbeit vorschaltet“ (KNUTH 1999: 122f). Hinzu kommt, dass sich Arbeitslose ab dem 58. Lebensjahr seit dem 1.1.1986 gemäß § 105c AFG nicht mehr der Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsämter zur Verfügung stellen mussten (GATTER/HARTMANN 1995: 414).
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Sozialrechtsgeschichte die Flexibilisierung der Altersgrenze vor allem<br />
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junger Erwerbstätiger durch ein sozial „abgefedertes“, vorzeitiges Ausscheiden<br />
älterer Erwerbstätiger erhöht werden. Unter dem Eindruck wachsender<br />
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bestehenden sozialrechtlichen Möglichkeiten insbesondere seit Mitte der 1970er<br />
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frühzeitigen Renteneintritts vor allem in Kombination mit anderen sozialrechtlichen<br />
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in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines Rentenbezugs ab dem 60. Lebensjahr,<br />
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mehr als 12 Monate arbeitslos gewesen ist. Dadurch wurde Betrieben die Chance<br />
eröffnet, Arbeitnehmer ab dem 59. Lebensjahr ausscheiden zu lassen, indem „das<br />
Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch arbeitnehmerseitige Kündigung gelöst<br />
[wird]. Der Arbeitgeber gleicht – <strong>im</strong> günstigsten Fall – die Einkommensverluste<br />
während der Zeit der Arbeitslosigkeit und Renteneinbußen durch die Zahlung von<br />
Abfindungen aus“, wodurch auch die Anreize für die betroffenen Arbeitnehmer<br />
erhöht wurden, diesem „sozialverträglichen“ Beschäftigungsabbau mit Hilfe<br />
sogenannter „59er-Regelungen“ zuzust<strong>im</strong>men (BANGEL 1993: 35). Nicht nur die<br />
finanzielle Abfederung <strong>des</strong> Rentenübergangs durch die Gewährung von Arbeitslo-<br />
sengeld erhöhte hierbei die Akzeptanz solcher Regelungen bei den älteren Beschäftigten.<br />
Vor allem die Tatsache, dass – solange keine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit<br />
vorlag – der Weg in den Ruhestand ab 60 ausschließlich über eine<br />
vorgelagerte Phase von Langzeitarbeitslosigkeit erreichbar war, ließ diesen Weg<br />
für eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern besonders attraktiv<br />
erscheinen. Darüber hinaus ist auch zu bedenken: Das deutsche Arbeitsrecht<br />
erlaubt zwar prinzipiell die Entlassung von Arbeitnehmern, jedoch sind bei der<br />
Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Kriterien zu berücksichtigen.<br />
Dadurch wird de facto die Kündigung mit zunehmendem Lebensalter und zunehmender<br />
Betriebszugehörigkeitsdauer erschwert. Aus diesem Grund erhöhte sich