Die Restrukturierung des Arbeitsmarktes im Übergang zur ...
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- 106 - Auf der Supraebene ist gerade deshalb ein konstitutiver Kulturbegriff angebracht, da in Bezug auf die Einbettung von individuellen Arbeitsvertragsarrangements vor allem folgende Frage entscheidend ist: Welches Menschenbild ist konstituierend für den modernen Lohnarbeitsmarkt? Wie Abschnitt 1.3.1 gezeigt hat, ist für die kapitalistische Marktgesellschaft insgesamt die moderne „Erfindung“ (sprich: gesellschaftliche Diffusion) des rechts- und geschäftsfähigen Einzelnen und die daran geknüpfte Definition von „freiem Eigentum“ konstituierend und daher ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Suprarahmens (auch) des Lohnarbeitsmarktes. Dieser Suprarahmen definiert jedoch nicht nur die kulturelle Basis, sondern strahlt auf die Rahmenbedingungen untergeordneter, in sie eingebetteter Ebenen aus; gleichzeitig aber verändern die Akteure in einem Rückkopplungseffekt durch ihr Handeln übergeordnete Rahmenbedingungen in umgekehrter Weise, was durch die auf- und absteigenden Pfeile in Abbildung 7 symbolisiert wird. In diesem Verständnis von „Kultur“ gilt: „First, culture constitutes rational actors, the ‚atoms‘ of the market economy. Second, ideas, cognitive technologies, and related institutions create enabling frameworks for market economies. Third, people use culture to interpret and adjust market institutions and relationships“ (DIMAGGIO 1994: 35). 1.6.3 Der Makrorahmen Der Makrorahmen ist die Ebene, die die konkrete institutionelle Umgebung beinhaltet. Abweichend von WILLIAMSON (2000) wird diese Ebene hier weiter gefasst und geht über die Setzung allein von polit-juristischen Rahmenbedingungen hinaus. Vielmehr kommt hier nun ein regulativer Kulturbegriff zur Anwendung, wie ihn SWIDLER (1986) durch ihr Bild vom „kulturellen Werkzeugkasten“ darstellt. Der Makrorahmen zeichnet sich durch eine Fülle von Regeln aus – seien es informelle Normen oder formalisierte Vorschriften und Gesetzte. Diese Regeln setzen für unterschiedliche Gruppen von Personen unterschiedliche Anreize; oder aber: Gewisse Regeln gelten nur für eine bestimmte soziale Gruppe und für andere wiederum nicht; oder aber: Individuen sind aufgrund unterschiedlicher von ihnen einzunehmender Rollen einer Vielzahl von – sich zum Teil widersprechenden – Regeln ausgesetzt: „When we notice culture differences we regognize that people do not all go about their business in the same ways; how they approach life is shaped by their culture“ (SWIDLER 1986: 284). Insofern beinhaltet der Supra-
- 107 - rahmen (Ebene 1) die allgemeine kulturelle Basis gesellschaftlichen Handelns, während der Makrorahmen (Ebene 2) die speziellen kulturellen Regeln (sprich: Institutionen) beinhaltet, an denen sich das individuelle Handeln ausrichtet bzw. durch die das individuelle Handeln reguliert wird. Es gibt vielfältige Versuche, die Einflüsse von Institutionen auf den Arbeitsmarkt bzw. die Arbeitsmarktakteure zu typisieren und dadurch bspw. nationalspezifische Unterschiede in Vergangenheit und Gegenwart zu verdeutlichen. Eine der einflussreichsten Typisierungen stammt von Esping-Andersen. ESPING-ANDERSENS (1990) unterscheidet drei Typen von „Wohlfahrtsstaatsregimen“ („liberaler Wohlfahrtsstaat“, „konservativ-korporatistischer Wohlfahrtsstaat“ und „sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaat“), wobei er Deutschland der Gruppe konservativkorporatistischer Wohlfahrtsstaaten zuordnet. Bei dieser Typisierung ist das Hauptaugenmerk auf das antagonistische Verhältnis von „Markt“ auf der einen und „Staat“ auf der anderen Seite gerichtet. Während der Markt die (vollkommene) „Vermarktlichung“ („Kommodifizierung“) des Menschen anstrebe, wirke der (Wohlfahrts)Staat als Gegengewicht, indem er bspw. durch die Gestaltung von Bürgerrechten eine „Entmarktlichung“ („De-Kommodifikation“) ermögliche. Für eine Beschreibung der Einflüsse der Makroebene auf den Arbeitsmarkt, ist dieses Verständnis von „politics against markets“ (ESPING-ANDERSEN 1985) allerdings allein kaum ausreichend. „Komplizierter – damit aber auch realistischer – wird das Bild [...], wenn man Wohlfahrtsstaaten nicht nur als Form und Funktion des Verhältnisses zwischen Bürger und Markt bzw. Bürger und Staat, sondern das Beziehungsgeflecht der Bürger untereinander in die Betrachtung einbezieht“ (LESSENICH 1998: 99). Diese Kritik führt zum eigentlichen, im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit relevanten Punkt: Das Wohlfahrtsstaatskonzept ist allein an der Distribution und an den länderspezifischen Unterschieden der Distributionsorganisation interessiert; Distribution ist für den Arbeitsmarkt aber nur insofern von Bedeutung, als dadurch wiederum spezifische Allokationsanreize für die Arbeitsmarktakteure gesetzt werden. Die Konzeption des Wohlfahrtsstaatsregimes ist daher als alleinige Typisierung von Einflüssen auf der Makroebene nicht hinreichend. Allerdings sind staatliche Eingriffe selbstverständlich von Belang für die Allokationsentscheidung der Arbeitsmarktakteure. Daher ist der Begriff des „Politikregimes“ (NASCHOLD 1997: 28ff) hier vorzuziehen, der die allokative
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wesentlicher Bestandteil <strong>des</strong> kulturellen Suprarahmens (auch) <strong>des</strong> Lohnarbeitsmarktes.<br />
<strong>Die</strong>ser Suprarahmen definiert jedoch nicht nur die kulturelle Basis,<br />
sondern strahlt auf die Rahmenbedingungen untergeordneter, in sie eingebetteter<br />
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durch ihr Handeln übergeordnete Rahmenbedingungen in umgekehrter Weise,<br />
was durch die auf- und absteigenden Pfeile in Abbildung 7 symbolisiert wird.<br />
In diesem Verständnis von „Kultur“ gilt: „First, culture constitutes rational actors,<br />
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related institutions create enabling frameworks for market economies. Third,<br />
people use culture to interpret and adjust market institutions and relationships“<br />
(DIMAGGIO 1994: 35).<br />
1.6.3 Der Makrorahmen<br />
Der Makrorahmen ist die Ebene, die die konkrete institutionelle Umgebung beinhaltet.<br />
Abweichend von WILLIAMSON (2000) wird diese Ebene hier weiter gefasst<br />
und geht über die Setzung allein von polit-juristischen Rahmenbedingungen hinaus.<br />
Vielmehr kommt hier nun ein regulativer Kulturbegriff <strong>zur</strong> Anwendung, wie<br />
ihn SWIDLER (1986) durch ihr Bild vom „kulturellen Werkzeugkasten“ darstellt.<br />
Der Makrorahmen zeichnet sich durch eine Fülle von Regeln aus – seien es informelle<br />
Normen oder formalisierte Vorschriften und Gesetzte. <strong>Die</strong>se Regeln<br />
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aber: Gewisse Regeln gelten nur für eine best<strong>im</strong>mte soziale Gruppe und für andere<br />
wiederum nicht; oder aber: Individuen sind aufgrund unterschiedlicher von<br />
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– Regeln ausgesetzt: „When we notice culture differences we regognize that<br />
people do not all go about their business in the same ways; how they approach life<br />
is shaped by their culture“ (SWIDLER 1986: 284). Insofern beinhaltet der Supra-