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Büchereiperspektiven 1/21: Bibliotheken bleiben. Aus der Krise in die Zukunft

In der Pandemie hat sich verändert, wie Menschen in der Bibliothek arbeiten, welche Dienste dort angeboten und wie diese genutzt werden. Bibliotheken haben Flexibilität bewiesen – und werden in Zukunft mehr denn je gebraucht.

In der Pandemie hat sich verändert, wie Menschen in der Bibliothek arbeiten, welche Dienste dort angeboten und wie diese genutzt werden. Bibliotheken haben Flexibilität bewiesen – und werden in Zukunft mehr denn je gebraucht.

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BIBLIOTHEKEN BLEIBEN I ERFAHRUNGSBERICHTE<br />

<strong>Büchereiperspektiven</strong> 1/<strong>21</strong><br />

18<br />

länger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Warteschleife waren o<strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den Zeiten<br />

<strong>der</strong> Pandemie als nützlich erwiesen haben, darunter<br />

digitale Projekte o<strong>der</strong> etwa <strong>der</strong> Lieferservice. Dabei hat<br />

<strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> unserer neu eröffneten<br />

Bibliothek noch ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Tag „normalen“ Bibliotheksbetrieb<br />

erlebt, bis heute nicht. Vielleicht haben sie<br />

auch nur nicht gewusst, was alles eigentlich nicht möglich<br />

ist … Hilfreich als Führungskraft ist es, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Bild von<br />

den E<strong>in</strong>zelnen zu haben und e<strong>in</strong>e Idee davon zu bekommen,<br />

welche Möglichkeiten noch im Verborgenen schlummern.<br />

Regelmäßig mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reden, sich über Erfahrungen zur<br />

Bibliothek austauschen, <strong>die</strong> eigenen Wünsche und Bil<strong>der</strong><br />

zur Bibliothek mitteilen, das gibt Orientierung, macht Lust<br />

aufs Experimentieren und eröffnet Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

E<strong>in</strong>e Kultur des Vertrauens zu etablieren heißt auch,<br />

<strong>die</strong> eigenen Entscheidungen transparent zu machen und<br />

den S<strong>in</strong>n dah<strong>in</strong>ter zu erklären. Damit lade ich das Team<br />

dazu e<strong>in</strong>, sich aktiv <strong>in</strong> den Arbeitsprozess e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,<br />

kreative Lösungen zu entwickeln und wohlwollend-kritisch<br />

Position zu beziehen.<br />

Fehlerkultur etablieren<br />

Die Pandemie hat uns deutlich gemacht, dass <strong>Bibliotheken</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Zeiten an<strong>der</strong>e Angebote kreieren o<strong>der</strong> ihre Angebote<br />

auf an<strong>der</strong>e Art und Weise vermitteln müssen, wenn<br />

sie weiterh<strong>in</strong> für <strong>die</strong> Menschen vor Ort von Nutzen se<strong>in</strong><br />

wollen. Die Erlaubnis für das Team, Neues auszuprobieren,<br />

erweitert den Möglichkeitsspielraum, gibt Freiheit und<br />

Sicherheit auch <strong>in</strong> unsicheren Zeiten. Versuch und Irrtum<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Begleiter auf <strong>die</strong>sem Weg. Damit Entwicklung und<br />

Lernen möglich s<strong>in</strong>d, benötigt das Team e<strong>in</strong>en sicheren<br />

Rahmen. Es empfiehlt sich, e<strong>in</strong>en konkreten Zeitpunkt zu<br />

vere<strong>in</strong>baren, zu dem <strong>die</strong> neuen Angebote evaluiert werden.<br />

Sich und den an<strong>der</strong>en <strong>die</strong> Freiheit zu erlauben, Fehler<br />

zu machen und aus ihnen zu lernen, ist e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Bed<strong>in</strong>gung für gel<strong>in</strong>gende Bibliotheksarbeit gerade auch <strong>in</strong><br />

<strong>Krise</strong>nzeiten. Darüber h<strong>in</strong>aus benötigt auch <strong>die</strong> Bibliotheksleitung<br />

den Spielraum, an<strong>der</strong>e Wege zu beschreiten: Klassisches<br />

Bibliotheksmanagement ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pandemie nicht<br />

möglich, weil Jahres- und Budgetplanungen nur bed<strong>in</strong>gt<br />

greifen, Unklarheiten und Wi<strong>der</strong>sprüche tägliche Begleiter<br />

s<strong>in</strong>d und <strong>die</strong> Treffsicherheit von Entscheidungen nur auf<br />

Momentaufnahmen basiert. So wird es zum Lernprozess<br />

des gesamten Teams, bei <strong>der</strong> Bibliotheksarbeit Gelassenheit<br />

und Augenmaß walten zu lassen und Unsicherheiten<br />

aushalten zu lernen.<br />

Platz für Emotionen<br />

Das vergangene Jahr war e<strong>in</strong> Jahr <strong>der</strong> Emotionen: Es war<br />

e<strong>in</strong> Jahr des Abschiednehmens, <strong>der</strong> Trauer um verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

Möglichkeiten und Entwicklungen, sei es persönlich o<strong>der</strong><br />

im bibliothekarischen Arbeitsalltag. Ob wir wollen o<strong>der</strong><br />

nicht, s<strong>in</strong>d wir im Bibliotheksalltag mit starken Gefühlen<br />

konfrontiert – sowohl im Team als auch im Kontakt mit den<br />

LeserInnen. Der Umgang mit Gefühlen wie Trauer o<strong>der</strong><br />

Angst – Angst vor dem Sterben, <strong>der</strong> Ansteckung, dem Jobverlust<br />

– ist e<strong>in</strong> Gradmesser für gel<strong>in</strong>gende Zusammenarbeit.<br />

Gefühle anzuerkennen und <strong>die</strong> Erlaubnis, darüber<br />

zu reden, ja <strong>die</strong>se bewusst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Teamsitzung zur Sprache<br />

zu br<strong>in</strong>gen, erweitern das Verständnis für sich selbst,<br />

füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong> als Team und darüber h<strong>in</strong>aus den Handlungsspielraum<br />

bei den zu erledigenden Aufgaben. Angst – oft<br />

<strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Scham – blockiert Entwicklungen und<br />

Lernen. Lernen ist immer verknüpft mit Emotionen; <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Pandemie s<strong>in</strong>d wir darauf angewiesen, uns stetig neu zu<br />

orientieren und unser Wissen zu erweitern. Solche Lernprozesse<br />

zu ermöglichen und zu klären, welche Faktoren dabei<br />

eher h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich o<strong>der</strong> eher hilfreich s<strong>in</strong>d, bieten Orientierung<br />

und unterstützen <strong>die</strong> Selbststeuerung.<br />

Übung <strong>in</strong> Solidarität<br />

Wie gel<strong>in</strong>gt das Bibliotheksleben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pandemie – und<br />

auch danach? Gut auf sich und an<strong>der</strong>e zu achten kommt <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sen Zeiten e<strong>in</strong>e existenzielle Bedeutung zu – im Umgang<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Bibliothekteams und genauso im Umgang mit<br />

den LeserInnen: Wie halten wir es beispielsweise mit <strong>der</strong><br />

Maskenpflicht, wann schreiten wir e<strong>in</strong>: Wenn <strong>die</strong> Maske<br />

gar nicht auf ist? Ist auf Halbmast o.k.? Und was darf sich<br />

<strong>der</strong> Liebl<strong>in</strong>gsleser o<strong>der</strong> <strong>die</strong> nette Kolleg<strong>in</strong> <strong>die</strong>sbezüglich<br />

erlauben? Mutig und klar Verantwortung zu übernehmen,<br />

Stellung zu beziehen und solidarisches Handeln e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n<br />

ist e<strong>in</strong>e vielversprechende Variante. Das können wir<br />

täglich üben. Denn <strong>Bibliotheken</strong> s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>e Orte, <strong>die</strong><br />

auch <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> geschützt werden wollen: als sichere Orte,<br />

als demokratische Orte, als offene Orte für möglichst viele<br />

Menschen.<br />

Ulrike Unterthurner ist Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadtbibliothek Dornbirn.<br />

https://stadtbibliothek.dornbirn.at

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