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Büchereiperspektiven 1/21: Bibliotheken bleiben. Aus der Krise in die Zukunft

In der Pandemie hat sich verändert, wie Menschen in der Bibliothek arbeiten, welche Dienste dort angeboten und wie diese genutzt werden. Bibliotheken haben Flexibilität bewiesen – und werden in Zukunft mehr denn je gebraucht.

In der Pandemie hat sich verändert, wie Menschen in der Bibliothek arbeiten, welche Dienste dort angeboten und wie diese genutzt werden. Bibliotheken haben Flexibilität bewiesen – und werden in Zukunft mehr denn je gebraucht.

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BIBLIOTHEKEN BLEIBEN I LERNEN AUS DER KRISE<br />

FOTO: MARCO ZIELSKE/MÜNCHNER STADTBIBLIOTHEK<br />

vaten Zugriff auf digitale Infrastrukturen verloren während<br />

<strong>der</strong> Lockdowns mith<strong>in</strong> mehr als nur e<strong>in</strong>en Ort, den Zugang<br />

zur gewussten Welt nämlich. E<strong>in</strong> gefundenes Fressen für<br />

Verschwörungsideologen.<br />

Hoffnungsträger Buch<br />

Auch <strong>Bibliotheken</strong> gewahrten, und davon ist überraschend<br />

selten <strong>die</strong> Rede, e<strong>in</strong>e bis dato nie erlebte Beschneidung<br />

ihres Me<strong>die</strong>nbestands. In <strong>der</strong> Münchner Stadtbibliothek<br />

sprechen wir beispielsweise von zwei Millionen Me<strong>die</strong>n,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong>sgesamt über fünf Monate schlichtweg nicht verfügbar<br />

waren für <strong>die</strong> Stadtgesellschaft. Immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Drittel<br />

(März 2020) beziehungsweise knapp <strong>die</strong> Hälfte (Dezember<br />

2020) davon war jeweils außer Haus; wie wohl alle an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Bibliotheken</strong> hatte auch <strong>die</strong> Münchner Stadtbibliothek an<br />

den jeweils letzten Tagen vor e<strong>in</strong>er Schließung enorme <strong>Aus</strong>leihzahlen<br />

zu verzeichnen. Das Buch sche<strong>in</strong>t also weiterh<strong>in</strong><br />

etwas zu se<strong>in</strong>, an das man <strong>in</strong> schwierigen Zeiten große<br />

Hoffnungen knüpft.<br />

Crashkurs im Digitalen<br />

Wohl wissend, dass damit vielleicht neue Zielgruppen<br />

erreicht werden, bestehende jedoch nicht mehr, haben<br />

<strong>Bibliotheken</strong> während <strong>der</strong> Schließzeit getan, was alle an<strong>der</strong>en<br />

auch gemacht haben. Sie haben ihre Angebote so weit<br />

wie möglich <strong>in</strong>s World Wide Web verlagert. Veranstaltungen<br />

wurden auf YouTube gestreamt, Schulungen als Videokonferenzen<br />

angeboten, Bücher <strong>in</strong> Form von E-Books verliehen:<br />

e<strong>in</strong> längst fälliger Crashkurs <strong>in</strong> digitaler Vermittlung, <strong>der</strong><br />

viel Gutes <strong>in</strong> Bewegung gebracht hat. Mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

umstandslos nahmen viele <strong>Bibliotheken</strong> vorübergehend<br />

kostenlose Digitalabonnements <strong>in</strong>s Portfolio auf – im vollen<br />

Bewusstse<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> <strong>in</strong> Angelegenheiten digitaler Leihe<br />

längst aufgebrachte Buchbranche das nicht wi<strong>der</strong>spruchslos<br />

h<strong>in</strong>nehmen wird. Noch schwerer wog offenkundig ihr<br />

Bewusstse<strong>in</strong> ihrer sozialen Aufgabe: den Zugang zu Information,<br />

Wissen und Unterhaltung bestmöglich zu gewährleisten.<br />

Gelohnt hat es sich zudem, denn <strong>die</strong> Zahlen <strong>der</strong><br />

digitalen Leihe stiegen, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Münchner Stadtbibliothek,<br />

deutlich und <strong>bleiben</strong> auch weiterh<strong>in</strong> auf signifikant<br />

erhöhtem Niveau.<br />

nicht nur <strong>in</strong> <strong>Bibliotheken</strong>, bestätigen <strong>in</strong> Umfragen und Interviews,<br />

dass sie an digitalen Formaten festhalten werden,<br />

auch wenn Veranstaltungen <strong>in</strong> Präsenz wie<strong>der</strong> möglich se<strong>in</strong><br />

werden. Öffentliche <strong>Bibliotheken</strong> haben dabei noch etwas<br />

gelernt: Die Grenzen ihrer Kommune s<strong>in</strong>d nicht <strong>die</strong> Grenzen<br />

ihrer Welt. Onl<strong>in</strong>e-Veranstaltungen erlauben mehr Teilnehmende<br />

und können zudem ortsunabhängig besucht werden.<br />

Und so erlebten viele <strong>Bibliotheken</strong> durch Veranstaltungen<br />

<strong>in</strong> virtuellen Räumen erfreuliche Reichweitensteigerungen,<br />

sowohl numerisch als auch räumlich. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>art überregionale<br />

Sichtbarkeit, <strong>die</strong> öffentliche <strong>Bibliotheken</strong> bislang nur<br />

durch vorbildliche Bauprojekte o<strong>der</strong> Social-Media-Kanäle<br />

erreicht haben, ist zweifellos e<strong>in</strong>e neue Erfahrung für <strong>die</strong><br />

bibliothekarische Programmarbeit.<br />

Spielort <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

Welche Chancen das birgt, lässt sich erst erahnen. Im<br />

März 20<strong>21</strong> hat <strong>die</strong> Münchner Stadtbibliothek <strong>die</strong> deutschsprachigen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und JugendbibliothekarInnen zu e<strong>in</strong>er<br />

Videokonferenz über <strong>die</strong> Programmarbeit unter pandemischen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>geladen; <strong>der</strong> enorme Zuspruch <strong>der</strong><br />

70 Teilnehmenden macht e<strong>in</strong>drücklich kenntlich, wie groß<br />

<strong>der</strong> Bedarf an <strong>Aus</strong>tausch über kommunale, fö<strong>der</strong>ale und<br />

nationale Grenzen h<strong>in</strong>weg ist. Auch geme<strong>in</strong>same Veranstaltungen<br />

– etwa <strong>die</strong> Diskussion über „Corona-Uns<strong>in</strong>n im<br />

Netz“ <strong>der</strong> Münchner Stadtbibliothek <strong>in</strong> Kooperation mit<br />

<strong>der</strong> Stadtbibliothek Köln und <strong>der</strong> Süddeutschen Zeitung im<br />

Mai 2020 – ergaben plötzlich S<strong>in</strong>n, nicht nur aus Kostengründen,<br />

nicht nur aus Gründen <strong>der</strong> Reichweite. Son<strong>der</strong>n<br />

weil öffentliche <strong>Bibliotheken</strong> ihrer kommunalen Aufgabe<br />

auch dadurch gerecht werden, dass sie neue Wege für den<br />

<strong>Aus</strong>tausch zwischen Städten und Kommunen eröffnen.<br />

Schließlich wächst <strong>der</strong>en Bedeutung nicht nur h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Pandemiebekämpfung, son<strong>der</strong>n auch als Akteure e<strong>in</strong>es<br />

nachhaltigen Wandels – während das fö<strong>der</strong>ale System<br />

aktuell e<strong>in</strong>e riskante Trägheit offenbart. Demokratie, Diversität,<br />

Digitalisierung: Die gesellschaftliche Resilienz wird<br />

sich nicht im Bundestag beweisen müssen. Son<strong>der</strong>n vor<br />

Ort. In <strong>der</strong> Bibliothek zum Beispiel.<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Welt<br />

Als nachhaltig im besten S<strong>in</strong>ne hat sich auf dem Weg zum<br />

digitalen dritten Ort auch <strong>die</strong> Digitalisierung <strong>der</strong> Programmarbeit<br />

erwiesen. Viele Kultur- und BildungsakteurInnen,<br />

Katr<strong>in</strong> Schuster ist Referent<strong>in</strong> <strong>der</strong> Direktion <strong>der</strong> Münchner Stadtbibliothek.<br />

www.muenchner-stadtbibliothek.de<br />

<strong>Büchereiperspektiven</strong> 1/<strong>21</strong><br />

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