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SERIE X 0 59
auch meine Mutter hat ganz herkömmlich
gekocht. Auf einmal stand ich da und dachte:
jetzt hast du nur noch … Blumenkohl.
Das größtenteils vegetarische Essen im Radieschen
war für mich anfänglich recht gewöhnungsbedürftig.
Aber der gebackene
Schafskäse, der hat total klasse geschmeckt.
Und der Milchreis war der absolute Knaller!
Nein, das Essen im Radieschen war
schon richtig gut. Die Aufläufe und alles war
selbst gekocht, kein Convenience-Food. Das
Highlight für mich war immer der Kartoffel-Lauch-Auflauf.
Und auch die Rote Grütze,
alles selbst gemacht, niemals Fertigprodukte.
Ich hatte zu Beginn noch gar nicht den
Weitblick, mich zu fragen, was hinter einem
vegetarischen Restaurant eigentlich für
eine Idee steckt. Das finde ich rückblickend
schade.
Viele meine Kolleginnen haben damals
Birkenstock-Gesundheitsschuhe getragen.
Also, das war ich ja überhaupt nicht. Ich
komme eher aus der Cowboystiefel-Generation.
Man kann sich gut vorstellen, wie
meine Schritte auf dem Holzfußboden des
Radieschens klangen. Aber diese Gesund-
Oben: Das Radieschen kurz vor der Öffnung. Links: Die Hard-Rock-Crew Marlies und Ulfert bereitet sich im Radieschen auf den
Abend vor (1987). Rechts: Norbert Walter im Plausch mit seinen Gästen. Unten: Chrissi spaziert aus der Küche.
heitslatschen wollte ich damals nicht tragen.
Obwohl, heute finde ich die total gut! Das
war wirklich eine völlig neue Welt für mich.
Es gab im Radieschen das Ritual, dass
wir, bevor wir mittags öffneten, uns um elf
Uhr zum gemeinsamen Frühstück trafen.
Der Fenstertisch wurde nett gedeckt, dann
wurden vom Bäcker frische Seelen (ganz
besonders tolle Brötchen, d.Red.) und von
Feinkost Kolata leckerer Aufschnitt geholt.
Es war ja nicht so, dass wir gar kein
Fleisch gegessen hätten. Aber jede Form
von Fast Food war bei uns verpönt. Und es
waren eben nur gesunde Sachen, die wir jeden
Tag gegessen haben. Alle Mitarbeiterinnen
durften verzehren, was sie wollten. Essen
und Trinken war grundsätzlich frei, und
zwar nicht nur während der Arbeitszeit. Das
war alles sehr entspannt und großzügig von
Norbert.
Nach dem Frühstück wurde schnell abgeräumt,
denn um 12 Uhr musste das Radieschen
geöffnet werden. Von 12 bis 24 Uhr
war durchgehend Betrieb. Morgens ging es
für uns natürlich schon früher los, denn es
mussten ja Vorbereitungen getroffen und geputzt
werden. Deshalb haben wir immer in
zwei Schichten gearbeitet. Nachmittags war
die Küche geschlossen, aber dann gab es den
besten Kuchen der Welt, der jeden Tag frisch
gebacken wurde. Die Gäste konnten kaum
abwarten, bis der Kuchen wenigstens et-